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1 Islam Qerimi Mediation in Österreich 1. Einleitung Die Arbeit beschäftigt sich mit der außergerichtlichen Konfliktlösung (Mediation) in Österreich. Aus den Erfahrungen der österreichischen Rechtspraxis wissen wir, dass in den letzten Jahren eine einvernehmliche Lösung ohne Einschaltung des staatli- chen Rechtssystems besonders im zivilrechtlichen Bereich Vorrang vor anderen, staatlichen hat. Aufgrund dieser Tatsache wird die Arbeit die Kompetenzen der Me- diation und die daraus entwickelten Abläufe untersuchen und auf gegenwärtige Prob- lembereiche eingehen. Mediation, auch als Streitschlichtung bezeichnet, ist heute in Österreich in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens vertreten. Mediation un- terscheidet sich von anderen alternativen Konfliktlösungsmodellen oder von den staatlich geregelten Partizipations- und Gerichtsverfahren durch die Einbeziehung eines neutralen Konfliktmittlers, des Mediators. Im folgenden sollen diese Themen- schwerpunkte dargestellt werden: Die geschichtliche Entwicklung der Mediation in Österreich, Definition, Rechtsgrundlage, die wichtigsten Elementen der Mediation in Österreich, Verlauf des Mediatonsverfahrens, die Entscheidungsmacht, die Be- schwerdemöglichkeiten und über die Vollstreckung der Vereinbarungen

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Islam Qerimi

Mediation in Österreich

1. Einleitung

Die Arbeit beschäftigt sich mit der außergerichtlichen Konfliktlösung (Mediation) in

Österreich. Aus den Erfahrungen der österreichischen Rechtspraxis wissen wir, dass

in den letzten Jahren eine einvernehmliche Lösung ohne Einschaltung des staatli-

chen Rechtssystems besonders im zivilrechtlichen Bereich Vorrang vor anderen,

staatlichen hat. Aufgrund dieser Tatsache wird die Arbeit die Kompetenzen der Me-

diation und die daraus entwickelten Abläufe untersuchen und auf gegenwärtige Prob-

lembereiche eingehen. Mediation, auch als Streitschlichtung bezeichnet, ist heute in

Österreich in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens vertreten. Mediation un-

terscheidet sich von anderen alternativen Konfliktlösungsmodellen oder von den

staatlich geregelten Partizipations- und Gerichtsverfahren durch die Einbeziehung

eines neutralen Konfliktmittlers, des Mediators. Im folgenden sollen diese Themen-

schwerpunkte dargestellt werden: Die geschichtliche Entwicklung der Mediation in

Österreich, Definition, Rechtsgrundlage, die wichtigsten Elementen der Mediation in

Österreich, Verlauf des Mediatonsverfahrens, die Entscheidungsmacht, die Be-

schwerdemöglichkeiten und über die Vollstreckung der Vereinbarungen

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2. Die Herkunft des Begriffs „Mediation“ und die Definition nach dem österreichi-

schen Mediations-Gesetz

Der Begriff Mediation hat sowohl einen griechischen (medos1) als auch einen lateini-

schen (mediatio2) Ursprung und bedeutet in beiden Fällen so viel wie „vermittelnd“,

„unparteiisch“ und „neutral“. Charakteristisch ist, dass das Wort „mesi-ti“ auch im Al-

banischen die Bedeutung des Vermittlers hat. Eine ähnliche Form der Vermittlung

war auch im Gewohnheitsrecht der Albaner seit der Antike bekannt, welche in den

sogenannten “Kanunen“ besonders bemerkbar ist3. Es ist bekannt, dass die Mediati-

on im Mitteleuropa zuerst im Jahre 1648 durchgeführt ist, welche bei der Vermittlung

des Westfälischen Friedens zur Beendigung des Dreißigjährigen Krieges führte4.

In Österreich wird das Zivilrechts-Mediations-Gesetz als zentrale Rechtsgrundlage

für die außergerichtlichen Konfliktbeilegung betrachtet. Mediation wird dort wie folgt

definiert: „Mediation ist eine auf Freiwilligkeit der Parteien beruhende Tätigkeit, bei

der ein fachlich ausgebildeter, neutraler Vermittler (Mediator) mit anerkannten Me-

thoden die Kommunikation zwischen den Parteien systematisch mit dem Ziel fördert,

eine von den Parteien selbst verantwortete Lösung ihres Konfliktes zu ermöglichen“

(§ 1 (1) ZivMediatG)5.

3. Die geschichtliche Entwicklung der Mediation in Österreich

In Österreich wurde Mediation erstmals als eine besondere Art der außergerichtli-

chen Konfliktlösung im Gesetz über die Errichtung von Einigungsämtern und kollekti-

ven Arbeitsverträgen (EAG), am 18. Dezember 1919 verankert. Diese Art der alterna-

tiven Konfliktlösung wurde konzeptioniert, um die Arbeitskämpfe zu vermeiden und

die innerbetriebliche Konfliktlösung zu vereinfachen. Mit einer großen Novelle im Jahr

1986 wurden die Bestimmungen des ArbVG an die Neuorganisation und die Neure-

gulierung des Verfahrens durch das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz angepasst.

Dadurch wurden die betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten in den Kompe-

tenzbereich der Arbeits– und Sozialgerichte übergegeben, da sie auch Entschei-

dungsträger dieser Streitigkeiten waren. In den 1980er Jahren wurde Mediation ver-

suchsweise auch in anderen Rechtsbereichen angewendet, vorwiegend im Familien-

recht und Strafrecht. Im Jahr 1990 bekam Mediation in Österreich einen entschei-

denden Entwicklungsimpuls. Mit tatkräftiger Unterstützung deutscher und amerikani-

1 Lewinski -Reuter, Verena / Lüddemann, Stefan: Glossar Kulturmanagement, Wiesbaden 2011,

S.254. 2 Häcker, Harmut / Stapf, Kurt: Dorsch, Psychologisches Wörterbuch, Bern 2004, S. 584.

3 Qerimi, Islam: Rolle und Herkunft des Kanun bei den Albanern, 1. Aufl., Norderstdt 2010, S. 5 – 13.

4 Lenz, Karl/ Nestmann, Frank: Handbuch persönliche Beziehungen, Weinheim/ München 2009, S.

902. 5 BGBl. Jahrgang 2003, ausgegeben am 6. Juni 2003 Teil I, 29. Bundesgesetz: Zivilrechts-Mediations-

Gesetz – ZivMediatG sowie Änderungen des Ehegesetzes, der Zivilprozessordnung, der Strafpro-zessordnung, des Gerichtsgebührengesetzes und des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001 (NR: GP XXII RV 24 AB 47 S. 12. BR: AB 6780 S. 696).

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scher Mediatoren sowie des Juristen und Mediationsexperten Roland Proksch hat die

erste Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Institut für Beratung, Organisation

und Gemeinwesensentwicklung, in Steinbach an der Steyr stattgefunden6. Danach

ist mit dem Eherechtsänderungsgesetz von 1999 und dem § 39c Familienlastenaus-

gleichgesetz die Familienmediation erstmals gesetzlich verankert worden.

Der Begriff Mediation in Österreich wurde durch einen Erlass zur Ausweitung des

Modellprojekts ,,Mediation bei Scheidung und Trennung“ dauerhaft übernommen

und ist durch das Ehe- und Scheidungsrechtsänderungsgesetz 1999 und der Novelle

der Rechtsanwaltsordnung im selben Jahr, auch im Rechtswesen zu einer festen

Begrifflichkeit geworden. In einem weiteren Schritt hat dann der Gesetzgeber im

Rahmen des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes aus dem Jahr 2001 die Rege-

lungen des EheRÄG 1999 auf dieses übertragen und Mediation, als Konfliktrege-

lungsinstrument im Bereich des Kindschaftsrechtes, zu deren Entscheidung die Ge-

richte im Rahmen eines Pflegschaftsverfahrens berufen sind, also insb. Obsorge-

und Besuchsrechtsstreitigkeiten, übernommen.

Mediation wurde somit zunächst im Bereich Familie und Scheidung eingesetzt. In

den letzten Jahren ist in Österreich jedoch eine Tendenz erkennbar, dass auch in

anderen Bereichen vermehrt auf das Verfahren der sogenannten alternativen Streit-

beilegung, Mediation, als Methode der einvernehmlichen Konfliktlösung, zurückge-

griffen wird.

