Joachim Lang - Grundkurs Steuerrecht

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Gliederung der Vorlesung Grundkurs Steuerrecht Erster Teil: Grundlagen der Steuerrechtsordnung § 1 Einführung A Bedeutung des Steuerrechts B Steuerrecht als Teil der Rechtsordnung § 2 Gebiete und Gesetze der Steuerrechtsordnung A Allgemeines Steuerrecht B Besonderes Steuerrecht § 3 Finanzverfassungsrechtliche Grundlagen der Steuerrechtsordnung A Steuerbegriff B Steuergesetzgebungshoheit C Steuerertragshoheit D Steuerverwaltungshoheit § 4 Rechtsstaatliche Ordnung des Steuerrechts A System des Steuerrechts B Rechtsstaatlichkeit des Steuerrechts C Gleichmäßigkeit der Besteuerung D Gesetzmäßigkeit der Besteuerung E Sozialstaatsprinzip F Verfassungsrechtliche Schranken der Besteuerung § 5 Rechtsanwendung im Steuerrecht A Rechtsnormen des Steuerrechts B Rechtsanwendung und Gesetzesauslegung C Ermessensausübung Zweiter Teil: Steuerrechtsverhältnis und Steuerschuldrecht § 6 Grundbegriffe des Steuerrechtsverhältnisses § 7 Allgemeines Steuerschuldrecht A Inhalt des Steuerschuldverhältnisses B Entstehen von Steueranspruch und Steuertatbestand C Erlöschen des Steueranspruchs D Gesamtschuldnerschaft E Haftungsanspruch F Steuervergütungsanspruch G Steuererstattungsanspruch § 8 Einführung in das besondere Steuerschuldrecht

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Gliederung der Vorlesung Grundkurs Steuerrecht

Erster Teil: Grundlagen der Steuerrechtsordnung

§ 1 EinführungA Bedeutung des SteuerrechtsB Steuerrecht als Teil der Rechtsordnung

§ 2 Gebiete und Gesetze der SteuerrechtsordnungA Allgemeines SteuerrechtB Besonderes Steuerrecht

§ 3 Finanzverfassungsrechtliche Grundlagen der SteuerrechtsordnungA SteuerbegriffB SteuergesetzgebungshoheitC SteuerertragshoheitD Steuerverwaltungshoheit

§ 4 Rechtsstaatliche Ordnung des SteuerrechtsA System des SteuerrechtsB Rechtsstaatlichkeit des SteuerrechtsC Gleichmäßigkeit der BesteuerungD Gesetzmäßigkeit der BesteuerungE SozialstaatsprinzipF Verfassungsrechtliche Schranken der Besteuerung

§ 5 Rechtsanwendung im SteuerrechtA Rechtsnormen des SteuerrechtsB Rechtsanwendung und GesetzesauslegungC Ermessensausübung

Zweiter Teil: Steuerrechtsverhältnis und Steuerschuldrecht

§ 6 Grundbegriffe des Steuerrechtsverhältnisses

§ 7 Allgemeines SteuerschuldrechtA Inhalt des SteuerschuldverhältnissesB Entstehen von Steueranspruch und SteuertatbestandC Erlöschen des SteueranspruchsD GesamtschuldnerschaftE HaftungsanspruchF SteuervergütungsanspruchG Steuererstattungsanspruch

§ 8 Einführung in das besondere Steuerschuldrecht

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Dritter Teil: Einkommen und Bilanzsteuerrecht

§ 9 Die Einkommensteuer und das Bilanzsteuerrecht

A Geschichte der EinkommensteuerB SteuerpflichtC Steuerobjekt und BemessungsgrundlageD Bestimmung steuerpflichtiger EinkünfteE Persönliche Zurechnung von EinkünftenF Ermittlung der EinkünfteG EinkunftsartenH Private Abzüge

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Mitschrift Vorlesung Grundkurs Steuerrecht, Prof. Dr. jur. Joachim Lang,Universität zu Köln

Erster Teil: Grundlagen der Steuerrechtsordnung

§1 Einführung

A. Bedeutung des Steuerrechts:

Das Steuerrecht hat eine enorm wichtige Bedeutung im Alltag eines jeden Bürgers.Betrachtet man sich nur einmal was geschieht, wenn ein Student das Lehrbuch„Tipke,Lang ; Steuerrecht“ kauft, so wird deutlich, daß eine Vielzahl von Vorgängenmit diesem Kauf verbunden sind. So fällt zunächst beim Kauf 16% Umsatzsteuer an.Diese Steuer wird vom Käufer an den Verkäufer bezahlt und vom Verkäufer an dasFinanzamt abgeführt. Ist der Käufer allerdings ein Unternehmer, so besitzt diesereinVorsteuerabzugsrecht, d. h. er trägt letztendlich nicht die Belastung. Je nachdemin welcher Rechtsform die verkaufende Buchhandlung organisiert ist, fällt zudem(bspw. bei einer GmbH) noch Körperschaftsteuer an oder auch Gewerbesteuer.Wenn das Lehrbuch von einem Steuerberater erworben werden würde, könnte derKaufpreis evtl. als Werbungskosten in der Einkommensteuererklärung abgesetztwerden, wenn er es denn dienstlich und nicht etwa für den Privatgebrauch seinesBWL studierenden Kindes erwerben würde. Es wird deutlich, wie vielgestaltig sichder Kontakt des Einzelnen mit dem Steuerrecht selbst bei einem simplenVeräußerungsgeschäft auswirken kann.Ein weiteres aktuelleres Beispiel stellt die von der neuen Koalition geplanteBenzinpreiserhöhung um sechs Pfennig je Liter Benzin dar. Diese wird nicht beisechs Pfennig je Liter Benzin bleiben, denn es fällt ja entsprechend mehrUmsatzsteuer an, wenn nicht darüber hinaus sogar noch Folgewirkungen durch neueGewinnkalkulationen und evtl. Preisabsprachen der Mineralölkonzerne entstehen. Esist demnach wohl eher mit einem Benzinpreisanstieg von mehr als sechs, vielleichtsogar mit zehn Pfennig Preisanstieg je Liter Benzin zu rechnen.

Es bleibt festzuhalten, daß mit Steuererhöhungen immer Wirkungen erzielt werden,die sich auch auf andere Steuern auswirken. Und diese Tatsache kompliziert dasSteuerrecht ungemein.

Dies hat auch Auswirkungen auf die Emittlung der Steuerbelastung. DieGewerbesteuer bspw. der Buchhandlung ist abziehbar als Betriebssteuer (von dereigenen Bemessungsgrundlage abziehbare Steuer), so daß inzwischenComputerprogramme bemüht werden (z.B. European Tax Analyzer), um rechnerischBelastungsvergleiche herzustellen. Diese Programme sind jedoch sehr kurzlebig, da,sobald sich ein Faktor minimal ändert, schon wieder andere Steuern betroffen sind,was die Investitionsplanung mit ihrer Ausrichtung auf die Nachsteuerrendite starkerschwert.

Die Bedeutung des Steuerrechts äußert sich in zwei Funktionen des Steuerrechts.Der erste Zweck des Steuerrechts ist der Fiskalzweck und wird in § 3Abgabenordnung (AO) genannt. Es heißt dort „Steuern sind Geldeinnahmen, die ...von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allenauferlegt werden...“. Der zweite Zweck der Besteuerung dient der oft notwendigen

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Umverteilung zwischen arm und reich und wird als Sozialzweck bezeichnet. DieBedeutung einer solchen „Umverteilung von oben nach unten“ wird einem umsoklarer, wenn man sich ein Land wie Brasilien anschaut, in welchem der Unterschiedzwischen arm und reich besonders deutlich wird. Während die „oberen Zehntausend“in DM umgerechnet ein monatliches Einkommen von durchschnittlich 50 000 DMbeziehen, müssen die „unteren“ Schichten mit monatlich umgerechnet 165 DMauskommen. Hier wird die Notwendigkeit einer Umverteilung besondersoffensichtlich. Anders gestaltet sich die Situation in Deutschland, wo es einen breitenMittelstand gibt und man sich eher darauf beschränkt „aus der einen Tasche etwasherauszunehmen, um es in einer anderen Tasche verschwinden zu lassen“, worausletzendlich das sog. Steuerchaos herührt.

In Deutschland ist der Primärzweck der Besteuerung also die Einnahmeerzielung zurDeckung des staatlichen Finanzbedarfs. Daneben existiert eine Vielzahl vonLenkungszwecken (z. B. Umverteilung, aber auch andere), was im Ergebnis dazuführt, daß das Steuerrecht dazu mißbraucht wird, politische Vorstellungendurchzusetzen.

Lenkungssteuern, wie sie z. B. in der aktuellen politischen Diskussion dieangestrebten Maßnahmen zur Einbeziehung des ökonomischen Aspekts insSteuerrecht darstellen, sind zwar in ihrem Anliegen zu unterstützen, überfrachtenjedoch das Steuerrecht und treffen meist sozial Schwächere, für die eineSteuererhöhung erheblichere Bedeutung hat, als für „einen Porsche-Fahrer eineErhöhung des Literpreises für Benzin auf fünf DM“.

