ISSN 1613-8155 Journal - schuh-group.com · Complexity ManagementJournal 00 3 Die Dynamik...

32
Ausgabe 1/2018 Journal Complexity Management Strategische Produktplanung ISSN 1613-8155

Transcript of ISSN 1613-8155 Journal - schuh-group.com · Complexity ManagementJournal 00 3 Die Dynamik...

Ausgabe 1/2018JournalComplexity Management

StrategischeProduktplanung

ISSN 1613-8155

2 Complexity Management Journal 01/2018

Inhalt

3

4

9

13

19

26

30

32

Editorial

Leitthema: Strategische Produktplanung

Beiträge

Strategische Produktplanung –Der erste Schritt zu einem erfolgreichen ProduktportfolioAnno Kremer

Marktsegmentierung als Ausgangsbasis der ProduktstrategieMichael Winkemann (Schuh & Co.) / Mert Turan (INDEX-Werke)

Bewertung von Marktsegmenten im dynamischen WettbewerbsumfeldDr. Dietmar Albertz / Jan Schneider

Marktgerechte PortfoliogestaltungMichael Winkemann (Schuh & Co.) / Jan Hroch (INDEX-Werke)

Durch strategisches Variantenmanagement zur erfolgreichen KonfiguratorimplementierungDr. Maximilian Pasche / Anno Kremer

Veranstaltungen 2018 / 2019

Impressum

Complexity Management Journal 01/2018 3

Die Dynamik technologischer Innovationen ist in Zeiten von Industrie 4.0 und wachsender Digitali-sierung immens gestiegen. Diese Entwicklung übt erheblichen Einfluss auf die Geschwindigkeit aus, in denen Unternehmen heute ihre Geschäftsmo-delle, Produkte und Services an ein sich änderndes Wettbewerbsumfeld anpassen müssen.

Folglich haben sich in den letzten Jahren auch die Lebenszyklen von Baureihen und ihren Derivaten deutlich verkürzt, sodass eine konsequente „Stra-tegische Produktplanung“ – als Voraussetzung für eine schnelle, sauber ableitbare Entwicklung inno-vativer Produktreihen – heute wichtiger ist als je zuvor.

Dabei stellen wir jedoch fest, dass die Anzahl von Unternehmen, die auf Änderungen und Chancen im Wettbewerbsumfeld nur noch reagieren, anstatt diese nachhaltig strategisch für sich auszunutzen, zunehmend steigt. In der Folge mündet dies in einem Produktportfolio, welches vielleicht auf historischer Ebene noch erklärbar ist, für den Kun-den jedoch die Anforderungen/Erfolgsfaktoren des Marktes nicht trifft. Das Portfolio wirkt kei-neswegs mehr smart, sondern eher unattraktiv und insbesondere deutlich zu komplex. Reagieren statt frühzeitiges Erkennen und strategisches Agieren stellen daher keineswegs eine Lösungsoption dar!

Wir zeigen Ihnen in dieser Ausgabe auf, wie Sie in Ihrem Unternehmen eine auf das jeweilige Wett-bewerbsumfeld gezielt ausgerichtete „Strategische Produktplanung“ einführen können und diese für Ihre künftigen, innovativen Produktreihen-Ent-wicklungen im Sinne des Komplexitätsmanagements erfolgreich einsetzen können.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.

Fragen und Anmerkungen wie immer gerne!

Herzlich Ihr

Editorial

Dr. Stephan Krumm Geschäftsführender Partner

4 Complexity Management Journal 01/2018

Was ist das Problem?

Deutschland als Land der Ingenieure hat seit jeher eine starke Affinität zu technologischer Innova-tion. Physikalische Grenzen wurden gezielt aus-gereizt. Gepaart mit einzigartiger Produktions-kompetenz entstanden überlegene Produkte für den Weltmarkt.

In vielen Bereichen (der Maschinenbau kann hier exemplarisch hervorgehoben werden) sind physi-kalische Grenzen mittlerweile erreicht und auch die Anforderungen an die Bediener können nicht grenzenlos angehoben werden. Das Resultat ist, dass die technologische Weiterentwicklung der schon sehr komplexen Produkte eine immer klei-nere Käuferschicht findet. Diese Käuferschicht wird dann oft auch noch in den Entwicklungspro-zess mit einbezogen. Diese beiden Effekte verstär-

ken sich gegenseitig und am Ende hat man ein Produktportfolio für die Nische der Nische.

Hochfunktional, variantenreich und extrem teuer!

Wenn der Blick in die Zahlen dann akuten Hand-lungsbedarf signalisiert, fehlen erstmal die Ressour-cen und das Know-how zu einer Umorientierung der Entwicklungsrichtung: vom „Technology Push“ zum „Market Pull“. Genau das ist aber oft not-wendig, um die Komplexität des Portfolios zu reduzieren und konsequent auf die Marktbedürf-nisse zu fokussieren. Auch der Weg zu einer kom-plexitätsoptimalen Produktarchitektur mit hoher Kommunalität auf Technologie-, Modul- und Teileebene führt nur über eine systematische, strategische Produktplanung.

Viele mittelständische Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus haben mittlerweile er-kannt, dass sich mit intelligenten Produktarchitekturen (z. B. Baukastensysteme) Wettbewerbs-vorteile erzielen lassen. Vergessen wird dabei aber oft, dass das zwingend mit gestiegenen Anforderungen an die strategische Produktplanung einhergeht. Dabei kann hier mit vergleichs-weise einfachen Methoden schon ein qualitativ guter Input für die technische Umsetzung er-reicht werden.

Anno Kremer

Strategische Produktplanung –Der erste Schritt zu einem erfolgreichen Produktportfolio

Complexity Management Journal 01/2018 5

Wie könnte eine Lösung aussehen und welche Schritte sind notwendig?

Schritt 1: Aufbau einer sinnvollen Marktsegmentierungslogik

Zunächst ist eine Klarstellung notwendig:

Das Portfolio soll marktorientiert und nicht kun-denorientiert sein. Kundenorientierung bedeutet im Extremfall das Erfüllen der Bedürfnisse eines Kunden! Ein Markt (oder ein Marktsegment) ist immer eine Aggregation von Kunden. Die Cha-rakterisierung des Marktes kann nach verschie-denen Kriterien erfolgen:

• Regionen zur Steuerung des Vertriebes

• Gesetze, Normen, etc. zur Internationalisierung

• Zahlungsbereitschaft zur betriebswirtschaftlichen Ausrichtung

• Kundenanforderungen zur Konzeption von modularen Baukastensystemen

Aus der langjährigen Erfahrung der Schuh & Co. hat sich zur Neuausrichtung des Produktportfolios (sowohl aus Markt- als auch aus Techniksicht) eine Segmentierung entlang von homogenen Kunden-bedürfnissen als sinnvoll erwiesen. Hierbei werden die Segmentierungsachsen so gewählt, dass die entstehenden Segmente Kunden zusammenfassen, deren Anforderungen an die Produkte weitgehend übereinstimmen (welche Übereinstimmung aus-reicht wird im Laufe des Prozesses festgelegt).Abbildung 1 zeigt den grundsätzlichen Aufbau einer solchen Segmentierung.

Schritt 2: Stringente qualitative und quantitative Bewertung der Segmente

Das so entstandene Segmentierungssystem kann nun im weiteren Verlauf mit weiteren Informati-onen (die grundsätzlichen Anforderungen sind ja schon als Basis für die Segmentierungslogik erho-ben worden) angereichert werden. Im ersten Schritt ist es sinnvoll,

• eine quantitative Bewertung bezüglich Stückzahl und Umsatzvolumen vorzuneh-men. Dies gilt jeweils aktuell und zukünftig (Trend).

Anno Kremer

Abb. 1: Beispielhafter Aufbau einer Segmentierungslogik

Mar

ktse

gm

enti

eru

ng

skri

teri

um

1

4

3

2

1

Leis

tun

g

PremiumValueEntry

Preisbereitschaft

Marktsegmentierungskriterium 2

Mögliche Markt-segmentierungskriterien

• Preisbereitschaft z. B. – Entry – Value – Premium

• Leistung

• Spezifische Kundeneigenschaften z. B. – Anwendungsgebiete – Unternehmensgröße – Einkaufsverhalten

6 Complexity Management Journal 01/2018

Abb. 2: Quantitative und qualitative Bewertung der Marktsegmente

• eine qualitative Bewertung bezüglich der Wettbewerbssituation sowie der Stärken und Schwächen der eigenen sowie der Konkurrenzprodukte durchzuführen.

Abbildung 2 zeigt beispielhaft die graphische Aufbereitung dieser Informationen.

Schritt 3: Faktenbasierte Priorisierung der zukünftigen Aktivitäten

Aus diesen beiden Informationen lässt sich schon eine Priorisierung ableiten und die zukünftige Ausrichtung eingrenzen sowie anschließend ein Portfolio ableiten. Ein entscheidender Punkt ist, dass die Priorisierung auf nachvollziehbaren und schlüssigen Informationen und Herleitungen beruht. So kann man die oft vorhandene „Meinungsebene“ (hier setzt sich in der Regel der in der Hierarchie höher positionierte durch) verlassen und den Pri-orisierungsprozess objektivieren.

Abbildung 3 zeigt exemplarisch das Ergebnis einer solchen Priorisierung.

Schritt 4: Ableitung des zukünftigen Portfolios für die priorisierten Segmente

Die Analyse-Aufgaben sind damit weitgehend abgeschlossen und nun gilt es die gesammelten Informationen (Anforderungen, Volumen, Trends, Wettbewerber, etc.) gezielt in ein marktfähiges Produktportfolio für die ausgewählten Segmente zu übersetzen. Im ersten Schritt wird die Konfi-gurationslogik festgelegt. Dabei hat es sich bewährt, den Konfigurationsprozess aus Sicht des Kunden zu betrachten und die Logik dementsprechend aufzubauen. Entscheidend ist hierbei außerdem, dass gängige und im Markt etablierte Systematiken beachtet werden. Ansonsten könnte der Kunde verwirrt werden und es wäre schwieriger, die Differenzierungsmerkmale der eigenen Produkte zu transportieren. Als Beispiel kann die Automo-bilindustrie dienen, bei welcher auf der ersten Konfigurationsebene normalerweise die Größe abgebildet ist (beziehungsweise spezielle Karos-serieformen).