In der letzten Zeit setzt die österreichische Justiz verstärkt auf die sog. alternativen

außergerichtlichen Methoden der Streitregulierung, wie Mediation, Schlichtung,

Schiedsgerichtsbarkeit und Außergerichtlicher Täterausgleich. In bestimmten Fällen

ist es gesetzlich vorgesehen, dass zunächst ein Schlichtungsversuch unternommen

werden muss, bevor ein Gericht mit dem Fall beschäftigt werden kann.

Die Mediation ist derzeit in folgenden Gesetzen und Verordnungen geregelt: Zivil-

rechtsmediationsgesetz7, Kindschaftsrechts - Änderungsgesetz 20018, Gentechnik-

gesetz9, Ausbildungsverordnung zum eingetragenen Mediator10, Zivilrechts-

Änderungsgesetz 2004 (Nachbarschaftsmediation)11, Umweltverträglichkeitsprü-

fungsgesetz 200012, Bundesbehindertengleichstellungsgesetz13, Richtlinie zu § 14

6 Bechtold, Johannes A.: Peer-Mediation - Kooperative Konfliktbewältigung an österreichischen Schu-

len Strukturen – Wirksamkeit – Entwicklungschancen, Dissertation, Universität Innsbruck, 2002, S. 44. 7 Gesamte Rechtsvorschrift für das Zivilrechts-Mediations-Gesetz, Fassung vom 13.05.2011.

8 BGBl. I 135/2000.

9 BGBl. Nr. 510/1994 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 126/2004, Gentechnikgesetz.

10 Verordnung des Bundesministers für Justiz über die Ausbildung zum eingetragenen Mediator (Zivil-

rechts-Mediations-Ausbildungsverordnung - ZivMediatAV), StF: BGBL. II Nr.47/ 2004. 11

Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch und das Konsumentenschutzge-setz geändert wurden (Zivilrechts-Änderungsgesetz 2004 – ZivRÄG 2004). 12

BGBl. Nr. 697/1993 idF BGBl. 793/1996, BGBl. I Nr. 89/2000, BGBl. I Nr. 108/2001, BGBl. I Nr. 151/2001 und BGBl. I Nr. 50/2002, idF zuletzt BGBl. I 87/2009. 13

BGBl. I Nr. 29/2003 (§ 15. (1), sowie BGBl. I Nr. 82/2005 (siehe §§ 15f und 24f).

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BGStG14, Zivilprozessordnung15, Strafprozessordnung16 und Berufsausbildungsge-

setz17 (Lehrlingsmediation).

1995 wurde der Bundesverband für Mediation (ÖBM) gegründet. Mit rund 2.400 qua-

lifizierten Mitgliedern ist er die größte Fach- und Interessensvertretung für Mediation

in der EU18. Darüber hinaus hat die Österreichische Notariatskammer eine zentrale

Einrichtung geschaffen, die für alle Schlichtungsfälle zwischen Konfliktparteien mit

Notariatsangelegenheiten zur Verfügung steht - die Schlichtungsstelle des österrei-

chischen Notariats19.

4. Die Rechtsgrundlage der Mediation im Zivilrecht

Nach einem erfolgreichen Einsatz der Mediation bei familiären Konflikten in Öster-

reich wurden auch Forderungen nach einem gesetzlichen Rahmen für dieses neue

Instrument der außergerichtlichen Streitbeilegung laut. Der nächste Schritt war eine

umfassendere Regelung der Mediation als Instrument außergerichtlicher Streitbeile-

gung. Bei der Regelung des Sachverhalts „Mediation“ musste jedoch darauf Rück-

sicht genommen werden, dass die Gesetzgebung in Österreich zwischen Bund und

Ländern geteilt ist. Mangels einer eindeutigen Zuordnung der Mediation zu den Ge-

setzgebungskompetenzen von Bund oder Ländern hat der Gesetzgeber die gesetzli-

che Regelung auf die Zivilrechtsmediation eingeschränkt und diese dem Bund zuge-

ordnet, der generell unzweifelhaft für das Zivilrecht zuständig ist20.

Zu den wichtigsten Anwendungsbereichen des Außerstreitverfahrens in Österreich

gehören laut Außerstreitgesetzes (AußStrG)21 das Verlassenschaftsverfahren (§§ 20

ff AußStrG); das Verfahren in Vormundschafts- und Kuratelangelegenheiten (§§ 181

ff AußStrG) sowie in Eheangelegenheiten (insbesondere die einvernehmliche Schei-

dung gem. §§ 220 ff AußStrG) und bei Adoptionen (§§ 257 ff AußStrG); ferner die

Sachwalterbestellung für behinderte Personen (§§ 236 ff AußStrG) und die Unter-

bringung psychisch kranker Personen in Krankenanstalten (UnterbringungsG) sowie

weitere zahlreiche Angelegenheiten des Wohnrechts und des Grundbuch- und Fir-

menbuchverfahrens22.

14

BGBl. I Nr. 82/2005 (§§ 14 ff Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz – BGStG. 15

BGBl. I Nr. 76/2002. § 320 öZPO. "eingetragene Mediatoren nach dem Zivilrechts-Mediations-Gesetz, BGBl. I Nr. 29/2003, in Ansehung dessen, was ihnen im Rahmen der Mediation anvertraut oder sonst bekannt wurde." 16

BGBl. I Nr. 134/2002, § 152 (1) öStPO. 1 Z 5 lautet: "Psychiater, Psychotherapeuten, Psychologen, Bewährungshelfer, eingetragene Mediatoren nach dem Zivilrechts-Mediations-Gesetz, BGBl. I Nr. 29/2003, sowie Mitarbeiter anerkannter Einrichtungen zur psychosozialen Beratung und Betreuung über das, was ihnen in dieser Eigenschaft bekannt geworden ist.". 17

BGBl. Jahrgang 2008, Ausgegeben am 26. Juni 2008. 18

Vgl. URL: http://www.oebm.at/cms/index.php [Stand: 11.05.2011]. 19

Vgl. URL: http://www.notar.at/notar/de/home/infoservice/schlichtung/ [Stand: 25.12.2010]. 20

Vgl. URL: http://www.km-kongress.de/download/2005_vortrag_miklautsch.pdf [Stand: 07.10.2010]. 21

Vgl. URL: http://www.jusline.at/Ausserstreitgesetz_%28AussStrG%29.html [Stand: 07.10.2010]. Stand der Gesetzgebung: 1. September 2010. 22

Vgl. URL: http://www.uibk.ac.at/zivilrecht/buch/kap19_0.xml?section=6;section-view=true#BABBBBGA [Stand: 25.09.2010].

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Nach § 3 Abs. 1 Z 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 ZivMediatG bezieht sich das Gesetz aus-

schließlich auf die „Mediation zur Lösung von Konflikten, für deren Entscheidung an

sich, die ordentlichen Gerichte zuständig sind“. Mit den Worten „an sich“ wird ausge-

drückt, dass es auf die abstrakte Zurechenbarkeit eines Konflikts zur Zivilgerichtsbar-

keit ankommen muss. Diese ist etwa auch dann gegeben, wenn die Parteien ein

Schiedsgericht vereinbart haben und damit in concreto die Sache der ordentlichen

Gerichtsbarkeit entzogen haben. Selbstverständlich ist auch nicht erforderlich, dass

der Konflikt bereits bei dem Gericht anhängig ist. Es genügt, dass im „Ernstfall“ letzt-

lich ein Gericht zur Entscheidung des Konfliktes angerufen werden kann.

In § 443a öZPO wurde ferner vorgesehen, dass “über den Inhalt der in einem Media-

tionsverfahren über eine Zivilrechtsache erzielten schriftlichen Vereinbarung [...] vor

jedem Bezirksgericht ein gerichtlicher Vergleich geschlossen werden kann.“23.

