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Jahresbericht 2013 Landesverband der Inneren Mission e.V. Hamburg Wohnungsnot

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Jahresbericht 2013

Landesverband der Inneren Mission e.V.

Hamburg

Wohnungsnot

03 Editorial Leistung neu verstehen

04 Mein Friedenspreis geht an ... 16 Menschen aus Hamburg sagen, welches Engagement sievorbildlichfinden

07 Schwerpunkt: Wohnungsnot

08 „Das Wichtigste ist doch erstmal die Wohnung“ Wohnungsnot hat viele Ursachen – ein Besuch in der Sozialen Beratungsstelle Harburg

15 Viele Facetten eines Problems

16 Fakten zur Wohnungsnot

18 So hilft die Diakonie

19 Das fordert die Diakonie

20 Hamburg violett Fröhlich, handfest und politisch – Akzente beim Kirchentag 2013

22 „Weil Menschen mich gesehen haben“ Landespastorin Stoltenberg blickt zum Ende ihrer Amtszeit auf prägende Begegnungen zurück

25 Chronik 2012/2013

30 Dirk Ahrens – der neue Landespastor

31 Zahlen und Fakten

38 So erreichen Sie uns

Inhalt

2 Jahresbericht 2013 Inhalt

Titelfoto: Viele Menschen in Hamburg suchen dringend eine

bezahlbare Wohnung. Wie es Lothar L. erging und wie er mithilfe

der Sozialen Beratungsstelle Harburg eine neue Bleibe fand, lesen

Sie ab Seite 8.

Editorial: Leistung neu verstehen Jahresbericht 2013 3

Leistung neu verstehen

„Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern“, heißt es in der Bibel (Lukas 12, 48). Damit wird uns gesagt: Du, Mensch, bist begabt und reich beschenkt. Aber du bist nicht allein auf dieser Welt – du lebst in einer Gemein­schaft. Wenn du teilst, dann mach dir klar, Mensch: Du gibst nicht von deinem Besitz ab, du bist kein mildtätiger Gönner, sondern du teilst aus, was Gott dir anvertraut hat. Du verwal­test es nur.

Diese Zusage und dieser Anspruch Gottes haben Konse­quenzen, auch für uns in der Diakonie. Dann wandelt sich das Bild unserer angeblichen Leistungsgesellschaft: Leistungsträger sind nicht mehr die, die den größten Umsatz machen oder die kräftigsten Ellenbogen haben. Sondern die Menschen, die mit Verantwortungsgefühl und einem feinen Gespür für die Bedürfnisse anderer handeln. Zum Beispiel FrauenundMänner,dieinderPflegearbeiten;Familien,dieihreAltenzuHausepflegen;oderEltern,dieihreKindergroßziehen. Unser Ziel muss eine solidarische Leistungs­gesellschaft sein – mit einem anderen Leistungsverständnis.

In der Diakonie geht es uns in der täglichen Arbeit um die Anerkennung dieser Leistungen, um das, was Menschen für andere Menschen tun. Dafür ist dieser Jahresbericht wieder ein eindrückliches Beispiel.

Damit verbunden sind Fragen der Gerechtigkeit und des sozialen Ausgleichs. So ergeben sich auch konkrete politi­sche Forderungen: In Hamburg ist die Wohnungsnot ein drängendes Thema, mit dem wir in fast allen unseren Arbeitsbereichen konfrontiert werden.

Deshalb ist die Wohnungsnot das Schwerpunktthema dieses Jahresberichts. Und deshalb wird die Diakonie an diesem so existenziellen Thema auch „dranbleiben“ mit ihrer Forderung nach mehr bezahlbarem Wohnraum für Menschen in schwie­rigen Lebenssituationen.

Ich hoffe, dass Sie sich von unserem Jahresbericht anregen lassen, an den öffentlichen Diskussionen zu allen unseren sozialpolitischen Themen engagiert teilzunehmen.

Landespastorin Annegrethe Stoltenberg

Es gibt den Friedensnobelpreis, den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, den Westfälischen Friedenspreis. Und wenn in Hamburg ein

Friedenspreis verliehen würde – wer sollte ihn bekommen? Das wollten wir von ganz unterschiedlichen Menschen wissen. Vielfach genannt werden

die Engagierten um Pastor Sieghard Wilm in der St.-Pauli-Gemeinde, die afrikanischen Flüchtlingen Unterkunft gewährt – ein Zeichen, wie sehr dieses

Kirchenasyl die Stadt bewegt (siehe auch Seite 29).

Mein Friedenspreis geht an ...16 Menschen aus Hamburg sagen,

welchesEngagementsievorbildlichfinden

Die Beraterinnen und Berater

des Medibüros Hamburg bieten

Woche für Woche erkrankten

papierlosen Migrantinnen,

Migranten und Flüchtlingen die

Chance, medizinische Versor­

gung und ärztliche Hilfe zu

finden.Sietundasehrenamt­

lich, seit nahezu 20 Jahren. Ihr

Engagement ist beeindruckend!

Iris Jäger (49), Geschäftsführe­

rin von verikom – Verbund für

interkulturelle Kommunikation

und Bildung e.V.

Den Hamburger Friedenspreis

soll der ehemalige St.­Pauli­

ProfiBenjaminAdrionals

Gründer des Vereins Viva con

Agua erhalten. In Zukunft

erwartendieeinenRiesenprofit,

andere einen gnadenlosen

Krieg, wenn es um klares

Trinkwasser geht. Wer vielen

Menschen vor allem in Afrika,

Asien und Südamerika den

Zugang zu Trinkwasser ermö g­

licht,gräbtdenProfitgeiernund

Kriegstreibern das Wasser ab

und fördert den Frieden in

höchstem Maße.

Joachim Weretka (62), Radio­

journalistbeiNDR90,3

Die Bürgerinitiative „Glinde

gegen Rechts“ beweist mit

Beharrlichkeit und Ausdauer,

dass man sich im Rahmen des

bürgerschaftlichen Engage­

ments erfolgreich gegen

radikales Gedankengut zur

Wehr setzen kann. Es müssen

nichtimmergroßeNamenoder

Institutionen sein, die erfolg­

reich für eine gerechtere und

eine bunte Gesellschaft

eintreten.

Thomas Illing (53), Leiter des

Fachbereichs Eingliederungs­

hilfe und Finanzierung im

Diakonischen Werk Hamburg

4 Jahresbericht 2013 Mein Friedenspreis geht an ...

Wenn es in Hamburg einen

Frie denspreis gäbe: Ich würde

ihn der Musikerin Esther

Bejaranoverleihen.Esgibtkeine

bedeutendere, in Hamburg

lebende Friedensbotschafterin

alsdie88-jährigeAntifaschistin.

Die Auschwitz­Überleben de

klärt Jugendliche unermüdlich

überdenNazi-Terrorunddie

Nazi-Ideologieauf.

Kersten Artus (49), Journalistin,

Betriebsrätin, Abgeordnete für

DIELINKEundVizepräsidentin

der Bürgerschaft

Mein Friedenspreis ginge an

zwei Mädchen, die ich neulich

kennenlernte. Die eine kommt

aus Süd­, die andere aus

Nordkorea.Siehabensich

während ihrer Berufsausbildung

in Hamburg kennengelernt und

sind seitdem eng befreundet.

Stand die Herkunft der anderen

ihrer Freundschaft anfangs im

Weg? Darauf sagten sie: „Die

Herkunft ist egal – wichtig ist

doch, dass man den Menschen

mag.“ Richtig so!

Judith Voß (30), Mitarbeiterin im

Fundraising des Diakonischen

Werks Hamburg

Hans­Jochen Jaschke, Weih­

bischof im katholischen

Erzbistum Hamburg, steht seit

fast zwei Jahrzehnten für

fruchtbare Ökumene und

Toleranz im interreligiösen

Dialog. Mit seinem Handeln hat

er für ein friedvolles Miteinander

der Religionen in Hamburg

gesorgt, ohne eigene theolo­

gische Eckpfeiler aufzugeben.

Christoph de Vries (38),

CDU­Bürgerschaftsabge­

ordneter, familienpolitischer

Sprecher der Fraktion

Ich schlage Pastor Sieghard Wilm

aus St. Pauli vor. Er hat der in

Hamburg gestrandeten Gruppe

von Lampedusa­Flüchtlingen bei

drohender Abschiebung

Kirchenasyl gewährt. Das ist ein

Zeichen von Menschlichkeit und

Solidarität, gegen die Absurdität

des europäischen Asylrechts.

Jens Kerstan (47), Vorsitzender

der grünen Bürgerschafts fraktion

BischöfinKirstenFehrs–stell­

vertretend für alle, die sich, trotz

fehlender Lösungsansätze auf

europäischer Ebene, für eine

humanitäre Lösung für die

Libyen­Flüchtlinge in Hamburg

einsetzen. Dabei denke ich nicht

nur an die Mitarbeitenden der

Bischofskanzlei, des Landes­

kirchenamtes, der Diakonie,

sondern auch an viele Aktive in

den Kirchengemeinden und

anderenBereichenderNord-

kirche, die – nicht nur in diesem

Fall – direkt und tatkräftig vor

Ort mithelfen.

Gabi Brasch (50), Vorstands­

mitglied im Diakonischen Werk

Hamburg

EstherBejaranosetztsich

uner müdlich mit ihrem aufrich­

tigen Widerstand, mit Musik und

Herzlichkeit bis heute gegen

Ausgrenzung, Rassismus,

Gewalt und Krieg ein. Sie bringt

ihre traumatischen Erfahrungen

jungenFrauenundMännernnah.

Angela Bähr (49), Leiterin des

Fachbereichs Migrations­ und

Frauensozialarbeit im Diako­

nischen Werk Hamburg

Mein Friedenspreis geht an ... Jahresbericht 2013 5

Pastor Sieghard Wilm aus der

St.­Pauli­Gemeinde sorgt mit

seinem Motto „Die Straße in die

Kirche – Die Kirche auf die

Straße“ für sozialen Frieden in

einer der schwierigsten

Gemeinden Hamburgs. Die

Aufnahme von 80 obdachlosen

afrikanischen Flüchtlingen in

seine Kirche ist nur ein Beispiel

für sein großes Engagement

Leon Kirch (20), leistet Bundes­

freiwilligendienst bei der

alsterdorf assistenz ost

2013 ist das internationale Jahr

der Wasserkooperation. Wasser

ist nicht nur ein wichtiges

Symbol für uns Christinnen und

Christen, sondern für alle

Menschen so lebenswichtig wie

die Luft zum Atmen. Ich möchte

den Friedenspreis der Initiative

Viva con Agua aus St. Pauli

verleihen, denn sie setzt sich

dafür ein, dass alle Menschen

Zugang zu sauberem Trinkwas­

ser und sanitärer Grundversor­

gung haben.

Isa Lübbers (55), Pröpstin im

Kirchenkreis Hamburg­Ost

Zu Henry Kirsche, Diakon von

„Metanoite“ (griechisch: denkt

um!)amNobistor,kommen

Menschen in existenziellen

Krisen, die aus allem herausge­

fallen sind, schlechte Erfah­

rungen gemacht haben. Henry

Kirsche befriedet sie mit ihren

Mitmenschen und vor allem mit

sich selbst. Wie er das macht?

Mithilfe des großen, guten

göttlichen Friedens. Absolut

friedenspreiswürdig!

Annette Reimers­Avenarius (41),

Pastorin, im Diakonischen Werk

Hamburg für Religionspädago­

gik und Theologie in evange­

lischen Kindertagesstätten

zuständig

Mein Hamburger Friedenspreis

geht an Pastor Sieghard Wilm,

der von heute auf morgen seine

Kirche für Flüchtlinge geöffnet

hat. Er hat nicht nur die Bewoh­

ner von St. Pauli mitgerissen,

sondern Unterstützung in der

ganzen Stadt organisiert. Aus

dem kleinen Schritt eines Einzel­

nen ist eine kleine Bürgerbewe­

gung geworden, die nicht nur

einmal, sondern über Monate

geholfen hat.

Lara Straatmann (30), Fernseh­

autorinbeimNDRHamburg

Journal

6 Jahresbericht 2013 Mein Friedenspreis geht an ...

Frieden sollten alle Menschen in

ihren Herzen tragen. Ich habe

das Gefühl, dass unser Bürger­

meister Scholz diesen Preis

bekommen sollte. Er wirkt auf

mich ehrlich und redlich.

Johanna Woywodt (100),

Bewohnerin aus dem Haus

Begonie des Hospitals zum

Heiligen Geist

Meinen persönlichen Friedens­

preis bekommen die engagier­

ten Gemeindeglieder von St.

Pauli für ihr beispielgebendes

und öffentlichkeitswirksames

„Kirchenasyl“.

Hans­Jürgen Rubarth (62),

GeschäftsführungderHauspfle­

gestation Barmbek­Uhlenhorst

Das Straßenmagazin

Hinz&Kunzt hat einen Friedens­

preis verdient. Es leistet seit

Jahren eine wichtige Arbeit und

gibt den Menschen am Rande

der Gesellschaft eine echte

Chance und eine Stimme.