Mar

ktse

gm

enti

eru

ng

skri

teri

um

1

4

3

2

1

Leis

tun

g

HighMiddleLow

Preisbereitschaft

Marktsegmentierungskriterium 2

4 %6 %

2 % 1 %

-1 %

-5 % -6 %

20192017 20202014 2015 2016 2018

EntwicklungMarktsegment A

LKJ

IHG

FED

CBA

4

Schwäche 1 Stärke 4

Bedeutung des Erfolgsfaktors

2 3

nied

rig

1

3

2

hoch

14 14

14

12

9

9 12 12

10 10 10 9

66 11

4 7

84

25 55

13 11

2

13

4

8

3

6

1

8 1

3

1

13

2

7

AktuellePosition

Welche Konkurrenten gibt es und wie sind deren Produkte positioniert?

Wie groß ist der jeweilige Markt und wiewird er sich in den nächsten Jahren entwickeln?

Complexity Management Journal 01/2018 7

Für die priorisierten Baureihen wird der Konfigurationsraum (mit Beziehungs-wissen und Wahrscheinlichkeiten) im Merkmalbaum abgebildet

Mar

ktse

gm

enti

eru

ng

skri

teri

um

1

4

3

2

1

Leis

tun

g

HighMiddleLow

Preisbereitschaft

Marktsegmentierungskriterium 2

JJ LK

HG

E

BA

I

F

C

D

Baureihe A ist spezialisiert auf die lukrative Nischein Segment D

V5

V7

V8

V6

V9

V2

V1

V4

V3

...

...

...

...

...

...

...

8000 1/min

= aktuelle Variante = geplante Variante

1050 x 800 x 1150

800 x 800 x 800

370 Nm

968 Nm

968 Nm

370 Nm

6000 1/min

w

12000 1/min

8000 1/min

14000 1/min

10000 1/min

10000 1/min

10000 1/min

12000 1/min

12000 1/min

D2

D3

D1

D1

D3

D2

D3

D1

D1

EAST EU, USA

USA

EU, USA

BRIC, USA

WEST EU

CHINA

EU

WEST EU

EU, BRIC

...

...

Vatianten-nummer

GeplanterAbsatz

Absatz-region

Design-feature

Max. Spindel-drehzahl

Max. Spindel-drehmoment

Arbeitsraum(X,Y, Z-Ache)

BaureiheB

BaureiheA

Baureihe B deckt sowohl die potentialträchtigen Segmente C und F als auch das kleine Segment I ab.

Abb. 4: Herleitung der Baureihen und Merkmalbaum zur Planung des Konfigurationsraums

So weiß der Kunde schnell, dass er bei BMW bei-spielsweise nach einem 3 er suchen muss und dass das Pendant bei Audi der A4 ist. Die Baureihen werden nun gemäß der Konfigurationslogik weiter spezifiziert. Dies geht sehr anschaulich mit dem

sogenannten Merkmalbaum. Hier wird die externe Varianz anhand von Merkmalen und Ausprägungen geplant und bewertet. Abbildung 4 zeigt die Her-leitung der Baureihen aus der Marktsegmentierung den beispielhaften Merkmalbaum von Baureihe B.

Abb. 3: Priorisierung aufgrund quantitativer und qualitativer Kriterien

Mar

ktse

gm

enti

eru

ng

skri

teri

um

1

4

3

2

1

Leis

tun

g

HighMiddleLow

Preisbereitschaft

Marktsegmentierungskriterium 2

K

H

J L

IG

FED

CBA

4

Schwäche 1 Stärke 4

Bedeutung des Erfolgsfaktors

2 3

nied

rig

1

3

2

hoch

14 14

14

12

9

9 12 12

10 10 10 9

66 11

4 7

84

25 55

13 11

2

13

4

8

3

6

1

8 1

3

1

13

2

7

AktuellePosition

Das Marktsegment C, F und Dentwickeln sich positiv!

Es muss geprüft werden, welche technischenAnforderungen der Markt fordert und ob sicheine Erweiterung oder eine neue Maschine rentiert.

Die Marktsegmente H, I, K und L sind entweder vergleichsweise klein, stagnieren und /oder der Wettbewerbist gut positioniert

Hier sind weitere Aktivitäten nicht sinnvoll, daandere vielversprechendere Optionen vorhanden sind.

8 Complexity Management Journal 01/2018

Wie geht es nun weiter?

Damit ist das Produktprogramm systematisch vom Markt ausgehend definiert und bewertet. Alle notwendigen Informationen zur technischen Um-setzung sind aufgenommen und dokumentiert. Durch Beteiligung aller wichtigen Funktionen (auch der Entwicklung) ist ein hohes Maß an Ver-ständnis und Commitment erreicht. In der weite-ren Umsetzung kann nun entschieden werden, welches das Beste technische System ist:

• Ein Baukastensystem zur effizienten und flexiblen Realisierung von hoher Varianz

• Ein integriertes, spezialisiertes Produkt zur kostengünstigen Umsetzung spezifischer Anforderungen in hoher Stückzahl

Da die Entwicklung schon an der Definition des Portfolios beteiligt war, ist ein fundiertes Verständ-nis für die marktseitigen Notwendigkeiten ent-standen. Ebenso sollten die marktnahen Bereiche (Produktmanagement, Vertrieb) bei der weiteren technischen Umsetzung involviert werden. So können Entscheidungen zur Änderung des Kon-figurationsraums (bedingt durch technische Not-wendigkeiten) schnell und agil getroffen werden.

Das so entstandene Produktprogramm wird einer-seits konsequent auf die Marktsegmente mit dem größten Potenzial ausgerichtet sein und anderseits durch die optimale technische Umsetzung genügend Differenzierungspotenzial bieten, um langfristig am Markt erfolgreich zu sein.

Kontakt

Anno KremerPartnerSchuh & Co. GmbH Telefon: +49 241 51031 [email protected]

Complexity Management Journal 01/2018 9

Einen Markt in Segmente zu strukturieren ist kein Selbstzweck. Es handelt sich immer um eine methodische Unterstützung einer gewissen Zielsetzung. Je nach Zweck können sich Vorgehen und Ergebnis relevant unterscheiden. Es gibt niemals „die“ Segmentierung. Es muss im Vorfeld klar sein, was am Ende mit der Struktur erreicht werden soll. Unterteilungen nach Regionen, Kunden oder Branchen dienen vielfach der vertrieblichen Marktbearbeitung und haben eine organisatorische Implikation. Im Folgenden geht es hingegen um eine Segmentierung als Grundlage einer Produktstrategie. Hierbei lösen wir uns oftmals von klassischen Markteintei-lungen und fokussieren stattdessen die Anforderungen aus einer Produktperspektive.

Marktsegmentierung als Ausgangsbasis der Produktstrategie

Die INDEX-Gruppe zählt mit ihren Marken INDEX und TRAUB zu den weltweit führenden Herstellern von CNC-Drehmaschinen. Das Port-folio umfasst von Universaldrehmaschinen bis zu hochproduktiven Mehrspindeldrehautomaten ein breites Spektrum. In der Vergangenheit wurde das Produktprogramm immer wieder durch die Ent-wicklung neuer Technologien und Maschinentypen erweitert. In Spitzenjahren wurden bis zu 1.000 Neumaschinen verkauft. In den letzten zehn Jahren sanken die Stückzahlen jedoch tendenziell. Und das obwohl im gleichen Zeitraum die Anzahl an Baureihen und Produkten weiter vergrößert wurde.

Bei der Ursachensuche zeigen sich bekannte Beob-achtungen im deutschen Maschinenbau: Die fort-währende Suche nach technologischer Einzigartig-keit bei der Produktentwicklung treibt in die technologische Spitze. Im Ergebnis gibt es vielfäl-tige Lösungstechnologien im Produktprogramm (Abb. 1), die hohe Komplexität in Abwicklung und Wertschöpfung verursachen. Immer mehr spezi-fische Entwicklungen verringern die Kommuna-litäten für Komponenten und Prozesse und führen zu abnehmender Wettbewerbsfähigkeit. Verschär-fend kommt im vorliegenden Fall eine Zweimar-kenstrategie mit einer teilweisen Überlappung im

Produktprogramm hinzu. Die eigenen Produkte bleiben für spezielle Anwendungen attraktiv, kön-nen jedoch der Konkurrenz in Volumenmärkten nicht standhalten. Der Effekt verstärkt sich immer weiter selbst. Die zunehmende Anzahl von Kun-denanpassungen verdeutlicht den Versuch, abseits des eigentlichen Produktes Kundennutzen zu schaf-fen. Die Stückzahlen je Maschinentyp sinken, gleichzeitig wird es immer schwerer, bestehende Technologien abzulösen.

Um dieser Spirale zu entkommen, ist es ratsam, sich zurückzulehnen und die Dinge mit etwas Abstand zu betrachten. Es gilt, sich zunächst gedanklich von dem heutigen, gewachsenen Portfolio zu lösen und sich die Frage zu stellen: Wie sähe ein Produkt- programm aus, das ideal auf den Markt abgestimmt und gleichzeitig komplexitätsgerecht ist? Was wäre die richtige Produktstrategie?

Um dies zu beantworten, ist es notwendig, den Markt hinsichtlich seiner Anforderungen und unabhängig von eigenen technischen Lösungen zu verstehen. Die Marktsegmentierung strukturiert und clustert Kundenbedürfnisse in Bezug auf deren Auswirkungen auf die Produktarchitektur. Ziel der Produktstrategie ist es, einerseits die rich-

Michael Winkemann (Schuh & Co.) / Mert Turan (INDEX-Werke)

10 Complexity Management Journal 01/2018

tigen Produkte anzubieten, andererseits aber auch Systeme wie Produktbaukästen zu installieren, um die interne Komplexität zu optimieren. Je diverser die Anforderungen des Marktes sind, desto vielfäl-tiger sind die technischen Lösungen der Produkte und desto unwahrscheinlicher ist die Realisierung von Kommunalitäten. Der Markt für Drehmaschi-nen ist ein gutes Beispiel: Drehmaschinen werden in unterschiedlichsten Anwendungsbranchen be-nötigt. Es gibt horizontale und vertikale Maschinen, es gibt Einspindler, Mehrspindler, Langdreher, Kurzdreher, Drehautomaten, Drehzentren, Dreh- Fräszentren, Universaldrehmaschinen und vieles mehr. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl an Maschinenkonzepten und Herstellern mit jeweils spezifischen Vorteilen. Dies ist die Reaktion auf die vielfältigen Marktbedürfnisse und ein Beleg für die Fragmentierung des Marktes.

