INTERVIEW: WIE FORSCHUNG SPASS MACHT SCHLANKER...
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DAS INNOVATIONSMAGAZIN
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DEZEMBER 2016
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INTERVIEW: WIE FORSCHUNG SPASS MACHT
WÄRMEDÄMMUNG: WARUM SCHLANKER BESSER IST
MOTOR
FÜR
EFFIZIENZ*
Wir wissen, was die Zukunft bringt.Schließlich beliefern wir sie.
Evonik ist der kreative Industriekonzern aus Deutschland. Mit Ideenreichtum, mit Spezialchemie und mit unserer strategischen Innovationseinheit Creavis liefern wir die Lösungen, die unsere Welt von morgen prägen werden – von Kosmetik bis 3D-Druck. Unser Know-how und unsere klare Vision von der Zukunft machen uns zu einem verläss-lichen Partner für Industrie und Investoren. Gerne auch für Sie. Besuchen Sie die Zukunft unter www.creavis.de.
EVO-CM-010-16 | Kunde: Evonik | Motiv: Creavis, Turm, deutsche Version, neue CI | Format: 230 x 300 mm | Beschnitt: 3 mmFarbprofil: ISO Coated v2 (ECI) (CMYK) | Titel: Elements, deutsche Ausgabe | ET: kurz vor Weihnachten | Bearbeitet: marcoreuke | Stand: 19.10.2016
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ELEMENTS #57 DAS INNOVATIONSMAGAZIN VON EVONIK ELEMENTS #57 DAS INNOVATIONSMAGAZIN VON EVONIK
Know-how statt RohstoffeWürden Sie ein Auto fahren, das 40 Liter Benzin auf 100 Kilometer braucht? Wohl eher nicht. Anders verhält es sich beim Wohnen: Das Umweltbundesamt schätzt, dass sich der Primärenergiebedarf eines Gebäudes durch energetische Sanierung um bis zu 90 Prozent senken lässt. Immerhin 28 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs werden durch Gebäude verursacht, in der westlichen Welt sind es sogar 45 Prozent.
Eine solch ineffiziente Nutzung von Ressourcen geht zulasten von Ökologie und Ökonomie. Für Evonik mit seinen großen Stoff und Energieströmen ist maximale Wertschöpfung bei minimalem Rohstoffeinsatz daher Pflicht. Und mehr noch: Unser Segment Resource Efficiency produziert nicht nur ressourceneffizient, sondern verkauft auch Ressourceneffizienz. Seine Produkte helfen, Energien und Rohstoffe zu sparen oder die Lebensdauer von Konsumgütern zu verlängern.
Wie das Segment auch künftig dazu beitragen will, war Thema unseres Forums Evonik Meets Science. Auf der Agenda für mehr Ressourceneffizienz durch Technologien von Evonik standen zum Beispiel Weiterentwicklungen im Bereich Mobilität. Schon heute lässt sich der Kraftstoffverbrauch mit dem SilicaSilan System für Reifen um bis zu acht Prozent und mit innovativen Additiven für Schmierstoffe um bis zu vier Prozent senken. Dass Ressourceneffizienz ohne Katalysatoren kaum möglich ist, zeigte Prof. Dr. Matthias Beller an vielen Beispielen. Prof. Beller ist einer der weltweit führenden Katalyseforscher, den wir jetzt mit unserer FriedrichBergiusLecture gewürdigt haben.
Wie bei Evonik Meets Science dreht sich auch in diesem Heft alles um Ressourceneffizienz. So vielfältig die Projekte sind, die wir hier vorstellen, haben sie doch eines gemeinsam: Sie setzen auf verschwenderischen Umgang mit Knowhow, nicht mit Rohstoffen.
EDITORIAL
INHALTDr. Ulrich Küsthardt Chief Innovation Officer Evonik Industries AGulrich.kuesthardt @evonik.com
Sechs Chemiker, sechs Wege, ein Ziel Seite 34
Feedback Sagen Sie uns Ihre Meinung zu elements:[email protected]
Additive Manufacturing Wo 3D-Druck Chancen für die Serienfertigung bietetGastkommentar Prof. Dr.-Ing. Gerd Witt über die Herausforderungen beim Additive ManufacturingThermal Insulation Wieso dünne Wärmedämm-platten vor Brand schützenInterview Dr. Gerd Löhden über die Innovationsstrategie des Seg-ments Resource EfficiencyFriction & Motion Wie Reibungsverluste weiter verringert werden sollenEvonik Meets Science Wie Hochschulkooperatio-nen das Thema Ressourcen-effizienz voranbringenSurface Solutions Womit Holz- und Kunststoff-oberflächen lange glänzenEvonik-Innovationspreis Die FinalistenInnovationsnetzwerk Wo Resource Efficiency forscht und entwickelt
Corporate Foresight Zero Cost Energy Data Mining Friction & Motion Company News Professionals Chemiker karrieren Wunschzettel Prof. Dr. Wolfgang M. Heckl Lesetipps | Impressum
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Wir wissen, was die Zukunft bringt.Schließlich beliefern wir sie.
Evonik ist der kreative Industriekonzern aus Deutschland. Mit Ideenreichtum, mit Spezialchemie und mit unserer strategischen Innovationseinheit Creavis liefern wir die Lösungen, die unsere Welt von morgen prägen werden – von Kosmetik bis 3D-Druck. Unser Know-how und unsere klare Vision von der Zukunft machen uns zu einem verläss-lichen Partner für Industrie und Investoren. Gerne auch für Sie. Besuchen Sie die Zukunft unter www.creavis.de.
EVO-CM-010-16 | Kunde: Evonik | Motiv: Creavis, Turm, deutsche Version, neue CI | Format: 230 x 300 mm | Beschnitt: 3 mmFarbprofil: ISO Coated v2 (ECI) (CMYK) | Titel: Elements, deutsche Ausgabe | ET: kurz vor Weihnachten | Bearbeitet: marcoreuke | Stand: 19.10.2016
Glänzende Aussichten für lackierte Holz- und Kunst-stoff oberflächen Seite 30
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EINLEGESOHLEN AUS DEM 3D-DRUCKER
Das kanadische Start-up Wiivv Wearables, an dem Evonik über seine Venture- Capital-Einheit beteiligt ist, setzt den 3D-Druck für die individualisierte
Massenproduktion von biomechanisch optimierten Einlegesohlen ein.
polsternde Deckschicht
Antirutsch-Pad
Silikonkissen zur Stabilisierung
3D-gedruckte Polyamidsohle
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GLOBAL CHALLENGES: ADDITIVE MANUFACTURING
ELEMENTS #57 DAS INNOVATIONSMAGAZIN VON EVONIK
ERFOLGE IN SERIE
Polyamide sind hart im Nehmen und deshalb beliebt als Konstruktionswerkstoff oder in Beschichtungen. Sie
können aber noch mehr: Experten im Geschäftsgebiet High Performance Polymers entwickeln spezielle
Polyamidpulver für werkzeuglose 3D-Druckverfahren. Damit werden komplexe Formen und individualisierte
Objekte in der Serienproduktion möglich.
Von Wolfgang Diekmann, Thomas Große-Puppendahl und Sylvia Monsheimer
Ein Paradigmenwechsel ist im Gang in den Fertigungsstätten der Industrie: Normalerweise muss Kunststoffmaterial ge-schmolzen und in vorgegebene Formen gegossen oder gepresst
werden, damit ein entsprechendes Element entsteht. Sogenannte additive Verfahren setzen da an, wo die Formgebung an ihre Grenzen stößt: Auf Basis eines digitalen, dreidimensionalen Bauplans wird Material schichtweise auf eine Grundfläche aufge-tragen. Nach jeder Lage senkt sich die Flä-che um Bruchteile eines Millimeters ab, und eine weitere Schicht wird hinzugefügt. In-nerhalb kurzer Zeit entsteht ein räum liches Gebilde, das der digitalen Vorgabe exakt entspricht – ohne spezielle Werkzeuge, ohne große Nachbearbeitung.
Bislang kamen additive Prozesse – meist spricht man vom 3D-Drucken – vor allem für Prototypen und Modelle zum Einsatz. Die Vorteile liegen auf der Hand: Ist das Ergebnis nicht optimal, wird schlicht der Datensatz geändert und neu gedruckt. Auch überall dort, wo Produkte nur in kleinen Stück-zahlen benötigt werden, ist die herkömm-liche Fertigung in der Regel zu aufwendig und zu teuer. Beispiele dafür sind Kompo-nenten für Fahrzeuge mit Sonderausstat-tung, Gehäuse für Spezial maschinen, aber auch Greifer für Roboter, die wechselnde und empfindliche Gegenstände transpor-tieren und verpacken sollen.
Flugzeugbau und Medizintechnik treiben 3D-DruckSeit wenigen Jahren etabliert sich die neue Art der Formgebung auch in der Serien-fertigung. Zu den wichtigsten Treibern ge-hören Flugzeugbau und Medizintechnik. Beim Flugzeugbau müssen Teile leicht, sehr kompakt, hochfunktional und zu-dem hitze beständig sein. Sowohl Boeing als auch Airbus setzen bereits Komponenten aus dem Drucker ein: Mehr als 30 Bauteile des 787 Dreamliner von Boeing werden laut dem Berater Terry Wohlers durch selektives Laser sintern hergestellt. Airbus hat bereits erfolgreich einen bionisch geformten Kabi-nenhalter im 3D-Druck gefertigt. Er dient dazu, den Crew-Ruheraum an Bord des neuen Langstreckenflugzeugs A350 XWB zu befestigen, und ist seit 2014 im Einsatz.
In der Medizintechnik spielt ein anderer Faktor eine Rolle: Kein Mensch gleicht dem anderen. Daher müssen Prothesen, Hilfs-mittel oder auch Operationsgeräte individu-ell vermessen und angepasst werden. Über 3D-Druck entstehen beispielsweise kleine Bohr- und Sägehilfen für Knieoperationen oder Hörgeräte.
Für Kunststoffe ist die additive Fertigung ein vielversprechender Markt. Sie sind be-ständig, leicht schmelzbar, in ihren Eigen-schaften ausgesprochen variabel und
Attraktives Wachstum
Laut Prognosen wächst der Markt für 3D-Druck jährlich um circa 25 %. Treiber sind Technologien auf Basis von Kunststoffpulver, wie selektives Lasersintern, und auf Basis von Metall.Quelle: A. T. Kearney
Umsatz 3D-Druck in Mrd. US-$
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GLOBAL CHALLENGES: ADDITIVE MANUFACTURINGGLOBAL CHALLENGES: ADDITIVE MANUFACTURING
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schmilzt. Die Dicke der einzelnen Schicht liegt in der Regel bei 0,10 bis 0,12 Millime-tern, der Zuwachs pro Stunde bei zwei bis vier Zentimetern.
Zu diesen Verfahren gehört das selektive Lasersintern, bei dem ein Laser die Bauteile erzeugt. Das selektive Heizschmelzen (SHS) nutzt statt des Lasers einen thermischen Druckkopf. Relativ neu ist das High Speed Sintering (HSS). Hier wird das Pulver mit einer energieabsorbierenden Tinte bedruckt und unter Infrarotlicht erwärmt. Der Vorteil dieser Sinterprozesse liegt darin, dass ex-terne Stützstrukturen auch bei auskragen-den Segmenten überflüssig sind. Vielmehr gibt das umliegende Pulver dem in die Höhe wachsenden Bauteil ausreichend Halt und wird nach der Fertigung aufbereitet und er-neut eingesetzt.
Neue Polyamide für moderne SinterverfahrenPolyamid 12 ist auch das Material der Wahl für ein neues Verfahren des amerikanischen IT-Konzerns HP Inc. (ehemals Hewlett-
loten daher im Moment aus, wo die Grenzen der Wirtschaftlichkeit herkömmlicher Ver-fahren liegen und für welche Produkte es lohnt, auf additive Fertigung umzustellen.
In der Begeisterung über den ganz neuen Weg zu hochfunktionalen Bauteilen wird je-doch leicht übersehen, dass es nicht nur um den Faktor Zeit geht. Damit additive Verfah-ren wettbewerbsfähig und wirtschaftlich werden, spielen andere Punkte ebenfalls eine entscheidende Rolle: Wie reproduzier-bar sind die Eigenschaften eines additiv ge-fertigten Produkts? Wo werden Standards für Material und Maschine gebraucht? Wel-che Verfahren und welche Werkstoffe setzen sich durch?
Für Bauteile aus Polyamid haben sich bis-lang pulverbasierte Verfahren (Powderbed Fusion) im Markt etabliert. Damit werden derzeit einige Serienprodukte sowie Test-bauteile und viele Funktionsprototypen hergestellt. Bei diesen Prozessen wächst die Struktur in einem Pulverbett aus Polymer-partikeln, in dem eine Energiequelle Schicht für Schicht das dreidimensionale Profil er-
damit prädestiniert für diese zukunfts-weisende Technologie. Mit Polyamid 12 (PA12) ist Evonik einer der weltweit führen-den Anbieter von Pulvern für den 3D-Druck; mit VESTAKEEP® AM 9000 bietet der Kon-zern sogar ein PEEK-Material (Poly ether-ether keton) für den Einsatz im Hochtempe-raturbereich. 2015 hat sich Evonik Zugang zu einem hochinnovativen Marktsektor der Wear ables, der am Körper getragenen Elek-tronik, verschafft: Das Unternehmen betei-ligt sich über seine Venture-Capital-Einheit an dem kanadischen Start-up Wiivv Wear-ables Inc. Wiivv produziert aus PA12 bio-mechanisch optimierte Einlegesohlen und gehört zu den Ersten, die additive Verfahren für die individualisierte Massenproduktion nutzen. Für die Sohlen erstellt eine Software anhand von Fotos zunächst eine 3D-Form des Fußes. Die Form wird dann in Daten übersetzt, die ein entsprechender Drucker sofort verarbeiten kann. Künftig sollen zu-sätzlich elektronische Sensoren in die Soh-len integriert werden. Damit lassen sich Be-wegungsabläufe etwa im Profisport erfassen und verbessern.
Schnelle Durchdringung des Markts erwartetDer digitale Schichtbau ist sauber, schnell und innovativ – er passt also perfekt in eine Industriewelt, in der jeder Cent und jede Se-kunde zählen. Entsprechend hoch sind seit Jahren die Erwartungen an die Entwicklung der werkzeuglosen Fertigung. Marktfor-scher prognostizieren, dass der Weltmarkt in den Jahren 2015 bis 2020 um circa 25 Pro-zent pro Jahr wachsen wird.
Einiges spricht tatsächlich für eine schnelle Marktdurchdringung: 3D-Drucker sind leistungsfähiger als noch vor wenigen Jahren. Erfassung, Speicherung und Verar-beitung enormer Datenmengen sind keine Hürden mehr. Auch die Palette der geeig-neten Materialien wird größer. Viele Firmen
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Die Multi-Jet-Fusion™-Technologie von HP
In den mit Pulver gefüllten Bauraum (a) werden zwei Flüssigkeiten (Agents) mit unterschiedlicher Wärme leitfähigkeit in das Pulverbett gedruckt (b, c). Die wärmeleitfähige Flüssigkeit bewirkt, dass das bedruckte Pulver unter Infrarot schmilzt und die jeweilige Schicht bildet (d). Die zweite Flüssig-keit fungiert als Detailing Agent und sorgt für scharfe Kanten und gute Oberflächenqualität (e).Quelle: HP
Pulverauftrag
verschmolzen
verschmolzen
Pulver
Pulver
Drucken des Fusing Agent
Drucken des Detailing Agent
Energie
(a) (b) (c) (d) (e)
Digitale Schichtarbeit
Das Prinzip der additiven Fertigung am Beispiel des Lasersinterns: Dabei werden die Bauteile auf Basis eines Computermodells automatisch Schicht für Schicht mit einem Laser aufgebaut. Quelle: EOS
(1) Digitales Datenmodell des Bauteils (2) Auftrag der Pulverschicht (3) Verschmelzen des Pulvers im Bauteilquerschnitt (4) Bauplattform senkt sich (5) Auftrag der nächsten Pulverschicht (6) Der Vorgang wiederholt sich, bis das Bauteil fertig ist (7) Fertiges Bauteil nach Entfernen des nicht verschmolzenen Materials
(2)(1) (3) (4) (5) (6) (7)
aufschmelzen
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Packard), das der Konzern durch sein Open Platform Program vermarktet. Die soge-nannte Multi-Jet-Fusion™- Technologie funk tioniert ganz ähnlich wie das bekannte Tintenstrahl drucken. Auf eine hauch dünne Pulverschicht tragen zahlreiche Düsen zwei verschiedene Agenzien auf: Das Fusing Agent zeichnet sehr präzise die gewünschte Form des Bauteils vor, ein zweites Hilfsmittel mar-kiert die neutrale Umgebung. Die gesamte Fläche wird dann über Infrarotlampen er-wärmt. Dabei nimmt nur das Fusing Agent die Wärme auf und gibt sie an die Pulver-partikel weiter. Sie verschmelzen zur vorge-gebenen Struktur, während das umgebende Material davon unberührt bleibt.
Die Vorteile: Der Prozess arbeitet rund zehnmal so schnell wie andere additi-ve Verfahren. Zudem schont das indirekte Aufschmelzen die Kunststoffketten, sodass die definierten Eigenschaften des Werkstoffs erhalten bleiben. Evonik wird sich an dem Open Platform Program von HP beteiligen
und weitere Pulvermaterialien für die Multi- Jet-Fusion™-Technologie bereitstellen.
Evonik hat Polymere und Additive für verschiedene 3D-Druck-Verfahren im Port-folio. Das Geschäftsgebiet High Per formance Polymers konzentriert sich aber insbeson-dere auf die Weiterentwicklung der Poly-amidpulver. Sie sind aufgrund ihrer me-chanischen Eigenschaften, der chemischen Resistenz und des hohen Schmelzpunkts ideal für derzeit verfügbare Sinterprozesse und werden am Markt weiter an Bedeutung gewinnen. Daher baut der Konzern seine Kapazitäten aktuell aus. Eine neue Pro-duktionsstraße in Marl soll ab Ende 2017 die Jahreskapazitäten für spezielle VESTOSINT® Pulver um 50 Prozent steigern.
Die Experten von High Performance Poly-mers loten das Potenzial auch anderer Poly-amide für die werkzeuglose Fertigung aus. Neu entwickelt wurde beispielsweise das Polyamid 613. Sein höherer Schmelzpunkt sorgt für besonders gute Temperatur-Fo
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3D-gedruckte Bohrhilfen, die individuell an die Anatomie des Patienten angepasst sind, erleichtern dem
Chirurgen zum Beispiel die Operation eines Knies.
SCHABLONEN NACH MASS
Führung für chirurgischen Bohrer
Knochen
Bohrschablone
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GLOBAL CHALLENGES: ADDITIVE MANUFACTURINGGLOBAL CHALLENGES: ADDITIVE MANUFACTURING
ELEMENTS #57 DAS INNOVATIONSMAGAZIN VON EVONIKELEMENTS #57 DAS INNOVATIONSMAGAZIN VON EVONIK
Quelle: Materialise
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Auf dem Weg zu einer werkzeuglosen Se-rienfertigung sind daneben noch andere Herausforderungen zu meistern. Die Wirt-schaftlichkeit der Verfahren muss deutlich gesteigert werden, beispielsweise durch höhere Recyclingraten des Materials und konstant kurze Fertigungszeiten. Die Pa-lette der verfügbaren und erprobten Werk-stoffe muss breiter werden. Auch fehlt es an scheinbar ganz simplen Erfahrungen: Sind vor- und nachgeschaltete Verarbeitungs-prozesse für 3D-Bauteile notwendig, und wie müssen sie aussehen?