LauraSolowe(27),Altenpflege­

rin, gehört zu Hamburgs

AusbildungsbesteninderPflege

2013

In Hamburg sind Wohnungen knapp, vor allem günstige Mietwohnungen. DerLeerstandistaufeinRekordtiefgesunken,dieKaltmietenbeiNeuver­trägen steigen kräftig. Durch hohe Kosten für das Wohnen geraten Men­schen in Armut. In unserem Schwerpunkt Wohnungsnot: eine Reportage aus der Sozialen Beratungsstelle Harburg, Statements von Fachleuten (Seite 15), die wichtigsten Fakten (Seite 16) und die Forderungen der Diakonie (Seite 19).

Wohnung gesucht

8 Jahresbericht 2013 Schwerpunkt: Wohnungsnot

Wohnungsnot hat viele Ursachen – ein Besuch in der Sozialen Beratungsstelle Harburg

Seit 25 Jahren arbeitet in Harburg die Soziale Beratungsstel­le, getragen von Diakonie und Heilsarmee. Sie ist die Anlauf­stelle im Bezirk für Menschen, denen der Verlust der Woh­nung droht oder die sie bereits verloren haben. Die Räume im Zentrum Harburgs erinnern an eine freundliche Arztpraxis: Anmeldetresen, Wartezimmer, mehrere Sprechzimmer. Hier werden keine Krankheiten behandelt, aber es ist doch eine ArtNotfallambulanzfürexistenzielleKrisen.Viele,diekommen, haben unerfreuliche Post dabei: Mahnungen, Sanktionen vom Jobcenter, Abmahnungen des Vermieters – manche Umschläge noch ungeöffnet. Die Beratung ist vertraulich, doch mit Einverständnis der Klienten durften wir einige Gespräche begleiten.

Die Wohnung von Marina P. wurde zwangsgeräumt: „Unsere Möbel und Kleidung, der Fernseher, der Computer: Das ist jetztallesineinemContainer.UndwirhabenkeinGeld,umihn länger zu mieten. Sie sagen, sie werfen unsere Sachen dann weg. Bitte, was können wir tun?“ Marina P. ist an diesem Montag die Erste in der offenen Sprechstunde. Die Deutschrussin lebt mit ihrem Mann und zwei Töchtern bei ihrerMutterinNeuwiedenthal.NebenihremStuhlhatsieeinePlastiktüte abgestellt, holt nach und nach Unterlagen daraus hervor. Sozialpädagoge Helmut Trummel stellt Fragen, macht sichNotizenundbittetMarinaP.,amFreitagvormittagwiederanzurufen. Die Familie ist überschuldet, hatte die Miete nicht mehr bezahlt. Wäre sie früher in die Beratung gekommen, hätte man den Mietvertrag vielleicht retten können. Jetzt brauchen die P.s einen langen Atem.

„Das Wichtigste ist doch erst mal die Wohnung“

Bestehende Mietverträge retten, damit Menschen nicht ihre Wohnung

verlieren–oderdafürsorgen,dasssiewiedereineBleibefinden:

MartinaScholthausundihreKollegenarbeitenfürjedenKlienteneinen

umfassenden Hilfeplan aus.

Schwerpunkt: WohnungsnotI Jahresbericht 2013 9

Zuerst analysieren die Berater mit den Klienten die Situation, stellen Anträge, telefonieren mit Sachbearbeitern, Vermietern und Gläubigern. Sie erstellen einen ganzheitlichen Hilfeplan, der etwa auch gesundheitliche und soziale Probleme einbe­zieht. Und sie schließen die Beratung ab, wenn die noch vorhandene Wohnung gesichert ist oder die Klienten eine neue Wohnung haben und sie auch halten können. Den Dringlichkeitsschein des Bezirksamtes (siehe Seite 18) haben hier fast alle Wohnungssuchenden, aber er hilft kaum noch. Helmut Trummel stellt klar: „Es gibt sehr viele mit Dringlich­keitsschein. Pro Jahr erreicht uns vielleicht ein Wohnungsan­gebot für sie und die Vermieter können sich einen Bewerber aussuchen. Wer einen negativen Schufa­Eintrag hat, be­kommtschonkeineWohnungmehr.“NebendemDringlich­keitsschein gibt es noch die Dringlichkeitsbestätigung, mit der die Vermittlungschancen steigen. Marina P. erhält sie jedochnicht,erläutertTrummel:„DieBestätigunggehtnur an Personen, die obdachlos oder in Wohnunterkünften untergebracht sind.“

In der Beratungsstelle gibt es eine Warteliste. Wer wie Marina P. in die offene Sprechstunde kommt, wartet im Schnitt zwei bis vier Wochen, bis die intensive Beratung mit wöchentli­chen oder 14­tägigen Terminen beginnen kann. 2012 muss­tenwieschonindenVorjahrenAnfragendeabgewiesenwerden, weil die Beratungsstelle überlastet war.

Die Sozialpädagogen der Beratungsstelle

brauchen Einfühlungsvermögen

und Fachkenntnisse auf dem neuesten Stand.

10 Jahresbericht 2013 Schwerpunkt: WohnungsnotI

Lothar L. nach dem Brand in

seinem Gartenhaus – und in

derNotunterkunft.

Schwerpunkt: WohnungsnotI Jahresbericht 2013 11

Notgedrungen„zuMuttern“umgezogen

Jetzt erscheint Lothar L. in Trummels Büro. Er hat einen Termin, kommt schon seit Monaten zur Beratung. Ein hagerer älterer Mann in einer blauen Arbeits­Latzhose, wettergegerb­tes Gesicht, zerfurchte Stirn. L. redet hastig. Der Schiffbauer arbeitete und wohnte im Harburger Hafen. Dann kam das Werften­Sterben, L. verlor den Job und die Werkswohnung, rutschte in Hartz IV, eine neue Bleibe fand er nicht. Er wohnte fortaninseinemSchrebergarten-HausinHarburg-Neulandund putzte es heraus – sein ganzer Stolz. Vergangenen Herbst steckten Unbekannte das Häuschen in Brand, als L. nicht da war. Der Schock steckt ihm bis heute in den Knochen.Notgedrungenzoger„zuMuttern“,wieererzählt.Er 59, sie 86. Und in deren Seniorenappartment hing er dann fest, kein Vermieter wollte ihn. Dabei hat L. keine Schulden. Seine Mutter fand die Situation mit dem Sohn auf dem Sofa inderKüchebaldunerträglich.SobliebL.nurdieNotunter­kunft, ein Bett in einem Doppelzimmer. Aber heute hat TrummelguteNachrichtenfürihn:einWohnungsangebot! L.sGesichtbleibtregungslos,aberersagtleise:„Na,dasistdoch mal eine andere Aussicht.“ Sollte es mit dem Mietver­trag klappen, will sich L. endlich operieren lassen, er hat krankeNieren.„DasWichtigsteistdocherstmaldieWoh­nung“, sagt er kategorisch. „Seien Sie pünktlich und hinter­lassen Sie einen guten Eindruck“, ermahnt ihn Trummel.

Einer wie L. hätte auf dem Wohnungsmarkt vor Jahren vielleicht selbst eine bescheidene Bleibe gefunden – anders als die meisten anderen Klienten der Beratungsstelle. Heute wird es allerdings sogar für die Beratungsstelle immer schwieriger, ihnen zu einer Wohnung zu verhelfen. Die Knapp heit an günstigen Wohnungen in Hamburg schlägt auch auf die Arbeit der Beratungsstelle durch und verzögert oder gefährdet den Beratungserfolg. Einzelne und Familien rutschenindieWohnungslosigkeit,müsseninNotunterkünfteziehen, weil zeitnah keine Ersatzwohnung organisiert werden kann. Trummel erklärt: „Damit entstehen neue Probleme für unsere Klienten. Das ist psychisch sehr belastend und für die Kinder kann es ein regelrechtes Trauma werden.“

Trummels nächster Klient, Thomas P., hat Ärger mit seinem Vermieter, der SAGA. Er bezieht Hartz IV, und ein Jobcenter kürzte in den letzten Monaten mehrmals die Zahlungen, weil P. sich angeblich nicht korrekt krankgemeldet hatte. Er hat Mietschulden und für seine Wohnung liegt ein vollstreckbarer Räumungstitel vor, bei weiteren Mietschulden droht Woh­nungsverlust. Trummel hat mit P. die Finanzen durchgesehen und mit dessen Berater beim Jobcenter telefoniert. Er wird für den schwer arthrosekranken Gabelstaplerfahrer Rente beantragen.

Thomas P. sitzt auf dem einzigen

Stuhl in seiner halbleeren

Wohnung. Sein Mitbewohner ist

ausgezogen. Selbst für Gebraucht­

Möbel reicht das Geld nicht.

12 Jahresbericht 2013 Schwerpunkt: Wohnungsnotnhalt

Hartz­IV­Empfänger mit schlechten Chancen

Früher hieß es unter Vermietern: „Wir nehmen gern Arbeitslo­seoderSozialhilfeempfänger,dasAmtzahltjazuverlässig.“Doch das hat sich mit den Hartz­Reformen geändert. Sanktionen mit Kürzungen von 10 bis 100 Prozent gefährden bestehende Mietverhältnisse, denn sie können sich auch auf die Kosten der Unterkunft erstrecken und machen Hartz­IV­Bezieher zu eher unbeliebten Wohnungsbewerbern. Helmut Trummel, der Dienstälteste im Team, kann sich über die Konstruktionsfehler der Sozialgesetze immer noch aufregen: „Es ist doch sozialpolitisch widersinnig, wenn Menschen wegen der Sanktionen ihre Wohnung verlieren. Das wider­spricht auch dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit. Die Kosten für die Versorgung von Obdachlosen liegen um das Siebenfache höher als die Kosten der Prävention.“

Zu Trummels Kollegin Martina Scholthaus kommt unterdes­sen Virginia V., ihre Familie hat Schulden, auch ihrer Woh­nung droht die Zwangsräumung. Die Mutter von zwei Söhnen und einer Tochter wirkt angespannt. Wie viele Klienten nutzt sie die Möglichkeit der Geldverwaltung über die Beratungs­stelle: Das Familieneinkommen wird auf ein Verwahrgeldkon­to der Diakonie überwiesen, von dort geht die Miete an den Vermieter, und von dem restlichen Geld holt sich V. für ihren Bedarf Schecks ab. Martina Scholthaus hat mit ihr in den vergangenen Wochen systematisch alle Einnahmen und Ausgaben in den Blick genommen, mit dem Vermieter gesprochen und mit den Gläubigern. Sie hat die Leistungs­ansprüche für Virginia V. überprüft, das machen sie in der Beratungimmer.Eslohntsich,denndieBeraterfindenoftFehlerindenBescheiden.VirginiaV.führtjetzteinHaus­haltsbuch. Wann wird der Stromabschlag fällig? Steht eine Anschaffung für die Kinder an? Sie sprechen alles genau durch, damit alle Zahlungstermine bedient werden können, allen voran die Miete. In angemessenen Portionen müssen außerdem die Schulden abgetragen werden. Warum geht es

in den Beratungen so viel um Schulden? Martina Scholthaus erläutert: „Weil die Miete als größter Ausgabeposten immer mit in den Strudel gerät, wenn ein Haushalt sich verschuldet. Und dann ist schnell die Wohnung gefährdet.“ Bei rund zwei Dritteln der Klienten, die Beratung suchen, besteht noch ein Mietvertrag.

„WirsindZeugenvonVerzweiflungund Resignation“

BeiFamilieV.läuftdiefinanzielleSanierunggut,esistsogarnoch Geld vom letzten Monat übrig. Martina Scholthaus freut sichüberjedenErfolgihrerKlientenundüberjedesgeretteteMietverhältnis. Die Sozialpädagogin weiß: „Die Menschen würden nicht zu uns kommen, wenn ihnen das Wasser nicht

MucharaffR.hatArbeitundfindettrotzdemkeineWohnung.

Schwerpunkt: WohnungsnotI Jahresbericht 2013 13

bis zum Hals stünde. Die Scham ist viel zu groß!“ Ihr Ehrgeiz ist, den Klienten alle Hilfen zukommen zu lassen, die ihnen zustehen:„WennjemanddannwiederLichtamEndedesTunnels sieht, ist dies eine sehr schöne Arbeit!“ Die beste Beratungnütztjedochwenig,wennsichamEndekeineWohnungfindet,unterstreichtScholthaus:„SeitdreibisvierJahren ist es deutlich schwieriger geworden, unsere Klienten in Wohnungen zu vermitteln. Wir werden hier Zeugen von VerzweiflungundResignation.WerkeineWohnunghatundkeine Hoffnung, in absehbarer Zeit eine zu bekommen, der ist nicht in der Lage, sich um Arbeit, Gesundheit oder andere dringende Themen zu kümmern.“ 2012 konnte nur knapp die Hälfte der Klienten, die eine Wohnung suchten, mit Unter­stützung der Beratungsstelle einen Mietvertrag unterschrei­ben.

Im Büro von Johanna Wessels, der Jüngsten im Team, lernen wir Mucharaff R. kennen, einen ehemaligen „Sofaschläfer“. Das sind Menschen, die bei Freunden und Bekannten unterschlüpfen und in diesem Provisorium teilweise über Jahre leben. Oft ohne Postadresse, ohne Meldebestätigung, ohne Rückzugsmöglichkeit, ohne Sicherheit. Für die Berater eine schwierige Gruppe, denn diese Menschen erhalten keine Dringlichkeitsbestätigung.

