[IT kompakt] Systemanalyse kompakt || Zusammenfassung des Vorgehens

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8 Zusammenfassung des Vorgehens Wie wir in den vorangegangenen Kapiteln herausgearbeitet haben, ist der Systemanalyse eine hohe Bedeutung beizumessen. Die Systemana- lyse steht am Beginn der Entwicklung und legt von Grund auf wichtige Rahmenbedingungen fest, wodurch die Auswirkungen von in der Sys- temanalyse entstandenen Fehlern auf das Gesamtprojekt beträchtlich sind. Wichtige Eingangsinformationen des Projekts, wie beispielswei- se die Systemidee und festgelegte Projektrahmenbedingungen, sollten Sie mit hoher Qualität erzeugen bzw. einfordern. Im Vordergrund ste- hen hierbei eine grobe Systembeschreibung inklusive der fachlichen Systemplatzierung, eine Beschreibung des Projekts eingedenk der pro- jektübergreifenden Einbettung, konkrete Ressourcenaussagen und der meist als Erstes fixierte Fertigstellungstermin des Systems. Sobald die Eingangsinformationen für die Systemanalyse verfügbar sind, sollten Sie die Systemanalyse so konkret wie möglich methodisch, zeitlich und personell planen. Entlang der in diesem Buch genannten Kri- terientabellen wird dies für eine erste Annäherung leicht möglich sein. Betrachten Sie dabei die Systemanalyse nicht als eigenständige Phase, sondern als eine Tätigkeit, die stark mit orthogonalen Prozessen des Pro- jekts zusammenhängt und extremen Einfluss auf weitere Tätigkeiten wie Design, Realisierung und Test hat. Falls nicht durch ein Vorgehensmo- dell bereits weitestgehend vorgegeben, entscheiden Sie während dieser Planung mindestens: Welche Arten von Anforderungen erhoben werden. Welche Dokumenttypen und Detailebenen von Anforderungen sinnvoll sind. Welcher Mix aus Ermittlungstechniken zweckmäßig ist. Wie viele 149 SOPHIST GmbH, C. Rupp, Systemanalyse kompakt, IT kompakt, DOI 10.1007/978-3-642-35446-5_8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

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8Zusammenfassung des Vorgehens

Wie wir in den vorangegangenen Kapiteln herausgearbeitet haben, istder Systemanalyse eine hohe Bedeutung beizumessen. Die Systemana-lyse steht am Beginn der Entwicklung und legt von Grund auf wichtigeRahmenbedingungen fest, wodurch die Auswirkungen von in der Sys-temanalyse entstandenen Fehlern auf das Gesamtprojekt beträchtlichsind. Wichtige Eingangsinformationen des Projekts, wie beispielswei-se die Systemidee und festgelegte Projektrahmenbedingungen, solltenSie mit hoher Qualität erzeugen bzw. einfordern. Im Vordergrund ste-hen hierbei eine grobe Systembeschreibung inklusive der fachlichenSystemplatzierung, eine Beschreibung des Projekts eingedenk der pro-jektübergreifenden Einbettung, konkrete Ressourcenaussagen und dermeist als Erstes fixierte Fertigstellungstermin des Systems.

Sobald die Eingangsinformationen für die Systemanalyse verfügbarsind, sollten Sie die Systemanalyse so konkret wie möglich methodisch,zeitlich und personell planen. Entlang der in diesem Buch genannten Kri-terientabellen wird dies für eine erste Annäherung leicht möglich sein.Betrachten Sie dabei die Systemanalyse nicht als eigenständige Phase,sondern als eine Tätigkeit, die stark mit orthogonalen Prozessen des Pro-jekts zusammenhängt und extremen Einfluss auf weitere Tätigkeiten wieDesign, Realisierung und Test hat. Falls nicht durch ein Vorgehensmo-dell bereits weitestgehend vorgegeben, entscheiden Sie während dieserPlanung mindestens: Welche Arten von Anforderungen erhoben werden.Welche Dokumenttypen und Detailebenen von Anforderungen sinnvollsind. Welcher Mix aus Ermittlungstechniken zweckmäßig ist. Wie viele

149SOPHIST GmbH, C. Rupp, Systemanalyse kompakt, IT kompakt,DOI 10.1007/978-3-642-35446-5_8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

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Stakeholder über welche Kommunikationskanäle zur Verfügung stehen.Welche Informationen wie verwaltet werden. Welche Dokumentations-techniken sich grundlegend anbieten und in welcher Art und Weise dieProdukte der Systemanalyse qualitätsgesichert werden können. Darüberhinaus sollten Sie bereits jetzt bedenken, welche Produkte der Sys-temanalyse eventuell nach Projektabschluss wiederverwendet werdenkönnen.