5. Die verschiedenen Arten von Mediatoren und deren Aufgaben

In Österreich werden die Mediatoren gezielt für verschiedene Lebensbereiche aus-

gebildet. Es gibt Familienmediatoren, Wirtschaftsmediatoren, Sportmediatoren, Me-

diatoren in Organisationen, gerichtsnahe Mediatoren, Umweltmediatoren, Mediatoren

im Strafrecht (Konfliktregler) beim Tatausgleich etc. Diesen Mediatoren steht im Me-

diationsverfahren eine zentrale Rolle zu.

Das Bundesgesetz über Mediation in Zivilrechtssachen (ZivMedG) gibt eine Definiti-

on zu qualifizierten Mediatoren. So ist im § 9 (1) ZivMedG vorgesehen, dass An-

spruch auf Eintragung in die Liste der Mediatoren hat, wer nachweist, dass er das 28.

Lebensjahr vollendet hat und fachlich qualifiziert ist. Diese Qualifikation setzt eine

entsprechende Ausbildung gem. § 29 über Kenntnisse und Fertigkeiten der Mediati-

on sowie Kenntnisse zu deren rechtlichen und psychosozialen Grundlagen voraus.

Bei einer Familienmediation ist gem. § 2 (1) Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG)

vorgesehen, dass Mediationsangebote in familien- und kindschaftsrechtlichen Kon-

fliktfällen den qualitativen Standards, hinsichtlich der Grundqualifikationen und der

speziellen Qualifikationen der Mediatoren sowie den vorgesehenen Durchführungs-

modalitäten, entsprechen24. Darüber hinaus werden Mediatoren durch Fortbildungs-

pflichten (§ 20 ZivMedG) immer weiter geschult und gezwungen, sich mit neuen Ent-

wicklungen auf ihrem Gebiet auseinanderzusetzen. Sogar in der universitären Lehre

gibt es inzwischen Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten für Mediatoren, wie zum Bei-

spiel den Masterstudiengang zum „European General Mediator“ (EGM) oder das

Wahlfachangebot „Mediation und alternative Methoden der Konfliktregelung“ der ju-

ristischen Fakultät an der Universität Wien. Aber auch viele verschiedene For-

23

öBGBl I 2011/21. 24

§ 39 c des Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967, idF BGBl. I/136/1999, Richtlinien zur För-derung von Mediation, GZ: 42 5000/5-v/2/04.

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schungsarbeiten tragen dazu bei, immer wieder neue Erkenntnisse auf diesem Ge-

biet zu erzielen.

Für künftige Anwälte wurde außerdem in der Prüfungsordnung vorgesehen, dass

jeder Prüfungskandidat sechs halbe Tage (ein halber Tag umfasst jeweils 3 Stunden)

aus dem Fach „Zivilgerichtliches Verfahren und außergerichtliche Streitbeilegung“

nachweisen muss25.

Mediatoren werden in vielen Bereichen des privaten sowie des öffentlichen und ge-

sellschaftlichen Lebens eingesetzt. Mediation lässt sich in juristische Mediation, die

von einem Richter im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens angeordnet wird, freiwilli-

ge Mediation, zu der sich die Parteien selbst entschließen und freie Mediation, in der

die Parteien beschließen, irgendeinen Vermittler, ob zugelassenen oder nicht, in An-

spruch zu nehmen26.

Der Beruf des Mediators kann hauptberuflich oder nebenberuflich, selbstständig und

nicht selbstständig ausgeübt werden. Die Mediatoren haben die Verantwortung für

den Ablauf des Gesprächs und sollte einige Punkte beachten: eine angenehme At-

mosphäre zu schaffen und eine neutrale Haltung, sowie Respekt und Toleranz allen

Beteiligten gegenüber deutlich zu machen27

Mediatoren haben vielfältige Aufgaben, die sich im wesentlich wie folgt zusammen-

fassen lassen28:

- Helfer beim Finden von Lösungsansätzen und Treffen von Vereinbarun-

gen;

- Als Hüter der Befindlichkeiten in Bezug auf Anerkennung und Wertschät-

zung;

- Klärungshelfer in Bezug auf objektive Fakten und subjektives Erleben;

- Modellgestalter für Anschlussfähigkeit durch Perspektivübernahme

Andere Autoren29 fassen die Aufgaben von Mediatoren weiter und berücksichtigen

auch, dass Mediatoren

- Rahmenbedingungen für faire Kommunikation und Verhandlungen schaf-

fen,

- die Interessen aller Beteiligten berücksichtigen,

- darauf achten, dass beide Parteien zumindest einen lebbaren Kompromiss

erarbeiten,

25

§ 1 Abs 2 lit. f RAO, BGBl I 2009/141. 26

Mediation, Arten der Mediation: http://www.avocats.be/la-mediation.php?PHPSESSID=434qj0igm1jtuscjm9 m1t48c26&lg=DE [Stand:16.05.2013]. 27

Jeker, Aline: Vgl. URL: http://www.peaceforce.ch/h/bilder/dipl_med_kla_zi.pdf [Stand: 16.05.2013]. 28

Lembke, Kai: Kein Platz für Profilneurosen - Umgang mit Großkunden, München, 2009, S. 119. 29

Unterreaine, Andrea: Die Aufgaben der Mediatoren, siehe Link: http://www.ihremediatorin.com/mediation/aufgaben_der_mediatoren.php [Stand: 13.03.2012]; Oboth, Monika/Seils, Gabriele: Mediation in Gruppen und Teams. Praxis und Methodenhandbuch, Paderborn 2011, S. 19.

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- das Gespräch anleiten, damit beide Parteien genügend Möglichkeiten zur

Darlegung ihres Konfliktes haben,

- wertungsfrei handeln, ohne zu urteilen,

- keinerlei Entscheidungen treffen,

- bei der gemeinsamen Problembearbeitung helfen, indem ein kontinuierli-

cher Dialog zwischen den Beteiligten entwickelt wird,

- unterstützen bei der Entwicklung individueller Lösungen für die Zukunft.

- die Ergebnisse schriftlich festhalten und

- unterstützen bei der Entwicklung individueller Lösungen für die Zukunft.

- die Ergebnisse schriftlich festhalten und

- den Inhalt der Verhandlungen vertraulich behandeln, da sie der gesetzli-

chen Schweigepflicht unterliegen.

6. Die Rolle des Geschlechts der Konfliktbeteiligten und des Mediators im Ver-

fahren

In Österreich kann jedermann als Partei, gleich welchen Geschlechts, an einer Medi-

ation teilnehmen. Für die Mediation in Österreich wird im Abschnitt I § 3 (2) des

Bundesgesetzes für Zivilrechts-Mediations-Gesetz die Gleichberechtigung der Ge-

schlechter gewährleistet. Ist dort vom Mediator die Rede, so ist damit die eingetrage-

ne Mediatorin oder der eingetragene Mediator gemeint. Es gibt weder für die Partei-

en eines Mediationsverfahrens noch für dessen Leiter Einschränkungen. Im ÖBM in

Österreich sind ca. 4.000 MediatorInnen registriert. Ungefähr 3.500 „eingetragene

MediatorInnen“ gibt es in der Liste des BMJ nach dem ZivMediatG. Der ÖBM, als

größter Verband eingetragener MediatorInnen, vereinigt MediatorInnen aus allen Be-

rufsfeldern und mit allen Mediationsschwerpunkten. Er setzt sich für Qualität und die

Sicherheit der Mediationskunden ein.

Ein Mediationsverfahren kann aber auch im Wege der Co-Mediation durchgeführt

werden, also von zwei oder mehreren Mediatoren gemeinsam. Für den Fall, dass die

Konflikte zwischen zwei unterschiedlichen Gesellschaften oder Organisationen be-

stehen, erfolgt die Mediation in der Regel zusammen mit einem Co-Mediator. Hier

wird die Mediation von einem Mediatorenpaar – in der Regel einer Frau und einem

Mann – durchgeführt, die nach Möglichkeit beide Berufsfelder – den juristischen und

den psychosozialen Bereich – repräsentieren. Dadurch steht ein breiteres Fachwis-

sen zur Verfügung. Bei unterschiedlichem Geschlecht der Konfliktpartner können

beide in der Mediation eine Ansprechperson ihres eigenen Geschlechts finden und

das Mediatorenpaar kann bei der gemeinsamen Vor- und Nachbereitung der Ge-

spräche Gedanken miteinander austauschen.