Auch wenn die additive Fertigung lang-samer Fuß fassen wird als noch vor weni-gen Jahren prognostiziert – die Polymer-experten von Evonik sind entschlossen, sich konsequent jede neue Anwendung zu erobern. Das bedeutet, die Dynamik im Markt zu beobachten, Innovationen vor-anzutreiben, die eigene Kompetenz gezielt und frühzeitig einzubringen. Vor allem die Kooperationen mit Anlagenherstellern und 3D-Anwendern sieht Evonik als Tür öffner zu einem der spannendsten Zukunfts-märkte für technische Kunststoffe und Hochleistungs polymere.
Diese Mühe lohnt, denn die Richtung ist vorgegeben: Eine individualisierte und zugleich ressourcensparende Massenpro-duktion ist nur durch extrem flexible und hoch vernetzte digitale Fertigungssysteme möglich. Dazu trägt auch bei, dass Jung-forschern und Nachwuchskräften in der Industrie die Gesetze der virtuellen Welt vertraut und der feste Glaube an digitale Daten in die Wiege gelegt sind. Die Etablie-rung einer werkzeuglosen Fertigung ist da-her auf längere Sicht keine Frage, sondern Programm.
Die Experten
Wolfgang Diekmann ist im Innovations-management des Segments Resource Efficiency verantwort-lich für die Entwick-lung von Pulver-materialien für den 3D-Druck.wolfgang.diekmann @evonik.com
Thomas Große- Puppendahl leitet im Geschäftsgebiet High Performance Polymers die Produktlinie Engineered Products.thomas.grosse- [email protected]
Sylvia Monsheimer ist bei High Perfor-mance Polymers global verantwortlich für das Marktsegment Neue 3D-Druck- Technologien.sylvia.monsheimer @evonik.com
beständigkeit, zudem zeigt das Material eine exzellente Steifigkeit, verbunden mit optimaler Bruchdehnung. Produkte aus PA613 sind daher extrem fest, aber nicht spröde und somit ideal für alle Mobilitäts-anwendungen, bei denen Teile leicht und präzise, zugleich hoch belastbar und bruch-sicher sein müssen. Derzeit wird der neue 3D-Werkstoff bei Kunden bemustert. Er-folgreich getestet wurde PA613 bereits im Motorsport: Ein Luftkanal mit integriertem Wärmeschild überstand problemlos mehre-re Rennen in einem Lotus-Rennwagen.
Damit die werkzeuglose Fertigung serien-reif wird, braucht es nicht nur das richtige Material und ein schnelles Verfahren. Zu-sätzlich ist entscheidend, dass Qualität und Zuverlässigkeit der gesamten Wertschöp-fungskette sichergestellt werden. Stabile Prozesse, eine gleichbleibend hohe Qualität des Werkstoffs und reproduzierbare Eigen-schaften der gefertigten Bauteile haben aus Sicht der Anwender höchste Priorität.
Das deutsche Unternehmen EOS, Markt-führer bei Anlagen für das Lasersintern und langjähriger Partner von Evonik, hat daher im Juli 2016 eine Qualitätsinitiative gestar-tet. Sie umfasst alle technischen Faktoren von Material, Prozess und Lieferkette, die direkt Einfluss auf die Produktqualität ha-ben. Evonik beteiligt sich an dieser Initiative und wird umfassendes Know-how und be-währtes Qualitätsmanagement bei Rohstof-fen und Pulvertechnologie einbringen.
Qualität und Normen gefragt für SerienreifeOft wurde bislang vernachlässigt, dass Qualität, Normen und Standards keine An-forderungen einer alten, überholten Indus-trie sind, sondern entscheidende Faktoren auch für eine digitalisierte und ausgespro-chen dynamische Branche. Die Erarbeitung von Normen, insbesondere im internatio-nalen Kontext, braucht Zeit. In den ver-gangenen zwei Jahren wurden wichtige Spezifikationen auf den Weg gebracht, und die Zahl der verabschiedeten oder in Arbeit befindlichen Standards ist auf rund zwei Dutzend gewachsen. Allerdings gibt es für den Einsatz von Polymeren im 3D-Druck bislang erst wenige Normen, vor allem für Prüfverfahren.
»Kooperationen öffnen die Tür zu einem der spannendsten Zukunfts - märkte für Hoch-leistungspolymere.«Sylvia Monsheimer
Test bestandenDass der neue 3D-Kunststoff PA613 problemlos unter der Motorhaube verbaut werden kann, bewies ein daraus gefertigter Luftkanal mit inte-griertem Wärmeschild in einem Lotus-Renn-wagen.
Durch additive Fertigung lassen sich
komplexe drei-dimensionale Formen werkzeuglos in einem
Stück herstellen.
MEHR FREIHEIT BEIM DESIGN
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Der öffentliche Bekanntheitsgrad der 3D-Druck-Verfahren, das heißt der additiven Fertigung, ist in den vergange-
nen Jahren deutlich gestiegen. Innovative Ent-wick lungen und das Potenzial dieser Verfahren erzeugten einen medialen Hype, der teilweise überzogene Erwartungen schürte. Zudem haben viele namhafte Rating- und Beratungs unter-nehmen in der jüngeren Vergangen heit immer wieder herausgestellt, welches Potenzial die additiven Fertigungsverfahren haben, um Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft zu steigern. So prognostizierte jüngst das Markt-forschungsunternehmen IDC, dass der Industrie-zweig der additiven Fertigung in den kommenden vier Jahren seinen Umsatz verdoppeln werde.
Um dem großen Entwicklungspotenzial der Branche gerecht zu werden und auch Nutzen aus der starken öffentlichen Wahrnehmung zu ziehen, müssen aber noch verschiedene Maß-nahmen umgesetzt werden. So muss zum einen die technologische Reife der Verfahren weiter verbessert werden. Es gilt aber auch, Rahmenbedingungen zur Verwendung der addi-tiven Fertigungsverfahren zu erarbeiten. Dazu zählt beispielsweise die Sensibilisierung von Konstrukteuren, Managern und Technikern für die Stärken und Schwächen dieser Technologie als Teil von Aus- und Weiterbildungen.
Innerhalb der Produktentwicklung, vor allem der Konstruktion, muss ein Paradigmenwechsel hin zu einer funktionalen und fertigungsgerechten Gestaltung der Bauteilgeometrie erfolgen. Denn die additive Fertigung gibt neue Freiheiten in der Geometrie, indem sie zum Beispiel Hinter-schneidungen oder komplexe bionische Formen erlaubt. Zudem bietet sie die Möglichkeit, Funktionalitäten zu integrieren. So lassen sich
mehrere Bauteile in einem kombinieren, Komponenten wie Kühlkanäle direkt fertigen oder Leichtbau strukturen zur Gewichtsredu-zie rung realisieren. Entscheidend ist, dass – anders als bei konventioneller Fertigung – eine höhere Bauteilkomplexität nicht mit höheren Bauteilkosten einhergeht. Trotzdem müssen aber auch hier bestimmte Randbedingungen eingehalten werden, etwa eine optimale Orientierung innerhalb des Bauraums oder die Verwendung rechteckiger Kühlkanäle. Diese lassen sich in der additiven Fertigung einfacher realisieren als konventionelle runde Kühlkanäle und bieten dennoch den gleichen Nutzen. Die wesentliche Herausforderung besteht darin, sich von altbewährten Denkmustern und Methoden zu lösen.
Konventionelle Fertigungsverfahren werden auch weiterhin für den Großteil der industriellen Anwendungen das logische Mittel der Wahl sein, sei es unter wirtschaftlichen oder unter quali ta-tiven Aspekten. Die additive Fertigung stellt eher eine Ergänzung des vorhandenen Produktions-portfolios dar als – wie oft in den Medien dargestellt – eine Technologie, die konventionelle Fertigungsverfahren ersetzen wird.
Gastkommentar
Eine Ergänzung, kein Ersatz!von Prof. Dr.-Ing. habil. Gerd Witt
»Die Herausforderung bei der additi ven Fertigung besteht darin, sich von bewährten Denkmustern zu lösen.«
Prof. Dr.-Ing. habil. Gerd Witt ist an der Universität Duisburg-Essen In-haber des Lehrstuhls Fertigungstechnik an der Fakultät für Ingenieurwissen-schaften. Zudem ist er Vorsitzender des Fachausschusses Additive Manufactu-ring beim VDI.
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Beton
CALOSTAT®
Fassadenverkleidung
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GLOBAL CHALLENGES: THERMAL INSULATION
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Von Dr. Gabriele Gärtner
Wenn es um ungenutz-tes Einsparpotenzial für Energie geht, sind Gebäude un-schlagbar: 28 Pro-zent des weltweiten
Energieverbrauchs werden durch Gebäude verursacht, in den westlichen Ländern sind es sogar 45 Prozent. Laut Umweltbundes-amt lässt sich der Primärenergiebedarf ei-nes Gebäudes durch energetische Sanierung um bis zu 90 Prozent senken. Die EU hat ihre Richtlinien zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden entsprechend verschärft: Ab 2021 sollen zum Beispiel alle neuen Gebäu-de in der EU nahezu auf dem Niveau von Null-Energie-Häusern gebaut werden. Das sind Häuser, deren produzierte Strom- be-ziehungsweise Energiemenge rechnerisch ihrem Energieverbrauch entspricht.
Eine gute Wärmedämmung bildet die Grundlage für mehr Effizienz in Gebäu-den. Aber mit den Anforderungen an die Gebäudeeffizienz steigen auch die Schicht-dicken der Dämmmaterialien. Gerade in Innenstädten ist Platz jedoch knapp und teuer, und die Ansprüche an den Brand-schutz sind hoch. Architekten suchen daher nach schlanken Lösungen, die beides kön-nen und möglichst großen Gestaltungs-spielraum lassen. Evonik hat diesen Trend erkannt und vor knapp drei Jahren eine siliziumbasierte Wärmedämmplatte auf
den Markt gebracht, ein Halbzeug, das unter dem Namen CALOSTAT® vermarktet wird und aus synthetisch amorpher Kieselsäure besteht. Mit einer Wärmeleitfähigkeit λ von nur 0,019 W/mK gehört CALOSTAT® defini-tionsgemäß zu den Superisolatoren – es iso-liert besser als ruhende Luft, deren λ-Wert bei etwa 0,025 W/mK liegt. Im Vergleich zu konventionellen mineralischen Dämmstof-fen lässt sich daher die Dämmstärke um bis zu 50 Prozent reduzieren, um die gleiche Wirkung zu erzielen.
Neben den superisolierenden Eigenschaf-ten ist CALOSTAT® außerdem in die Bau-stoffklasse A (nicht brennbar) eingestuft – eine unschlagbare Kombination. Verant-wortlich dafür sind die mineralische Natur und die feinporige Struktur der Kieselsäu-re. Ein Fakt, der lange bekannt ist: Die syn-thetisch amorphe Kieselsäure AEROSIL® ist ein Klassiker als Isolierungsmaterial in Cerankochfeldern, deren Heizspiralen einige Hundert Grad Celsius heiß werden können. Eine nur etwa zwei Zentimeter di-cke Schicht AEROSIL® unter der Herdplatte dämmt die Hitze so weit ein, dass in un-mittelbarer Nähe elektrische Kabel verlegt werden können.
Allerdings ist das Material hydrophil: Bei Kontakt mit Wasser werden die inneren Adhäsionskräfte so stark, dass sie die fein-porige Struktur zerstören. Damit ändert das Material nicht nur seine makroskopische
SCHLANKER DÄMMENExzellente Wärmedämmung mit Brandschutz oder exzellenter Brandschutz mit Wärmedämmung? Bei CALOSTAT®, einem noch jungen Produkt von Evonik, verschwimmen die Grenzen. Es beherrscht beides gleichermaßen gut und macht dabei eine ausgesprochen schlanke Figur. Davon könnten mittelfristig auch Lacke profitieren.
Ein Superisolator
0,019W/mK beträgt die Wärmeleitfähigkeit von CALOSTAT®. Sie liegt damit deutlich niedriger als bei etablierten Dämmstoffen.
20Millimeter: Schon bei dieser Dämmstärke ist CALOSTAT® flexibel einsetzbar.
50Prozent weniger Dämm stärke bei gleicher Wirkung ermöglicht CALOSTAT® gegenüber konventionellen mineralischen Dämmstoffen.
Mit CALOSTAT® lassen sich unter anderem Fassaden systeme,
Fenster rahmen, barrierefreie Dach
terrassen, Balkone und Rollladenkästen sehr
effizient und platzsparend dämmen.
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GLOBAL CHALLENGES: THERMAL INSULATIONGLOBAL CHALLENGES: THERMAL INSULATION
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Kühl im Sommer
Die Wärmeleitfähigkeit von CALOSTAT® hängt kaum von der Temperatur ab. Es bietet deshalb Schutz auch bei sommerlichen Temperaturen.
Bestnoten bei Dämmung und Brandschutz
Durch die Kombination aus Nichtbrennbarkeit und niedriger Wärmeleitfähigkeit ist CALOSTAT® etablierten Dämmmaterialien überlegen.
ein Minimum reduziert. Die sehr kleinen Poren räume behindern zudem die Wär-meleitung durch Gas. Auch die Wärme-strahlung hat bei der CALOSTAT® Platte keine Chance.Das Material und seine feine Porenstruktur haben noch einen zweiten Vorteil: Im Un-terschied zu herkömmlichen Isolationsma-terialien ist die Wärmeleitfähigkeit kaum temperaturabhängig. CALOSTAT® verhin-dert deshalb nicht nur das Abkühlen der Innenräume im Winter, sondern auch das Aufheizen im Sommer, wenn Hausfassaden leicht Temperaturen bis zu 80 °C erreichen können. Das zahlt sich insbesondere bei Gebäuden mit leichter Paneelbauweise aus. Hier können die Innenräume im Sommer schnell überhitzen, weil nur Verschattung durch Jalousien nicht ausreicht.
Stärken bei Wohnklima und BrandschutzDer Grund, warum die Wärmeleitfähigkeit von CALOSTAT® kaum von der Tempera-tur abhängt, ist das günstige Temperatur-amplitudenverhältnis – ein komplexes Zusammenspiel von spezifischer Speicher-kapazität, Dichte und Wärmeleitfähigkeit. Es beschreibt die Phasenverschiebung der Temperaturmaxima im Wärmedurchgang durch eine Außenwand. Untersuchungen am Bayerischen Zentrum für Angewandte Energieforschung in Würzburg (ZAE) ha-ben gezeigt, dass die Wärme bei einer mit CALOSTAT® gedämmten Wand erst nach acht bis zwölf Stunden an der Innenwand ankommt, also in der Nacht. Dann ist die Außenluft abgekühlt, und durch Fenster-lüftung lässt sich ein angenehmes Wohn-klima erzeugen.
Seit dem Start der Markteinführung von CALOSTAT® im Jahr 2013 hat das Entwick-lerteam die Zeit genutzt, um sich mit den Bedürfnissen von Kunden und Endverbrau-chern auseinanderzusetzen. In zahlreichen Referenzobjekten hat es die Leistungsfähig-keit der Wärmedämmplatten demonstriert. Jüngstes Beispiel ist die Dämmung von Kel-ler- und Tiefgaragendecke in einem denk-malgeschützten Altbau in der Düsseldor-fer Altstadt, der um einen Neubau ergänzt wurde. Tiefgaragenstruktur und Sprinkler- anlage des Altbaus sollten aus Kostengrün-den erhalten bleiben, obwohl sie nur wenig Platz für Wärmedämmung und Brand-schutz boten; die Struktur des Neubaus musste entsprechend angepasst werden.
Hier konnte CALOSTAT® seine Stärken ausspielen, weil es hohen Brandschutz, gute Wärmedämmung der Kellerdecke und Frostschutz für die Sprinkleranlage auf kleinstem Raum bietet. Die Dämmschicht
Form, sondern verliert auch seine guten Dämmeigenschaften. Deshalb blieb ihm der Einsatz als Dämmmaterial in der Bau-branche bislang verwehrt.
Kernhydophobierung ebnete Weg in BaubrancheDen Durchbruch brachte eine neue Techno-logie von Evonik zur Kernhydrophobierung – dadurch wird nicht nur die Oberfläche, sondern die komplette Porenstruktur was-serabweisend. Als Folge kann Wasserdampf durch das Material diffundieren, ohne die Struktur zu zerstören oder darin zu kon-densieren. Das ebnete ihm den Weg in die Baubranche.
Außerdem ist das kernhydrophobierte CALOSTAT® auch nicht anfällig gegen Schim mel, sodass Fungizide und Biozide überflüssig sind. Die Tatsache, dass es auf mineralischen Rohstoffen basiert, erklärt nicht nur den hervorragenden Brandschutz, sondern macht das Material im Unterschied zu anderen Dämmstoffen auch recycling-fähig. Alternativ kann es im normalen Bauschutt entsorgt werden, was der hart kalkulierenden Baubranche einen Kosten-vorteil verschafft.
Grundsätzlich kommt die in der Däm-mung unerwünschte Wärmeleitfähigkeit auf drei Wegen zustande: durch Festkörper-wärmeleitung, durch Wärmetransport über Gase, der zum Beispiel bei mehrfach ver-glasten Fenstern durch Vakuum unterbun-den wird, und durch Wärmetransport über Infrarotstrahlung.
Bei CALOSTAT® werden Wärmeleitung und -transport effektiv eingeschränkt. Die Festkörpermatrix der eingesetzten Kiesel-säure ist durch eine spezielle Behandlung so konfiguriert, dass die Kontaktfläche und damit der Übertragungsweg zwischen den einzelnen Festkörperpartikeln möglichst klein ist – die Wärmeleitung wird so auf
geringe Performance
Wärmeleitfähigkeit [W/mK]
Porenbeton
CaSi Platte
Perlit Mineralwolle
GlaswolleXPS1
EPS2
PUR3
A1
A2
B1
B2
B3
0,08 0,06 0,04 0,02 0,00
PIR4Aerogele
Aerogelmatten
Phenolschaum VIP5
hohe Performance
CALOSTAT
nich
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Temperatur [° C]
Wär
mel
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ruhende Luft
CALOSTAT
Glasfaser
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Mineralfaser
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30
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1 XPS: extrudiertes Polystyrol 2 EPS: expandiertes Polystyrol 3 PUR: Polyurethan
4 PIR: Polyisocyanurat Hartschaum
5 VIP: Vakuumisolationspaneel
Legende
CALOSTAT®
Vakuumisolationspaneel (VIP)
PLEXIGLAS® Mineral
Aluminiumrahmen
Setzt neue Maßstäbe: Das von Evonik entwickelte Isolationspaneel ist nur 12 cm dick, was sich z. B. bei der energetischen Sanierung eines Altbaus positiv auf die Statik auswirken kann.
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ELEMENTS #57 DAS INNOVATIONSMAGAZIN VON EVONIK
GLOBAL CHALLENGES: THERMAL INSULATION
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Die Experten
Dr. Gabriele Gärtner ist im Segment Resource Efficiency verantwortlich für Anwendungstechnik sowie Forschung und Entwicklung an CALOSTAT®.gabriele.gaertner @evonik.com
ist nur 40 mm dick; ein herkömmliches System hätte dazu eine deutlich dickere Dämm schicht erfordert.
CALOSTAT® eignet sich zur Kerndäm-mung von tragenden Außenwänden, zur Innen dämmung, zur Dämmung von vorge-hängten Fassaden und von Betonsandwich-elementen. In Fassadenelementen lässt es sich mit Keramikplatten, Beton-, Glas- und Metallelementen kombinieren und auch mit PLEXIGLAS®: Evonik wurde für die Entwicklung eines Isolationspaneels mit CALOSTAT® und PLEXIGLAS® Mineral für Fassaden in die KlimaExpo.NRW aufge-nommen; sie versteht sich als Leistungs-schau und Ideenlabor für Klima schutz in Nordrhein-Westfalen. Mit dem Isolations-paneel ist schon bei einer Tiefe von nur zwölf Zentimetern Passiv hausstandard mit einem U-Wert von 0,15 W/m²K möglich; da-bei werden 90 Prozent weniger Heiz wärme benötigt als bei einem herkömmlichen Gebäude.