DerstudiertePsychologeMucharaffR.ausNigeriaarbeitetseit vier Jahren als Reinigungskraft in Hamburg. Unbefriste­terVertrag,keineSchulden–undfindettrotzdemkeineWohnung.ErzogalsinoffiziellerUntermieterzueinemBekannten auf die Veddel, holte seinen kleinen Sohn und seine Frau nach. Dann kam eines Morgens kein Wasser mehr aus dem Hahn. Der Bekannte hatte seine Rechnungen nicht bezahlt.NachAnbruchderDunkelheitzogR.mitzweigroßen Kanistern los, um Wasser für seine Familie von einer Tankstelle zu holen. Er schämte sich. „In Afrika habe ich nie ohnefließendWassergewohnt“,sagtermiteinerMischungaus Bitterkeit und Spott.

Kleine,dezentraleWohnprojekte–nureinTraum?

Dann hörte er von der Beratungsstelle. Johanna Wessels und ihreKollegensorgtendafür,dassdieFamilieineinerNot-unterkunft in Billstedt unterkam. Jetzt hat er vorerst eine Bleibe, aber schon wieder neuen Ärger. Sein Arbeitgeber hat ihn freigestellt und zahlt nicht. Ein Rechtsanwalt ist einge­schaltet, und Johanna Wessels hilft R., einen Antrag beim Jobcenter zu stellen. Es gibt Probleme mit seiner in Spanien ausgestellten und EU­weit geltenden Arbeits­ und Aufent­halts erlaubnis. Der zierliche Mann wirkt tapfer, aber er ist mit seinenNervenamEnde.AufdemkleinenrundenBespre­chungstisch rutschen Anträge und Briefwechsel durcheinan­der. Johanna Wessels atmet tief durch, beruhigt R. und versucht, den Überblick zu behalten. Sie telefoniert mit dem Anwalt. R. weist leise darauf hin, dass er nur noch fünf Euro auf dem Konto hat. Wovon soll er leben, bis in frühestens drei Wochen das Geld vom Jobcenter kommt? Wessels schreibt ihm die Adresse einer „Tafel“ auf, die Lebensmittel an Bedürftige abgibt, und händigt drei HVV­Fahrscheine zur Erledigung von Behördengängen aus. R. ist dankbar für die Hilfe und zugleich bedrückt, dass er sie so dringend benö­tigt. Dann verabschieden sie sich.

Wessels resümiert: „Wir haben ein Sozialsystem, dessen MitarbeiterAnsprüchehäufigersteinmalreflexartigabweh­ren. Die Anträge sind kompliziert, die Zuständigkeiten unüber sichtlich, bei Sprachproblemen gibt es keine Hilfe. Wenn wir unsere Klienten unterstützen, geht plötzlich vieles.“Mit einem Teil ihrer Stelle ist Wessels für die Straßensozial­arbeit zuständig. Wir begleiten sie auf einem Rundgang. „Ichsprechenurdiejenigenan,diePlattemachen“,sagtWessels. Einer, den sie kennt, fährt auf einem Fahrrad vorbei, an dem vollgestopfte Plastiktüten baumeln. In der Fußgän­gerzone geht Wessels auf eine Gruppe Roma zu, die einen Infoflyernehmen.

Soziale Beratungsstelle Harburg

Zur Seehafenbrücke 2021073 HamburgTelefon 040 309536­0 bs­harburg@diakonie­hamburg.de www.beratungsstelle­harburg.de

Träger sind das Diakonie­Hilfswerk und die Heilsarmee. Finanziert wird die einzelne Beratung von der Fachstelle für Wohnungsnotfälle im Bezirk.

Zwei Monate später: Lothar L. hat mit Unterstützung der Beratungsstelle tatsächlich eine kleine Hochhauswohnung gefunden – und feiert dort seinen 60. Geburtstag. Thomas P. ist krankgeschrieben und lebt in seiner bisherigen Wohnung; weitere Sanktionen des Jobcenters sind ausge­blieben. Mucharaff R. kämpft weiter um die Anerkennung seiner Aufenthaltsgenehmigung; solange zahlen weder sein Arbeit­geber noch das Jobcenter; und einen Mietvertrag bekommt er auch nicht.

Wir gehen an Shoppingcenter und Phoenix­Fabrik vorbei und kommen zu einer alten Lagerhalle. Vineyard Hamburg, eine christliche Gemeinde, lädt dort einmal pro Woche Arme und Obdachlose zum Abendessen ein. Es sind manche darunter, denen auch die Beratungsstelle nicht helfen konnte. Die es vielleicht nie geschafft haben, sich Hilfe zu suchen oder irgendwann abgesprungen sind. Je länger sie auf der Straße leben,destowenigerAussichthabensie,jemalswiederin

eine normale Wohnung zurückzukehren. Über die Straßen­sozialarbeiterin versucht die Beratungsstelle trotzdem, mit ihnen in Kontakt zu bleiben. „Man bräuchte kleine, dezentrale Wohnprojekte“,meintJohannaWessels.AberdassindTräume. Realität ist: Aktuell ist es in Hamburg sogar schwie­rig,einenPlatzindenüberfülltenNotunterkünftenzuerhal­ten.

è

14 Jahresbericht 2013 Schwerpunkt: Wohnungsnot

Seit Jahren hat Mucharaff R. in

Hamburg gearbeitet, Steuern und

Sozialabgaben gezahlt. Jetzt gibt es

Probleme mit der Arbeitsgenehmigung.

Auch das ist Thema im Beratungs­

gespräch.

Viele Facetten eines Problems

Wohin nach dem Frauenhaus?„Es ist sehr schwierig: Einige Frauen sprechen wenig Deutsch,sindlangearbeitslos,habenkeinefinanziellenRessourcenundkeinunterstützendesNetzwerk.Siesind oft alleinerziehend mit mehreren Kindern, was ebenfalls ein NachteilbeiderWohnungssucheseinkann.Beinicht-deut­schen Frauen kommt die Frage nach dem Aufenthaltstitel hinzu. Die Mitarbeiter der Wohnungsgesellschaften sind kaum über die Frauenhäuser informiert und lehnen Bewer­bungen von Frauen aus unseren Einrichtungen oft ab. Von August 2012 bis Juni 2013 konnten wir 19 Frauen bei der Wohnungssuche helfen, zehn davon haben eine Wohnung gefunden. Die Wohnungsnot führt dazu, dass Frauen und ihre Kinder länger im Frauenhaus bleiben, als notwendig wäre. Dadurch blockieren sie die Plätze für andere, die akut von häuslicher Gewalt betroffen sind.“ Matilde Heredia arbeitet im Frauenhaus der Diakonie.

„Housing First“ – zuerst eine Wohnung„Seit mehreren Jahren bekommen wir für die von uns betreuten Obdachlosen nur sehr eingeschränkt Wohnungen. Deshalb sind einige gezwungen, bis zu sechs Jahre in unseren Containern zu wohnen, das ist unverantwortlich! Die Nachfragesteigtstarkan,sovieleLeutekönnenwirgarnichtaufnehmen. Die Straßensozialarbeiter stehen mit leeren Händenda,denndieNotunterkünftesindvoll.Icharbeiteseitmehr als 20 Jahren in der Wohnungs­ und Obdachlosenhilfe undhabe„NeueWohnung“mitgegründet.WirsindzuderÜberzeugung gelangt, dass wir in dieser Situation selbst bauen müssen. Bauherrin und Vermieterin ist unsere Mitge­sellschafterin, die Benno und Inge Behrens­Stiftung. Sie errichtete in einer Baulücke an der Stresemannstraße ein Haus mit 16 Sozialwohnungen, die seit Juli bezogen wurden. Wir gehören damit zu den ersten, die in Hamburg „Housing First“ anbieten, weil wir glauben, dass obdachlose Menschen nicht in Massenunterkünften leben sollten. Sie brauchen eine

Wohnung, dann können sie, wenn nötig, Hilfsangebote annehmen und sich um Gesundheit, Finanzen und Arbeit kümmern.WirlassendasProjektwissenschaftlichbegleiten.VielleichtfolgenweitereNeubauten.WirhoffenaufNach-ahmer, damit Menschen von der Straße zurück in Wohnun­gen kommen! Und es braucht eine Renaissance des sozialen Wohnungsbaus.“MichaelStruckistProjektleiterbeidergemeinnützigenGmbH„NeueWohnung“.

Behindertenhilfe als Vermieter wider Willen„Es ist erklärtes Ziel der Stadt Hamburg, dass Menschen mit Behinderung oder zumindest ein beträchtlicher Teil von ihnen in Wohnungen und in kleinen Wohngemeinschaften überall in der Stadt leben. Aber Menschen mit Behinderung werden von den meisten Vermietern offen oder indirekt als Haupt­mieter einer Wohnung abgelehnt, übrigens auch von der SAGA GWG. So drängt die Wohnungsnot den Trägern der Behindertenhilfe eine neue Rolle auf. Sie werden zu Zwi­schenmietern, die an ihre Klienten untervermieten. Sie werdenausderNotherauszuImmobilienverwaltern.SietragenAufwand,VerantwortungundfinanziellesRisiko–bisherohneMöglichkeitderRefinanzierung.Hinzukommt:DieMieteninNeuverträgensindmittlerweilesohoch,dassinnerhalb der Richtwerte für die Kosten der Unterkunft selbst für die Träger und selbst in den Randlagen kaum noch geeigneterWohnraumzufindenist.UnterderWohnungsnotleidenbesondersdiejenigen,dienach einem längeren stationären Krankenhausaufenthalt eine neue Wohnung brauchen. Längst nicht alle haben rechtzeitig Kontakt mit einem Träger. Auf sich allein gestellt sind sie chancenlos. So geraten manche Menschen nach einer Zeit in der Psychiatrie direkt in Wohnungslosigkeit.“Rainer Rißmann ist im Diakonischen Werk Hamburg zuständig für den Bereich Soziale Teilhabe.

Schwerpunkt: WohnungsnotI Jahresbericht 2013 15

16 Jahresbericht 2013 Schwerpunkt: Wohnungsnot

Fakten zur Wohnungsnot

Wachsende StadtVon den 1,8 Millionen Hamburgern wohnen 80 % zur Miete in 645.000 Mietwohnungen (Stand 2010). Bis 2030 soll die Bevölkerung weiter wachsen. In den vergangenen zehn Jahren sind mehr als 70.000 Neubürger hinzugekom­men.

Steigende MietenBeiNeuverträgensinddieMietenindenvergangenenfünfbissiebenJahren,jenachBerechnung,zwischen19undmehr als 30 % gestiegen. Bei aktuellen Angeboten liegen die Quadratmeterpreise Studien zufolge zwischen 9,30 und 11,59 Euro. Besonders stark steigen die Mieten in eher ärmeren Stadtteilen wie Hamm, Borgfelde, Barmbek. Die Bestandsmieten gehen ebenfalls nach oben.

Viele Wohnungsunternehmen und Makler verlangen, dass die (Warm­)Miete nicht mehr als 25 oder 30 % des Nettoein-kommens ausmachen soll. Im unteren Einkommensfünftel zahlenMieterhaushalteimDurchschnittjedochumdie 40%ihresHaushaltseinkommensfürMieteundkalteNeben-kosten, hinzu kommen noch Heizung und Warmwasser.

Weniger SozialwohnungenSozialwohnungen sind mit staatlicher Förderung gebaute Mietwohnungen, die einer Mietpreisbindung unterliegen. Voraussetzung für die Anmietung ist der Wohnberechti-gungsschein (§ 5­Schein). Unter den Inhabern dieses Scheins kann der Vermieter einer Sozialwohnung frei wählen. Die Hälfte der Hamburgerinnen und Hamburger bleibt unterhalb der Einkommensgrenze für den Wohnberechti­gungsschein.

Mitte der 1970er­Jahre gab es in Hamburg ca. 400.000 Sozialwohnungen. Doch sie bleiben meist nur 20 bis 30 Jahre in der Preisbindung. Im Jahr 2000 waren es noch 167.000 Sozialwohnungen. Heute liegt die Zahl bei knapp 100.000. Bis zum Jahr 2020 wird sie voraussichtlich weiter sinken auf knapp 60.000 Sozialwohnungen.

Allein um den Verlust von Sozialwohnungen zu stoppen, bräuchte Hamburg bis 2020 mindestens 4.000 neue

Sozialwohnungen pro Jahr – und nicht nur 2.000, wie derzeit geplant.

SAGA GWGDie Gemeinnützige Siedlungs­Aktiengesellschaft Altona (SAGA) fusionierte 1999 mit der GWG, einem gewerkschafts­nahenWohnungsunternehmen.DieSAGAGWGbefindetsichim Eigentum der Stadt, Aufsichtsratsvorsitzende ist qua Amt die Senatorin für Stadtentwicklung und Umwelt. Der Konzern SAGA GWG verfügt über rund 130.000 Wohnungen, davon gut 50.000 mit Mietpreisbindung. 2012 hat die SAGA GWG einen Gewinn von 175,5 Millionen Euro erwirt­schaftet,27Millionenmehrals2011.DieZahlderNeuvermie­tungen bei der SAGA GWG ist 2012 auf 8.901 Wohnungen zurückgegangen – ein Minus von 9 %.

VondenNeuvermietungenderSAGAGWGging2012weniger als ein Fünftel an Menschen mit Dringlichkeitsschein oder Dringlichkeitsbestätigung.