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7. Die wesentlichen Elementen der Mediation

Zusammengefasst können die folgenden wesentlichen Elemente der Mediation ge-

nannt werden:

Freiwilligkeit der Teilnahme der Konfliktparteien an einem außergerichtlichen

Verfahren;

Neutralität und Allparteilichkeit eines Vermittlers bzw. (Mediators);

Versuch des Erreichens einer schnellen und unbürokratischen Wiedergutma-

chung zwischen Konfliktparteien;

Fähigkeit des Mediators als „Rechtsexperte“;

7.1. Die Freiwilligkeit der Teilnahme der Konfliktparteien an einem außerge-

richtlichen Verfahren

Die Freiwilligkeit der Teilnahme der Parteien an einem Mediationsverfahren beruht

auf § 1 des Zivilrechts-Mediations-Gesetzes. Die Parteien beschließen selbst, ob sie

an einem Mediationsverfahren teilnehmen wollen oder nicht. Diese Freiwilligkeit be-

deutet, dass die Parteien zu jeder Zeit aus diesem außergerichtlichen Verfahren aus-

steigen können. Es gibt verschiedene Wege eine Mediation anzuregen. Eine Mög-

lichkeit ist, dass eine Partei den Mediator um Kontaktaufnahme mit der anderen Kon-

fliktpartei bittet. Ein anderer Weg ist, dass beide Parteien sich einig sind, einen ge-

meinsamen Mediator für ihre Konfliktlösung einzuschalten. Es gibt aber auch die

Möglichkeit, dass die Initiative vom Mediator selbst ergriffen wird.

Zur Mediation führen also viele Wege. Am häufigsten werden die vier folgenden prak-

tiziert:

a) Meistens beginnt ein Mediationsverfahren, indem es die Parteien selbst initi-

ieren. So z.B. bei familiären Konflikten wird häufig durch ein Familienmitglied

ein Mediationsverfahren initiiert, wobei ein Mediator angerufen wird, um mit

einem anderen Familienmitglied einen Konflikt zu lösen30.

b) Der zweite Weg zu einer Mediation, wird oft durch eine dritte Partei (die Per-

sonalabteilung, ein Mitarbeiter, eine Führungskraft, ein Kommilitone), die

nicht im Konflikt steht, aber davon betroffen ist, unternommen31. So z. B. der

Student, dem der Streit zwischen anderen Studenten in einer Wohngemein-

schaft, Nachteile bringt.

c) Eine dritte Möglichkeit eine Mediation zu beginnen, kann auch durch eine

Anregung des Mediators selbst geschehen32, wenn es sich beispielsweise

30

Qerimi, Islam: Praktisches Beispiel aus der Familienmediation, Norderstedt 2012, S. 6. 31

Oboth, Monika / Seils, Gabriele: Mediation in Gruppen und Teams. Praxis und Methodenhandbuch, Paderborn 2011, S. 41. 32

Wenzel, Claus: Konfliktbearbeitung durch Mediation aus berufspädagogischer Sicht. Theoretische Grundlagen, Qualifizierungsansätze und Umsetzungsempfehlungen für mediatives Arbeiten in der Schule, (Dissertation Uni Kassel 2008), Kassel 2008, S.134.

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um einen Konflikt handelt, der allgemein bekannt ist. Zum Beispiel ein Kon-

flikt der Nachbarn über die Nutzung und Räumung des Gehweges.

d) Der vierte Weg zur Mediation kann über andere Institutionen führen (die

Verweisungen von Gerichtsfällen zur Mediation)33. Im strafrechtlichen Be-

reich über den Tatausgleich, wobei der Täter aufgefordert wird, sich zu be-

mühen, mit dem Opfer eine Konfliktbereinigung und Schadenswiedergutma-

chung durch die Mediation zu erreichen, was letztendlich zu einer Verfah-

reneinstellung führen könnte34. Ein Mediationsverfahren im Strafrecht, in

Form des Tatausgleiches, wird in Österreich i. d. R. durch ein Gericht, einen

Anwalt oder auch durch die Beteiligten selbst angeregt. Bei Raub und Er-

pressung im Jugendstrafrecht beispielsweise ist der Anteil des Tataus-

gleichs viel höher, als bei dessen Äquivalent im Erwachsenenstrafrecht.

Dies ist darauf zurückzuführen, dass bei derartigen Delikten im Erwachse-

nenstrafrecht keine Einstellung des Verfahrens zugelassen wird.

7.2. Die Verfahrensteilnehmer

Um eine Mediation durchführen zu können, braucht es wenigstens zwei Beteiligte

(„kleines Verfahren“): in bei Ehestreitigkeiten Mann und Frau, am Arbeitsplatz Kolle-

gen oder Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Nachbarn oder beim Tatausgleich (Täter

und Opfer). Es besteht jedoch die Möglichkeit an einem Mediationsverfahren mehre-

re Konfliktparteien zu beteiligen, was dann als „großes Mediationsverfahren“ be-

zeichnet wird, beispielsweise im Fall des historisch größten gelungenen Mediations-

verfahrens am Flughafen Wien-Schwechat (2001 – 2005), an dem über 50 Konflikt-

parteien teilgenommen haben. In einem solchen Fall wird das Mediationsverfahren

von einem Mediatiorenteam durchgeführt.

Bei einem „kleinen Verfahren“ ist eine Win-Win-Lösung ist leichter möglich, als bei

einem „großen Verfahren“, da die Bedingungen günstiger sind. Bei großen Verfahren

werden meist Verfahrensvertreter gewählt, die sich sowohl in der Vorbereitung als

auch während des Verfahrens mit ihren Auftraggebern treffen, um über den Mediati-

onsverlauf zu berichten und weitere Absprachen zu treffen.

7.3. Die Voraussetzungen der Teilnahme eines Mediators als Vermittler

Mediatoren üben ihre Tätigkeit im Rahmen der GewO 1994 aus35. Ist gem. § 3 (1) 2.

ZivMediatAV von einem Mediator die Rede, so ist damit die eingetragene Mediatorin

33

Seit 2004 enthält § 204 ZPO die Verpflichtung des Gerichtes, und zwar grundsätzlich in jeder Phase des Verfahrens, auf die Möglichkeit außergerichtlicher Konfliktlösung „hinzuweisen“, in: Falk, Gerhard / Koren, Gernot: Kommentar zum ZivMediatG, Auflage: 1., Aufl., Wien 2005, S. 264ff. 34

Mediation im Strafrecht, NEUSTART, Leben ohne Kriminalität, vgl. URL: http://www.neustart.org/de/de/ unsere_angebote/taeter-opfer-ausgleich.php [Stand: 17.05.2013]. 35

Lebens- und Sozialberatung gemäß § 94 Z. 46 GewO 1994. BGBl. Nr. 194 (WV).

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oder der eingetragene Mediator gemeint. Um die Tätigkeit auszuüben, muss man

nach der Verordnung des Bundesministers für Justiz über eine Ausbildung zum ein-

getragenen Mediator (Zivilrechts-Mediations-Ausbildungsverordnung – ZivMediatAV)

verfügen. Voraussetzungen für diese Eintragung sind:

Antrag an das Bundesministerium für Justiz,

Mindestalter 28 Jahre,

Fachliche Qualifikation (fachlich qualifiziert ist, wer aufgrund einer entspre-

chenden Ausbildung die Kenntnisse und Fertigkeiten der Mediation erlangt hat

und ihre rechtlichen und psychosozialen Grundlagen kennt).

Vertrauenswürdigkeit (Strafregisterbescheinigung),

Haftpflichtversicherung des Mediators (Versicherungsvertrag nach österreichi-

schem Recht - Mindestversicherungssumme 400.000 Euro);

Kein Ausschluss und keine zeitliche Begrenzung der Nachhaftung des Versi-

cherers,

Angabe, wo der Mediator seine Tätigkeit ausüben wird.

Mediatoren werden meistens durch die Konfliktparteien gewählt und im Falle

der Verweigerung der Konfliktvermittlung seitens des Mediators, werden auch keine

Sanktionen gegen ihn verhängt.