Abschließend kann man feststellen, daß durch die enorme Bedeutung desSteuerrechts für die Wirtschaft derjenige, der sich im Steuerrecht auskennt, einenenormen Vorteil davon hat. So gab es einen Millionär, der sein Vermögen auf dienächste Generation übertragen wollte und mit einer steuerlichen Belastung von ca.15 Millionen DM rechnete. Nach der Beratung waren es nur noch 110000 DM. Indiesem Zusammenhang spricht man in unserem Steuersystem vermehrt von der sog.„Dummensteuer“.

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B. Steuerrecht als Teil der Rechtsordnung

Zum besseren Verständnis folgende Abbildung: Rechtsordnung

Zivilrecht Öffentliches Recht

Wirtsch. Sachverhalt: Verwaltungsrecht- Einkommen- Umsatz- Vermögen EingriffsVw LeistungsVw

Steuerrecht Transferrecht

Die Rechtsordnung kann in zwei Hauptgebiete unterteilt werden. Zum einen in dasZivilrecht, welches die Rechtsbeziehung zwischen Gleichgeordneten regelt, und zumanderen in das Öffentliche Recht, welches durch ein Über- undUnterordnungsverhältnis gekennzeichnet ist und das Verhältnis zwischen Staat undBürger regelt.

Das Steuerrecht ist Öffentliches Recht. Es regelt Beziehungen zwischen Bürger,Unternehmen und Staat, aufgegliedert in Gebietskörperschaften, wobei man alsBürger üblicherweise mit der Landesfinanzverwaltung, dem Finanzamt in Kontaktkommt.Steuerrecht ist weiter dem Eingriffsrecht zuzuordnen. Jedoch ist der Bürger durch dieRechtstaatlichkeit gegen die Eingriffe des Staates geschützt, so daß man eher dasWort >Steuerzahler< anstatt >Steuerpflichtiger< verwenden sollte. Das Steuerrechtbeinhaltet also nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte des Bürgers zum Schutz desBürgers gegen den Staat.

Dennoch sind Steuerrecht und Zivilrecht stark miteinander verbunden. Dies hängtdamit zusammen, daß zivilrechtliche Vorgänge als wirtschaftliche Vorgängesteuerliche Auswirkungen haben. Es besteht also ein Gestaltungszusammenhang(ein Auswirkungszusammenhang) zwischen Steuerrecht und Zivilrecht.

Dies wirft nun die Frage auf, ob zivilrechtliche Betrachtungen maßgeblich sind für diesteuerrechtliche Terminologie. Dies ist zu bejahen und mit folgendem Beispiel zu §42 AO (Mißbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten) zu erläutern:

Der Vater möchte dem Sohn etwas schenken. Um die Freibeträge auszunutzen,schenkt er zuerst seiner Frau einen Teil und den anderen Teil direkt seinem Sohn.Seine Frau schenkt an den Sohn weiter (Kettenschenkung).

Würde man rein zivilrechtlich betrachten, so würde man in beiden Fällen Freibeträgegewähren, was verdeutlicht, daß das Steuerrecht eben nicht auf die zivilrechtlicheTerminologie abstellen kann, sondern dem wirtschaftlichen Sachverhalt (Einkommen,Umsatz, Vermögen) Rechnung tragen muß und so einer eigenen Terminologiebedarf.Es besteht also eine Wechselbeziehung insofern, als daß wirtschaftlicheSachverhalte gestaltet werden, die dann auch besteuert werden, aber es besteht

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ebenfalls Unabhängigkeit, da das Steuerrecht seine eigene Terminologie benötigt,um auch die eigenen Zwecke der Besteuerung richtig verwirklichen zu können.

Ein anderer Aspekt der Einordnung des Steuerrechts in die Rechtsordnung betrifftdie Verknüpfung des Steuerrechts mit dem Leistungsverwaltungsrecht, insbesonderemit der Sozialhilfe. Der Staat ist verpflichtet demjenigen, der kein Einkommen hat, einExistenzminimum zu gewährleisten. Der Sozialhilfeanspruch ist verfassungsrechtlichbegründet. Das bedeutet, daß jemand der Sozialhilfe bekommt (in Höhe einesbestimmten soziokulturellen Existenzminimums), diesen Betrag steuerfrei erhält.Wenn also jemand eigenes Einkommen hat und sich selber ernährt, dann wäre esungerecht, wenn von diesem Einkommen in Höhe der Sozialhilfe Steuern bezahltwerden müssten. Doch leider ist das derzeit so (Existenzminimum nachSozialhilferecht ca 14 000 DM / nach Steuerrecht gilt ein Existenzminimum von ca 12600 DM). Die Einheit von Steuerrecht und Sozialhilferecht ist noch nicht verwirklicht.Früher galten noch elementarere Wertungswidersprüche in der Rechtsordnung beieinem damaligen steuerlichen Existenzminimum von ca 5 500 DM. DieseWertungswidersprüche sind zukünftig noch zu beseitigen.Ein weiterer Bereich der Uneinheitlichkeit der Rechtsordnung betrifft dasFamilienrecht. Der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeitbedeutet, daß die familienrechtlichen Unterhaltsverpflichtungen im Steuerrechtrealitätsgerecht berücksichtigt werden müssen, was auch erst noch zu realisieren ist.

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Erster Teil: Grundlagen der Steuerrechtsordnung

§ 2 Gebiete und Gesetze der Steuerrechtsordnung

Innerhalb des allgemeinen Steuerrechts unterscheidet man die Hauptgebiete desallgemeinen und besonderen Steuerrechts.

A. Allgemeines Steuerrecht

Das Steuerrecht hat seine wesentliche Grundlage in der Verfassung. In derVerfassung ist festgelegt, was ganz allgemein in der Rechtsordnung gilt. An ersterStelle stehen dabei die Grundrechte. Da Steuerrecht Eingriffsrecht ist, aktiviert es inerster Linie die Schutzfunktion der Grundrechte als Abwehrrechte des Bürgers gegenden Staat. Diese Definition der Grundrechte als Abwehrrechte wird insbesondere inZeiten zu hoher Steuerlasten offensichtlich. Der Anspruch auf Gleichbehandlungdurch Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ist eben bei einer „löchrigen“Bemessungsgrundlage nicht gegeben, was dazu führt, daß der eine Bürger für denanderen Bürger mitbezahlen muß und es in der Tendenz zu überhöhtenSteuersätzen kommt. Hier wird also Artikel 3 des Grundgesetzes (GG), derGleichheitssatz berührt.

Ein anderes Beispiel betrifft Artikel 6 des GG, den Schutz von Ehe und Familie. Sollnun das Ehegattensplitting abgeschafft werden, stellt sich natürlich die Frage, ob soeine Veränderung des Steuerrechts überhaupt vereinbar mit diesem Artikel 6 ist,zumal das Bundesverfassungs-gericht das Ehegattensplitting eben nicht alsSteuervergünstigung qualifiziert.Artikel 12 (Berufsfreiheit) und Artikel 14 (Eigentumsgarantie) stehen ebenso inKontakt mit dem Steuerrecht. Die Einführung einer Bergfernverkehrsteuer zurFörderung des Schienentransportes führte zu einer Vielzahl von Insolvenzenkleinerer und mittlerer Speditionsunternehmen. Hieran schließt sich die Frage, ob einSpediteur nicht in seinem Grundrecht der Berufsfreiheit durch die Einführung einersolchen Steuer berührt wird.

Dieser kurze Einblick verdeutlicht, daß Steuerrecht nicht „irgendetwas Technisches“ist (Buchhaltung etc.), sondern in der Verfassung gründet und die grundlegendenGerechtigkeits-vorstellungen einer Nation berührt. Im Umkehrschluß kann mansagen, daß ein ungerechtes Steuerrecht immer auch zur unsozialen Gesellschaftbeiträgt.

Das Grundgesetz enthält keine materiellen Bestimmungen über das Steuerrecht,jedoch im Abschnitt römisch Zehn (X) geht das Grundgesetz auf das Finanzwesenein. Allerdings sind hierin nur besondere Regeln des Steuerrechts (§ 105 und § 108GG), die die Steuerkompetenz-verteilung zwischen Bund und Ländern ansprechen,enthalten, wobei die Gemeinden und Kommunen mitberücksichtigt werden. Sie

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betreffen also das Staatsorganisationsrecht.

In anderen Ländern (Beispiel Brasilien) ist das materielle Steuerrecht teilweise in dieVerfassung hineingearbeitet (“...das liest sich wunderbar..“), jedoch allein nutzt diesnichts, wenn nicht eine entsprechende Verfassungswirklichkeit besteht. InDeutschland steht in den Grundrechten nichts über Steuern, aber es herrscht einevergleichsweise hohe Verfassungs-wirklichkeit, was vor allem auf die intensiveBeschäftigung der Gerichte mit der Auslegung der Grundrechtsnormen (hier ist vorallem der Name Paul Kirchhoff lobend zu erwähnen) zurückzuführen ist. Für dieUmsetzung der Steuerrechtsordnung ist die Verfassungswirklichkeit ganzentscheidend

Die Grundlagen der Steuerrechtsordnung sind also in der Verfassung verankert,hauptsächlich in den Grundrechten und dem Rechtsstaatsprinzip. Außerdem bleibthervorzuheben, daß das Bundesverfassungsgericht seinen Auftrag sehr ernst nimmtund mit einer Reihe wichtiger Entscheidungen ganz wesentliche Aussagen zu denInhalten der Steuerrechtsordnung geschaffen hat.