Weiterentwicklung mit PartnernTrotz der Entwicklung dieses Fassaden-elements versteht sich Evonik als Halb-zeuganbieter, dessen Kunden Wärme-dämmsysteme produzieren. Entsprechend wird umfangreicher anwendungstechni-scher Service geboten, der bis hin zu ge-meinsamen Entwicklungsprojekten reicht.
Beispiel ist ein von Evonik patentier-ter Materialverbund aus CALOSTAT® und Calciumsilicat zur Innendämmung, der Kapillarwasser an der Grenzschicht zur Wand abführt und so Schimmelbildung an
dieser Grenzschicht verhindert. Auch eine mit einem mineralischen Vlies oder ein-fach mit Steinwolle mechanisch verbun-dene Sandwichplatte mit CALOSTAT®, die trotz geringer Schichtdicke hervorragende wärmedämmende und Handhabungs-eigenschaften besitzt, ist aus einer gemein-samen Entwicklung mit Partnern hervor-gegangen.
Mehr Freiheit bei der BauteilgeometrieParallel läuft die Forschung an CALOSTAT®
unvermindert weiter. Um mehr Freiheit bei der Bauteilgeometrie zu gewinnen, soll das Material künftig auch als Granulat ange-boten werden. Mit diesem Granulat ließen sich Hohlräume befüllen, um zum Beispiel Reaktoren oder Warmwasserspeicher zu isolieren.
Voraussetzung sind eine hohe mecha-nische Stabilität und eine kontrollier-bare Poren struktur des Granulats, da die Struktur ausschlaggebend für die Wärme-dämmeigenschaften ist. Wird sie durch Rühren oder Schütteln zerstört, gehen auch die Dämm eigen schaften verloren. Aktuell arbeitet das Entwicklerteam daran, den Granulierprozess für die Kieselsäure so ein-zustellen, dass er ein Granulat mit optima-ler Dichte, Porengröße und mechanischer Stabilität erzeugt und dabei auch möglichst wirtschaftlich ist.
Ist diese Hürde genommen, wäre der Weg auch frei für Anwendungen als hoch däm-mender Füllstoff in mineralischen Baupro-dukten und in Beschichtungen. Das eröffnet zum Beispiel die Möglichkeit, damit sowohl Safe-Touch-Beschichtungen als auch ther-misch isolierende Beschichtungen her-zustellen. Beide unterscheiden sich in der Schichtdicke. Bei Safe-Touch-Beschich-tungen genügen schon wenige Millimeter, um zu verhindern, dass Wärme von einer heißen Oberfläche die Haut bei Kontakt schädigt. Eine mögliche Anwendung wäre der industrielle Arbeitsschutz.
Einen Schritt weiter gehen thermisch iso-lierende Beschichtungen. Im Gegensatz zu Safe-Touch-Beschichtungen verhindern sie, dass Energie durch Wärmeübertragung über die Umgebungsluft verloren geht. Hier- für sind allerdings höhere Schichtdicken von einigen Zentimetern erforderlich.
Zwar sind derartige Entwicklungen längst noch nicht marktreif, doch hat das CALOSTAT® Team bereits erste Kunden mit Granulat bemustert. Es greift dabei auf sei-ne bewährte Arbeitsweise zurück: schon in einem frühen Stadium die Nähe zum Markt suchen und das Feedback der Kunden in die weitere Entwicklung einfließen lassen.
Platzsparend: mit schlanker Dämmung zum Passivhausstandard
Bei der Außendämmung eines massiven Wandaufbaus mit CALOSTAT® reicht im Vergleich zu Mineralwolle eine um 11 cm geringere Schichtdicke aus, um Passivhausstandard zu erreichen.
WLS 021(CALOSTAT®)
konventionell: Mineralwolle WLS 035
Däm
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[cm
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U-Wert [W/m2K]
innovativ: CALOSTAT® WLS 021
massive Fassade, z. B. BetonHeatstopPlatteWandwinkelTProfil
CALOSTAT® Dübel PLEXIGLAS® Mineral
PLEXIGLAS® Mineral Mineralwolle
WLS 035(Mineralwolle)
Regelwert Passivhausstandard
Grenzwert Passivhausstandard
Effizienzhaus 55–11 cm
32
24
16
8
00 0,04 0,08 0,12 0,16 0,20 0,24 0,28
–9 cm–7 cm
–6 cm–5 cm
Effizienzhaus 70URef EnEV 2009
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ELEMENTS #57 DAS INNOVATIONSMAGAZIN VON EVONIKELEMENTS #57 DAS INNOVATIONSMAGAZIN VON EVONIK
GLOBAL CHALLENGES: THERMAL INSULATIONGLOBAL CHALLENGES: THERMAL INSULATION
Solarturmkraftwerk Gemasolar in Spanien: 2.650 bewegliche Spiegel bündeln Sonnenlicht auf einen Turm, in dem Salz auf 500 °C erhitzt wird. Das heiße Salz erzeugt in einem Wärmetauscher Wasserdampf, der über eine Turbine einen Generator mit 19,9 MW Leistung antreibt. Laut Betreiber Torresol liefert Gema solar 80 GWh Energie pro Jahr.
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SUM
ELEMENTS #57 DAS INNOVATIONSMAGAZIN VON EVONIK
CORPORATE FORESIGHT: ZERO COST ENERGY
Energie ist einer der Hauptkostenfaktoren jeder produzierenden Industrie. Doch das könnte sich bald ändern, wenn die Strompreise in Richtung null streben. Ein Treiber für fallende Preise sind die immensen technischen Fortschritte in der Solarenergie: In vielen Regionen der Welt werden Gewinnung und Nutzung von Solarenergie bald die preiswerteste Form der Stromerzeugung darstellen. Zudem versprechen neue Technologien wie flexible Solarfolien oder der Einsatz von neuen Materialien wie Perowskit (CaTiO3) weitere Effizienzsteigerungen und ein Sinken der Kosten. So gehen Schätzungen davon aus, dass der Preis für Strom aus Solarenergie 2050 bei etwa zwei Cent pro Kilowattstunde liegen könnte.
Auch andere Zukunftstechnologien machen enorme Fortschritte, nicht zuletzt die nukleare Fusion. Lockheed Martin kündigte 2014 an, in zehn Jahren einen Fusions reaktor mit einer Leistung von 100 MW in der Größe eines Seecontainers auf den Markt bringen zu wollen. Die Marktreife dieser Technologie würde ein Zeitalter unbegrenzter und preiswerter Energie einläuten – mit drastischen Auswirkungen: Die Kosten für Elektromobilität, für energieintensive Prozesse wie die Aluminium produktion oder die Entsalzung von Meerwasser wür den dramatisch fallen. Die Verwendung fossiler Brennstoffen würde obsolet.
Doch während die Technologien zur Energiegewinnung deutlich voranschreiten, bleibt der Netzausbau zurück. Bereits heute stoßen vielerorts die Stromnetze zu Hauptein speise zeiten an ihre Kapazitätsgrenze. Um sie zu entlasten, muss die überschüssige Energie verbraucht werden – gegebenenfalls gegen eine Gebühr für den Stromabnehmer. So heißt es schon heute manchmal: Strom verbrauchen und damit Geld verdienen.
Welche Auswirkungen diese Veränderungen für Evonik haben könnten, evaluiert das Corporate-Foresight-Team im Rahmen seines Fokusthemas „GameChanger“. Denn eines ist sicher: Gerade für die Spezialchemie dürften fallende Energiepreise oder gar der Strom zum Nulltarif die Spielregeln des Marktes grundlegend verändern.
WIRTSCHAFTSFAKTOR ENERGIE
Strom im Überfluss
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ELEMENTS #57 DAS INNOVATIONSMAGAZIN VON EVONIKELEMENTS #57 DAS INNOVATIONSMAGAZIN VON EVONIK
CORPORATE FORESIGHT: ZERO COST ENERGY
»STECKEN SIE GUTE LEUTE IN EIN GUTES PROJEKT, UND ES WIRD FLIEGEN«Dr. Gerd Löhden leitet im Evonik-Segment Resource Efficiency das Innovation Management. Im Interview spricht er über Spaß an der Forschung, den ungebrochenen Trend zu Ressourceneffizienz und seine Strategie, wie er bis 2020 im Segment den Output an neuen Produkten und Technologien verdoppeln will.
Herr Löhden, was erwarten Sie von einem guten Forscher?Dass er gestalten will und für seine Ideen und Projekte kämpft. Dass er den Freiraum, den wir bieten, auch zu nutzen weiß und deshalb Spaß an seiner Arbeit hat. Ressour-ceneffizienz ist ein spannendes Thema, bei dem man viel bewegen kann.
Ist Ressourceneffizienz bei neuen Pro-dukten nicht selbstverständlich, allein schon aus wirtschaftlichen Gründen?Das Besondere bei uns ist, dass unsere Pro-dukte nicht nur ressourceneffizient herge-stellt werden. Unsere Produkte helfen auch dem Kunden, Ressourcen zu sparen – in-dem sie zum Beispiel vor Korrosion und Verschleiß schützen und so die Lebens dauer von Gebrauchsgegenständen verlängern. Oder indem sie Energie- und Material-verbrauch senken.
In welchen Märkten sehen Sie für Ihr Segment die größten Hebel für Ressourceneffizienz?Ein wesentlicher Treiber ist ressourcen-effiziente Mobilität. Wir bieten viele Lö-sungen, um den Spritverbrauch von Autos zu senken: die Silica-Silan-Technologie für den grünen Pkw-Reifen; Öladditive, die in Schmierstoffen Reibungsverluste im Antriebsstrang verringern; leichtgewich-tige Hochleistungskunststoffe, die auch im heißen Motorraum verbaut werden kön-nen; thermoplastische und duroplastische Leichtbauwerkstoffe, die die Creavis im Projekthaus Composites entwickelt hat, um
mehr wirtschaftlichen Leichtbau im Auto zu ermöglichen, und die wir nun nach dem Ende des Projekthauses übernommen ha-ben. Mit all diesen Produkten rennen wir im Markt offene Türen ein, weil wir unse-ren Kunden helfen, nicht nur Ressourcen zu sparen, sondern auch die immer strengeren Vorgaben zu Klima- und Umweltschutz einzuhalten. Sehr wichtig ist für uns eben-falls der Coatings-Markt. Langlebigkeit ist hier das Thema, denn Beschichtungen machen Konsumgüter haltbarer, sodass sie nicht so oft ersetzt werden müssen. Zugleich steigen die Anforderungen an die Umwelt-freundlichkeit der Beschichtungen.
Wenn Ihre Produkte so im Trend liegen, was ist dann die Heraus-forderung in der Forschung?Wir wollen unseren Kunden auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten hoch-wertige Produkte bieten. Und wir wollen zugleich mit Innovationen deutlich zum Wachstum unseres Segments beitragen. Daher verfolgen wir das sehr ehrgeizige Ziel, den Output unserer Forschung an neuen Produkten und Technologien bis 2020 zu verdoppeln.
Doppelt so viele neue Produkte und Technologien innerhalb von vier Jahren – wie wollen Sie das schaffen?Wir sind heute schon gut darin, unser Kern-geschäft mit neuen Produkte wettbewerbs-fähig zu halten. Wenn wir größer werden wollen, müssen wir aber in der Forschung mehr tun. Wir setzen auf neue Wachstums-
»Mit unseren Produkten rennen wir offene Türen ein, weil wir unseren Kunden helfen, immer strengere Vorgaben ein-zuhalten.«
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GLOBAL CHALLENGES: RESOURCE EFFICIENCY
ELEMENTS #57 DAS INNOVATIONSMAGAZIN VON EVONIK
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felder, wollen Synergien nutzen und inter-nationaler werden. Konkret heißt das: Wir wollen unsere vielfältigen Technologie-kompetenzen nutzen, um vielversprechen-de Wachstumsfelder für unser Segment zu bearbeiten – und zwar immer dort auf der Welt, wo der jeweilige Markt am stärksten wächst.
Auf welchen Feldern wollen Sie durch Innovation wachsen?Wir haben sechs Themen definiert, in die wir mehr Ressourcen hineinstecken wer-den, um schneller größer werden zu kön-nen: Wärmedämmung, Membranen, Rei-fen, Electronic Solutions, 3D-Druck und Surface Solutions. Ressourceneffizienz ist bei allen sechs Themen der Treiber. Nur ein Beispiel: Hinter Surface Solutions steht zum Beispiel der Schutz vor Fouling oder
Vereisung – Phänomene, die riesigen wirt-schaftlichen Schaden verursachen, weil sie den Spritverbrauch von Schiffen und Flug-zeugen drastisch erhöhen oder die Leistung von Windkraftanlagen herabsetzen.
Sie wollen Synergien bei Ihren Technologiekompetenzen nutzen. Wie geht das?Indem wir unsere Kompetenzen zu einem Thema bündeln. Nehmen Sie das Thema Rei-bung zwischen beweglichen Teilen, etwa im Automotor oder in industriellen Maschinen. Wir haben großes Wissen bei Polymeren, bei Coating und Bonding, in der Grenzflächen-chemie, in der Partikeltechnologie und bei Öladditiven. Und über das Geschäftsgebiet Oil Additives haben wir sowohl Marktzu-gang als auch Anwendungs kompetenz – wir verfügen über Motorenprüfstände, auf
»Definierte Wachstumsfelder, Synergien, Internationalisierung – das sind unsere Hebel für zusätzliches Wachstum durch Innovation.«Dr. Gerd Löhden
700Mitarbeiter beschäf-tigt das Segment Resource Efficiency im Innovationsma-nagement. Hinzu kommen weitere rund 600 Mitarbeiter in der Anwendungstechnik.
Dr. Gerd Löhden leitet das Innovation Management von Resource Efficiency seit der Gründung des Segments 2015. Zuvor verantwortete der Chemiker das Innova-tion Management des früheren Geschäfts-bereichs Coatings & Additives.
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GLOBAL CHALLENGES: RESOURCE EFFICIENCYGLOBAL CHALLENGES: RESOURCE EFFICIENCY
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denen wir unsere Entwicklungen gleich testen können. Diese Kombination macht uns einzigartig. Das wollen wir jetzt nutzen und bauen in Darmstadt ein Kompetenzzen-trum Friction & Motion auf (siehe Seite 19). Hier wollen wir jenseits unseres Geschäfts mit Öladditiven erforschen, wie sich Rei-bung mit neuen Materialien und Technolo-gien weiter reduzieren lässt.
Das neue Kompetenzzentrum Friction & Motion entsteht in Deutschland, wo bleibt da die Internationalität?Ganz klar werden wir unsere Forschung international und nah an unseren Märk-ten verstärken. Das gilt insbesondere für Nordamerika und Asien; in Europa sind wir schon sehr gut aufgestellt. In Nordamerika werden wir von der Übernahme von APD Performance Materials*, dem Spezialaddi-tiv-Geschäft von Air Products, mit seinen exzellenten F&E-Mitarbeitern und seiner starken Innovationspipeline profitieren. APD Performance Materials macht zwi-schen 15 und 20 Prozent seines Umsatzes mit neuen Produkten und unterhält welt-weit Zentren für Forschung und Entwick-lung.
In welchem Wachstumsfeld werden Sie besonders von dem neuen Spezial-additiv-Geschäft profitieren?Ganz klar bei Surface Solutions, zum Bei-spiel bei Epoxysystemen. Evonik ist führend bei aminbasierten Epoxidhärtern, APD Per-formance Materials bei Epoxidhärter- For-
mulierungen, die unter anderem in Schiffs-beschichtungen zum Einsatz kommen. Von 1,1 Milliarden US-$ Umsatz im Jahr 2015 erzielte APD Performance Materials etwa 40 Prozent mit Epoxidhärtern und -harzen. Eine weitere Stärke der Einheit sind Additive für wasserbasierte Beschichtungen. Unser Know-how ergänzt sich also sehr gut, und wir können hier viele Synergien nutzen.
Und wie sind Ihre Erfahrungen in Asien?Wir haben bereits sehr gute Erfahrungen mit unserem Coating-Additives-Labor in Singapur gemacht. Hier entwickeln un-sere Mitarbeiter Additive und Bindemit-tel für Lacke, die speziell die Impulse des asia tischen Markts aufnehmen. Das Labor ist extrem erfolgreich. In den vergangenen Jahren hat es zehn komplett neue Produkte entwickelt und ein Patent angemeldet; zwei Patentanmeldungen sind in Vorbereitung. Wir bieten unseren Kollegen in Singapur sehr viel Freiraum, um Ideen in einer frühen Phase unkompliziert angehen zu können.
Werden Sie Ihre Aktivitäten in Asien ausbauen?Wir beabsichtigen, in den Wachstums-regio nen noch präsenter und attraktiver für Talente zu werden. Aufgrund der sehr guten Erfahrungen werden wir unser For-schungsengagement in Asien deutlich er-weitern. Die Details dazu erarbeiten wir aktuell.
Mehr Ressourcen für Wachstums-felder, mehr Forschung in Asien, ein neues Kompetenzzentrum: Wie finanzieren Sie das?Wir haben ein vergleichsweise hohes Bud-get für Forschung und Entwicklung. Wir geben im Segment Resource Efficiency etwa vier Prozent unseres Umsatzes für Inno-vation aus – das waren im Jahr 2015 rund 180 Millionen € –, und das soll auch so blei-ben. Zum anderen haben wir unser beste-hendes Projektportfolio kritisch hinterfragt und stärker fokussiert; dadurch sind Mittel für neue Aktivitäten freigeworden.
Wie beurteilen Sie, ob ein neues Projekt Ihre wirtschaftlichen und inhaltlichen Kriterien erfüllt?Wir haben Prozesse und Kennzahlen, mit denen wir unsere Projekte steuern. Wir er-warten jedoch nicht gleich am ersten Tag einen verbindlichen Net Present Value und ausgefeilte Excel-Tabellen. Am Anfang eines Projekts muss eine überzeugende Story ste-hen und ein engagierter Mitarbeiter, der dafür kämpft. Denn wenn die Geschichte stimmt, kann das viel überzeugender sein als eine Kennzahl. Deshalb geben wir un-seren Mitarbeitern viel Gestaltungsspiel-raum – wenn sie etwas bewegen wollen, können sie das bei uns. Meine Erfahrung ist: Stecken Sie gute Leute in ein gutes Projekt, und es wird fliegen.
»Wir geben im Segment etwa vier Prozent unseres Umsatzes für Innovation aus.«
Der Name ist ProgrammDas Segment Resource Efficiency bietet Hoch-leistungsmaterialien für umweltfreundliche und energieeffiziente Systemlösungen insbesondere für den Automobilsektor, die Farben-, Lack-, Kleb-stoff- und Bauindustrie. 2015 erwirtschaftete es mit 8.662 Mitar-beitern einen Umsatz von 4,3 Milliarden €; der ROCE (Return on Capital Employed) lag bei 24,8 Prozent.
Membranen sind eines von sechs Wachstumsfeldern von Resource Efficiency. Dazu gehört die Membrantechnologie SEPURAN® zur effizienten Gasseparation für die Biogas- und Heliumaufbereitung und für die Stickstoffgewinnung.
* Die Transaktion steht unter dem Vorbehalt
der Zustimmung der zuständigen Wett
bewerbsbehörden.
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GLOBAL CHALLENGES: RESOURCE EFFICIENCY
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Von Dr. Günter Schmitt
Die Einsparpotenziale beim „Energiefresser“ Reibung sind enorm: Experten schätzen, dass sich in Transport und Industrie durch neue tribologische Systemlösungen
Verbesserungspotenziale zwischen zehn und 20 Prozent realisieren lassen. Weltweit könnten so bis zu 20 Millionen Terajoule Energie eingespart werden, da derzeit durch Reibung immerhin 100 Millionen Terajoule pro Jahr verloren gehen.
