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Branchentrends FinTechs in Deutschland - Löst die Digitalisierung die physischen Standortkriterien auf? Erschienen im November 2016 Zum Standortverhalten der FinTechs: Ein Fokus auf Deutschland und Frankfurt am Main Die Diskussion um Standortkriterien ist Jahrhunderte alt, aber aktuel- ler denn je: Raum- und Mobilitätsstrukturen werden beeinflusst durch Internet und Digitalisierung sowie eine sich wandelnde Unterneh- mens- und Arbeitskultur. In dieser kurzen Analyse sollen das Stand- ortverhalten von FinTechs beleuchtet und die folgenden Fragen be- antwortet werden: Wie verteilen sich die FinTechs in Deutschland? Gibt es bestimmte Standortmuster, etwa hinsichtlich des jeweiligen Entwicklungsstadiums dieser jungen Unternehmen? Kann sich die Banken- und Finanzmetropole Frankfurt am Main als FinTech-Haupt- stadt etablieren? Treten FinTechs in Konkurrenz zu Banken im auf dem Büromarkt? (Wie) zeigt sich die seit langem diskutierte Auflösung physischer Standortkriterien bei FinTechs? Entwicklungen in der Finanzbranche Bei den Banken stehen Digitalisierung, Filialabbau und Stellenstrei- chungen auf der Agenda, Margen und Einnahmen sind seit Längerem unter Druck, und die Regulierung belastet die Institute. So setzte sich der Stellenabbau deutscher Banken weiter fort, und erreichte 2015 ein Niveau wie zuletzt im Jahr 2004 - fast 13.000 Stellen wurden im ver- gangenen Jahr abgebaut. Laut einer Studie der Citigroup werden Eu- ropäische und US-amerikanische Banken in den nächsten zehn Jah- ren weitere 1,7 Millionen Jobs streichen, nachdem sie allein in den zu- rückliegenden Monaten bereits 730.000 Jobs abgebaut haben. Die Gründe liegen insbesondere im sich ändernden Kundenverhalten im Wege der neuen Technologien und dem damit verbundenen Erstar- ken der FinTechs. Gleichzeitig boomt die FinTech-Branche (in der inzwischen genauso viele Menschen in Deutschland arbeiten, wie deutsche Banken 2015 Stellen reduziert haben: 13.000 an der Zahl), und versucht, den Ban- ken Marktanteile entlang der Wertschöpfungskette abzujagen. Finan- zierungsvermittlung, Darlehnsverträge, Versicherungen - Dienstleis- tungen und Produkte, die immer mehr in den virtuellen Raum verla- gert werden. Der digitale Umbruch der Wirtschaft ist in vollem Gange, und das gilt (neben weiteren Branchen) in besonders hohem Maße für die Finanzbranche und die Versicherungswirtschaft. Diese Entwick- lungen haben letztlich auch Auswirkungen auf die Standort- und Flä- chenentscheidungen der Unternehmen - während Banken vornehm- lich konsolidieren, stehen FinTechs ganz am Anfang ihrer Aktivitäten auf den Büromärkten. FinTechs FinTech, ein Kofferwort aus „financial services“ und „technology“, be- schreibt innovative Technologien im Bereich der Finanzdienstleistun- gen. Als „FinTechs“ werden an dieser Stelle Unternehmen verstan- den, die innovative Produkte bzw. Services im Bereich Finanztechno- logie anbieten, nicht älter als zehn Jahre sind, und bei denen es sich entweder um eigenständige Firmen handelt, oder die ggf. ihrerseits ein „Produkt“ eines junges, innovativen Unternehmens sind. FinTechs sind also ein Segment der StartUp-Branche. Viele FinTechs wurden erst in den letzten Jahren gegründet: allein 60 % der hier un- tersuchten Firmen wurden innerhalb der letzten drei Jahre gegründet. Neugründungen können in unterschiedliche Entwicklungsstadien un- terteilt werden. Diese reichen vom Seed-/ Expansionsstadium über das eigentliche StartUp-Stadium bis hin zum etablierten Unterneh- men. Im Verlauf der Entwicklungsstadien ändern sich vielfach die Anforde- rungen der Unternehmen an Standort, Bürofläche oder Ausstattungs- grad. Oft werden unterschiedliche Standorte und Lagen „ausprobiert“, und das alles mit möglichst geringem Kapitaleinsatz. Damit variiert auch die Fähigkeit Büromieten zu bezahlen, je nach Stadium und Si- tuation des Startups.

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Branchentrends

FinTechs in Deutschland - Löst die Digitalisierung die physischen Standortkriterien auf? Erschienen im November 2016

Zum Standortverhalten der FinTechs: Ein Fokus auf Deutschland und Frankfurt am Main Die Diskussion um Standortkriterien ist Jahrhunderte alt, aber aktuel-ler denn je: Raum- und Mobilitätsstrukturen werden beeinflusst durch Internet und Digitalisierung sowie eine sich wandelnde Unterneh-mens- und Arbeitskultur. In dieser kurzen Analyse sollen das Stand-ortverhalten von FinTechs beleuchtet und die folgenden Fragen be-antwortet werden: Wie verteilen sich die FinTechs in Deutschland? Gibt es bestimmte Standortmuster, etwa hinsichtlich des jeweiligen Entwicklungsstadiums dieser jungen Unternehmen? Kann sich die Banken- und Finanzmetropole Frankfurt am Main als FinTech-Haupt-stadt etablieren? Treten FinTechs in Konkurrenz zu Banken im auf dem Büromarkt? (Wie) zeigt sich die seit langem diskutierte Auflösung physischer Standortkriterien bei FinTechs? Entwicklungen in der Finanzbranche Bei den Banken stehen Digitalisierung, Filialabbau und Stellenstrei-chungen auf der Agenda, Margen und Einnahmen sind seit Längerem unter Druck, und die Regulierung belastet die Institute. So setzte sich der Stellenabbau deutscher Banken weiter fort, und erreichte 2015 ein Niveau wie zuletzt im Jahr 2004 - fast 13.000 Stellen wurden im ver-gangenen Jahr abgebaut. Laut einer Studie der Citigroup werden Eu-ropäische und US-amerikanische Banken in den nächsten zehn Jah-ren weitere 1,7 Millionen Jobs streichen, nachdem sie allein in den zu-rückliegenden Monaten bereits 730.000 Jobs abgebaut haben. Die Gründe liegen insbesondere im sich ändernden Kundenverhalten im Wege der neuen Technologien und dem damit verbundenen Erstar-ken der FinTechs. Gleichzeitig boomt die FinTech-Branche (in der inzwischen genauso viele Menschen in Deutschland arbeiten, wie deutsche Banken 2015 Stellen reduziert haben: 13.000 an der Zahl), und versucht, den Ban-ken Marktanteile entlang der Wertschöpfungskette abzujagen. Finan-zierungsvermittlung, Darlehnsverträge, Versicherungen - Dienstleis-tungen und Produkte, die immer mehr in den virtuellen Raum verla- gert werden. Der digitale Umbruch der Wirtschaft ist in vollem Gange,

