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KUBA J ardines de la Reina – vier spanische Worte. Süß wie Honig, feurig wie Salsa klingen sie und heißen ins Deutsche übersetzt „Die Gärten der Königin“. Die Schönheit dieser Gärten findet man jedoch nicht etwa in Form gestalteter Landschaften, sondern direkt über und unter dem Meeresspiegel. In schier unendlich erscheinenden Mangrovenwäldern und prächtigen Korallenriffen wimmelt es von marinem Leben aller Art. Das Naturschutzgebiet der „Jardines liegt der größten Antilleninsel vorgelagert an der Karibikseite im Süden Kubas und besteht aus mehr als 650 Koralleninseln. Auf dem nur mit einer mehrstündigen Bootsfahrt erreichbaren Archipel gibt es keine Siedlungen, keine Dörfer, keine Hotels. Text: Thomas Michael Fotografie: Michael Bolscho, Thomas Michael 28 GLOBAL GAME ANGLER GLOBAL GAME ANGLER 29 JARDINES DE LA REINA KUBA KUBA JARDINES DE LA REINA Mirjana Pavlic von FLYFISHING EUROPE bewundert einen blitzeblan- ken kubanischen Bonefish aus den Gärten der Königin.

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KUBA

J ardines de la Reina – vier spanische Worte. Süß wie Honig, feurig wie Salsa klingen sie und heißen ins Deutsche übersetzt „Die Gärten der Königin“. Die Schönheit dieser Gärten findet man jedoch nicht etwa in Form gestalteter Landschaften, sondern direkt über und unter dem Meeresspiegel. In schier

unendlich erscheinenden Mangrovenwäldern und prächtigen Korallenriffen wimmelt es von marinem Leben aller Art. Das Naturschutzgebiet der „Jardines liegt der größten Antilleninsel vorgelagert an der Karibikseite im Süden Kubas und besteht aus mehr als 650 Koralleninseln. Auf dem nur mit einer mehrstündigen Bootsfahrt erreichbaren Archipel gibt es keine Siedlungen, keine Dörfer, keine Hotels.

Text: Thomas MichaelFotografie: Michael Bolscho,

Thomas Michael

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Mirjana Pavlic von FLYFISHING EUROPE bewundert einen blitzeblan-ken kubanischen Bonefish aus den Gärten der Königin.

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Auf dem nur mit einer mehrstündi-gen Bootsfahrt erreichbaren Archipel gibt es keine Siedlungen, keine Dör-fer, keine Hotels. Nur eine Handvoll kubanischer Fischer gehen hier ge-legentlich dem Fischfang nach. Doch auch sie können in dieser abgeschie-denen Wasserwelt nur kurze Zeit ver-bringen. So sind die kleinen Inselchen einer der letzten, wirklich unberühr-ten Flecken auf diesem Globus, wo so begehrte Fischarten wie der Bonefish, der Tarpon und der Permit auf uns Flie-gen- und Spinnfischer in großer Zahl warten. Entsprechend erwartungsvoll fantasierten wir von den bevorstehen-den Erlebnissen, als wir unsere See-säcke, Taschen und Rutenrohre auf das Boot verluden, das uns von dem kleinen Fischerdorf Jucaro zu den Jar-dines de la Reina bringen würde.

Wir, das waren die Münchner Freun-de Lothar, Michel und Bertel sowie Mir-jana Pavlic von Flyfishing Europe und ich. In einem klimatisierten Reisebus hatte man uns und 8 weitere Angler mit einer entspannten mehrstündigen Fahrt von Havanna hierher gebracht. Seit fünf Uhr in der Früh waren wir schon wach und hatten von unseren bequemen Sitzen aus die weitläufige Landschaft Kubas mit Zuckerrohrplan-tagen, Weideflächen, kleinen Palmen-hainen und winzigen Siedlungen mit bunten Häuschen und ihren überaus entspannt wirkenden Bewohnern in zum Teil noch bunterer Garderobe an-geschaut. Nun plauderten wir mit den anderen Anglern, die genau wie wir, auf dem Weg zu den Jardines waren.

Auf unserem Boot hatten wir die Gesellschaft von einem italienischen Spinnangler und einem argentini-schen Fliegenfischer. Die anderen sechs Angler stammten allesamt aus Argentinien und bestiegen ein zweites Transferboot. Alle waren in freudiger Erwartung, alle fantasierten von den erhofften Fängen, die häufigsten und in dem Sprachengewirr aus Deutsch, Italienisch und Spanisch alle Sprach-barrieren überspringenden Worte lau-teten „Bonefish“, „Permit“ und „Tar-pon“. Zwischen zahlreichen Booten, Flats-Skiffs und Kajaks, die auf dem

Mit dumpfem Brabbeln sprang der Motor unse-res Transferbootes an, das Zeichen zum Auf-bruch. Leinen los und in-nerhalb weniger Minuten wurde der Hafen hinter uns kleiner und kleiner bis er schließlich hinter dem weiß schäumenden Schraubenwasser in wei-ter Ferne verschwand. Vorbei an leuchtenden Riffstrukturen und eini-gen kleinen, mit Mangro-ven und Buschwerk be-wachsenen Inseln fuhren wir auf das türkisfarbene Wasser des offenen Meeres hinaus, das bis zu den Jardines flach blieb und niemals eine dunklere Farbe als ein sattes Mittelblau erreichte. Hier und da raubten Fische an der Ober-fläche, hier und da sauste ein Hound-fish auf der Schwanzflosse über den Meeresspiegel, da und dort sahen wir Delfine. Ich atmete tief durch, genoss die frische Meeresluft und den kühlen Fahrtwind. Meine Freunde hatten es sich auf den Sitzen im Boot bequem gemacht, die Guides lagen entspannt auf dem Boden oder rauchten Ziga-retten auf dem Achterdeck. Bald ver-stummten die Gespräche zwischen den Anglern, die mehr und mehr in eine Art Trancezustand verfielen und,

mit offenen Augen träumend, auf die Ankunft an unserem Zielort warteten.

Die „Floating Lodge“Nach einer Weile tauchten In-

seln vor uns auf, deren Bewuchs mit schwarzen und weißen Mangroven mich gleichermaßen an die Vegetati-on in den Bahamas wie auch an Flo-ridas Golfküste erinnerte. Eine, wenn auch nicht spektakuläre, für mich je-doch besondere Kulisse. Hatte ich doch diese Kombination noch an kei-nem anderen Ort der Welt gesehen.

