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i n medias res 82 ius.full 3/4/10 I. Was sind private Sicherheits- und Militärfirmen? Private Sicherheits- und Militärfirmen (PMSC) sind Firmen, die militärische Dienstleistungen anbieten und quasi von jedermann angeheuert werden kön- nen. Sowohl Private wie auch Staaten können sie in ihre Dienste nehmen. II. Inwiefern unterstehen die PMSC dem humanitären Völkerrecht? PMSC stellen völkerrechtlich vor allem ein Problem dar, wenn sie in Kampfhandlungen verwickelt wer- den. Wichtig ist also das humanitäre Völkerrecht, das « Recht im Krieg ». 1. Die Regelung nach Genfer und Haager Recht Bis zur Unterzeichnung des Montreux-Dokumen- tes 4 vom 17. September 2008 gab es überhaupt keine international gültige, verbindliche und explizit auf PMSC anwendbare Regelung 5 . Man musste (und muss auch noch heute) auf bereits bestehende allge- meine Regelwerke zurückgreifen. Wichtig sind insbesondere die vier Genfer Ab- kommen vom 12. August 1907 (GA) 6 und ihre Zu- Private Sicherheits- und Militärfirmen Ihre Stellung im humanitären Völkerrecht und die Verantwortlichkeit bei von ihnen begangenen Völkerrechtsverletzungen Leandra Marti* Private Sicherheits- und Militärfirmen wie z.B. Blackwater (heute Xe) 1 , Dyncorp 2 oder ArmourGroup 3 sind nach dem Kalten Krieg aufgekommen, fast auf der ganzen Welt tätig und übernehmen in verschiedenen Ländern bereits Aufgaben, die eigentlich Sache der nationalen Armee oder der nationalen Polizei wären. Solche Firmen werden von Staaten angestellt oder auch von Privaten. Oft werden solche Firmen bzw. deren Mitarbeiter in Kampfhandlungen verwickelt. Nun stellt sich die Frage, inwiefern private Sicherheits- und Militärfirmen (eng- lisch « Private military and security companies », kurz PMSC) dem (humanitären) Völkerrecht unterstehen und was passiert, wenn bei einem Einsatz einer solchen Firma von ihren Angestellten ein Völkerrechtsverbrechen verübt wird, bzw. das humanitäre Völkerrecht nicht eingehalten wird.   *  MLaw. Dieser Aufsatz ist die gekürzte Version einer Master- arbeit mit demselben Titel, welche 2009/10 an der juristi- schen Fakultät der Universität Basel geschrieben wurde. An dieser Stelle geht ein grosser Dank an Frau Prof. Dr. Anne Peters für die Betreuung der Arbeit und ihre Bemühungen.   1  Vgl. dazu: http://www.xecompany.com.   2  Vgl. dazu: http://www.dyn-intl.com.   3  Vgl. dazu: http://www.armourgroup.com.  4 Montreux-Dokument vom 17. September 2008 (UN Doc A/63/467, S/2008/636). Vgl. dazu: http://www.eda.admin.ch/ eda/de/home/topics/intla/humlaw/pse/psechi.html.   5  Vgl. GEORG PFEIFFER, Privatisierung des Krieges? – Zur Rolle von privaten Sicherheits- und Militärfirmen in be- waffneten Konflikten, Staatsdiskurse Band 6, Franz Steiner Verlag, Stuttgart, 2009, 62: das Buch wurde zwar erst 2009 herausgegeben, PFEIFFER hat aber noch nicht auf das Mon- treux-Dokument verwiesen.   6  Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der bewaffneten Kräfte im Felde (I. GA; SR 0.518.12); Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zur Verbesserung des Loses der Ver- wundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der bewaffneten Kräfte zur See (II. GA; SR 0.518.23); Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über die Behandlung der Kriegsge- fangenen (III. GA; SR 0.518.42); Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten (IV. GA; SR 0.518.51).

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Private Sicherheits- und Militärfirmen

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I. Was sind private Sicherheits- und Militärfirmen?

Private Sicherheits- und Militärfirmen (PMSC) sind Firmen, die militärische Dienstleistungen anbieten und quasi von jedermann angeheuert werden kön-nen. Sowohl Private wie auch Staaten können sie in ihre Dienste nehmen.

II. Inwiefern unterstehen die PMSC dem humanitären Völkerrecht?

PMSC stellen völkerrechtlich vor allem ein Problem dar, wenn sie in Kampfhandlungen verwickelt wer-den. Wichtig ist also das humanitäre Völkerrecht, das « Recht im Krieg ».

1. Die Regelung nach Genfer und Haager Recht

Bis zur Unterzeichnung des Montreux-Dokumen-tes4 vom 17. September 2008 gab es überhaupt keine international gültige, verbindliche und explizit auf PMSC anwendbare Regelung5. Man musste (und muss auch noch heute) auf bereits bestehende allge-meine Regelwerke zurückgreifen.

Wichtig sind insbesondere die vier Genfer Ab-kommen vom 12. August 1907 (GA)6 und ihre Zu-

Private Sicherheits- und MilitärfirmenIhre Stellung im humanitären Völkerrecht und die Verantwortlichkeit bei von ihnen begangenen Völkerrechtsverletzungen

Leandra Marti*

Private Sicherheits- und Militärfirmen wie z.B. Blackwater (heute Xe)1, Dyncorp2 oder ArmourGroup3 sind nach dem Kalten Krieg aufgekommen, fast auf der ganzen Welt tätig und übernehmen in verschiedenen Ländern bereits Aufgaben, die eigentlich Sache der nationalen Armee oder der nationalen Polizei wären. Solche Firmen werden von Staaten angestellt oder auch von Privaten. Oft werden solche Firmen bzw. deren Mitarbeiter in Kampfhandlungen verwickelt. Nun stellt sich die Frage, inwiefern private Sicherheits- und Militärfirmen (eng-lisch « Private military and security companies », kurz PMSC) dem (humanitären) Völkerrecht unterstehen und was passiert, wenn bei einem Einsatz einer solchen Firma von ihren Angestellten ein Völkerrechtsverbrechen verübt wird, bzw. das humanitäre Völkerrecht nicht eingehalten wird.

  *  MLaw. Dieser Aufsatz ist die gekürzte Version einer Master-arbeit mit demselben Titel, welche 2009/10 an der juristi-schen Fakultät der Universität Basel geschrieben wurde. An dieser Stelle geht ein grosser Dank an Frau Prof. Dr. Anne Peters für die Betreuung der Arbeit und ihre Bemühungen.

  1  Vgl. dazu: http://www.xecompany.com.  2  Vgl. dazu: http://www.dyn-intl.com.  3  Vgl. dazu: http://www.armourgroup.com.  4 Montreux-Dokument vom 17. September 2008 (UN Doc

A/63/467, S/2008/636). Vgl. dazu: http://www.eda.admin.ch/eda/de/home/topics/intla/humlaw/pse/psechi.html.

  5  Vgl. GeorG Pfeiffer, Privatisierung des Krieges? – Zur Rolle von privaten Sicherheits- und Militärfirmen in be-waffneten Konflikten, Staatsdiskurse Band 6, Franz Steiner Verlag, Stuttgart, 2009, 62: das Buch wurde zwar erst 2009 herausgegeben, Pfeiffer hat aber noch nicht auf das Mon-treux-Dokument verwiesen.

  6  Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der bewaffneten Kräfte im Felde (I. GA; SR 0.518.12); Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zur Verbesserung des Loses der Ver-wundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der bewaffneten Kräfte zur See (II. GA; SR 0.518.23); Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über die Behandlung der Kriegsge-fangenen (III. GA; SR 0.518.42); Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten (IV. GA; SR 0.518.51).

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satzprotokolle (ZP; v.a. das erste, ZP I), die Haager Landkriegsordnung (HLKO)7, und die ILC-Artikel zur Staatenverantwortlichkeit8.

Im humanitären Völkerrecht wird zwischen Kom-battanten und Zivilisten unterschieden (vgl. Art. 48 ZP I). Dies ist der jeweils primäre Status einer Per-son in einem Konfliktgebiet, dem ein sekundärer Status (z.B. der Kriegsgefangenen-Status) folgen kann. Daneben kommt für Angehörige von privaten Sicherheits- und Militärfirmen auch der Status als Söldner infrage.