Als Marktsegmente werden nun Töpfe mit homo-genen Produktanforderungen gesucht. Diese zu identifizieren bedingt eine systematische Vorgehens-weise. Zunächst werden sogenannte Mikrosegmen-te beschrieben. Hierbei handelt es sich um einzelne

Anwendungsfälle mit klar definierbaren Anforde-rungsprofilen. Es werden typische Bearbeitungs-aufgaben betrachtet und diese über Merkmale und diskrete Ausprägungen charakterisiert. Im Fall der Drehmaschinen wurden 20 beschreibende Merk-male wie Werkstückabmessung, Werkstoff, Verfah-renstechnologie oder Toleranz festgelegt. Nachfol-gend werden mehrere Hundert unterschiedliche Anwendungen identifiziert und in dieser Weise beschrieben. Anschließend werden diese Mikroseg-mente nun weiter geclustert. Es gilt herauszufinden, welche Merkmale dominant sind und sich als Seg-mentierungskriterien für den Markt eignen. Diese werden in einem gestuften Vorgehen hergeleitet.

Zunächst werden die Merkmale untereinander gewichtet. Mit Hilfe von Data Analytics Methoden werden Korrelationen der Kriterien geprüft. Als Segmentierungskriterien eignen sich solche, die sich unabhängig verhalten. Im nächsten Schritt werden die verbliebenen Merkmale, wo sinnvoll, zusammengefasst. Im beschriebenen Projektbei-spiel wurden die Merkmale bzgl. Verfahrenstech-nologie, Werkstoff etc. zu einem neuen Kriterium

UniversaldrehmaschinenB400, IT600, TNA300, TNA400, TNA500/600

ProduktionsdrehautomatenABC, ABC65, C100, C200, A100,A200, TNC65, TNK65

Dreh-FräszentrenG160, G200, G220, G250, G300,G400, R200, R300, TNX65

VertikaldrehzentrenV100, V160, V200, V300

LangdrehautomatenTNL12, TNL18, TNL20, TNL32

MehrspindeldrehautomatenMS16, MS22, MS32, MS40, MS52

Abb. 1: Maschinentypen INDEX-Gruppe Zeitraum 2010-2017

Complexity Management Journal 01/2018 11

Produktivität + Komplexität

Tech

no

log

ie +

Bau

teilg

röß

e

2

4 6

12

1110 1114

1615

181713

1

3 5 7 98

Technologielevel geclustert. Im letzten Schritt erfolgt die Festlegung der finalen Segmentierungslogik. Für den analysierten Drehmaschinenmarkt werden die Kriterien Produktivität (jährliche Stückzahl), Komplexität (der Bearbeitung), Technologielevel und Bauteilgröße festgelegt. Außerdem werden die betrachteten Anwendungsgebiete Stangen- und Futterbearbeitung separat (aber über gleiche Kri-terien) strukturiert. In der Darstellung werden die vier Segmentierungskriterien auf zwei Achsen auf-gespannt (Abb. 2). In dieser Matrix werden nun die zu Beginn definierten Mikrosegmente verortet. Die so mit Anwendungsfällen hinterlegten Matrixfelder werden jetzt weiter zu Marktsegmenten geclustert. Dieses Vorgehen führt zu einer Einteilung des Marktes für Drehmaschinen (Stangenbearbeitung) in 18 Segmente.

Die so hergeleitete Struktur hat einen starken Fokus auf die Anwendung, da die Perspektive des zu bearbeitenden Werkstückes eingenommen wird. Die Segmentierung unterteilt bewusst nicht nach den vorhandenen Produkten der Anbieter, sondern beschreibt Cluster von Marktbedürfnissen, aus denen sich wiederum technische Lösungen ablei-ten lassen. Die Bearbeitung komplexer Werkstücke

in hoher Stückzahl birgt bspw. andere Anforderun-gen als vergleichsweise einfache Teile in geringen Mengen.

Um die gefundene Struktur zu plausibilisieren, müssen sich die am Markt befindlichen Wettbewer-ber und Maschinenkonzepte eindeutig oder schwer-punktmäßig verorten lassen. Dies gilt ebenso für das eigene Portfolio. Es wird deshalb geprüft, welches der aktuellen Produkte welches Segment adressiert. Abbildung 3 zeigt die Einordnung der Baureihen und Maschinentypen der INDEX-Gruppe. Dabei lassen sich erste Erkenntnisse ableiten: Es ist er-kennbar, welche Bereiche aktuell nicht bedient werden. Die Überlappungen verdeutlichen, dass an vielen Stellen unterschiedliche Produkte die gleichen Anforderungsgruppen bedienen. Den Maschinen-typen fehlt eine produktstrategische Ausrichtung. In Teilen versuchen die Produkte eine Vielzahl von Segmenten zu adressieren. Ebenso ist erkennbar, dass die mannigfaltigen Maschinenbenennungen nicht der Segmentierungslogik folgen. Dies ist ein weiterer Beleg für den Handlungsbedarf bezogen auf eine klare, an der Anwendung ausgerichteten Sortimentsstrukturierung.

Abb. 2: Marktsegmentierung Drehmaschinen

12 Complexity Management Journal 01/2018

Fazit

Mit der vorgenommenen Marktsegmentierung ist es gelungen, den relevanten Markt für Drehma-schinen neutral, also unabhängig von den heutigen Marktlösungen, in Anforderungsgruppen zu un-terteilen. Gleichzeitig lassen sich darin bestehende Maschinenkonzepte aus dem eigenen Portfolio sowie anderer Marktteilnehmer verorten. An die so gewonnene Struktur lassen sich vielfältige In-formationen und Analysen knüpfen. Sie ist ein wichtiges Instrument und die entscheidende Aus-gangsbasis für alle weiteren Schritte auf dem Weg zu einer systematisch hergeleiteten, marktgerech-ten und erfolgreichen Produktstrategie.

Die Marktsegmentierung ist die elementare Grund-lage für die weiteren Methodenschritte. Alle nach-folgenden Analysen bauen auf dieser Strukturierung auf bzw. werden zu dieser gemappt. Dazu zählen zunächst die quantitative Bewertung des Marktes, bei der die Segmentgrößen bestimmt werden sowie die qualitative Bewertung hinsichtlich der eigenen Positionierung. Darauf aufbauend werden strate-gische Zielsegmente definiert und ein zukünftiges komplexitätsgerechtes Produktportfolio abgeleitet. Auch alle weiteren Detaillierungsschritte nehmen immer wieder hierauf Bezug und werden von der Segmentierung als Strukturierungshilfe geleitet. Beispielsweise werden Entwicklungsvorgaben (Zielkosten, Varianten, Spezifikationen) der zu-künftigen Baureihen gezielt auf die jeweiligen Segmente festgelegt.

Kontakt

Michael WinkemannSenior ConsultantSchuh & Co. GmbH Telefon: +49 241 51031 [email protected]

Mert TuranVertriebsleiter AsienINDEX-Werke GmbH & Co. KG Hahn & [email protected]

2

6

5 7

12

1110 1114

1615

98

181713

TNX65

11

G400

TNC

TNK42

R200

R300

5 7 98ABC 5 7 8ABC

11

12 1512 15

G250 G400

G400G400

G200 G220

TNK65 G200

22R2000R200020G200 G2220G200 G22

6TNK42 666TNA400

TNA300

TNL20-B TNL20-B

TNL32-B TNL32-B

TNA500/600

G200G250

B400 TNCG250 G400G250 G400

TNCTNCTNX65TNK65 G200 TNX65TNK65 G200

66C100

TNX6520G200 G2220G200 G22

R300R30000G250G400

TNL32

TNL20 TNL12

C200

3

Abb. 3: Verortung aktuelles Portfolio INDEX-Gruppe in Marktsegmentierung

Complexity Management Journal 01/2018 13

Dr. Dietmar Albertz / Jan Schneider

Entscheidend für eine „Strategische Produktplanung“ ist nicht nur die saubere Definition und Abgrenzung von Marktsegmenten mit homogenen Anforderungen, wie wir es im vorherigen Artikel erfahren haben, sondern ebenfalls eine hinreichende qualitative und quantitative Be-wertung pro Segment. Dabei ist ein möglichst umfassendes Verständnis der Market Intelligence Bereiche im Unternehmen für die Dynamik, die Spielregeln und die Erfolgsfaktoren in diesen Segmenten oder Wettbewerbsarenen von erheblichen Vorteil, insbesondere aufgrund der zu-nehmenden Dynamik durch technologische Trends wie Industrie 4.0, die heutigen Unterneh-men ein höheres Maß an Agilität abverlangt. Daher zeigen wir im zweiten Teil dieses Artikels auf, wie man dies sogar in einem Unternehmen mit einem agilen Entwicklungsumfeld und ebenfalls in sich stark ändernden, schwierig prognostizierbaren neuen Märkten schaffen kann.

Bewertung von Markt- segmenten im dynamischen Wettbewerbsumfeld

Qualitative Bewertung im Erfolgsfaktoren-Portfolio

Erst über eine sowohl qualitative als auch quanti-tative Bewertung der Marktsegmente werden die Anforderungen an das strategische Portfolio pro Segment so zielführend beschrieben, dass daraus grundlegende Anforderungen für eine Planung von Produktlinien und -derivaten sowie Produkt-architekturen und -baukästen ableitbar werden. Bei der qualitativen Bewertung der hergeleiteten Marktsegmente kommt es zunächst darauf an, die kauf- bzw. auftragsentscheidenden Erfolgsfaktoren der Produkte oder der Produktreihe am Markt herauszuarbeiten. Dabei stehen neben den wesent-lichen technischen Produktmerkmalen auch Er-folgsfaktoren wie beispielsweise kurze Lieferzeiten und Entwicklungsgeschwindigkeiten, geringe Li-fetime-Kosten sowie Marken-Stärke eine Rolle, die dabei helfen, ein Produkt oder eine Produktlinie erfolgreich am Markt platzieren und etablieren zu können. Nachdem die wichtigsten Erfolgsfaktoren der Produktreihe am Markt herausgearbeitet wur-

den, gilt es, diese im Erfolgsfaktoren-Portfolio (Abb. 1) darzustellen und hinsichtlich ihrer Markt- relevanz zu priorisieren. Dies kann über Markt-analysen erfolgen oder auch einfacher über die Methode des paarweisen Vergleichs unter Beteili-gung mehrerer Ressort-Verantwortlicher.