NeubauMit dem „Bündnis für das Wohnen“ von 2011 haben der Hamburger Senat und Vertreter der Wohnungswirtschaft vereinbart, jährlich 6.000 Wohnungen neu zu bauen. 2.000 davon sollen geförderte Wohnungen sein.

Arme und benachteiligte Haushalte profitieren wenig vom Bau neuer Wohnungen. Die freiwerdenden Wohnungen werden überwiegend nicht von den Einkom­mensschwächsten, sondern von solventeren Mietern über­nommen.

Wohnungsneubau ist dennoch unbedingt notwendig, vor allem der Bau günstiger Miet- und Sozialwohnungen.

Bis 2030, so eine aktuelle Studie, müssen in Hamburg 90.000 Wohnungen gebaut werden, um den Zuzug und die steigende Zahl der Haushalte versorgen zu können.

Kosten der UnterkunftWer Arbeitslosengeld II oder Hilfe zum Lebensunterhalt

Schwerpunkt: WohnungsnotI Jahresbericht 2013 17

bezieht, für den übernimmt das Jobcenter die Kosten der Unterkunft, ebenso bei Aufstockern und Rentnern mit geringer Rente. Je nach Haushaltsgröße gibt es Richtwerte zur Höhe der Kaltmiete. Diese werden in der Praxis häufigwieHöchstwertebehandelt.WohnungssuchendescheiternhäufigamJobcenter,dasseineEinverständnisverweigert.

Wenn die Miete über dem Richtwert liegt, fordert das Jobcenter auf, die Wohnkosten zu senken. Das ist meist nur durch einen Umzug möglich. Die Chancen, eine Wohnung unterhalbdesRichtwerteszufinden,sindjedochgering.

SchuldenFast alle Vermieter überprüfen inzwischen, ob Wohnungs­interessenten einen negativen Schufa-Eintrag haben. In

Hamburg hatten laut Schufa­Kreditkompass im vergangenen Jahr 9,8 % aller in der Datenbank erfassten Haushalte mindestenseinNegativmerkmal.Damitwirdesextremschwer,eineWohnungzufinden.

Bereits zwei nicht gezahlte Monatsmieten können zur Kündigung des Vertrags durch den Vermieter führen. 4.428 Räumungsklagen und 1.590 Zwangsräumungen von Mietwohnungen gab es 2012 in Hamburg. Wenn sich Betrof­fene rechtzeitig beraten lassen, kann die Zwangsräumung oft verhindert werden.

Wohnungs- und ObdachlosigkeitWährend in vielen deutschen Städten die Wohnungs­ und Obdachlosigkeit abnimmt, stagniert sie in Hamburg auf hohemNiveau. Mehr als 5.600 Menschen sind ohne

„Wohn­Horror“: Beim Kirchen­

tag lockte die Diakonie mit

einer interaktiven „Gruseltour“

auf dem Jungfernstieg viele

Besucher an.

18 Jahresbericht 2013 Schwerpunkt: Wohnungsnot

eigene Wohnung (Stand April 2012): 2.818 in städtischen Unterkünften, 1.583 wohnberechtigte Zuwanderer, etwa 250 in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe und 1.026 obdach­losaufderStraße(Zählung2009).Nichtmitgerechnetsind3.656 „nicht wohnberechtigte“ Zuwanderer (Stand April 2012) in den Unterkünften. Die Zahl der verdeckt und versteckt Wohnungslosen ist unbekannt.

2011 hatten 6.738 Haushalte einen Dringlichkeitsschein, weil sie z. B. wegen Krankheit oder aus anderen schwerwie­genden Gründen nicht in der Lage waren, sich selbst eine angemessene Wohnung zu suchen. Gut 2.000 Dringlichkeits­schein­Inhaber erhielten 2011 eine Wohnung. Wer obdachlos istoderineinerNotunterkunftlebt,erhälteineDringlich-keitsbestätigung, 1.767 wurden 2011 ausgestellt. Das Dokument gilt unbefristet. Die im gleichen Jahr stattgefun­denen knapp 1.355 Vermittlungen reichten nicht, um diese Notfällezuversorgen.Hinzukommen„Altfälle“:Menschen,die schon länger als ein Jahr mit einer Dringlichkeitsbestä­tigung auf eine Wohnung warten.

In einem Kooperationsvertrag mit der Stadt haben sich 2005 die SAGA GWG sowie zehn Wohnungsgenossenschaf­tenverpflichtet,zusammenjährlichca.1.200Wohnungenfürwohnungslose Haushalte zur Verfügung zu stellen. Bis heute sindjedochetwa4.000Wohnungenwenigeralsvereinbartan wohnungslose Haushalte vermittelt worden.

AntwortenaufhäufigeFragenundeinGlossarzumThemaWohnungsnotfindenSieunter: www.diakonie­hamburg.de/wohnungsnot

Quellen: Diakonisches Werk Hamburg; Mieterverein zu Hamburg; Senatsdrucksachen: 20/4588, 20/6842, 20/917; F+B Wohnindex Deutschland 2013, Quartalsbericht I­2013; Gymnasium Ohmoor: Wohnungsmarkt HH 2013; SAGA GWG Geschäftsbericht 2012; Haspa, Institut für Weltwirtschaft (Hg.), 2013: L(i)ebenswertes Hamburg. Wohnen heute und in Zukunft; BASFI, 2012: Gesamtkonzept für die Wohnungslo­senhilfe in Hamburg; Bertelsmann­Stiftung, 2013: Woh­nungsangebot für arme Familien in Großstädten. Eine bundesweite Analyse am Beispiel der 100 einwohnerstärks­ten Städte; Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig­Holstein: Wohnsituation 2010.

So hilft die Diakonie

Tagesaufenthaltsstätte und Beratungsstelle, stationäre Einrichtung und Straßenmagazin – zur Diakonie in Hamburg gehören zahlreiche Hilfsangebote bei Wohnungslosigkeit. Hier eine Auswahl – die vollstän­dige Liste: www.diakonie­hamburg.de ­> Rat & Hilfe ­> Wohnungslos ­> Weitere Angebote

Diakonie­Zentrum für Wohnungslose mit Mitternachts­bus, Hausärztlicher Sprech stunde, Straßensozialarbeit und Tagesaufenthaltsstättewww.diakonie­zentrum­wohnungslose.de

Tagesaufenthaltsstätte Herz As www.herzashamburg.de

Tagesaufenthaltsstätte Mahlzeit, Billrothstr. 79, Altona

Soziale Beratungsstelle Hamburg­Mittewww.wohnungsnotfallhilfe­hamburg.de

Ämterlotsen (Begleitung bei Behördengängen)www.aemterlotsen.de

Schuldnerberatung www.schuldnerberatung­hamburg.de

Haus Jona (Übernachtungshaus)www.stadtmission­hamburg.de ­> Unser Angebot ­> Haus Jona

Jakob­Junker­Haus (stationäre Einrichtung)www.heilsarmee.de/jakobjunkerhaus

Bodelschwingh­Haus (stationäre Einrichtung)www.bodelschwingh­haus­hamburg.de

Integrationshilfen e. V.www.integrationshilfen­hamburg.de

Straßenmagazin Hinz&Kunztwww.hinzundkunzt.de

Schwerpunkt: WohnungsnotI Jahresbericht 2013 19

1. SAGA GWG in die Pflicht nehmenJedezweiteNeuvermietungderSAGAGWGmussanvor dringlich Wohnungssuchende erfolgen, also 4.500 Wohnungen im Jahr. Davon sind 2.000 Wohnungen an wohnungslose Haushalte zu vermieten. SAGA GWG ist nicht dazu da, den Hamburger Haushalt zu sanieren. Der soziale VersorgungsauftragmussersteundobersteVerpflichtungsein.

2. Verträge sind einzuhaltenDer Senat darf nicht weiter wegschauen, sondern muss Vertragsverstöße sanktionieren. Zumindest muss vertrags­widriges Verhalten öffentlich gemacht werden. Die Woh­nungswirtschaft inklusive SAGA GWG hat nicht so viele Wohnungen bereitgestellt, wie 2005 im Kooperationsvertrag mit der Stadt zugesagt; die Unternehmen stehen mit 4.000 Wohnungen im Verzug. Diese Zahl muss auf alle aktuellen Vereinbarungen aufgeschlagen werden.

3. Diskriminierende Praktiken einstellenDas Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz muss auch auf dem Wohnungsmarkt durchgesetzt werden. Zumindest dort, wo es Kooperationsverträge zwischen der Stadt und der Wohnungswirtschaft gibt, dürfen negative Schufa­Einträge kein Hinderungsgrund für eine Anmietung sein.

4. Angemessene Richtwerte für die „Kosten der Unterkunft“Die Richtwerte müssen so beschaffen sein, dass es gelingen kann,eineWohnungzufinden.NachBerechnungendesempirica­Instituts müssten sie in Hamburg zum Beispiel für einen Einpersonenhaushalt bei etwa 390 Euro liegen – statt aktuell bei 327 Euro. Die Richtwerte sind keine „Höchst­werte“. Abweichungen sind daher keine Ausnahme, die vorhandenen Ermessensspielräume müssen ausgeschöpft werden.

Das fordert die DiakonieDie Wohnungsnot in Hamburg betrifft besonders Hartz-IV-Empfänger, Menschen mit Behinderungen und andere Benachteiligte. Wohnungsneubau hilft erst in einigen Jahren, doch schon hier und heute sind in unserer Stadt mehr als 5.000 Menschen wohnungslos: Sie leben auf der Straße, in Notunterkünften oder müssen sich jede Nacht eine neue Bleibe bei Freunden und Bekannten suchen. Die Stadt könnte sofort handeln, um die Wohnungsnot zu verringern. Dies sind die Forderungen der Diakonie:

Landespastorin Annegrethe

Stoltenberg übergibt dem

Ersten Bürgermeister Olaf

Scholz einen Fotoband mit

fast 2.000 Porträts. Die

Bilder entstanden beim

Kirchentag und dokumen­

tieren die breite Unter­

stützung für die

wohnungs politischen

Forderungen der

Diakonie.

20 Jahresbericht 2013 Hamburg violett

Hamburg violettFröhlich, handfest und politisch – Akzente der

Diakonie beim Kirchentag 2013

Am Jungfernstieg: Gesicht zeigen gegen die Wohnungsnot. Am Gänsemarkt: Infos aus erster Hand über soziale Berufe. Und in der HafenCity: Auftakt mit „himmlischen“ Begeg­nungen. Beim Deutschen Evangelischen Kirchentag im Mai war die Diakonie im Herzen der Stadt präsent und setzte viele Akzente in violett. Etwa beim Auftritt von FSJ­lerinnen undFSJ-lernmitdemBundesjugendballett.OderbeiderRenovierung von Kirchenkaten für Obdachlose. Zwischen den Veranstaltungsorten pendelten die Busse der LilaLinie.Mehr Infos, mehr Bilder: www.diakonie­hamburg.de/web/kirchentag/

Hamburg violett Jahresbericht 2013 21

22 Jahresbericht 2013 Interview mit Landespastorin Stoltenbergnhalt

Inhalt

Wir treffen die Landespastorin in ihrer Wohnung in Ottensen, wo sie und ihr Mann seit einem halben Jahr leben. Das Thema Begegnungen ist ihr Wunsch für dieses Interview. Die 63­Jäh­rige erzählt persönlich, humorvoll und offen. Das fällt in der privaten Umgebung leicht. Zu leicht? Hinterher hat Anne­gretheStoltenbergSorgen,obdieberuflichenFragen,dieAnliegen der Diakonie zu kurz gekommen sind. Aber der Themenwunschpasstzuihr:SiestehtjaimBerufmitihrerganzen Person ein, und es ist ihre besondere Fähigkeit, neben den Sachthemen auch die Kommunikations­ und Beziehungs­ebene zu sehen.

Einmal im Jahr lädt die Hamburger Diakonie zum „Abend der Begegnung“ein.DasmüssteeigentlichIhreErfindungsein...Nein,den„AbendderBegegnung“gabesvorherschon.Aberdie Idee könnte tatsächlich von mir sein ... (lacht).

SieladenjedenneuenMitarbeiter,jedeneueMitarbeiterinimDiakonischen Werk zum Gespräch ein. Warum?Ich möchte wissen, welche Menschen bei uns im Haus arbeiten. Und die Mitarbeitenden sollen wissen, welcher Mensch dieses Haus leitet. Eine Frage stelle ich dabei immer:

„... weil Menschen mich gesehen haben“Landespastorin Annegrethe Stoltenberg blickt

zum Ende ihrer Amtszeit auf prägende Begegnungen zurück

Was bedeutet es für Sie, bei der Diakonie zu arbeiten? Ich erzähle dann, dass ich schon mal aus der Kirche ausgetreten war. Daraus entwickeln sich oft sehr persönliche Gespräche.

Annegrethe Stoltenberg ist in Glaubensdingen ihren eigenen Weg gegangen. Mit 18 sagt sie dem Pastor, den sie aus der Jugendarbeit schätzt: „Ich glaube nicht, dass ich glaube“ – und tritt aus der Kirche aus. 14 Jahre später – sie hat inzwischen ihren Beruf als Lehrerin aufgegeben und begon­nen, evangelische Theologie zu studieren – besucht sie den Pastor erneut. Mit den Worten „Ich glaube doch, dass ich glaube“ tritt sie wieder ein. Der Pastor zeigt Verständnis: Zwischen 20 und 30 solle man ohnehin die Welt erobern, nicht die Kirche. Das holt die Theologiestudentin dann bald nach.Aber blicken wir noch einmal zurück auf prägende Begeg­nungen in der Kindheit. Annegrethe Stoltenberg erzählt von ihrem Vater und von einer Lehrerin am Gymnasium Oberalster.