Das rechnet sich auch für den Verbraucher. So sinken bei einem durchschnittlichen Pkw die „Reibungskosten“ um 250 € pro Jahr, wenn um fünf Prozent tribologisch optimiert wird. Weniger Reibung bedeutet zudem weniger Verschleiß und damit eine längere Lebensdauer von Bauteilen, was ebenfalls zu deutlich mehr Ressourceneffizienz sowohl bei Mobilität als auch im Industrieumfeld führt.
Hier setzt das neue Kompetenzzentrum Friction & Motion an. Es wird Verbesserungs und Einsparpotenziale in verschiedenen Anwendungsfeldern identifizieren und System lösungen zum effizienten Einsatz von Antriebsenergien entwickeln. Die rund 15 Mitarbeiter werden sich dabei auch mit noch jungen Themen wie EMobilität, Robotik und Drohnentechnologie beschäftigen.
Startpunkt ist die weitreichende Technologie und Marktkenntnis des Geschäftsgebiets Oil Additives bei Schmierstoffen und Schmierstoffadditiven. Profitieren wird das Kompetenzzentrum aber auch von den umfassenden Kompetenzen des Segments Ressource Efficiency bei Coatings und Hochleistungskunststoffen, um seine drei Schwerpunkte zu bearbeiten: Bei Fluid Solutions geht es um neuartige Additive für Schmierstoffe, die gezielt Reibung und Ver
schleiß bei sich aneinander bewegenden Oberflächen bekämpfen. Neue Hochleistungspolymere sollen den Leichtbau zum Beispiel in den Antriebsstrang bringen und dort Materialien mit hoher Dichte verdrängen; dieser Ansatz ist auch für die langfristigen Themenfelder Robotik und Drohnen interessant. Neue Beschichtungen schließlich sollen Reibung und Verschleiß direkt und ohne den Einsatz großer Mengen flüssiger Schmierstoffe entgegenwirken.
Angestrebt ist eine ganzheitliche Betrachtung, da diese drei Felder eng zusammenhängen – beispielsweise benötigen neue Hochleistungspolymere für den Antriebsstrang speziell abgestimmte Schmierstoffadditive, damit sie ihr volles Leistungsspektrum entfalten können. Dabei orientiert sich das Kompetenzzentrum von Anfang an dicht an den Bedürfnissen des Markts, den Vorgaben von Ausrüstern und Kunden sowie an neuesten Ergebnissen von Forschungsinstituten.
Damit die Mitarbeiter alle Aufgaben professionell bewerkstelligen können, wird das Kompetenzzentrum auch ebenso professionell ausgerüstet: Neben den chemischtechnischen Kompetenzen baut es derzeit eine Reihe von neuen Test und Analysemethoden auf, um Ursachen und Wirkungen von Reibung umfassend untersuchen, verstehen und bekämpfen zu können.
Schwerpunkte Friction & MotionFluid Solutions: neue Additive für Schmierstoffe
Hochleistungspoly-mere: Ersatz von Ma-terialien hoher Dichte im Antriebsstrang
Beschichtungen: direkte Vermeidung von Reibung und Verschleiß
Der Netzwerker
Dr. Günter Schmitt ist Leiter des neuen Kompetenzzentrums Friction & Motion, das unter dem Dach des Geschäftsgebiets Oil Additives angesie-delt [email protected]
WENIGER REIBUNG, MEHR EFFIZIENZEnde 2015 hat das Segment Resource Efficiency mit dem Aufbau eines Kompetenzzentrums Friction & Motion begonnen. Seine Aufgabe: neue Lösungen erarbeiten, um Reibung, Verschleiß und den damit verbundenen wirtschaftlichen Schaden weiter zu verringern.
GLOBAL CHALLENGES: FRICTION & MOTION
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Weltweiter Energieverbrauch
und Verlust durch Reibung,
Angabe in %
Industrie
Auto
Privathaushalte
Bedarf in Asien wächst
Der Schmierstoffmarkt* wuchs von 2000 bis 2015 insgesamt nur langsam infolge besserer Qualität vor allem durch Additive und längerer Ölwechsel intervalle. Aber die regionale Nachfrage
veränderte sich deutlich.* ohne Schifffahrt
Quelle: Fuchs Petrolub
Reibung kostet Kraftstoff
Nur 21,5 % des Kraftstoffs bewegen ein Auto* vorwärts – sie überwinden Roll- und Luftwiderstand
sowie Bremsreibung. Insgesamt kostet Reibung 33 % des Kraftstoffs (Motor, Getriebe, Rollwiderstand, Bremsen).
* globaler Durchschnitts-Pkw, 4 Zylinder, 75 kW, 1.500 kg, 8 l/100 km, Durchschnittsgeschw. 60 km/h, Baujahr 2000
Quelle: K. Holmberg et al., Tribology International 47 (2012), 221–234
Multitalente
Schmierstoffe übernehmen vielfältige Aufgaben. Sie …
Angaben in %
Kraftstoff 100
Kühlung 29Auspuff 33mechanische Leistung
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Reibungsverluste33
Luft-wider-stand
5
Motor11,5
Getriebe5
Rollwiderstand 11,5
Bremsen5
Vorwärtsbewegung21,5
… kühlen
… dichten ab
… schützen vor Korrosion
… dämpfen Schwingungen
… verringern Reibung und Verschleiß
… unterstützen die Kraftübertragung
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39Asien-Pazifik, Naher Osten, Afrika
Amerika
Europa
Verbrauch in %
Energiefresser Reibung
Circa 100 Mio. Terajoule (1020 Joule) Energie gehen pro Jahr durch Reibung verloren. Das sind 15–25 % des weltweiten Energieverbrauchs.Quelle: VTT Technical Research Center of Finland
Energieverbrauch weltweit Energieverlust durch ReibungEinsparpotenzial
Forschung lohnt sich
Neue tribologische Lösungen, wie spezielle Oberflächen-designs mit Nanoadditiven oder stärker an Oberflächen bindende Additive, könnten Reibungsver luste in 5–10 Jahren spürbar senken.Quelle: VTT Technical Research Center of Finland
Angaben in %
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Weltweiter Energieverbrauch und Verlust durch Reibung, in %
Weltweiter Energieverbrauch
und Verlust durch Reibung, in %
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ELEMENTS #57 DAS INNOVATIONSMAGAZIN VON EVONIK
GLOBAL CHALLENGES: FRICTION & MOTION
Weniger Reibung durch Schmierstoffe
Bewegen sich zwei Oberflächen gegeneinander, kommt es zu Reibung. Mögliche Folgen: Verformung, Verschweißung, Ab scherung, Energie verlust. Schmierstoffe wirken dem entgegen. Im Idealfall entstehen Verluste nur noch durch ihre innere Reibung, die von der Viskosität abhängt. Daher der Trend zu Schmierstoffen mit geringer, temperatur unabhängiger Viskosität und optimalem Verschleißschutz durch neue Additive.
Regionaler Verbrauch
Im Jahr 2015 stand der asiatisch- pazifische Raum für 42 % des welt-weiten Bedarfs an Schmierstoffen*.* ohne Schifffahrt
Gesamt: 35,6 Mio. t, Angaben in %, 2015
Quelle: Fuchs Petrolub
Unverzichtbare Additive
Additive verleihen Schmier stoffen ihre Eigenschaften. Ihr An teil: bis zu 30 %. Die häufigsten: Dispergiermittel, VI-Ver bes serer, Detergenzien.Quelle: Kline & Co.
Weltweiter Verbrauch an Schmierstoffen und Schmierstoffadditiven
2015 wurden 35,6 Mio. t Schmierstoffe* im Wert von ca. 90 Mrd. US-$ sowie 4,2 Mio. t Additive eingesetzt.* ohne Schifffahrt
Quelle: Fuchs Petrolub, Lubes’n’Greases
Kraftfahrzeuge dominieren
Mehr als die Hälfte aller Schmier-stoffe kommt in Kraftfahrzeugen (Motor, Getriebe, Hydraulik) zum Einsatz.Angaben in %, 2015
Quelle: Fuchs Petrolub
Dispergiermittel
VI-Verbesserer
Detergenzien
Anti-Verschleiß
andere
Antioxidantien
Korrosionsinhibitoren
Reibungsverminderer
Emulgatoren
Hochdruckzusätze
Afrika
Naher Osten
Lateinamerika
Westeuropa
Zentral-/Osteuropa
Asien-Pazifik
Nordamerika
6
5
9
10
9
19
42
2622
196
4
Verbrauch Additive nach Funktion, Angaben in % (gerundet)
65
44
3
202220152015 2024
Schmierstoffadditive Schmierstoffe
Verbrauch 2015, Angaben in Mio. t
4,2 5
35,6
40
Kfz-Öle
Fette
Prozessöle
industrielle Öle
Metallbearbeitungsfluide und Korrosionsschutzöle 5
26
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DATA MINING
Wie geschmiertWo Reibung entsteht, sind Energieverlust und Verschleiß nicht weit. Die Wissenschaft der Reibung und wie sie sich mittels Schmierung und optimierter Oberflächen verringern lässt,
heißt Tribologie. Bei Evonik forschen Experten im neuen Kompetenzcenter Friction & Motion auf diesem Feld. Denn wo Reibungsverluste sinken, warten lukrative Märkte.
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GLOBAL CHALLENGES: FRICTION & MOTION
ELEMENTS #57 DAS INNOVATIONSMAGAZIN VON EVONIK
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INDUSTRIE TRIFFT AKADEMIEInnovation erfordert Offenheit. Alle zwei Jahre praktiziert Evonik dies auch mit seinem Wissenschaftsforum Evonik Meets Science: Hier können sich Experten des Konzerns mit Hochschulforschern intensiv über neue Forschungsarbeiten austauschen.
Das Meer kann Lebensraum und harsches Umfeld zu-gleich sein: Lebensraum für Meereslebewesen, harsch für Stahlkonstruktionen, mit denen Offshore-Windan-
lagen auf dem Grund verankert werden. Mechanische Belastungen durch Wind und Wellen, Bewuchs durch Lebewesen und ein korrosives Milieu sorgen dafür, dass der-zeit bei operativen Offshore-Windrädern schon nach wenigen Jahren umfangreiche Wartungsarbeiten notwendig sein können. Dass dies nicht so bleiben muss, war nur ei-nes der Themen des Wissenschaftsforums Evonik Meets Science, das im September in Bonn stattgefunden hat.
Bereits zum achten Mal trafen sich in die-sem Rahmen mehr als 200 Wissenschaftler von Hochschulen und Forscher von Evonik. Dieses Mal kamen die Experten unter dem Motto „Neue Materialien für nachhaltige In-novation“ zusammen. Das Wissenschafts-forum dient alle zwei Jahre als gemeinsame Plattform für den Dialog – in Form von Vor-trägen, Postern, einer Podiumsdiskussion und mit ausreichend Zeit zum Netzwerken.
Evonik Meets Science findet nicht nur in Deutschland statt, sondern auch in China, Japan und den USA. „Allein können wir
»Korrosion ist ein hochkomplexer Vorgang.«
Prof. Dr. Günter Schmitt, Geschäftsführer IFINKOR – Institut für Instand
haltung und Korrosionsschutztechnik gGmbH, AnInstitut an der Fachhochschule Südwestfalen
»Neben einem besseren Korrosions-schutz von Offshore-Windrädern
können auch andere Anwendungen von unserer Technologie profitieren.«
Dipl.Ing. Jan Berger, Leiter Oil Exploration im Geschäftsgebiet
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GLOBAL CHALLENGES: OPEN INNOVATION
Der ehemalige Plenarsaal in Bonn bildete die Kulisse für
Evonik Meets Science 2016.
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Forschung und Entwicklung und sichere damit auch die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland.
Korrosionsschutz für WindenergieanlagenDass Ressourceneffizienz auch für die er-neuerbaren Energien wichtig ist, zeigt das eingangs erwähnte Beispiel der wartungs-intensiven Offshore-Konstruktionen. Man könnte meinen, dass solche Probleme nach Jahrzehnten der Offshore-Ölförderung ge-löst seien. „Allerdings ist eine Bohrplattform bemannt und setzt täglich zwei Millionen $ um, dagegen arbeitet eine Windenergie-anlage autark und muss viel billiger sein“, verdeutlichte Dipl.-Ing. Jan Berger das Pro-blem. Er leitet das Subsegment Oil Explora-tion im Geschäftsgebiet High Performance Polymers von Evonik.
Konzepte aus der Ölförderung sind also nicht einfach übertragbar. Für Evonik be-deutete das: Obwohl man bereits seit über einem Jahrzehnt Lösungen auf Basis von Hochleistungspolymeren für die Öl- und Gasindustrie fertigte, gab es noch kein Ma-terial, das auf serienfertigungstauglichen Konstruktionsrohren für Offshore-Wind-räder umgesetzt wurde. Berger schilder-te, wie im Rahmen des BMBF-geförderten Forschungsprojekts KOWIND nach einer Lösung des Problems gesucht wurde. Ziel war die Entwicklung von vorbeschichte-
die komplexen Fragestellungen, vor denen die Spezialchemie steht, gar nicht lösen“, so Dr. Ulrich Küsthardt, Chief Innovation Officer von Evonik, bei der Eröffnung. „Wir wollen daher mit den Hochschulen dauer-haft in einem Innovations-Ökosystem zu-sammenarbeiten, in einem internationalen Rahmen.“
Diese Kooperationen sind schon heute ein Baustein, um – so das selbst gesteckte Ziel – Evonik „zu einem der innovativsten Unternehmen der Welt“ zu machen, wie es Küsthardt formuliert. Mittelfristig will der Konzern 16 Prozent seines Umsatzes mit Produkten und Anwendungen erzielen, die jünger als fünf Jahre sind. Auf der Veran-staltung in Bonn referierten Forscher von Hochschulen und Evonik gemeinsam über die Ergebnisse von Projekten, die diesem Anspruch gerecht werden könnten.
„Innovationen sind Hebel, um neue Märk-te zu erschließen, das Wachstum voranzu-treiben und qualifizierte Jobs zu schaffen“, sagte Klaus Engel, Vorstandsvorsitzender von Evonik, anlässlich seiner Laudatio zur Friedrich-Bergius-Lecture (siehe Seite 24), die im Rahmen des Wissenschaftsforums vergeben wurde. „Ressourceneffizienz ge-hört zu den zentralen Herausforderungen der Zukunft“, so Engel weiter. „Evonik leis-tet mit innovativen Produkten einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung.“ So werde Ressourceneffizienz zu einem Treiber von
»Die Infrarotspektroskopie ist ein mächtiges Werkzeug für das bessere
Verständnis von Silica-Silan-Systemen.«Prof. Dr. Frédéric ThibaultStarzyk,
Forschungsdirektor am Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS)
ten Rohren und Knoten der Fach werk-kon struktion sowie von einem Nach-umhüllungs system für die Schweißnähte auf Basis von Polyamid 12.
Dem IFINKOR – Institut für Instandhal-tung und Korrosionsschutztechnik gGmbH, ein An-Institut der Fachhochschule Süd-westfalen und Partner im KOWIND-Projekt – kamen dabei die Korrosionsschutzprü-fung und die Vorbereitung der Zulassung zu. „Hierfür mussten wir zunächst geeig-nete Untersuchungsverfahren finden“, be-richtete Geschäftsführer Prof. Dr. Günter Schmitt. Als geeignet erwiesen sich die aktive Infrarotthermografie und die Kern-spinresonanztomografie (MRT).
„Mit der Thermografie ließ sich nicht nur der zeitliche Verlauf der Enthaftung verfol-gen“, so Schmitt. „Vielmehr half sie auch bei der Entwicklung geeigneter Primer, weil sie quantitative Aussagen ermöglicht.“ Mit der MRT wiederum wird die Alterung der Be-schichtung zerstörungsfrei messbar. Auch wenn es nun noch ein Stück Weg bis zur Zulassung des neuen Materialsystems ist, steht laut Berger schon jetzt aufgrund der Tests fest, dass es „den marktüblichen An-geboten weit überlegen“ ist.
Weniger Rollwiderstand für ReifenWelche Rolle die moderne Messtechnik bei der Entwicklung neuer Materialien spielt, zeigte sich auch in der gemeinsamen Präsen-tation von Prof. Dr. Anke Blume, IP-Mana-gerin im Geschäftsgebiet Silica von Evonik, und Prof. Dr. Frédéric Thibault-Starzyk, Forschungsdirektor am Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS) und Pro-fessor an der École Nationale Supérieure d’Ingénieurs de Caen (ENSICAEN). Sie stell-ten die Entwicklung neuer Silica-Silan-
»Der Rollwiderstand von Pkw-Reifen verursacht etwa 20 Prozent des Kraft-
stoffverbrauchs.«Prof. Dr. Anke Blume,
IPManagerin im Geschäftsgebiet Silica
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KATALYSE NEU DENKENAnlässlich des diesjährigen Wissenschaftsforums Evonik Meets Science vergab Evonik die Friedrich-Bergius-Lecture an Prof. Dr. Matthias Beller. Das Spezialchemieunternehmen würdigte damit Bellers langjährige Verdienste um die Erforschung der Katalyse.
E r hat sich in weiten Teilen seines Berufslebens mit einem Thema
auseinandergesetzt, ohne das es viele Produkte in der heutigen Form nicht gäbe: „Acht von zehn Prozessen in der chemischen und pharmazeutischen Industrie profitieren von katalytischen Reaktionen“, unterstrich Matthias Beller die Bedeutung der Katalyse zu Beginn seiner Vorlesung. In der Bergius- Lecture zeigte er auf, welche Mög-lichkeiten neuere Forschungsarbeiten für künftige katalytische Reaktionen eröffnen. Beller ist geschäftsführen-der Direktor des Leibniz-Instituts für Katalyse (LIKAT) und Professor an der Universität Rostock. „Viele un-serer Arbeiten sind in Kooperationen mit Evonik entstanden“, sagte er. Das LIKAT und seine Vorgängerinstitute arbeiten bereits seit zwei Jahrzehnten mit dem Spezialchemieunternehmen in Forschungsprojekten zusammen.
„In der Katalyseforschung spielt trotz aller systematischen Fortschritte noch immer der Zufall eine Rolle“, ver-riet Beller. Als Beispiel berichtete er von Experimenten an seinem Institut, bei denen es um die Erzeugung von neuen Katalysatormaterialien auf der Basis von Metall-Amin-Komplexen ging. „Das System erwies sich trotz aller Bemühungen zunächst nicht als aktiv“, berichtete Beller. „Erst als der betref-fende Mitarbeiter, inspiriert durch völlig anders gelagerte Arbeiten einer Kollegin, den Komplex pyrolysierte, kam es zu einer Aktivierung.“ Die ent-stehenden heterogenen Metallnano-partikeln sind mit stickstoffdotierten Graphenen in Kontakt und verhalten sich dann ähnlich wie ein homogenes System; die Aktivitäten sind zwar noch nicht so gut wie die eines vergleich-baren Edelmetallsystems, ihre Selek-tivität ist jedoch sogar besser.[1]
Heute wüssten die Forscher, dass „die Katalyse mehr ist als das einzelne katalytische Zentrum“, so Beller. Daher sieht er in der kooperativen Katalyse eine wichtige Entwicklungslinie. „Die Kombination aus Elementen, die Kon-trolle der Struktur und die Modifika tion der näheren Umgebung der katalyti-schen Zentren spielen alle drei eine Rol-le.“ Nur so konnten die LIKAT- Forscher
»Wir müssen ge wohnte Pfade verlassen, wenn wir bessere Kataly satoren entwickeln wollen.«Prof. Dr. Matthias Beller, LIKAT
Für herausragende Forschung gewürdigt: Prof. Dr. Matthias Beller. Rechts: Klaus Engel, Vorsitzender des Vorstandes von Evonik, links: Chief Innovation Officer Ulrich Küsthardt
in den vergangenen Jahren zeigen, dass es prinzipiell möglich ist, seltene und teure Edelmetalle wie Palladium, Ruthe-nium oder Rhodium durch billigere, weitverbreitete Metalle in Katalysatoren auf Komplexbasis zu ersetzen.