Im Anschluss erfolgt die Bestimmung der eigenen Performance pro Erfolgsfaktor: Wie stark ist mein eigenes Unternehmen zum Beispiel im anschlie-ßenden Service? Wie schnell sind wir tatsächlich in der Auftragsabwicklung? Wichtig bei der Me-thode ist, die Einschätzung so vorzunehmen, dass eine marktkonforme Bewertung des Erfolgsfaktors den Mittelwert 5 ergibt, so dass das eigene Unter-nehmen mit > 5 besser ist als die Markterwartung und mit < 5 die Markterwartung nur unzureichend erfüllt. Anschließend werden die Bewertungen in das Portfolio eingetragen. Idealerweise positio-nieren sich dann alle Erfolgsfaktoren in der Mit-te des weißen diagonalen Bereichs, da dort Er-folgsfaktoren-Relevanz und eigene Performance im optimalen Gleichgewicht zueinanderstehen.

14 Complexity Management Journal 01/2018

Im letzten Schritt werden noch die engsten Wett-bewerber im Erfolgsfaktoren-Portfolio mit aufge-nommen. Erst dann ergibt sich ein aussagekräftiges Bild: Bei welchen Faktoren liegt man zwar im Be-reich der ausgeglichenen Erfolgsfaktoren, aber der wichtigste Wettbewerber ist deutlich überlegen? Bei welchem Erfolgsfaktor dominiert man die Wettbe-werber? Aus dem Erfolgsfaktoren-Portfolio lässt sich abschließend sehr offensichtlich die strategische Stoßrichtung für die neue Produktreihe ablesen und durch Verschiebungspfeile kenntlich machen.

Quantitative Bewertung

Neben der qualitativen Bewertung der Markt- segmente ist es ebenso wichtig, die hergeleiteten Segmente quantitativ zu bewerten: Wie groß ist der Markt überhaupt? Wie stark wächst dieser Markt weltweit und in den verschiedenen Regionen?

Welchen Anteil des Markts kann das eigene Unter-nehmen abgreifen? Wächst der eigene Marktanteil in diesem Segment? Welche Varianten bestimmen die Produktreihe des eigenen Unternehmens in diesem Markt? Welche Stückzahlen werden diese Varianten haben, um diesen Anteil abgreifen zu können?

All diese Fragen lassen sich ausschließlich über entsprechende Marktkenntnis oder aus zielfüh-renden eigenen oder beauftragten Marktanalysen sauber ableiten, da es sich hier immer um Zu-kunftsprognosen handelt. Das Risiko eines falschen „Glaskugel-Lesens“ ist insbesondere in neuen, dynamischen Märkten hoch, sodass die Marketing und Produktmanagement der Unternehmen ins-besondere hier mit ihrem ganzen Wissen gefordert sind. Daher sollten die Ableitungen auf Best Case und Worst Case Berechnungen basieren und über mehrere Szenarien hergeleitet werden.

Abb. 1: Qualitative Bewertung / Erfolgsfaktoren-Portfolio

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10Marktrelevanz

Schwäche Stärke

nied

righo

ch

derzeitigePerformance

Beispiele für strategische Stoßrichtungen, diese müssen noch abgestimmt werden

Wettbewerber B

Wettbewerber A

Eigenes Produktportfolio

überbewerteteErfolgsfaktoren

kritischeErfolgsfaktoren

Kostenlückeschließen

Qualitätsteigern

zuviele Service-Standorte?

Kostenfür Einbau?

ausgeglicheneErfolgsfaktoren

8

10

5

77

5

2

3 3

Verbrauchsenken

22

5

9

4

7

4

10 10

8

4

9

3

Strategische Erfolgsfaktoren

Flexibilität

Verfügbarkeit

Einbau

Service

Lieferzeit

Wirtschaftlichkeit

Qualität

Anschaffungskosten

...

Umweltfreundlichkeit

Design

Complexity Management Journal 01/2018

Seg

men

tier

un

gsk

rite

riu

m 2

Segmentierungskriterium 1

4 %6 %

2 % 1 %

-1 %

-5 % -6 %

20232021 20242018 2019 2020 2022

Wie entwickelt sich der Marktin den nächsten Jahren?

Marktsegment A

Segm

entie

rungs-

krite

rium

3

’23’21 ’24’18 ’19 ’20 ’22

Welche Verschiebungen von Marktanteilenwerden erwartet?

0 %20 %40 %60 %80 %

100 %

Zusammenfassung in Steckbriefen

Nach Abschluss aller Analysen und Workshops zur qualitativen und quantitativen Bewertung der Marktsegmente ist es weiterhin äußerst wichtig und zielführend, die zentralen Ergebnisse in einem Steckbrief vollständig zusammenzufassen. Denn aus einem solchen Steckbrief (Abb. 3) leiten sich die zu priorisierenden Strategien für eine erfolg-reiche Produkt- oder auch Produktlinienentwick-lung ab. Dazu sollten im Steckbrief die folgenden Punkte grafisch einheitlich und in gleicher Sicht-weise pro Segment erfasst werden:

• Die Einbettung der Marktsegmente in ihr Umfeld und damit die saubere Abgrenzung von benachbarten Segmenten (Fokus des Artikels „Marktsegmentierung als Ausgangsbasis der Produktstrategie“)

• Die quantitative Größe des Marktsegments und der eigene Marktanteil

• Das Wachstum des Marktsegments und die eigenen Wachstumsraten

• Die bestimmenden Merkmale der Produktreihe und deren Ausprägungen in diesem Segment

• Die wichtigsten abgeleiteten strategischen Stoßrichtungen aus den qualitativen Bewertungen

Eine solche Erfassung ist deshalb so wichtig, weil damit wesentliche Anforderungen an eine an-schließende Produktreihen-Neuentwicklung oder Produktreihen-Anpassung transparent und voll-ständig erhalten bleiben.

Denn eines ist klar: In einem länger andauernden Produktreihenentwicklungsprozess wird von vielen Bereichen versucht werden, bestehende Anforde-rungen zu lockern. Mit dem Steckbrief bleiben jedoch die wichtigsten Charakteristika des Markt-segments, deren Erfolgsfaktoren und die sich daraus abgeleiteten Strategien und Merkmale für die an-schließende Entwicklung dokumentiert. Denn die entscheidenden Anforderungen, die an die Produk-te oder die Produktlinien gestellt werden, kommen letztlich nicht nachgelagert etwa aus der Produkt-architektur, der Bauweise oder aus einer schwierigen Schnittstelle heraus, sondern allein aus den im Steck-brief zum Segment dokumentierten Kunden- und Marktanforderungen.

15

Abb. 2: Quantitative Bewertung

16 Complexity Management Journal 01/2018

Volatile Märkte zwingen zum Um- und Weiterdenken bisheriger Ansätze

Die durch die qualitative und quantitative Analyse erzeugten Steckbriefe der Marktsegmente helfen, Produktentwicklungsprojekte strategisch am Kun-den und am Markt auszurichten. Doch wie kann man bei der Entwicklung neuer Produkte proaktiv auf zunehmend volatile Märkte eingehen? Als Ant-wort auf diese Frage wird in Praxis und Forschung vermehrt der Begriff „Agilität“ diskutiert. Mit Agi-lität ist die Fähigkeit einer Organisation gemeint, eben solche relevanten Marktveränderungen in ihrem Umfeld zu antizipieren und ihnen schnell und effektiv zu begegnen. Insofern sind Entschei-der in einem volatilen Wettbewerbsumfeld angehal-ten, die Bewertung der Marktsegmente und der eigenen Position, in kürzeren Zeitabständen zu wiederholen. Während in der Vergangenheit eine Durchführung der Marktanalyse und Bewertung der eigenen Position in mehrjährigen Intervallen, beispielsweise vor der Entwicklung eines neuen Baukastenkonzepts, noch ausreichte, gewinnen kurzzyklische Bewertungen der Segmente und Kundenanforderungen im Zuge des vermehrt vo-latilen Umfelds immer mehr an Bedeutung. Dem

zusätzlichen Analyseaufwand stehen deutliche Vor-teile gegenüber. So können zum einen Schwachstel-len vorangegangener Analysen aufgedeckt werden. Zum anderen trägt die kurzzyklische Analyse der qualitativen und quantitativen Bewertung dazu bei, ein Verständnis von einem kontinuierlichen Bewer-tungsprozess bei den Verantwortlichen zu entwi-ckeln. Nicht zuletzt gelingt es Unternehmen dadurch, auf akute strategische Einflüsse auf den laufenden Produktentwicklungsprozess, einzuwirken.

Einen großen Beitrag zu der zunehmenden Vola-tilität der Märkte leisten unabsehbare politische, technologische (zum Beispiel Industrie 4.0) und gesellschaftliche Trends. In der Automobilindustrie ist zum Beispiel ein solcher technologischer Schlüs-seltrend derzeit vor allem der Durchdringungsgrad der E-Mobilität. Das Verheerende: eine gesicherte Einschätzung der Trendentwicklung ist unmöglich, während gleichzeitig die Auswirkungen des Trends auf die Unternehmung gravierend sein können. Wie geht man nun bei der Beschreibung der Markt-segmente mit dieser Herausforderung um? Anstatt voreilig auf eine Kursrichtung zu setzen, sollten Entscheider ihre Strategie differenzierter ausloten und Lösungsräume offenhalten. Hierfür eignet sich

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Marktrelevanz

Schwäche Stärke

nied

righo

ch

derzeitigePerformance

überbewerteteErfolgsfaktoren

kritischeErfolgsfaktoren

Kostenlückeschließen

Qualitätsteigern

zuviele Service-Standorte?

Kostenfür Einbau?

ausgeglicheneErfolgsfaktoren

8

10

5

77

5

2

3 3

Verbrauchsenken

22

5

9

4

7

4

10 10

8

4

9

3

4 %6 %

2 % 1 %

-1 %

-5 % -6 %

20232021 20242018 2019 2020 2022

Wie entwickelt sich der Marktin den nächsten Jahren?

Marktsegment A

’23’21 ’24’18 ’19 ’20 ’22

Welche Verschiebungen von Marktanteilenwerden erwartet?