Und wenig später dann bog unser Boot in einen in allen Blautönen schillernden Ka-nal ein, der tief in den Man-grovenwald hineinführte, bis sich die schmale Durch-fahrt in eine große Lagune öffnete, in deren Zentrum unser schwimmendes Hotel auf uns wartete. Die „Tor-tuga“, ein 33 Meter langes, doppelstöckiges Hausboot. Bei einem kalten Welcome-Drink ließen wir uns in die gemütlichen Stühle auf dem vorderen Deck sinken, während die Crew unser Gepäck in unseren Kabinen

verstauten. Tony, der Manager unse-rer schwimmenden Lodge, weihte uns in die Gebräuche und bevorstehen-den Tagesabläufe ein und gemeinsam mit den Guides gab er uns Tipps und Hinweise zur Fischerei. Zustimmend nickenden Blicken in unsere Fliegen-dosen folgte das allgemeine Zusam-menbauen der Angelausrüstungen. Während wir und unser argentinischer Kollege einen Wald aus Fliegenruten an Deck aufstellten, schraubte der Italiener Stellas und Dogfights an sei-ne schweren Spinnruten. Offensicht-lich hatte er vor, an den Riffen mit großen Topwater Lures zu fischen und erzählte mit strahlenden Augen von seinen bevorstehenden Auseinander-

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Vorplatz der kleinen Hafenanlage standen, wuselten Kubaner um uns herum, die sich uns als unsere Gui-des und Lodgepersonal vorstellten. Sie hatten das Wochenende daheim bei ihren Familien verbracht, um nun wieder für eine längere Zeit zu ihrem Arbeitsplatz aufzubrechen: Den Gär-ten der Königin.

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Die „Tortuga“ liegt als schwimmende Lodge mitten in der Inselwelt der Jardines de la Reina.

Die Zahl und Größe der Bonefishflats in den „Jardines“ erscheint endlos.Viele der Flats sind wunderbar zu bewaten.

Mit Vollgas hinaus auf die Flats. Der Fahrtwind vertreibt die letzten Gedanken an den Alltag.

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setzungen mit gewaltigen Crevalle Jacks und Cubera Snappern. Bald war alles aufgeriggt und die Ruten hingen übersichtlich sortiert in den Rutenhal-ten am Vordeck. Nach einem schnel-len, schmackhaften Snack bestiegen wir für ein paar Stunden Nachmit-tagsfischerei die bereitstehenden Dol-phin Flats-Skiffs. Michel und Mirjana begaben sich in die Obhut von Arje-lios, den seine Guide-Kollegen wegen seiner äußerst dunklen Hautfarbe „El Negrito“ nannten. Lothar und Ber-tel stiegen in das Boot von Eduardo. Und ich schüttelte die Hand eines jun-gen Kubaners, der sich mir mit einem Sonnenscheinlächeln als Leonardo vorstellte. Ihm stand eine besondere Aufgabe bevor, denn wir beide würden die Fische vornehmlich mit der Kame-ra und nur eher selten mit der Fliege fangen. Wir waren das „Kameraboot“ und wollten die anderen beiden Boo-te auf ihren Ausfahrten begleiten, um Fotos und Videos zu schießen. Nach einem intensiven Briefing über das Was und Wie starteten wir die Moto-ren, tuckerten im Standgas durch ei-nen der zahlreichen, aus der Lagune hinausführenden Channels, um dann an dessen Mündung in die offene Wei-te der Flats die ultraflachen Boote zu beschleunigen und mit Höchstge-schwindigkeit förmlich über den Was-serspiegel zu fliegen.

Erste FischkontakteBald schon mussten wir die Ge-

schwindigkeit drosseln, denn ein kräftiger Wind pustete Wellen aufs Meer. Unsere Guides brachten uns in den Windschatten hinter den Inseln, Lothar und Bertels Boot legte neuen Kurs an und so trennten sich unse-re Wege. Leonardo und ich hängten

uns in Arjelios Kielwasser und wollten bei ihm, Michel und Mirjana bleiben. Als perfekter Gentleman ließ Michel unserer Fliegenfischerin den Vortritt und Mirjana stellte sich mit der 8-er Fliegenrute aufs Casting Deck, mach-te sich wurfbereit und hielt mit der Bonefishfliege in der Hand und auf dem Deck ausgelegter Flugschnur Ausschau nach Fischen. Es war of-fensichtlich, dass sie bereits einige Erfahrung im Salzwasserfliegenfi-schen hat, was auch Arjelios mit ei-nem anerkennenden Nicken wahr-nahm. Wellen und Wind machten jedoch das Aufspüren und Sichten von Fischen in dem aufgewühlten und leicht angestaubten Flachwas-ser zu einem Expertenjob. So fuhren wir von einer zur nächsten Angelstel-le, auf der Suche nach sichtigerem Wasser. Schließlich fanden wir einen Ufersaum entlang eines langen Sand-strandes, wo es von Futterfischen nur so wimmelte. Hier und da durchbrach der Rücken eines rollenden Tarpon den Wasserspiegel. Mirjana tausch-te die Achter gegen eine Zehner Rute und legte den Silver Kings die Flie-ge vor die Nasen. Jedoch ohne die im

Nahrungsüberfluss schlemmenden Fische mit ihrer Tarponfliege betören zu können. Nach etlichen Versuchen verstaute Arjelios den Pushpole wie-der, warf den Motor an und fuhr an eine andere Stelle, wo wir die Skiffs ankerten und auf einem dem Strand vorgelagerten Riffplateau zu Fuß auf die Suche nach Bonefish zu gingen. Arjelos mit Mirjana an seiner rechten Seite schlichen voran, gefolgt von Mi-chel und mir mit unseren schussbe-reiten Fotoapparaten. Leonardo blieb währenddessen bei den Booten. Nach wenigen Minuten war die erste Schu-le Bonefish gesichtet und wurde von Arjelos und Mirjana in geduckter Hal-

tung angeschlichen. Doch die Fische schwammen mit exakt der gleichen Geschwindigkeit fressend und tailend weiter, wie die beiden Jäger versuch-ten, sich ihnen auf leisen Sohlen zu nähern. Endlich blieb der Schwarm für einen Moment an einer Stelle ste-hen, vielleicht weil dort gerade et-was besonders Schmackhaftes am Gewässergrund im Angebot war, und die Bonefish-Jäger konnten sich den Fischen auf bequeme Wurfdistanz nähern. Einen schnellen Wurf mit nur zwei Leerschwüngen, drei Sekunden Fliegenabsinkphase und vier kurze Strips an der Flugschnur später stand Mirjana mit tief verbeugter Fliegen-rute da, die Rolle gab singend Schnur frei und ein Bonefish sauste mit Höchstgeschwindigkeit davon. Seine Versuche, das Flachwasser über die von kleinen Wellen überspülte Kan-te des Riffplateaus in Richtung des tiefen Wassers zu verlassen, parier-te Mirjana mit fein dosiertem Gegen-druck. So bekamen wir unsere ersten Fotos für diese Geschichte. Mit einem blitzeblanken, gut vierpfündigen Bo-nefish in den Händen einer freude-strahlenden Fliegenfischerin.