1.1.  Söldner

Nicht selten werden Angestellte von privaten Si-cherheits- und Militärfirmen auch als « moderne Söldner » bezeichnet9 oder zumindest mit Söldnern verglichen. Gemäss Art. 47 Abs. 1 ZP I hat ein Söld-ner weder Anspruch auf den Kombattanten- noch auf den Zivilisten-Status10.

Im Bereich des Genfer Rechts werden Söldner in Art. 47 Abs. 2 ZP I definiert. Diese sechs Vorausset-zungen müssen kumulativ erfüllt sein, damit jemand als Söldner angesehen werden kann11. Diese Defini-tion ist sehr eng gefasst und hat deswegen generell und auch in Bezug auf PMSC kaum praktische Be-deutung12.

1.2. Kombattanten

Der Kombattanten-Status wird durch Art. 43 Abs. 2 ZP I, in Art. 50 Abs. 1 ZP I i.V.m. Art. 4 A Abs. 1, 2, 3, und 6 III. GA sowie im ersten Abschnitt der HLKO geregelt.

Kombattanten sind gemäss Art. 43 Abs. 2 ZP I An-gehörige der Streitkräfte im bewaffneten Konflikt13. Es gibt aber Ausnahmen: Art. 43 Abs. 2 ZP I ver-weist auf Art. 33 III. GA und besagt, dass das dort bezeichnete Sanitäts- und Seelsorgepersonal der Streitkräfte keinen Kombattantenstatus hat.

Kombattanten sind gemäss Art. 43 Abs. 2 ZP I be-rechtigt, unmittelbar an Kampfhandlungen teilzu-nehmen, und stellen auch legitime Ziele für gegneri-sche militärische Operationen dar14. Solange sie sich an das humanitäre Völkerrecht halten und inner-halb einer klaren Kommandostruktur handeln, droht ihnen keine strafrechtliche Verfolgung für das, was sie im Rahmen ihrer Kampfhandlungen tun15.

Insbesondere müssen sich Kombattanten gemäss Art. 44 Abs. 3 ZP I klar erkennbar von der Zivilbe-völkerung unterscheiden. Dies tun sie schon seit je-her mit der Uniform.

Der Sinn und Zweck, Kombattanten und Zivilis-ten im bewaffneten Konflikt zu unterscheiden, liegt darin, dass Angehörige einer Armee als Staatsor-gane gesehen werden, denn nur Personen die in Or-ganfunktion für Völkerrechtssubjekte handeln, kön-nen ordentliche Streitkräfte sein (vgl. Art. 43 Abs. 1 ZP I). Wenn Kombattanten von der gegnerischen Partei gefangen genommen werden, wird erwartet, dass sie vom Kriegsgefangen-Status profitieren, wel-

  7  Anlage « Ordnung der Gesetze und Gebräuche des Land-kriegs » (Haager Landkriegsordnung, HLKO) zum Ab-kommen vom 18. Oktober 1907 betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs (SR 0.515.112).

  8  ILC, « Report of the International Law Commission on the work of its fifty-third session (23 April – 1 June and 2 July – 10 August) » UN Doc A/56/10. Vgl. dazu: http://untreaty.un.org/ilc/reports/2001/2001report.htm.

  9 Vgl. SchweizeriScher friedenSrat, Das Geschäft mit dem Krieg, Private Sicherheits- und Militärfirmen – eine Gefahr für die Menschenrechte, Zürich, 2007, 3.

10 Vgl. françoiSe Bouchet-Saulnier, The practical guide to humanitarian law, second edition, edited and translated by Laura Brav and Clémentine Olivier, Rowman & Littlefield Publishers, inc., Lanham, Maryland, 2007, 265 f.

11  leSlie c. Green, The contemporary law of armed conflict, third edition, Melland Schill Studies in International law, Manchester University Press, Manchester, 2008, 140; vgl. auch Knut iPSen, Völkerrecht, 8. Aufl., Verlag C.H. Beck, München, 2004, 1250; Yoram dinStein, The Conduct of Hostilities under the Law of International Armed Conflict, Cambridge University Press, Cambridge, 2004, 51.

12  hanS-Peter GaSSer, Humanitäres Völkerrecht – Eine Einführung, Schulthess Juristische Medien AG, NOMOS, Zürich, Basel, Genf, 2007, 76, chriStian Schaller, Private Sicherheits- und Militärfirmen in bewaffneten Konflikten, Völkerrechtliche Einsatzbedingungen und Kontrollmög-lichkeiten, SWP-Studie, Berlin, 2005, 9.

13  Vgl. Knut iPSen, Combatants and non-combatants, in: Die-ter Fleck (Hrsg.), The Handbook of International Humani-tarian Law, second edition, Oxford University Press, Ox-ford, 2008, 85.

14  Vgl. GaSSer (Fn. 12), 73 ff.; chriStian Schaller, Private Mi-litärfirmen, Friedenssicherung und Konfliktmanagement – Berührungspunkte mit dem Völkerrecht, in: Feichtinger, Wal-ter / Braumandl, Wolfgang / Kautny, Nieves-Erzsebet (Hrsg.), Private Sicherheitsfirmen, Konkurrenten – Partner – Toten-gräber?, Böhlau Verlag, Wien, Köln, Weimar, 2008, 96.

15  Vgl. Bouchet-Saulnier (Fn. 10), 43 ff.

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cher in Art. 44 ZP I zu den GA und im III. GA gere-gelt wird.

Gemäss Art. 4 III. GA und Art. 44 Abs. 1 ZP I sind in erster Linie Kombattanten, die in gegnerische Ge-fangenschaft geraten, Kriegsgefangene. Das Recht auf Kriegsgefangenen-Status ist für Kombattanten absolut und kann nicht verwirkt werden (Art. 44 Abs. 2 ZP I)16. Nach Art. 45 Abs. 1 ZP I gilt zudem die Vermutung, dass jemand, der an Feindseligkeiten teilnimmt und im Rahmen dieser gefangen genom-men wird, ein Kriegsgefangener ist und deshalb durch das III. GA geschützt ist. Diese Vermutung gilt so lange, bis ein zuständiges Gericht über den Status der entsprechenden Person entschieden hat17.

Da Art. 50 Abs. 1 ZP I beschreibt, dass die in Art. 4 A Abs. 1, 2, 3 und 6 III. GA aufgelisteten Personen keine Zivilisten sind, sind sie folglich Kombattanten. Das heisst, gemäss Art. 4 A Abs. 1, 2, 3 und 6 III. GA gibt es vier Kategorien von Kombattanten18:

Kombattanten gemäss Art. 4 A Abs. 1 III. GA bzw. Art. 1 Abs. 2 HLKO sind Angehörige von regulären Streitkräften einer am Konflikt beteiligten Partei oder von Milizen und Freiwilligenkorps, die diesen regulären Kräften angehören. Nur Staaten und an-dere Völkerrechtssubjekte können Parteien eines bewaffneten Konflikts sein. Ein Völkerrechtssub-jekt kann nur durch seine Organe handeln, die für den entsprechenden Zweck bestimmt sind. Für Konflikte ist dies in der Regel die Armee19.

Um als Kombattanten gemäss Abs. 1 des erwähn-ten Artikels zu gelten, müssten die PMSC also per Hoheitsakt in die regulären Streitkräften integriert sein20. Diese Firmen werden in der Regel aber per Vertrag beauftragt – was mehr ihren wirtschaftli-chen Interessen entspricht – und nicht per Hoheits-akt in staatliche Truppen integriert. Die Firmen sind dem Staat als Vertragspartner nicht untergeordnet, sondern gleichgestellt21. Da sie nicht (fast nie, wenn überhaupt je) formell in die staatlichen Kräfte ein-gegliedert sind22, können sie nicht als Staatsorgane handeln. Angehörige von PMSC sind folglich (in al-ler Regel) keine Kombattanten im Sinne von Art. 4 A Abs. 1 III. GA.

Gemäss Art. 4 A Abs. 2 III. GA bzw. Art. 1 Abs. 1 HLKO können auch Angehörige  anderer  Milizen oder  Freiwilligenkorps sowie solche organisierter Widerstandsbewegungen, die zu einer Konfliktpar-tei gehören aber nicht in diese integriert sind23, Kombattanten-Status haben, auch wenn sie organi-

satorisch von den Streitkräften getrennt sind24. Dazu reicht eine De-facto-Beziehung zwischen den ent-sprechenden Milizen bzw. Freiwilligenkorps und der Konfliktpartei25.