0 %20 %40 %60 %80 %

100 %

4

3

2

1

An

wen

du

ng

sgeb

iet

HighMiddleLow

Preisbereitschaft

LKJ

IHG

FED

CBA

Produktvarianten und prognostizierte Stückzahlen

Abb. 3: Beispiel Marktsegment-Steckbrief

Complexity Management Journal 01/2018 17

eine Szenario-Betrachtung, bei der ausgewählte Schlüsseltrends hinsichtlich ihrer möglichen Aus-prägungen analysiert werden. Die kontinuierlich-iterative Steckbriefgestaltung der Marktsegmente wird somit methodisch um eine Sensitivitätsanaly-se der übergeordneten Schlüsseltrends erweitert. Im Rahmen der erweiterten Methodik (Abb. 4), werden in jedem Zyklus zunächst die Schlüsseltrends identifiziert, beispielsweise der oben genannte Durchdringungsgrad der E-Mobilität in der Auto-mobilindustrie. Dieser wird in mögliche Ausprä-gungen segmentiert. Im nächsten Schritt werden dann qualitative Erfolgsportfolios und quantitative Analysen, unter Annahme des Eintretens des iden-tifizierten Szenarios, erstellt. Die gewonnenen

Arbeitsergebnisse in Form von Marktsegment-Steckbriefen dienen schlussendlich als optimale Diskussionsgrundlage zur Entwicklung einer Produktstrategie unter Berücksichtigung der un-terschiedlichen Zukunftsszenarien.

Eine agile Marktsegment-Bewertung geht Hand in Hand mit einer agilen Produktentwicklung

Industrie 4.0 und die digitale Transformation för-dern die Entstehung neuer Geschäftsmodelle. Dadurch steigt der Druck, auf die konventionellen Entwicklungsprozesse schneller und präziser zu

20 %

0 %

10 %

Marktsegment-Steckbrief

Qualitative undQuantitative Analyse

Marktsegment-Steckbrief

Marktsegment-Bewertung Stage-Gate-ProzessLastenheft

Projektteam

Market Intelligence ProduktentwicklungAgile Produktentwicklung

ProductOwner

Agile Produktentwicklungs-zyklen nach „Scrum“

ProductBacklog

Produktentwicklung

Iterative Marktsegment-Bewertung

Marktsegment-Steckbriefeinkl. Szenarioanalyse

Sprint

Qualitative und Quantitative Analyse

Marktsegment-Steckbrief

Daily ScrumTrends

Abb. 4: Agile Marktsegment-Bewertung

18 Complexity Management Journal 01/2018

reagieren. Klassische Entwicklungsprozesse sind allerdings in ihrem deterministisch-normativen Aufbau häufig in ihren Effizienzpotenzialen be-grenzt. Als Lösung zur Agilisierung wird häufig versucht, Ansätze wie „Scrum“ aus der Softwareent-wicklung auf diese Prozesse zu übertragen. In der agilen Produktentwicklung nach „Scrum“ über-nimmt der sogenannte Product Owner Verantwor-tung für die umzusetzenden Produktanforderungen und priorisiert diese auf Basis der ihm zur Verfügung gestellten Informationen. Diese Anforderungen werden im Product Backlog, eine auf die zugrunde liegenden Kundenwünsche reduzierte Auflistung, festgehalten. Zu diesen Anforderungen können direkte Kundenanforderungen zählen, aber eben auch strategisch relevante Inhalte aus der qualita-tiven und quantitativen Marktsegment-Bewertung. In Zukunft ist es unabdingbar für den Product Owner, die Ergebnisse aus der iterativen qualitati-ven Erfolgsfaktoren-Analyse und der quantitativen Marktanalyse in das Product Backlog mit einzube-ziehen und somit den agilen Produktentwicklungs-prozess strategisch auszurichten.

Es wird offensichtlich, dass diese Aufgaben kaum allein von klassisch vorhandenen Organisations-strukturen getragen werden können. Vielmehr ist es heute und vor allem in Zukunft notwendig, eine funktionale Einheit in der Organisation für Auf-gaben rund um das Thema „Market Intelligence“ und Marktsegment-Bewertung zu schaffen. Eine derartige Einheit, zum Beispiel organisatorisch angesiedelt im Marketing oder Produktmanagement, sollte eigenständig agieren und auf Informationen unterschiedlicher Funktionen zurückgreifen können. Eine „Market Intelligence“ Funktion ist somit in der Lage, durch szenariobasierte Bewertungen und kurzzyklische Durchführung der qualitativen und quantitativen Bewertung der Segmente einen durch-gängigen gebündelten Informationsfluss an den Product Owner sicherzustellen. Auf diese Weise können Marktrends rechtzeitig differenziert be-wertet und somit die Volatilität des Unternehmens-umfelds im Entwicklungsprozess berücksichtigt werden.

Fazit

Um das Unternehmens-Portfolio strategisch rich-tig gestalten zu können, bedarf es folglich einer schlüssigen Bewertung der Marktsegmente, denn nur aus dieser können die zu priorisierenden rich-tigen Anforderungen an das Portfolio sauber ab-geleitet werden. Die heutige, zunehmende Dynamik im Wettbewerbsumfeld verlangt dabei nicht allein hierfür eine erforderliche starke „Market Intelli-gence“ Funktion im Unternehmen zu etablieren, sondern ebenfalls danach, diese im Falle einer agilen Produktentwicklung auch nach agilen Pro-zessen aufzustellen.

Kontakt

Dr. Dietmar AlbertzManagerSchuh & Co. GmbH Telefon: +49 241 51031 [email protected]

Complexity Management Journal 01/2018 19

Die strategische Produktplanung muss wesentliche Fragestellungen im Sinne eines Portfolioma-nagements beantworten: Mit welchen Produkten sollen meine Zielsegmente in Zukunft bedient werden? Welche Eigenschaften müssen diese Produkte vorweisen? Mit welchen Prioritäten und in welcher Reihenfolge werden Neu- und Weiterentwicklungen auf den Markt gebracht? Hier-bei ist die Grundlage für eine systematische Herangehensweise ein klar strukturierter, markt- orientierter Portfolioaufbau. Dies gilt für neue Produktbereiche, aber gleichermaßen und insbesondere für gewachsene Sortimente.

Ausgangsbasis der hier am Beispiel der INDEX- Gruppe vorgestellten Vorgehensweise ist eine ab-geschlossene Marktsegmentierung mit quantitativ und qualitativ bewerteten Segmenten. Aufbauend auf den Erkenntnissen dieser Analyse werden im ersten Schritt für jedes Marktsegment Groblasten definiert. Dabei werden Eigenschaften eines po-tenziellen Produktes beschrieben, welches jeweils in dem Segment „überdurchschnittlich erfolgreich“ wäre. Neben dem Preis als Produkteigenschaft, werden im Projektbeispiel der Drehmaschinen weitere grundlegende Maschineneigenschaften wie Werkzeugsysteme und -vorrat, Anzahl der Werk-zeugträger, Bearbeitungsgenauigkeit, Automatisie-rungsumfang, Drehlängenbereich und Drehdurch-messer aufgezeigt.

Vor dem Hintergrund dieser Informationen sowie dem Ergebnis der quantitativen Bewertung (Markt-größe und -entwicklung) und qualitativen Ein-schätzung (Erfüllung der kundenrelevanten Er-folgsfaktoren im Vergleich zum Wettbewerb) erfolgt eine Priorisierung der Segmente. Bei dieser Beur-teilung werden bereits vorhandene Produktlösun-gen, die eigenen Kostenstrukturen und strategische Überlegungen berücksichtigt. Im Ergebnis ist jedes Marktsegment einer von vier Priorisierungsklassen zugeordnet (Abb. 1). Anhand dessen lässt sich ablesen, wo die attraktivsten Absatzpotenziale für die eigene Zukunft gesehen werden. Die grüne

Farbgebung bedeutet, dass ein relevantes Markt-potenzial existiert und gleichzeitig dem vorhande-nen Produktkonzept hohe Erfolgschancen zuge-traut werden. Dahingehend sind rotmarkierte Segmente entweder vom Marktvolumen zu gering und/oder das eigene (aktuelle) Produkt- oder Wert-schöpfungskonzept ist für einen dauerhaften Erfolg nicht geeignet.

Im nächsten Schritt wird nun das zukünftige Produktportfolio abgeleitet. Dieses orientiert sich in der Struktur an der Marktsegmentierung. Damit wird eine marktfähige Portfoliostruktur sicherge-stellt, dessen Inhalte sich im Weiteren stets zu den Marktsegmenten referenzieren lassen. Eine wichti-ge Rolle spielt dabei, welches Merkmal die erste Ebene der Sortimentsstruktur bestimmt. Dies soll-te immer im Sinne einer Konfigurationslogik aus Kundenperspektive betrachtet werden. Es ist zu analysieren, wie der Kunde typischerweise in einen Auswahlprozess einsteigt und „nach dem Produkt sucht“. Im Beispiel der Werkzeugmaschinen sind hierfür verschiedene Kriterien aus Sicht der Bear-beitungsaufgabe denkbar, wie z. B. Verfahrenstech-nologie, Teilegröße oder Produktivität. Auf dem Markt für Drehmaschinen haben sich jedoch in der Vergangenheit gewisse Typenbezeichnungen für Maschinen wie „Universaldrehmaschine“, „Dreh-zentrum“ oder „Produktionsdrehautomat“ etabliert. Obwohl sich diese Unterteilungen im Markt mit-

Michael Winkemann (Schuh & Co.) / Jan Hroch (INDEX-Werke)

Marktgerechte Portfoliogestaltung

20 Complexity Management Journal 01/2018

unter nicht klar definieren lassen, sollten diese (um den Anwender nicht zu sehr zu verwirren) auch in einer neuen Portfoliostruktur wiederzufinden sein. Es muss daher eine gute Mischung aus Historie und Bewältigung von Inkonsistenten durch Neuausrich-tung gemäß einer anwendungsorientierten Struktu-rierung gefunden werden.

Im Projektbeispiel werden (für den Bereich Stan-genbearbeitung) auf erster Ebene der Sortiments-struktur sechs Baureihen definiert (Abb. 2). Da ein gewachsenes Portfolio oft nicht nur technisch,

sondern auch von der Nomenklatur komplex ist, wird die Bezeichnung der Baureihen zunächst sim-plifiziert. Dabei kann die Produktbezeichnung spä-ter am Markt gleichwohl wieder eine völlig andere sein. Die alphabetisch neutrale Benennung als Ar-beitstitel und als Entwicklungscodierung hilft, sich von existierenden Lösungen des aktuellen Portfolios zu lösen und fokussiert die Ausrichtung auf die adressierten Marktsegmente und deren Bedürfnisse. In der Verknüpfung zu den Segmenten besteht ein großer Vorteil der neuen Struktur. Die Produktan-forderungen je Baureihe lassen sich nun systematisch

Abb. 2: Zukünftige Baureihen und adressierte Marktsegmente

2

4 6

12

1110 1114

1615

181713

1

3 5 7 98

2

4 6

5

6

12

1110 1114

1615

181713

1

3 5 7 98

CB

A

F

D

E

Abb. 1: Priorisierte Marktsegmente

Complexity Management Journal 01/2018 21

Baureihe A B C ...