Wohl vierzig, vielleicht fünfzig Snapper pendelten zwischen dem Dunkel unter dem Schiffsrumpf und dem blaugrau schimmernden Wasser der Lagune hin und her. Zwei Houndfish zogen schlän-gelnd ihre todverheißenden Kreise um einen Schwarm kleiner Futterfische. Da unten im Wasser spielte die Natur bereits morgens um kurz nach sechs das Spiel vom Fressen und Gefressen-werden. Nach und nach tauchten mei-ne Freunde mit Kaffeetassen in den Händen und verschlafenen Gesichtern auf. Still begrüßten wir uns und genos-sen gemeinsam, doch auch irgendwie jeder für sich ganz persönlich, die be-eindruckende Stille und Schönheit des erwachenden Tages. Munterer wurde es dann im Speiseraum beim Schlem-men eines reichhaltigen Frühstücks, das uns eine gute Grundlage für die bevorstehenden Anstrengungen gab, welche fast schon ein wenig eupho-risch von uns und unseren argenti-nischen und italienischen Mitanglern herbeigeplappert wurden. Während der Italiener von den großen Cuberas schwärmte, hatte der Argentinier es ausschließlich auf den Permit abgese-hen. Wir hingegen wollten einfach nur schauen, welches Programm Petrus für uns bereithielt und alles fangen, was die Flats zu bieten hätten. Nach einer riesigen Portion Eier mit Schinken und Toast, gefolgt von saftigen Papaya und Ananas, bestiegen wir die Boote und fuhren neuen Abenteuern entgegen.

Etliche Würfe und zwei Bonefish später traten wir bei schon tiefste-hender Sonne die Rückfahrt zur „Tor-tuga“ an, um dort die Erlebnisse des ersten Nachmittags bei köstlichen Kaltgetränken mit mal mehr, mal we-niger Alkoholgehalt und schließlich ei-nem opulenten Meeresfrüchte-Dinner in angeregten Gesprächen miteinan-der auszutauschen. Auch Bertel und Lothar hatten erste Fischkontakte mit Tarpon und Bonefish gehabt. Mo-jitos begleiteten den spektakulären Sonnenuntergang mit dem Aroma von Minze und Rum, wir hatten den Zustand genussvollster Urlaubsstim-mung erreicht. Der Alltag war verges-sen. Als wir in die Betten in unseren geräumigen Kabinen fielen, dreh-ten sich die Gedanken und Träume nur noch um die glitzernden Flossen,

grün schimmernden Rücken und pfeil-schnellen Fluchten der faszinierenden Fische dort draußen, in den prächti-gen Gärten der Königin.

Looki to mi – strippi di slowDen ersten ganzen Angeltag be-

grüßte ich auf dem Sonnendeck der „Tortuga“. Kaffee schlürfend lauschte ich dem fast unhörbaren Plätschern winziger Wellen, die rings um das Mutterschiff das Gewirr des Mangro-venwurzelwerks umspülten, übertönt von leisen Stimmen und dem Geklim-per von Geschirr aus der Küche, wo Schiffskoch und Helferinnen sich flei-ßig um das Frühstück kümmerten. Die Sonne kroch über den dunklen Schat-tenriss des Mangrovenwaldes und hauchte ein zartes Violett mit rosa Schleiern über die Szenerie der Ruhe.

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Die Jardines haben einen hervorragenden Bestand von standorttreuen Baby-Tarpon, die zu jeder Jahres-zeit eine span-nende Fischerei bieten.

Tief in den Mangroven auf der Suche nach Tarpon.

Michel mit einem stattlichen Bonefish, den er trotz Starkwind und Wellen erspähte und dann an seine Fliege locken konnte.

Guide Arjelios re-least einen Barrakuda.

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Zunächst begleiteten wir Lothar und Bertel, die ihr Guide Eduardo heute an den Tarpon bringen wollte. Der Wind hatte seit dem gestrigen Tag erheblich aufgefrischt und schon bei der Über-fahrt durch den ersten Channel beka-men wir alle mehrere kräftige Meer-wasserduschen, so hoch waren die Wellen auf dem Meer, das sich offen-bar den Teufel darum scherte, dass wir eigentlich spiegelglatte Flats erwartet hatten. Eduardo kurvte auf der Su-che nach windgeschützten Angelstel-len tiefer und tiefer in die schmalen Wasserstraßen zwischen dem Mang-rovendickicht hinein bis wir schließlich

auf einem kleinen Flat ankamen, das ringsum von dichtem Mangrovenwald umgeben war. Behutsam stakte Edu-ardo das Skiff entlang der Mangroven-wurzeln, den Blick konzentriert aufs Wasser gerichtet. Lothar und Bertel waren beide wurfbereit mit ihren Flie-genruten. Einer im Bug, einer im Heck des Bootes. Und es dauerte nicht lan-ge, bis Eduardos raue Stimme in ge-brochenem Englisch verkündete: “Tar-pon five o clock,“ (Tarpon auf 5 Uhr). Lothar schaute nach fünf Uhr, aber da war nichts zu sehen. „Long cast!” (Langer Wurf), rief Eduardo und Lo-thar warf seine Fliege so weit er konn-

te. Doch scheinbar nicht genau dahin, wohin er hätte werfen sollen. „Looki to mi, strippi di slow” (Schau wohin ich zeige, langsam einstrippen), und Lothar tat wie ihm geheißen, aber wohl auch nicht exakt nach Eduar-dos Vorstellungen. „More wait, more wait!” (länger warten, länger warten), Eduardo wurde etwas nervös. Lo-thar wartete, die Fliege sank zu Bo-den, der Tarpon war verschwunden. Nur Minuten später kam der nächste Tarpon aus dem Gewirr der Mangro-venwurzeln ins Freiwasser und es war an Bertel, sein Glück zu versuchen. Doch ihm erging es genau wie seinem Freund zuvor. Er warf den Fisch an, so gut es ging, begleitet von Eduar-dos Ansagen: „Nonono, ischu looki to me, make a long cast and strippi di slow, more slow, more slow.” Auch dieser Fisch bekam die Fliege nicht zu Gesicht und paddelte lässig seines Weges. „Oh, oh, shit. Gone away. You must listen to me. Not stripping fast, slow, slow!!! (Oh Sch…, er ist weg. Du musst mir zuhören. Nicht schnell strippen, langsam, langsam!!!) Nun, es dauerte nicht lange bis die bei-den Münchner Fliegenfischer sich an Eduardos spezielles Englisch gewöhnt hatten und seine Kommandos besser und besser umsetzten. Die Belohnung

folgte auf dem Fuße. In Form eines sil-berblanken Fisches, der Bertels Fliege inhalierte, sofort nach dem Biss hoch aus dem Wasser sprang... und den Haken abschüttelte. Aber, so ist halt Tarponfischen.