Eine Teilkodifikation erfährt das deutsche Steuerrecht durch die Abgabenordnung(“Teilsteuergesetzbuch“). Dazu folgende Abbildung:

Abgabenordnung

Allgemeines Steuerschuldrecht Steuerverfahrensrecht(Allgemeines Recht der Steuer- (Organisation und Handeln derschuldverhältnisse) Finanzverwaltung, Rechtsschutz)

Gesetz über die Finanzverwaltung Finanzgerichtsordnung(Behördenorganisation) (gerichtlicher Rechtsschutz)

Der Begriff Abgabenordnung legt zunächst einmal die Vermutung nahe, daß es sichhierbei um eine Verfahrensordnung handelt (So wie die Zivilprozeßordnung,Strafprozeßordnung etc.). Diesen Begriff hält das Steuerrecht nicht ein. Vielmehr istdie Abgabenordnung ein Mantelgesetz, es enthält nämlich Rechtsnormen, die fürmehrere Steuerarten gelten.

Im Gegensatz hierzu steht das besondere Steuerrecht, welches das Recht dereinzelnen Steuerarten umfaßt.

Die Abgabenordnung entstand unter dem Druck der zu bewältigendenKriegsschulden und wurde von einem Zivilrichter namens Enno Becker entwickelt.Sie diente dazu einen Gesetzesmantel zu erstellen, mit dem dann die Besteuerungumfassend gesetzlich geregelt wurde und mit dem das Steueraufkommenverfünfacht werden konnte. Es ist, obwohl in nur wenigen Monaten entworfen, ein

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großartiges Werk von Enno Becker gewesen, welches erst 1977 novelliert werdenmußte.

Die Abgabenordnung beinhaltet (von einem Zivilrechtler geschrieben) viele Regeln,die in ihrer Struktur dem Zivilrecht ganz ähnlich sind (Entstehen des Anspruchs,Fälligkeit, Erlöschen, Verjährung etc.). Sie bleibt aber Öffentliches Recht. Dieskommt unter anderem dadurch zum Ausdruck, daß man als Zivilrechtsgläubigerimmer auf seine Forderung verzichten kann, wohingegen behördlich derSteueranspruch durchgesetzt werden muß. Einem Steuerpflichtigen die Steuerschuldzu erlassen wäre ungesetzlich, da sie den Gleichheitsgrundsatz verletzt. EineZusage der steuerfreien Behandlung durch eine Kommune an ein Unternehmenbeispielsweise ist von vorneherein nichtig. Ein solches Unternehmen kann sichspäter nicht auf eine solche Zusage berufen, und ein evtl. Gewerbesteuerbescheidmuß so gegebenenfalls sogar zwangsweise durchgesetzt werden.Das allgemeine Steuerschuldrecht beschreibt also das Rechtsverhältnis vomBürger zum Staat allgemein.

Daneben steht das Steuerverfahrensrecht. Die Organisation und das Handeln derFinanzverwaltung, sowie der Rechtsschutz werden hier geregelt.Es muß unterschieden werden zwischen materiellen Regeln, die den Steueranspruchals solchen Regeln und der Durchsetzung des Steueranspruchs(Steuerbescheid/Verwaltungsakt). Es kann geschehen das dies auseinanderfällt, z.B. wenn ein inhaltlich unrichtiger Steuerbescheid (ungerechtfertigteNichtanerkennung von Werbungskosten von 5 000 DM beispielsweise) mangelsEinspruch des Steuerpflichtigen rechtswirksam wird. Sollte der Steuerpflichtige dochEinspruch erheben und man kann sich nicht einigen geht die Sache zurEntscheidung an das Finanzgericht und das Gesetz über die Finanzverwaltung unddie Finanzgerichtsordnung als große Teilgebiete des Steuerverfahrensrechts werdenrelevant. Sollte man Revision einlegen, kann es bis zum Bundesverfassungsgerichtgehen, was in der steuerberatenden Praxis erstaunlicherweise immer häufigervorkommt.

B. Besonderes Steuerrecht

Das besondere Steuerrecht ist im wesentlichen das Gesetz der einzelnenSteuerarten. Für jede Steuerart existiert ein eigenes Gesetz. So gibt es dasEinkommensteuergesetz, welches die Besteuerung des Einkommens natürlicherPersonen regelt. Es gibt weiter das Körperschaftsteuergesetz, welches dieBesteuerung von juristischen Personen, aber auch von nicht-rechtsfähigenInstitutionen und deren Einkommen, welches nicht bei natürlichen Personenumgerechnet wird, sowie die Besteuerung der öffentlichen Hand regelt. DerDualismus von Einkommensteuer und Körperschaftsteuer besteuert die Einkommenkomplett.Daneben gibt es Zusatzsteuergesetze, wie die Kirchensteuer, die Gewerbesteuerund den Solidaritätszuschlag.Das Bewertungsteuergesetz regelt die Behandlung und Bewertung für andereSteuergesetze wie die Vermögensteuer und das Erbschaft- undSchenkungsteuergesetz und zählt mit dem Grundsteuergesetz und eben demErbschaft- und Schenkungsteuergesetz zu den gesetzesabhängigen Steuerarten.Das Bewertungsgesetz gilt also nicht für die Einkommen- und Körperschaftsteuer.

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Steuersubventionsrecht, Bilanz- u. Unternehmensteuer- Internationalesinsb.Gemeinnützigkeits- recht (Besonderes Steuer-und europäischesu. Spendenrecht: §§ 51 schuldrecht der Unternehmen) Steuerrecht:-68 AO, Fördergesetze UmwStG AStG, DBA, ZK

Es gibt also zwei Steuerhauptgruppen, die Steuern auf das Einkommen undVermögen und demgegenüberstehend die Steuern auf die Verwendung vonEinkommen und Vermögen (Konsumsteuern). Diese Steuern werden auch alsindirekte Steuern bezeichnet. Die bedeutsamste Steuer dieser Gruppe ist dieUmsatzsteuer. Das Umsatzsteuergesetz, das eine allgemeine Verbrauchsteuerdarstellt, teilt sich auf in die speziellen Steuergesetze (Tabaksteuer, Mineralölsteueretc.) und die Verkehrsteuergesetze.

Innerhalb des besonderen Steuerrechts gibt es Sondergebiete. Dies sind dasSteuersubventions-recht, das insbesondere für den Beratungsbereichbedeutungsvolle Bilanz- und Unternehmensteuerrecht (in diesem Zusammenhangeine Empfehlung des Buches „Unternehmensbesteuerung“ von Prof. BrigitteKnobbe-Keuk) und das für die Zukunft immer wichtiger werdende internationale undeuropäische Steuerrecht. Die Zunahme des Wettbewerbs der Steuersysteme und dieAusweitung der Unternehmenstätigkeiten weltweit im Zuge der Globalisierung, sowieder freie Kapitalverkehr werfen erhebliche Probleme in der Besteuerung dieserTätigkeiten auf.

Internationales Steuerrecht hängt mit dem im Zivilrecht existierenden Begriffinternationales Privatrecht zusammen. Das internationale Privatrecht ist einKollisionsrecht. Heiratet ein türkischer Staatsangehöriger eine deutscheStaatsangehörige kann die Frage auftauchen, welches Familienrecht/Güterrecht gilt.Im Steuerrecht entsteht ebenso erhebliches Konfliktpotential. Eine deutsche Bankbeispielsweise, die in New York eine Filiale unterhält,wird zunächst einmal nach dem Welteinkommensprinzip besteuert. D. h. auch dieErträge der New Yorker Filiale unterliegen der Besteuerung. Von amerikanischerSeite können aber ebenso Besteuerungsforderungen erhoben werden, da die Filialein New York angesiedelt ist. Würde das Steuerrecht dies nicht berücksichtigen, kämees zu Doppelbesteuerungen und die Rentabilität sämtlicher Auslandsaktivitäten wärein Frage gestellt. Aus diesem Grund hat man völkerrechtliche Verträge über dieseAbgrenzungsfragen geschlossen (sog Doppelbesteuerungsabkommen). Vorlagehierfür ist das OECD-Musterabkommen, in denen die Grundregeln der Aufteilungdes Steueraufkommens festgelegt sind, so daß heute alle Verhandlungen bezüglichder Doppelbesteuerungsabkommen sich an diesem Mustervertrag orientieren. GroßeUnterschiede im Steuerrecht, die Amerikaner beispielsweise stellen bei der Erhebungder Einkommensteuer immer auf die Staatsangehörigkeit ab, während die Mehrheitder anderen Staaten an den Wohnsitz und den gewöhnlichen Aufenthaltsortanknüpfen, sind stets schwer durch Verhandlungen zu überbrücken. In unseremBeispiel der Auslandsbankfiliale (Betriebsstätte) gilt die Regel, daß dort, wo derGewinn erwirtschaftet wird, das Besteuerungsrecht besteht (sog. Quellenprinzip). InDeutschland muß dann bei der Gewinnermittlung, der Betriebsstättengewinnherausgerechnet werden.