Baugröße / Maschinentyp A1 A2 A3 B1 B2 C1 C2 C3 ...

Teiledurchmesser

Maximale Drehlänge

Anzahl Werkzeugträger

Y-Achse Werkzeugträger

Werkzeugsystem Revolver

Werkzeugvorrat Revolver

Werkzeugsystem Frässpindel

Werkzeugvorrat Frässpindel

aus definierten Anforderungsgruppen aus dem Markt herleiten. Außerdem können über die vor-genommene Marktbewertung der Segmente top-down fundierte Stückzahlpotenziale der Baureihen bestimmt werden.

Im weiteren Vorgehen wird nun der Konfigurations- raum der Baureihen weiter detailliert. Es werden Maschinen-Hauptmerkmale und deren Konfigu-rationsoptionen aus Kundensicht beschrieben. Im Beispiel der Drehmaschinen steht als erstes Merk-mal die Maschinengröße im Vordergrund. Demnach werden sinnvolle Größenstufen innerhalb der Bau-reihen (z. B. A1, A2 und A3) festgelegt und in den Dimensionen Bauteildurchmesser und Drehlänge charakterisiert. Ergänzend dazu werden die gefor-derten Varianten je Baugröße mit wesentlichem Einfluss auf Produktarchitektur und -kosten defi-niert. Dazu zählen bspw. die Werkzeugträger und -systeme (Abb. 3). Grundlage hierfür sind die Grob-lasten der Segmente. Sofern eine Baureihe mehre-re Segmente adressiert, werden diese zielgerichtet aggregiert. Allgemein besteht bei Neu- und Wei-terentwicklungen einzelner Maschinen und Bau-reihen oftmals die Gefahr, dass zu viele Anforde-rungen an das Produkt gestellt werden. Es wird versucht, ein möglichst maximales Kundenspektrum anzusprechen und gleichzeitig neue wie bestehen-

de Anwendungen abzudecken. Die ursprünglich angestrebte Positionierung verschwimmt dadurch häufig und Überlappungen im Portfolio nehmen zu. Ein Vorteil dieser Vorgehensweise liegt daher in der gesamthaften Betrachtung des Sortiments, welche eine klare Ausrichtung der Baureihen und eine Abgrenzung untereinander erleichtert.

Die definierte Sortimentsstruktur ist bis dahin als reine externe Perspektive zu verstehen. Sie ist die marktgerechte Antwort auf die herausgearbeiteten Anforderungen, beschreibt aber noch nicht die interne, technische Perspektive. Im Sinne eines komplexitätsgerechten Portfolios, sollte das externe Sortiment intern möglichst schlank umgesetzt wer-den. Technische Lösungssysteme können mehrere Baureihen bedienen und somit Kommunalitäten in gewissen Sortimentsbereichen auf Funktions- und Prinzipienebene sowie auf Ebene von physischen Bauteilen sicherstellen. Sie können dabei der exter-nen Struktur folgen, müssen dies aber nicht unbe-dingt. Diese technischen Systeme optimal festzule-gen ist nicht trivial. Auch hier unterstützt die Vorgehensweise durch einen portfolioweiten Ansatz.

Im hier beschriebenen Projekt wurden Baukasten-grenzen auf Basis von Lösungsprinzipien ausgear-beitet (auf die in diesem Artikel jedoch nicht weiter

Abb. 3: Sortimentsstruktur der Baureihen im zukünftigen Portfolio

Festlegung je Baugröße und gezielte Abgrenzung der Maschinentypen

untereinander

22 Complexity Management Journal 01/2018

eingegangen wird). Im Ergebnis sind Baukasten-systeme definiert, die jeweils eine oder mehrere Baureihen umfassen. Vor dem Hintergrund dieser Systeme und mit dem Resultat der vorgenomme-nen Priorisierung, wird eine Entscheidung über die technische Realisierung getroffen. Ziel ist es, das gesamte Portfolio in der neuen Struktur um-zusetzen. Vor dem Hintergrund begrenzter Res-sourcen wird die Umsetzung je System und für jede enthaltene Baugröße zeitlich priorisiert. Be-gonnen wird mit dem Baukasten der Baureihen A, C und D (Abb. 4). Für diesen Umfang werden nun die Produktanforderungen und Vorgaben für die Entwicklung detailliert.

Voraussetzung für die weitere Anforderungsdetail-lierung ist ein technisches Grobkonzept des Bau-kastens. Dieser sollte den Lösungsansatz des prin-zipiellen Produktaufbaus und den Entwurf einer Modulstruktur beinhalten. Ausgehend von den Forderungen an die Gesamtmaschine, werden die Vorgaben nun auf Modulebene heruntergebrochen und ergänzt. Für den gesamten Baukastenumfang der Baureihen A, C und D, sowie jeweils deren Derivate A1, A2, A3 etc. werden Entwicklungs-vorgaben bzgl. Konfiguration, Zielkosten und Spe-zifikationen gemeinsam festgelegt (Abb. 5).

Beim Thema Konfiguration werden alle für die Zu-kunft geplanten, technisch und wirtschaftlich sinn-vollen Optionen der Maschine bzw. des Moduls definiert. Optionsvarianten als Sonderkonstruktionen sind ausdrücklich nicht enthalten. Die Baukastenent-wicklung muss später diesen Konfigurationsraum zur Verfügung stellen. Auch hier handelt es sich um eine Beschreibung der reinen externen Varianz, d. h. die Konfigurationsoptionen aus Kundensicht. Die Optimierung der internen Varianz ist demgegenüber erst Aufgabe in einer nachfolgenden Umsetzungs-phase. Als wichtiger Input für die spätere Entwick-lung werden die externen Varianten mit dem not-wendigen Beziehungswissen hinterlegt und stück- zahlmäßig bewertet. Hierbei wird der prognostizier-te Maschinen-Gesamtabsatz im Baukastensystem mithilfe des Softwaretools Complexity Manager und über die Abschätzung von Wahrscheinlichkeiten auf alle Konfigurationsoptionen verteilt.

Basierend auf den Marktpreisen der Groblasten und der strategischen Preispositionierung im Wett-bewerb, werden Zielpreise für die Baukastenpro-dukte festgelegt. Dabei werden je Maschine Eck-typen im Sinne besonders preisrelevanter Varianten definiert. Im Projektbeispiel sind dies die möglichen Werkzeugträgerkonfigurationen je Baugröße. Dabei handelt es sich um funktionsfähige Drehmaschinen

2

4 6

5

6

12

1110 1114

1615

181713

1

3 5 7 98

C

A

D

Baukastensystem 1

Abb. 4: Gemeinsames technisches Lösungskonzept der Baureihen

Complexity Management Journal 01/2018 23

in niedrig ausgestatteter, aber markttypischer Kon-figuration. In Abhängigkeit der adressierten Markt- segmente kann der Ausstattungsgrad variieren. Die Ecktypen werden als Konfigurationsvariante im Merkmalbaum zur übersichtlichen Definition ge-kennzeichnet. Aus den Zielpreisen werden in Kom-bination mit Deckungsbeitragsvorgaben Zielkosten abgeleitet. Diese werden anschließend entlang der Modulstruktur aufgeteilt. Somit werden Kosten-vorgaben je Modul und Ecktyp vereinbart.

Zielkosten sind immer in Zusammenhang mit Spezifikationen zu betrachten. Aus diesem Grund werden die geforderten technischen Daten der zukünftigen Produkte, wo notwendig und sinnvoll, als Entwicklungsvorgabe spezifiziert. Für die Drehmaschinen sind dies bspw. Leistungswerte der Arbeitsspindeln, Verfahrwege und -beschleu-nigungen der Werkzeugträgerachsen und maxi-male Werkzeug- und Werkstückdimensionen. Je Baureihe und Baugröße werden die Leistungsda-ten denen der wichtigsten Wettbewerbsprodukte aus den Marktsegmenten gegenübergestellt und dahingehend bewusst und zielgerecht positioniert.Im Ergebnis liegen alle wichtigen Eingangsinfor-mationen für die entwicklungstechnische Reali-sierung des neu gestalteten Portfolios vor. Die Anforderungsbeschreibung kann das klassische

Lastenheft vollständig ersetzten. Wichtig ist dabei der Einbezug aller relevanten Unternehmensbe-reiche, insbesondere von Produktmanagement, Vertrieb und Entwicklung. In einem nächsten Schritt muss ein Umsetzungskonzept ausgearbei-tet werden, das den Weg vom aktuellen Sortiment in die Zukunft ebnet und steuert. Neben der Res-sourcenplanung müssen beim Roadmapping ge-eignete Ablösestrategien gefunden werden. Dies beinhaltet sowohl eine interne (technische) als auch externe (marktseitige) Facette. Entwicklungsvor-gaben und Umsetzungsplan sind hierbei nicht statisch, sondern werden in der Realisierung wei-ter optimiert.

Fazit

Durch die Summe von Einzelentwicklungen und -entscheidungen kann sich die Struktur eines Portfolios über die Jahre „verwachsen“. In der Regel nehmen über die Zeit Überlappungen im Sortiment immer weiter zu. Nicht selten driften einzelne Produktbereiche in Nischen ab und las-sen an anderer Stelle Lücken entstehen. Ab einem gewissen Punkt ist es ratsam, die Portfoliobildung grundsätzlich zu hinterfragen. Es gilt „aufzuräumen“ und das Sortiment neu auf den Markt auszurich-

Konfiguration

• Optionsvarianten je Modul inkl. Stückzahlverteilung

• Externe Vielfalt im Merkmalbaum visualisiert

Zielkosten

• Wichtige technische Daten

• Positionierung der Performance im Wettbewerbsvergleich

• Zielkosten je Modul

• Definition des techn. Inhalts auf Basis von Ecktypen

Spezifikationen

Abb. 5: Vorgaben für die Baukastenentwicklung auf Modulebene

Complexity Management Journal 01/2018

Kontakt

Michael WinkemannSenior ConsultantSchuh & Co. GmbH Telefon: +49 241 51031 [email protected]

Jan HrochLeiter Vertrieb Technik EinspindlerINDEX-Werke GmbH & Co. KG Hahn & [email protected]

ten und ganzheitlich zu strukturieren. Die Markt- segmentierung dient als Strukturierunggrundlage. Sie kanalisiert und schärft die Ausrichtung der Produktbereiche. Mit dem systematischen Herlei-ten der Marktanforderungen und deren Transfor-mation als Vorgabe bis auf Modulebene, ist ein hochwertiger und umfassender Input für die Um-setzung eines marktgerechten Portfolios geschaffen.