und das gilt (neben weiteren Branchen) in besonders hohem Maße für die Finanzbranche und die Versicherungswirtschaft. Diese Entwick-lungen haben letztlich auch Auswirkungen auf die Standort- und Flä-chenentscheidungen der Unternehmen - während Banken vornehm-lich konsolidieren, stehen FinTechs ganz am Anfang ihrer Aktivitäten auf den Büromärkten. FinTechs FinTech, ein Kofferwort aus „financial services“ und „technology“, be-schreibt innovative Technologien im Bereich der Finanzdienstleistun-gen. Als „FinTechs“ werden an dieser Stelle Unternehmen verstan-den, die innovative Produkte bzw. Services im Bereich Finanztechno-logie anbieten, nicht älter als zehn Jahre sind, und bei denen es sich entweder um eigenständige Firmen handelt, oder die ggf. ihrerseits ein „Produkt“ eines junges, innovativen Unternehmens sind. FinTechs sind also ein Segment der StartUp-Branche. Viele FinTechs wurden erst in den letzten Jahren gegründet: allein 60 % der hier un-tersuchten Firmen wurden innerhalb der letzten drei Jahre gegründet. Neugründungen können in unterschiedliche Entwicklungsstadien un-terteilt werden. Diese reichen vom Seed-/ Expansionsstadium über das eigentliche StartUp-Stadium bis hin zum etablierten Unterneh-men.

Im Verlauf der Entwicklungsstadien ändern sich vielfach die Anforde-rungen der Unternehmen an Standort, Bürofläche oder Ausstattungs-grad. Oft werden unterschiedliche Standorte und Lagen „ausprobiert“, und das alles mit möglichst geringem Kapitaleinsatz. Damit variiert auch die Fähigkeit Büromieten zu bezahlen, je nach Stadium und Si-tuation des Startups.

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JLL • Branchentrends FinTechs • November 2016 | 2

FinTechs in Deutschland1 Bundesweit wurden 234 gegenwärtig aktive FinTechs erfasst, davon 178 (76%) in den Big-7-Büromärkten. Differenziert nach Entwick-lungsstadien konzentrieren sich sowohl die jungen, als auch die etablierteren FinTechs in den Städten Berlin, Frankfurt am Main, München, Hamburg und Köln. 76 (33%) aller 234 FinTechs sitzen in Berlin, 61 (26%) aller 234 FinTechs sitzen im Rhein-Main Gebiet, 44 (19%) aller 234 FinTechs sitzen im Büromarktgebiet Frankfurt, 25 (11%) aller 234 FinTechs sitzen in München, 18 (8%) aller 234 FinTechs sitzen in Hamburg. Berlin ist also nicht nur mit großem Abstand die deutsche StartUp Hochburg, sondern beheimatet auch die meisten FinTechs; dabei ist jedoch der Abstand zu anderen Städten, also die Dominanz Berlins, deutlich geringer. Frankfurt/Rhein-Main ist einer der bedeutendsten Finanzplätze, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Neben der Europäischen Zentralbank, der Europäischen Bankenaufsicht, der European Insurance und Occupational Pension Authority, der Bun-desbank oder der Deutschen Börse haben zahlreiche Institute und Unternehmen, Versicherungen und Investmentfonds hier ihren Sitz - beste Voraussetzungen für einen guten Marktzugang also. Müssten sich deshalb die FinTechs nicht ganz „automatisch“ ebenfalls hier ansiedeln? Das ist nicht der Fall. Lediglich ein Viertel aller deut-schen FinTechs hat seinen Sitz im Rhein-Main-Gebiet, deutlich we-niger als in Berlin. Die Bankenhauptstadt Frankfurt ist also nicht gleichzeitig auch FinTech-Hauptstadt.

1 Quellen: Gruenderszene.de, deutsche-startups.de, Paymentandbanking.com, u.a.

FinTechs in Deutschland

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JLL • Branchentrends FinTechs • November 2016 | 3

Standortanforderungen von StartUps Können die Standortanforderungen anderer StartUps als Blaupause für das Verständnis der Standortkriterien von FinTechs dienen? Bei allen Unterschieden lassen sich einige Standortkriterien identifizie-ren, die für einen Großteil der StartUps gelten, unabhängig von ih-rem spezifischen Geschäftsmodell. Wichtige Standortkriterien von Startups2 Gründungsökosystem und Netzwerke Eine aktive Gründerszene, in der man sich mit Gleichgesinnten aus-tauschen kann, und eine echte, vitale „Gründungskultur“, die idealer-weise von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft nach Kräften unter-stützt und vernetzt wird. Unterstützung und Förderung Die (öffentlichen) Beratungs- und Unterstützungsangebote vor, wäh-rend und nach der Gründungsphase sollten verschiedene Bereiche umfassen, müssen aufeinander abgestimmt und aktiv kommuniziert werden, und dürfen keinen hohen bürokratischen Hürden aufweisen. So sollte es beispielsweise Anlaufstellen mit einem integrierten Be-ratungsansatz geben (etwa zu rechtlichen und Finanzierungsfra-gen), vielfältige und relevante Veranstaltungs- und Seminarformate sollten ebenso eine Selbstverständlichkeit sein wie Gründercoaching und der Zugang zu Fördermitteln. Talent Pool und Ausbildung Ein möglichst großer Pool gründungswilliger Menschen sowie geeig-neter Mitarbeiter in den relevanten Kompetenzfeldern stellt eine we-sentliche Basis für das Funktionieren eines Gründungsökosystems dar. Sollte es vor Ort keine relevanten Aus- und Weiterbildungs-möglichkeiten geben, die entsprechendes Personal hervorbringt, muss die Stadt/Region so attraktiv sein, dass sie Menschen von an-derswo anziehen kann.