8.1 Ermittlungstechniken

Die Vielzahl der Ermittlungstechniken für Produkte der Systemanalyselassen sich grob in die Bereiche Kreativitätstechniken, Befragungstech-niken, Beobachtungstechniken und dokumentenzentrierte Technikenkategorisieren. Bei der Wahl der Ermittlungstechniken für ein Projektmüssen Sie die organisatorischen Randbedingungen (z. B. Systemerwei-terung oder Neuentwicklung, Anzahl und Verteilung der Stakeholder),der fachliche Inhalt der Anforderungen (z. B. Umfang und Komplexi-tät des Systems, bisheriges Wissen im Fachgebiet) und die Art der zuerstellenden Anforderung beachten. Weiterhin sind die menschlichenFaktoren bei dem Einsatz einer Ermittlungstechnik bei dem jeweiligenStakeholder bestimmend (z. B. die Motivation). Hürden können durchpassende Ermittlungstechniken überwunden werden.

Nur eine gezielte Auswahl der Techniken ermöglicht es, zu eindeu-tigen, korrekten und vollständigen Informationen zu gelangen. Im Zugeder Qualitätssicherung des Analyseergebnisses empfehlen wir eine ge-eignete Kombination unterschiedlicher Ermittlungstechniken, die vorallem bei den Schlüsselpersonen der Stakeholder gemischt angewendetwerden sollen. So lässt sich das Ergebnis der Analyse durch wechselndeBlickwinkel und Orientierungen der Techniken deutlich verbessern.

8.2 Dokumentationstechniken

Dokumentationstechniken existieren in unzähligen Varianten und lassensich grob in Techniken zur Beschreibung von Strukturen (z. B. Klassen-

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8.3 Verwaltung von Informationen 151

diagramme) und Verhalten (z. B. Prototypen und Aktivitätsdiagramme)gliedern.

Im Verlauf der Systemanalyse wird typischerweise ein Mix aus denzwei Kategorien gewählt. Nur für wenige Systeme wird nur eine Art vonDokumentationstechnik verwendet. Orientieren sollte sich Ihre Auswahlder jeweiligen Dokumentationstechnik mindestens an den folgendenKriterien der folgenden Kriterien: Die Dokumentationstechnik ist inBezug auf ihre Darstellung adäquat zur Art der Anforderungen. DieDetailtiefe der Anforderungen ist meist direkt mit dem Leserkreis desProdukts gekoppelt. Andererseits lassen sich sehr detaillierte Anforde-rungen nur mit bestimmten Notationen darstellen. Ferner interessantsind organisatorische Randbedingungen wie Konsistenz, Verfolgbarkeit,Komplexität und Lebensdauer. Falls in Ihrem Projekt in den genanntenPunkten eine gewisse Gefahr besteht, kann die Wahl der Dokumentati-onstechnik hierbei Abhilfe schaffen. Empfehlenswert ist es, Standardsoder unternehmensintern verbreitete Methoden und Notationen zu nut-zen, da dadurch die Verständlichkeit und somit die Akzeptanz durchWiedererkennung erhöht wird. Falls die Möglichkeit existiert, beste-hende Vorgaben zum Vorgehen innerhalb eines Firmenstandards mitweiteren Dokumentationstechniken für Ihr Projekt zu optimieren, so tunSie dies. Demgegenüber stellt es an sich noch keine Missetat dar, einrein natürlichsprachliches Anforderungsdokument zu verfassen – soferndies zweckentsprechend ist.