Im beschriebenen Projekt der Drehmaschinen ist die Vorgehensweise erfolgreich angewandt worden. Das erste Produkt (Dreh-Fräs-Zentrum G420) der neuen Struktur befindet sich bereits in der Markt-einführung. Die transparenten, zwischen den Un-ternehmensbereichen konsolidierten Entwick-lungsvorgaben, sowie die angewendete Bau- kastensystematik haben für die INDEX-Gruppe zu einer deutlich erhöhten Entwicklungsproduk-tivität geführt. Ebenso haben diese eine spürbare Komplexitätsreduktion in der Wertschöpfung be-wirkt. Durch die gesamthafte Betrachtung des kompletten Portfolios gelingt es, ein Gesamtopti-mum zu erreichen und produktseitige Suboptima aufzulösen. Durch den starken Bezug auf Markt- und Kundenbedürfnisse wird der in der Vergan-genheit immer weniger nachhaltige, technologie-getriebene Entwicklungsansatz sinnvoll erweitert.

24

index-werke.de/g420

INDEX G420Das Dreh-Fräszentrum für die leistungsstarke Bearbeitung von großen Werkstücken.

• Identische Haupt- und Gegenspindel mit Spindeldurchlass Ø 102 mm

• 3 Werkzeugträger für bis zu 139 Werkzeuge• Leistungsstarke Motorfrässpindel für kom-

plexe 5-Achs-Fräsbearbeitungen

• Arbeitsraumkonzept für Drehlängen bis 1.600 mm

• Hohe thermische und mechanische Stabilität• integrierbares Werkstückhandling• Maschinenbau „Made in Germany“

KOMPLETTBEARBEITUNG AUSDEM SYSTEMBAUKASTEN

index-werke.de/g420

INDEX G420Das Dreh-Fräszentrum für die leistungsstarke Bearbeitung von großen Werkstücken.

• Identische Haupt- und Gegenspindel mit Spindeldurchlass Ø 102 mm

• 3 Werkzeugträger für bis zu 139 Werkzeuge• Leistungsstarke Motorfrässpindel für kom-

plexe 5-Achs-Fräsbearbeitungen

• Arbeitsraumkonzept für Drehlängen bis 1.600 mm

• Hohe thermische und mechanische Stabilität• integrierbares Werkstückhandling• Maschinenbau „Made in Germany“

KOMPLETTBEARBEITUNG AUSDEM SYSTEMBAUKASTEN

26 Complexity Management Journal 01/2018

Der Maschinenbau ist häufig durch komplexe und variantenreiche Produktangebote geprägt.Daraus folgen oftmals hohe Aufwände in der Auftragsentwicklung. Produktkonfiguratoren versprechen effektives Variantenmanagement und schnelle Angebotserstellung variantenrei-cher Lösungen. Die Praxis zeigt jedoch, dass ein Großteil der Konfiguratorprojekte scheitert. Basierend auf einem erfolgreichen Beispiel wird hier die These vertreten, dass strategisches Variantenmanagement ein Haupterfolgsfaktor für die erfolgreiche Realisierung von Konfigu-ratorprojekten im Maschinenbau ist.

Durch strategisches Varianten- management zur erfolgreichen Konfiguratorimplementierung

Fallstudie

Im Folgenden wird der Ansatz eines Herstellers für Holzbearbeitungsmaschinen dargestellt, der effektives und erfolgreiches strategisches Varian- tenmanagement im Zusammenhang mit der Ein-führung eines Produktkonfigurators realisiert hat. Die Maschinen zeichnen sich durch eine signifi-kante Produktkomplexität aus. Die Produkte sind umfassend konfigurierbar und nicht selten wird auf Sonderwünsche des Kunden eingegangen. Durch den häufig hohen auftragsspezifischen Individualisierungsgrad, liegt die Auftragsabwick-lungszeit von Auftragseingang bis Produktions- start bei durchschnittlich ca. 15 Stunden bevor das Produkt in die Produktion geht, was für eine mittlere Auftragsabwicklungskomplexität spricht. Mit dieser Produkt- und Abwicklungskomplexität liegt der Maschinenhersteller im Einsatzgebiet von Produktkonfiguratoren (Abb. 1). Bei einer Konfiguratoreinführung ist davon auszugehen, dass der Nutzen den Aufwand der Konfiguration übersteigt.

Ausgangssituation: Variantenreiche Produkte führen zu hohen Abwicklungsaufwänden

Da dieser Maschinenbauer einem teilweise hohen auftragsspezifischen Individualisierungsgrad ausge-setzt ist, ergaben sich in Ermangelung eines eta- blierten strategischen Variantenmanagements spe-zifische Herausforderungen. Als Unternehmen, das umfassend konfigurierbare Produkte mit hoher Produktvarianz anbietet, sowie einen signifikanten Anteil an Sonderkonfigurationen zulässt, sollten hohe Anforderungen an die Up-Front Definition von Produktvarianz vor einem Entwicklungspro-jekt gestellt werden. Da das Produktmanagement diesen Herausforderungen nicht gewachsen war, wurde häufig eine große Bandbreite an Produkt-varianten gefordert oder nur vage definiert. Dies hatte bedeutende negative Konsequenzen. Die fehlende Begrenzung auf besonnen ausgewählte Variantenumfänge hinterließ das Entwicklungsteam mit einem unklaren Fokus. In der Folge wurden eine Vielzahl von Baugruppenvarianten vorgedacht, ausentwickelt und deren Integration durch kosten-intensive Schnittstellenauslegungen möglich ge-macht. Durch die deutlich erhöhten Aufwände

Dr. Maximilian Pasche / Anno Kremer

Complexity Management Journal 01/2018 27

zogen sich auch die Entwicklungszeiten immer mehr in die Länge. Des Weiteren war es häufig der Fall, dass Variantenentscheidungen im Laufe des Entwicklungsprojektes aus der Not heraus von einzelnen Entwicklern getroffen wurden, weil sich die vom Produktmanagement definierte Varianz nicht mit vertretbaren Kosten abbilden ließ. Hier bestand das Risiko von Fehlentscheidungen, da Entwicklern häufig die direkte Kundennähe bzw. das Marktverständnis fehlt. Weitere Konsequenzen von zu breit definierter Varianz ließen sich in der Auftragskonstruktion beobachten. Aufgrund dessen, dass der häufig umsatzgetriebene Vertrieb die ver-fügbaren Varianten und Freiheitsgrade maximal ausnutzte, wurde die Organisation mit hoher Vari-anz konfrontiert. In der Folge war der Anteil der verkauften Sonderkonfigurationen groß, was die internen Abwicklungsaufwände z. B. in der Auf-tragskonstruktion erhöhte und die Margen deutlich in Mitleidenschaft zog. Häufig wurden ähnliche, bereits vormals verkaufte Maschinenkonstruktionen herangezogen (kopiert) und an den neuen Auftrag angepasst. Neben den erhöhten zeitlichen Aufwän-den bestand hier die Gefahr, dass auch Fehler

„mitkopiert“ wurden. Die Verwendung von per-manent aktualisierten Master-Konstruktionen war nicht möglich, da sich die einzelnen Varianten stark voneinander unterscheiden. Durch parametrisierte Konstruktion wäre es gegebenenfalls möglich ge-wesen, Varianz in der Auftragskonstruktion schnell zu erzeugen, allerdings würden die negativen Ef-fekte der hohen Varianz in der nachfolgenden Wert- schöpfungskette weiterhin bestehen. Abbildung 2 fasst die Herausforderungen zusammen, denen ein Maschinenbauer in Ermangelung eines etablierten strategischen Variantenmanagements ausgesetzt ist.

Es muss deutlich hervorgehoben werden, dass ein Produktkonfigurator alleine an dieser Stelle nicht das Allheilmittel sein kann und die geschilderten Herausforderungen nicht mindert. Diese Heraus-forderungen können jedoch über ein strategisches Variantenmanagement aufgelöst werden. Der Pro-duktkonfigurator hat lediglich die Funktion, die geplante Produktvarianz zu fixieren und für einen effizienten und koordinierten Vertriebsprozess verfügbar zu machen. Des Weiteren steigert er die Auftragsabwicklungseffizienz durch automatisierte Prozessabwicklung.

Auftragsabwicklungskomplexität

Pro

du

ktko

mp

lexi

tät

DTODesign-to-Order

PTOPick-to-Order

DTO

ETO

CTO

PTO

Nutzen der Konfiguration

Aufwand der Konfiguration

Wiederholgrad

~1

<<n

<n

n

ETOEngineer-to-Order

CTOConfigure-to-Order Einsatzfeld von

Konfiguratoren

Positionierungder Fallstudie

Abb. 1: Einsatzfeld von Produktkonfiguratoren

28 Complexity Management Journal 01/2018

Herausforderungen ohne etabliertes strategisches Variantenmanagement

Produktentwicklung

Mangelnder Fokus in der Entwicklung durch nicht eindeutig definier-te Variantenumfänge

Erhöhte Produktkosten durch teure Schnittstel-lengestaltung

Einzelne Variantenent-scheidungen werden zwangsweise im Kon-struktionsprozess von Entwicklern getroffen

VerlängerteEntwicklungszeiten

Vertrieb / Produktmanagement

Unklare Eingrenzung der verkaufbaren Umfänge

Der meist umsatzgetrie-bene Vertrieb verkauft teilweise „frei“

Hoher Anteil an Sonderkonfigurationen

Auftragsentwicklung

Erhöhte Aufwände / Entwicklungszeiten in der auftragsspezifischen Konstruktion durch Sonderkonfigurationen

Restliche Wertschöpfungskette

Reduzierte Lerneffekte in Fertigung und Montage

VerlängerteDurchlaufzeiten

Montagefehler Erhöhte Aufwände in der Qualitätssicherung

Mit anderen Worten: Die Erschließung des vollen Nutzens eines Produktkonfigurators ist auf ein effektives strategisches Variantenmanagement an-gewiesen!