2 Angelehnt an die RKW-Studie „Die Rhein-Main-Region als Gründerökosystem - Stärken, Schwächen und Entwicklungschancen“, 2016.

Lebensqualität und Image Junge Unternehmen, oftmals mit Mitarbeitern aus verschiedenen Ländern, legen Wert auf Internationalität und kulturelle Offenheit ei-ner Stadt. Darüber hinaus sollte eine hohe Lebensqualität geboten werden, und auch die (Lebenshaltungs-)Kosten in einem günstigen Verhältnis zu den Gehältern stehen. Infrastruktur und Immobilien Neben der Verkehrsinfrastruktur fallen auch schnelle Breitbandver-bindungen darunter, ebenso wie die Verfügbarkeit von passenden Arbeitsräumen zu erschwinglichen monetären und zeitlich flexiblen Konditionen. Die Standortanforderungen unterscheiden sich natürlich auch inner-halb der StartUp-Branchen im Detail und ihrer Gewichtung. Einigen StartUps ist die Nachbarschaft zu anderen jungen Unternehmen in der Gründungsphase das Wichtigste, andere brauchen die unmittel-bare Nähe zu bestimmten Förder- und Unterstützungs-Einrichtun-gen. Wieder andere sind zumindest theoretisch völlig frei und orts-ungebunden in ihrer Standortwahl, wählen aber - für den Austausch unter Gleichgesinnten - eine Lage in einem bestehenden StartUp-Cluster. Ein wesentlicher Unterschied bei den Standortkriterien von FinTechs zu anderen StartUps besteht darin, dass hier Themen wie Datenschutz und Regulierung komplexer sind als etwa bei einem „einfachen“ Online-Marktplatz. Die notwendige enge und regelmä-ßige Abstimmung beispielsweise mit Regulierungsinstitutionen würde daher zunächst einmal das Finanzzentrum Frankfurt am Main in den Fokus rücken. Dies gilt ebenso vor dem Hintergrund, dass ei-nige Produkte bzw. Services von FinTechs in engem und direktem Austausch mit Banken oder Versicherern entwickelt werden (müs-sen).

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JLL • Branchentrends FinTechs • November 2016 | 4

Anmietungsverhalten von StartUps Basierend auf den eigenständigen Anmietungen durch StartUps (in-klusive FinTechs) auf dem Berliner Büromarkt soll nun ihr charakte-ristisches Anmietungsverhalten identifiziert werden; darauf aufbau-end werden hier an einigen Stellen Ableitungen für FinTechs bzw. für Frankfurt vorgenommen. Dafür wird auf die JLL-Research-Ana-lyse „Berliner StartUps als Büronutzer... auf dem Weg zum Estab-lishment?“ von 2015 zurückgegriffen. In der Analyse wurden die Standort-und Flächenentscheidungen von StartUps auf dem Berliner Büromarkt untersucht. Bei lediglich 25 (14%) der 178 in den Big 7 Büromärkten erfassten FinTechs wurde eine eigenständige Anmietung am Büromarkt (als Haupt- oder Untermieter außerhalb von Inkubatoren, Business Cen-tern, CoWorking Space, o.ä.) erfasst. Dies liegt u.a. darin begründet, dass die FinTechs eine noch sehr junge „Branche“ sind, einige von Privatwohnungen bzw. -häusern aus operieren, andere aus Inkuba-toren und Acceleratoren heraus, wieder andere CoWorking-Ange-bote und Business Center nutzen, und nur ein Viertel bereits die Entwicklungsstadien „expansion“ oder „established“ erreicht haben. Bei den stark wachsensen FinTechs dürfte also in den nächsten Jahren eine Reihe von Standort-Entscheidungen anstehen. Wie viele von ihnen weiter erfolgreich sind und expandieren, und dann auch als Akteure am Büromarkt auftreten, bleibt abzuwarten. Bis sie auf dem Büromarkt signifikant in Konkurrenz zu Banken und ande-ren Finanzdienstleistern treten, wird noch einige Zeit vergehen; und selbst dann wird sich dies zunächst im kleineren Flächensegment abspielen. Zum Vergleich: Unternehmen der Branche Banken und Finanzdienstleistungen haben allein im Fünfjahreszeitraum 2011-2015 in den sieben deutschen Bürohochburgen Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Köln, Frankfurt, Stuttgart und München 1,1 Mio. m² Bü-roflächen angemietet oder zum Eigennutz gekauft (rund 1.000 Ver-träge). Auf Frankfurt entfielen davon 511.00 m² (320 Verträge).