Grundsätzlich weisen PMSC eine eigene interne Organisation auf und können somit, sofern Kampf-handlungen zu ihren Aufgaben gehören, als Milizen oder Freiwilligenkorps im Sinne von Art. 4 A Abs. 2 III. GA angesehen werden. Zumal sie durch die ver-tragliche Verbindung mit dem Staat als zu diesem gehörend anzusehen sind.

Ob die Angestellten der Firmen als Kombattanten zu qualifizieren sind, bestimmt sich dann nach den vier Voraussetzungen von Art. 4 A Abs. 2 lit. a bis d III. GA26.

16  Vgl. GaSSer (Fn. 12), 74. 17  Vgl. Green (Fn. 11), 136. 18  Vgl. Bouchet-Saulnier (Fn. 10), 44 f.19  Knut iPSen, Combatants and non-combatants, in: Fleck

(Fn. 13), 81 und 85.20  emanuela-chiara Gillard, Business goes to war: private

military/security companies and international humanita-rian law, in: International Review of the Red Cross, Vol. 88, number 863, September 2006, 525, 534; reGina BuSS, Der Kombattantenstatus, Die kriegsrechtliche Entstehung ei-nes Rechtsbegriffs und seine Ausgestaltung in Verträgen des 19. und 20. Jahrhunderts, UVB – Universitätsverlag Dr. N. Brockenmeyer, Bochum, 1992, 200.

21  Schaller (Fn. 12), 10. 22  e.l. GaSton, Mercenarism 2.0? The Rise of the Modern

Private Security Industry and Its Implication for Internati-onal Humanitarian Law, in: Harvard Law Journal, 2008, 221, 237; louiSe doSwald-BecK, Private military compa-nies under international humanitarian Law, in: Simon Chesterman / Chia Lehnardt (Hrsg.), From Mercenaries to Market, the Rise and Regulation of Private Military Com-panies, Oxford University Press, New York, 2007, 118; lindSeY cameron, Private military companies: their status under international humanitarian law and its impact on their regulation, in: International Review of the Red Cross, Vol. 88, number 863, September 2006, 537, 583.

23  Vgl. GaSSer (Fn. 12), 75.24  Vgl. Schaller (Fn. 12), 10; louiSe doSwald-BecK, Private

military companies under international law, in: Chester-man / Lehnardt (Fn. 22), 118 f.

25  Geneva Conventions of 12 August 1949., Convention (III) relative to the Treatment of Prisoners of War. Geneva, 12 August 1949. Commentaries http://www.icrc.org/IHL.NSF/CONVPRES?OpenView, 57.

26  Vgl. GaSSer (Fn. 12), 75; Bouchet-Saulnier (Fn. 10), 45; Schaller (Fn. 12), 10.

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Lit. a verlangt zunächst eine für ihre Untergebe-nen verantwortliche Person an der Spitze. Es ist kaum denkbar, dass das Erfordernis der Person an der Spitze von privaten Sicherheits- und Militärfir-men formell nicht erfüllt wird. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass solche Personen oft nicht qualifiziert sind, die Einhaltung des humanitären Völkerrechts innerhalb ihrer Gruppe zu überwa-chen und durchzusetzen27.

Kombattanten müssen nach lit. b ein bleibendes und von Weitem erkennbares Zeichen, also eine Uniform tragen. Wie die Erfahrungen in Afghanis-tan und im Irak gezeigt haben, tragen die Angestell-ten von PMSC keine einheitliche Kleidung, die sie klar von Mitgliedern der regulären Streitkräften oder Zivilisten unterscheiden würde28.

Gemäss lit. c müssen Kombattanten ihre Waffen of-fen tragen. Gewisse Angestellte von privaten Sicher-heits- und Militärfirmen tragen ihre Waffen offen (wenn sie denn Waffen tragen), andere tun dies nicht29.

Schliesslich verlangt lit. d die Einhaltung « der Ge-setze und Gebräuche des Krieges », also des huma-nitären Völkerrechts. Hier müsste im Einzelfall ge-prüft werden, ob das humanitäre Völkerrecht von einer privaten Sicherheits- und Militärfirma einge-halten wird (z.B. anhand dessen, ob es interne Schu-lungen zum humanitären Völkerrecht, Sanktionie-

rungen bei Verletzungen desselben etc. gibt). Ob die Angestellten von privaten Sicherheits- und Militär-firmen die Regeln des humanitären Völkerrechts einhalten, dürfte generell schwer festzustellen sein und ist schon gar nicht auf den ersten Blick erkenn-bar. Unter anderem weil selten auf den ersten Blick erkennbar ist, welchen Status die Angestellten ha-ben und zu welcher Partei sie gehören30.

Bei Abs. 3 des Art. 4 A III. GA geht es um Streit-kräfte einer vom Gegner nicht anerkannten Regie-rung oder Behörde. Hier besteht dasselbe Problem wie bei Art. 4 A Abs. 1 III. GA31. Er ist analog zu beurteilen.

Bei der levée en masse gemäss Art. 4 A Abs. 6 III. GA lehnt sich die Bevölkerung eines zuvor unbe-setzten Gebiets spontan aus eigenem Antrieb gegen Invasionstruppen auf, ohne dass sie vorher Zeit ge-habt hätte, sich zu organisieren32.

Angehörige von privaten Sicherheits- und Mili-tärfirmen können keine Kombattanten nach Art. 4 A Abs. 6 III. GA sein, da sie nicht einer Bevölke-rung eines unbesetzten Gebietes angehören, das plötzlich angegriffen wird33.

Angestellte privater Sicherheits- und Militärfirmen sind folglich, auch wenn sie effektiv an Kampfhand-lungen teilnehmen, im Regelfall keine Kombattan-ten. Eine Integration in die staatlichen Streitkräfte (Art. 4 A Abs. 1 und 3 III. GA) ist für die Firmen (u.a. aus ökonomischer Sicht) nicht attraktiv34 und auch der andere denkbare Fall eines Freiwilligenkorps (Art. 4 A Abs. 2 III. GA) scheitert in der Praxis an den dortigen Zusatzvoraussetzungen lit. a bis d.

1.3.  Zivilisten

Zivilisten werden in Art. 50 ZP I definiert und sind das Gegenteil von Kombattanten. Sie sind nicht Mitglieder von Streitkräften und haben kein Recht, an Kampfhandlungen teilzunehmen (sie verlieren sonst ihre Immunität und dürfen strafrechtlich be-langt werden). Sie dürfen aber auch nicht angegrif-fen werden (Art. 51 Abs. 2 ZP I; bei einem Angriff haben sie ein Selbstverteidigungsrecht35).

Zivilisten dürfen einzig dann an Kampfhandlun-gen teilnehmen, wenn es im Rahmen einer levée en masse gemäss Art. 4 A Abs. 6 III. GA stattfindet.

Nach humanitärem Völkerrecht ist jede Person grundsätzlich Kombattant oder Zivilist36, es gibt kein Zwischending.

27  Vgl. louiSe doSwald-BecK, Private military companies un-der international law, in: Chesterman / Lehnardt (Fn. 22), 121.

28  Gillard (Fn. 20), 535; siehe dazu auch nicKi Boldt, Out-sourcing War – Private Military Companies and Internatio-nal Humanitarian Law, in: German Yearbook of Interna-tional Law – Jahrbuch für internationales Recht, Vol. 47, Duncker & Humblot, Berlin, 2004, 502, 530 ff.

29 Vgl. Gillard (Fn. 20), 535.30 Vgl. Gillard (Fn. 20), 535.31 Vgl. dazu Convention (III) relative to the Treatment of Pri-

soners of War. Geneva, 12 August 1949 (Fn. 25), Commen-taries, 61.

32  Vgl. Knut iPSen, Combatants and non-combatants, in: Fleck (Fn. 13), 93 f.; GaSSer (Fn. 12), 76 und 112.

33  Vgl. louiSe doSwald-BecK, Private military companies under international humanitarian Law, in: Chester-man / Lehnardt (Fn. 22), 118.

34  Vgl. Schaller (Fn. 12), 10.35  Vgl. Knut iPSen, Combatants and Non-Combatants, in:

Fleck (Fn. 13), 103.36  Vgl. louiSe doSwald-BecK, Private military companies

under international humanitarian Law, in: Chesterman /

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Da Angestellte von PMSC zum allergrössten Teil keine Kombattanten sind, müssen diese eigentlich alle als Zivilisten gelten37. Dennoch ist das nicht ganz so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint.