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Die Vermeidung der Doppelbelastung durch Steuern kann durch verschiedeneMethoden sichergestellt werden. Die „faire“ Methode ist die Anrechnungsmethode,wonach in unserem Beispiel die ausländische Steuer auf die deutsche Steuerangerechnet wird. Dies wird stets praktiziert, wenn keinDoppelbesteuerungsabkommen existiert. Dieser Vorlesungspunkt soll jedoch späternoch einmal vertieft werden.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß sich steuerliche Tatbeständeüberschneiden können und das internationale Steuerrecht nun dieAbgrenzungsproblematik zur Vermeidung der Doppelbelastung aufzulösen versuchtund insoweit auch dem internationalen Privatrecht ähnelt.

Das internationale Steuerrecht umfaßt aber neben diesem Konfliktlösungsrecht ganzallgemein die Fälle, in denen Auslandssachverhalte zur Diskussion stehen. ImAußensteuergesetz beispielsweise, einem Gesetz zur Bekämpfung der Steuerflucht(entstanden aus einem Steueroasenerlaß), ist eine Wegzugsteuer geregelt, dieverhindern soll, daß Inländer durch Verlagerung ihres Wohnsitzes ins Auslandplötzlich gar keine Steuern mehr bezahlen (Eines dieser klassischenSteuerfluchtländer ist z. B. die Schweiz). Das internationale Steuerrecht ist alsoneben dem Konfliktrecht geprägt von dem Versuch aus dem Wettbewerb derSteuersysteme Nutzen zu ziehen und somit den Ort der Besteuerung nachsteuerlichen Gesichtspunkten auszuwählen. Ein anderes Beispiel, was dasAußensteuergesetz neben der Steuerflucht regelt, betrifft die Zwischenschaltungeiner Basisgesellschaft (im Volksmund auch „Briefkastenfirma“ genannt) umVerträge, welche im Grunde aus Deutschland heraus geschlossen werden, überbspw. die Schweiz laufen zu lassen, um dann Gewinne in der Schweiz zu versteuern.Hier wurde im Zuge einer Hinzurechnungslösung abhilfe verschafft, jedoch ist esschwer solche Basisgesellschaften überhaupt als solche zu erkennen, wodurch dasAußensteuergesetz wieder an seine Grenzen stößt.

Der im Zuge der Globalisierung flexibel gewordenen Vermögensumschichtung injedes Land der Welt wird mit nationalen Regelungen kaum noch Beizukommen sein.Die Ankündigung der Wiedereinführung der (noch erlaubten) Vermögensteuer durchdie neue Koalition, hat zu einem Kapitalabfluß in Deutschland in dreistelligerMilliardenhöhe geführt, wobei das jährliche

Steueraufkommen der Vermögensteuer nur ca. zwei Milliarden DM umfaßt. Einebessere Berücksichtigung der globalen Komponenten und ihrer Auswirkungenen aufdie Volkswirtschaft durch die Steuerpolitik wäre daher wünschenswert.

Aber auch die erstrebte „Austrocknung“ der Steueroasen ist ein wichtiger Beitrag zurBekämpfung der Steuerflucht und sollte aus diesem Grund trotz vereinzelterWiderstände (bspw. Luxemburg) bald wesentlich vorangetrieben werden.Einhergehend mit einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des deutschenSteuerrechts (Steuerbelastung der Unternehmen auf 35 % senken) wäre hierdurchdie Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland wesentlich vorangetrieben.

Europäisches Steuerrecht ist ein Recht, welches zunächst einmal internationalesSteuerrecht ist. Der Ursprung dieses Steuerrechts, der EG-Vertrag, ist nämlich einvölkerrechtlicher Vertrag. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom

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supranationalem Steuerrecht. Durch einen solchen Vertrag wird nun ein Rechtbegründet, welches durch Transformation in innerstaatliches Recht Teil derinnerstaatlichen Rechtsordnung wird. Dies führt dazu, daß im Zeitverlauf immer mehrSteuerkompetenz/Steuerhoheiten an eine supranationale Organisation abgetretenwerden. Auf dem Weg zu den „Vereinigten Staaten von Europa“ ist dabei der BereichSteuern Vorreiter (Stichwort Zollunion). Das Zollrecht ist bereits europäischesSteuerrecht.Das europäische Steuerrecht wird von zwei Normen wesentlich geprägt.

Die erste betrifft die Diskriminierungsverbote. Mit den Vereinbarungen des freienWaren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs gehen dieseDiskriminierungsverbote einher. In den Fällen, wo nationales Steuerrecht nicht mitdiesen Grundfreiheiten/Diskriminierungs-verboten einhergeht, kann der europäischeGerichtshof (EuGH) angerufen werden und kann dann verbindlich für die nationaleRechtsordnung entscheiden, daß das nationale Steuerrecht mit diesenGrundfreiheiten unvereinbar ist und es muß zur Anpassung/Änderung des nationalenSteuerrechts kommen.

Der zweite Bereich betrifft die Harmonisierungsvorschriften. So existiert in Europaein weitgehend harmonisiertes europäisches Umsatzsteuerrecht. Allerdings sind dieSteuersätze noch nicht harmonisiert. Grob läßt sich feststellen, daß im Bereich derindirekten Steuern eine sehr weit fortgeschrittene Harmonisierung existiert, imBereich der direkten Steuern ist die Harmonisierung eher rudimentär (lediglichKonzernrichtlinien/Mutter-Tochterrichtlinien).Die Verzerrungen im europäischen Binnenmarkt sind vor allem durch eine fehlendeHarmonisierung der Unternehmensbesteuerung in Europa bedingt, derenHarmonisierung dringend erforderlich ist.

Der Unterschied zwischen europäischem und internationalem Steuerrecht liegt alsodarin begründet, daß das europäische Steuerrecht supranationales Steuerrecht istund somit inhaltlich die nationale Rechtsordnung gestaltet wird.

Und im Blick auf die Beratungssituation in Deutschland ist festzustellen, daß man alsSteuerberater ohne Kenntnisse des Europarechts schon bald auf verlorenem Postenstehen wird.

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Erster Teil: Grundlagen der Steuerrechtsordnung

§ 3 Finanzverfassungsrechtliche Grundlagen der Steuerrechtsordnung

Die für die Steuern maßgeblichen Vorschriften des GG sind im Abschnitt X in denArtikeln 105 ff. normiert. Der im § 104a (Ausgabenzuständigkeit, Finanzhilfen,Haftung) geregelte Teil des Abschnitts X über das Finanzwesen, gehört allerdingsnicht zum Steuerwesen.

A. Steuerbegriff (Abgrenzung von anderen Abgaben)

1. Überblick

In der Abgabenordnung, dem „Mantelgesetz“ des Steuerrechts, im § 3, an ersterStelle des Abschnitts über die steuerlichen Begriffsbestimmungen (Zweiter Abschnittdes ersten Teils), ist der Steuerbegriff geregelt. Dort heißt es:

„Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondereLeistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielungvon Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den dasGesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzwecksein“.

Dies ist also der Steuerbegriff, der im Steuerrecht zur Abgrenzung von Abgabendient. Demnach ist die Steuer, im Unterschied zu allen nicht-öffentlichen und privatenAbgaben, eine öffentliche Abgabe, die von einer steuerberechtigten, öffentlich-rechtlichen Körperschaft erhoben wird (Bund, Länder, Gemeinden, aber auch dieEuropäische Gemeinschaft sind somit Steuergläubiger). Dieses System deröffentlichen Abgaben ist finanzverfassungsrechtlich sub-stantiiert. Inwieweit dieserSteuerbegriff verfassungsrechtlich festgeschrieben wird, geht aus den obenangesprochenen Artikeln 105 ff., also aus der Steuerkompetenzverteilung der Länderhervor.

Grundsätzlich regelt also die Finanzverfassung die Erhebungskompetenzen vonSteuern.Die anderen öffentlich-rechtlichen Abgaben sind erfaßt in den allgemeinenGesetzgebungs-kompetenzen.

Wenn also über die speziellen steuerlichen Kompetenzen entschieden werden muß,muß das Bundesverfassungsgericht mitentscheiden, was eine Steuer im Sinne derVerfassung ist.

Es gilt nun hier die sogenannte Rezeptionstheorie. Der Steuerbegriff ist demnach imRahmen der Kompetenzordnung aus der alten Reichsabgabenordnung durch denVerfassungsgeber, der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,in die Finanzverfassung übernommen worden.

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Nicht zu den Steuern zählen Abgaben, denen eine direkte Gegenleistung gegenübersteht. Dies sind Gebühren und Beiträge, Entgelte für öffentlich-rechtlicheLeistungen, welche unter dem Begriff Vorzugslasten zusammengefaßt werden.

Zusammen mit den Steuern, die in erster Linie der Deckung des allgemeinenFinanzbedarfs dienen und somit keine direkte Gegenleistung beinhalten, bilden dieVorzugslasten das klassische Steuersystem.

Neben dem klassischen Steuersystems hat jetzt der Gesetzgeber eine weitereKategorie von Abgaben gebildet. Dies sind die sogenannten Sonderabgaben. Diesesind zweckgebunden.D.h. sie werden nicht nur für einen bestimmten Zweck erhoben, sondern müssenauch gänzlich für diesen Zweck ausgegeben werden. Ein Beispiel hierfür wäre diegeplante Ökosteuer, die zur Absenkung der Lohnnebenkosten dienen soll, was aberverfassungsrechtlich eigentlich gar nicht möglich ist, da Steuern immer „nicht-zweckgebunden“ (ohne Gegenleistung) sind.