StartUps gehen - vor allem während der ersten Jahre ihrer Entwick-lungsphase - nicht in den teuersten Lagen und Objekten auf Flä-chensuche. Aufgrund ihres begrenzten Budgets und wegen der ge-wünschten inspirierenden und kreativeren Atmosphäre suchen sie stattdessen vornehmlich Immobilien, die für andere Branchen zum Teil ungeeignet sind bzw. nicht mehr den Anforderungen an mo-derne Büroflächen entsprechen, wie etwa alte Gewerbelofts. So wur-den von StartUps in Berlin beispielsweise mit zwei Dritteln aller An-mietungen ganz überwiegend Flächen von durchschnittlicher Quali-tät angemietet (deren Anteil ist während der Seed- und StartUp Phase mit 80 % noch signifikanter), während es bei Nicht-Startup-Firmen lediglich gut die Hälfte der Abschlüsse waren. Da in Frankfurt grundsätzlich hochwertige Flächen am stärksten nachgefragt werden (da gilt sowohl für konjunkturelle Auf- wie Ab-schwungphasen), und veraltete Flächen oftmals keine Mieter mehr finden, wurden in den letzten fünf Jahren rund 1 Mio. m² Bürofläche von ihren Eigentümern entweder einer Sanierung unterzogen, abge-rissen und neugebaut, oder in andere Nutzungsarten umgewandelt. Sollten in Zukunft jedoch StartUps in nennenswertem Volumen als Nachfrager von (bislang) als nicht mehr marktgängig klassifizierten Büroflächen auftreten, könnte das den ein oder anderen Eigentümer dazu bewegen, auf größere Umbau- und Modernisierungsmaßnah-men zu verzichten, und gezielt an junge Gründer zu vermieten. Diese sind in Frankfurt bislang nur selten zu finden, umso weniger spielen sie eine Rolle als Flächennachfrager auf dem Büromarkt. Bei den Anmietungen durch Berliner StartUps war der Anteil veralte-ter - und damit sehr günstiger - Flächen erstaunlich gering: Lediglich vier Prozent aller Anmietungen im Zeitraum 2006-2015 entfielen auf das veraltete Qualitätssegment, während ein knappes Drittel sogar auf hochwertige Büroflächen entfiel. Dieses Nachfrageverhalten spiegelt sich auch in den gezahlten Mieten wider:

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JLL • Branchentrends FinTechs • November 2016 | 5

Büromieten bei Anmietungen durch Berliner Startups

Quelle: JLL 2015

Hinzu kommt, dass die Mieten in den unterschiedlichen Entwick-lungsstadien sehr eng beieinander liegen. Dass StartUps trotz be-grenzten Budgets nicht per se die billigsten Büroteilmärkte und -ge-bäude nachfragen, zeigt auch folgende Statistik: Bei einem Drittel der Berliner StartUp-Anmietungen im Zeitraum 2006-2015 lag die gezahlte Miete höchstens 15 % unter der im jeweiligen Quartal gel-tenden Spitzenmiete des jeweiligen Teilmarktes, oder war sogar teu-rer. Dabei stechen drei Teilmärkte heraus: Mitte, Kreuzberg-Tempel-hof und Prenzlauer Berg-Friedrichshain. Teilmärkte also mit einem gemischten Branchen-Besatz, bei denen jedoch die IT-nahen Bran-chen EDV, Neue Medien sowie Verlagswesen & Medien einen recht hohen Anteil an der Gesamtheit der Anzahl der Abschlüsse im Zeit-raum 2000-2015 hatten. Die Berliner Startups, die bereits eigenständig am Büromarkt agie-ren, favorisieren - unabhängig von ihrer Entwicklungsstufe - eindeu-tig innerstädtische Lagen. Und die Startups, die bereits mehrmals ei-

3 Mit Ausnahme der Mitarbeiter, die nicht vor Ort sitzen, sondern beispielsweise aus anderen Ländern heraus (zu)arbeiten.

genständig auf dem Büromarkt angemietet haben, haben in fast al-len Fällen bei ihrem Umzug mindestens zwei der folgenden Kriterien verbessert bzw. erhöht: • Lage • Flächengröße • Flächenqualität • Miete An einem Mangel an günstigen Flächen lag das überraschend „hochpreisige“ Anmietungsverhalten der Berliner StartUps jedenfalls nicht: 2005 betrug das Leerstandsvolumen von Büroflächen, die „tra-ditionellen“ Mietern als nicht mehr marktgerecht galten, bei 230.000 m², 2010 waren es immerhin noch 163.000 m², in innerstäd-tischen Lagen davon 70.000 m². Der Leerstand durchschnittlicher Qualität lag zu beiden Zeitpunkten um ein Vielfaches höher. Auch wenn die durch StartUps in Berlin gezahlten Mieten für junge Unternehmen mit begrenztem Budget insbesondere im Zeitraum 2011-2015 recht hoch erscheinen, sollte dieses Anmietungsverhal-ten nicht eins-zu-eins auf Frankfurt übertragen werden. Welche Miet-parameter man auch betrachtet - Spitzenmiete, Durchschnittsmie-ten, oder Mieten für bestimmte Qualitätssegmente: Das Mietniveau in Frankfurt ist auf den ersten Blick deutlich höher. Zusammen mit den ebenfalls „lokalen“, ortsgebundenen3 Budget-Posten Mitarbeiter-gehälter und Wohnungsmieten sowie Lebenshaltungskosten insge-samt scheint Berlin hier eindeutige Wettbewerbsvorteile auf der Kos-tenseite zu haben. Allerdings ist das Mietniveau für Büroflächen in Berlin in den letzten Jahren signifikant gestiegen, so dass zumindest der Abstand zu Frankfurt geringer wurde. Das gilt nicht nur für das Spitzensegment: Bis Ende 2015 war die gewichtete Durchschnitts-miete für B-Flächen (also die durch Startups mit Abstand am stärks-ten nachgefragte Flächenqualität) in Berlin auf 12,90 €/m²/Monat ge-stiegen, während sie in Frankfurt seit Jahren um die 13,50 €/m²/Mo-nat liegt.

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Ableitungen für Frankfurt Zu beachten ist bei den für den Gesamtmarkt Frankfurt geltenden hohen Mieten, dass hier die sehr teuren Teilmärkte wie z.B. die Ban-kenlage mit einfließen. Bei genauerem Hinsehen und unter Aus-klammerung der teuren Lagen stellt sich die Situation jedoch signifi-kant anders dar, und der komparative Standortvorteil Berlins bezüg-lich günstigerer Mieten wird deutlich relativiert. Auf dem Frankfurter Büromarkt betrug die Flächenauswahl im veral-teten Qualitäts-Segment Ende 2010 370.000 m², Ende 2015 waren es noch 142.000 m². Diese zu sehr günstigen Mieten angebotenen Flächen könnten (vor dem Hintergrund der in Frankfurt auf den ers-ten Blick vergleichsweise hohen Mieten) für StartUps und FinTechs als erstes im Fokus stehen. Doch da von den 19 Anmietungen durch FinTechs in Berlin lediglich neun im Mietpreissegment unter 10,00 €/m²/Monat angemietet haben, und weitere fünf sogar eine Nominalmiete zwischen 15,00 - 20,00 €/m²/Monat zahlen, kommen in Frankfurt - unter der Annahme ähnlicher Mietbudgets - auch wei-tere Qualitätssegmente neben den nicht mehr marktgerechten Flä-chen für StartUps und FinTechs in Frage.