Was hat Ihr Vater Ihnen vermittelt?Mein Vater war Jurist und hatte 1933 seine Ausbildung zum Richter abgebrochen, weil er überzeugt war, dass man in einem Unrechtssystem nicht Recht sprechen kann. Mir hat er vermittelt: Gerechtigkeit ist ein entscheidendes Ziel. Und: Man mussjederzeitbereitsein,Verantwortungzuübernehmenundpolitisch zu handeln. In meiner Kindheit in den 1950er­Jahren war die Auseinandersetzung mit dem Faschismus eine Konstante in unserer Familie. Dass nicht alle Kinder so aufwachsen wie mein Bruder und ich, stellte ich verwundert fest, als ich mal bei einer Freundin zu Besuch war: Da erstarr­tedasGesprächbeimAbendessen,alsesumdieNS-Zeitging.

Was hat Sie an Ihrer Lehrerin beeindruckt?Sie unterrichtete uns ab der 8. Klasse in Mathe und Physik – und plötzlich wurden alle Mädchen besser in diesen Fä­chern. Sie brachte uns Programmieren bei und ermunterte uns zum Engagement, zum Beispiel bei der Schülerzeitung und Schülermitverwaltung. Und auch sie fand: Man muss an seinem Platz Verantwortung übernehmen. Inzwischen ist sie über 80, wir sind immer noch befreundet.

Interview mit Landespastorin Stoltenberg Jahresbericht 2013 23

NachdemAbitur1969studiertAnnegretheStoltenbergErziehungswissenschaften, Germanistik und einige Semester Politologie, um Volks­ und Realschullehrerin zu werden. Mit 24 fängt sie an der Gewerbeschule für Kfz­Mechaniker an – alsersteLehrerinunter120männlichenKollegen.NachzweiJahrenvertrautihrderSenateinModellprojektfürjungeerwachsene Arbeitslose an, die ihren Hauptschulabschluss nachholen sollten. Die Studienrätin schafft auch das, gerät aber an den Rand ihrer Kraft und ihres Idealismus. Sie lässt sich beurlauben, reist ein halbes Jahr durch Asien und kündigt die sichere Stelle als Beamtin: „Wie ich den Mut dazu hatte, weiß ich heute noch nicht.“

An der theologischen Fakultät in Hamburg wird die 30­Jährige mit offenen Armen empfangen. ‚Menschen mit Lebenserfah­rungwieSiebrauchenwirhier’,heißtes.NebendemStudiumunterzieht sie sich einer Psychoanalyse nach C. G. Jung, später folgt eine Psychodrama­Ausbildung.

NachdemVikariatinHamburg-LangenhornundeinigenMonaten als Pastorin am Michel wechselt Annegrethe Stoltenberg 1989 ins Kirchenamt der EKD in Hannover – als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Studien­ und Planungs­gruppe. Doch schon im ersten Jahr steigt sie zur Leiterin der Bildungsabteilung und Oberkirchenrätin auf. Mit 40 Jahren wirdsieimKollegiumdesKirchenamtesdasjüngsteMitgliedüberhaupt, außerdem ist sie die erste Frau.

DiesemKarrieresprungwarjaeinebeunruhigendeBegegnungvorausgegangen ...Ja, in der wöchentlichen Andacht im Kirchenamt glitt der Red­ner plötzlich in eine Psychose ab, seine Ausführungen wurden immer wirrer und beängstigender. Aber niemand unternahm etwas, keiner der hochrangigen Theologen und Juristen. Bis ich aufstand, den Redner unterbrach und ihn um ein Segens­wort bat, das ihn und uns alle beruhigt. Eigentlich undenkbar für eine Assistenzreferentin! Danach dachten wohl alle, dass ich leiten kann, weil ich als Einzige gehandelt habe. Aber ich gehe da nicht mit Absicht vor. Ich spüre in dem Moment: Das ist richtig.

BeruflichwieprivatgernmitdemRadunterwegs:

Diakonie-ChefinAnnegretheStoltenberg.

24 Jahresbericht 2013 Interview mit Landespastorin Stoltenbergnhalt

EineGabe,dieSieaufIhremgesamtenberuflichenWegbegleitet hat?Ja,ichhabemichjedenfallsniealsKarrierfrauempfunden.Ofthaben andere etwas in mir gesehen, was mir selbst noch nicht bewusst war. Das wird mir auch in diesem Rückblick noch einmal deutlich: Wie beschenkt ich bin, weil Menschen mich gesehen haben!

Seit 2000 leiten Sie das Diakonische Werk Hamburg. Die wichtigsten Begegnungen in diesem Amt?Vor allem habe ich viele, viele engagierte Diakonie­Mitarbei­tende kennengelernt. Unmöglich, sie hier einzeln aufzuzählen! Für all diese Begegnungen, die meinen Horizont erweitert haben,binichsehrdankbar.Natürlichganzbesondersfürdievertrauensvolle und verlässliche Zusammenarbeit mit meinen wunderbaren Vorstandskollegen!

Beeindruckt hat mich auch die Vielfalt der Lebenswelten, denenichindiesemAmtbegegnetbin:NacheinemEmpfangim Rathaus oder dem Meeting im Überseeclub treffe ich auf der Straße einen Hinz&Kunzt­Verkäufer, der mich mit Hand­schlag begrüßt – wo gibt es das sonst?

Welches Thema war in dieser Zeit zentral für Sie?Vor allem habe ich die Gemeinwohlorientierung der Diakonie und der anderen Wohlfahrtsverbände schätzen gelernt. Auch

die Diakonie muss wirtschaftlich erfolgreich sein, aber wir arbeiten eben nicht für eine hohe Rendite. Gemeinwohlorien­tierung ist nach meiner Überzeugung entscheidend für eine solidarische und plurale Gesellschaft. Solidarität und Subsidi­aritätgehörenstrukturellzusammen.SonstmüsstejaallesimBereich der Daseinsvorsorge staatlich werden – und das passt nicht zu unserer Demokratie und zu unserer pluralen Gesellschaft. Denken Sie nur an all die Menschen, die wir als engagierte Ehrenamtliche und Freiwillige gewinnen, eben weil wir nicht staatlich oder privat sind. Was für ein Schatz für unsere Gesellschaft!

Als Herausgeberin des Straßenmagazins Hinz&Kunzt saßen Sie 2007 auf einem Podium neben dem Dalai Lama. Eine erfreuliche Begegnung?AufjedenFall!ErsaßbarfußmituntergeschlagenenBeinenda, berührte meinen Arm und fragte, ob ich auch genug zu trinken habe. Und er lachte viel. Eine entwaffnende Ausstrah­lung, man entspannt sofort.

Wir sprechen dann noch über Humor als Führungskompetenz („unabdingbar“), die Kunst, mit freundlichem Getuschel kirchliche Sitzungen aufzulockern, und über eine Begegnung im ICE von Frankfurt nach Hannover – mit einem Physiker aus der Erdgasbranche, den sie vier Jahre später, mit 50, heirate­te. Mit einem augenzwinkernden Griff nach den Sternen beantwortet Annegrethe Stoltenberg die letzte Frage:

Welche Begegnung wünschen Sie sich noch?Da der Dalai Lama schon war: Der neue Papst würde mich interessieren ...

è

Am29.NovemberwirdAnnegretheStoltenbergineinemGottesdienst in St. Katharinen als Landespastorin verabschie­det.IhrNachfolgerwirdderbisherigeVorstandHilfswerk,DirkAhrens (siehe Seite 30).

Chronik

20. September 2012Freiwilliges Engagement und InklusionÜber freiwilliges Engagement von Menschen mit Behinderun­gen diskutieren rund 80 Fachleute aus Hamburg und dem gesamten Bundesgebiet. Eingeladen hat das Diakonische Werk, Thema des Fachtags: „Wer hilft hier eigentlich wem?“ Die Hamburger Diakonie unterstützt die ehrenamtliche Tätigkeit von Menschen mit Behinderungen bereits sei 2010: DasProjekt„SelbstverständlichFreiwillig“berät,vermitteltEinsatzorte und bietet Fortbildungen an.www.selbstverständlich­freiwillig.de

16. Oktober 2012Welternährungstag: „Teilt das Brot“

In der Fußgänger­zone im Stadtteil Ottensen macht „Brot für die Welt“ auf den Hunger weltweit aufmerk­sam. Prominente aus Kirche, Wirt­schaft und Politik verteilen symbo­lisch Brot, Anlass ist der Welternäh­

rungstag. Propst Dr. Karl­Heinrich Melzer betont: „Die Ent­scheidung für gutes, regionales Brot ist eine Entscheidung für achtsamen Konsum. Mit unserem Konsum können wir die Lebenssituation von Menschen in anderen Teilen der Welt verbessern.“http://hamburg.brot­fuer­die­welt.de

19. Oktober 2012„Stadtteilmütter“ für AltonaInAltonahabensichweitere„Stadtteilmütter“qualifiziert.NeunFrauentürkischer,arabischerundafrikanischerAbstam­mung beraten nun Familien im Stadtteil in der Muttersprache – zu Kindererziehung, Bildung und Gesundheit. Hinter dem IntegrationsprojektstehendasDiakonie-HilfswerkunddasBezirksamt Altona. Im Jahr zuvor hatte die erste Gruppe der „Stadtteilmütter“ die sechsmonatige Fortbildung abgeschlos­sen.www.stadtteilmuetter­diakonie.de

25. Oktober 2012Beratungsstelle in Harburg feiert JubiläumSeit 25 Jahren arbeitet in Harburg die Soziale Beratungsstelle für Wohnungssicherung und Wohnungslose. Zum Jubiläum überbringtSozialsenatorDetlefScheeledemDiakonie-Projektdie Glückwünsche des Senats. Die Arbeit sei vorbildlich, so Scheele. Seit Gründung wurden rund 11.600 Menschen in der offenen Sprechstunde beraten und 5.000 Menschen in der persönlichen Hilfe begleitet. 1.350 Menschen konnten mithilfe der Beratungsstelle eine eigene Wohnung beziehen, in 760 Fällen konnte die eigene Wohnung erhalten werden.www.beratungsstelle­harburg.deMehr im Schwerpunkt Wohnungsnot: ab Seite 8

30. Oktober 2012Stadt soll tarifliche Bezahlung refinanzierenDer Hamburger Senat soll bei den Vergütungen im Sozial­bereich die aktuellen Tarifsteigerungen berücksichtigen. Das fordert die Mitgliederversammlung des Diakonischen Werks. Anderenfalls seien diakonische Einrichtungen in ihrer Existenz gefährdet. Wörtlich heißt es in der Resolution: „Es darf nicht sein, dass nur noch nicht­tarifgebundene Unternehmen im Wettbewerb bestehen können.“Hintergrund: Die Diakonie in Hamburg bezahlt ihre rund 20.000 Beschäftigten tarifgerecht und will das auch weiterhin tun.DerSenattrittzwarfürtariflicheBezahlungein,willaberdie daraus folgenden Lohnsteigerungen nur zum kleinen Teil refinanzieren.

„Brot für die Welt“-Projekte helfen in Afrika,

Asien und Lateinamerika.

Chronik 2012/2013 Jahresbericht 2013 25

26 Jahresbericht 2013 Chronik 2012/2013

1.November2012Wohnung statt Notunterkunft!

„Eine Brücke ist kein Zuhause“: Mit einem 20 Meter langen Banner geht das „Hamburger Aktionsbündnis gegen Wohnungs­not“ auf die Straße. Anlass ist

der Start des städtischen Winternotprogramms für Obdach­lose.„DieLebensbedingungenindenNotunterkünftensindfür viele Obdachlose unerträglich“, so das Bündnis. Senat, Verwaltung und Wohnungswirtschaft müssten ihre Anstren­gungen gegen die Wohnungsnot „deutlich verstärken“. Dem Aktionsbündnis gehören freigemein nützige Träger der Woh­nungslosenhilfe an, darunter das Diakonische Werk Hamburg.Siehe auch 27. März 2013

3.November2012Kunst-Auktion für FlüchtlingsarbeitIm Ökumenischen Forum Hafencity beginnt die Ausstellung „Kunst für Menschenrechte“. Der Schriftsteller Günter Grass, der Schauspieler Armin Müller­Stahl und andere Künstler haben Bilder gespendet, die nach der Ausstellung versteigert werden. Der Erlös kommt der kirchlichen Flüchtlingsarbeit und dem Verein „borderline­europe“ zugute. „Der amtliche Umgang mit Schutzsuchenden, ob an den EU­Außengrenzen oder im Innern der Wohlstandsfestung Europa, stellt einen andauernden Skandal dar“, erklärt Günter Grass. Schirm­herrinderAusstellungistDiakonie-ChefinAnnegrethe Stoltenberg.