Ein weiteres Beispiel zum besseren Verständnis der Abgrenzung sindEintrittsgebühren eines Schwimmbads, welche nicht etwa zum Betrieb desSchwimmbads direkt verwendet werden, sondern zunächst der Gebietskörperschaftzufließen, um dann bei der Verwirklichung eines Haushaltsplans zur Verfügung zustehen. Dies führt leider dazu, daß solche Einrichtungen nicht als Wirtschaftsbetriebgesehen werden und auch nicht unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunktenorganisiert sind, was letztendlich auch die überhöhten Kosten solcher Einrichtungenmitverursacht.

Würde man nun die Einnahmen aus „Ökoabgaben“ einem Sonderfonds für dieEntlastung der Sozialsysteme zuführen, wäre man der Steuerbegriffsproblematik undder im Haushaltsplan manifestierten Rangfolge der Mittelverwendung ausgewichenund man hätte im Ergebnis eine Sonderabgabe geschaffen.

Der Bildung von Sonderabgaben steht allerdings das Bundesverfassungsgerichtablehnend gegenüber. Es hat darum die Zulässigkeit der Schaffung solcherSonderabgaben eingeschränkt.

Drei Argumente lassen sich dabei gegen Sonderabgaben ins Feld führen:

1. Es wird durch die Einrichtung von Sonderabgaben das Haushaltsrecht des Parlaments unterlaufen. (Keine parlamentarische Kontrolle)

2. Der unkontrollierte Anstieg der Staatsquote muß befürchtet werden, da nunjede Gebietskörperschaft Sonderabgaben verlangen könnte. Undurchsichtigwird zudem, wieviel der Staat denn überhaupt einnimmt. (Gefährdung derFormenstrenge der Finanzverfassung)

3. Durch die fehlende parlamentarische Kontrolle bedingt, wird ein Abgabentopf gebildet und einem Träger überantwortet, der bürokratischen Strukturenobliegt und sich und seinen Aufgabenbereich erfahrungsgemäß automatischausdehnt. (Abgabenverschwendung)

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Im Bereich der Ökosteuer sind es übrigens gerade diese Überlegungen, die ausökonomischer Sicht für eine Steuer und eben nicht für eine Umweltsonderabgabesprechen.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß es zwei Hauptkategorien der öffentlichenAbgaben, die Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs und der verfassungsrechtlichbedenklichen Deckung von Sonderbedarf, gibt, wobei der staatliche Bedarfüblicherweise aus Steuern und Vorzugslasten gedeckt wird.

Ein anderer Problembereich des Steuerbegriffs wird durch den Halbsatz „dieErzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein“ des § 3 AO verursacht, der diesog. Lenkungsteuer begründet.Schon in den 60iger Jahren tauchte im einschlägigen Schrifttum die Frage auf, obeine Lenkungsteuer überhaupt verfassungsrechtlich zulässig ist. Es kann nämlichpassieren, daß bei konsequentem Greifen einer Steuer das Steueraufkommengeradezu null beträgt (Beispiel Verpackungsteuer). Dies wird dannErdrosselungsteuer genannt, wobei hier nicht nur das „Nullaufkommen“, sondernauch Artikel 12 und 14 GG zum Tragen kommen. Primär bleibt aber das Ziel einerjeden Steuer (Abgaben ohne Gegenleistung) die Einnahmenerzielung zur Deckungdes Finanzbedarfs. Allerdings darf mit Steuern auch ein Lenkungszweck verbundenwerden, der diese Steuer dominiert, so daß die Einnahmenerzielung in denHintergrund treten kann.Aber keinesfalls, so ist die Sichtweise des Bundesverfassungsgerichts, darf dieEinnahmenerzielung gänzlich wegfallen.

2. Kriterien des Steuerbegriffs

Zur Erinnerung noch einmal der Wortlaut des § 3 AO:

„Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondereLeistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielungvon Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den dasGesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzwecksein“.

- „Geldleistung“

§ 3 AO bezeichnet Steuern als Geldleistung und ist das erste Kriterium desSteuerbegriffs.Dies birgt dann ein großes Problem in sich, wenn zur Bezahlung der Steuern dienötige Liquidität fehlt und dann durch evtl. Verkauf Zerschlagungswerte erzieltwerden müssen, die im Veräußerungspreis, der in so einer Situation erzielbar ist,weit unter dem eigentlichen Wert der Vermögensgegenstände liegen (bekannteBeispiele: Thurn und Taxis, Paloma Picasso (ererbte Bilder) oder ganz allgemeinUnternehmensvererbung).

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- „nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen“

Die nicht bestehende Gegenleistung (im Gegensatz zu den Vorzugsleistungen) istdas zweite Kriterium des Steuerbegriffs. Dazu ist näher auszuführen, daß die zweigrundlegenden Theorien des Steuerrechts das Äquivalenzprinzip, Besteuerungnach dem gleichwertigen Ersatz, und das Leistungsfähigkeitsprinzip, Besteuerungnach der Leistungsfähigkeit, sind. Beispielsweise wurde in der Vergangenheit dieErhebung der Gewerbekapitalsteuer (inzw. abgeschafft) mit der Nutzung derInfrastruktur der Gemeinde (dem Äquivalent) begründet. Jedoch ist ein solchesÄquivalenzprinzip nur im Bereich der Vorzugslasten sauber durchzuführen und kanndaher als nicht zum Steuerbegriff zugehörig angesehen werden. Für Abgaben, dieohne Gegenleistung erhoben werden, ist daher das Leistungsfähigkeitsprinzip für dieBesteuerung entscheidend.Steuern sind also nicht auf eine individuelle Äquivalenz ausgelegt.

- „von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen...auferlegt“

Öffentlich-rechtliche Gemeinwesen ist der Sammelbegriff für alle steuerberechtigtenjuristischen Personen öffentlichen Rechts. Dies sind Bund, Länder und Gemeinden,aber auch Kirchen und unter Umständen Anstalten (Rundfunkanstalten), insofern siedenn keine Gebühren erheben.

- „zur Erzielung von Einnahmen“

Wie bereits oben angesprochen muß die Steuererhebung (zumindest auch) zurEinnahmenerzielung dienen und endgültigen Charakter besitzen, nicht also zurRückzahlung vorgesehen sein.

- „allen auferlegt, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz dieLeistungspflicht knüpft“

Hier werden die Gleichmäßigkeit (Art 3 GG) und die Gesetzmäßigkeit (Artikel 20Abs. 3 GG) der Besteuerung angesprochen. Dieses Kriterium des Steuerbegriffs gehtauf Otto Meyer zurück, der in seinem Lehrbuch des Verwaltungsrechts (Ende des 19.Jahrhunderts) einen auf Gleichheit und Gesetzmäßigkeit abzielenden Steuerbegriffformuliert hat, der später von Enno Becker in die Reichsabgabenordnung (1919)übernommen wurde. Heute wird hierbei von der materiellen Qualität desSteuerbegriffs gesprochen.Diese materielle Qualität könnte allerdings auch woanders hingehören als zu denKriterien des Steuerbegriffs, denn wenn beispielsweise eine Steuer denGleichheitssatz verletzen würde, dann hat man eine verfassungswidrige Steuer.Dieser letzte Abschnitt des § 3 AO kann zusammenfassend bemerkt, als Programm,daß die Rechtsstaatlichkeit der Steuer verdeutlichen soll deklariert werden.

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Fälle zum Bereich der Sonderabgaben:

Prüfungsschema:

• homogene Gruppe der Abgabenpflichtigen• Gesellschaftliche Gruppenverantwortung• Gesellschaftliche Gruppennützigkeit

müssen, teilschöpferisch vom Bundesverfassungsgericht entwickelt,vorliegen, um berechtigterweise eine Sonderabgabe einzuführen

Fall 1:

(Beschäftigungsabgabe)

Die X-Partei will eine Abgabe für Besserverdienende einführen und damitBeschäftigungsprogramme finanzieren. Die Höhe der Abgabe ist 3 % des Betragesder die Einkommensteuerschuld von 50 000 DM überschreitet.

Ergebnis:Die Gruppe der Besserverdienenden kann durchaus nicht von vornherein alshomogen bezeichnet werden, noch weniger kann ihr wohl die Verantwortung für dieArbeitslosigkeit zugeordnet werden. Die Gruppe der Arbeitgeber wäre da schonerheblich homogener und als verantwortlich (der Arbeitslosigkeit gegenüber) zuqualifizieren.Diese Ergänzungsabgabe wäre also nur als Steuer zulässig.

Fall 2:

(Schwerbehindertenabgabe)

Alle Unternehmen, die nicht einen gewissen Prozentsatz ihrer ArbeitsplätzeSchwerbehinderten zur Verfügung stellen, müssen eine Schwerbehindertenabgabeentrichten. Mit den Einnahmen aus dieser Abgabe sollen behindertengerechteArbeitsplätze gefördert werden.

Ergebnis:Die Unternehmer/Arbeitgeber bilden an sich schon eine homogene Gruppe. Sietragen auch eine Gruppenverantwortung, da sie über die Einstellung vonSchwerbehinderten zu entscheiden haben. Gruppennützigkeit kann auch bejahtwerden, da die behindertengerechten Arbeitsplätze finanziell gefördert werden unddie Arbeitgeber somit auch technisch besser ausgestattete Arbeitsstätten erhalten.