7.4. Neutralität und Unparteilichkeit eines Mediators

Kommt es zu einem Verlust der Neutralität eines Vermittlers, wird das Verfahren so-

fort für ungültig und nichtig erklärt. Im Abschnitt IV des öZivMediatG sind die Rechte

und Pflichten des eingetragenen Mediators aufgeführt. So heißt es im § 15 (2) Ziv-

MediatG, dass der Mediator keine Vergütung für die Vermittlung oder Empfehlung

von Personen zur Mediation geben, nehmen, versprechen oder sich zusichern lassen

darf. Rechtsgeschäfte, die gegen dieses Verbot verstoßen, sind nichtig. Leistungen

aus solchen Rechtsgeschäften können zurückgefordert werden. Im darauffolgenden

§ 16 (1) ZivMediatG wird weiter festgehalten, dass wer selbst Partei, Parteienvertre-

ter, Berater oder Entscheidungsorgan in einem Konflikt zwischen den Parteien ist

oder gewesen ist, in diesem Konflikt nicht mehr als Mediator tätig sein darf. Desglei-

chen darf ein Mediator in einem Konflikt, auf den sich die Mediation bezieht, nicht

vertreten, beraten oder entscheiden. Jedoch darf er nach Beendigung der Mediation

im Rahmen seiner sonstigen beruflichen Befugnisse und mit Zustimmung aller betrof-

fenen Parteien zur Umsetzung des Mediationsergebnisses tätig sein.

Der Mediator darf grundsätzlich nur mit Zustimmung der Parteien tätig werden. Er hat

die Parteien über das Wesen und die Rechtsfolgen der Mediation in Zivilrechtssa-

chen aufzuklären und sie nach bestem Wissen und Gewissen, persönlich, unmittel-

bar und gegenüber den Parteien neutral durchzuführen. Des Weiteren hat der Media-

tor die Parteien auf einen Bedarf an Beratung, insbesondere in rechtlicher Hinsicht,

die sich im Zusammenhang mit der Mediation ergibt, sowie auf die Form hinzuwei-

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sen, in die sie das Ergebnis der Mediation fassen müssen, um eine Umsetzung si-

cherzustellen.

Über Verschwiegenheit und Vertraulichkeit bestimmt § 18 ZivMediatG. Danach wird

der Mediator zur Verschwiegenheit über alle Tatsachen verpflichtet, die ihm im Rah-

men der Mediation anvertraut oder sonst bekannt werden. Er hat die im Rahmen der

Mediation erstellten oder ihm übergebenen Unterlagen vertraulich zu behandeln.

Gleiches gilt für Hilfspersonen des Mediators sowie für Personen, die im Rahmen

einer Praxisausbildung bei einem Mediator unter dessen Anleitung tätig sind.

Im Abschnitt VIII sind Bestimmungen über Sanktionen festgelegt, die bei Nichteinhal-

tung der vorgenannten Pflichten, Mediatoren zu erwarten haben. So heißt es im § 31

(1) ZivMediatG beispielsweise, dass wer entgegen seiner Pflicht zur Verschwiegen-

heit und Vertraulichkeit (§ 18) Tatsachen offenbart oder verwertet und dadurch ein

berechtigtes Interesse einer Person verletzt, vom Gericht mit einer Freiheitsstrafe bis

zu sechs Monaten oder einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bestraft werden

kann. Eine Verfolgung diese Tat erfolgt nur auf Verlangen des in seinem Interesse an

Geheimhaltung Verletzten. Der Täter ist nicht zu bestrafen, wenn die Offenbarung

oder Verwertung nach Inhalt und Form durch ein öffentliches oder ein berechtigtes

privates Interesse gerechtfertigt ist.

Hier zeigt sich der Unterschied zum albanischen Recht ganz deutlich. Während es in

Albanien keine gesetzlichen Sanktionen gegen unrechtmäßig handelnde Älteste gibt,

können in Österreich hohe Strafen auf einen Mediator zukommen.

Es wird erwartet, dass die Mediatoren bei einem Amtsmissbrauch gemäß § 32 (2)

ZivMediatG zunächst eine Abmahnung, mit der Androhung der Entfernung aus der

Liste der Mediatoren und der Androhung einer Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Wer

beispielsweise gegen den Grundsatz der Unabhängigkeit und der Unparteilichkeit

verstößt, kann wird gemäß § 16 ZivMediatG mit einer Geldstrafe bis zu 3500 € be-

straft werden. Offenbart oder verwertet der Mediator Tatsachen und verletzt dadurch

ein berechtigtes Interesse einer Person auf Verschwiegenheit und Vertraulichkeit von

Informationen, kann er gemäß § 31 ZivMediatG sogar zu einer Freiheitsstrafe von bis

zu sechs Monaten oder einer Geldstrafe von bis zu 360 Tagessätzen bestraft wer-

den.

7.5. Das Erreichen einer schnellen und unbürokratischen Wiedergutma-

chung zwischen Konfliktparteien

Bei der Vorlage des Entwurfs eines Bundesgesetzes über gerichtsnahe Mediation

war die Rede davon, dass dieses Gesetz einen wirksamen Beitrag zur Entlastung der

Gerichte36 darstellt. Welche positiven Auswirkungen die außergerichtliche Konflikt-

36

Vorlage des Entwurfs eines Bundesgesetzes über gerichtsnahe Mediation zur Begutachtung, GZ 4.400.1/432-I.1/2001, S. 22f.

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schlichtung dann tatsächlich hatte, zeigt die strafrechtliche Statistik der eingestellten

Strafverfahren aufgrund Wiedergutmachungsleistungen der Jugendlichen gegenüber

dem ihren Opfern. Es wird vermutet, dass seit Einführung des Gesetzes, durch die

Vermittlung rund 83.000 Strafverfahren eingespart wurden. Circa 90 % der Strafver-

fahren gegen Jugendliche wurden eingestellt, gegen Erwachsene ungefähr 70 %37.

Zu Beginn wurde Mediation zunächst nur bei jugendlichen Straftätern durchgeführt

und im Wesentlichen erfolgreich angewendet, und später auch auf das Erwachse-

nenstrafrecht ausgedehnt. Die StPO–Novelle zum Außergerichtlichen Tatausgleich

(ATA) in Österreich ist im Jahre 1999 in Kraft getreten. Ursprünglich wurde eine

Prognose mit etwa 12.000 Fällen jährlich, als geeignet für eine Mediation in der Pra-

xis, erstellt. Aber in den ersten Jahren bis 2002 wurden nur deutlich unter 10.000 Fäl-

le behandelt38. Zudem konnten anfangs keine Prognosen zu den Auswirkungen auf

die Strafjustizpraxis gemacht werden. Lediglich erste vorsichtige Einschätzungen

wurden kommuniziert39.

Bis Ende 2004 wurden dem ATA 34.224 Jugendliche und 58.856 Erwachsene als

Tatverdächtige zugewiesen, das sind insgesamt 93.080 Personen. Rechnet man

auch die Opfer der strafbaren Handlungen hinzu, dann kommt man auf etwa 150.000

Personen die von einem ATA betroffen waren. Schaut man die Erledigungen an, so

wurden bei den Jugendlichen über 90 % der Fälle positiv abgeschlossen, bei den

Erwachsenen immerhin stolze 70 %. Im Jahre 2006 wurden dem Außergerichtlichen

Tatausgleich in 8.395 Fällen zugewiesen. Bei den Jugendlichen konnten 83,6 % und

bei den Erwachsenen 70 % der Fälle erfolgreich abgeschlossen werden40. Die Zah-

len blieben in den folgenden Jahren ähnlich stabil. Auch im Jahr 2009 kamen 7.839

Fälle zum ATA.

Es wurden Einigungen in 85,38 % bei Jugendlichen (2008: 85,9 %) und in 69,19 %

bei Erwachsenen (2008: 70,3 %)41 erzielt.