Bei den Angestellten von Firmen, die z.B. nur lo-gistische Aufgaben oder Wartungen übernehmen und nicht am Kampfgeschehen teilnehmen, ihre An-gestellten womöglich nicht einmal bewaffnen, han-delt es sich klar um Zivilisten, die als solche nach Art. 50 ff. ZP I und dem IV. GA geschützt sind. Bei den übrigen Firmen ist bereits der Söldner-Status sowie der Kombattanten-Status weggefallen. Das bedeutet, sie sind Zivilisten, die nach den oben er-wähnten Artikel geschützt sind und sich grundsätz-lich nicht an Kampfhandlungen beteiligen dürfen38. Wenn man die Angestellten solcher Firmen als Zivi-listen qualifiziert, stellt sich die Frage, was geschieht, wenn sie eben doch an Kampfhandlungen teilneh-men, was bei gewissen Firmen ja gerade Sinn und Zweck ihrer Anstellung ist. Haben sie im Fall einer Gefangennahme während eines internationalen Konflikts39 das Recht auf den Kriegsgefangenen-Status?

Wie bereits ausgeführt, haben in der Regel nur Kombattanten im Falle einer Gefangennahme durch die gegnerische Partei Anspruch auf den Kriegsge-fangenen-Status. Ausgenommen sind Zivilisten ge-mäss Art. 4 A Abs. 4 III. GA40.

Das bedeutet, dass Angestellte von PMSC nur ein Recht auf Kriegsgefangenen-Status haben, wenn sie « den bewaffneten Kräften folgen ». Die meisten sol-cher Firmen sind nicht genügend in die staatlichen Truppen integriert, als dass sie als Kombattanten ge-sehen werden könnten. In diesem Fall müssten sie jedoch vom Wortlaut her nicht Angehörige der Streitkräfte sein, sondern diesen lediglich « folgen, ohne ihnen direkt anzugehören ». Firmen, die z.B. staatlichen Streitkräften Material liefern oder sie in anderer Weise unterstützen, ohne selbst am Kampf-geschehen teilzunehmen, haben immer einen Ver-trag mit dem entsprechenden Staat. Sie müssen also den Streitkräften « folgen » um ihrem Auftrag nachzu-kommen. Deshalb sollten Angestellte, die Funktionen wahrnehmen, die von Art. 4 A Abs. 4 III. GA erfasst sind, auch Anrecht auf Kombattanten-Status haben, wenn sie gefangen genommen werden sollten41.

Angestellte von PMSC, die für den Personen- oder Objektschutz angestellt wurden, sind keine Mitglieder der ordentlichen Streitkräfte, daher

keine Kombattanten und dürfen deshalb nicht an Kampfhandlungen teilnehmen. Personen- und Ob-jektschutz bedarf es aber in der Regel genau dort, wo die Gefahr besteht, dass jemand oder etwas an-gegriffen wird. Die PMSC sind genau für diesen Fall engagiert worden und müssen deshalb einen allfälli-gen Angriff abwehren. Sie nehmen also in diesem Fall zwangsläufig an Kampfhandlungen teil.

Art. 48 und 52 ZP I besagen, dass keine zivilen Objekte angegriffen oder zum Gegenstand von Re-pressalien gemacht werden dürfen. Militärische Ob-jekte (definiert in Art. 52 Abs. 2 ZP I) hingegen dür-fen angegriffen werden. Das hat zur Folge, dass PMSC unterschiedlich betrachtet werden müssen, je nach dem, ob sie zivile oder militärische Objekte schützen. Schützen sie zivile Objekte, haben die An-gestellten der Firmen grundsätzlich das Recht, sich (und die von ihnen zu schützenden Objekte) zu ver-teidigen und können sich auf das Notwehr- und Not-hilferecht berufen, da der Angriff illegal ist. Schüt-zen die Firmen aber militärische Objekte, können die Angestellten sich nicht auf dieses Recht berufen, denn die Angriffe sind grundsätzlich erlaubt42.

Zudem gilt für alle Personen, die an Feindselig-keiten teilgenommen haben, gemäss Art. 45 Abs. 1 ZP I (als Ergänzung zu Art. 4 A Abs. 6 III. GA) die Vermutung, dass diese Personen bei Gefangen-nahme Kriegsgefangene sind und nach dem III. GA geschützt werden43. So kann Zivilisten vorsorglich

Lehnardt (Fn. 22), 116; Knut iPSen, Combatants and non-combatants, in: flecK (Fn. 13), 79.

37 Vgl. cameron (Fn. 22), 587; chriStian Schaller, Private Militärfirmen, Friedenssicherung und Konfliktmanage-ment – Berührungspunkte mit dem Völkerrecht, in: Feich-tinger / Braumandl / Kautny (Fn. 14), 97.

38  Vgl. hierzu Gillard (Fn. 20), 539.39  Vgl. louiSe doSwald-BecK, Private military companies

under international humanitarian Law, in: Chester-man / Lehnardt (Fn. 22), 118.

40  Vgl. hierzu Knut iPSen, Combatants and non-combatants, in: Fleck (Fn. 13), 99 ff.

41  Vgl. louiSe doSwald-BecK, Private military companies under international humanitarian Law, in: Chester-man / Lehnardt (Fn. 22), 124.

42  Vgl. chriStian Schaller, Private Militärfirmen, Friedens-sicherung und Konfliktmanagement – Berührungspunkte mit dem Völkerrecht, in: Feichtinger / Braumandl / Kautny (Fn. 14), 101 f.

43  Bouchet-Saulnier (Fn. 10), 46.

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das Privileg einer Kriegsgefangenschaft gewährt werden. Somit besteht genug Zeit, um abzuklären, welcher Status den Gefangenen nach humanitärem Völkerrecht zukommt.

1.4.  Zwischenfazit

Zusammenfassend gilt: Angestellte privater Sicher-heits- und Militärfirmen sind in aller Regel Zivilis-ten44.

Es kommt immer darauf an, welche Dienstleistun-gen eine Firma im konkreten Fall für wen erbringt, um klar festzustellen, welche Rechte ihre Angestell-ten im Konfliktfall haben45.

2. Die Regelung durch das Montreux-Dokument

2.1.  Entstehung und Rechtscharakter  des Dokuments

Das Montreux-Dokument ist das Resultat einer Ini-tiative der Schweiz und des Internationalen Komi-tees des Roten Kreuzes, die im Januar 2006 gestartet wurde und das Ziel hatte, die völkerrechtlichen Ver-pflichtungen von privaten Militär- und Sicherheits-firmen, welche in bewaffneten Konflikten im Ein-satz stehen, festzuhalten46. Es wurde am 17. September 2008 von 17 Staaten47 unterzeichnet.

Die Ziele der Initiative waren:

n die Förderung des zwischenstaatlichen Dialogs bezüglich der Problematik mit den privaten Si-cherheits- und Militärfirmen;

n Klärung der völkerrechtlichen Verpflichtungen der Staaten und der übrigen Akteure in diesem Bereich;

n Modelle für rechtliche Regelungen und Hand-lungsmöglichkeiten auszuarbeiten;

n Unterstützung der Staaten durch die Ausarbei-tung von Empfehlungen und Richtlinien auf der Basis der bereits bestehenden Verpflichtungen48.

Das Montreux-Dokument ist kein bindender Ver-trag, sondern Soft Law (vgl. im « Preface » unter Punkt 3) So wird jeweils in der Introduction der bei-den Teile darauf hingewiesen, dass das Dokument keine rechtlichen Verpflichtungen aufstelle.

2.2.  Struktur und Inhalt

Das Montreux-Dokument ist in zwei Teile gegliedert: Im ersten Teil sind « pertinent international legal

obligations relating to private military and security companies » enthalten. Im zweiten Teil werden « good practices relating to private military and secu-rity companies » aufgelistet.

Bezüglich der « legal obligations » wird unterschie-den zwischen « Contracting States », « Territorial Sta-tes », « Home States », « All other States », « PMSC and their personnel » und « Superiors ». « Good practices » werden nur für Contracting, Territorial und Home States vorgeschlagen.