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Fall 3:

(Wasserpfennig)

Für die Entnahme von Grundwasser wird eine Abgabe erhoben, um auf densparsamen Umgang mit Grundwasser einzuwirken. Die dem Staat zufließendenMittel gelangen zunächst in den Landeshaushalt, sollen später aber für denGewässerschutz verwendet werden.

Ergebnis:Zuerst ist hier zu klären, ob es sich hier um eine Steuer, Leistung ohneGegenleistung, handelt oder nicht. Das Bundesverfassungsgericht ist hier derAnsicht, daß das Wasser ein Allgemein-gut darstellt, welches nicht dem Eigentümereines Grundstücks zugeordnet werden kann. Ferner muß heutzutage Wasser ausumweltbedingten Gründen durch den Staat reguliert werden. Erteilt der Staat danndie Erlaubnis Wasser zu entnehmen, so handelt es sich dabei um eine staatlicheGegenleistung. Wie eine Baugenehmigung oder eine Sondernutzungsgebühr wirddemnach der Wasserpfennig verstanden.

Der Wasserpfennig wird also hier als Gebühr qualifiziert.

Ursprung diesen Urteils war eine Klage von BASF gegen das Land Baden-Württemberg.Die Gegenmeinung ging davon aus, daß man mit dem Wasser ein Gut (wie bspw.Luft) entnimmt, welches der freien Natur entspringt und nicht staatlicher Verwaltungunterliegt.

Das Problem was sich hierbei stellt ist, daß diese Entscheidung ausstrahlen kann aufdas Feld der Gebühren, und somit Sonderabgaben, deren Erhebung gerade durchdas Bundesverfassungsgericht erschwert werden sollte, einfach durch Gebührenersetzt werden könnten.

Fall 4:

(Kohlepfennig)

Die Wirtschaft wird verpflichtet einen sog. Kohlepfennig zu entrichten zur Förderungdes Steinkohlebergbaus, also der Verstromung von Kohle.

Ergebnis:Im Bundeverfassungsgerichtsurteil heißt es: „Der Kohlepfennig ist nicht alsSonderabgabe zu werten, da er eine Allgemeinheit von Stromverbrauchern belastet,die als solche keine besondere Finanzierungsverantwortlichkeit für die Aufgabe trifft,den Steinkohleneinsatz bei der Stromerzeugung zu sichern.“.Die Allgemeinheit der Stromverbraucher (die Menschheit) bildet schon keinehomogene Gruppe. Es fehlt aber auch an einer Gruppenverantwortung, den dieSicherung des Steinkohlebergbaus hat zuerst einmal nichts mit Stromerzeugung zu

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tun, sondern ausschließlich mit einer staatlichen Subventionspolitik. Das Kriteriumder Gruppennützigkeit ist ebenfalls nicht gegeben, es handelt sich sogar eher umeine „Gruppenschädlichkeit“ des Steinkohlebergbaus.

Fall 5:

Es besteht die allgemeine Pflicht des Feuerwehrdienstes für Männer. Wer nichtdiesen Dienst versieht, muß eine Abgabe abführen.

Ergebnis:Die Kernfrage betrifft natürlich das Gleichheitsproblem.Im Bundesverfassungsgerichtsurteil heißt es hierzu. „Die Beschränkung einerFeuerwehrdienstpflicht und einer hieran anknüpfenden Abgabepflicht auf Männerverstößt gegen das Diskriminierungsverbot des Artikel 3 Abs. 3 GG.“Auf die Überprüfung der Sonderabgabenkriterien wird verzichtet, jedoch für dasSelbststudium dieser Fall als Übung empfohlen.

Die durch das Bundesverfassungsgericht (und der ihr entstammendenRechtsprechung zu den Sonderabgaben) beabsichtigte Transparenz und Kontrolleder Abgabenordnung zwingt den Staat zu sparen. So setzt man sich in der Politikeher für Abgabensenkungen, also entgegen einen ausufernden Staat, ein, als dafür,was in einem unüberschaubaren Abgabensystem nicht der Fall wäre.In allen Ländern, so ist abschließend zu bemerken, ist das Abgabensystem nichtzuletzt wegen dieser enormen haushaltspolitischen Bedeutung äußerst kompliziertund umstritten.

Bevor die nächsten Gliederungspunkte B, C und D näher behandelt werden eineübergreifende Betrachtung der Steuerhoheiten allgemein.

Die Steuerhoheiten in der Bundesrepublik sind föderal strukturiert, nicht zuletztdeshalb, weil zentralstaatliche Formen für Diktaturen förderlich sind, wie dieGeschichte auch am Beispiel der Errichtung des nationalsozialistischenMachtapparats im „Dritten Reich“ zeigt.Man kann zwischen Steuergesetzgebungshoheit, Steuerertragshoheit undSteuerverwaltungshoheit unterscheiden. Die Steuergesetzgebungskompetenz obliegtdabei den Bundesbehörden, wohingegen die Steuerverwaltungshoheit eher aufEbene der Landesbehörden anzusiedeln ist.

Graphisch:

Steuerhoheiten

Steuergesetzgebungshoheit SteuerertragshoheitSteuerverwaltungshoheit

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Wer macht Steuergesetze? Wer erhält Steuern? Wer verwaltet Steuern?

Die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse zu wahren ist elementarerGrundbestandteil einer gerechten Gesellschaftsordnung. Würde man beispielsweisedie Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuertarife jedes Bundesland selbstbestimmen lassen, so könnte es durchaus sein, daß sich in Bayern vermehrtUnternehmen ansiedeln, während in Niedersachsen Unternehmen abwandern, mitallen sozialen Folgen für die dort ansässige Bevölkerung. Noch deutlicher wird dies,wenn man sich das Beispiel Brasilien und dort besonders Sao Paolo und daswestliche Amazonasgebiet ansieht. Während in Sao Paolo sämtliche deutscheFirmen vertreten sind, herrscht im Amazonasgebiet ohnehin schon bitterste Armut.Eine Freigabe der Einkommen und Körperschaftsteuertarife an die Provinzen würdedurch eine für Sao Paolo günstig betriebene Tarifsenkungspolitik weitereUnternehmensansiedlungen bedeuten, für das Amazonasgebiet jedoch einenochmalige Verschlimmerung der Situation bis hin zur Entvölkerung und politischenDestabilisierung.

Dieser Wettbewerb der Systeme ist zwar weltweit unvermeidlich, sollte aber aussozialpolitischen Erwägungen heraus nicht auf Föderationsgebiete übertragenwerden.Aus diesem Grunde bedingt die Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisseim Schwerpunkt die Bundesteuergesetzgebung.

Neben dieser Betrachtung der Steuergesetzgebungshoheit ist zu derSteuerverwaltungshoheit zu sagen, daß sie eher in den Bereich der Landesbehördeneinzuordenen ist, wohingegen das Steueraufkommen sich auf Bund, Länder undGemeinden verteilt.Dieser Bereich der Steuerertragshoheit ist sicherlich reformbedürftig. So scheitertedie „große Steuerreform“ nicht nur durch parteipolitisches Taktieren, sondern auch ander Streitfrage der Verteilung der Gemeinschaftsteuern.Nach diesem kurzen Überblick nun zu den einzelnen Steuerhoheiten.

B. Steuergesetzgebungshoheit

Die Steuergesetzgebungshoheit ist in Artikel 105 GG normiert. Dort heißt es (Abs. 1):„Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölle und dieFinanzmonopole“. Bezüglich der Zölle hat der Bund seine Kompetenz an dieEuropäische Union abgetreten, so daß Abs. 1 quasi keine Bedeutung mehr hat.Die wirklich wichtige Bestimmung findet sich in Absatz 2. Dort heißt es: „ Der Bundhat die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm dasAufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Vorraussetzungendes Artikels 72 Abs. 2 vorliegen.“Durch diesen Satz sind bestimmte Voraussetzungen zu überprüfen. Die ersteÜberprüfung bezieht sich auf die Frage, ob es sich bei einer Steuer um eineGemeinschaftsteuer handelt. Dies betrifft dann gleich schon Artikel 106 GG, derangibt das Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Einkommensteuer ( nahe 90 %Steueraufkommen) Gemeinschaftssteuern sind und diese von vorneherein derkonkurrierenden Gesetzgebung unterliegen.In Artikel 72 GG steht der Begriff „konkurrierende Gesetzgebung“ näher erläutert.

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Dort heißt es:“ Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder dieBefugnis zur Gesetzgebung, solange der Bund von seinerGesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat.“Konkurrierende Gesetzgebung bedeutet also, daß der Bund immer dieGesetzgebung an sich ziehen kann. Dementsprechend ist das Steuerrecht zu ca. 90% Bundesrecht.Ein Problem beinhalten noch die in Artikel 105 Abs. 2 alternativen Formulierungen„...ganz oder zum Teil zusteht...“ und „...oder die Vorraussetzungen des Artikels 72Abs. 2 vorliegen.“. Artikel 72 Abs. 2 ist allerdings in der Vergangenheit im nachhineindahingehend geändert worden, das in ihn das Erforderlichkeitsprinzip eingebundenwurde. Dort heißt es jetzt (Art 72 Abs. 2 GG): „Der Bund hat in diesem Bereich dasGesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertigerLebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oderWirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelungerforderlich macht.“Im Bereich der Gewerbesteuer wäre es interessant, ob tatsächlich dieseVorraussetzung eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht, zumal durchunterschiedliche Hebesätze unterschiedliche Gewerbesteuern existieren.Eine Ansicht geht davon aus, daß die Herstellung der gleichwertigenLebensverhältnisse diese bundesgesetzliche Regelung gebieten könnte.Gegenstimmen (Eekhoff) sehen ein solches Bedürfnis nicht und fordern einenstärkeren Wettbewerb der Systeme, wenngleich dies dazu führen könnte, daß armeGebietskörperschaften den Anschluß (siehe oben Bsp. Brasilien) völlig verlieren.