Darüber hinaus bewerten auch im Bereich der Wirtschaftsmediation ca. 90 % der

Unternehmen, die bereits über konkrete eigene Erfahrungen mit Wirtschaftsmediati-

37

Täter – Opfer – Ausgleich: 83.000 Strafverfahren eingespart, 24. Juni 2005, in: http://derstandard.at/2088948 [Stand:20.05.2011]. 38

Schütz, Hannes: Diversionsentscheidungen im Strafrecht: Grundlagen, Voraussetzungen und Indi-kationen, Wien New York 2003, S.119. 39

Grafl, Christian: Ein Jahr Diversion in Österreich – Anspruch und Wirklichkeit. Österr. Juristenzei-tung, 56, 2001 (Heft 11), S. 411. 40

Vgl. URL: http://neuestart.at/Media/1_report_oesterreich_2007-pdf - Download [Stand: 29.07.07], Neustart, Report Österreich 2007. 41

Vgl. URL: http://www.neustart.at/Media/report_oesterreich_2010.pdf [Stand: 28.08.10]. NEUSTART ist eine Organisation, die der Gesellschaft Hilfen und Lösungen zur Bewältigung von Konflikten und damit Schutz vor Kriminalität und deren Folgen bietet. Konkrete Angebote sind: Deeskalationsarbeit und konstruktive Regelung von Konflikten anstelle von Verurteilungen und Strafen; Präventionsarbeit bei Jugendlichen und Kindern; rasche Hilfe für Opfer; die Begleitung und (Re-)Integration von Tätern in die Gesellschaft.

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on verfügen, diese als positiv und über 80 % würden diese auch anderen Unterneh-

men zur Konfliktbearbeitung empfehlen42.

Nach den ersten Erfahrungen aus der Praxis der Mediation gem. des Bundes-

Behindertengleichstellungsgesetzes gibt es auch hier positive Rückmeldungen. In

fast der Hälfte der Schlichtungsfälle ist es zu gütlichen Einigungen gekommen, was

bedeutet, dass nur ca. ein Dutzend Fälle an die Gerichte weitergeleitet werden müs-

sen43.

“[…] Eine empirische Untersuchung des Instituts für Rechts- und Kriminalsoziologie

aus dem Jahr 2008 kam zu dem Ergebnis, dass in 84 Prozent der erfolgreichen Tat-

ausgleich-Fälle die Legalbewährung des Beschuldigten gelang; es kam also inner-

halb von drei Jahren nach dem Tatausgleich weder zu einer Verurteilung noch zu

einer weiteren Zuweisung an NEUSTART […].“44. Somit kann man sagen, dass

zwanzig Jahre ATA in der österreichischen Strafrechtspflege eine Erfolgsgeschichte

darstellen, an der der Verein NEUSTART einen wesentlichen Anteil hat.

8. Verlauf des Mediationsverfahrens

Obwohl das Mediationsverfahren nicht an strenge Regeln, wie ein Gerichtsverfahren,

gebunden ist, haben sich jedoch inzwischen bestimmte Phasen in einer Mediations-

verhandlung herausgebildet. Mediationsverfahren sind aber dennoch immer auf die

speziellen Umstände und Bedürfnisse des Einzelfalls zugeschnitten45.

„Unter Mediationsverfahren werden Verhandlungsverfahren zur Regelung von Kon-

flikten verstanden, an denen zwei oder mehrere Streitparteien freiwillig teilnehmen,

mit dem Ziel, in einem fairen und direkten (face-to-face) Kommunikationsprozess Dif-

ferenzen gemeinsam zu erkunden, Handlungsspielräume auszuloten, um zu einer

von allen Teilnehmern entwickelten und getragenen Lösung in Form einer Vereinba-

rung zu kommen. Hierbei werden sie von einer neutralen Person, dem Mediator oder

der Mediatorin, unterstützt, deren Hauptaufgabe in der Gestaltung und Betreuung

des Verfahrensablaufs liegt.“46.

42

Patera, Mario: Forschungsprojekt im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) WIRTSCHAFTSMEDIATION für Klein- und Mittelunternehmen in Österreich, Universität Kla-genfurt, Wien 2005, S. 5. 43

Hofer; Hansjörg / Rosner-Scheibengraf, Pia-Maria: Die Einstellungsmacht; Tipps und Informationen für Unternehmen zum Behindertengleichstellungspaket, 2. aktualisierte Auflage, Wirtschaftskammer Österreich, April 2009, S. 37. 44

Johannes Jarolim, Kriminalität vermeiden, in: NEUSTART, Report Österreich, 2013, S. 5. 45

Weidner, Helmut Alternative Dispute Resolution in Environmental Conflicts – Promises, Problems, Practical Experience, in: Ders. (Hg.), Alternative Dispute Resolution in Environmental Conflicts. Expe-riences in 12 Countries, Berlin (Sigma), 1998, S. 11-55, S. 19. 46

Fietkau, Hans-Joachim /Weidner, Helmut: Umweltverhandeln. Konzepte, Praxis und Analysen alter-nativer Konfliktregelungsverfahren, Berlin (Sigma), 1998, S. 15-16.

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14

Je nach Ansicht des Autors47 sind fünf bis sieben Phasen des Mediationsverfahrens

bekannt. Diese sog. Mediationsphasen werden meist in folgender Reihenfolge zu

finden sein:

Abbildung 2:

Vorphase: Verfahrensregeln, Sichtweisen aushandeln, schriftliche Form

des Vertrages festlegen, Kosten besprechen

Entscheidung der Themensammlung – Arbeitsplan

Die Konfliktbearbeitung bzw. die eigentliche Arbeitsphase

Die Lösungsmöglichkeiten aus der Methoden- und Gedankenvielfalt der

Mediatoren auswählen, bearbeiten und bewerten

Die Abschlusslösung vereinbaren

Die Überprüfung der Vereinbarung

Vollzug der Vereinbarungen

In dieser Tabelle wird dargestellt, wie die Konfliktparteien an jeder Phase der Media-

tion aktiv teilnehmen

In der Vorphase werden die ersten Kontakte der Konfliktparteien zu dem Mediatoren

geknüpft und darüber aufgeklärt, was Anerkennung des Konflikts untereinander be-

deutet.

Die Eröffnungsphase dient der Erläuterung der Verfahrensregeln und des Ablaufs

sowie dem Darstellen von Handlungsmöglichkeiten für die Konfliktparteien. Der Me-

diationsvertrag sowie die Kosten für das Verfahren werden in einer schriftlichen Form

vereinbart. Der Mediator sollte über gute Räumlichkeiten mit heller und privater Um-

gebung, Zimmerdekorationen usw. verfügen, um die Konfliktparteien in einer von gu-

ter und positiver Grundstimmung geprägten Atmosphäre zu erreichen. Hier werden

die Ziele der Mediation und die Spielregeln für das Miteinander festgelegt.

Im Rahmen der Themensammlung werden die regelungsbedürftigen Punkte erarbei-

tet und in einem Arbeitsplan gewichtet. In dieser sog. Agenda wird durch Analyse des

Themensammlung versucht, Übereinstimmungen und Meinungsverschiedenheiten

47

Oboth, Monika/Seils, Gabriele: Mediation in Gruppen und Teams. Praxis und Methodenhandbuch, Paderborn 2011, S. 18;Kessen, Stefan / Troja, Markus: Die Phasen und Schritte der Mediation als Kommunikationsprozess. In Handbuch Mediation, München 2002, §16, Rn.; Proksch, Roland: Curricu-lum einer Mediationsausbildung. Lehrbrief 1 in: Kon: Sens 2/1998, Köln, S. 113 – 119 ( Zeitschrift für Mediation). Falk Gerhard in: Knapp Gerhard, Soziale Arbeit und Gesellschaft, Entwicklungen und Perspektiven in Österreich, Klagenfurt-Laibach-Wien 2004, S. 393-395; Hösl, Gerhard – G. Mediation, die erfolgreiche Konfliktlösung - Grundlagen und praktische Anwendung, München, 2002, S. 15 – 16.

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15

herauszuarbeiten. Meist werden zum Abschluss in dem Arbeitsplan die Bereiche der

Übereinstimmung und Widersprüche gekennzeichnet.

Die Konfliktbearbeitungs- bzw. eigentliche Arbeitsphase ist die zentrale und sensible

Phase der Mediation. Hier sollen eigene Interessen und Bedürfnissen erkannt wer-

den und die Interessen und Bedürfnissen des anderen nachvollzogen werden. Un-

terschiedliche Sichtweisen werden dargelegt, um Grundlagen für eine Entschei-

dungsfindung zu erarbeiten sowie Prioritäten für mögliche Regelungen zu setzen.