Contracting  States sind Staaten, die PMSC ver-traglich in ihre Dienste nehmen49. Das Montreux-Dokument hält als Erstes fest, dass diese Staaten ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen auch dann nachzukommen haben, wenn sie PMSC engagieren (Part One, A.1.).

Folgende Verpflichtungen hält das Dokument im ersten Teil für diese Staaten fest:

n Sie dürfen keine PMSC anheuern um Dinge zu verrichten, die gemäss humanitärem Völkerrecht explizit dem Staat vorbehalten sind (A.2.).

n Sie müssen (u.a. mit der entsprechenden Gesetz-gebung) sicherstellen, dass engagierte Firmen das humanitäre Völkerrecht einhalten (A.3. und A.4.).

n Die Staaten haben die Verpflichtung, die notwendi-gen Gesetze zu erlassen, um Personen, die gegen die GA oder das ZP I verstossen, strafrechtlich zu ver-

44  Vgl. Schaller (Fn. 12), 10; GaSSer (Fn. 12), 82; Gillard (Fn. 20), 539 ff.; cameron (Fn. 22), 587 ff.

45  Vgl. dazu StePhan hoBe, Einführung in das Völkerrecht (begründet von Otto Kimminich), 9. Aufl., A. Francke Ver-lag, UTB, Tübingen, 2008, 609.

46  Vgl. Letter dated 2 October 2008 from the Permanent Re-presentative of Switzerland to the United Nations addressed to the Secretary-General.

47  Afghanistan, Angola, Australien, Kanada, China, Frank-reich, Irak, Österreich, Polen, Sierra Leone, Süd-Afrika, Schweden, Schweiz, Vereinigtes Königreich von Grossbri-tannien und Nordirland, Ukraine, Vereinigte Staaten von Amerika.

48  Workshop über private Militär- und Sicherheitsunterneh-men für Regierungsexperten und Branchenvertreter, 16. – 17. Januar 2006, Zürich, Schweiz, Zusammenfassung des Vorsitzes vom 1. September 2006, Paul SeGer, als down-load unter http://www.eda.admin.ch/eda/de/home/topics/intla/humlaw/pse/psechi.html.

49  « Preface » zum Montreux-Dokument, Punkt 9 lit. c.

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folgen (A.5.) und gleichzeitig gegen Personen, die unter Verdacht stehen, gegen das Völkerrecht ver-stossen zu haben, zu ermitteln und sie gegebenen Falls auszuliefern oder vor Gericht zu stellen (A.6.).

n Sie sind für Völkerrechtsverletzungen durch PMSC verantwortlich, sofern ihnen diese Verletzungen gewohnheitsrechtlich zurechenbar sind (A.7.) und haben Entschädigung anzubieten (A.8.).

Im zweiten Teil des Dokuments werden für Contrac-ting States unter Abschnitt A « Good practices » vor-geschlagen, bezüglich der genauen Definition der (erlaubten und nicht erlaubten) Dienstleistungen von PMSC (I.), des Verfahrens und der Kriterien bei der Auswahl einer Firma (II. und III.), der Vertrags-bestimmungen (IV.) und der Sicherstellung der Ein-haltung der nationalen und internationalen gesetzli-chen Rahmenbedingungen (V.).

Territorial States sind jene Staaten, auf deren Ter-ritorium PMSC operieren50.

Das Montreux-Dokument hält für Territorial Sta-tes in den Punkten B.9. bis B.12. dieselben Verpflich-tungen fest wie für Contracting States gemäss den Punkten A.3. bis A.6.

Im Falle einer Besetzung gelten die Verpflichtun-gen der Territorial States nur in dem Gebiet, über welches sie noch die effektive Kontrolle ausüben können (B.13.)

Die « Good practices » für Territorial States werden unter Abschnitt B des zweiten Teils des Dokuments festgehalten. Sie beziehen sich auf die Definition der Dienstleistungen auf ihrem jeweiligen Territorium sowie auf klare Regelungen derselben (I. und VI.), die Autorisierung gegenüber privaten Sicherheits- und Militärfirmen auf ihrem Territorium Dienstleis-tungen zu erbringen (II. bis V.) und die Sicherstellung der Einhaltung der nationalen und internationalen gesetzlichen Rahmenbedingungen (VII.).

Mit Home  States sind die Staaten gemeint, deren Nationalität die PMSC besitzen bzw. « where a PMSC is registered or incorporated ». Wenn der Hauptsitz ei-ner privaten Sicherheits- oder Militärfirma nicht an dem Ort ist, an dem sie « registered or incorporated » ist, gilt der Ort ihres Hauptsitzes als « Home State »51.

Unter Teil eins Abschnitt C Punkte 14. bis 17. hält das Montreux-Dokument sinngemäss dieselben Verpflichtungen für Home States fest, wie für Con-tracting States unter A.3. bis A.6.

Für Home States wird im zweiten Teil des Doku-ments unter Abschnitt C ebenfalls zunächst die De-

finition der Dienstleistungen empfohlen. Ab Punkt 54 bis zum Schluss des Dokuments werden Empfeh-lungen bezüglich der Einführung eines Autorisie-rungssystems sowie des Verfahrens und der Krite-rien der Autorisierung gemacht.

All other States sind alle übrigen Staaten, die weder Sitzstaaten der PMSC sind noch Firmen angeheuert oder auf ihrem Territorium im Einsatz haben. Ihre Ver-pflichtungen werden in Teil eins, Abschnitt D Punkte 18. bis 21. aufgeführt. Sie sind in den Grundzügen iden-tisch mit den Verpflichtungen der Home States.

« PMSC and their personnel » meint die Firmen selbst und ihre Angestellten.

Die PMSC haben sich nach Abschnitt E Punkt 22 des ersten Teils des Montreux-Dokuments an das humanitäre Völkerrecht sowie die Menschenrechte zu halten, die durch das nationale Recht auf sie an-wendbar sind. Ausserdem haben sie und ihre Ange-stellten das jeweilige nationale Recht des Staates, in dem sie im Einsatz sind, zu beachten (E.23.).

Der Status der Angestellten bestimmt sich gemäss E.24. von Fall zu Fall, je nach Umständen. Werden sie als Zivilisten nach humanitärem Völkerrecht qualifiziert – so wird explizit festgehalten –, sollen sie nicht Ziele eines Angriffs sein, ausser sie nehmen selbst direkt an Kampfhandlungen teil (E.25.).

Bezüglich der einzelnen Angestellten der Firmen macht das Montreux-Dokument in E.26. Ausfüh-rungen.

Die Superior Responsibility wird in Abschnitt F, Punkt 27 geregelt und betrifft die Vorgesetzten (« superiors ») der PMSC. Das Montreux-Dokument nennt namentlich Staatsbeamte (« governmental of-ficials ») – wobei es nicht zwischen militärischen und zivilen Führungspersonen unterscheidet – sowie Di-rektoren und Manager von PMSC. Diese sollen zur Verantwortung gezogen werden können, wenn An-gestellte von PMSC, die ihnen unterstehen, gegen das Völkerrecht verstossen.

2.3.  Fazit

Das Montreux-Dokument ist v.a. auf Staaten ausge-richtet und weniger auf die PMSC oder andere Private, welche solche Firmen engagieren könnten. Allerdings sind die Staaten auch die wichtigsten Völkerrechtssub-

50  « Preface » zum Montreux-Dokument, Punkt 9 lit. d.51  « Preface » zum Montreux-Dokument, Punkt 9 lit. e.

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jekte und es ist in erster Linie ihre Aufgabe, das Völ-kerrecht einzuhalten und dafür zu sorgen, dass es von allen ihren Organen etc. eingehalten wird52.

Das Dokument hat an der rechtlichen Situierung der PMSC eigentlich nicht viel geändert. Weiterhin muss von Fall zu Fall neu entschieden werden, wel-chen Status die Angestellten einer privaten Sicher-heits- oder Militärfirma haben. Das Montreux-Do-kument hält lediglich fest, wie das geschehen muss und welche Folgen der jeweilige Status haben soll.

Hinzu kommt, dass lediglich 17 Staaten unter-zeichnet haben. Immerhin sind Staaten wie die USA, das Vereinigte Königreich und Frankreich, in denen ziemlich viele PMSC beheimatet sind53, Mit-glieder des Dokuments. Ausserdem ist es Soft Law und gibt mehr Empfehlungen ab, als dass es jeman-den bindend verpflichtet. Es sieht auch keinen Durchsetzungsmechanismus vor für den Fall, dass sich ein Staat nicht an das Vereinbarte hält.