Eduardo fand immer wieder neue windgeschützte Plätze und auch im-mer wieder einige Tarpon, denen die Freunde ihre Fliegen anbieten konn-ten. Doch heute blieb es bei einigen Kontakten mit den Silverkings, die ohne Fischlandung ausgingen. Trotz-dem, Bertel und Lothar berichteten am Abend voller Begeisterung von ih-ren Erlebnissen und waren fest davon überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, wann sie den ersten Tarpon bis and Boot drillen würden. Michel und Mirjana erzählten von Bar-rakudas, Bonefish und auch gesichte-ten Permit, die sie aber nicht hatten anwerfen können. Und von einem Tar-pon, der nach seinen ersten Sprüngen eine Fliegenrute in mehrere Teile zer-legt hatte. Unser italienischer Kollege hatte mit seiner Spinnausrüstung und großen Poppern mehrere stattliche Horseye und Crevalle Jacks gefangen. Und der Argentinier? Er zeigte uns ein paar Fotos, die sein Guide heute von ihm gemacht hatte. Von ihm und einem herrlichen Permit, der auf die „Avalon-Fliege“, ein von den hiesigen Guides entwickeltes Erfolgsmuster, hereinge-fallen war. Auf dem gemütlichen Deck verplauderten wir alle gemeinsam die Abendstunden an der gut sortierten Bordbar, schlürfen Mojitos, ein kühles Bierchen oder ein Glas Wein, lauschten Tonis Geschichten von Ang-lern und Fischen und beobachteten Franco, das gut zwei Meter lange amerikanische Krokodil (Crocodylus akutos), das sich all-abendlich zum Dinner einfand. Es schwamm gemächlich näher,

blinzelte uns aus seinen geschlitz-ten Augen an und wartete geduldig, dass jemand ein Hühnchen oder einen Fisch aus der Küche holte und es ihm mundgerecht, an einer Angelschnur baumelnd, vor sein zähnestarrendes Maul hielt. Kaum baumelte der Le-ckerbissen vor seiner Nase, schnappte Franco herzhaft zu und drehte sich ein paar Mal in Krokodilmanier um seine Längsachse bis das Wasser schaumig geschlagen und der Leckerbissen von der Angelschnur abgerissen war. Ein beeindruckendes Spektakel und eine wunderbare Abschlussvorstellung vor dem Zubettgehen.

Geisterjagd bei StarkwindAngeregt vom Erfolg unseres argen-

tinischen Mitanglers brach Michel am nächsten Morgen mit Arjelio auf, um

sich an einem Permit zu versuchen. Spukte der Traum vom Fang dieses Fisches doch schon so lange durch seinen Kopf. In Belize hatte Michel sich schon die Zähne an den scheu-en und wählerischen Fischen ausge-bissen. Vielleicht würde er ja hier in Kuba mehr Glück haben. So ergab sich für meinen Guide Leonardo mit mir und Mirjana an Bord erstmals wie-der die Möglichkeit, nicht nur auf die Jagd nach Fotos sondern auch nach Fischen zu gehen. Bertel und Lothar wollten es, nun wo sie Eduardos sehr spezielles Englisch zu verstehen ge-lernt hatten, noch einmal auf Tarpon versuchen. Und so trennten sich die Wege unserer drei Boote wenige Mi-nuten nachdem wir gemeinsam von unserer schwimmenden Lodge losge-fahren waren.

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Mirjana Pavlic von FLYFISHING EU-ROPE mit dem ersten gelandeten Tarpon unserer Kuba-Tour.

Sonne, blau-er Himmel und ein herrlicher Bonefish - Lothar im Paradies.

Guide Arjelios ver-sorgt uns mit frischen Kokosnüssen.

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Wieder schlug ein frischer Wind weißen Schaum auf das Meer, wie-der suchten unsere Guides nach ge-schützten Stellen im Windschatten von Inseln und Mangrovenwäldern. Wieder gestaltete es sich als eine echte Herausforderung, Fische un-ter der unruhigen Wasseroberfläche zu sehen. Leonardo stakte das Boot entlang eines langen, gelb schim-mernden Sandstrandes. Vogelstim-men klangen leise aus dem üppigem Buschwerk, vom pfeifenden Wind fast zur Unhörbarkeit überschallt. Die Wel-len schlugen in kurzer Kadenz so laut und schnell gegen den Bootsrumpf, dass es mich an stürmisches Beifall-klatschen erinnerte. Vor uns, fast ver-borgen unter dem Wellenteppich, er-streckte sich ein dichtes Seegrasfeld so weit das Auge reichte. Hier und da unterbrachen gelb oder türkis leucht-ende Sandflächen das Dunkelgrün des Bodenbewuchses. Unter diesen Be-dingungen Fische zu sehen verlangt ein besonders geübtes Auge, erst recht wenn man nach Bonefish such-te, die nicht von ungefähr als „Geister der Flats“ bezeichnet werden. Unser junger Guide Leonardo besaß jedoch ganz offensichtlich diese Gabe, denn schon nach wenigen Minuten konzen-

trierten Schauens flüsterte er uns zu, dass er eine Schule Bonefish gesichtet hatte. Mirjana war blitzschnell wurf-bereit auf dem Casting Deck im Bug des Bootes und wir schauten beide gespannt die Richtung wo Leonardo uns die Fische ansagte. Nur ein paar undeutliche Bewegungen waren durch den von Wellen zerrissenen und ver-zerrten Wasserspiegel auszumachen, mehr zu ahnen als zu sehen. Auf Le-onardos Ansage brachte Mirjana die Flugschnur in die Luft und korrigier-te die Wurfrichtung und Distanz wäh-rend dreier Leerwürfe nach Leonardos exakten Angaben. Etwas mehr nach links, etwas mehr Schnur, jetzt able-gen, die Fliege auf den Grund sinken lassen, und anfangen sie einzustrippen bevor sie das Seegras berührt. Doch die Fliege blieb unbeachtet. Mirjanas nächster Wurf platzierte die olivfar-bene, einem Crazy Charlie ähnliche Bonefishfliege einen guten Meter vor dem Führungsfisch. Prompt nahmen dieser und sein „Adjudant“ das ver-meintliche Leckerchen wahr und beide Fische folgten der mit kurzen Hopsern knapp über dem Grasteppich weghu-schenden Fliege. Wie meistens war der etwas kleiner Adjudant schneller als der große Anführer der Schule und