Neben dieser konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder eineGesetzgebungskompetenz über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern (Art.105 Abs. 2A GG). Diese örtlichen Verbrauch- und Aufwandssteuern sind geregelt inkommunalen Abgabengesetzen, in denen die Gesetzgebung meist von den Ländernan die Gemeinden delegiert sind.

Dies gilt insbesondere für die berühmte Verpackungsteuer, die in einer kommunalenSteuersatzung geregelt ist. Die im zweiten Halbsatz erwähnte „Gleichartigkeit“ (“...,solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind.“)wurde in der Literatur vielmals diskutiert. Kern der Problematik ist die Gleichartigkeitder Steuertatbestände. Es wird davon ausgegangen (Beispiel Verpackungsteuer),daß bereits die Örtlichkeit der Steuertatbestände/die Gebundenheit einerKonsumsteuer nicht gleichartig ist mit derUmsatzsteuer, der allgemeinen Verbrauchsteuer. Die Umsatzsteuer ist also eineallgemeine Verbrauchsteuer, die alle Leistungen eines Landes belastet und sichinsofern durch ihren allgemeinen Charakter von den örtlichen Verbrauch- undAufwandsteuern unterscheidet.

Um Infrastrukturkosten in Zweitwohnungsgebieten mit erheblichem Leerstand zudecken wurde die sogenannte Zweitwohnungsteuer eingeführt. Hier wurde dieGleichartigkeit dieser Steuer mit der Grundsteuer verneint und dieZweitwohnungsteuer als Aufwandsteuer, ähnlich der Kfz-Steuer, qualifiziert.

In diesem Zusammenhang ist noch als Beispiel die Spielautomatensteuer zuerwähnen. Vom Grundsatz her ist die Spielautomatensteuer als eine kommunaleAufwandsteuer zu erfassen. Allerdings ergab sich hier das Problem derErdrosselung, da insb. bei sog, „Killerautomaten“, bei denen durch die

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Bemessungsgrundlage fast jeglicher Gewinn abgeschöpft wird, sich eine Aufstellungaller Vernunft nach gar nicht mehr lohnt.

Diskutiert wurde hierbei, ob eine reine Lenkungsteuer überhaupt in den Bereich des§ 105 Abs. 2a fallen kann, was aber bei minimalen Einnahmenerzielungseffekt alsfinanzverfassungrechtlich zulässig bejaht werden kann.

Abschließend ist zu bemerken, daß es sich bei örtlichen Verbrauch- undAufwandsteuern um eine abgeleitete Gesetzgebungshoheit der Länder handelt undin speziellen Landesgesetzgebungen nachzulesen ist.

In Artikel 106 Abs. 6 GG ist zudem normiert (“den Gemeinden ist das Rechteinzuräumen die Nebensätze der Realsteuern (Grundsteuer und Gewerbesteuer) imRahmen der Gesetze festzusetzen“), daß den Gemeinden die Festlegung vonSteuersätzen, was in den Gesetzgebungshoheitsbereich fällt, erlaubt ist. Sytematischmüßte dies eigentlich im Artikel 105 GG stehen, ist aber neben der abgeleitetenSteuergesetzgebungshoheit die zweite Steuergesetzgebungshoheitskomponente(Hebesatzrecht) der Gemeinden.Diskutiert wurde, ob durch eine evt. Abschaffung der Gewerbesteuer insgesamt dasHebesatzrecht, ein Verfassungsrecht der Gemeinden, verletzt würde.

Die Kirchen haben auch eine Gesetzgebungshoheit, geregelt in der WeimarerVerfassung, welche in Artikel 140 GG verankert ist. Dort heißt es (Art. 137 Abs. 6Weimarer Verfassung): „Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften desöffentlichen Rechts sind, sind berechtigt auf Grund der bürgerlichen Steuerlistennach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.“ DieseBestimmung erstreckt sich sowohl auf die Verwaltung (Erhebung der Steuer), alsauch auf die Gesetzgebungskompetenz. Der Steuersatz beträgt 9 % von derEinkommensteuerschuld. Die Kirchen räumen allerdings bei „Großverdienern“, dieevtl. erwägen aus der Kirche auszutreten, ein, diesen Satz abzusenken.Das muslimischen Religionsgemeinschaften dies nicht betrifft, kann als imWiderspruch zur Religionsfreiheit stehend gesehen werden.Eine Abschaffung der Kirchensteuer allgemein ist gleichsam zu erwägen, denn dieSelbstfinanzierung der Kirchen gelingt bspw. auch in der USA.

C. Steuerertragshoheit

Die Steuerertragshoheit regelt die Steuergläubigerschaft (Artikel 106 GG).Normalerweise wird weltweit die Steuergläubigerschaft in der Steuergesetzgebunggeregelt, in Deutschland jedoch steht sie in der Verfassung. Das wirft das Problemauf, daß eine Steuer, die nicht in der Verfassung geregelt ist, auch nicht neu gebildetwerden kann. Eine Neueinführung einer Steuer (Beispiel Energiesteuer) könntedemnach nur eingeführt werden, wenn gleichzeitig der Artikel 106 GG neugefaßtwürde. Hier existiert also eine weitere Verknüpfung der Ertragshoheit mit derGesetzgebungshoheit im Steuerrecht.Im Beispiel der Energiesteuer wird diese jetzt als Verbrauchsteuer im Sinne desArtikels 106 Abs. 2 angesehen, also wie eine erweiterte Mineralölsteuer.Problematisch hierbei ist, daß eine Verbrauchsteuer im Sinne der Rechtsprechungauf den Privatbereich beschränkt abgegrenzt wird, was bei einer Ausweitung der

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Energiesteuer auch auf Unternehmen nicht mehr gewährleistet wäre.

Die einzelne Aufteilung der Steuern ist dem Artikel 106 GG geregelt. Zur näherenBetrachtung der Gemeinschaftsteuern (Art. 106 Abs. 3 GG) folgendes Schaubild:

Gemeinschaftsteuern

Bund Länder GemeindenEinkommensteuer- Lohnsteuer/veranl.ESt 42,5% 42,5% 15%- Zinsabschlagsteuer 44% 44% 12 %

Körperschaftsteuer 50% 50%

Umsatzsteuer 49,389% 48,411% 2,2%(ab 1998)

Neu hieran ist die Beteiligung der Gemeinden an der Umsatzsteuer. Mit dieserBeteiligung ist den Gemeinden eine Einnahmenquelle erschlossen worden, welchesehr viel zuverlässiger ist als die einer kontraproduktiven Gewerbekapitalsteuer.

D. Steuerverwaltungshoheit

Zunächst ist zu bemerken, daß die Bundesverwaltung für alle Steuern eineKompetenz besitzt, die grenzrelevant sind. Dies sind in erster Linie die Zölle, aberdann auch die bundesgesetzlich geregelten Verbrauchsteuern (BeispielTabaksteuer). So wird ein Gut durch spezielle Verbrauchsteuern, nachdem in demMoment des Exports eine Entlastung eintritt, bei Import (dies liegt nicht zuletzt an derziemlich unelastischen Preiselastizität der Tabaknachfrage) mit Zöllen, vor allem abermit Einfuhrumsatzsteuer belastet.Diese Kompetenz liegt nicht (wie man vermuten könnte) darin begründet, daß durchdie bundesgesetzliche Regelung zugleich die Verbrauchsteuern in die Ertragshoheitdes Bundes fallen.

In Artikel 108 Abs. 2 GG heißt es: „Die übrigen Steuern werden durchLandesfinanzbehörden verwaltet.“. Für Erbschaft- und Kraftfahrzeugsteuern (usw.)sind also die Landesbehörden zu-ständig.

Im Artikel 108 Abs. 3 GG heißt es dann weiter: „Verwalten die LandesbehördenSteuern, die ganz oder zum Teil dem Bund zufließen, so werden sie im Auftrage desBundes tätig. Artikel 85 Abs. 3 und 4 gilt mit der Maßgabe, daß an die Stelle derBundesregierung der Bundesminister der Finanzen tritt.“. Hiermit sind dieGemeinschaftssteuern gemeint.