8.3 Verwaltung von Informationen

Es gibt eine Vielzahl von Dokumenttypen und verwaltungsrelevantenInformationen während der Systemanalyse. Angefangen von Gesamt-dokumenten wie Fachkonzepte, Lastenhefte, technische Lösungen undPrüfspezifikationen bis hin zu Einzelinformationen zu Anforderungenwie Anforderungsnummer, juristische Verbindlichkeit, System Releaseund fachlich verantwortliche Person. Untersuchen sollten Sie, welchedavon tatsächlich verwaltet werden sollen. Zu viele verwaltete undeventuell teils unnötige Informationen stellen die Gefahr der Vernachläs-sigung mancher dar. Wenn eine Informationsbasis in Teilen als veraltet

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erkannt wird, ist die Akzeptanz meist zerronnen. Eine auf Erfahrung be-ruhende Grundregel für die Verwaltung dabei ist: Weniger ist mehr!

Im Umgang mit tatsächlich benötigten redundanten Informationenmüssen Sie besonders gewissenhaft sein. Redundante Informationenbleiben meist nur kurze Zeit redundant – bis sie flugs durch unüberlegteÄnderungen inkonsistent werden.

Problematisch ist es häufig, wenn Informationen nicht aktualisiertwerden. Wenn ein stetiges Aktualisieren notwendig ist, können Sie da-durch, dass Informationen abstrakt, lösungsneutral und fachlich odertechnisch klar separiert verwaltet werden, erheblichen Aktualisierungs-aufwand vermeiden.

Eng verbunden mit dem Verwalten von Informationen ist ein Rollen-und Workflow-Konzept. Stellen Sie sicher, dass vordefinierte Rollen undWorkflows auch tatsächlich auf die Projektgegebenheiten zugeschnittensind. Neben der Frage, welche Vielfalt an Information zu verwalten ist,sollten Sie sofort im Anschluss die Strukturen und Sichten dieser In-formationen betrachten. Wichtig ist, dass nahezu jeder Stakeholder eineandere Orientierung diesbezüglich einnimmt.

Generell ist ein zentraler Einstiegspunkt für die Spezifikation in derSystemanalyse wichtig, aber auch individuelle Spezialansichten wie z. B.für die Projektleitung oder das Testteam sind notwendig. Sichten orien-tieren sich meist an den Rollen im Projekt und sollten auch genau mitdiesen zusammen definiert werden.

Ein Aspekt der Informationsverwaltung hat in den letzten Jahrenimmer wieder zu Diskussion angeregt: die Verknüpfung von Informatio-nen (Traceability). Es existieren horizontale und vertikale Verknüpfun-gen: zwischen Anforderungsebenen, Anforderungen einer Ebene, unter-schiedlichen Informationen eines Dokuments oder auch dokumentüber-greifend (z. B. zwischen Anforderungen und Testfällen, Projektplanungund Änderungsanträgen). Prinzipiell vereinfachen Informationsverknüp-fungen die Informationsaktualisierung und erhöhen die Lesbarkeit vonDokumenten, falls diese auch gepflegt werden. Schnell werden Ver-knüpfungen obsolet, wenn der Verdacht besteht, nicht an alle richtigenverbundenen Informationen – vor allem bei juristisch verbindlichen An-forderungen – zu gelangen.

In einer Welt, in der Projekte immer komplexer werden, die An-zahl der Projektbeteiligten häufig steigt und global agiert werden muss,

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8.4 Prüfen und Abstimmen 153

scheint der Aufwand der Anforderungsverwaltung ins Unermessliche zusteigen. Die Verwaltung von mehreren hundert oder gar tausend Anfor-derungen erfordert den Einsatz eines Software-Tools. Der erste Schritthierzu ist die Toolevaluierung. Sie sollten sich genau überlegen, welchesTool für Sie das passende ist. Sie können sich für einen Platzhirsch ent-scheiden, das heißt ein für die Systemanalyse zugeschnittenes Tool, oderaber für einen Mutanten, der die Kriterien nur am Rande abdeckt undeher in Richtung Modellierung oder Test geht, oder aber für eine Stuben-fliege, wie z. B. MS Word oder MS Excel.