20.November2012Diakonie begrüßt Urteile zum StreikrechtDas Bundesarbeitsgericht verkündet zwei Grundsatzurteile zum Streikrecht in Kirche und Diakonie. Darin wird der kircheneigene Weg im Arbeitsrecht (sogenannter Zweiter und Dritter Weg) bestätigt. Kirche und Diakonie dürfen das Streikrecht in ihren Einrichtungen auch künftig ausschließen, allerdings legt das Gericht dafür bestimmte Bedingungen fest. „Aufgrund der Urteile wird sich die Diakonie bundesweit neu positionieren“, erläutert Stefan Rehm, Vorstand im Diakoni­schen Werk Hamburg. „Wir arbeiten mit Hochdruck an den Details und an der Abstimmung zwischen den Ebenen.“

2. Dezember 2012„Brot für die Welt“: Gottesdienst im Michel„Land zum Leben – Grund zur Hoffnung“ – unter diesem Motto steht die 54. Aktion von „Brot für die Welt“. In Hamburg wird sie mit einem Gottesdienst im Michel eröffnet. In zahlrei­chenProjektenweltweitunterstützt„BrotfürdieWelt“Kleinbauern beim Kampf um ihr Land: Dorfgemeinschaften werden rechtlich beraten, Land wird vermessen, illegaler Holzeinschlag wird dokumentiert. Landespastorin Annegrethe Stoltenberg ruft zu Spenden auf: „Viele Familien in den armen Ländern der Erde müssen sich von dem ernähren, was sie selber anbauen. Genug fruchtbares Land zu besitzen, ist ‚Grund zur Hoffnung’.“ http://hamburg.brot­fuer­die­welt.de

4. Dezember 2012Elfjähriger Jeremie: Zirkus-Konzept tauglich?Im Familien­, Kinder­ und Jugendausschuss der Bürgerschaft gehtesumden„FallJeremie“:DerElfjährige,deralsPflege­kind bei einem Zirkus untergebracht war, ist seit zwei Wochen verschwunden.DerNeukirchenerErziehungsverein,derdieBetreuung des Jungen übernommen hatte, ist Mitglied im Diakonischen Werk Hamburg. Das Konzept der individual­pädagogischen Betreuung – auch in einem Zirkus – sei grundsätzlich geeignet für Kinder und Jugendliche mit hoch problematischen Lebensläufen, betont die Diakonie. Die Kosten seien immer noch günstiger als in der geschlossenen Unterbringung. Kurz vor Weihnachten taucht Jeremie wieder auf;erwirdnunineinemHamburgerWohnprojektbetreut.

Chronik 2012/2013 Jahresbericht 2013 27

21. Dezember 2012Syrische Flüchtlinge nicht vergessenDie Diakonie Katastrophenhilfe ruft dazu auf, syrische Flücht­lingezuunterstützen.„VieleFamilienindenNachbarländernhaben Flüchtlingen eine Herberge gegeben, obwohl sie selber nurüberdasNötigsteverfügen.EsisteineFragederMensch­lichkeit, sie dabei nicht allein zu lassen“, so die Präsidentin der Diakonie Katastrophenhilfe, Cornelia Füllkrug­Weitzel. Seit BeginndesKonfliktsvor21MonatenhilftdieDiakonie–auchmit Spenden aus Hamburg – syrischen Flüchtlingen in Jordanien, dem Libanon, der Türkei und dem Irak.www.diakonie­katastrophenhilfe.de

23. Januar 2013FSJ 4 YOU startet neu75jungeMenschenhabenseitSommer2010dasProgrammFSJ 4 YOU absolviert. Das Diakonische Werk Hamburg wandte sich mit dieser besonderen Form des Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) an 15­ bis 18­Jährige mit und ohne Hauptschulabschluss. Ziel war, die Chancen beim Übergang in den Beruf zu verbessern. Künftig steht das FSJ 4 YOU jungenMenscheninschwierigenLebenslagenzwischen15und26Jahrenoffen.SiewerdenbeiderberuflichenOrientie­rung individuell beraten und intensiv begleitet.www.freiwillig­diakonie­hamburg.deSiehe auch 18. April 2013

29. Januar 2013Austausch St. Petersburg – Hamburg

Der Mitternachts­bus, der Obdachlo­se in der Hamburger City versorgt, hat für einen Abend einen russischen Kollegen an Bord. Grigory Sverdlin, Leiter der Obdachlosenein­

richtungNachtasyl(Nochlezhka)inSt.Petersburg,informiertsich über die Arbeit in der Hansestadt.BeidenrussischenPartnernistebenfallseinNachtbusunterwegs. Im April wird der Austausch fortgesetzt: Eine GruppemitEhrenamtlichenbesuchtdasSchwesterprojektinSt. Petersburg. www.mitternachtsbus­hamburg.de

14. Februar 2013Ingo Zamperoni gewinnt für die Diakonie

„Tagesthemen“­Moderator Ingo Zamperoni spielt, setzt und spendet: Sein Gewinn aus der Fernsehshow „Rette die Million“ geht an das Diakonie­Zentrum für Wohnungslose in Hamburg und an die Hilfsorganisation „Save the children“. Beide Einrichtungen können sich über je87.500Eurofreuen.

Zamperoni hatte sich vorab über die vielseitige Arbeit der Diakonie für obdachlose Menschen informiert. Diakonie­ Vorstand Dirk Ahrens: „Mit diesem Geld können wir in der Sozialarbeit für wohnungslose Menschen eine Fachkraft mit osteuropäischen Sprachkenntnissen einstellen.“www.diakonie­zentrum­wohnungslose.de

22. Februar 2013Pflege-Angebote onlineFür Seniorinnen, Senioren und ihre Angehörigen bietet das DiakonischeWerkeinenneuenService:Aufwww.pflege-und-diakonie.de können sie bequem nach freien Heim­ und Kurzzeitpflegeplätzensuchen.AuchambulantePflegediensteinWohnortnähesinddortleichtzufinden,ebensoTagespfle­ge­Einrichtungen sowie Besuchs­ und Betreuungsdienste. UnterdemMotto„Diakoniepflegt“habensichmehrals80Einrichtungen im Großraum Hamburg zusammengeschlossen.

5. März 2013„Soziale Probleme müssen auf den Tisch“Die Diakonie kritisiert den 4. Armuts­ und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Im Vorfeld seien kritische Analysen aus dem Bericht gestrichen worden, die Veröffentlichung habe sich immer wieder verzögert. Gabi Brasch, Vorstand des Diakonischen Werks Hamburg: „Ein geschönter Erfolgsbericht der Bundesregierung nützt nichts. Die sozialen Probleme gehören auf den Tisch, wirkungsvolle Maßnahmen müssen folgen“. So ignoriere der Bericht zum Beispiel die zunehmen­de Lohnspreizung: „Auch in Hamburg müssen immer mehr Menschen trotz Arbeit aufstockende Hartz­IV­Leistungen beantragen.“

28 Jahresbericht 2013 Chronik 2012/2013

13. März 2013Neue Arztpraxis für Menschen ohne Papiere

Im Schanzenviertel eröffnet AnDOCken, eine Arztpraxis mit sozialer Beratung für Menschen ohne Papiere. Mehrere Tausend Menschen leben und arbeiten in Hamburg ohne legalen Aufenthalts­status. Bei AnDO­Ckenfindensiehausärztliche und gynäkologische Grundversorgung, verknüpft mit

Sozial­ und Rechtsberatung. Träger ist das Diakonie­Hilfs­werk, das Hamburger Spendenparlament hat die neue Praxis mit 120.000 Euro gefördert. Dirk Ahrens, Vorstand des Diakonie­Hilfswerks: „Jeder Mensch hat ein Grundrecht auf eine medizinische Versorgung. Dafür setzt sich das Diakonie­Hilfswerk Hamburg ein“.

27. März 2013Winternotprogramm: Bilanz gemischtDas städtische Winternotprogramm für Obdachlose endet, die Bilanz der Diakonie fällt gemischt aus. Diakonie­Vorstand Gabi Brasch: „Auch diesen Winter ist es gelungen, das Winternotprogramm niedrigschwellig und ohne Zugangsbe­schränkungen aufrechtzuerhalten. Das begrüßen wir.“ Die SituationindenUnterkünftenseijedoch„hochproblema­tisch“: Sie seien überbelegt, viele Menschen müssten auf dem Fußbodenschlafen.AuchdieMitarbeitendenseienhäufigüberlastetundüberfordert.DamitPlätzeindenNot-unterkünften frei werden, fordert die Diakonie zusätzliche reguläre Wohnungen.Mehr im Schwerpunkt Wohnungsnot: Seite 7-19

8. April 2013Pflegeberufe besser bezahlen!Das Diakonische Werk Hamburg unterstützt die Forderung des DGB nach höheren Löhnen in den Sozialberufen. Diako­nie­Vorstand Stefan Rehm: „Der Mindestlohn von 8,75 Euro fürPflegehilfskräfteistdeutlichzuniedrig.IndenHamburgerDiakonie-TarifenerhaltenPflegehilfskräftebereits10Euro.“DieKostenträgermüsstendasüberdiePflegesätzerefinan­zieren.AuchandereRahmenbedingungeninderPflegemüsstenverbessertwerden.„NurdannkönnenwirauchinZukunftdiewachsendeZahlvonpflegebedürftigenMenschenbegleiten,unterstützenundpflegen“,soRehm.

17. April 2013Altenpflege: Ausbildungskosten neu verteiltHamburg führt ab Sommer 2013 eine Ausbildungsumlage in derAltenpflegeein.DieDiakoniebegrüßtdenentsprechendenSenatsbeschluss. Diakonie­Vorstand Stefan Rehm: „Die UmlageistgutfürdiePflegeinsgesamtundschafftGerech­tigkeitfürdiediakonischenSenioren-undPflegeheime.“Hintergrund: Bisher wurden Ausbildungsvergütungen über denjeweiligenPflegesatzrefinanziert.Einrichtungen,dieausbilden,musstenihrenPflegesatzhöheransetzen–einWettbewerbsnachteil. Durch die Umlage werden nun alle Pflegeheime,TagespflegenundambulantenPflegediensteanden Ausbildungskosten beteiligt.

18. April 2013Neue Kampagne wirbt für Freiwilligendienst

Freiwillige zeigen Gesicht: Fünf jungeMenschenwerbenaufPlakaten in U­ und S­Bahnen für das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) und den Bundesfreiwilligen­dienst (BFD) in der Diakonie: vom „Teamplayer“ in der Wohnungslosenhilfe bis zur „Abenteurerin“ in der Behinder­tenhilfe. Zu sehen sind keine Models, sondern aktuelle und ehemalige Teilnehmende. Sabine

Koßmann, Leiterin des Bereichs Freiwilliges Engagement im Diakonischen Werk Hamburg: „Ein Orientierungs­ und BildungsjahrzwischenSchuleundBerufisteinunschätzbarerWertfürdieeigeneBiografie.“www.freiwillig­diakonie­hamburg.de

Von li.: die Ärztinnen Dr. Nina Schmedt

auf der Günne und Dr. Theresa Stein-

müller mit Sozialberaterin Carolina

Martinez und DW-Fachbereichsleiterin

Angela Bähr.

Chronik 2012/2013 Jahresbericht 2013 29

19. April 2013Wohnungsnot: Stadt muss handelnDie Stadt soll benachteiligten Menschen besseren Zugang zu Wohnraum verschaffen. Das fordert die Hamburger Diakonie bei einer Pressekonferenz. Vorstandsmitglied Gabi Brasch: „Der Erste Bürgermeister muss und kann handeln: Mit der SAGA GWG hat die Stadt ein Steuerungsinstrument, mit dem sie direkt am Wohnungsmarkt agieren kann.“ Das Wohnungs­unternehmengehörtderStadt.NachAnsichtderDiakoniemussjedezweiteNeuvermietungvonSAGAGWGanvor­dringlich Wohnungssuchende gehen. Das wären 4.500 Wohnungen im Jahr, aktuell sind es rund 1.700. Gabi Brasch: „SAGA GWG ist nicht dazu da, den Hamburger Haushalt zu sanieren. Der soziale Versorgungsauftrag muss ersteundobersteVerpflichtungsein.“Mehr im Schwerpunkt Wohnungsnot: Seite 19

1. Mai 2013Lila Akzente auf dem KirchentagFarbenfroh, frech, handfest und politisch: So präsentiert sich die Diakonie beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hamburg. Landespastorin Annegrethe Stoltenberg: „’Soviel du brauchst’ ist das Motto des Kirchentages. Wir machen deutlich:NichtjederMenschhat,sovielerbraucht.Diewachsende Kluft in unserer Gesellschaft und die Wohnungs­not sind unsere großen Themen.“ Zu den Highlights der Hamburger Diakonie auf dem Kirchentag zählen der „Wohn­Horror“, eine politisch­künstlerische Inszenierung auf dem Jungfernstieg, und das Info­Camp „Soziale Berufe kann nicht jeder“aufdemGänsemarkt.DieBusseder„LilaLinie“bringenBesucher zu den wichtigsten Veranstaltungsorten.Mehr auf Seite 20-21

1. Juni 2013Libysche Flüchtlinge: Einzelfälle prüfenEvangelische Kirche und Diakonie drängen auf humanitäre Hilfe für mehrere Hundert libysche Flüchtlinge in Hamburg. Sie waren über Italien nach Deutschland gelangt, die Stadt strebteineAbschiebungan.Diakonie-ChefinAnnegretheStoltenberg:„FürunsstehtdiehumanitäreNothilfeanersterStelle: Die Flüchtlinge brauchen Zeit, um sorgfältig ihre Situation und ihre Perspektiven zu klären. Jeder Einzelfall musssorgfältiggeprüftwerden.“BischöfinKirstenFehrs: „Die Flüchtlinge aus Libyen sind zum Spielball einer restrikti­ven europäischen Flüchtlingspolitik geworden, der es in erster Linie um Abwehr, nicht um Schutz geht.“

10. Juni 2013Spenden für FlutopferDas Hochwasser in Deutschland verursacht Schäden in Milliardenhöhe, vor allem im Süden und Osten des Landes. Die Diakonie Katastrophenhilfe ist im Einsatz. Landesbischof GerhardUlrichruftdieMenschenimNordenzuSpendenauf:„Damit unterstützen Sie Evakuierungen, die Einrichtung von NotunterkünftenunddenWiederaufbau,wenndieWasser­massen abgezogen sind.www.diakonie­katastrophenhilfe.de

7. August 2013Pflege – Top-Thema für die Bundespolitik

„AndiePflegedenken“: Auf Einladung der Diakonie diskutie­ren die Hambur­ger Bundestags­kandidaten Frank Schira (CDU), Dr. Matthias Bartke (SPD),

SebastianLiebram(FDP),KerstenArtus(DieLinke)undAnjaHajduk(Bündnis90/DieGrünen).ThemensindderReform-stauinderPflege,nachhaltigeFinanzierungsmodelleunddieAttraktivitätdesPflegeberufs.BeteiligtistauchRenateGamp,Vorsitzende des Deutschen Evangelischen Verbands für AltenarbeitundPflege.VondenzahlreichenFachkräftenimPublikumkommtderAppell,diePflegeaufPlatz1derbundespolitischen Agenda zu setzen.

