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1 VR International VR International Nummer 8 | August 2015 Ländersteckbrief Usbekistan | Seite 6 Mongolei: Zukunftssektoren Tourismus und IT | Seite 10 Fricke Gruppe: mit Landmaschinenersatzteilen in ganz Europa | Seite 11 Während Irland in den 1980er-Jahren das „Armenhaus“ Europas war, ist das Land dank der Globalisierung heute eines der reichsten in der Europäischen Union. Das Pro-Kopf-Einkommen lag in Kaufkraftparitäten im Jahr 2013 bei 130 Prozent des EU-28-Durchschnitts, und damit auf Platz drei hinter Luxem- burg und den Niederlanden. Nach der Finanz- und Wirtschaftskrise, die zu einem Schrumpfen der Wirtschaftsleis- tung von fast 10 Prozent in den Jahren 2008 bis 2010 geführt hatte, gelang es Irland zudem seit 2013 wieder auf Wachstumskurs zu gehen. Mit 4,8 Pro- zent realem Wachstum hält das Land 2014 den ersten Platz in der Europäi- schen Union, die im Durchschnitt nur ein Wachstum von 1,3 Prozent erreichte. Für 2015 wird derzeit ein Wachstum von 3,6 Prozent für Irland prognostiziert. Wirtschaftliche Erholung sichtbar Auch die Arbeitslosenquote konnte wieder gesenkt werden. Während sie 2012 in der Krise auf 14,7 Prozent gestiegen war, betrug sie im März 2015 Irland: Der keltische Tiger erwacht wieder! Nachdem der „keltische Tiger“ Irland in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 in die Knie gegangen ist, kommt die Wirtschaft des Landes seit 2013 wieder in Fahrt. Im letzten Jahr war das Wirtschaftswachstum höher als in allen Ländern der Europäischen Union. Ist Irland damit auf Erholungskurs und interessant für deutsche Investoren? nur noch 9,8 Prozent saisonbereinigt. Das ist zwar etwa doppelt so hoch wie die Quote in Deutschland mit 4,7 Pro- zent, aber nur ein Bruchteil von der in den südeuropäischen Krisenstaaten Griechenland oder Spanien mit 25,7 und 23 Prozent. Doch konnte das Niveau vor der Krise von etwa 4,5 Prozent noch nicht wieder erreicht werden. Grundlegend für den irischen Erfolg ist die gute Infrastruktur im Land, die zum großen Teil mithilfe der Struktur- Samuel-Beckett-Bridge in Dublin in Form einer auf der Seite liegenden Harfe, einem der Symbole Irlands

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  • 1VR International

    VR International Nummer 8 | August 2015

    Ländersteckbrief Usbekistan | Seite 6Mongolei: Zukunftssektoren Tourismus und IT | Seite 10Fricke Gruppe: mit Landmaschinenersatzteilen in ganz Europa | Seite 11

    Während Irland in den 1980er-Jahrendas „Armenhaus“ Europas war, ist dasLand dank der Globalisierung heuteeines der reichsten in der EuropäischenUnion. Das Pro-Kopf-Einkommen lag inKaufkraftparitäten im Jahr 2013 bei130 Prozent des EU-28-Durchschnitts,und damit auf Platz drei hinter Luxem-burg und den Niederlanden. Nach derFinanz- und Wirtschaftskrise, die zueinem Schrumpfen der Wirtschaftsleis-tung von fast 10 Prozent in den Jahren2008 bis 2010 geführt hatte, gelang esIrland zudem seit 2013 wieder aufWachstumskurs zu gehen. Mit 4,8 Pro-zent realem Wachstum hält das Land2014 den ersten Platz in der Europäi-schen Union, die im Durchschnitt nur einWachstum von 1,3 Prozent erreichte. Für2015 wird derzeit ein Wachstum von3,6 Prozent für Irland prognostiziert.

    Wirtschaftliche Erholung sichtbar

    Auch die Arbeitslosenquote konntewieder gesenkt werden. Während sie2012 in der Krise auf 14,7 Prozentgestiegen war, betrug sie im März 2015

    Irland: Der keltische Tiger erwacht wieder!Nachdem der „keltische Tiger“ Irland in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 in die Kniegegangen ist, kommt die Wirtschaft des Landes seit 2013 wieder in Fahrt. Im letzten Jahr war das Wirtschaftswachstum höher als in allen Ländern der Europäischen Union. Ist Irland damit auf Erholungskurs und interessant für deutsche Investoren?

    nur noch 9,8 Prozent saisonbereinigt.Das ist zwar etwa doppelt so hoch wiedie Quote in Deutschland mit 4,7 Pro-zent, aber nur ein Bruchteil von der inden südeuropäischen KrisenstaatenGriechenland oder Spanien mit 25,7 und