haschte ihm die Fliege vor der Nase weg. Mit einem kleinen Freudenjuch-zer setzte Mirjana den Haken, hob die Fliegenrute an und genoss sichtlich die erste, lange Flucht des blitzschnel-len Fisches. Gute zwanzig Meter Ba-cking hatten den Spitzenring passiert bis der Bonefish langsamer wurde, stehen blieb und endlich Mirjanas Zug folgte. Ein paar kürzere Fluchten und munteres Kreiseziehen um den Bug des Bootes später war der erste Fisch des Tages reif für die Landung. Er mochte wohl etwa drei einhalb Pfund wiegen und war in allerbester Kondi-tion. Schade, dass wir nicht den An-führer der Schule erwischt hatten, der annähernd doppelt so groß gewesen war. Entlang des fast zwei Kilome-ter langen Seegrasfelder fing Mirjana noch zwei weitere Bonefish in ähnli-cher Größe. Als der Grasteppich im-mer löchriger wurde und Sandboden die Vorherrschaft übernahm, verlie-ßen wir das Boot, um watend weiter-zufischen. Sich auf leisen Sohlen an gesichtete Bonefish anzuschleichen, ist noch um ein Vielfaches spannen-der als sie vom Boot aus anzuwerfen. Wir mussten ein gutes Stück weit ge-hen bis wir die ersten Fische fanden, doch die belohnten unsere Mühen mit

spannender Pirsch und tollen Drills an der 8-er Fliegenrute.

Mittagessen bei Familie HutiaZur Mittagszeit steuerten wir auf

eine wohl zwei bis drei Meter tiefe, un-ter dem klaren, harten Sonnenlicht in strahlendem Türkis leuchtende Lagu-ne zu. Fasziniert beobachtete ich die weißen Seidenreiher, die in lebhaftem Kontrast zum Dunkelgrün des Man-grovenlaubs, Hellblau des Himmels und Türkis des Wassers im Geäst sa-ßen. Leonardo fuhr durch eine kleine Nische zwischen dem Unterholz und machte das Boot an den Mangroven-wurzeln fest. Motorengeräusch kün-digte die anderen beiden Boote an, mit denen wir uns hier zum Mittag-essen trafen. Sandwiches mampfend und Softdrinks schlürfend erzählten wir uns von den Begebenheiten des Vormittags. Und während wir so über verpatzte Würfe, „strippi di slow“-Er-lebnisse, Tarponsprünge und gerisse-ne Vorfächer lachten, kündigte sich Besuch mit lauten Pfeifgeräuschen an, die aus dem Mangrovendickicht immer näher kamen. Dackelgroße Rattentiere mit putzigen Knopfaugen balancierten über die geschwungenen und gebogenen Mangrovenwurzel. In einer Mischung aus Neugier und Vor-sicht kletterten die possierlichen Kerl-chen immer näher. Manchmal hoben sie ihre Köpfe und schnüffelten mit zitternden Schnurbarthaaren den köstlichen Duft unserer Mahlzeit ein. Unsere Guide erklärten uns, dass die „Hutias“ (Baumratten, nicht mit un-seren europäischen Ratten verwandt)

ganz scharf auf Obst seien und so legten wir Mangostücke aus unserem Obstvorrat auf die Wurzeln. Es dau-erte nicht lange, bis die braunfelligen Kerlchen zufrieden schmatzend in „Männchenhaltung“ rund um uns sa-ßen, Obst zwischen ihren Vorderpfo-ten hielten und mit sichtlichem Genuss an den saftigen Leckerbissen knab-berten. Manche ließen sich bald sogar mit der Hand füttern. Auch wir kamen schließlich bei der Nachspeise an und labten uns an frischen Papaya, Man-gos und Melonen aus unseren Kühlbo-xen. Nach einer guten halben Stunde war es wieder Zeit, fischen zu gehen. Und so verabschiedeten wir uns von unseren neuen pelzigen Freunden und fuhren wieder unseres Weges.

Tarpon und OstfriesennerzDer Wind war über die Mittagszeit

noch stärker geworden und stellte un-sere Guides vor echte Probleme. Wo konnte man überhaupt bei diesem Wind mit der Fliegenrute werfen? Wo würde man Fische finden und über-haupt sehen? Leonardo löste dieses Problem schon bald und ließ Mirja-na das von einem Mangrovensaum beschattete Wasser mit Blindwürfen abfischen. Sie fing einen Mangrove Snapper nach dem anderen, bekam eine nervenkitzelnde Barrakuda-At-tacke und die Chance, zwei gewalti-ge Crevalle Jacks anzusprechen, die im Schlepptau eines gut zwei einhalb Meter langen Zitronenhais aus einer Vertiefung zwischen den Mangroven herausschwammen, doch Mirjnas Tar-ponfliege lässig ignorierten. Dann

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Bertel fing diesen Tarpon an einer Abrruchkante zwischen einem Flat und dem gut fünf Meter tiefen Wasser über einem herrlichen Korallengarten.

Mirjana Pavlic von FLYFISHING EUROPE schließt Freundschaft mit einer Hutia, einer karibischen Baumratte, die sich hocherreut mit frischem Obst füttern lässt.

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sahen wir den ersten Tarpon. Ein jun-ges, vielleicht zehnpfündiges Exem-plar, das majestätisch rollend immer wieder seinen Rücken den Wasser-spiegel durchbrechen ließ. Doch auch er zeigte kein Interesse an der Flie-ge. Der nächste Tarpon schenkte der Fliege einen kurzen Blick, um dann gelangweilt weiter seines Weges zu ziehen. Zehn, oder waren es elf Be-gegnungen mit Tarpon folgten, aber trotz Fliegenwechselns nahmen alle den selben unbefriedigenden Verlauf. Die Silver Kings waren nicht in Fress-laune.