8.4 Prüfen und Abstimmen

Immer dann, wenn geprüft wird, ist es sinnvoll, mehrere Dinge vorabzu entscheiden und nicht ad hoc während des Prüfens. Vorüberlegungenund die wichtigsten Vorgaben zur Prüfung sind: Was soll geprüft werden?Welche Kriterien sind an die Prüfgegenstände zu stellen? Was wollen Siemit dem Prüfen erreichen? Wer soll wann prüfen? Wie werden die Ergeb-nisse verwaltet und betrachtet? Nach den Eingangsüberlegungen wirdnun geklärt, mit welchen Prüfmethoden vorzugehen ist. Dabei spielt dieBetrachtung des Prüfgegenstandes in Beziehung zum verfolgten Ziel diewesentlichste Rolle. Methoden zur Erstellung eines Produktes könnenauch gleichzeitig als Qualitätssicherungsmaßnahme eingesetzt werden.Setzen Sie z. B. Testfälle nicht nur als reines Mittel zur Gestaltung einerPrüfspezifikation ein, sondern ebenso als konstruktive Verbesserungs-maßnahme für Anforderungen. Neben der selektiv angewandten Prüfungist jedoch auch eine fortwährende möglich. Mithilfe von Metriken lässtsich die Qualität einer Spezifikation messen. Die dauerhafte Anwendungvon Metriken über einen längeren Zeitraum ist ein Garant für eine lang-fristig gute Qualität der Anforderungen.

8.5 Systemanalyse erfolgreich organisieren

Der Vertrag ist ein wichtiger Grundpfeiler der Systemanalyse. Es gibtdie verschiedensten Vertragsformen, und es ist nicht immer leicht, auf

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Anhieb die richtige zu finden. Was bedacht werden muss, ist, dass derVertrag nicht ein notwendiges Übel, sondern für die gesamte Dauer derEntwicklung gültig ist. Es lohnt sich also für Sie, sich tiefgreifend mit derMaterie zu beschäftigen und vorausschauend zu planen. Damit nicht nurjeder seinen Vorteil sucht und den Vertrag so gestalten möchte, wie es fürihn am gewinnbringendsten ist, sollten sich beide Vertragspartner damitanfreunden, dass der jeweils andere die Rolle eines Partners und nichteines Gegners übernimmt. Ist man nach den anfänglichen Pokerrundenzu dieser Weisheit gelangt, sollte die Einigung über die Art des Vertragesund die Projektdurchführung leichter werden.

Da in der Systementwicklung immer weniger neu entwickelt wird undder Trend Richtung Weiterentwicklung oder Aufsetzen auf ein „altes“System geht, nimmt die Bedeutung von Deltaanforderungen immer mehrzu. Deltaanforderungen schließen die Anforderungslücke zwischen demAltsystem und dem neuen System. Es sind quasi die „Lückenfüller“, mitdenen lediglich die Änderungen und Neuerungen des Plansystems doku-mentiert werden. Abhängig davon, welche Teile geändert oder erweitertwerden sollen, genügt es, nur eben jene detaillierter zu betrachten. Obund zu welchen thematischen Bereichen Sie Deltaanforderungen erhe-ben, bleibt Ihre freie Entscheidung. Sie sollten aber diese Variante derSystemanalyse stets im Hinterkopf behalten.

Bei der Einführung des Requirements Engineering geht es darum,teils bekannte Abläufe mit häufig neuen Vorgehensweisen und unbe-kannten Methoden und Tools zu vereinigen und zu etablieren. Zu einerguten Einführungsstrategie gehören ein Projektplan, ein Projektteam, indem die Rollen und Zuständigkeiten klar definiert sind, sowie die Be-stimmung von Zielen. Das Wichtigste bei der Einführung eines Prozessesist es jedoch, die Projektbeteiligten zu motivieren, denn ein Projekt stehtund fällt mit der Zusammenarbeit im Team.

Dies so weit zur Zusammenfassung unseres Buches Systemanalysekompakt. Wir hoffen, dass Ihnen unsere Erfahrung aus vielen JahrenBerater-, Coaching- und Trainingstätigkeiten in Ihren Projekten weiter-hilft, und wir unser Wissen in ansprechender und adäquater Weise zuPapier gebracht haben. Sagen Sie uns einfach Ihre Meinung. Wir freu-en uns über Anregungen, Kommentare und Kritik – positive wie auchnegative Punkte. Schreiben Sie uns gerne unter [email protected],

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8.5 Systemanalyse erfolgreich organisieren 155

damit wir Ihnen in der Zukunft noch informativeren, zielgerichteterenund interessanteren Lesestoff bieten können.

Ihre SOPHISTen☺