21. August 2013Profil-Kampagne für die KitasRund 240 Kita­Leitungen und Mitarbeitende informieren sich über die neue Image­ und Marketing­Kampagne der Evange­lischenKitas.SiesolljungeElterninundumHamburgab2014 auf die besonderen Leistungen der evangelischen Kitas aufmerksam machen. Die Kampagne ist auf zwei Jahre angelegt, im Zentrum stehen sechs Plakatmotive, die auf moderneWeisedasevangelischeProfilherausstellen.Außerdem wird der Internetauftritt www.eva­kita.de neu gestaltet.

30 Jahresbericht 2013 Chronik 2012/2013

23. August 2013ZAA: Ratsuchende aus 118 LändernGilt ein Bildungsabschluss, der im Ausland erworben wurde, auch in Deutschland? Bei der Klärung dieser Frage hilft die Zentrale Anlaufstelle Anerkennung (ZAA) der Diakonie. Bilanz nach knapp drei Jahren: 3.000 Menschen aus 118 Herkunfts­ländern wurden beraten, die meisten aus Russland, gefolgt von Polen, dem Iran und der Türkei. Auch zahlreiche Deut­sche, die Ausbildung oder Studium im Ausland absolviert haben, nutzen die Beratung. Finanziert wird die Arbeit vom Europäischen Sozialfonds und von der Stadt Hamburg.www.anlaufstelle­anerkennung.de

5. September 2013Stoltenberg: „Am Gemeinwohl orientieren“Rund 400 Gäste aus Politik, Kirche und Gesellschaft folgen der Einladung der Diakonie zum Abend der Begegnung im Gebäude der HanseMerkur­Versicherung. Letztmals begrüßt Landespastorin Annegrethe Stoltenberg die Gäste; sie geht zum Jahresende in den Ruhestand. In ihrer persönlich ge ­ prägten Ansprache geht sie auch auf politische Grundfragen ein. Die Orientierung am Gemeinwohl sei „Daueraufgabe“ einer solidarischen Gesellschaft, so Stoltenberg.Siehe auch Seite 22.

11. September 2013Neuer Hilfswerk-Leiter: Dr. Tobias Woydack

Pastor Dr. Tobias Woydack wird neuer Leiter des Diakonie­Hilfs­werks Hamburg Er folgt Anfang 2014 Dirk Ahrens nach, der das Amt des Landespastors über­nimmt (siehe rechts). Als Hilfs­werk­Leiter gehört Woydack zugleichzumvierköpfigenDW­Vorstand. Der 39­Jährige ist

derzeit noch Pastor im Hamburger Stadtteil Osdorfer Born – in der Maria­Magdalena­Gemeinde, die ein ausgeprägtes stadtteildiakonischesProfilhat.

Dirk Ahrens, bisher Vorstand Hilfswerk im Diakonischen Werk Hamburg, wird neuer Landes­pastor und Diakonie­Chef. Er tritt das Amt im Januar 2014 an –alsNachfolgervonAnnegretheStoltenberg, die in den Ruhe­stand geht.

Der Aufsichtsrat des Diakoni­schen Werks hatte Ahrens

bereits im Januar 2013 gewählt. Doch dann hieß es: stillhalten und warten. Denn die Berufung durch die neue Kirchenleitung derNordkirchewarerstdreiMonatespätermöglich–dasGremium musste selbst erst gewählt werden.

Pastor Dirk Ahrens (Jahrgang 1963) studierte Theologie in HermannsburgundWien.NachdemVikariatinGreifswaldund Kiel unterrichtete er an der Universität Greifswald, bildete für die Pommersche Kirche Religionslehrerinnen und ­lehrer aus und leitete das Theologisch­Pädagogische Institut in Greifswald. 2001 wechselte er als Gemeindepastor an die Kreuzkirche in Hamburg­Wandsbek. Seit 2009 leitet er als DW­Vorstandsmitglied das Diakonie­Hilfswerk.

Sein besonderes Engagement gilt der interkulturellen Öffnung der diakonischen Arbeit und der Stärkung des diakonischen Profils.DirkAhrens:„Ichbindavonüberzeugt,dassunserhöchstes Gut unsere Glaubwürdigkeit ist. Deshalb wollen wir stärkerwerden,woesumdasbesonderediakonischeProfilgeht. Es braucht uns als professionelle Player am Sozialmarkt, aber auch als Kritiker der Ökonomisierung.“ Die Diakonie müssesichgeradejenerMenschenannehmen,„mitdenensich kein Geld verdienen lässt, die eine schlechte Prognose habenunddiedurchdieMaschendessozialenNetzesfallen“.

Als Hilfswerk­Leiter stärkte Ahrens das Fundraising und profiliertedasHilfswerkalswichtigenTrägerfürFreiwilligenar­beit. Unter seiner Leitung wurden die Stadtteilmütter Altona­Altstadt, die Erziehungsberatungsstelle Altona­West und AnDOCken, die ärztliche und soziale Praxis für Menschen ohne Papiere, gegründet.

Dirk Ahrens lebt seit 2002 in eingetragener Partnerschaft und hat einen Sohn.

Der neue Landespastor: Dirk Ahrens

Zahlen und Fakten Jahresbericht 2013 31

Diakonie Hamburg – wer wir sind

1.644 Angebote der Diakonie in HamburgStand 23.07.2013

Größere Abweichungen gegenüber demVorjahrsindzumTeildurch Veränderungen in der Systematik begründet.

332 Angebote in der Jugendhilfe

75 Angebote derambulantenAltenpflege

398 Angebote in der Behindertenhilfe

178 Angebote in beson­ deren Lebenslagen

95 Angebote in der Familienhilfe

161 Angebote der stationären und teil­ stationärenAltenpflege

28 Kooperationen an GBS/ GTS­Schulstandorten

48 Angebote fürGesundheitsdienstleistungen

Im Hilfswerk arbeiten 120 Hauptamtliche (2012).

Weil unsere Hilfe Menschen weltweit gilt, beteiligen wir uns an der bundesweiten Aktion „Brot für die Welt“, unterstützen die Diakonie Katastrophenhilfe undfördernProjekteinHamburgs Partnerstadt St. Petersburg.

Die Diakonie ist die soziale Arbeit der evangelischen Kirchen. Denn der Glaube an Jesus Christus und prakti­zierteNächstenliebegehö­ren zusammen.

Das Diakonische Werk Hamburg ist zum einen Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege,zumanderen unterhalten wir selbst Hilfsangebote.

Als Spitzenverband vertreten wir die Interessen von 334 Trägern, die bei uns Mitglied sind (2012). Das Spektrum reicht von der Kita einer Kirchengemeinde bis zu großen Trägern wie der Evangelischen Stiftung Alsterdorf oder dem Rauhen Haus. Alle EinrichtungenfindenSieunter www.diakonie­ham­burg.de/web/ueber­uns/mitglieder/index.html. Wir vertreten unsere Mitglieder in Verhandlungen mit Staat und Kostenträgern, beraten sie in rechtlichen, wirt­schaftlichen und konzepti­onellen Fragen und bieten Fortbildungen an. 127 Mitarbeitende leisten diese Verbands­arbeit (2012).

Als Hilfswerk unterhalten wir selbst mehr als 20 Angebote für die Menschen in der Großstadt. Dazu gehören etwa die Telefon­Seelsorge, die Schuldner­beratung, das Diakonie­ Zentrum für Wohnungslose, die Erziehungs­, Ehe­, Partnerschafts­ und Lebens­beratung oder das Frauen­haus.

In Hamburg initiiert das Diakonische Werk innovative ProjektewiedasStraßen-magazin Hinz&Kunzt oder die Passage gGmbH, die auf dem Arbeitsmarkt be­ nachteiligten Menschen eine beruflichePerspektiveverschafft.

169 sonstige Angebote

160 Kindertagesstätten

32 Jahresbericht 2013 Zahlen und Fakten

5,6%

101.189 €für Familien, Frauen und Kinder(Frauenhaus, Stadtteilmütter,

Spieltherapie)

29,0%

521.668 €für Hilfe für obdachlose

Menschen, davon• 52% Diakonie­Zentrum

für Wohnungslose•48% Mitternachtsbus

87.644 € für Mädchen und Frauen in der

Prostitution / Ausstiegsbegleitung

4,9%

3,1%

56.332 € für die Arztpraxis für

Menschen ohne Papiere

38.766 €für Hilfe und Unterstüt­zung für alte Menschen

2,2%

10.827 €fürPartnerprojektein St. Petersburg

0,6%

37.480 €

2,1%

8,2%

147.674 € für Beratung, Begleitung und

Seelsorge, davon:• 72% Schuldnerberatung

•20% Lebensberatungund Telefonseelsorge

•8% Suchtberatung und Suchtselbsthilfe

1,9%

34.346 €für Hilfe für Migrantenund Flüchtlinge

So halfen Ihre Spenden 2012

Zahlen und Fakten Jahresbericht 2013 33

739.170 €

41,2%

2,1%

10.774 €für Freiwilligenkoordination

0,6%

9.922 €für sonstige Hilfsangebote

0,6%

Sehr gutes Spendenergebnis für 2012!

Auch für das Jahr 2012 verzeichnet die Hamburger Diakonie wieder ein sehr erfreuliches Spendenergebnis: 1.795.792 €. Gegenüber dem Vorjahr (2.013.228 €) ist allerdings ein Rückgang festzustellen. Besonders für die Diakonie Katastrophenhilfe gingen weniger Spenden ein, denn es gab keine „medienwirksamen“ Katastrophen, die erfahrungsgemäß zu einer großen Spendenbereitschaft führen.

So teilen sich die Spenden auf: Das Diakonische Werk erhielt 1.019.142 € (Vj. 1.145.658 €). Dieses Er-

gebnis ist auch durch einige Großspenden möglich geworden. So unter- stützte eine Hamburger Stiftung die Rechtsberatung für Migranten, ein Kooperationsprojekt mit der Bucerius Law School, mit 20.000 €. Die Zuwen- dung einer privaten Stiftung ermöglichte unsere Arbeit in der Arztpraxis für Menschen ohne Papiere (AnDOCken) und weitere Angebote in der Obdach- losenhilfe. Auch Projekte wie die Spieltherapie und die ELAS-Suchtselbsthilfe sind mit Zuwendungen aus Stiftungsgeldern bedacht worden.

Für die hohen Spendeneinnahmen waren selbstverständlich auch die vielen Einzelspenden verantwortlich. Spenderinnen und Spendern, die seit Jahren unsere Arbeit verlässlich unterstützen, sind wir besonders verbunden. Ein hohes Maß an Engagement und Kreativität haben wir wieder durch evange- lische Kirchengemeinden und Unternehmen erfahren. Viele Menschen haben durch besondere Spendenaktionen Gelder für Diakonie-Projekte gesammelt. Beispiele sind die Haus- und Straßensammlung Duvenstedt oder das Benefiz-Konzert „Fetter Effekt“. Auch junge Menschen in Schulen begeister-ten sich für Projekte der Diakonie, wie den „Mitternachtsbus“ oder das „Sperrgebiet“, und organisierten Flohmärkte oder Benefizveranstaltungen.

Für „Brot für die Welt“ haben wir insgesamt 739.170 € (Vj. 765.570 €) an Spenden erhalten. Hier gilt unser Dank einmal mehr den evangelischen Kirchengemeinden, die in den Advents- und Heiligenabend-Gottesdiensten für „Brot für die Welt“ gesammelt haben. Nur so konnten wir das hohe Spendenniveau halten.