Sehr vielversprechende Ergebnisse bei Hydrierungen und Dehydrierungen haben Beller und sein Team zum Bei-spiel mit eisenbasierten Systemen erzielt.[2] Selbst mit Mangankatalysato-ren, die bislang als nicht hydrieraktiv galten, waren die LIKAT-Wissen-schaftler unter anderem bei Hydrie-rungen von Ketonen und Nitrilen erfolgreich.[3] „In der richtigen Mikro-um gebung funktioniert das auch mit Aldehyden oder Alkinen“, sagte Beller. Doch damit nicht genug: Selbst aus Abfallprodukten wie Garnelenschalen lassen sich kobaltbasierte heterogene Katalysatoren gewinnen. „Wir müssen gewohnte Pfade verlassen, wenn wir neue, ressourcenschonendere Kata-lysatoren entwickeln wollen“, ist der Forscher überzeugt.
[1] F. Westerhaus, R. Jagadeesh, G. Wienhöfer, M. Pohl, J. Radnik, H. Junge, K. Junge, A. Surkus, J. Rabeah, A. Brückner, M. Beller; Nature Chem. 5 (2013), 607–612.[2] S. Werkmeister, K. Junge, B. Wendt, E. Alberico, H. Jiao, W. Baumann, H. Junge, F. Gallou, M. Beller; Angew. Chem. Int. Ed. 53 (2014), 8722–8726.[3] S. Elangovan, C. Topf, S. Fischer, H. Jiao, A. Spannenberg, W. Baumann, R. Ludwig, K. Junge, M. Beller; J. Am. Chem. Soc. 138 (2016), 8809–8814.
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bessert eine wirkungsvolle Abschirmung der verbleibenden freien SiOH-Gruppen die Verarbeitung. „Mit diesem Wissen haben wir inzwischen Silica-Silan- Systeme für kraftstoffsparende Sommer- und Winter- Pkw-Reifen entwickelt“, so Blume.
Geringere Temperatur‑ abhängigkeit für MotoröleEbenfalls um neue Materialien für Fahr-zeuge ging es im gemeinsamen Vortrag von Dr.-Ing. Thorsten Bartels, Leiter des Perfor-mance-Testlabors im Geschäftsgebiet Oil Additives von Evonik, und Prof. Dr.-Ing. Gerald Ruß von der Hochschule Darmstadt. Sie stellten neue Schmierstoffadditive vor und erläuterten, welche Rolle aufwendige Tests bei ihrer Entwicklung spielten. „Das ideale Motoröl hätte eine temperaturunab-hängige Viskosität“, sagte Bartels. „Diese muss bei niedrigen Temperaturen mög-lichst gering sein, um Kraftstoff zu sparen, und bei hohen Temperaturen mindestens so groß, dass weder Verschleiß noch Abrieb oder Materialermüdung auftreten.“
Während sich die Anforderungen bei ho-hen Temperaturen heute bereits gut erfüllen lassen, gibt es bei niedrigen Temperaturen durchaus noch Verbesserungspotenzial. Hier setzte Evonik an und entwickelte seine existierende Additivtechnologie weiter, die auf Kammpolymeren beruht. Dabei handelt es sich um langkettige Moleküle auf der Ba-sis von Alkylmethacrylaten mit sehr langen
Systeme vor, durch die „grüne Reifen“ möglich werden: geringerer Rollwiderstand und verbesserte Nasshaftung bei quasi kon-stantem Abrieb.
Thibault-Starzyks Team charakterisierte dazu infrarotspektroskopisch, was mit den SiOH-Gruppen der Silica passiert, wenn ein Silica-Silan-System in Synthesekautschuk eingebracht wird. „Das Silan sorgt ja dank seiner polaren und unpolaren Seiten als Kopplungsreagenz dafür, dass sich die che-mische Unverträglichkeit von Kautschuk und dem Verstärkerfüllstoff Silica über-winden lässt“, erläuterte er. Wie sich das bei der Verarbeitung und später im Reifen aus-wirkt, hängt maßgeblich von der Zugäng-lichkeit der SiOH-Gruppen ab. „Spektro-skopisch sehen wir, welche SiOH-Gruppen für Moleküle verschiedener Größe zugäng-lich sind“, so Thibault-Starzyk weiter. Die Kopplung des Silans an die Silica lässt sich im Reaktor in Echtzeit analysieren.
Aus diesen Messungen und molekula-ren Modellierungen konnten Blume und ihr Team ableiten, wie vorhandene Silica-Silan- Systeme modifiziert werden müssen, um bessere Reifen zu fertigen. „Wir suchten eine Silica mit einem hohen Anteil an isolier-ten Silanolgruppen, die gleichzeitig nur eine geringe Zahl an verbrückten Silanolgrup-pen aufweist“, so Blume. Zudem musste das Silan während der gesamten Kopplungs-reaktion rasch an der Silicaoberfläche ad-sorbiert werden. Und, last but not least, ver-
»Prüfstandmessungen in der Auto mobilindustrie sind
komplizierter, als man zunächst denkt.«
Prof. Dr.Ing. Gerald Ruß, Hochschule Darmstadt
»Schmierstoffe tragen maßgeblich zum sinkenden Kraftstoffverbrauch bei.«
Dr.Ing. Thorsten Bartels, Leiter des PerformanceTestlabors im
Geschäftsgebiet Oil Additives
unpolaren Seitenketten. Im Schmierstoff haben sie die Form eines Knäuels, das bei niedrigen Temperaturen kompakt ist und damit kaum die Viskosität steigert, wäh-rend sie sich bei hohen Temperaturen aus-dehnen und den Schmierstoff verdicken.
„Mit den von uns weiterentwickelten Ad-ditiven ist eine Kraftstoffeinsparung von drei bis vier Prozent möglich, das haben inzwischen unabhängige Prüflabore be-legt“, sagte Bartels. „Allerdings sind solche Zertifizierungen extrem teuer, sodass sie nur sinnvoll waren, als wir die Wirkung der Additive bereits nachgewiesen hatten.“ Also nach Ende der Entwicklung.
Hier kam die Hochschule Darmstadt ins Spiel, die einen geeigneten Motoren-prüfstand aufgebaut hat. „Verbrauchs-messungen sind von sehr vielen Parame-tern abhängig“, erklärte Gerald Ruß. „Auf Fahrzeugrollenprüfständen ist es nur mit sehr viel Aufwand möglich, die Mess-unsicherheit unter ein Prozent zu drücken.“ Ruß und sein Team arbeiten daher mit ei-nem dynamischen Motorenprüfstand: ein Original-Fahrzeugmotor mit Kabelbaum, Steuergeräten und einer Simulation des durch die restlichen Komponenten noch nicht abgedeckten Bussystems. Die Wis-senschaftler haben diesen Prüfstand
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»Die Displayhersteller stehen vor einem gewaltigen Umbruch.«
Dr. Gerhard Renner, IPManager Electronic Solutions, Evonik
hinsichtlich unzähliger Parameter wie Stillstandzeiten oder Fahrerverhalten cha-rakterisiert und mit Messungen an realen Fahrzeugen abgeglichen. „So lassen sich zum Beispiel auch Dinge wie der Einfluss der Feuchte in der angesaugten Verbren-nungsluft untersuchen“, verdeutlichte Ruß die Möglichkeiten: Bei einem Anstieg der relativen Feuchte um 24 Prozent steigt der Kraftstoffverbrauch nämlich um ein Pro-zent. Durch diese kontrollierte Messum-gebung konnten die Darmstädter Forscher letztlich auch die Wirkung der neuen Addi-tive von Evonik so genau charakterisieren, dass eine anschließende Zertifizierung im Prüflabor wirtschaftlich sinnvoll war.
Einfachere Herstellung von ElektronikDie abschließende Präsentation bei Evonik Meets Science war einem Zukunftsthema gewidmet, das derzeit die Forschung rund um den Erdball beschäftigt: druckbare Elektronik. Dr. Gerhard Renner, IP-Mana-ger der Electronic-Solutions-Gruppe von Evonik, und Prof. Dr. Gerwin Gelinck, TU Eindhoven (Niederlande) und Holst Centre, zeigten das Potenzial dieses völlig neu-en Herstellungsprozesses auf. „Der Druck ist ein additives Verfahren, sodass wenig Material erforderlich ist, er benötigt kein Vakuum und kann funktionale Schichten geringer Dicke erzeugen“, fasste Gelinck die Vorteile zusammen.
Während die Fertigung von aktueller Elektronik mit amorphem Silizium pro Quadratmeter bereits um einen Faktor 400 günstiger ist als mit kristallinem Silizium, würde der Preis für gedruckte Elektronik nochmals um denselben Faktor sinken.
„Die Herausforderungen sind, eine aus-reichend hohe Ladungsträgermobilität bei niedrigen Prozesstemperaturen zu errei-chen sowie eine einheitliche Dicke und Ma-terialzusammensetzung über eine mehrere Quadratmeter große Fläche“, so Gelinck weiter.
Evonik hat mit iXscenic® bereits ein Ma-terial entwickelt, das sich zum Beschich-ten und Drucken eignet. Es hat eine zehn-fach höhere Ladungsträgermobilität als amorphes Silizium. Interessant ist es zum Beispiel für die Herstellung der Dünn-schichttransistoren für große Displays der nächsten Generation. „Für die Industrie bedeutet der Übergang von heutigen Halb-leiterprozessen auf additive Verfahren einen gewaltigen Umbruch“, erklärte Gerhard Renner. „Deshalb arbeitet Evonik in Euro-pa mit dem Holst Centre und in Taiwan mit dem Industrial Technology Research Insti-tute zusammen, um die iXscenic® Materia-lien an die Industrieprozesse anzupassen.“ Derzeit bereite man den Markteintritt mit Schlüsselkunden vor. Möglich wurde auch dies nur durch Kooperationen zwischen In-dustrie und Forschungseinrichtungen.
»Druckbare Elektronik bedeutet ressourceneffiziente Elektronik.«
Prof. Dr. Gerwin Gelinck, TU Eindhoven und Holst Centre
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Evonik hat ein neues Kompetenzzentrum für
Silane am Standort Rheinfelden errichtet und damit den Ausbau von Forschung und Entwicklung im Bereich Silantechnologie fortgesetzt. Auf einer Fläche von 3.500 Quadrat metern arbeiten dort rund 100 Mitarbeiter. Neben der Forschung sind in dem neuen
für unsere Kunden schaffen“, sagt Dr. Johannes Ohmer, Mitglied der Geschäftsführung der Evonik Resource Efficiency GmbH.
Die Nachfrage nach innovativen Spezialsilanen ist in allen Märkten hoch. Silane schützen zum Beispiel Gebäude, Brücken oder Denkmäler vor Korrosion, machen Smart
Professur in Bochum ➜Lysin aus Brasilien ➜ Biopolyamide auf der K ➜
FORSCHUNG AN SILANEN GESTÄRKTNeues Kompetenzzentrum in Rheinfelden unterstreicht Rolle des Evonik-Standorts im weltweiten Geschäft mit Silanen.
phones leistungsfähiger und ermöglichen spritsparende Reifen und haltbare Lacke.
Das neue Forschungszentrum fügt sich konsequent in den Silanverbund von Evonik in Rheinfelden ein. Seit mehr als 80 Jahren ist die Silanforschung dort beheimatet – das erste Patent für ein Silan wurde 1934 an diesem Standort erteilt.
Kompetenzzentrum auch Anwendungstechnik, Analytik und Qualitätsmanagement angesiedelt.
Kurze Wege schaffen optimale Bedingungen für die Zusammenarbeit und den Austausch von Erfahrungen und Ideen. „So können wir noch schneller und gezielter maßgeschneiderte Lösungen
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Auswaschungsarme Benzinleitung
M it dem Mehrschichtrohrsystem 4800 erfüllt
Evonik als der weltweit führende Anbieter von Polyamid 12 für mehrschichtige Kunststoffleitungssysteme neue Anforderungen der Automobilindustrie. Das neue System mit einer extraktarmen VESTAMID® Polyamid612Innenschicht weist einen signifikant reduzierten Gehalt an auswaschbaren Substanzen auf.
Alkoholhaltige Kraftstoffe, beispielsweise ethanolhaltige Biokraftstoffe, können aus der inneren Wandung gebräuchlicher Benzinleitungen Bestandteile herauslösen. Diese können bei neuen, empfindlichen Kraft stoffsystemen, die zur Verringerung des Verbrauchs beim
Einspritzen über klein porige Düsen einen feinen Sprühnebel aus Benzin und Luft erzeugen, unter bestimmten extremen Bedingungen zum Verstopfen der Düsen führen. Um dies sicher auszuschließen, sucht die Automobilindustrie nach neuen Materialien für Benzinleitungen mit deutlich verringerter Extraktion.
Neue Anlage für Biolys® in Brasilien
Im brasilianischen Castro hat Evonik eine neue Anlage zur
biotechnologischen Herstellung von Biolys® mit einer Produktionskapazität von rund 80.000 Jahrestonnen in Betrieb genommen. Damit entspricht das Unternehmen der seit Jahren steigenden Nachfrage nach Biolys® in Lateinamerika und insbesondere in Brasilien.
Evonik produziert am Standort des USamerikani
schen Unternehmens Cargill und bezieht von diesem Standort und Logistikdienstleistungen sowie vor Ort produzierte Rohstoffe. Als Hauptrohstoff für die Fermentation werden landwirtschaftliche Erzeugnisse aus der Region eingesetzt. Die Anlage bietet rund 100 hoch qualifizierte Arbeitsplätze.
Biolys® gilt als höchst effi ziente LLysinQuelle in Tierfutter. Es trägt dazu bei, sowohl die Kosten in der Futtermittelproduktion als auch in der Tierzucht zu senken.
Stiftungsprofessur in Bochum
Evonik stiftet eine Professur für Organische Chemie an
der RuhrUniversität Bochum (RUB). Ab dem kommenden Wintersemester forscht und lehrt der renommierte Chemiker Prof. Dr. Lukas J. Gooßen als Inhaber der Stiftungsprofessur an der Hochschule. Der 46Jährige tritt damit die Nachfolge von Prof. Dr. Günter von Kiedrowski an, der in den Ruhestand geht. Die Professur wird über fünf Jahre inklusive Personal und Sachmitteln mit 750.000 € finanziert.
Gooßen studierte Chemie an den Universitäten Bielefeld, Michigan und Berkeley und promovierte 1997 an der TU München. Nach einem PostdocAufenthalt am Scripps Research Institute in San Diego (USA) im Arbeitskreis des Chemienobelpreis trägers Prof. K. Barry Sharpless arbeitete er für knapp zwei Jahre in der zentralen Forschung der Bayer AG. 2004 habilitierte er
am MaxPlanckInstitut für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr und setzte seine Forschung als Heisenbergstipendiat an der RWTH Aachen fort. Ab 2005 war er Professor an der TU Kaiserslautern am Lehrstuhl für Organische Chemie.
Entschäumer für Bautenfarben
M it der neuen TEGO®
Foamex Serie 10 bis 34 ermöglicht Evonik die Entwicklung innovativer Bautenfarben. Die effizienten Entschäumer haben keinen Einfluss auf den Anteil an flüchtig organischen Verbindungen (VOC), sind Ecolabeltauglich und reduzieren mit geringem Investment die Produktionszeiten. Außerdem präzisieren sie die Füllmengen und optimieren Ästhetik und Performance von Bautenfarben. Das neue Portfolio um fasst zehn Entschäumer mit unterschiedlichsten Leistungsprofilen.
Fortschritt bei Ökobilanzen
Im Rahmen seiner strukturierten Nachhaltigkeits
analyse der Geschäfte hat Evonik bereits rund 70 Prozent des Außenumsatzes seiner drei Chemiesegmente mittels ökobilanzieller Betrachtungen untersucht. Angestrebt wird eine Ausdehnung auf 80 Prozent. Thomas Wessel, im EvonikVorstand zuständig für Nachhaltigkeit: „Mit diesen Untersuchungen tragen wir den zunehmenden Anforderungen unserer Kunden an die Nachhaltigkeit unserer Produkte Rechnung. Zudem sind ökobilanzielle Betrachtungen auch Basis für operative Geschäfts und Entscheidungsprozesse bei Evonik.“ Ökobilanzen erhöhen die Transparenz hinsichtlich der Umweltwirkungen von Produkten und Prozessen.
Das aus Wissenschaftlern und Ingenieuren interdisziplinär zusammengesetzte LifeCycleManagement(LCM) Team von Evonik hat seit 2009
über 100 lebenszyklusbasierte Analysen für Produkte, Prozesse oder ganze Standorte erstellt. Zudem arbeitet es an der Weiterentwicklung der Methodik von lebenszyklusbasierten Analysen mit. Dies erfolgt sowohl national als auch international im Rahmen von Nachhaltigkeitsinstitutionen und netzwerken wie dem World Business Council for Sustainable Development (WBCSD).
HD-Kieselsäuren aus Südamerika
Evonik hat in Americana (São Paulo, Brasilien) die erste
Anlage für leicht dispergierbare Kieselsäuren (HDKieselsäuren) in Südamerika in Betrieb genommen. Diese wachstumsstarken Kieselsäuren werden überwiegend für hochwertige, rollwiderstandsreduzierte Reifen eingesetzt. Außerdem zielt Evonik mit der neuen Produktion auf das wachsende regionale Geschäft in der Lebensmittel, Futtermittel und Agroindustrie Süd amerikas.
Die Reifenindustrie Südamerikas profitiert vom Wachstum der Automobilindustrie in der Region, die in den vergangenen Jahren deutliche Absatzsteigerungen verzeichnete. Der Markt für Leichtlaufreifen – und damit für die HDKieselsäuren – wächst dabei überproportional. Aufgrund der in Brasilien geplanten Kennzeichnungspflicht für den Energieverbrauch von Reifen rechnet Evonik mit zusätzlicher Nachfrage.
Durch den Einsatz von Kieselsäuren in Kombination
Enthält kaum auswaschbare Substanzen: das Mehrschichtrohr-system 4800
Biolys® wird unter anderem in der Ernährung von Geflügel eingesetzt.
In Kombination mit Silanen reduzieren Kieselsäuren den Rollwiderstand von Reifen.
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Längere Frische im Wäscheschrank
M it einem neuen Silikonderivat ermöglicht
Evonik die Formulierung von Weichspülern mit einer verbesserten Leistung: mit einer
mit Silanen können Reifen produziert werden, die durch einen deutlich geringeren Rollwiderstand zur Einsparung von bis zu acht Prozent Kraftstoff führen im Vergleich zu herkömmlichen PkwReifen. Evonik bietet als einziger Hersteller beide Komponenten an.
Hochwertiger Bautenschutz
M it TEGO® Phobe 1659 und TEGO® Phobe 1409 hat
Evonik zwei neue Hydrophobierungsmittel auf den Markt gebracht, die Fassaden vor Wetter, Wasser und Schmutz schützen. Sie sind in Härte und Silikoncharakter so ausbalanciert, dass sie Silikonanreicherungen auf der Oberfläche
vermeiden und die Schmutzaufnahme drastisch senken.
Durch deutlich verbesserte Benetzungseigenschaften wird im Zusammenspiel mit Pigmenten und Füllstoffen das Silikonharz besser verteilt, sodass die erforderliche Einsatzmenge ohne Einbußen der Hydrophobierungsleistung reduziert werden kann. Das aminofunktionelle Polysiloxan TEGO® Phobe 1409 erzeugt zudem einen Wasserabperleffekt, der Fassaden schneller abtrocknen lässt und so die Anfälligkeit für Algen und Moosbewuchs reduziert.
Beide Hydrophobierungsmittel können uneingeschränkt in Formulierungen eingesetzt werden, die die strengen Anforderungen verschiedener Umweltlabels, wie Ecolabel oder Blauer Engel, erfüllen müssen.