Erfolgsquoten von Konfiguratorprojekten sind gering

Da Konfiguratoreinführungen häufig nicht mit einem strategischen Variantenmanagement Hand in Hand gehen, scheitert ein Großteil der Konfigu-ratorprojekte oder erreicht die gesteckten Ziele nicht. Stattdessen wird eine enorme Produkt- varianz im Konfigurator hinterlegt. Dies hat zwei wesentliche negative Konsequenzen: Erstens wird die Organisation weiterhin mit hoher Varianz kon-frontiert, was dazu führt, dass die oben beschrie-benen Herausforderungen und Ineffizienzen nicht aufgelöst werden. Somit ist zu erklären, dass jedeszweite Konfiguratorprojekt zwar die Realisierung schafft, die gesteckten Ziele aber nicht erreicht. Zweitens sind die Aufwände zur Realisierung einer

automatisierten Auftragsabwicklung (z. B. Hinter-legung von Beziehungswissen, Stücklisten und Ar-beitsplänen) für eine große vorgehaltene Produkt- varianz enorm und aufgrund der Komplexität häu-fig nicht zu stemmen. Somit scheitert ungefähr ein Drittel der Konfiguratorprojekte an der Realisierung des Produktkonfigurators. Lediglich ca. 16 % der Konfiguratorprojekte erreicht eine erfolgreiche Implementierung bei gleichzeitig vollständiger Zielerreichung. Hier geht die Konfiguratoreinfüh-rung immer mit einem erfolgreichen strategischen Variantenmanagement einher. Im Rahmen des Variantenmanagements sollte daher das Produkt- und Konfigurationsportfolio grundsätzlich auf den Prüfstand gestellt und nach klaren Regeln geordnet und klassifiziert werden.

Definition einer Produkt-Markt-Strategie

Um das Produkt- und Konfigurationsportfolio im Zusammenhang mit dem Konfiguratorprojekt zu überarbeiten, hat das Produktmanagement unseres

Abb. 2: Tabelle – Herausforderungen ohne strategisches Variantenmanagement

Complexity Management Journal 01/2018

Kunden die relevanten Marktinformationen erar-beitet. So konnten informierte Entscheidungen bzgl. Produktvarianz getroffen werden. Hierzu wurde eine Marktanalyse im Rahmen einer Markt- segmentierung durchgeführt. Die potenziellen Kunden wurden in Kundengruppen (Segmente) mit ähnlichen Anforderungen gruppiert. Diese Segmente wurden in einem zweiten Schritt qua-litativ und quantitativ bewertet. Auf der Basis dieser Informationen wurde dann die wirklich notwendige, vom Markt geforderte und auch wirt-schaftlich abbildbare Produktvarianz im Sinne einer Produkt-Markt-Strategie sicher abgeleitet.

Ergebnisse

Abschließend sollen die beeindruckenden Ergeb-nisse kurz darstellt werden, die sich in den Berei-chen Produktentwicklung, Vertrieb/Produktma-nagement, Auftragsentwicklung sowie in der restlichen Wertschöpfungskette ergeben haben.

Durch die im Vorfeld sauber definierte Produkt- Markt-Strategie steigt die Produktentwicklung nun mit einer im Vorfeld klar definierten Pro- duktvarianz in die konstruktiven Tätigkeiten ein. Das hohe Maß an Klarheit reduziert die Abstim-mungsaufwände in Richtung Produktmanagement, was sich in der Folge sehr positiv auf die Entwick-lungsgeschwindigkeit auswirkt. Des Weiteren wer-den Schnittstellenkomponenten nun passgenau auf die notwendige Baugruppenvarianz ausgelegt, mit entsprechend positiven Effekten auf die Herstell-kosten.

Der Produktkonfigurator stellt an der Schnittstel-le zum Kunden einen effizienten und koordinierten Vertriebsprozess sicher. Unnötige Anpassungen, Sonderkonstruktionen und hohe Engineeringauf-wände durch kundenspezifische Ausprägungen werden durch das klar definierte Produktportfolio weitestgehend vermieden. Durch korrekte Konfi-gurationen sinkt die Fehlerquote und somit der Abstimmungsbedarf mit den nachgelagerten Be-reichen.

Durch vollständige und fehlerfreie Produktbe-schreibungen konnte eine automatisierte Auf- tragsabwicklung weitestgehend realisiert werden. Die Durchlaufzeiten von Auftragseingang bis Pro-duktionsstart konnten von 15 auf 1,5 Stunden je Auftrag reduziert werden. Die Aufwände in der Auftragskonstruktion wie Stücklisten- und Arbeits-planerstellung im ERP entfallen. Lediglich Son-derkonfigurationen verursachen weiterhin Auf-wände in der Auftragskonstruktion. In der weiteren Wertschöpfungskette führt der erhöhte Anteil an Standardmaschinen zu signifikanten Lerneffekten in Fertigung und Montage. Somit und durch die automatisiert erstellten Auftragsstücklisten konnten die Montagefehler als auch die Aufwände in der Qualitätssicherung essenziel reduziert werden.

Fazit

Es bleibt festzuhalten, dass das strategische Vari-antenmanagement das wesentliche Erfolgskrite-rium für ein Konfiguratorprojekt darstellt. Die klare Fokussierung auf die vom Markt geforderte Varianz im Sinne einer sauber definierten Produkt-Markt-Strategie ermöglicht es, die internen Abläufe deutlich zu vereinfachen und Effizienzvorteile zu realisieren.

Ist Ihr Produktsortiment fit für den Konfigurator? Wir bieten Ihnen eine Vorgehensweise und einen Methodenbaukasten, den wir individuell auf Ihre Produkte anpassen.

Kontakt

Anno KremerPartnerSchuh & Co. GmbH Telefon: +49 241 51031 [email protected]

29

30 Complexity Management Journal 01/2018

In Zeiten zunehmender Individualisierung und „Smart Factory“ ist die Digitalisierung im Produktionsprozess nicht mehr wegzudenken. Die Verknüpfung von Produktion und modernster Informations- und Kommunikationstech-nik stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen, die immer mehr Agilität voraussetzen. Dieser Wandel hat sich als „Industrie 4.0“ in unserem Wortschatz etabliert.

Der diesjährige Complexity Management Congress möch-te Ihnen die Potenziale aufzeigen, die in den neuen Tech-nologien und in der digitalen Vernetzung stecken. Wie lassen sich diese Potenziale optimal nutzen und wie kann

Agilität gesteigert werden? Was bedeuten diese rasanten Entwicklungen für das Komplexitätsmanagement in Ihrem Unternehmen? Diese und weitere Fragestellungen stellen wir unter dem Thema „Produktentwicklung 4.0 – Komplexitätsmanagement in Zeiten der Digitalisierung“ in den Fokus des 4. Complexity Management Congresses und laden Sie ein, sich dieses wichtige und allgegenwär-tige Thema durch Experten und aus erster Hand näher-bringen zu lassen. Wie in den vergangenen Jahren wer-den die Fragestellungen in spannenden Case Studies vorgetragen und gewährleisten so einen Einblick in die Best Practices führender Unternehmen.

4. Complexity Management Congressam 6. November 2018 in Aachen

AU

SBLI

CK

„Komplexitätsmanagement in Zeiten des digitalen Wandels“

Agilität als Erfolgsentscheider I Digitaler Wandel I Produktentwicklung 4.0 I Best Practices aus unterschiedlichen Branchen I Networking in der Complexity Community

Anmeldung nicht verpassen: www.complexity-congress.com

Complexity Management Congress6. November 2018

Complexity Management Journal 01/2018 31

Management Academy

Veranstaltungstipps 2018 / 2019

Complexity Management Academy OnlineIm Internet finden Sie immer alle aktuellen Informationen zu unseren Veranstaltungen. www.complexity-academy.com

Notieren Sie sich die Termine!

2018

November06.11. 4. Complexity Management Congress, Aachen26.11. - 30.11. Zertifikatkurs „Produktkomplexität managen“, Aachen

2019

März25.03. - 29.03. Zertifikatkurs „Chief Innovation Manager“, Aachen

April10.04. - 11.04. Gestaltung effizienter Produktbaukästen, Aachen

Mai21.05. - 22.05. Variantenorientiertes Datenmanagement, Aachen23.05. IT-Komplexität managen, IT-Strategie gestalten, Aachen

Juni04.06. Komplexitätskosten transparent erfassen, Aachen05.06. Operatives Variantenmanagement, Aachen

Juli03.07. Smart Complexity Management, Frankfurt 04.07. Komplexitätsmanagement im globalen Produktionsnetzwerk, Frankfurt

September25.09. - 26.09. Top Executive Seminar „Baukastenmanagement“, Aachen

Die Schuh & Co. Gruppe

Die Schuh & Co. Gruppe ist spezialisiert auf strategisches und operatives Komplexitätsmanagement.

Mit diesem Ansatz hat sich das Unternehmen als umset-zungsorientierter Problemlöser in der Industrie profiliert. Zum Unternehmen gehören rund 50 Mitarbeiter: Strate-gie-, Organisationsberater sowie Managementtrainer. Die Heimat des Unternehmens ist Aachen, weitere Stand-orte sind St. Gallen, Schweiz (seit 1991) und Atlanta, USA (seit 1997).

www.schuh-group.com

Standorte

Schuh & Co. GmbHCampus-Boulevard 5752074 Aachen, DeutschlandTelefon: +49 241 51031 0Telefax: +49 241 51031 100E-Mail: [email protected]

Schuh & Co. Komplexitätsmanagement AGSt. Gallerstrasse 349320 Arbon, SchweizTelefon: +41 71 243 60 00E-Mail: [email protected]

Schuh Complexity Management, Inc.3625 Greenside CourtDacula, GA 30019, USATelefon: +1 770 614 9384Telefax: +1 678 730 2728E-Mail: [email protected]

Impressum

Das Complexity Management Journal wird von der Schuh & Co. GmbH herausgegeben.ISSN 1613-8155

Schuh & Co. GmbHCampus-Boulevard 5752074 AachenDeutschlandTelefon: +49 241 51031 0Telefax: +49 241 51031 100E-Mail: [email protected]: www.schuh-group.com

Redaktion:Bettina Rennekamp

Satz/Layout:Kristina Esaulko

Fotos:Seite 1,4: © Fotolia 142575460

Nachdruck, auch auszugsweise, ist bei Angabe der vollständigen Quelle und nach Rücksprache mit der Redaktion gestattet. Belegexemplare werden erbeten.