Die Lösungsmöglichkeiten auszuwählen, zu bearbeiten und zu bewerten ist der

schwierigste Schritt. Hier verhandeln die Mediatoren mit den Konfliktparteien die Lö-

sungsansätze im Hinblick auf Umsetzungsmöglichkeiten. Vorläufige oder Teillösun-

gen können erprobt werden, um über eine Gesamtvereinbarung besser entscheiden

zu können. In dieser Phase sollen die Konfliktparteien selbst kreativ werden, die Sa-

che selbst in der Hand nehmen, damit auch die von ihnen akzeptierten Lösungen

positiv zu der Konfliktlösung beitragen.

Am Ende gilt es, die Abschlusslösung zu vereinbaren und eine Gesamtschau vorzu-

nehmen. Die schriftliche Fixierung der Konfliktlösung in einem Vertrag und dessen

Überprüfung durch einen Rechtsanwalt oder Notar sind die zu erledigenden Forma-

lien. Nach Unterzeichnung wird der Vertrag verbindlich, kann aber zu jeder Zeit wie-

der geändert, widerrufen oder neu verhandelt werden, wenn eine Situationsänderung

dies erforderlich macht. Aus der vertraglichen Vereinbarung muss klar hervorgehen,

wer was, wo, wann und wie vereinbart hat. Eine effektive Mediationsvereinbarung

sollte konkret und klar über die Laufzeit sein, ausgeglichen sein, positiv sein, realis-

tisch, klar und einfach umsetzbar sein und in die Zukunft gerichtet sein.

Im Anschluss können die Vereinbarungen überprüft oder ggf. angepasst werden. Es

folgt der Vollzug der Vereinbarungen bzw. die Überprüfung oder ggf. die Revision.

Ist ein Mediationsverfahren erfolgreich beendet, dann wird eine für die Beteiligten

verbindliche Vereinbarung geschlossen. Je nach Vereinbarung endet das zivilgericht-

liche Verfahren zugleich mit einem vom Mediator protokollierten (vollstreckbaren)

Prozessvergleich, einem Anerkenntnis oder einer Klagerücknahme. Scheitert die

Mediation jedoch, dann hat dies keinerlei negative Auswirkungen, denn das Verfah-

ren wird an den gesetzlichen Richter zurückgegeben, von diesem wieder aufgenom-

men und auf institutionellem Wege weitergeführt.

Die Gerichtsverhandlungen sind meistens öffentlich. Herr des Verfahrens sind die

Parteien. Sie müssen sich keiner Entscheidung eines Dritten beugen. Die Parteien

bekommen genug Zeit ihre Sichtweisen darzustellen und sich mit neuen Informatio-

nen auseinanderzusetzen, die sie noch nicht kannten48. „Auf eine bisweilen verdeck-

te, stets aber wirksame Weise bestimmen neben den inhaltlichen Interessen auch die

48

Duve, Christian/Ponschab, Reiner: Wann empfehlen sich Mediation, Schlichtung oder Schiedsver-fahren? Konsens, Freiburg, 1999, S. 263.

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Verfahrensinteressen aller an einer Mediation direkt oder indirekt Beteiligten [...] das

Mediationsgeschehen. Von der ersten Idee zur Durchführung einer Mediation bis zur

Implementierung der gefundenen Lösung existieren und konfligieren verschiedenste

Erwartungen an das Verfahren und an die Rollen der Beteiligten.“49.

9. Die Form der Erfassung des Mediationsverfahrens

Nach § 17 (2) öMedZivG hat der Mediator auf Verlangen der Parteien das Ergebnis

der Mediation sowie alle zu dessen Umsetzung erforderlichen Schritte, schriftlich

festzuhalten. Außerdem ist in § 17 (3) vorgesehen, dass der Mediator seine Auf-

zeichnungen mindestens sieben Jahre nach Beendigung der Mediation aufzubewah-

ren hat. Eine Mediationsvereinbarung in Österreich hat folgendermaßen auszusehen:

“Im Sinne höchstmöglicher Klarheit und zum Schutz der Interessen der Mediati-

onspartnerInnen wird übereinstimmend festgehalten, dass Ergebnisse zwischen ih-

nen erst dann verbindlich werden, wenn diese in Form eines Mediationsprotokolls

(Punktation) schriftlich verfasst und von ihnen unterfertigt worden sind. Die Mediati-

onspartnerInnen vereinbaren darüber hinaus ausdrücklich, dass bei Bedarf die

Rechtswirksamkeit – etwa Schaffung einer Grundlage für einen gerichtlichen Ver-

gleich – das schriftliche Mediationsergebnis von einem oder mehreren externen

Rechts- oder Fachexperten zu überprüfen und in eine entsprechende Form zu brin-

gen ist.“ .

10. Die Entscheidungsmacht

Der Mediator tritt nur als Vermittler auf. Er kann weder die andere Partei beraten,

noch eine Entscheidung für sie treffen. Folgende Abbildung stellt dies zutreffend dar:

Wenn sich die Konfliktparteien im Rahmen einer Mediation einig werden, dann be-

trachten sie den am Ende geschlossenen Mediationsvergleich im Sinne des § 1380

ABGB lediglich als vertragliche Absicherung. Bei der Mediation bilden sich die eigent-

lichen Lösungen bereits innerhalb des Mediationsverlaufs heraus und der Mediator

ist als Begleiter des Prozesses oder als Brücke der Kommunikation und Verständi-

gung kennzeichnend für diesen Prozess. Der Mediator selbst hat keinerlei Entschei-

dungskompetenz hat. Im Gegensatz dazu gilt das Selbstbestimmungsrecht der Betei-

ligten, die Konflikte durch Verhandlungen einvernehmlich versuchen zu lösen.

11. Die Beschwerdemöglichkeiten (Rechtsmittel)

Die Konfliktparteien haben die Möglichkeit, einen Widerspruch gegen die Mediations-

vereinbarung einzureichen. Ferner kann im Falle einer unverschuldet nicht zustande

49

Kessen, Stefan, in: Henssler, Martin / Koch, Ludwig: Mediation in der Anwaltspraxis, Köln 2004, S. 273.

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gekommenen Mediation, die daran schuldlose Vertragspartei ein Gerichtsverfahren

einleiten. Im Falle einer zustande gekommenen, später jedoch abgebrochenen Me-

diation können beide Vertragsparteien ein Verfahren anstreben50.

12. Die Vollstreckung von Vereinbarungen gemäß Mediationsgesetz

Die Vollstreckung von Vereinbarungen wird durch die ordentlichen Zivilgerichte, gem.

§ 1 (2) des Bundesgesetzes für Zivilrechts-Mediations-Gesetz, garantiert. Die Media-

tionsvereinbarung kann also vor Gericht verwendet und vorgelegt werden. Dazu

muss sie jedoch idR von Anwälten der Beteiligten oder einem Notar in eine juristi-

sche Form übertragen werden51. Ähnlich wie bei einem Gerichtsurteil können Media-

tionsparteien ab 2011 voraussichtlich nach einer Mediationsvereinbarung Vollstre-

ckungsmaßnahmen in Anspruch nehmen, falls dies im Einzelfall erforderlich sein soll-

te. Der Wert des Mediationsergebnisses steht damit gesellschaftlich auf gleicher

Ebene mit der Entscheidung eines Richters, die „Im Namen des Volkes“ getroffen

wird52.

13. Entlohnung der Mediatoren

Die Konfliktparteien müssen für die Durchführung des Mediationsverfahrens zahlen.