Berlin: Büromieten bei Anmietungen durch FinTechs

Quelle: JLL 2015

So haben allein fünf Frankfurter Büroteilmärkte eine Spitzenmiete-von höchstens 15,00 €/m²/Monat, die somit ins Raster der jungen

Firmen fallen dürften. Die vermeintlich hohen Frankfurter Büromieten relativieren sich also bei genauerem Hinsehen. Das Flächenangebot vergrößert sich darüber hinaus natürlich noch auf weitere Lagen, wenn man außerhalb des jeweiligen Spitzenmietsegments sucht. Die Frankfurter Büroteilmärkte mit einem vergleichsweise hohen An-teil an IT-nahen Branchen, wie sie von StartUps in Berlin als Nach-barschaft favorisiert werden, sind Ost, City und das Bahnhofsviertel. Die Durchschnittsmiete für Büroflächen im mittleren Qualitätsseg-ment reicht hier von rund 11 bis 16 €/m²/Monat. In diesen Lagen ste-hen insgesamt 150.000 m² Büroflächen leer, davon 60.000 m² im mittleren Qualitätssegment.

Frankfurt: Flächenauswahl in drei relevanten Lagen

Quelle: JLL 2016

Bezüglich Flächenauswahl in den für StartUps relevanten Qualitäts-segmenten, bezüglich Mieten, und auch bezüglich Teilmärkten mit dem gewünschten Branchen-Besatz bietet Frankfurt also ein relativ großes Angebot. Die Tatsache, dass sich dabei der Teilmarkt Ost nicht in einer zentralen Lage befindet, muss nicht zwangsläufig ein Ausschlusskriterium für die Ansiedlung von StartUps und FinTechs sein, denn Frankfurt ist bekanntermaßen deutlich kleiner als Berlin,

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insbesondere was die Fläche und Ausdehnung angeht. Die Wege zwischen den Stadtteilen sind also kürzer. Dennoch ist es für Start-Ups wahrscheinlich von Bedeutung, die von ihnen gewünschten Standortanforderungen möglichst im eigenen „Viertel“ geballt und gebündelt vorzufinden (Verkehrsinfrastruktur, andere StartUps, Gastronomie, Nahversorgung, Geschäftspartner bzw. Kunden, und möglicherweise auch Wohnen). In dem Fall dürfte eine zersplitterte und über das Stadtgebiet verteilte Ansiedlung der StartUps eher hin-derlich sein. Stattdessen sollte das „Ökosystem“ für StartUps die klassischen Anforderungen des Stadtplanungsleitbildes „Stadt der kurzen Wege“ erfüllen: dies sind u.a. die Nutzungsmischung, Multi-funktionalität und verdichtete Siedlungsstruktur des Stadtquartiers, zumeist auch ein gewachsenes, urbanes Flair, und eben die kurzen Wege zwischen den einzelnen Orten und Funktionen. Solche Struk-turen sind hilfreich, den (spontanen) Austausch, das Networking, usw. zu erleichtern. Formalisierte bzw. institutionalisierte Meetings und Veranstaltungen als Alternative reichen beileibe nicht aus und können die Nähe zwischen den Akteuren nicht ersetzen. Eine für junge Unternehmen wichtige Anforderung ist eine möglichst hohe Flexibilität bei den Mietverträgen, und eine möglichst kurze Laufzeit. Dies steht im Widerspruch zum Wunsch der Immobilienei-gentümer, die möglichst lange Laufzeiten wollen. In Frankfurt ist eine Mietvertragsdauer von zunächst fünf Jahren die häufigste Vari-ante - StartUps würden hingegen noch kürzere Laufzeiten bevorzu-gen, und haben als Mietinteressenten somit einen Nachteil gegen-über anderen Branchen. Doch neben der Auswahl auf dem „klassi-schen“ Büromarkt stehen den kostensensiblen StartUps in Frankfurt - nebst Inkubatoren und Acceleratoren, oder der Digitalfabrik der Deutschen Bank, die Platz für 50 Mitarbeiter von StartUps bietet - beispielsweise folgende Möglichkeiten zur Verfügung, die auch zeit-lich kurze und vertraglich flexible Lösungen anbieten:

4 reine Business Center hierbei nicht beinhaltet.

CoWorking Flächen In Frankfurt gibt es ein Dutzend CoWorking Anbieter4, die Kapazitä-ten zwischen vier und 35 CoWorking Plätzen bieten. Zum Teil han-delt es sich bei den Angeboten um eine Mischform aus Business Centern und CoWorking-Konzepten. Die CoWorking-Konzepte bie-ten neben verschiedenen Raumangeboten (z.B. Büroräume mit Großraum und Einzelbüros, Meetingräume, Gemeinschaftsflächen wie Lounges) und technischer Infrastruktur (z.B. WLAN, Drucker, Beamer, eigene Telefonnummer) sowie der Möglichkeit der Vernet-zung mit etablierten Firmen, anderen Gründern oder Kreativen, oft-mals auch eine hohe zeitliche Flexibilität, etwa in Form von Wo- chen-, Tages- oder sogar Stundentarifen. Unter den Anbietern fin-den sich Betreiber wie die Wirtschaftsförderung Frankfurt GmbH, die Deutsche Börse AG mit ihrem FinTech-Hub, oder das Social Impact Lab Frankfurt, eine gemeinsame Initiative der JPMorgan Chase Foundation, der KfW Stiftung und der Social Impact gGmbH. Da in-zwischen sogar viele Großunternehmen, wie etwa American Ex-press, gezielt Mitarbeiter in CoWorking-Zentren schicken, um von der kreativen, gegenseitig befruchtenden Arbeitsatmosphäre zu pro-fitieren und mit anderen Branchen in unmittelbaren Austausch zu treten, wandelt sich die Bedeutung solcher Zentren - sie können die Immobilie, in der sie sich befinden, in der Tat aufwerten und für neue Mietergruppen interessanter machen. Frankfurter FinTech-Zentrum „Tech Quartier“ Das 2016 auf Initiative des Landes Hessen und der Stadt Frankfurt ins Leben gerufene Tech Quartier hält ab Mitte November 2016 im Bürohochhaus Pollux zunächst auf rund 1.400 m² Fläche 120 Ar-beitsplätze vor, die sowohl von StartUps als auch etablierte Unter-nehmen der Branche nutzen können. Aufgrund der sehr hohen Nachfrage wird bereits die Nutzung einer dritten Etage geprüft. Ne-ben günstigen Mietkonditionen und moderner Startup-Infrastruktur wird ein sehr umfangreicher Service geboten, der von der Nutzung von Eventflächen für Produkteinführungen über den Zugang zu