    23 Prozent. Doch konnte das Niveau vorder Krise von etwa 4,5 Prozent nochnicht wieder erreicht werden.

    Grundlegend für den irischen Erfolgist die gute Infrastruktur im Land, diezum großen Teil mithilfe der Struktur-

    Samuel-Beckett-Bridge in Dublin in Form einer auf der Seite liegenden Harfe, einem der

    Symbole Irlands

  • Nummer 8 | August 2015

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    Im Fokus

    fördermaßnahmen der EU in den ver-gangenen Jahrzehnten aufgebaut wur-de. Zudem verfügt das Land v. a. im uni-versitären Bereich über ein leistungsfähi-ges Bildungssystem und punktet mit derenglischen Sprache, die das Land ins-besondere für Investoren aus den USAattraktiv macht. Doch auch der Zugangzum EU-Binnenmarkt sowie eine at- traktive Unternehmensbesteuerung miteinem niedrigen Einheitssteuersatz von12,5 Prozent sind zu erwähnen. Damit istIrland auch trotz Finanz- und Wirtschafts-krise weiterhin ein interessanter Standortfür ausländische Direktinvestitionen. Dasgilt vor allem für die Bereiche Finanz-dienstleistungen, Kommunikations- undSoftwareindustrie sowie Pharma- undMedizinprodukte. Das Land ist zudemextrem offen und exportorientiert. Solag die Exportquote 2013 beispielsweiseknapp über 105 Prozent. Deutschlandgehört dabei zu den wichtigsten Han-delspartnern Irlands mit Platz 3 in 2013und einem Anteil von 8,8 Prozent der irischen Exporte.

    Die Krise und die irischen Reaktionen

    In Irland wurde die Finanz- und Wirt-schaftskrise durch einen Bankenzusam-

    raufhin flossen über 67 Milliarden EUR indie Rettung und Abwicklung von Ban-ken. Dabei ist noch immer offen, wie vielvon dieser Summe letztendlich abge-schrieben werden muss. Der Bankensek-tor konnte jedoch stabilisiert werden.Wegen dieser Bankenrettung wie auchwegen parallel zusammenbrechenderStaatseinnahmen und wachsender Sozi-alausgaben musste Irland zwischenzeit-lich unter den Rettungsschirm der EUund des IWF schlüpfen, konnte das Pro-gramm jedoch Ende 2013 bereits wiederverlassen. Das Land scheint somit wiederauf Erfolgskurs zu sein.

    Erklären lässt sich der Erfolg Irlandsmit externen Faktoren, aber auch durchinterne Reformen. So konnte Irland inden letzten Jahren von einem wirtschaft-lichen Aufschwung in den beiden Haupt-handelspartnerländern, den USA undGroßbritannien, profitieren. Auch das

    menbruch und das parallele Platzen einerImmobilienblase, die zu einer starkenÜberdehnung des Bausektors geführthatte, verursacht. So vervierfachten sichzwischen 1996 und 2007 die Immobilien-preise in Irland. Als Ergebnis explodiertedie Bautätigkeit, und die Anzahl der iri-schen Eigenheime stieg von 1,4 Millionenim Jahr 2000 auf 1,9 Millionen im Jahr2008. Als dann die Bankenkrise nachIrland überschwappte, platzte auch dieseBlase umgehend. Der Kollaps der Bau-wirtschaft führte aber zu einem schnel-len Anstieg der Arbeitslosenzahlen,einem Zusammenbruch der Steuerein-nahmen und einem schnellen zusätz-lichen Bedarf an sozialen Leistungen.

    Auf die Immobilien- und Bankenkrisereagierte die irische Regierung im Sep-tember 2008 mit einer umfassendenGarantieerklärung für Einlagen und Ver-bindlichkeiten irischer Geldinstitute. Da-

    Krise überwunden: wieder viel Verkehr auf der O’Connell Bridge in Dublin – einzige Brücke Europas, die breiter als lang ist.

    Wachstumsraten des realen BIP in der EU und Irland in Prozent

    2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014

    EU

    (28 Länder)

    3,4 3,1 0,5 –4,4 2,1 1,7 –0,5 0,0 1,3

    Irland 5,5 4,9 –2,6 –6,4 –0,3 2,8 –0,3 0,2 4,8

    Quelle: Eurostat

  • Nummer 8 | August 2015

    3VR International

    Im Fokus

    Staatsverschuldung in Irland (in % des BIP)

    Prof. Dr.

    Ralph Wrobel

    Professor für Volkswirtschaftslehre,insbesondere Wirt-schaftspolitik, an der WestsächsischenHochschule in Zwickau. Forschungsschwerpunkte: Soziale Marktwirtschaft sowie Emerging Markets in Mittel- und Osteuropa sowie Asien.