Die Entlohnung der Mediatoren wurde vom Staat festgesetzt. In Fragen der Tren-

nung oder Scheidung, über Vermögensaufteilung, den Unterhalt oder das Besuchs-

recht zum gemeinsamen Kind zum Beispiel, kann eine vom Ministerium unterstützte

50

Mediationvereinbarung, siehe auf der Homepage: http://www.konfliktundloesung.at/docs/38/downloads/ mediationsvereinbarung.pdf [Stand: 17.01.2012], 51

“Entschließung des Europäischen Parlaments vom 13. September 2011 zu der Umsetzung der Richtlinie über Mediation in den Mitgliedstaaten, ihren Einfluss auf die Mediation und ihre Inanspruch-nahme durch die Gerichte : 2. stellt fest, dass gemäß Artikel 6 der Richtlinie die meisten Mitgliedstaa-ten über ein Verfahren verfügen, um der im Wege der Mediation erzielten Vereinbarung über den Streitfall die gleiche Autorität zuzuerkennen wie einer gerichtlichen Entscheidung; stellt fest, dass dies entweder durch Übermittlung dieser Vereinbarung ans Gericht oder über deren notarielle Beurkun-dung erreicht wird und dass anscheinend einige innerstaatliche Gesetzgeber die erstgenannte Varian-te bevorzugt haben, wohingegen in zahlreichen Mitgliedstaaten die notarielle Beurkundung in der je-weiligen Rechtsordnung parallel zur Verfügung steht: Denn während beispielsweise in Griechenland und Slowenien gemäß dem Gesetz die Niederschrift einer Mediationsvereinbarung von den Gerichten vollstreckt werden kann, können in den Niederlanden und in Deutschland Vereinbarungen als notariel-le Urkunden vollstreckbar gemacht werden, in anderen Mitgliedstaaten wie beispielsweise Österreich können Vereinbarungen als notarielle Urkunden nach der bestehenden Rechtslage vollstreckbar ge-macht werden, ohne dass der nationale Rechtsakt zur Umsetzung auf diese Möglichkeit ausdrücklich hinweist; fordert die Kommission auf, dafür Sorge zu tragen, dass alle Mitgliedstaaten, die dies bisher noch nicht tun, unverzüglich Artikel 6 der Richtlinie einhalten“ (2011/2026(INI), siehe auf der Hommepage:http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-2011-0361+0+DOC+XML+V0//DE [Stand. 17.05.2013]. 52

Mediationsgesetze in Deutschland, Österreich & Schweiz. Fördergemeinschaft D-A-CH e.V., Deutschland, Austria, Schweiz, siehe: URL. http://www.mediation-dach.com/mediation/mediationsgesetz [Stand: 15.01.2012].

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18

Familienmediation in Anspruch genommen werden. Eine Mediationsstunde kos-

tet 182,- € pro Mediatorenteam und je nach Höhe des Familieneinkommens der Kon-

fliktparteien, das den Mediatorinnen und Mediatoren durch Vorlage von Lohnbestäti-

gungen, Gehaltszetteln u.ä. nachgewiesen werden muss sowie der Anzahl der un-

terhaltspflichtigen Kinder, gewährt das Ministerium einen Zuschuss bzw. muss ein

entsprechender Selbstbehalt geleistet werden. Die Höhe des Selbstbehaltes wird von

den Mediatorinnen und Mediatoren errechnet53.

Fazit:

Die Mediation als alternative Art der Konfliktlösungen zu der staatlichen Justiz wird

auf verschiedenen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens angewendet. Nach den

Statistiken über die außergerichtlichen Erledigungen lässt sich feststellen, dass bei

den Jugendlichen über 90 % der Fälle positiv abgeschlossen wurden, bei den Er-

wachsenen immerhin 70 %. Daher ist es sinnvoll, wenn der Einsatz von Mediation

auch in Zukunft angewendet wird um Lösungen für die Konfliktparteien zu ermögli-

chen, mit dem Vorteil, dass keine Partei zum Verlierer degradiert wird. Darüberhi-

naus, gibt es auch wirtschaftliche Gründe für eine Beilegung der Konflikte auf diese

Art. Sie hat sich im Vergleich zum Gerichtsverfahren als wesentlich kostengünstiger,

erwiesen. Diese Art der Konfliktlösung anzuwenden ergibt sich auch als vorteilhafter,

da durch sie den Parteien überlassen wird selbst zu bestimmen wie ihre Vereinba-

rung aussehen soll.

Verwendete Literatur

Bechtold, Johannes A.: Peer-Mediation - Kooperative Konfliktbewältigung an öster-

reichischen Schulen Strukturen – Wirksamkeit – Entwicklungschancen, Dissertation,

Universität Innsbruck 2002

Duve, Christian / Ponschab, Reiner: Wann empfehlen sich Mediation, Schlichtung

oder Schiedsverfahren? Konsens, Freiburg 1999

Falk. Gerhard in: Knapp Gerhard, Soziale Arbeit und Gesellschaft, Entwicklungen

und Perspektiven in Österreich, Klagenfurt-Laibach-Wien 2004

Falk, Gerhard / Koren, Gernot: Kommentar zum ZivMediatG, Auflage: 1., Aufl., Wien

2005

53

Vgl.URL:http://www.bmwfj.gv.at/Familie/TrennungUndScheidung/Seiten/Mediation.aspx [Stand:17.01.2012].

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Fietkau, Hans-Joachim /Weidner, Helmut: Umweltverhandeln. Konzepte, Praxis und

Analysen alternativer Konfliktregelungsverfahren, Berlin (Sigma) 1998

Fürst, Gerhart Conrad: Umweltmediation. Methoden – Verfahren – Lösungswege für

Entscheidungsträger und Mediatoren, Wien 2004

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Juristenzeitung, 56, 2001 (Heft 11), S. 411 – 421

Hofer; Hansjörg / Rosner-Scheibengraf, Pia-Maria: Die Einstellungsmacht; Tipps und

Informationen für Unternehmen zum Behindertengleichstellungspaket, 2. aktualisierte

Auflage, Wirtschaftskammer Österreich, April 2009

Häcker, Harmut / Stapf, Kurt: Dorsch, Psychologisches Wörterbuch, Bern 2004

Hösl, Gerhard – G. Mediation, die erfolgreiche Konfliktlösung - Grundlagen und prak-

tische Anwendung, München, 2002

Jarolim, Johannes, Kriminalität vermeiden, in: NEUSTART, Report Österreich, 2013,

S. 5

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kationsprozess. In Handbuch Mediation, München 2002, §16

Lembke, Kai: Kein Platz für Profilneurosen - Umgang mit Großkunden, München,

2009

Lenz, Karl/ Nestmann, Frank: Handbuch persönliche Beziehungen, Weinheim/ Mün-

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Lewinski -Reuter, Verena / Lüddemann, Stefan: Glossar Kulturmanagement, Wies-

baden 2011

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und Arbeit (BMWA) WIRTSCHAFTSMEDIATION für Klein- und Mittelunternehmen in

Österreich, Universität Klagenfurt, Wien 2005

Proksch, Roland: Curriculum einer Mediationsausbildung. Lehrbrief 1 in: Kon: Sens

2/1998, Köln, S. 113 – 119 ( Zeitschrift für Mediation)

Strasser, Rudolf/Jabornegg, Peter/Resch, Reinhard: ArbVG-Kurzkommentar, Manz-

Verlag, 2. Ausgabe, Wien 2006

Schütz, Hannes: Diversionsentscheidungen im Strafrecht: Grundlagen, Vorausset-

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sovo. Alternative Formen der Konfliktschlichtung, Norderstedt 2011

Qerimi, Islam: Praktisches Beispiel aus der Familienmediation, Norderstedt 2012

Oboth, Monika/Seils, Gabirele: Mediation in Gruppen und Teams. Praxis und

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Weidner, Helmut: Alternative Dispute Resolution in Environmental Conflicts – Prom-

ises, Problems, Practical Experience, in: Ders. (Hg.), Alternative Dispute Resolution

in Environmental Conflicts. Experiences in 12 Countries, Berlin (Sigma) 1998, S. 11-

55

Wenzel, Claus: Konfliktbearbeitung durch Mediation aus berufspädagogischer Sicht.

Theoretische Grundlagen, Qualifizierungsansätze und Umsetzungsempfehlungen für

mediatives Arbeiten in der Schule, (Dissertation Uni Kassel 2008), Kassel 2008

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http://www.ris.at/company/standesbeamte/download/Schulung_Kind_Raeg_2001.pdf

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URL: http://www.uibk.ac.at/zivilrecht/buch/kap19_0.xml?section=6;section-

view=true#BABBBBGA

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URL: http://derstandard.at/2088948

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URL: http://www.oebm.at/cms/index.php?id=328&waiv=medwaiv%3Dmed

URL:

http://www.konfliktundloesung.at/docs/38/downloads/mediationsvereinbarung.pdf

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URL:http://www.bmwfj.gv.at/Familie/TrennungUndScheidung/Seiten/Mediation.aspx

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http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-

2011-0361+0+DOC+XML+V0//DE