Wir hatten uns so sehr auf die Fi-scherei konzentriert, dass wir die dunkle Gewitterfront gar nicht wahr-genommen hatten, die drohend den Horizont verdunkelte und immer nä-her kam. Leonardo nahm Kurs auf unsere Lodge, denn er wollte keiner-lei Risiko eingehen. Trotz vorsichtiger Fahrt schwappten Wellen über den Bug des Bootes als wir bei der Über-fahrt das tiefe Wasser passierten und es wurde uns klarer und klarer, dass wir die Lodge nicht rechtzeitig vor dem Gewitter erreichen würden. Le-onardo zog gelbe und orange Regen-jacken aus einem Staufach des Boo-tes, die wir überzogen, um dann im „Ostfriesennerz“ durch die Karibik zu schippern. Als die Regenfront immer näher kam, suchten wir Schutz in ei-nem Mangrovenwald. Das Boot an den Wurzeln vertäut, hockten wir in unseren bunten Jacken in einer grü-nen Höhle, durch deren Blätterdach der Regen auf unsere Kapuzen herun-terprasselte. Wie aus Eimern schüt-tete es und wir lachten minutenlang über uns gelb- und orangeleuchten-den Kapuzenzwerge im strömenden Regen. Als der Regen ein wenig nach-ließ, wagten wir uns wieder aus un-serem Versteck hervor und erreichten platschnass doch in bester Laune die „Tortuga“, wo sowohl trockene Klei-der als auch schmackhafte Getränke und ein opulentes Mahl mit kiloweise Langusten und knusprig gebratenem Snapper auf uns warteten.

Das Wetter, das Wetter...Auch während der folgenden Tage

wollte das Wetter weiter für die Jah-reszeit völlig unübliche Kapriolen schlagen. Schon am frühen Morgen blies uns ein starker Wind den Schlaf aus den Augen und das Gewitter wur-

de zum Dauergast an den Nachmitta-gen. Frust in den Augen unserer Gui-des, die immer wie-der nach Optionen suchten, uns trotz der widrigen Be-dingungen an den Fisch zu bringen. Gute Laune in den Gesichtern meiner Angelfreunde, die sich durch nichts und niemanden die Freude an diesem Angelurlaub ver-miesen ließen. Sie

fischten ausdauernd, genossen jede Minute und machten immer das Bes-te daraus. Michel, der sich auf Permit konzentrierte, stand stundenlang auf dem Casting Deck des schwanken-

den Skiffs und schau-te sich die Augen aus dem Kopf, um in dem aufgewühlten, mil-chigen Wasser einen der hochrückigen, sil-bernen Traumfische zu entdecken. Zwei Chancen bekam er, doch die Fliege lande-te unglücklich und wurde niemals von den Permit wahrgenommen. Als Belohnung für seinen hartnäckigen Einsatz fing er einen wunderbaren, großen Bonefish, den er selbst im windgepeitschten Wasser auf ei-nem offenen Flat erspäht hatte und nach langem, spannenden Drill vor die Kamera halten durfte.

Eröffnung des Tarpon-BuffetsZwei Tage lang konzentrierten wir uns

auf die Silver Kings, die Tarpon. Nach sehr feuchten frühmorgendlichen Überfahrten durch die windgepeitschten tiefen Chan-nels zwischen den Inseln erreichten wir ein ausgedehntes Flat mit einer Wasser-tiefe zwischen etwa einem und drei Me-tern. Boca Grande - große Bucht - nann-ten unsere Guides diese Angelstelle. Wie es auch in den Florida Key üblich ist, leg-ten unsere Guide die Skiffs mit in den Bo-den gerammten Pushpoles per „stakeout“ in etwa 50 Metern Abstand voneinander fest und mit jeweils einem wurfbereiten Fliegenfischer auf dem Casting Deck war-teten wir auf die hoffentlich in Wurfweite vorbeiziehenden Tarpon. Es dauerte nicht lange bis die erste Tarponschule heran-rollte. Die grünschimmernden Rücken der großen Fische durchbrachen immer wie-der den Wasserspiegel. Je näher die Fi-sche sich auf uns zubewegten um so mehr stieg die Spannung. Bertel konnte als ers-ter seine Fliege vor den Schwarm legen und bekam auch prompt einen Biss. Doch fand der Haken keinen Halt im harten Maul des Fisches. Dann hatten die Tarpon Edu-ardos Boot passiert und bewegten sich auf bogenförmigem Kurs auf Arjelios Skiff zu. Das war die Chance für Michel, der unter gleichzeitigen Anweisungen und Rufen von Arjelio und Mirjana seine Flugschnur in die Luft brachte. Doch die Tarpon hatten ihre Schwimmrichtung geändert und Michels Wurf fiel zu kurz aus.

Ähnliche Situationen wiederholten sich in den nächsten zwei Stunden wieder und wieder. Manchmal schenkten die Tarpon den Fliegen einfach keine Beachtung. Und

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wenn dann doch mal einer sein weit geöff-netes Maul über eine Fliege stülpte, wollte der Haken nicht greifen. Doch endlich war der Bann gebrochen. Von Arjelios Boot schallten aufgeregte Stimmen durch den Wind, Mirjana stand mit bis ins Handteil gebogener 12-er im Bug, die Rutenspitze zeigte gen Horizont und in ihrer gedach-ten Verlängerung tanzte ein gewaltiger silberner Fisch über das hellblaue Wasser. Als Leonardo unser Kameraboot näher an den Ort des Geschehens gebracht hatte, war der Tarpon schon weit im Backing und zog unaufhaltsam immer mehr Schnur von der singenden Rolle. Mirjana drehte die Rollenbremse vorsichtig ein wenig fes-ter, stemmte den Fighting Butt der Rute seitlich gegen die Hüfte und baute mit seitlich abgewinkelter, flach gehaltener Rute maximalen Druck gegen den Fisch auf. Schließlich konnte sie den Wüterich stoppen, ihn auf einen bogenförmigen Kurs lenken und mit konstantem seitli-chen Druck wenden. Nach wohl fünf Minu-ten gelang es ihr erstmals, wieder Backing auf die Rolle zurück zu kurbeln. Doch dann wurde der Eintrittswinkel der Schnur ins Wasser immer flacher und die Rolle gab mit immer schnelleren Umdrehungen der Spule Schnur frei. Ein sicheres Zeichen dafür, dass der Tarpon auf dem Weg an die Oberfläche war und wieder springen würde. Kaum war der Gedanke zu Ende gedacht, sprang der Tarpon. Dreimal hin-tereinander. Von diesem Spektakel zeugte Sekunden später nur noch ein schaumiger Schwall mit mehreren Metern Durchmes-ser. Jubelschreie unserer Fliegenfischerin begleiteten diese und die nächsten zwei Sprungserien des Tarpon. Doch trotz aller Begeisterung und Adrenalinausschüttun-gen behielt Mirjana einen klaren Kopf. Sie drillte mit äußerster Konzentration und nach weniger als zwanzig Minuten schlüpf-te das hintere Ende der Flugschnur wieder in den Spitzenring. Ein paar Kurbelum-drehungen später waren auch schon die ersten Meter Flugschnur zurück auf der Rolle und ein Tauziehen zwischen Anglerin und Tarpon läutete die Schlussphase des Kampfes ein.

JARDINES DE LA REINA KUBA KUBA JARDINES DE LA REINA

Bonefishdrill auf einem sehr produkti-ven Grasflat.