FASERN AUS BIOPOLYAMID
Auf der Kunststoffmesse K 2016 hat Evonik die Besucher mit der Präsentation
von Damenmode überrascht. Die eleganten Kleidungsstücke bestanden zu 100 Prozent
aus neuen Biopolyamid-Fasern auf Basis von VESTAMID® Terra, die von dem italie-nischen Faserhersteller Fulgar unter dem
Namen EVO® vermarktet werden.
Die Hightech-Textilfasern sind extrem leicht, dehnbar, atmungsaktiv und dank
dauerhaft bakteriostatischer Eigenschaften geruchshemmend. Zudem trocknen sie schnell, sind bügelfrei und lassen sich in
allen Textilanwendungen verarbeiten, vom italienischen Designerstoff für Abendklei-der über funktionelle Sportbekleidung bis
hin zu strapazierfähigen Polstermaterialien.
Hergestellt werden die Fasern aus dem Bio- polyamid VESTAMID® Terra, das zu 100 Pro-
zent aus den Samen der Rizinus pflanze gewonnen wird. Da die Rizinus pflanze auch längere Dürreperioden übersteht, wird sie
in trockenen Gebieten angebaut, die sonst landwirtschaftlich nicht nutzbar sind. Das
Biopolymer hat so keinen nachteiligen Ein-fluss auf die menschliche Nahrungskette.
Neue Hydrophobierungsmittel schüt-zen Fassaden vor Nässe und Schmutz.
Damenmantel aus der Biopolyamid- Faser EVO®
höheren Weichheit und vor allem einem länger anhaltenden Duft der Wäsche.
Das Produkt namens REWOCARE® GSM 42 wird zurzeit eingeführt. Bereits eine kleine Menge davon verstärkt Weichspülwirkung und Duft des Weichspülers. Selbst zwei Wochen nach dem Waschen
verströmt die Wäsche noch einen angenehmen Frischeduft. Der gewünschte Weichspül und Dufteffekt lässt sich zudem mit weniger Weichspülwirkstoff erzielen.
Für die Hersteller ergeben sich damit verschiedene Optionen, ihre Produkte zu verbessern: Das Silikonderivat ist als Mikroemulsion formuliert und lässt sich als Zusatz zu allen gängigen Weichspülern verwenden.
Beteiligung an Vivasure Medical
Evonik hat über seine VentureCapitalAktivitäten in
das in Galway (Irland) ansässige Medizintechnikunternehmen Vivasure Medical Limited investiert. Das Produkt der PerQseal™Technologieplattform des Unternehmens ist die einzige zugelassene vollkommen synthetische Möglichkeit, große Arteriotomien vollständig biologisch absorbierbar und nahtfrei zu schließen. Weltweit werden solche minimalinvasiven Eingriffe immer häufiger in Operationen eingesetzt. In einigen Bereichen sind sie bereits als Standard etabliert.
Der Grund dafür ist, dass für diese Eingriffe nur kleine Schnitte ausgeführt werden müssen und Patienten somit weniger belastet werden. Die Technologie ist einfach zu handhaben und ermöglicht es dem Chirurgen, die Zugangsstelle vollständig wiederherzustellen, ohne Metallimplantate, Nähte oder exogenes Gewebe zu hinterlassen.
REWOCARE® GSM 42 lässt Wäsche länger duften.
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ELEMENTS #57 DAS INNOVATIONSMAGAZIN VON EVONIK ELEMENTS #57 DAS INNOVATIONSMAGAZIN VON EVONIK
GLÄNZENDE ANSICHTEN
2013 brachte Evonik einen neuen Baustein für Einbrenn-Klarlacke auf den Markt, die Autos besonders wirkungsvoll vor Mikrokratzern schützen. Nun lässt sich der
Baustein auch verwenden, um Schönheit und Glanz von Parkett-, Möbel- und Kunststoff oberflächen länger zu erhalten. Denn die Entwickler haben ihrem Produkt
beigebracht, auch bei Raumtemperatur auszuhärten.
GLÄNZENDE ANSICHTEN2013 brachte Evonik einen neuen Baustein für Einbrenn-Klarlacke auf den Markt,
die Autos besonders wirkungsvoll vor Mikrokratzern schützen. Nun lässt sich der Baustein auch verwenden, um Schönheit und Glanz von Parkett-, Möbel- und
Kunststoff oberflächen länger zu erhalten. Denn die Entwickler haben ihrem Produkt beigebracht, auch bei Raumtemperatur auszuhärten.
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SOLUTIONS: SURFACES
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Von Markus Hallack und Dr. Hans Görlitzer
Als die Lackexperten des Segments Resource Efficiency 2010 ein neues Projekt starteten, nannten sie es Adamant. Der Begriff leitet sich ebenso wie Dia
mant vom griechischen Wort ἀδάμας ab, das sich mit unbezwingbar übersetzen lässt. So ehrgeizig wie der Name war auch das Projekt: Die Experten wollten Rohstoffe entwickeln, die Beschichtungen außergewöhnlich widerstandfähig gegen die schmirgelnde Wirkung von Staub, Schmutz und Putz utensilien machen und dabei sogar noch traditionelle ZweiKomponentenPolyurethan lacke in den Schatten stellen.
Feuchtigkeit, Sonnenlicht oder Reinigungsmittel: Schon hauchdünne Lackschichten können die Widerstandskraft von Oberflächen gegenüber äußeren Einflüssen erstaunlich verstärken. So ist die äußerste Lackschicht auf Autos üblicherweise nur rund 40 tausendstel Millimeter dick, doch schützt sie die metallische Karosserie effektiv gegen die schädigende Wirkung von UVStrahlen und Chemikalien wie etwa Benzin. Im Laufe der Jahrzehnte hat die
chemische Industrie die Lacke in dieser Hinsicht immer weiter verbessert.
Andere Beispiele sind Holzböden oder Möbel: Sind sie mit einem modernen Hochleistungslack beschichtet, hinterlässt sogar Rotwein aus einem umgekippten Glas keine dauerhaften Spuren. Standardmäßig demonstrieren die Hersteller von Lackrohstoffen und auch die Hersteller von Lacken ihren Kunden durch entsprechende Tests, wie ihre Produkte mit Kaffee, Senf, Essig und Reinigungsmitteln fertig werden. Es ist nachvollziehbar, dass etwa Küchenhersteller mehr Wert auf hohe Beständigkeit gegenüber solchen Substanzen legen als Produzenten von Bücherregalen oder Kleiderschränken. Entsprechend sind sie auch bereit, mehr Geld für hochwertige Beschichtungen auszugeben.
Lacke für höchste Anforderungen bestehen häufig aus Polyurethanen – großen Molekülen aus sich wiederholenden Einheiten, die über Urethangruppen (chemische Formel: NHCOO) verknüpft sind. Diese Urethangruppen bilden sich, wenn der Lackierer zwei Komponenten miteinander vermischt, die der Lackhersteller geliefert hat: Polyisocyanate (charakteristische Gruppe: N=C=O) und Poly ole (charakteristische Gruppe: OH). In der Branche werden die Polyisocyanate dabei als
Ein neuer Lackrohstoff verhindert Mikrokratzer auf
lackierten Kunststoff- und Holzoberflächen und sorgt so
für dauerhaften Glanz.
»Das Projekt Adamant ist eine Erfolgsstory geworden, die noch viele Fortsetzungen haben dürfte.«Markus Hallack
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SOLUTIONS: SURFACESSOLUTIONS: SURFACES
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industrie anpeilte, hat zwei Gründe. Zum einen ist dort der Bedarf an kratzfesten Lacken besonders groß und offensichtlich. Zum anderen härten Lacke mit den ursprünglich verfügbaren VESTANAT® EPMTypen erst bei Temperaturen von mehr als 100 °C schnell und gut aus. Bei der Automobilerstlackierung ist das kein Problem: Dort werden die Lackschichten ohnehin eingebrannt, also die Karosserie mit der jeweils frischen Lackschicht durch Öfen geschoben. Doch bei temperaturempfindlichen Materialien wie Holz und Kunststoff sind Lacke, die hohe Temperaturen zum Aushärten benötigen, nicht zu gebrauchen.
Auch bei Raumtemperatur schnell vernetztSomit standen die Entwickler vor einer neuen Herausforderung: Um den neuen Kratzschutz auch der Holz und Möbel
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Härter und die Polyole als Bindemittel bezeichnet. Zwar existieren auf dem Markt auch Einkomponentenlacke, bei denen der Lackverarbeiter keine Komponenten mehr vermischen muss. Sie erreichen jedoch üblicherweise nicht die gleichen guten Eigenschaften wie Zweikomponentenlacke.
Rotwein und Staub: Hochglanz hat viele FeindeDoch neben Benzin, Rotwein und Reinigungsmitteln hat das glänzende Erscheinungsbild einer Oberfläche noch weitere Feinde: So führen Partikel in nicht ganz sauberen Lappen oder die Bürsten in der Waschstraße zu feinsten Kratzern auf der Autokarosserie. Diese ermattet daher sozusagen im Laufe der Jahre. Oder im Haus: Wer mit staubigen Straßenschuhen über das Parkett läuft, hinterlässt Mikrokratzer, die die Lackoberfläche mit einem Grauschleier überziehen und sie stumpf werden lassen. Auch Hochglanzküchen verlieren mit der Zeit ihren Glanz, weil der Einsatz von Putzschwämmen oder rauen Lappen seine Spuren hinterlässt. Selbst moderne Mikrofasertücher können dem Hochglanz ein schnelles Ende bereiten.
Deshalb beschäftigen sich die Lackrohstofflieferanten und die Lackindustrie schon seit vielen Jahren mit der Frage, wie sie die Schutzwirkung ihrer Produkte gegenüber solchen Angreifern verbessern können. So haben sie unter anderem Nanopartikel in ihre Lackkomponenten eingearbeitet, um die resultierenden Beschichtungen kratzfester zu machen. Allerdings ist das Einarbeiten dieser Partikel mit enormem Aufwand verbunden.
Die Beschichtungsexperten des Segments Resource Efficiency von Evonik verfolgten daher ein völlig neues Konzept: Die Polyurethanmoleküle sollten sich nicht beim Mischen eines Polyisocyanats und eines Polyols unmittelbar vor dem Lackieren bilden. Stattdessen sollten beim Lackieren „fertige“ Polyurethanmoleküle über zusätzlich vorhandene Silangruppen (Si(OH)3) reagieren. Denn es war in der Literatur schon lange bekannt, dass das resultierende siliziumhaltige Netzwerk die Eigenschaften von Lacken deutlich verbessern kann.
Allerdings waren silanmodifizierte Polyurethane bis zu diesem Zeitpunkt nur sehr aufwendig und teuer herzustellen, sodass sie sich als Lackrohstoffe nicht vermarkten ließen. Hier aber, so der Ansatzpunkt der CoatingSpezialisten, verfügt Evonik über einen entscheidenden Pluspunkt: Das Unternehmen kann einen wesentlichen Ausgangstoff – 3Isocyanatpropyltrimethoxysilan (IPMS) – in sehr hoher Reinheit besonders effizient und damit kostengünstiger herstellen.
Tatsächlich gelang es dem Projektteam sehr schnell, wettbewerbsfähige silanmodifizierte Polyurethane in industriell relevanten Mengen herzustellen (Abb. 1). Sie wurden 2013 der Lackindustrie und Auto
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Abbildung 1. Vielseitiger Baustein
Aus dem Baustein IPMS entstehen zum Beispiel mit Diolen silanmodifizierte Polyurethane. Der Vorteil: Beim Lackieren vernetzen die „fertigen“ Polyurethane isocyanatfrei über die Silangruppen.
• selbstvernetzende Hybridbindemittel • maßgeschneiderte Vernetzer für kratzfeste Klarlacke
• ermöglicht isocyanatfreie Formulierungen
• VESTANAT® EP-M 95: das „Arbeitspferd“
• VESTANAT® EP-M 222: Zusatzkomponente, die Flexibi-lität der Beschichtung steuert
• gebrauchsfertige Formulierungen
• VESTANAT® EP-MF 201: bei Raumtemperatur vernet-zende Formulierung
• VESTANAT® EP-MF 202: Zusatzkomponente, die Flexibi-lität der Beschichtung steuert
0 °C 32 °F
40 °C 104 °F
80 °C 176 °F
140 °C 284 °F
VESTANAT® EP-MF-Reihe VESTANAT® EP-M-Reihe
Aushärtung in breitem Temperaturbereich
Mit je zwei Produkten der VESTANAT® EP-M- und der EP-MF-Reihe deckt Evonik wesentliche Anforde-rungen an Lacke für die Automobilindustrie (EP-M) und die Möbel- und Kunststoffindustrie (EP-MF) ab.
mobilherstellern erstmals präsentiert. Im gleichen Jahr erhielt das Team den Evonik Innovationspreis in der Kategorie Neue Produkte/Systemlösungen (elements 46). Denn es zeigte sich, dass Autoklarlacke, die auf dieser innovativen Stoffklasse basieren, wie erhofft besonders kratzbeständig sind. Evonik vermarktet die entsprechenden Lackrohstoffe als VESTANAT® EPMTypen. Da sie vergleichsweise hochpreisig sind, werden sie zunächst Autos der Luxus und Oberklasse schützen – nicht nur vor Kratzern, sondern auch vor Witterungseinflüssen und Chemikalien. Denn die resultierenden Klarlacke sind hier genauso wirksam wie die gängigen Zweikomponentenklarlacke.
Dass Evonik mit den silanmodifizierten Polyurethanen – die auch als uretha nisierte Poly alkoxysilane bezeichnet werden – zunächst Anwendungen in der Automobil
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deren Test fährt ein 500 Gramm schwerer Hammer mit einem Stück Topfreiniger ohne Druck über die Lackoberfläche. So oder so: Anschließend wird erneut gemessen, wie gut die Testlackierung das Licht reflektiert, und somit, wie viel an Glanz sie aufgrund von Kratzern eingebüßt hat.
Einfache Handhabung ohne IsocyanateDoch VESTANAT® EPMF macht Lacke nicht nur widerstandsfähiger gegen mechanische und chemische Angreifer. Als isocyanatfreie Lacke sind sie für den Lackverarbeiter auch besonders einfach zu handhaben: Er muss nichts mischen, kann dabei also auch keine Fehler machen oder Mischungsverhältnisse falsch wählen. Das kann zudem ein geldwerter Vorteil sein: Für Küchenhersteller oder Parkettproduzenten sind weniger Reklamationen zu erwarten.
Die Produktionsanlage für die silanmodifizierten Polyurethane in Marl hat gut zu tun, obwohl Evonik die Produkte bislang nur sehr gezielt vermarktet. Das Projekt Adamant ist zu einer Erfolgsstory von Evonik geworden, und sie wird vermutlich noch viele Fortsetzungen haben. Die LackrohstoffSpezialisten sprühen jedenfalls vor Ideen. So wollen sie das chemische Rückgrat der silanmodifizierten Polyurethane verändern, um Beschichtungen mit weiteren, einzigartigen Fähigkeiten zu versehen.
branche sowie der Kunststoff verarbeitenden Industrie zugänglich zu machen, mussten sie es schaffen, die silanmodifizierten Polyurethane auch bei Raumtemperatur ausreichend schnell auszuhärten.
Diese Kältehärtung läuft nach einem anderen Mechanismus ab (Abb. 2): Bei Luftfeuchtigkeit reagieren die Silangruppen miteinander und bilden ein Siloxannetzwerk (SiOSi). Die Moleküle der innovativen Stofffamilien vernetzen sich also unter diesen Bedingungen mit sich selbst. Das bedeutet: Darauf basierende Lacke müssen nicht mehr aus zwei Komponenten bestehen. Der Lackrohstoff kann sozusagen als Bindemittel und Härter zugleich dienen.
Wie aber bringt man den Rohstoff dazu, sich bei Raumtemperatur schnell nach diesem Mechanismus zu verbinden? Für den Chemiker liegt die Antwort auf der Hand: Man benötigt einen Katalysator. Leicht gesagt, doch in der Praxis bedeutete das Hunderte von Testreihen mit potenziellen Materialkandidaten, die als Katalysator infrage kommen könnten. Doch der Aufwand wurde belohnt, und die Forscher fanden einen geeigneten Katalysator. Die silanmodifizierten Polyurethane, die ihn enthalten, tragen die Typenbezeichnung EPMF.
Die Hersteller von Holz und Kunststofflacken setzen VESTANAT® EPMF entweder als alleinigen Lackbildner ein oder verdünnen ihn noch mit einer Polyolkomponente, die sich in das Siloxannetzwerk einlagert. Auf diese Weise beeinflussen sie, wie flexibel die resultierenden Lackschichten sind und wie gut sie haften. Dass solche Lacke weniger empfindlich gegenüber Verkratzung sind als herkömmliche Polyurethanlacke, lässt sich mit verschiedenen Tests eindrucksvoll nachweisen.
Am Anfang dieser Tests steht meistens die Messung, wie viel Licht die frisch lackierte Oberfläche zurückwirft. Beim sogenannten CrockmeterTest wischt anschließend ein Prüfkopf, der mit einem rauen Tuch überzogen ist, immer wieder an der gleichen Stelle über die Oberfläche. Wie oft der Prüfkopf hin und her fährt und mit welcher Kraft er aufdrückt, lässt sich dabei am Prüfgerät, dem Crockmeter, einstellen. Bei einem an
Die Experten
Markus Hallack ist Direktor New Business Development/ New Markets and Tech- nology im Segment Resource Efficiency.markus.hallack@ evonik.com
Dr. Hans Görlitzer leitet bei Resource Efficiency im Ge-schäftsgebiet Cross-linkers den Bereich Business Development.hans.goerlitzer@ evonik.com
Abbildung 2. Ein Baustein, zwei Mechanismen, viele Anwendungsmöglichkeiten
Während die silanmodifizierten Polyurethane für Klarlacke (VESTANAT® EP-M-Typen) über eine Umesterung entstehen, werden die Produkte für Holz- und Kunststofflacke (VESTANAT® EP-MF-Typen) durch eine Hydrolyse-/ Kondensationsreaktion gewonnen.
Klarlacke auf Holz nach einem modifizierten Kratztest im Crock-meter. Ein herkömm-licher 2K-PUR-Lack (links) zeigt deutliche Kratzspuren – im Ge-gensatz zu einer For-mulierung, die 50 % VESTANAT® EP-MF als Bindemittel enthält.
Hydrolyse/Kondensation
Umesterung
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SOLUTIONS: SURFACESSOLUTIONS: SURFACES
Die Promotion in Chemie führt nicht immer ins Labor: Bei Resource Efficiency eröffnen sich Chemikern auch neue Betätigungsfelder. Sechs Mitarbeiter berichten, wohin ihr Berufsweg sie bislang geführt hat.
Eine Ausbildung, viele Wege
CHEMIKERKARRIEREN
Ein Segment, neun Geschäftsgebiete, 64 Standorte: Nach dem Chemiestudium bietet Resource Efficiency viele Möglichkeiten für den Karriereweg. Und der ist nicht immer vorhersehbar.
„Meine Position als Controller eines Geschäftsgebiets hat sich Schritt für Schritt ergeben“, sagt zum Beispiel Dr. Arne Wigger, organischer Chemiker. Andere Chemiker arbeiten in Forschung, Prozessentwicklung oder Marketing. Hier erklären sie, was sie an ihren aktuellen Aufgaben reizt.