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Mentoren und der Vernetzung mit der StartUp-Szene bis hin zu Workshops, Seminaren, und spezifischen Events reicht. Das Tech-Lab unterstützt darüber hinaus bei Konzeption, Implementierung und Auswertung von Kundenbefragungen, und bietet den Dialog mit füh-renden Finanzexperten und Verhaltensökonomen. Insgesamt passen die Anforderungen von StartUps (und aller Wahr-scheinlichkeit nach auch FinTechs) und die Angebotsseite des Frankfurter Büroimmobilienmarktes also besser zusammen, als man vielleicht hätte annehmen können. Wie stellt sich Frankfurt/Rhein-Main nun bezüglich der oben beschriebenen, allgemeineren Stand-ortkriterien von Startups dar? Standortkriterien von Startups: Was bietet Frankfurt Gründungsökosystem und Netzwerke Die Situation in Frankfurt/Rhein-Main: Es gibt eine Reihe vorbildlicher Initiativen (so sind etwa der Ac-celerator Frankfurt, die Deutsche Börse, die Deutsche Bank oder die CommerzBank mit dem main incubator und der Veranstaltungsreihe between the towers an der Goethe Universität in und für die Fin-Tech-Szene aktiv), bislang allerdings z.T. noch als eher isolierte Ein-zelaktivitäten. Das FinTech Zentrum soll nun unter anderem dabei helfen, die Unterstützung und Initiativen zu konzentrieren. Denn Ex-pertise und Ressourcen in den Bereichen Banking, IT, Wissenschaft und Beratung sind in der Bankenstadt en masse vorhanden. Unterstützung und Förderung Die Situation in Frankfurt/Rhein-Main: Bezüglich Gründungsintensität zählt die Rhein-Main Region zu den fünf stärksten Standorten in Deutschland. Ein weiterer Beleg für eine hohe Dynamik in punkto Gründungsgeschehen ist die Zahl von 140 Veranstaltungen für StartUps, die allein im zweiten Halbjahr 2015 stattgefunden haben. Und während für Berlin für den Slogan „arm, aber sexy“ steht, kann Frankfurt nicht von sich behaupten, arm zu

5 vgl. RKW-Studie „Die Rhein-Main-Region als Gründerökosystem - Stärken, Schwä- chen und Entwicklungschancen“, 2016.

sein. Kapital ist hier ausreichend vorhanden. Dennoch lag bei Risi-kokapitalinvestitionen in Startups Berlin im ersten Halbjahr 2016 mit allein 117 Finanzierungsrunden mit großem an der Spitze im deutschlandweiten Vergleich; in ganz Hessen waren es demgegen-über lediglich zwölf. Im Vorjahr war das Verhältnis ähnlich. Bezüg-lich StartUp-Branchen floss bundesweit das meiste Geld in Fin-Techs. In der boomenden FinTech-Branche hat Frankfurt/Rhein-Main also noch viel Aufholpotenzial. Es gibt eine Reihe von Förder-möglichkeiten für StartUps, wie Beteiligungsfonds, Bürgschaften und vergünstigte Darlehen, doch sind „Unterstützung und Förderung“ nur einer von vielen Aspekten, die darüber entscheiden, ob sich Start Ups überhaupt in Frankfurt ansiedeln. London, als europäischer Vor-reiter in der StartUp-Szene (und letztlich als Konkurrent im Standort-wettbewerb), ist geradezu vorbildlich dabei, in proaktiver Weise ein StartUp-freundliches Umfeld zu schaffen; die FCA (Financial Conduct Authority beispielsweise unterstützt FinTechs auch opera-tiv5 ). In Frankfurt sind Aspekte wie Know-How-Transfer, die Bereit-stellung von Risiko- bzw. Wagniskapital oder eine hohe Kapitalver-fügbarkeit zumindest theoretisch allesamt vorhanden - eingebettet in ein stimmiges Gesamtpaket von Unterstützung und Förderung, er-gänzt beispielsweise um Coaching und Mentoring-Programme, kä-men diese PS dann auch auf die Straße - bisher werden sie noch nicht abgerufen. Talent Pool und Ausbildung Die Situation in Frankfurt/Rhein-Main: Die eigentlich sehr hilfreiche Präsenz von Banken und Finanzdienst-leistern stellt sich gleichzeitig als Hinderungsgrund dar: Zwar gibt es in keiner anderen deutschen Stadt eine derart hohe Anzahl von Fachleuten im Finanzbereich; doch die hohen Gehälter stellen ebenso ein Wechselhemmnis zu FinTechs dar, wie die Tatsache, dass man seine Festanstellung gegen einen Job in einem Startup eintauschen würde, bei dem man nicht weiß ob es in ein paar Jah-ren noch existiert. Das gleiche gilt für Spezialisten an der Schnitt