Von der Durchsetzbarkeit, der Globalität und der Verbindlichkeit her ist das Dokument also ein rela-tiv schwaches Instrument. Es ist aber immerhin ein Anfang des Versuchs, für die weltweit sehr verbrei-teten und aktiven PMSC eine gewisse völkerrechtli-che Regelung zu erlangen.

III. Wer wird haftbar bei Völkerrechtsver-letzungen, welche durch PMSC bzw. ihre Angestellten begangen werden?

1. Die Problematik

Selbst wenn sich klären lässt, welchen Status die Ange-stellten einer privaten Sicherheits- oder Militärfirma

im konkreten Fall nach humanitärem Völkerrecht haben, stellt sich doch die Frage nach der Verant-wortlichkeit, wenn z.B. Angestellte einer solchen Firma die Regeln des humanitären Völkerrechts missachten oder gar Völkerrechtsverbrechen ver-üben.

Wie bisher ausgeführt gibt es die verschiedensten PMSC. Da v.a. bei Firmen, deren Angestellte an Kampfhandlungen teilnehmen, wohl am ehesten die Gefahr besteht, dass Völkerrecht missachtet wird, wird sich der folgende Teil hauptsächlich auf sie be-ziehen.

2. Mögliche Verantwortliche

Gemäss Montreux-Dokument sind dies:

n die Staaten, welche die Firmen unter Vertrag neh-men (Contracting States),

n die Staaten, auf deren Territorium die Firmen operieren (Territorial States),

n die Staaten, in welchen die Firmen ihren Sitz ha-ben (Home States),

n die Firmen selbst, ihre Vorsitzenden und ihre An-gestellten.

2.1.  Die Haftbarkeit der Staaten  (Staatenverantwortlichkeit)

Bezüglich der Staatenverantwortlichkeit gelten für alle Staaten dieselben Voraussetzungen (egal, ob Home, Contracting oder Territorial States). Deswe-gen wird im Folgenden lediglich bei der Zurechnung der Völkerrechtsverletzungen durch PMSC unter-schieden, nicht aber bei der Aufstellung der Voraus-setzungen.

2.1.1. Relevante Rechtsquellen

Der Grundsatz, dass die Verletzung von Völkerrecht zur völkerrechtlichen Verantwortung und zu einer Wiedergutmachungspflicht führt, gilt seit Langem als Völkergewohnheitsrecht54.

Die International Law Commission hat im Rah-men ihrer Aufgaben die ILC-Artikel zur Verant-wortlichkeit der Staaten für völkerrechtswidrige Handlungen entworfen (2001 von der UNO Gene-ralversammlung in Form einer Resolution ange-nommen55). Die Artikel stellen Soft Law dar56.

52  Vgl. niKolauS Stürchler, The Swiss Initiative Comes Alive, Seventeen States Agree on How to Legally Deal With Private Security Companies, in: Journal of International Peace Ope-rations, Vol. 4, Number 3, November – December 2008, 9, 12.

53  Vgl. SinGer, Peter warren, Corporate Warriors – The Rise of the Privatized Military Industry, updated edition, Cornell University Press, Ithaca and London, 2008, 12 ff.

54  andreaS r. zieGler, Einführung in das Völkerrecht, Stämpfli Verlag AG, Bern, 2006, 129; vgl. auch hoBe (Fn. 45), 249.

55 General Assembly, fifty-sixth session, Resolution adopted by the General Assembly, Responsibility of States for in-ternationally wrongful acts, UN Doc A/RES/56/83. Vgl. dazu http://www.un.org/Depts/dhl/resguide/r56.htm.

56  Vgl. anne PeterS, Völkerrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl., Schulthess, Zürich, 2008, 342; zieGler (Fn. 54), 129.

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2.1.2. Voraussetzungen der Staatenverantwortlichkeit

Damit ein Staat den Tatbestand der völkerrechtli-chen Verantwortlichkeit erfüllt, müssen drei Voraus-setzungen erfüllt sein: es muss (1) ein tatsächliches Ereignis vorgefallen sein, das (2) dem Staat zure-chenbar und (3) rechtswidrig ist57. Gemäss den ILC-Artikeln muss weder aufseiten des Staates eine Schuld vorliegen noch ein Schaden entstanden sein (letzterer wird bereits in der Völkerrechtsverlet-zung selbst gesehen58)59.

Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit eines Staates entsteht nur gegenüber Völkerrechtssubjek-ten (z.B. andern Staaten, internationalen Organisa-tionen, dem IKRK oder dem Individuum60)61.

(1) Tatsächliches Ereignis

Beim tatsächlichen Ereignis geht es darum, dass ein « von Menschen verursachtes Geschehen rechtlich dem als Verbandseinheit strukturierten Völker-rechtssubjekt Staat » zugerechnet wird62. Das tat-sächliche Ereignis kann gemäss Art. 2 der ILC-Arti-kel ein Tun oder ein Unterlassen darstellen63.

Im Bezug auf PMSC wäre ein mögliches Beispiel, dass eine Firma von einem Staat angeheuert worden ist, um ein Kriegsgefangenen-Lager zu führen64, und im Rahmen dieser Aufgabe Kriegsgefangene von Angestellten der Firma misshandelt werden.

(2) Zurechenbarkeit

Kapitel II der ILC-Artikel regelt die « Zurechnung eines Verhaltens zum Staat ». Es unterscheidet, von wem das Verhalten ausgeht, das dem Staat zugerech-net werden soll: von seinen Staatsorganen (Art. 4), von Personen oder Stellen, die hoheitliche Befugnisse ausüben (Art. 5), von Organen, die einem Staat von einem andern Staat zur Verfügung gestellt werden (Art. 6), oder von einer aufständischen oder sonstigen Bewegung (Art. 10). Art. 11 regelt den Fall, dass ei-nem Staat ein Verhalten nicht nach den vorhergehen-den Artikeln zugerechnet werden kann, er aber das « Verhalten als seines anerkennt und annimmt ».

Bezüglich PMSC sind insbesondere die Artikel 4, 5, 7 und 8 näher zu betrachten.

Art. 4 der ILC-Artikel stellt fest, dass die Hand-lung eines staatlichen Organs immer dem Staat zu-

rechenbar ist. Das würde eine Integration (per Ho-heitsakt) von Angestellten einer privaten Firma in staatliche Streitkräfte voraussetzen65.

Wie bereits gesagt ist es kaum je der Fall, dass pri-vate Firmen in staatliche Streitkräfte integriert wer-den. Der Art. 4 der ILC-Artikel ist deshalb diesbe-züglich selten anwendbar.

Art. 5 der ILC-Artikel rechnet dem Staat das Ver-halten von Personen oder Stellen zu, die zwar keine Staatsorgane sind, jedoch dazu ermächtigt sind, « ho-heitliche Befugnisse auszuüben ». Das heisst, sie wurden nach innerstaatlichem Recht66 « formal-rechtlich zur Ausübung öffentlicher Funktionen er-mächtigt67 ». Denn der Staat haftet nicht grundsätz-lich für jedes völkerrechtswidrige Verhalten von Privatpersonen86.

Mit « Personen oder Stellen » (« persons or enti-ties ») können zum Beispiel staatliche Gesellschaf-ten, halb-staatliche Stellen oder auch Private ge-meint sein69.

Führt eine private Sicherheitsfirma ein Gefängnis, oder stellt sie auch nur Angestellte zur Bewachung zur Verfügung, übernimmt sie eine staatliche Auf-

57  Vgl. PeterS (Fn. 56), 343; in der Literatur sind auch andere Prüfungsstrukturen zu finden, z.B. bei hoBe (Fn. 45), 254.

58 Vgl. meinhard Schröder, Verantwortlichkeit, Völker-strafrecht, Streitbeilegung und Sanktionen, in: Wolfgang Graf Vitzthum, (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl., De Gruyter Recht, Berlin, 2007, 588.

59  Vgl. hoBe (Fn. 45), 251.60  Vgl. PeterS (Fn. 56), 227 und 256 ff.; hoBe (Fn. 45), 66.61  meinhard Schröder, Verantwortlichkeit, Völkerstraf-

recht, Streitbeilegung und Sanktionen, in: Vitzthum (Fn. 58), 585.