37.480 € (Vj. 102.000 €) gingen für die Diakonie Katastrophenhilfe bei uns ein, insbesondere für Hilfen in der Sahelzone und in Syrien. In Afrika, Asien und Lateinamerika unterstützen „Brot für die Welt“ und die Diakonie Katastrophenhilfe Menschen in Not in über 1.000 Projekten.

Spendenkonten:Diakonie Hamburg Brot für die Welt Diakonie KatastrophenhilfeKto.-Nr.21016 Kto.-Nr.23000 Kto.-Nr.888800

Alle bei: Darlehnsgenossenschaft Kiel, BLZ 210 602 37

34 Jahresbericht 2013 Zahlen und Fakten

Kurz & bündig aus dem Diakonie-Hilfswerk

Fast 1.800 Menschen suchten im vergangenen Jahr die Evangelische Beratungs-stelle für Erziehungs-, Ehe-, Partnerschafts- und Lebens-fragen auf. In der Erziehungs-beratung wurden 6.923 Sitzungen gezählt, in der Ehe-, Familien- und Lebens-beratung 2.052 Sitzungen.

85 Schulklassen und Gruppen mit mehr als 1.500 Jugendlichen erreichte die Schuldnerberatung mit ihrem Präventionsprojekt „SOS – SchülerOhneSchulden“.

Mehr als 70 Suchtselbst-hilfegruppen gehören zur Diakonie in Hamburg. Über 120 Ehrenamtliche mit Ausbildung sind dort aktiv.

Sechs Prozent mehr Kontakte als im Vorjahr, insgesamt 5.347, verzeich- nete die Kaffeeklappe, die Anlauf- und Beratungsstelle für Sexarbeiterinnen und Ausstiegswillige auf St. Pauli. Außerdem ergaben sich rund 2.275 Kontakte über die Straßensozialarbeit.

700 Gäste feierten mit bei einem Lateinamerikanischen Familienfest, organisiert vom Integrationszentrum Hamburg-Nord.

24 Stunden täglich, an sieben Tagen in der Woche ist die Aufnahme in das Frauenhaus der Diakonie möglich.

1.382 Beratungs- und Kontaktgespräche mit Obdachlosen führte die Straßensozialarbeit in der Hamburger City im vergan-genen Jahr. 58 Menschen wurden in unterschiedliche Wohnformen vermittelt.

1.748 Frauen kamen in die Schwangeren- und Schwan-gerschaftskonfliktberatung, die die Diakonie in Altona und Barmbek anbietet. Gut die Hälfte der Klientinnen ist zwischen 19 und 29 Jahren alt.

40.688 Mahlzeiten gab die Tagesaufenthaltsstätte für wohnungslose Menschen 2012 aus, das sind im Schnitt 161 Mahlzeiten an jedem Öffnungstag.

Mehr als 18.000 Betreu-ungsstunden wurden 2012 bei SeniorPartner Diakonie gezählt – rund 3.700 mehr als im Vorjahr. Das Projekt bringt an fünf Standorten Freiwillige mit alten Menschen zusam-men, die zu Hause Unter- stützung brauchen.

711 Menschen kamen in die Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer. Unter den Herkunftsländern steht Polen an der Spitze (29 Prozent).

Mehr als 1.500 Men-schen klickten im Dezember 2012 die neue Website www.sperrgebiet-hamburg.de an – mit Rat und Infos für Mädchen und junge Frauen in der Prostitution.

Landesverband

Vorstandsbereich 1

Landesverband

Vorstandsbereich 2

Diakonie-Hilfswerk

Hamburg

Zahlen und Fakten Jahresbericht 2013 35

So ist das Diakonische Werk Hamburg aufgebaut

Aufsichtsrat Hilfswerksausschuss

Vorstand

Landespastorin

Migration und Existenzsicherung

Mitglieder­betreuung/ Statistik

Eingliederungs­ hilfe und Finanzierung

Innenrevision Migrations­ und Frauensozialarbeit

Qualitäts­ management

Freiwilliges Engagement

Kinder­ und Jugendhilfe•konzeptionelle Beratung

PflegeundSenioren

Beratung und Seelsorge

Datenschutz­beauftragte

Projektent­wicklung Hilfswerk

Finanz­ und Rechnungswesen/IT

Kinder­ und Jugendhilfe•betriebswirt- schaftliche Beratung

Weltweite Diakonie

Personal/ Arbeitsrechtliche Beratung

Zentrale Dienste: Dorothee­Sölle­Haus

Existenzsicherung SeniorPartner

Stabsstelle

Information und Öffentlichkeitsarbeit / Fundraising

Fachbereich Fachbereich FachbereichStabsstelle Stabsstelle Stabsstelle

36 Jahresbericht 2013 Zahlen und Fakten

Der Vorstand des Diakonischen Werks Hamburg

Der Aufsichtsrat des Diakonischen Werks Hamburg Landesverband

Pastor Dr. Torsten SchwedaEv.­Luth. DiakonissenanstaltAlten Eichen

Pastor Dr. Stefan StieglerAlbertinen­Diakoniewerk

N.N.

Staatsrat a. D.Hans­Peter Strenge

Katharina SeilerEv. Stiftung Alsterdorf

Birgit SchulzEv. Stiftung Alsterdorf

Hanns­Joachim Lukas­KockDiakoniestiftung Alt­Hamburg

Wilfried HansGroßstadt­MissionHamburg­Altona e.V.

Pastor Dr. Friedemann GreenRauhes Haus

Bischöfin Kirsten Fehrs

Martin Blöcher

LandespastorinAnnegrethe Stoltenberg

Pastor Dirk Ahrens

Gabi Brasch

Stefan Rehm

LandespastorinPetra ThobabenDiakonisches WerkSchleswig­Holstein

OberkirchenratWolfgang VogelmannLandeskirchenamt

Vorsitzender

stellvertr. Vorsitzender

stellvertr. Vorsitzender

Mitglied

stellvertr. Mitglied

Mitglied

stellvertr. Mitglied

Mitglied

stellvertr. Mitglied

ber. Mitglied der Kirchenleitung

stellvertr. ber. Mitglied

beratend

beratend

beratend

beratend

ständiger Gast

ständiger Gast

Propst Dr. Karl­Heinz MelzerKirchenkreis Hamburg­West

Pastor Dirk Ahrens

Pröpstin Isa LübbersKirchenkreis Hamburg­Ost

Theo ChristiansenKirchenkreis Hamburg­Ost

OberkirchenratWolfgang VogelmannLandeskirchenamt

Martin BlöcherKirchenleitung

Bernhard SchickKirchenkreis Hamburg­West

Professorin Barbara Rose

LandespastorinAnnegrethe Stoltenberg

Gabi Brasch

Stefan Rehm

Steffen Becker

Vorsitzender

Geschäftsführer

Mitglied

Mitglied

Mitglied

Mitglied

Mitglied

Mitglied

beratend

beratend

beratend

beratend

Der Hilfswerksausschuss des Diakonie-Hilfswerks Hamburg

LandespastorinAnnegrethe Stoltenberg

Gabi Brasch

Stefan Rehm

PastorDirk Ahrens

Vorstandsvorsitzende

LandesverbandVorstandsbereich 1

LandesverbandVorstandsbereich 2

Diakonie-Hilfswerk Hamburg

Zahlen und Fakten Jahresbericht 2013 37

Gewinn- und Verlustrechnung 2012

Erlöse

Kirchliche Zuwendungen

Öffentliche Mittel

Spenden · Kollekten

Mitgliedsbeiträge

Erträge aus Dienstleistungen

Zinsen

Landesverband 9.251.600 €

Landesverband 8.883.100 €

Diakonie−Hilfswerk 8.224.500 €

Diakonie−Hilfswerk 8.122.500 €Kosten

Personalkosten

diakonischer Aufwand · Finanzhilfen

Sachkosten

Miete

Abschreibung

Jahresergebnis

AuflösungRücklage

Zuführung Rücklage

2012 4.000.300 € 43,2%2011 3.426.500 € 42,6%

1.711.800 € 18,5% 1.172.000 € 14,6%

76.500 € 0,8% 93.200 € 1,2%

1.089.300 € 11,8% 1.070.500 € 13,3%

2.227.800 € 24,1% 2.122.400 € 26,4%

145.900 € 1,6% 150.500 € 1,9%

2012 5.161.500 € 58,1% 2011 4.661.500 € 57,5%

1.210.700 € 13,6% 1.181.100 € 14,6%

1.633.600 € 18,4% 1.420.000 € 17,5%

731.800 € 8,2% 714.100 € 8,8%

145.500 € 1,7% 132.600 € 1,6%

2012 368.500 € 2011 -74.200 €

2012 371.800 € 2011 330.700 €

2012 740.300 € 2011 256.500 €

2012 4.025.700 € 49,6% 2011 4.007.300 € 50,9%

1.820.500 € 22,4% 1.694.200 € 21,5%

1.397.000 € 17,2% 1.298.000 € 16,5%

775.400 € 9,5% 764.500 € 9,7%

103.900 € 1,3% 103.800 € 1,4%

2012 102.000 € 2011 557.200 €

2012 222.300 €2011 430.600 €

2012 324.300 €2011 987.800 €

2012 2.001.500 € 24,3% 2011 2.264.900 € 26,8%

4.216.300 € 51,3% 4.053.900 € 48,1%

884.300 € 10,8% 973.500 € 11,6%

1.019.800 € 12,4% 1.025.200 € 12,2%

102.600 € 1,2% 107.500 € 1,3%

38 Jahresbericht 2013 So erreichen Sie uns

Unsere Telefonzentrale vermittelt Ihnen gern die gewünschten Ansprech-partner:

040 / 30 62 0 - 0

Landespastorin: Annegrethe Stoltenberg ­ 238/239

Information­ und Öffentlichkeitsarbeit/ Fundraising: Steffen Becker ­ 233

Landesverband Vorstandsbereich 1: Gabi Brasch ­ 265/266

Migration und Existenz­sicherung: Dr. Dirk Hauer ­ 367

Freiwilliges Engagement: Sabine Koßmann ­ 286

Weltweite Diakonie: Susanne Hesemann ­ 232

Kinder­ und Jugendhilfe (betriebswirtschaftliche Beratung): Uwe Mühling ­ 234

Kinder­ und Jugendhilfe (konzeptionelle Beratung): Gerlinde Gehl ­ 294

Mitgliederbetreuung/Statistik: Dorothee Hoppe ­ 302

Landesverband Vorstandsbereich 2: Stefan Rehm ­ 212/213

Eingliederungshilfe und Finanzierung: Thomas Illing ­ 275

PflegeundSenioren: Katrin Kell ­ 299

Finanz­ und Rechnungs­wesen: Jürgen Seeba ­ 283

Personal: Kirsten Lehne ­ 236

Zentrale Dienste: Hans­Jörg Wulf ­ 270

Innenrevision: AnjaZimpel-279

Datenschutzbeauftragte: Katharina Sieckmann ­ 277

Diakonie-Hilfswerk Hamburg: Dirk Ahrens ­ 229/230

Beratung und Seelsorge: Andreas Hänßgen ­ 260

Migrations­ und Frauen­ sozialarbeit: Angela Bähr ­ 219

Existenzsicherung: Peter Ogon ­ 309

ProjektentwicklungHilfswerk: Peter Schröder­Reineke ­ 289

Qualitätsmanagement­ beauftragte: Christiane Burkhardt ­ 203

SeniorPartner: Kirsten Prehm ­ 253

So erreichen Sie uns

Impressum Jahresbericht 2013 39

Impressum

HerausgeberDiakonisches Werk Hamburg ­ Landesverband der Inneren Mission e.V.Königstraße 5422767 HamburgTelefon 040 / 30 62 0 ­ 231Fax 040 / 30 62 0 ­ 315info@diakonie­hamburg.dewww.diakonie­hamburg.de

Verantwortlich und KonzeptionSteffen Becker

TextAnke Pieper (Schwerpunkt­thema), Detlev Brockes (Interview Stoltenberg, Chronik)

Zahlen und FaktenBianca Carstensen

FotosMarkus Scholz (Titel, Rückseite, Schwerpunktthe­ma, Kirchentag, Stoltenberg)

Gestaltung / GrafikElisabeth Steuernagel

DruckDruckerei Zollenspieker, Hamburg

PapierUmschlag:Vivus matt 170g/qmInnen:Vivus matt 130g/qm(60% Recycling­Anteil)

SchriftHelveticaNeue55Roman,65 Medium, 95 Black

Auflage1.700

StandSeptember 2013

Jahresbericht 2013

Landesverband der Inneren Mission e.V.

Hamburg

Jocelyne A.sucht seit fast zwei Jahren eine Wohnung in Hamburg: „Mein Sohn Ezechiel kennt nurdieseNotunterkunft,ichbin hier angekommen, als ich hochschwanger war. Im NovemberwirderzweiJahrealt, er hat einen deutschen Vater und einen deutschen Pass. Ich habe einen siche­ren Aufenthaltstitel, keine Schulden, lerne Deutsch und möchte eine Ausbildung machen. Ich habe eine Dringlichkeitsbestätigung und bekomme manchmal Ange­bote von der SAGA, aber die Wohnung erhalten am Ende immer andere. Ich bete und suche weiter, aber es ist sehr schwer.“

Diakonisches Werk Hamburg Königstraße 54 | 22767 Hamburg | Telefon 040/30 62 0 ­ 0 | info@diakonie­hamburg.de | www.diakonie­hamburg.de