    [email protected]

    Autor

    bilisierung auf den Arbeitsmärkten, lang-fristig Erfolge bringt.

    Kurzfristig wird das in Südeuropaaber nicht möglich sein, denn die Situa-tion hier ist komplett anders als inIrland. So verfügen die Staaten in Süd-europa nicht über enge wirtschaftlicheVerbindungen mit so starken Volkswirt-schaften wie den USA oder Großbritan-nien. Sie sind nicht so exportorientiertund haben nur wenig Industrie. Zudemsind die Arbeitsmärkte hier nicht so fle-xibel und die Bedingungen für Unter-nehmen schlechter als in Irland. DerDienstleistungssektor in ganz Südeuro-pa ist zudem von der Tourismusindustrieabhängig. Zwar gibt es zu kontinuier-licher Haushaltsdisziplin, Deregulierung,Privatisierung und Flexibilisierung derArbeitsmärkte kaum Alternativen. Diesüdeuropäischen Länder müssen abermit einer deutlich längeren Anpassungs-periode rechnen als Irland. Letzteres istdaher für deutsche Investoren derzeitsicherlich der attraktivere Investitions-standort.

    sogenannte Quantitative Easing, dieGeldschwemme der EZB, erleichterte esIrland, neue Kredite aufzunehmen. Zumanderen mussten die Iren harte persönli-che Einschnitte in Kauf nehmen: In derPrivatwirtschaft sanken die Lohnkostenrasch, Angestellte im öffentlichen Dienstmussten Gehaltseinbußen hinnehmen,der Mindestlohn wurde vorübergehendgesenkt. Zudem kürzte die Regierung dieArbeitslosenhilfe und das Kindergeld.Die Mehrwertsteuer wurde hingegenerhöht. Entscheidend war wohl, dassIrland ohnehin über eine freie, deregu-lierte Marktwirtschaft mit einem flexi-blen Arbeitsmarkt verfügt. So verlorenzwar Hunderttausende Arbeitnehmer inder Krise über Nacht ihren Arbeitsplatz,in den vergangenen vier Jahren konntenaber auch fast 100.000 neue Arbeitsplät-ze geschaffen werden. Für deutscheInvestoren ist interessant, dass Irlandunter den Euro-Krisen ländern die besteEntwicklung der Arbeitskosten aufweist.Im Doing-Business-Index 2014 rangiertIrland daher auf Platz 13 direkt vorDeutschland, die Krisenländer in Süd-europa hinken hingegen deutlich hinter-her: Griechenland: auf Platz 61, Italien:56, Spanien: 33, Portugal: auf Platz 25).

    Aussichten und Gefahren

    Zwar kann man Irland bescheinigen,einer der Musterschüler unter den Kri-senländern in der Euro-Zone zu sein, zen-trales Problem bleibt aber die Staatsver-schuldung. Während Irland in den Jahrenvor der Krise mit einer Staatsverschul-dung von etwa 24 Prozent des Brutto-inlandsprodukt (BIP) unter den erfolg-reichsten Staaten in Europa rangierte,

    erreichte das Land im Jahre 2013 eineSpitze der Staatsverschuldung von 123,2Prozent des BIP. Der Schuldenstand istauch im Jahre 2014 mit knapp 110 Pro-zent immer noch bedenklich, auch wenndeutlich zurückgeführt. Sollte das fürden Schuldendienst notwendige Wirt-schaftswachstum jedoch verebben, dieZinsen durch eine veränderte Geldpolitikder EZB steigen oder es durch einen Aus-tritt Griechenlands aus der Währungs-union zu neuen Turbulenzen auf deneuropäischen Finanzmärkten kommen,könnte die Situation in Irland jedochschnell wieder problematischer werden.Zudem sind auch die irischen Privathaus-halte mit etwa 177 Prozent ihres Jahres-einkommens immer noch hoch verschul-det.

    Modell für Südeuropa?

    Letztendlich stellt sich daher die Frage,ob die bisherige irische Krisenbewälti-gungspolitik als Modell für die angeschla-genen Krisenstaaten in Südeuropa geltenkann. Irland steht für eine erfolgreicheAusteritätspolitik. Insbesondere durcheine konsequente Beseitigung von Un-sicherheiten für Investoren konnte dieInselrepublik ihre ausländischen Direkt-investoren im Land halten und neue hin-zugewinnen. Beobachtet man hingegendie inkonsistente Arbeit der RegierungTsipras in Griechenland, ist verständlich,warum es Griechenland nicht gelingt,Raum für weitere Reformen zu schaffen.Stattdessen kämpft Griechenland mitenormen Kapitalabflüssen. Alle LänderSüdeuropas können daher von Irland ler-nen, dass konsistente Austeritätspolitik,verbunden mit Deregulierung und Flexi-

    Quelle: Eurostat

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