Wir suchen im Mangrovenwald Schutz vor dem Unwetter.

Gerade rechtzei-tig vor dem Gewitter erreichen wir unsere schwimmende Lodge.

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Immer wieder zwang Mirjana den störrischen Fisch, im Kreis um das Boot zu schwimmen. Und dann hüpf-te sie vom Boot ins Wasser, um die letzte Minute des Kampfes im kühlen-den Nass zu genießen. Leonardo hatte unser Boot mit dem Pushpole festge-legt und ging gemeinsam mit Arjeli-os zur Landung des Fisches ebenfalls ins Wasser. So würden sie den Fisch nicht in Boot heben müssen und konn-ten die Landung und das Hakenlösen für den Tarpon so schonend wie mög-lich vornehmen. Nach einer schnellen Fotosession war Mirjana mit ihrem Tarpon allein im Wasser, hielt ihn be-hutsam, bewegte ihn vor und zurück bis er wieder bei Kräften war und sich mit einem kräftigen Schlag seiner ge-waltigen Schanzflosse von ihr verab-schiedete.

Mehr TarponAm nächsten Tag fingen sowohl Mir-

jana als auch Michel und Lothar je-weils einen Tarpon, nur Bertel hatte immer noch mit dem fehlenden letz-

ten Quäntchen Glück zu hadern. Alle fischten auf den Rat der Guides mit schwarzen oder purpurnen Tarpon-Bunnies aus verführerisch spielenden Kaninchenfellstreifen. Ob diese Mus-ter hier in den Jardines tatsächlich fängiger sind als klassische Keys Style Tarponfliegen oder die in den letzten Jahren so berühmt gewordenen Tasty Toad Muster, weiß ich nicht. Denn wir überließen unseren erfahrenen Guides die Auswahl der Fliegen und die favo-risierten nun mal die dunklen Bunnies. Die meisten Tarpon, die wir entlang der Mangroven sichteten, mochten wohl zwischen 10 und 20 lb auf den Gräten gehabt haben. Etwas größeren Exemplaren begegneten wir auf den Grasflats, wo die Tarpon sich an den gewaltigen Minnow-Schwärmen güt-lich taten und wegen des Nahrungs-überangebotes nur schwer für eine Fliege zu interessieren waren. Wenn sich jemand unserer Fliegen erbarm-te, war es meist ein Barrakuda. In der Bucht namens Boca Grande jedoch waren die zweifellos größten Tarpon unterwegs, die ich auf zwischen etwa 30 und 60 lb schätzte.

Doch es gab noch eine andere, re-lativ ungewöhnliche Stelle, an der wir auf Silverkings fischten. Eine lange Riffkante zwischen den Flats und dem offenen Wasser, die von etwa einem Meter auf gute sechs bis sieben Me-

ter Tiefe abfiel. Wie in ein Aquarium fiel der Blick ins Tiefe, auf gewaltige Fächerkorallen und Schwämme, zwi-schen denen sich Tausende bunter Fi-sche tummelten. Ein Taucherparadies mit einer für die Karibik absolut un-gewöhnlichen Artenvielfalt, insbeson-dere was die verschiedenen Korallen betrifft. Und ganz offenbar auch ein Paradies für Tarponfischer. Blindcas-ting mit dem Tarpon Bunny an einer Intermediate-Schnur brachte erste Bisse, einen etwa zwanzigpfündigen Tarpon für Lothar und am letzten An-geltag noch den langerhofften Fisch für Bertel, dessen Standhaftigkeit und Ausdauer mit der Landung eines herr-lichen Silver Kings belohnt wurde.

Fazit zur DestinationSo fingen alle meine Freunde trotz

der denkbar miserablen Wetterbe-dingungen ihren kubanischen Tarpon und auch unser argentinischer Mit-angler landete zwei der begehrten Sil-ver Kings. Ich kann gar nicht genug betonen, wie sehr unsere Fänge von den außerordentlichen Fähigkeiten unserer kubanischen Guides abhängig waren. Die Burschen stakten sich die

Seele aus dem Leib, verfolgten Tar-pon- und Bonefish-Schulen auf har-tem Abfangkurs gegen den Wind und die Strömung. Nur wer jemals ein Boot mit einem Pushpole gestakt hat, kann diese enorme Leistung beurteilen. Sie fanden Fische bei Starkwind und bei Regen und begeisterten uns mit ih-rem Enthusiasmus und ihrer Freund-lichkeit. Am letzten Abend vor unse-rer Abreise luden wir unsere Guides zu einer gemütlichen Abschiedsfeier ein. Mit Kaltgetränken, dem obligato-rischen Besuch von Krokodil Franco und kubanischer Musik. Die Stimmung an Bord erreichte ihren Höhepunkt, als unsere Guides uns gemeinsam mit den fleißigen Mädels vom Küchenper-sonal zeigten, wie man richtig Salsa tanzt.

Gegen Mitternacht löste sich die lustige Gesellschaft langsam auf. Es wurde still an Bord der Tortuga. Der Wind war abgeflaut. Natürlich, denn ab morgen mussten uns die Fische ja nicht mehr fürchten. Es war der per-fekte Moment, um die Woche Revue passieren zu lassen. Eine Woche vol-ler faszinierender Erlebnisse, mit erst-klassiger Fischerei selbst bei widrigen Bedingungen. Mit exzellenten Guides und gepflegten Flats Skiffs. Mit her-vorragendem Service, fantastischer Verpflegung und den besten Unter-künften, die man sich mitten im Nir-gendwo zwischen Mangroven und Flats vorstellen kann. Eine Woche, die man baldmöglichst, mit etwas bes-serem Wetter natürlich, wiederholen sollte. Das dachten wohl auch meine Freunde, die, jeder für sich, irgend-wo an Bord mit der Seele baumelten während ich auf dem Sonnendeck auf dem Dach der Tortuga stand. Hoch über uns spannte sich ein klarer, tief-schwarzer Karibikhimmel, übersät mit tausend funkelnden Sternen. Rund ums Boot platschen ein paar Jacks bei ihrer nächtlichen Kleinfischjagd im Lichtschein der Bootsbeleuchtung. Die Silhouette eines Nachtreihers hockte wie ein Scherenschnitt auf der Krone einer großen Mangrove. Es ist immer ein tolles Gefühl, an einem der schönsten und entlegensten Orte der Welt fischen zu dürfen. Aber diesmal war es mehr als das. Ich hatte mich wirklich verliebt.

iAnreise: Sowohl CONDOR ( www.condor.de) als auch Airberlin ( www.airberlin.com ) und Iberia (www.iberia.com) fliegen von verschie-denen deutschen Flughäfen nach Kuba.