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stelle zwischen Bankenthemen (inhaltlich) und IT-Expertise (tech- nisch). Zwar gibt es etwa mit der Technischen Universität Darm-stadt, und insbesondere mit ihrem Fachbereich Informatik, ein re-nommiertes Institut, das zudem über ein eigenes Gründungszentrum verfügt, doch StartUps bemängeln die zu geringe Zahl geeigneter und wechselwilliger Talente in Frankfurt/Rhein-Main, insbesondere bei IT-Kräften. Die Akteure in Frankfurt reagieren mit Aus- und Wei-terbildungsinitiativen: Die Goethe Universität wird 2017/2018 erst-mals einen berufsbegleitenden Master-Studiengang „Digitalisierung“ anbieten, und die Frankfurt School of Finance hat in Kooperation mit der Frankfurter FinTech Group den Bachelor-Studiengang „Digital Innovation & FinTech“ ins Leben gerufen. Lebensqualität und Image Die Situation in Frankfurt/Rhein-Main: Allein durch die vielen ausländischen Unternehmen, Institute und Repräsentanzen ist Frankfurt eine Stadt der Vielfalt und Internatio-nalität: Menschen aus über 170 verschiedenen Nationen leben und arbeiten hier neben- und miteinander. Dass es für viele StartUps schwierig ist, geeignete Mitarbeiter zu finden, liegt in hohem Maße auch am Image der Stadt. Frankfurt wird als nicht sonderlich hip o-der cool wahrgenommen - das aber ist genau das Umfeld, das Krea-tive suchen. So stammen die meisten der hiesigen Gründer aus der Region selbst, während etwa in Berlin ein hoher Anteil auch aus an-deren Teilen Deutschlands, und sogar aus dem Ausland kommt. Kreative und innovative Milieus sind in der - mit Blick auf die Stadt-entwicklung - sehr durchgeplanten Bankenstadt, in der diesbezüg-lich kaum eine Entwicklung sich selbst überlassen wird, eher selten. Das Bahnhofsviertel als hippes Szeneviertel ist eine Ausnahme. Hier oder auch im Ostend finden sich beispielsweise Werbeagenturen, die genau dieses Umfeld gezielt ansteuern. Aber auch in diesen La-gen bewirken Modernisierungen und Gentrifizierung immer öfter eine Uniformisierung der Stadtgestalt - dies könnte negative Auswir-kungen auf das Flair in diesen Lagen haben, und damit auch auf die Attraktivität dieser Standorte für Gründer.

und wird von den hier lebenden Menschen oft positiver wahrgenom-men als von außen. Die New York Times empfiehlt das Bahnhofs-viertel als „Place to go“, im globalen Quality of Living Ranking von Mercer findet sich Frankfurt seit Jahren unter den Top 10, und ein Vergleich der Lebenshaltungskosten, also „harter Zahlen“ wie etwa Büro- oder Wohnungsmieten, lässt die Stadt gegenüber anderen Großstädten in Europa oder weltweit attraktiv(er) und zumeist güns-tiger erscheinen. Hier muss die Außendarstellung von Stadt und Re-gion verbessert werden - ein Imperativ, der für viele Bereichen in Frankfurt/Rhein-Main gilt. Infrastruktur und Immobilien Die Situation in Frankfurt/Rhein-Main: Die Rhein-Main Region kann in der Tat für sich in Anspruch neh-men, im Herzen Europas zu liegen. Eine bessere verkehrliche An-bindung als hier, mit einem der größten Bahnhöfe oder dem interna-tionalen Flughafen und den entsprechenden Erreichbarkeiten inner-halb Deutschlands und in alle Welt, können nicht einmal viele euro-päische Hauptstädte aufweisen. Frankfurt ist die Heimat des größten Internetknotens der Welt, und rund 40 % der deutschen Großre-chenzentren befinden sich in Hessen. Diese infrastrukturellen Anfor-derungen sind also in bestem Maße erfüllt. Auf dem Büroimmobilien-markt steht über eine Million Quadratmeter Büroflächen leer, davon knapp die Hälfte auf einem Qualitäts-Niveau, das den hohen Anfor-derungen an moderne Flächen nicht mehr entspricht, und somit für preissensible StartUps attraktiv sein dürfte. Innerhalb Deutschlands sind die Frankfurter Büromieten in vielen Stadtteilen sehr hoch - im internationalen Vergleich hingegen nimmt sich die Situation z.T. so-gar günstig aus. Und ein genauer Blick offenbart auch innerhalb Frankfurts zahlreiche Lagen und Immobilien mit günstigen, StartUp- und FinTech-kompatiblen Mieten. Hinzu kommen - nebst Accelera-toren und Inkubatoren - die CoWorking Spaces und BüroCenter. Das relevante Flächenangebot ist also deutlich größer, als es mit Blick auf die hochpreisigen Bankentürme vielleicht vermuten lässt. Daher überrascht es, dass gemäß RKW-Studie von den StartUps

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aus dem Rhein-Main Gebiet bemängelt wird, dass es auf dem Im-mobilienmarkt häufig nicht die passenden Angebote gäbe, und die Mieten zu hoch seien. Darüber hinaus sei die Verfügbarkeit von CoWorking Spaces mit flexiblen Verträgen nur eingeschränkt gege-ben. Angelehnt an die RKW-Studie „Die Rhein-Main-Region als Gründerökosystem - Stär-

ken, Schwächen und Entwicklungschancen“, 2016.

FinTechs in Frankfurt Frankfurt ist immerhin der zweitgrößte FinTech-Standort in Deutsch-land. Doch der Abstand zu Berlin ist groß, und rund 190 deutsche FinTechs haben für ihren Sitz nicht Frankfurt gewählt. Die räumliche Nähe zu Regulierern6 und Banken, um z.B. den Marktzugang oder die Kundenreichweite bei Kooperationen nutzen zu können, scheint für die außerhalb Frankfurts sitzenden FinTechs weniger wichtig zu sein; zumindest gilt das für die aktuellen Entwicklungsstadien dieser FinTechs. Lässt sich dies aus den Standortanforderungen der Fir-men erklären? Es ist zu vermuten, dass in einigen Fällen die Stand-ortwahl aus bestimmten Zwängen heraus erfolgt und somit Diskre-panzen zwischen Anforderungen und Umsetzung auftreten, und in anderen Fällen die Standortwahl eher zufällig und ohne Heranzie-hung konkreter Anforderungskriterien erfolgte, etwa in der Heimatre-gion der Gründer. Von den 44 im Gebiet des Frankfurter Büromarktgebietes sitzenden FinTechs sind bislang nicht einmal eine Handvoll eigenständig auf dem Büromarkt in Erscheinung getreten, also als Haupt- oder Unter-mieter, außerhalb von Business Centern, CoWorking Space, o.ä. In Berlin wurden bislang 19 eigenständige Abschlüsse von insgesamt 17 FinTech-Firmen registriert.