62  iPSen (Fn. 11), 636. 63  Vgl. matthiaS herdeGen, Völkerrecht, 8. Aufl., Verlag

C.H. Beck, München, 2009, 395; iPSen (Fn. 11), 636; PeterS (Fn. 56), 343.

64  Vgl. Gillard (Fn. 20), 549. 65  Gillard (Fn. 20), 554. 66  ILC, « Report to the International Law Commission on the

work of its fifty-third session » (Fn. 8), 43 (Commentary zu Art. 5).

67  PeterS (Fn. 56), 346. 68  Vgl. ILC, « Report to the International Law Commission

on the work of its fifty-third session » (Fn. 8), 47 (Commen-tary zu Art. 8).

69  ILC, « Report to the International Law Commission on the work of its fifty-third session » (Fn. 8), 43 (Commentary zu Art. 5).

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gabe70. Sie handelt im Rahmen dieses Auftrags also hoheitlich, ohne ein Staatsorgan zu sein. Eine Zure-chenbarkeit über Art. 5 der ILC-Artikel ist folglich möglich (sofern die entsprechenden Voraussetzun-gen in casu erfüllt sind). Das Problem ist, dass die Ab-grenzung von hoheitlichem Handeln zu nicht hoheit-lichem Handeln nicht immer klar feststellbar ist71.

PMSC können nur für einen Contracting State ho-heitliche Befugnisse ausüben.

Art. 6 der ILC-Artikel regelt den Fall, dass ein Or-gan, welches ein Staat A einem Staat B zur Verfü-gung stellt, Völkerrecht verletzt. Verantwortlich wäre in diesem Fall der Staat B72. Da PMSC höchst selten organschaftlich für einen Staat tätig sind, wird dieser Artikel entsprechend selten diesbezüglich zur Anwendung kommen.

Art.  8  der  ILC-Artikel rechnet dem Staat das « Verhalten einer Person oder Personengruppe » dann zu, wenn diese de facto im Auftrag des Staates oder unter seiner effektiven Kontrolle73 handelt. Da-

bei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine hoheitli-che Aufgabe handelt oder nicht74. Allerdings ist eine Handlung nur dann dem Staat zuzurechnen, wenn sie im Rahmen eines genau definierten (staatlichen) Auftrages vorgenommen wird. Das heisst, der Staat haftet nur für Handlungen, die in der Auftragsbe-schreibung enthalten sind75.

Dieser Artikel kann auch für PMSC Anwendung finden und eine Zurechnung zu einem Contracting State möglich sein.

Nach  Art.  7  der  ILC-Artikel kann Ultra-vires- (also kompetenzüberschreitendes) Handeln « eines Staatsorgans oder einer zur Ausübung hoheitlicher Befugnisse ermächtigten Person oder Stelle » dem Staat zugerechnet werden76. Das heisst zunächst, dass es sich beim Handelnden um ein Organ, eine Person oder eine Stelle im Sinne von Art. 4 oder 5 (oder 6, der hier nicht relevant ist) der ILC-Artikel handeln muss77. Die beanstandete Ultra-vires-Hand-lung muss im Rahmen des offiziellen Auftrages stattgefunden haben. Ist dies nicht der Fall, sind le-diglich die handelnden Personen haftbar78.

Handelt eine private Sicherheits- oder Militärfirma als Organ im Sinne von Art. 4 oder führt hoheitliche Befugnisse im Sinne von Art. 5 der ILC-Artikel aus, können auch ultra-vires-Handlungen gemäss Art. 7 der ILC-Artikel dem Staat zugerechnet werden, sofern sie im Rahmen des offiziellen Auftrages erfolgen79.

(3) Rechtswidrigkeit

Die Rechtswidrigkeit eines Tuns oder Unterlassens, das dem Staat zuzurechnen ist, liegt vor, wenn eine völkerrechtliche Pflicht verletzt wird (vgl. Art. 2 Abs. 2 lit. b und Art. 12 der ILC-Artikel)80. Diese Pflicht kann sich aus jeder anerkannten Völker-rechtsquelle ergeben (die gemäss Art. 13 der ILC-Artikel zum Zeitpunkt der Handlung für den Staat bereits bindend war81)82, also z.B. aus Völkerrechts-verträgen oder aus Gewohnheitsrecht83. Gemäss Art. 3 Abs. 2 der ILC-Artikel spielt es dabei keine Rolle, ob das Verhalten nach innerstaatlichem Recht als rechtmässig gilt.

(4) Zwischenfazit

Es ist möglich, das völkerrechtswidrige Verhalten von Angestellten privater PMSC jenem Staat zuzu-rechnen, der sie engagiert hat. Dabei kommt es wie-

70  Vgl. ILC, « Report to the International Law Commission on the work of its fifty-third session » (Fn. 8), 43 (Commen-tary zu Art. 5).

71  chia lehnardt, Private military companies and state res-ponsibility, in: Chesterman / Lehnardt (Fn. 22), 144.

72  Siehe dazu: ILC, « Report to the International Law Com-mission on the work of its fifty-third session » (Fn. 8), 44 (Commentary zu Art. 6).

73  herdeGen (Fn. 63), 397.74  Vgl. PeterS (Fn. 56), 346. 75  Vgl. Gillard (Fn. 20), 555; ILC, « Report to the Internatio-

nal Law Commission on the work of its fifty-third session » (Fn. 8), 47 (Commentary zu Art. 8).

76  Vgl. PeterS (Fn. 56), 344 f.; zieGler (Fn. 54), 134; iPSen (Fn. 11), 643.

77  ILC, « Report to the International Law Commission on the work of its fifty-third session » (Fn. 8), 46 f. (Commentary zu Art. 7).

78  Vgl. ILC, « Report to the International Law Commission on the work of its fifty-third session » (Fn. 8), 46 f. (Com-mentary zu Art. 7).

79  Vgl. dazu Gillard (Fn. 20), 555.80  Vgl. herdeGen (Fn. 63), 396; zieGler (Fn. 54), 132 f. 81 Vgl. meinhard Schröder, Verantwortlichkeit, Völker-

strafrecht, Streitbeilegung und Sanktionen, in: Vitzthum (Fn. 58), 586; ILC, « Report to the International Law Com-mission on the work of its fifty-third session » (Fn. 8), 57 (Commentary zu Art. 13).

82  iPSen (Fn. 11), 650. 83  PeterS (Fn. 56), 343.

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derum auf das Verhältnis an, das zwischen der jewei-ligen Firma und dem Staat besteht.

2.1.3. Rechtfertigungsgründe

Die ILC-Artikel 20 – 27 regeln die Rechtfertigungs-gründe, welche die internationale Verantwortlich-keit ausschliessen84.

Bei der Verletzung zwingender Völkerrechtsnor-men kann die Rechtswidrigkeit der Handlung ge-mäss Art. 26 nie ausgeschlossen werden85.

Art. 27 der ILC-Artikel hält fest, dass eine gerecht-fertigte Verletzung von Völkerrecht nicht bedeutet, dass die betreffende Verpflichtung aufgehoben ist oder dass der betroffene Staat keine Entschädigun-gen für erheblichen Schaden zu leisten hätte86.

2.1.4. Folgen der Staatenverantwortlichkeit

Die Art. 28–39 der ILC-Artikel regeln die Folgen, die eine völkerrechtliche Verantwortlichkeit nach sich zieht.

Ist ein Staat gemäss den ILC-Artikeln für eine Völkerrechtsverletzung verantwortlich, hat der ver-letzte Staat das Recht auf Beendigung und Nicht-wiederholung der Verletzung (Art. 30) sowie auf Wiedergutmachung, bzw. Entschädigung (Art. 31).

2.1.5. Anstellung durch Private

Werden PMSC von Privaten angestellt, liegt es auf der Hand, dass keine Staatenverantwortlichkeit vor-liegen kann.

2.2.  Die nicht staatliche Verantwortlichkeit

Es bleibt zu klären, inwiefern die PMSC sowie ihre Angestellten und Vorsitzenden persönlich zur Ver-antwortung gezogen werden können.