Einreise: Reisende mit Wohnsitz in der EU benötigen für die Einreise nach Kuba einen mindestens noch 6 Monate gültigen Reise-pass und eine Touristenkarte, die ein Visum ersetzt. Diese ist für einen Aufenthalt von bis zu 30 Tagen gültig. Die Touristenkarte ist in zahlreichen Reisebüros erhältlich, die Kuba-reisen anbieten. Sie kann auch unter Bei-fügung von € 22,- mit Verrechnungsscheck und eines frankierten Rückumschlags in der Konsularabteilung der Außenstelle Bonn der Botschaft von Kuba formlos angefordert wer-den.

Adresse: Botschaft Kuba-Außenstelle Bonn- Konsularabteilung, Kennedyallee 22-24, 53175 Bonn Bad Godesberginternet: http://emba.cubaminrex.cu/De-fault.aspx?tabid=10310

Fluggäste von CONDOR erhalten die Tou-ristenkarte von der Airline am Flughafen in Deutschland am Ticketschalter.

Kuba-Urlauber müssen seit Mai 2010 bei der Einreise den Nachweis einer Auslands-Kran-kenversicherung erbringen. Dazu ist es not-wendig, Versicherungspolice, Versicherungs-schein oder Versicherungskarte der jeweiligen Reisekrankenversicherung mitzuführen. Es ist aber auch möglich, auf dem Flughafen in Ha-vanna eine kubanische Krankenversicherung abzuschließen: Die Kosten liegen zurzeit bei 3,40 US-Dollar - umgerechnet rund 2,60 Euro - pro Tag und decken medizinische Ausgaben bei Krankheit und Unfall bis 28 000 Dollar und Transportkosten bis 7840 Dollar ab.

Impfungen: Es sind keine Impfungen vor-geschrieben. Kuba ist kein ausgewiesenes Malariagebiet.

Sprache: Amtssprache ist spanisch. Englisch und Deutsch werden teilweise auch außer-halb der Touristenzentren verstanden.

Geld: Kubanische Landeswährung ist der Peso Cubano(CUP). Für Touristen ist diese Währung jedoch unwichtig. Seit 2004 müs-sen Touristen innerhalb Kubas den Peso con-vertible (CUC) als Zahlungsmittel verwen-den. Dieser ist am günstigsten gegen den Eintausch von Euro in allen Hotels sowie am Flughafen zu erwerben. In der Angellodge ist ein Umtausch nicht möglich, Sie sollten daher bereits in Havanna bei der Anreise sich ent-sprechend eindecken.

Klima: Die jährliche Durchschnittstempera-tur beträgt 25 ° Celsius. Es gibt keinen Som-mer oder Winter. Von November bis April ist es eher trocken, von Mai bis Oktober kann es ab und an regnen. Am heißesten sind der Juli und August mit 32°. Nachts kühlt es dann auch nur auf 24° ab.

KUBA - CAYO ROMANO

Telefon: Deutsche Handys funktionieren in Havanna ohne Probleme. In der Lodge gibt es kurioser Weise nur eine Stufe auf der Veranda, auf der man Empfang hat.

Strom: Sie benötigen fast überall einen US-Adapter, um die Akkus Ihres Fotoapparates oder Ihrer Videokamera laden zu können.

Sicherheit: Kuba ist ein sehr sicheres Land. Selbst nachts in Havanna kann man sich ohne Probleme bewegen. Lassen Sie dennoch ihre Wertsachen nicht unbeaufsichtigt.

Deutsche Botschaft: Die Deutsche Botschaft finden Sie: Calle 13, No.652, esq. Calle B ( Vedado ), Ciudad de La Habana, Tel. 07/ 833 2569

Fremdenverkehrsamt: Kubanisches Frem-denverkehrsamt, Kaiserstrasse 8, D-60311 Frankfurt/Main, Telefon: ++49(0)69-288322Fax: ++49(0)69-296664E-Mail: [email protected] www.cubainfo.de

Preise: Je nach Saison kostet basierend auf Unterkunft im Doppelzimmer und 2 Anglern pro Boot ein Arrangement mit 2 Zwischen-übernachtungen im 5-Sterne Hotel in Havan-na, Bustransfers zwischen Hotel und Jucaro, Bootstranfers zwischen Jucaro und Tortuga, 6 Übernachtungen auf der Tortuga mit Voll-verpflegung und 5 ganzen sowie 2 halben Angeltagen mit Boot und Guide zwischen 3.980,- und 5.980 US-$ pro Person. US-$ 1.700,- Zuschlag bei alleiniger Nutzung von Boot mit Guide. Einzelzimmerzuschlag für das Arrangement derzeit 1.700,- US-$.

AVALON - CUBAN FISHING CENTERSTel: +549-2615675576E-mail: [email protected] Skype: avalonfishingwww.cubanfishingcenters.com

Kuba ist eine der wenigen Destinatio-nen, die durch kon-sequentes Resour-cenmanagement der lizensierten Angel-Lodge -Be t re ibe r eine gleichbleibend gute Fischerei auf hervorragende Fisch-bestände bieten. So gibt es keinerlei nen-nenswerten Befischungsdruck, weder durch kommerzielle noch durch Freizeitangelei. Die von AVALON betreuten Reviere gehören zu den besten Kubas und mit erstklassigem Service, besten Unterkünften und Guides der Spitzenklasse ist eine Reise hierher je-den einzelnen Cent wert.

Ihr Thomas Michael

iUnsere Angler benutzten auf dieser Reise im wesentlichen folgendes Angelgerät:

Fliegenruten:WINSTON Boron IIIX #8, 9 und 10THOMAS & THOMAS Horizon II #8 und 10

Fliegenrollen:ABEL Super 8 und 10 Large ArborNAUTILUS NV Ten-Eleven

Flugschnüre:TEENY Bruce Chard WF floating #8, 9, 10TEENY TS-T 200 und 400

Backing:BIONIC BRAID

Vorfächer:FROG HAIR gezogene Fluorocarbon-Votfä-cher, selbstgeknüpfte Tarponvorfächer aus MASON Hardmono, TYGer Stahlvorfächer.

Bekleidung:Hemden, Hosen, Handschuhe und Flats-Boots von SIMMS.

ANGELGERÄT

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JARDINES DE LA REINA KUBA KUBA JARDINES DE LA REINA

Ein weiterer Bonefish, den Mirjana Pavlic von FLYFISHING EUROPE beim Watfischen auf einem von Mangroven gesäumten Sandflat fing.

Die Guides machen eine Pause nach dem Fischen, bevor sie an die Reinigung der Boote gehen.

Franco, das „Hauskrokodil“ kommt zur Lodge, um sich sein Abendessen abzuholen.