1 Dr. Arne WiggerControlling Coating Additives, Essen, organi-scher Chemiker, bei Evonik seit 2000Sein Ziel war Japan. Sprache und Kultur dieses Staats haben ihn schon immer fasziniert. Deswegen suchte Arne Wigger während der Promotion nach Karrieremöglichkeiten im Ausland. Fündig wurde er in einer Vorlesung: „Professor Kollmeier, Vorstand der SKW Trostberg, sprach über Managementfunktionen von Chemikern in der Industrie“, erinnert sich Wigger. „Das hat mein Interesse an Betriebswirtschaft geweckt. Außerdem hatte das Unternehmen einen Standort in Japan – perfekt!“ Wigger bewarb sich nach seinem PostdocAufenthalt in Japan für ein Traineeprogramm und wurde eingestellt. Es folgten Einsätze in Frankreich und China. „In Paris habe ich das erste Mal im Controlling gearbeitet“, so Wigger. „Daran hat mich besonders gereizt, ein Projekt strategisch zu begleiten.“ Auch heute gefällt ihm dieser Teil seiner Arbeit am besten: „Chemie und Controlling sind gar nicht so verschieden. Bei beiden sucht man Lösungen für Probleme.“ Ein weiteres Plus: Wenn Gesprächspartner in chemisches Fachvokabular verfallen, kann Wigger mithalten. Schließlich ist er Chemiker.
2 Dr. Dominik MaschkeProzessentwicklung Silica, Wesseling, anorganischer Chemiker, bei Evonik seit 2011„Wir hatten ein klares Ziel vor Augen“, sagt Dominik Maschke. Er und seine Kollegen in
der Produktion waren für die Inbetriebnahme der ersten Kieselsäureanlage in Brasilien zuständig. In Americana werden seit Mitte 2016 leicht dispergierbare Kiesel säuren hergestellt, die Kunden überwiegend in rollwiderstandsreduzierten Reifen einsetzen. Um auch in Brasilien die Qualität der Produkte sicherzustellen, prüft Maschke die Maschinen vor Ort und schult neue Mitarbeiter. „Zunächst musste ich beurteilen, ob alles richtig installiert wurde“, erklärt Maschke, Mitglied des Anfahrteams. Dazu führte er unter anderem Testläufe durch – mit Wasser anstelle der Rohstoffe: „Sicherheit geht vor. Erst wenn alles klappt, können wir mit Produkten anfangen.“ Die Voraussetzungen für diese Aufgabe hat Maschke sich in der Silicaforschung von Evonik angeeignet. Sein Spezialgebiet ist die Fällung – der erste Schritt bei der Herstellung von Kiesel säure, bei dem Wasserglas mit Schwefelsäure reagiert. „Es ist spannend, das Wissen jetzt an die neuen Mitarbeiter in Brasilien weiterzugeben“, sagt Maschke. „Sie sind sehr engagiert und haben sich auf die Eröffnung genauso gefreut wie ich.“
3 Dr. Stefan HilfInnovationsmanagement Coating Additives, Singapur, Polymerchemiker, bei Evonik seit 2009Effekte in Moleküle übersetzen: Das ist es, was Stefan Hilf an der Arbeit als Leiter Innovationsmanagement für Coating Additives in Asien besonders fasziniert. Er und sein elfköpfiges Team entwickeln neue Produkte für den asiatischen Markt. Hilf hat die Aufgabe, das Portfolio für Asien zu gestalten, um die Produktpalette auf die lokalen Bedürfnisse abzustimmen. Und nicht immer geht alles glatt: „Man muss damit rechnen, dass Projekte auch mal nicht funktionieren. Das ist Forschung. Vielleicht schafft es nur jedes hundertste Molekül auf den Markt.“ Trotzdem hätte sich Hilf keinen anderen Bereich vorstellen können. Seine Promotion schloss er in der Weltwirtschafts krise ab. Eigentlich kein guter Zeitpunkt, die Karriere zu starten. Dennoch versuchte er sein
Glück bei Evonik. Mit Erfolg: 2009 begann er als Produktentwickler, was ihn auch heute prägt. „Ich arbeite zwar fast nur im Büro“, sagt Hilf, „aber ich gehe gern ins Labor und fiebere mit den Kollegen mit.“ Höhepunkte sind für ihn die Momente, in denen es Produkte des Teams auf den Markt schaffen. In den vergangenen vier Jahren waren das zehn neue Lackadditive: „In jedem unserer Produkte steckt Herzblut.“
4 Dr. Björn BorupMarketing Silanes, Hanau, anorganischer Chemiker, bei Evonik seit 1998Durchhaltevermögen – das braucht Björn Borup bei seiner Arbeit im Marketing. Bei ihm landen Kundenanfragen nach neuen Produkten und Anwendungsmöglichkeiten. „Ich analysiere, ob wir über ausreichend Rohstoffe und die chemischen und technischen Voraussetzungen verfügen und ob am Ende auch der Gewinn stimmt“, so Borup. Wenn alles zutrifft, kann es losgehen: Gemeinsam arbeiten Kunden und die Mitarbeiter von Evonik an der Umsetzung. Bis ein Projekt zum Abschluss kommt, kann
Sechs Chemiker, sechs Wege, ein
Ziel: das Segment Resource Efficiency
als Anbieter um-weltfreundlicher und energieeffi-
zienter Lösungen voranzubringen
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PROFESSIONALS
es Jahre dauern. „Bei einem Projekt für die Automobilindustrie wurden in den 1990ern die ersten Gespräche geführt“, erinnert sich Borup. „Das Produkt haben wir aber erst vor ein paar Jahren geliefert.“ Das liegt zum Beispiel daran, dass Projektbetreuer beim Kunden wechseln: „Dann muss ich dranbleiben und die neuen Ansprechpartner von unserer Kompetenz überzeugen.“ Diese Aufgabe reizt Borup besonders: Schon als er 1998 in der Anwendungstechnik begann, suchte er den Kontakt zu Kunden: „Ich wollte immer mit den Menschen direkt arbeiten, mit ihnen verhandeln und Gespräche führen. Das ist die richtige Arbeit für mich.“
5 Dr. Benjamin SouharceGeschäftsentwicklung Crosslinkers, Marl, Poly merchemiker, bei Evonik seit 2012Wann ist eine Idee eine Geschäftsidee? Diese Frage stellt sich Benjamin Souharce aus der Geschäftsentwicklung. Jeden Tag liegen bei dem Franzosen neue Ideen auf dem Tisch. Er muss beurteilen, ob sie Markt potenzial haben und umgesetzt werden. „Für mich ist eine Idee gut, wenn ihr Neuig keitsgrad
hoch ist, sie Nähe zu unseren Kernkompetenzen hat, zu unserer Strategie passt und wirtschaftliche Vorteile bringt“, erklärt Souharce. „Der beste Vorschlag hilft letztendlich nicht, wenn der Markt kein Interesse daran hat.“ Deswegen schätzt er den engen Kontakt zum Außendienst. „Impulse für Ideen kommt oft von außen“, sagt Souharce. „Die Kollegen vor Ort sind nah am Kunden und verstehen, was er braucht.“ Außerdem organisiert er interne Workshops, bei denen sich Mitarbeiter in Kundenbedürfnisse hineinversetzen und so Ideen erzeugen. „Mein Ziel ist es, die ganze Struktur einzubeziehen“, sagt Souharce. Das war auch der Grund, warum er aus der Forschung zunächst ins Marketing und dann in die Geschäftsentwicklung wechselte: „Jeden Tag neue Perspektiven und Ideen. Es wird nie langweilig.“
6 Dr. Emmanouil SpyrouInnovationsmanagement Crosslinkers, Marl, organischer Chemiker, bei Evonik seit 1995Jeder muss seine Stärken nutzen. Mein Eifer gilt der Forschung“, sagt Emmanouil
Spyrou. Der Leiter Produktentwicklung bei Crosslinkers beschäftigt sich seit 21 Jahren mit F&E. „Natürlich hat sich das Umfeld seither geändert“, erklärt Spyrou. „Das Internet etwa hat meine Arbeit stark beeinflusst. Aber der Kern ist gleich geblieben.“ Nach Promotion und Postdoc in Kalifornien stieg Spyrou 1995 in der Forschung für Lackrohstoffe bei der damaligen Hüls AG ein. Heute führt er eine Abteilung mit 25 Mitarbeitern: „In einem großen Konzern gibt es viele interessante Aufgaben, aber Chemie hat mich immer am meisten gefesselt.“ Gemeinsam mit seinen Kollegen entwickelt er hochwertige, umweltfreundliche Rohstoffe für Beschichtungen. Dabei schätzt er besonders die Vielfalt seiner Arbeit: Neben der reinen Chemie bei der Erforschung und Begleitung neuer Produkte von der Idee bis zum Markt beschäftigt sich Spyrou auch mit Patentrecht, Wettbewerbsanalyse und Ideenfindung. Was ihn dazu gebracht hat, am Ball zu bleiben? „Spaß an der Sache natürlich“, sagt Spyrou. „Chemie ist meine Leidenschaft – und das wird sie auch bleiben.“
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INNOVATION & CULTURE: EVONIK-INNOVATIONSPREIS
ELEMENTS #57 DAS INNOVATIONSMAGAZIN VON EVONIK
NOMINIERT FÜR DEN EVONIK-INNOVATIONSPREIS 2016
Anerkennung ist ein wichtiger Motor für Kreativität. Die Arbeit an neuen Ideen wird bei Evonik deshalb besonders gewürdigt: Der unternehmenseigene Innovationspreis ehrt jedes Jahr herausragende Forschungs erfolge und die kreativen Köpfe dahinter.
Auch 2016 stehen wieder je drei Teams in den zwei Kategorien im Finale.
Die Innovationen
des Jahres
Der Preis: motivierend Den Innovationspreis zu gewinnen heißt, herausragende Arbeit geleistet zu haben. Darüber hinaus darf sich das Gewinnerteam in jeder der beiden Kategorien über ein Preisgeld von 30.000 € freuen.
Die Anforderungen: nachhaltig Auswahlkriterien sind die wirtschaftliche Be-deutung, ökologische Vorteile und gesell-schaftlicher Nutzen. Nur wer mit seinem Projekt bei allen Kriterien ausreichend punktet, hat Chancen, das Finale zu erreichen.
Die Jury: anspruchsvoll Den Sieger wählt das Auditorium während des tradi-tionellen Weihnachts-kolloquiums von Evonik. Es besteht aus rund 200 Top-Füh-rungskräften des Kon-zerns sowie Forschern aller Segmente.
Die Teams: interdisziplinär Innovationen ent-stehen da, wo sich klassische Disziplinen wie Chemie, Biolo-gie und Ingenieur-wissenschaften berüh-ren. Entsprechend interdisziplinär sind die meisten Teams, die ins Finale gelangen.
Das Finale: fordernd Die Finalisten stellen zehn Minuten lang ihr Projekt vor. Bewer- tet wird neben der wissenschaftlichen Tiefe die Präsentation. Innovationen brauchen schließlich auch gutes Marketing, um am Markt Erfolg zu haben.
Der CIO Award: überraschend Der Chief Innovation Officer (CIO) Award würdigt die Einzel-leistung eines Mitar-beiters. 2015 ging der Preis an Dr. Peter Murphy für seine Leis-tung als Netzwerker und Initiator fruchtba-rer Diskussionen.
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M it Sophorolipiden hat Evonik eine neue Tensid-
generation auf Basis eines bio-technologischen Herstellungs-prozesses marktfähig gemacht. Das neue Biotensid namens REWOFERM® bringt die volle, zum Teil sogar überlegene Reini gungsleistung, ist beson-ders umwelt- und hautver-träglich und wird vollständig aus regio nal nachwachsenden Rohstoffen produziert. Dafür wurde ein Team aus Biotech-nologen, Verfahrenstechnikern und Grenzflächenchemikern für den Evonik-Innovations-preis 2016 nominiert.
Tenside sorgen in Sham-poos, Wasch- und Reini-gungsmitteln für die Reini-gungswirkung. Das Problem: Sie werden häufig aus petro-chemischen Rohstoffen oder tropischen Ölen hergestellt, und Reinigungsleistung und Hautfreundlichkeit stehen nach wie vor in einem gewis-sen Widerspruch zueinander. Sophoro lipide, die in der Natur von Hefen produziert wer-den, schaffen den schwierigen Spagat zwischen Leistung und Milde.
Das nominierte Team hat von der Natur abgeschaut und erfolgreich in den industriel-len Maßstab überführt, was die Mikroorganismen seit Millio nen Jahren praktizieren. Dabei produzieren Hefen in einem Fermentationsprozess Sophorolipide, die anschlie-ßend von Zellen und Neben-produkten abgetrennt und in eine transportierbare Form gebracht werden. Ein schwie-riges Unterfangen, zumal die
M it POLYVEST® ST will Evonik den Rollwider-
stand von Reifen und damit Kraftstoffverbrauch und CO2- Emissionen noch einmal deut - lich senken. Tests an natur-kautschukbasierten Gummi-mischungen zeigen, dass das Produkt, ein flüssiges Polybuta-dien mit terminalen Silangrup-pen, den Hysterese verlust als Indikator für den Rollwider-stand gegenüber bekannten Silica-Silan-Systemen weiter reduzieren kann. Dafür wurde ein Team von Resource Efficien-cy für den Evonik-Innovations-preis 2016 nominiert.
Bis zu 20 Prozent des Kraft-stoffs im Fahrzeug dienen nur dazu, den Widerstand der Reifen zu überwinden. Mit einer Reduktion des Rollwiderstands um 30 bis 40 Prozent ließe sich der Kraftstoffverbrauch um etwa acht Prozent senken. Für einen Pkw entspricht dies bei einem durchschnittlichen Verbrauch von 8 l/100 km und einer Jahreslaufleistung von 25.000 km einer Einsparung von bis zu 160 l Kraftstoff oder 380 kg CO2. Entsprechend groß ist das Interesse, den Roll-wider stand weiter zu senken. Das magische Dreieck, ein Grundprinzip der Reifen-industrie, besagt aber, dass eine Verbesserung einer der Kerneigenschaften Rollwider-stand, Nass haftung und Abrieb-beständigkeit stets auf Kosten mindestens einer der anderen Eigenschaften geht.
Dies erklärt den Siegeszug des Silica-Silan-Systems von Evonik in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Durch die
Anforderungen an gleichblei-bende Produktqualität hoch sind. „Viele Organismen eignen sich nicht für die Herstellung in industriellem Maßstab. Auch die Aufreinigung ist bei Tensi-den besonders anspruchsvoll. Daher waren Sophorolipide bislang nur als Spezialitäten in kleinen Mengen und zu hohen Kosten verfügbar“, erklärt Dr. Hans Henning Wenk, For-schungsleiter Biobased Materials bei Evonik Nutrition & Care.
Innerhalb von fünf Jahren ist es dem Evonik-Team gelun-gen, die Probleme zu lösen und einen Prozess bis zum Produk-tionsmaßstab zu entwickeln. Mittlerweile produziert Evonik die Sophoro lipide in Slovenská Ľupča (Slowakei) in indus-triel len Mengen, und Haus-haltsreiniger mit REWOFERM® Sophorolipiden sind bereits im Supermarkt erhältlich. „Wir haben noch weitere An wendun gen zum Patent an-gemeldet“, sagt Dr. Jens Peter Hildebrand, Leiter Inno va-tions manage ment im Ge-schäftsgebiet Household Care. Auch der Produktionsprozess soll weiter verbessert werden.
Kombination von gefällten Kieselsäuren (ULTRASIL®) und Gummisilanen wie Si 69®, Si 266® oder Si 363™ ließ sich der Rollwiderstand um mehr als 30 Prozent senken und zugleich die Nasshaftung erhöhen, ohne die Beständigkeit des Reifens zu beeinträchtigen. Die Kiesel-säure fungiert dabei als aktiver, verstärkender Füllstoff, wäh-rend die Silane als Bindeglied zwischen unpolarem Kautschuk und polarer Kieselsäure wirken.
POLYVEST® ST verbessert in Kom bi nation mit Si 69® oder Si 266® noch einmal die Kom-patibilität von Kieselsäure und Kautschuk. Die Folge ist ein verbesserter Rollwiderstand bei vergleichbaren Werten für Ab-rieb und Nasshaftung. Das Team ist optimistisch, dass durch ge-schickte Formulierung weitere Verbesserungen möglich sind.
Mittlerweile haben viele Reifenhersteller POLYVEST® ST umfangreichen Tests unterzo-gen. Das Feedback ist vielver-sprechend: Ein namhafter Her-steller hat bereits erste Mengen im zweistelligen Tonnenmaß-stab für die finalen Ausprüfun-gen in mehreren Reifenwerken bestellt und wurde auch schon beliefert.
Neue Tensidgeneration: Sophorolipide –
die Reinigungskraft der Natur
Weniger Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen
durch verbesserte Reifen
Kategorie Neue Produkte/Systemlösungen Kategorie Neue Produkte/Systemlösungen
Mit POLYVEST® ST lässt sich der Rollwiderstand von Reifen weiter senken.
Erste Haushaltsreiniger mit REWOFERM® sind bereits im Supermarkt erhältlich.
Dr. Hans Henning Wenk, Sprecher des nominierten Teams Sophorolipide
Dr. Kai-Steffen Krannig, Sprecher des nominierten Teams POLYVEST® ST
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W er Windparks betreibt, hat hohe Ansprüche
an das Getriebeöl seiner Wind-turbinen: lange Ölwechsel-intervalle, dauerhaft optimale Viskosität des Öls in einem breiten Temperaturbereich so-wie maximale Haltbarkeit und Lebensdauer des Getriebes. Mit VISCOBASE® 11-522 hat Evonik ein synthetisches Grundöl ent-wickelt, das hier neue Maßstäbe setzt. Als Schlüsselelement von Schmierstoffen und formuliert nach dem NUFLUXTM Techno-logiestandard von Evonik hat es auf Anhieb von allen wichtigen Getriebeherstellern die erfor-derlichen Genehmigungen er-halten. Damit ist der Weg auch frei für den Einsatz in anderen Hochleistungsgetrieben. Das Entwicklerteam des Geschäfts-gebiets Oil Additives wurde dafür für den Evonik-Innova-tions preis 2016 nominiert.
Windturbinen sind ein Härte test für Getriebe und Getriebe öle: Trotz ständig wechselnder Witterung und Temperatur, Feuchtigkeit und Lastspitzen bei Sturm sollen sie möglichst lange war-tungsfrei arbeiten. Bisher sind synthetische Formu lierungen auf Polyalpha olefin-Basis die Getriebeöle der Wahl. Die NUFLUX™ Technologie, die auf VISCOBASE® 11-522 basiert, könnte das nun ändern.
Die Formulierung hat den FZG-Test bestanden und eine wesentliche Genehmigung erhalten; FZG-Tests sind Stan-dard in der Industrie. Evonik hat in den vergangenen zwei Jahren außerdem gezeigt, dass Getriebeöle, die nach dem
In Zeiten immer strikterer CO2-Emissionsgrenzwerte
und höherer Ressourcen-effizienz spielt die Gewichts-reduktion von Fahrzeugen eine entscheidende Rolle. Am effizientesten lässt sich das Gewicht durch Sandwich-Ver-bundwerkstoffe mit einem Schaumstoffkern senken. Ihre Fertigung scheiterte bislang aber oft an der mangelnden Wirtschaftlichkeit der etablier-ten Verfahren. Diese Lücke hat Evonik nun mit dem neuen PulPress-Verfahren geschlos-sen – es erlaubt die Fertigung komplexer Formbauteile in großen Mengen und zu einem angemessenen Preis. Ein Team des Geschäftsgebiets High Performance Polymers und der strategischen Innovationsein-heit Creavis wurde dafür nun für den Evonik-Innovations-preis 2016 nominiert.
Das neue Verfahren baut auf das bekannte Poly-meth acryl imid ROHACELL® von Evonik als Schlüssel-element, einen formstabilen, temperaturbeständigen Schaumstoffkern mit hervor-ragendem Ver bundverhalten bei minimaler Harzaufnahme. Dieser wird nun mit Fasern umflochten, die anschließend mit Harz imprägniert werden. Das Gesamtsystem wird dann bei hoher Temperatur und hohem Druck gepresst. Das neue PulPress-Verfahren ist schnell, kontinuierlich, produziert kaum Abfall und bietet hohe Gestaltungs- freiheit, sodass auch komplexe Profile hergestellt werden können.