2.2.1. Die Verantwortlichkeit der PMSC

Da völkerrechtliche Verpflichtungen nur Völker-rechtssubjekten zukommen, sind private Firmen keine Völkerrechtssubjekte und haben dementspre-chend grundsätzlich auch keine völkerrechtlichen Verpflichtungen. Völkerrechtliche Pflichten hätten sie, wenn im Sinne des Art. 4 der ILC-Artikel Or-gane des Staates wären oder hoheitliche Befugnisse ausübten (Art. 5 der ILC-Artikel). In diesem Fall

würden aber wiederum nicht die Firmen selbst völ-kerrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können, sondern nur die Staaten.

Da der ICC gemäss Art. 25 ICC-Statut « nur » dazu da ist, Individuen abzuurteilen, kommt auch seine Zuständigkeit von vornherein nicht infrage87.

Für die Firmen wäre dann im Einzelfall noch eine Verantwortlichkeit nach nationalem Recht (des ent-sprechenden Territorial, Contracting oder Home State) zu prüfen, z.B. ob es eine Unternehmenshaf-tung wie im schweizerischen Art. 102 StGB88 gibt oder gar spezielle Normen für PMSC.

2.2.2. Angestellte von PMSC

Sind Angestellte im Rahmen eines bewaffneten Konflikts als Kombattanten oder Zivilisten tätig, ha-ben sie sich gemäss ihrem Status zu verhalten.

Für schwere Verletzungen des humanitären Völker-rechts sehen Art. 49 I. GA, Art. 50 II.GA, Art. 129 III. GA und Art. 146 IV. GA vor, dass die Vertragsstaaten nationale Straftatbestände schaffen müssen, um diese zu ahnden. Ausserdem müssen sie gemäss denselben Artikeln gegen alle Personen, die einer Verletzung des humanitären Völkerrechts beschuldigt werden, ermit-teln und diese vor ein Gericht stellen. Was eine schwere Verletzung des humanitären Völkerrechts ist, wird im jeweils folgenden Artikel beschrieben89. Der jeweilige Abs. 3 der zu Beginn dieses Absatzes genannten Arti-kel besagt ausserdem, dass die Staaten auch Massnah-men zu treffen haben um alle übrigen Verletzungen des humanitären Völkerrechts « zu unterbinden ».

Wie bereits festgestellt hält dazu das Montreux-Do-kument explizit die Pflicht der Staaten fest, Personen zu verfolgen und zu bestrafen, die das humanitäre Völ-

84  Vgl. PeterS (Fn. 56), 348.85  Vgl. zieGler (Fn. 54), 136.86  Vgl. ILC, « Report to the International Law Commission

on the work of its fifty-third session » (Fn. 8), 86. (Commen-tary zu Art. 27).

87  Vgl. z.B. Kai amBoS, Internationales Strafrecht – Strafan-wendungsrecht, Völkerstrafrecht, Europäisches Strafrecht, 2. Aufl., C.H. Beck Verlag, München, 2008, 131 ff.

88  Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 (SR 311.0); siehe dazu z.B. Günter Stratenwerth, Schwei-zerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I: Die Straftat, 3. Aufl., Stämpfli Verlag, Bern, 2005, 411 ff.

89  Vgl. Schaller (Fn. 12), 15; Gillard (Fn. 20), 556.

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kerrecht verletzt haben. Es stellt damit klar, dass diese Pflicht auch im Bezug auf den Einsatz von PMSC gilt.

Werden im Rahmen von Konflikten gar schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts in Form von Kriegsverbrechen gemäss Art. 8 ICC-Sta-tut begangen (welche zu den vier völkerrechtlichen Kernverbrechen zählen), fallen diese in die Jurisdik-tion des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag90. Dies gilt übrigens auch für die restlichen drei Völkerrechtsverbrechen gemäss Art. 5 Abs. 1 ICC-Statut (Völkermord, Verbrechen gegen die Mensch-lichkeit und Aggression).

Das bedeutet, dass primär die Staaten Verletzun-gen des humanitären Völkerrechts zu ahnden ha-ben. Gemäss Art. 17 Abs. 2 ICC-Statut ist der ICC nur zuständig, wenn der entsprechende Staat « nicht willens oder nicht in der Lage ist, die Ermittlungen oder die Strafverfolgung ernsthaft durchzuführen ».

Nebst den PMSC, die für die Teilnahme an einem bewaffneten Konflikt unter Vertrag genommen wur-den, gibt es noch viele Firmen, deren Angestellte nicht an Kampfhandlungen teilnehmen und sich auch nicht in einem Konfliktgebiet befinden. Für Delikte, die de-ren Angestellte während ihres Auftrags (bzw. im Rah-men desselben) begehen, gilt das jeweilige nationale Recht. In Betracht kommen das Recht des Staates, auf dessen Territorium das Delikt begangen wurde, das Recht des Staates, dem das Opfer angehört oder das Recht des Staates, dem der Täter angehört91.

2.2.3. Vorgesetzte und militärische Befehlshaber

Vorgesetzte der PMSC können nach Art. 86 Abs. 2 ZP I unter Umständen auch zur Verantwortung ge-zogen werden, wenn ihre Untergebenen humanitä-res Völkerrecht verletzen. Der Art. 86 Abs. 2 ZP I besagt, dass Vorgesetzte haften, « wenn sie wussten oder unter den gegebenen Umständen auf Grund

der ihnen vorliegenden Umständen darauf schlies-sen konnten », dass einer oder mehrere ihrer Unter-gebenen humanitäres Völkerrecht verletzen92.

Für militärische Befehlshaber wäre bei Völker-rechtsverbrechen im Sinne von Art. 5 ICC-Statut noch eine Verantwortlichkeit nach Art. 28 ICC-Sta-tut zu prüfen.

Auch das Montreux-Dokument hält fest, dass « Superiors », also die Vorgesetzten der Firmen sowie Staatsbeamte, für Verletzungen von (humanitärem) Völkerrecht durch Angestellte der PMSC zur Ver-antwortung gezogen werden können.

IV.  Fazit

Aus dem bisher Gesagten lässt sich in erster Linie der Schluss ziehen, dass es bezüglich PMSC keine absoluten und für alle geltenden Aussagen gibt.

Die Schwierigkeit liegt darin, dass sowohl die An-zahl der Firmen als auch die Vielfalt ihres Dienst-leistungsangebots sehr gross ist. Es muss immer im Einzelfall abgeklärt werden, welche Aufgaben von einer Firma ausgeführt werden, wer sie angeheuert hat (ein Staat oder Private) und wie das vertragliche Verhältnis zum Auftraggeber ist (bzw. ob sie hoheit-liche Aufgaben ausführen oder nicht). Erst, wenn diese Fragen geklärt sind, kann dazu übergegangen werden, z.B. zu klären, welchen Status die einzelnen Angestellten in einem Konflikt haben und wem wel-che Handlungen zurechenbar sind.

Einige Autoren sind der Ansicht, dass es eigent-lich genügend rechtliche Regelungen gibt, diese aber aus den genannten Gründen schwierig anzu-wenden sind93. Dem ist wohl zuzustimmen, denn, sind die hier genannten Fragen einmal geklärt, fin-det sich auch ein Recht, das anwendbar ist, sei dies völkerrechtlicher oder nationaler Natur.

Das Montreux-Dokument kann bei der Klärung des jeweiligen Status der Firmen und ihrer Ange-stellten und der Verpflichtungen, welche die ver-schiedenen Staaten haben, sehr helfen. Auch wenn es keine neuen Regelungen schafft, stellt es fest, welches Recht Anwendung findet.

Es wird wohl noch eine länger dauernde Aufgabe der Staatengemeinschaft und der einzelnen Staaten sein, dafür zu sorgen, dass insbesondere im Falle von Verletzungen des (humanitären) Völkerrechts durch Angestellte von PMSC die Verursacher zur Verantwortung gezogen werden.

90  Vgl. Schaller (Fn. 12), 15. 91  Vgl. Gillard (Fn. 20), 570. 92  Vgl. Gillard (Fn. 20), 545. 93  Vgl. Gillard (Fn. 20), 570; chia lehnardt, Private military

companies and state responsibility, in: Chesterman / Lehnardt (Fn. 22), 155; anders avril mcdonald, Ghosts in the Ma-chine: Some Legal Issues Concerning US Military Contrac-tors in Iraq, in: Michael Schmitt / Jelena Pejic, (Hrsg.), Inter-national Law and Armed Conflict: Exploring the Faultlines, Essays in Honour of Yoram Dinstein, Martinus Nijhoff Pub-lishers, Leiden/Boston, 2007, 357, 399 ff.