6 so haben beispielsweise die Startups N26 und solarisBank, die über eine Bankli-zenz verfügen, Ihren Sitz in Berlin.

Wie oben beschrieben erfüllen Frankfurt und die Rhein-Main-Region bereits eine ganze Reihe der für StartUps relevanten Standortkrite-rien. An mehreren Stellen muss hingegen noch einiges getan wer-den. Dies gilt umso mehr, als im direkten Vergleich mit Berlin die Bundeshauptstadt anhand verschiedener Indikatoren günstiger ab-schneidet:

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Quellen: * Mercer cost of living survey worldwide ranking 2016, ** Deloitte Index Digitale Wettbewerbsfähigkeit 2016, *** Mercer Quality of Living ranking 2015. Rest: JLL

Die Tatsache, dass Berlin bereits StartUp Hochburg ist, führt über die „Massenanziehung“ sowie das gründungsfreundliche Umfeld zu einer sich selbst nährenden hohen Dynamik bei der Ansiedlung von gründungswilligen Firmen. Um im Wettbewerb der Standorte nicht den Anschluss zu verlieren, muss Frankfurt/Rhein-Main also sein Profil schärfen und seine komparativen Stärken und Standortvorteile besser kommunizieren. Insbesondere müssen die vorhandenen Ressourcen und Angebote besser über die Region hinaus kommuni-ziert, und - ebenso wie die Akteure - besser miteinander vernetzt werden.

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Fazit Einige Standortkriterien - harte wie weiche, quantitative wie qualita-tive - sind noch nicht „digitalisierbar“, und halten den Wettbewerb bzw. die Kooperation der Standorte spannend. Der direkte, persönliche Austausch zwischen den jungen Unter-nehme(r)n ist eine der essentiellsten Standortanforderungen von Startups und FinTechs gleichermaßen. Bei allen technischen Mög-lichkeiten lässt er sich nicht in den virtuellen Raum verlegen. Hier gilt es, die Anforderungen der Gründerszene noch besser zu eruieren und entsprechende Angebote zu schaffen. Die physische Nähe zur Regulierung und Aufsicht, sowie zu Banken als Kooperationspartnern und Kunden scheint jedoch für viele Fin-Techs entweder nicht notwendig zu sein, oder andere Standortfakto-ren überwiegen. Ob die deutsche Bankenhauptstadt sich zur FinTech-Hauptstadt mausert, oder gar FinTechs aus Berlin oder London „abzuwerben“ vermag, liegt nicht allein in der Hand der Politik und Verwaltung, aber sie kann deutlich mehr dafür tun als bisher. Ein Anfang ist ge-macht, nicht zuletzt im Wege der Gründung des Tech Quartiers, dem bei Bedarf offenbar noch weitere folgen können. Um dem von FinTechs geäußerten Mangel an Fachkräften vor Ort zu begegnen, haben Wirtschaft und Wissenschaft in Frankfurt ein Ausbildungspro-gramm und einen Aufbaustudiengang gestartet; auch hier gibt es noch Potential für weitere Initiativen.

7 www.fr-online.de vom 15.08.2016

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung titelte im September in ihrem Wirtschaftsmagazin „Metropol“ zur Rhein-Main-Region: „Standort mit Imageproblem - Wie wird Frankfurt hip?“. Während „Hipness“ zwar nicht messbar ist, ist das Image und das Lebensgefühl einer Stadt auch und gerade für junge Unternehmen und Unternehmer ein wich-tiges Standortkriterium. Hier können Politik und Verwaltung kurz- und mittelfristig nur begrenzt unterstützen. Es muss Frankfurt gelin-gen, die Standortanforderungen der FinTechs besser zu erfüllen als bisher, die bereits existierenden und noch deutlich erweiterbaren monetären und nicht-monetären Unterstützungsinitiativen der ver-schiedenen Akteure zu bündeln, zugänglich zu machen und aktiv in die Branche hineinzutragen, das vor Ort vorhandene Know-How, die Vernetzung und Infrastruktur der Finanzwirtschaft zu nutzen, und nicht zuletzt die Stärken des Standortes Frankfurt Rhein-Main deutli-cher zu kommunizieren. Denn in der Außenwahrnehmung wird Frankfurt noch nicht ausreichend als attraktiver StartUp- und Fin-Tech-Standort wahrgenommen - ganz im Gegensatz zu Berlin. „Wir sind nicht arm hier. Jetzt müssen wir nur noch sexy werden“7, so Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir im August 2016. Das ist wohl auch notwendig, um sein bereits ein Jahr zuvor ausgegebenes Ziel zu erreichen - Frankfurt zum Zentrum der Finanztechnologie-Branche in Deutschland zu machen.

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Copyright © JONES LANG LASALLE GmbH, 2016. Dieser Bericht wurde mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt und basiert auf Informationen aus Quellen, die wir für zuverlässig erachten, aber für deren Genauigkeit, Vollständigkeit und Richtigkeit wir keine Haf- tung übernehmen. Die enthaltenen Meinungen stellen unsere Einschätzung zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichtes dar und können sich ohne Vorankündigung ändern. Historische Entwicklungen sind kein Indiz für zukünftige Ergebnisse. Dieser Bericht ist nicht für den Vertrieb oder die Empfehlung zum Kauf oder Verkauf einer bestimmten Finanzanlage bestimmt. Die in diesem Bericht zum Ausdruck gebrachten Meinungen und Empfehlungen berücksichtigen nicht individuelle Kundensituationen, -ziele oder -bedürfnisse und sind nicht für die Empfehlung einzelner Wert- papiere, Finanzanlagen oder Strategien einzelner Kunden bestimmt. Der Empfänger dieses Berichtes muss seine eigenen unabhängigen Entscheidungen hinsichtlich einzelner Wertpapiere oder Finanzanla- gen treffen. Jones Lang LaSalle übernimmt keine Haftung für direkte oder indirekte Schäden, die aus Ungenauigkeiten, Unvollständigkeiten oder Fehlern in diesem Bericht entstehen.

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