NUFLUX™ Technologiestan-dard mit VISCOBASE® 11-522 formuliert wurden, eine be-sonders lange Lebensdauer mit weniger Ölwechselintervallen aufweisen; auch ermöglichen sie mehr Energieeffizienz, weil sie in einem breiteren Tem-peraturbereich für optimale Viskosität sorgen.
VISCOBASE® 11-522 ist für die Kunden der Einstieg in die NUFLUX™ Technologie, mit der Evonik zudem sein For-mulierungs-Know-how zur Verfügung stellt. NUFLUX™ ist ein Paket aus Produkten, Formulierungskonzepten und Services, das die Formulierung ressourceneffizienter indus-triel ler Schmierstoffe ermög-licht. Da sowohl Grundöl als auch Formulierungstechnologie die von führenden Getriebe-entwicklern und -herstellern erarbeiteten Prüfungen bestan-den haben, kann Evonik beides nun auch auf andere Anwen-dungen ausdehnen – etwa auf den Berg bau und die Stahl-produktion, die bei Weitem größten Märkte für industrielle Getriebeöle.
Das neue Herstellungsver-fahren überzeugt Kunden aus der Automobilindustrie durch seine Gestaltungsfreiheit, seine Kosteneffizienz und das Crash-Verhalten der damit hergestellten Verbundbau-teile. Diese sind um 75 Prozent leichter als herkömmliche Stahlstrukturen. Im Vergleich zu Verbundbauteilen, die mit etablierten Verfahren wie der Harzinjektion hergestellt wur-den, bietet das PulPress-Ver-fahren überdies Kosteneinspa-rungen von bis zu 60 Prozent.
Durch die schnelle, wirt-schaftliche und ressourcen-effiziente Herstellung von Verbundbauteilen ermöglicht das PulPress-Verfahren einen Technologietransfer von High-End-Segmenten in die Massenproduktion und kann dadurch metallische Werk-stoffe wirtschaftlich im Mobi-litäts sektor ersetzen.
Neues Grundöl für Getriebe: mehr Effizienz
für Windturbinen
Leichtbauteil: kurze Taktzeiten für große Stückzahlen
Kategorie Neue Produkte/Systemlösungen Kategorie Neue Verfahren
Mit PulPress hergestelltes Sandwichprofil-bauteil
VISCOBASE® 11-522 macht Hochleistungs-getriebe energie effizienter.
Sofia Sirak, Sprecherin des nominierten Teams VISCOBASE®
Dr. Sivakumara Krishnamoorthy, Sprecher des nominierten Teams PulPress
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M ethylmethacrylat (MMA), ein Klassiker im Pro-
duktportfolio von Evonik, wird am Standort Worms in einem mehrstufigen Verfahren in mehreren Anlagen hergestellt. Einem Team des Geschäftsge-biets Methacrylates ist es nun gelungen, durch intelligenten Einsatz innovativer Technik den Prozess so zu optimieren, dass weniger Rohstoffe nötig sind. Dafür wurde das Team für den Evonik-Innovationspreis 2016 nominiert.
MMA steckt in vielen Pro-dukten des Alltags: in Lacken, Farben und Rostschutzanstri-chen, in Druckfarben, Kleb-stoffen und Textilhilfsmitteln, zudem ist es Ausgangsstoff für die Herstellung von weichen Kontaktlinsen und Zahnim-plantaten. Ähnlich vielseitig ist auch das Polymer Polymethyl-methacrylat, das Evonik als PLEXIGLAS® vermarktet und das unter anderem in der Auto-mobil- und Leuchtenindustrie, der Medizintechnik sowie in der Optik und Elektronik zum Einsatz kommt.
Bei der Herstellung von MMA entsteht aus Erdgas, Ammoniak und Sauerstoff zunächst Cyanwasserstoff, der ohne Lagerung direkt mit Aceton zu Acetoncyanhydrin weiterreagiert. Dieses wird dann im nächsten Schritt mit Schwefelsäure und Methanol zu MMA umgesetzt. Die Schwefel-säure dient dabei einerseits als Lösungsmittel, andererseits ist sie notwendig, um die Kohlen-stoffdoppelbindung katalytisch im Zielmolekül zu erzeugen. Sie wird anschließend in einer
W egen der stark steigen-den Nachfrage nach
seinen Spezialpolyestern hat das Geschäftsgebiet Coating & Adhesive Resins die Poly ester-Prozesstechnologie-Plattform ins Leben gerufen. Das Ziel: die vorhandenen Produktions-technologien bezüglich Stärken und Schwächen kontinuierlich und nachhaltig bewerten, Op-timierungspotenziale und Um-setzungsstrategien erarbeiten und sie zugleich auf Marktent-wicklungen und Geschäfts-strategie des Geschäftsgebiets abstimmen.
Mit der Plattform verfolgt Evonik konsequent den Weg der langfristigen Prozess-optimierung bei der Herstel-lung von Polyestern für Lack- und Klebstoffanwen-dungen. Ein interdisziplinäres Team aus Verfahrenstechnik, Produktion, Geschäftsgebiet und Forschung hat die globale Produktionslandschaft der Polyester einer systematischen Analyse unterzogen und Stell-schrauben für die Optimierung identifiziert. Die Erkenntnisse fließen unter anderem in die neue Anlage für Spezial co poly-ester in Witten ein, die 2018 in Betrieb gehen und sich durch hohe Effizienz und Produkt-qualität auszeichnen wird. Für den gesamtheitlichen Ansatz der Plattform wurde das Team für den Evonik-Innovations-preis 2016 nominiert.
Das Produktportfolio von Evonik umfasst über 120 ver-schiedene Polyester, die welt-weit in mehr als zehn Anlagen produziert werden. Die Pro-dukte dienen als Binde mittel
Schwefelsäurespaltanlage wie-derverwertet.
Durch die Optimierung – sie umfasst unter anderem innovative Kontroll- und Online-Analysetechnik – kann Evonik als einer der führen-den Anbieter von MMA seine Produktion deutlich verbes-sern. Die Six-Sigma-Projekt-studien wurden Ende 2015 erfolgreich abgeschlossen, und die daraus resultierenden Maßnahmen werden derzeit an den MMA-Standorten Worms und Wesseling umgesetzt; die Implementierung am Standort Fortier in den USA ist geplant. Je nach Standort lässt sich so die MMA-Produktion steigern, und Reststoffmengen sowie CO2-Ausstoß gehen zurück.
bei der Beschichtung groß-flächiger Metallbänder und zunehmend auch bei Innen-beschichtungen von Lebens-mitteldosen. Zudem werden sie in reaktiven Einkomponenten- und thermoplastischen Schmelzklebern für technische Fügeanwendungen eingesetzt. Die besondere Herausforde-rung bei der Optimierung des Produktionsnetzwerks liegt in der hohen Komplexität, die sowohl durch Produktvielfalt als auch durch unterschied-liche Anlagen designs bestimmt wird.
Das Team hat mit hilfe von Prozessmodellierung und -simulation, innovativer Online-Analytik und der Unter-suchung thermo- und hydro-dynamischer Effekte ein ganzes Bündel an Maßnahmen er-arbeitet, mit denen sich bereits heute Fahrweisen optimieren und die Kapazitäten erhöhen lassen. Das gemeinsam erar-beitete Know-how wird zudem die Grundlage bilden, um die Prozesse auch in Zukunft welt- weit wettbewerbsfähig zu halten und die Entwicklung des Markts im Rahmen der Ge-schäftsstrategie zu begleiten.
Methylmethacrylat: weniger Rohstoffe,
mehr Nachhaltigkeit
Polyester für Lacke und Klebstoffe:
Produktionsplattform optimiert
Kategorie Neue Verfahren Kategorie Neue Verfahren
Die Polyester von Evonik kommen zum Beispiel bei Innenbeschichtun-gen von Lebens-mitteldosen zum Einsatz.
PMMA wird unter anderem zur Herstellung von Rückleuchten verwendet.
Dr. Hans-Gerhard Stadler, Sprecher des nominierten Teams Methylmethacrylat
Dr. Sabrina Mondrzyk, Sprecherin des nominierten Teams Polyester-Prozesstechnologie
Horsham (Pennsylvania)Tippecanoe (Indiana)
HorshamViskositätsindexverbesserer, Stockpunktverbesserer
TippecanoeKompetenzcenter Hochleistungs-kunststoffe für Medical
HanauHPPO-Prozess ▯ H2O2 – Anwendungsent-wicklung und Optimierung von Produktionsan-lagen ▯ Pyrogene Oxide – Partikeldesign und -modifizierung ▯ Dispersionen hydro philer/hydrophober Partikel ▯ Globales F&E- und Anwendungstechnikzentrum für Katalysator- entwicklung ▯ Funktionelle Meth acrylat-Bindemittel ▯ Ein- und Zwei-Kom ponenten-Reaktivharze auf Methacrylatbasis
MarlCo- und Spezialbindemittel für Beschichtungen ▯ Wasserbasierte Lackadditive ▯ Poly urethan-Prepregs für Verbundwerkstoffe ▯ Silan- modifizierte Hybridbindemittel für hochkratzfeste und chemikalienbeständige Beschichtungen ▯ Epoxy- und Polyurethan-Matrixsysteme für RTM-Prozesse ▯ Poly esterharze für Beschich-tungen und Ver packungen ▯ Polyester-Polyole, Copolyester, Polyacrylate, amorphe Polyal-phaolefine und synthetische Wachse, z. B. für reaktive Schmelzklebstoffe ▯ Flüssige Poly-butadiene ▯ Kompetenzcenter Hoch leistungs-kunststoffe für 3D-Druck, Automobil und Konsumgüter und Composites ▯ Katalysatoren für industrielle und petro chemische AnwendungenRheinfelden
Organofunktionelle Silane ▯ Schwefelfunktio-nelle Silane ▯ Chlorsilane ▯ Pyrogene Oxide – Produkt- und Prozessentwicklung sowie Scale-up
EssenCo- und Spezialbindemittel für Beschichtungen ▯ Wasserbasierte Lackadditive ▯ Surface Solutions und Pigmentverarbeitung ▯ High- Throughput-Versuchsanlage
WesselingGefällte Kieselsäuren und Oxide für die Anwen-dung in Kautschuk, Mattierungsmitteln und kolloi dalen Systemen ▯ Partikeldesign, Partikel-synthese durch nasschemische Prozesse ▯ Ultra-feine Partikel und ihre Umwandlung in andere Formen, z. B. Kieselsäuregranulate
Darmstadt/WeiterstadtViskositätsindexverbesserer und Wachsmodi- fizierer ▯ Kompetenzcenter Friction & Motion ▯ Methacrylatpolymere, -harze und - bindemittel, Polymerkugeln ▯ Kompetenzcenter Hoch-leistungskunststoffe für Foams
bis 80 Mitarbeiter
Legende
mehr als 80 Mitarbeiter
Marl
EssenHanau
Lenzing/SchörflingRheinfelden
Darmstadt/ Weiterstadt
Wesseling
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DIE FORSCHUNGSSTANDORTE VON RESOURCE EFFICIENCY
ELEMENTS #57 DAS INNOVATIONSMAGAZIN VON EVONIK
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WO WIR FORSCHEN
700 Forscher und 600 Anwendungstechniker arbeiten bei Resource Efficiency ständig
an neuen Produkten und Technologien, die auch unterschiedliche regionale Bedürfnisse
erfüllen. Die Karte zeigt, wo und woran sie arbeiten.
Dombivli
Schanghai
AboshiTsukuba
Yokkaichi
Singapur
SingapurLösemittelbasierte Lackadditive ▯ Produkte für regionale Trends und neue Märkte in Asien
SchanghaiMethacrylatharze ▯ Poly-esterharze ▯ Kompetenz-center Hochleistungs-kunststoffe für Sports
DombivliEdelmetallhaltige Katalysato ren für Pharma, Agro und Feinchemi-kalien ▯ Aktivierte Metallkata-lysatoren ▯ Kata lysatoren für die Öl- und Fetthärtung
Aboshi (Joint Venture mit Daicel)Hochleistungskunststoff-granulate und -platten, Kunst stoffplatten für optische Anwendungen ▯ Spezialpro-dukte für additive Fertigung, Verbundwerkstoffe, Öl & Gas
YokkaichiPyrogene Oxide ▯ Partikel-modifizierung
TsukubaEdelmetallhaltige Katalysato- ren für Pharma, Agro und Feinchemikalien ▯ Viskositäts- indexverbesserer, Kamm-polymere für Motoren-/Getriebeöle
Lenzing/SchörflingKompetenzcenter Hochleistungs-kunststoffe für Fibers & Membranes
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DIE FORSCHUNGSSTANDORTE VON RESOURCE EFFICIENCYDIE FORSCHUNGSSTANDORTE VON RESOURCE EFFICIENCY
ELEMENTS #57 DAS INNOVATIONSMAGAZIN VON EVONIKELEMENTS #57 DAS INNOVATIONSMAGAZIN VON EVONIK
Prof. Dr. Wolfgang M. Heckl (58) ist als Biophysiker nicht nur einer der führenden Nano forscher Deutschlands und in dieser Funktion Berater der Europäischen Kommission und der Bundes regierung. Er ist auch General direktor des Deutschen Museums in München, des weltweit größten naturwissenschaftlichtechnischen Museums. Für seine Leistungen als Vermittler von Wissenschaft und Technik erhielt er einen Ruf auf den OskarvonMiller Lehrstuhl für Wissenschaftskommunikation der TU München.
Wolfgang M. HecklMOLEKULARES RECYCLING
Ich wünsche mir, dass Wissenschaftler und Ingenieure gemeinsam mit der Gesellschaft Wege entwickeln, um alle unsere Konsumgüter und die im täglichen Leben verwendeten Geräte zu 100 Prozent zu recyceln.
Die Zerlegung in einzelne Moleküle hat ein allgegenwärtiges Vorbild in der Natur: Pflanzen entwickeln sich im „Selbstbauprinzip“ aus den natürlichen Ressourcen der Erde wie Wasser, Mineralien und Kohlenstoff
nicht nur zu wunderbaren Blumen, sondern werden am Ende ihres Lebenszyklus wieder in Form von Atomen und Molekülen in den Kreislauf zurückgeführt.
Die Nanowissenschaften könnten uns zeigen, wie sich aus Atomen bottom-up neue chemische und physikalische Produktionsverfahren entwickeln lassen. Diese Verfahren würden es der Industrie ermöglichen,
Produkte zu entwickeln, die in Zukunft perfekt an die Bedürfnisse der wachsenden Erdbevölkerung angepasst sind. Die Industrie wäre dann auch imstande, die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass die
natürlichen Ressourcen unserer Erde wieder und wieder verwendet werden können – vorausgesetzt, die Sonnenenergie speist unseren Planeten noch die nächsten sechs Milliarden Jahre.
Dieser Wunsch kann aber nur wahr werden, wenn Wissenschaft und Technologie sowie Produktion, Verteilung und Konsum von Gütern zwischen Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft
neu diskutiert und ausgehandelt werden.
WAS ICH MIR VON DER WISSENSCHAFT WÜNSCHE
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ELEMENTS #57 DAS INNOVATIONSMAGAZIN VON EVONIK
WUNSCHZETTEL
SACHBÜCHERüber die Zukunft der EU, Eliten und die Informationsflut im digitalen Zeitalter
DAS COVER #57Bei der Relativbewegung von zwei Festkörpern – zum Beispiel von Zahnrädern in Motoren oder Getrieben – entsteht Reibung, die zu Verschleiß führen kann. In seinem neuen Kompetenzzentrum Friction & Motion entwickelt Evonik Lösungen, um Reibung zu verringern und Maschinen effizienter zu machen. Das Zentrum ist nur ein Ansatz von vielen, wie Evonik hilft, Ressourcen zu schonen. Weitere beschreibt dieses Heft, das sich komplett um Ressourceneffizienz dreht.
Impressum
HerausgeberEvonik Industries AGDr. Ulrich Küsthardt, Christian SchmidRellinghauser Str. 1–1145128 Essen
ObjektleitungUrs Schnabel
Beratung und KonzeptManfred Bissinger
RedaktionDr. Karin Aßmann (V. i. S. d. P.) karin.assmann @evonik.com
Annette Locherannette.locher @evonik.com
Redaktionelle MitarbeitDr. Frank Frick Christa Friedl Nadine NöslerBjörn TheisMichael Vogel
Chef vom DienstDr. Sebastian Kaiser
Redaktionelle BeratungTom RademacherDr. Edda SchulzeDr. Petra Thorbrietz
Wissenschaftlicher BeiratDr. Felix MüllerDr. Friedrich Georg SchmidtDr. Joachim Venzmer
Bildredaktion und LayoutC3 Creative Code and Content GmbH
AgenturBISSINGER[+] GmbH Medien und KommunikationAn der Alster 120099 [email protected]
DruckGriebsch & Rochol Druck GmbH, Oberhausen
Copyright© 2016 by Evonik Industries AG, Essen.Nachdruck nur mit Genehmigung der Agentur.Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers wieder.
Wohin geht die EU?
Woher kommen Topmanager?
Wie mit „Information“ umgehen?
A ls Nationalökonom von internationalem Ruf polarisiert
HansWerner Sinn: Seine Kritik an der Wirtschafts und Finanzpolitik der EU wird heftig debattiert, und er ist immer gut für konstruktive Kontroversen. Deshalb legt er auch, inmitten dramatischer Entwicklungen, ein Konzept für die Erneuerung vor, das auf die aktuellen Krisen – von Brexit bis Banken – reagiert. Es sieht unter anderem eine Neuverhandlung des Lissabonner EUVertrags von 2009 vor: „Europa muss neu konstruiert werden!“ Nur auf diese Weise könnten die Europäer ihren Frieden und Wohlstand sichern.
Hans-Werner Sinn: Der Schwarze Juni. Brexit, Flücht-lingswelle, Euro-Desaster – wie die Neuordnung Europas gelingtHerder, Freiburg 2016
D er globale Markt für Topmanager ist eine Legende, so
das Fazit des deutschen Soziologen Michael Hartmann. Die internationale Superelite, die in den multinationalen Unternehmen die Fäden zieht und die Welt regiert, gibt es nicht. Der Eliteforscher hat sich die 1.000 größten Unternehmen der Welt über 20 Jahre hinweg angesehen und festgestellt, dass sich die Wirtschaftseliten eher national rekrutieren. Dafür seien die Sprache, kulturelle Traditionen, Ausbildungswege und nicht zuletzt die Steuerpolitik verantwortlich. Hartmann beschreibt eine multipolare Welt, deren Eliten unterschiedliche Wege gehen.
Michael Hartmann: Die globale Wirtschaftselite. Eine LegendeCampus, Frankfurt 2016
H albwahrheiten, Oberflächlichkeiten, Desinformation – täg
lich wird die Welt mit einer Fülle von Informationen überschüttet. Im digitalen Zeitalter ist jeder Empfänger auch zum Sender geworden. Wie die Spreu vom Weizen trennen? Bestsellerautor Daniel J. Levitin, Professor für kognitive Neurowissenschaften an der McGill University in Montreal, hat ein Buch über „Information Liter acy“ geschrieben, die Fähigkeit, mit Informationen umzugehen und falsche Daten und irreführende Argumente zu erkennen. Der Kern seiner Argumentation ist wissenschaftliche Logik – trotzdem ein witziges und unterhaltsames Buch.
Daniel J. Levitin: A Field Guide to Lies. Critical Thinking in the Information AgeDutton, New York 2016
Foto
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ELEMENTS #57 DAS INNOVATIONSMAGAZIN VON EVONIK
LESETIPPS
ELEMENTS #57 DAS INNOVATIONSMAGAZIN VON EVONIK
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WUNSCHZETTEL
* … WIE EVONIK HILFT, RESSOURCEN ZU SCHONEN
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