Der Artikel 85 Abs. 4 führt dann näher aus: „Die Bundesaufsicht erstreckt sich aufGesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Ausführung.“. Grundsätzlich ist es also so,daß der Bund zwar die Verwaltungshoheit besitzt, dies aber nicht praktiziert wird.Praktisch sieht es dann so aus, daß dem BMF zu klärende Fragen gemeldet werden,

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wozu Stellungnahmen der Länder ergehen, welche dann geprüft und evtl. durchEinholen von Gutachten oder Befragung von Verbänden durchleuchtet werden, bises schließlich zu einer Referatsleitersitzung aller Länderkollegen kommt (Bspw.Körperschaftsteuerreferatsleitersitzung), die im steten Wechsel in den einzelnenBundesländern, z. B. in Bayern Bayreuth) oder im Bundesministerium der Finanzenin Bonn stattfindet. Zu den Themen „Arbeitszimmer“, „wiederkehrende Bezüge“, oder„vorweggenommene Erbfolge“ werden dann solche Sitzungen abgehalten, dieschließlich in einem Erlaß, einem BMF-Schreiben münden.

Übergreifende Steuerfälle und internationale Steuerfälle bearbeitet das Bundesamtfür Finanzen. Darunter fallen die Betriebsprüfung der Deutschen Bank, oder einigerMineralölkonzerne, oder auch die Verständigungsverfahren im Falle unterschiedlicheVerrechnungspreise (Beispiel der italienischen Zündkerze).

Im Verhältnis der Finanzämter zu den kommunalen Steuerämtern ist noch zubemerken, daß lokale Steuern zweckmäßiger Weise von den Gemeinden selbstverwaltet werden. Bei der Gewerbesteuer und der Grundsteuer ist dies aufgrund derzur Erhebung benötigten Bemessungsgrundlage(Grundlagenbescheid/“Gewerbesteuermeßbescheid“) etwas komplizierter. Hier sindfür die Grundlagen der Realsteuern die Länder zuständig und nur für die

Anrechnung des Hebesatzes und für den Gewerbesteuer- und Grundsteuerbetragselbst ist die Gemeinde zuständig. Für einen evtl. „Billigkeitserlaß“ muß man sichalso an die Gemeinde wenden.

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Mitschrift Vorlesung Grundkurs Steuerrecht, Prof. Dr. jur. Joachim Lang,Universität zu Köln

Erster Teil: Grundlagen der Steuerrechtsordnung

§ 4 Rechtsstaatliche Ordnung des Steuerrechts

A. System des Steuerrechts

Der klassische Zweck der Steuererhebung ist es, den Finanzbedarf zu decken,wenngleich stets die Neigung existiert, mit Steuern zu lenken. So hat sich an dieserStelle eine Normenlehre entwickelt, welche versucht, die verschiedenen Zwecke derNormen zu differenzieren. Dies betrifft beispielsweise die Steuervergünstigungen,deren Abbau zweifelsohne, unter Vernachlässigung von Sozialzwecknormen, zumursprünglichen Zweck der Besteuerung zurückführt.Zudem schafft dies mehr Transparenz.Übrigens gestaltet sich die Abgrenzung von Steuervergünstigungen schwierig. So istdas Ehegattensplitting, wie bereits schon angesprochen, gar keine Sozialzwecknormsondern eine Fiskalzwecknorm, wird aber von der Politik als Steuervergünstigung,also Sozialzecknorm, behandelt.Durch diese Ungenauigkeiten der politisch Verantwortlichen mitverursacht, wird dasSteuersystem immer wieder durchbrochen und ideologisch unterwandert, was zumbereits erwähnten Steuerchaos führt.Wünschenswert wäre daher ein System/eine Ordnung, die konstante, überJahrzehnte andauernde Rahmenbedingungen schafft, auf allgemeinen Prinzipienberuht, und somit eine vor allem ökonomisch wünschenswerte Planungssicherheitgewährleistet (“abschreckendes“ Beispiel Rußland).

Auf dem Weg dorthin kann zwischen innerem und äußerem System unterschiedenwerden.Im Rahmen eines äußeren Systems müßte hierfür eine Art Steuergesetzbuchexistieren, mit dem eine systematische Methode der Gesetzesauslegung erfolgenkann. Dies allein reicht aber noch nicht aus um Planungssicherheit und ein stabilesSteuerrecht zu konkretisieren, es muß auch die innere Bereitschaft der Politik unddes Gesetzgebers existieren, ein inneres Steuersystem zu akzeptieren. Ein solchesinneres System ist eine Rechtsordnung, die sich an Prinzipien orientiert (vergleichbarmit der Vertragsfreiheit des Zivilrechts).Ein international anerkanntes Prinzip (Generalprinzip) ist hierbei die Besteuerungnach der Leistungsfähigkeit (Zur Erinnerung: Das Äquivalenzprinzip scheidet durchseine Nichtanwendbarkeit im Bereich des Steuerbegriffs (Steuern sind nichtGegenleistung für eine bestimmte Leistung) von vornherein als allgemeingültigesPrinzip aus).Es werden drei Normengruppen unterschieden, siehe Schaubild:

Es gibt also den Fiskalzweck, der der Deckung des Finanzbedarfs dient und dieSteuer dadurch charakterisiert. Grundlegendes Rechtsprinzip ist hierbei dieBelastungsgleichheit, die gleichmäßige Austeilung der Steuerlasten, auch dasLeistungsfähigkeitsprinzip oder auch die gleichmäßige Besteuerung nach derLeistungsfähigkeit genannt.

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Mit welcher Perfektion das Leistungsfähigkeitsprinzip verwirklicht wird, ist im übrigenentscheidend für die Frage, ob eine Steuer eine Verhaltenslenkung bewirkt.Erstrebenswert wäre natürlich ein Steuersystem, welches dieEntscheidungsneutralität optimiert, was bedeuten würde, daß jeder unterVernachlässigung des Steueraspektes handelt und wirtschaftet.

Abzuschichten von diesem Normenkomplex sind die Sozialzwecknormen, derenMaßstäbe (Freiheitsrechte etc.) und Zwecke die Fiskalzwecksteuern durchbrechen.Die Einkommensteuer ist bspw. eine Fiskalzwecksteuer, die den allgemeinenFinanzbedarf decken soll, die bspw. durch „Sonderabschreibungen“ in den neuenBundesländern durchbrochen wurde. Dies hat im Ergebnis dazu geführt, daß gerade„Einkommensmillionäre“ (eigentl. besonders Leistungsfähige) annährend gar keineSteuern bezahlt haben. D. h. es wird hier durch eine Fiskalzwecknorm dieBesteuerung nach der Leistungsfähigkeit ins Gegenteil verkehrt.Ein gutes Steuersystem sollte daher auf Sonderabschreibungen verzichten, wie esübrigens auch in den aktuellen Koalitionsvereinbarungen anklingt. DieVerlustverrechnung, wie vorgesehen, sollte allerdings nicht eingegrenzt werden,denn echte Verluste mindern ja die steuerliche Leistungsfähigkeit und solltendeswegen ausgleichsfähig bleiben, die Minderung der steuerlichenLeistungsfähigkeit (echte Verluste) ist also Fiskalzwecknorm.Ein weiteres Beispiel für die Durchbrechung durch Sozialzwecknormen ist diegeplante Einführung der Ökosteuer, wobei die ihr zugrundeliegende ökologischeRechtfertigung unstrittig ist. Strittig bleibt jedoch der Weg zum Ziel mehrUmweltschutz. Nationale Alleingänge in solchen Bereichen führen eher zu einerVerlagerung des Problems in die Nachbarstaaten, die an Ökosteuern durch darausresultierenden Betriebsverlagerungen partizipieren.Wenn man nun aber davon ausgeht, daß die Durchbrechung desLeistungsfähigkeitsprinzips gerechtfertigt ist, bleibt die Frage, inwieweit bspw. dieFreiheitsrechte (Berufsfreiheit) oder das Sozialstaatsprinzip darin involviert werden.Gerade das letztere Prinzip wird berührt, wenn ohne soziale Ausgleichsmaßnahmen(Mehrkinderfamilie in Altbauwohnungen) ,die Ökosteuervorstellungen verwirklichtwerden sollten. Vorstellbar wäre hier die Einführung einer Steuervergütung.

Der dritte Normenkomplex sind die Vereinfachungszwecknormen. Sie entstandenaus der Tatsache heraus, daß Steuerrecht Massenfallrecht ist. DasLeistungsfähigkeitsprinzip kann nicht auf den Pfennig genau durchgeführt werden.Man ist also auf Typisierungen und Vereinfachungen angewiesen, wie bspw. dieKilometerpauschale. Auch eine „Bilanzierung einer Ehe“ im Hinblick aufEhegattensplitting oder Versorgungsansprüche bleibt unpraktikabel. DasEhegattensplitting ist also im Hinblick auf die Nichtberücksichtigung derEheverhältnisse Vereinfachungsnorm, im Hinblick auf eine tatsächliche Verteilungdes Einkommens auf die Ehepartner jedoch Fiskalzwecknorm. Es gibt also auchMischformen, wo verschiedene Normen sich überschneiden.

Eine grundlegende Beachtung und klare Abgrenzung dieser Normengruppen im vonder Politik beeinflussten Steuerrecht wäre im Hinblick auf die Transparenz und fürden Bürger verständlichen Steuersystem sehr wünschenswert.

Würde man ein solches inneres System dieser Art schaffen, wäre es auch schwer, eswieder zu demontieren, was zu Kontinuität und Planungssicherheit führen würde.

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B. Rechtsstaatlichkeit des Steuerrechts

Der „Rechtsstaat“ ist in Artikel 20 des GG verankert.Zum Rechtsstaat gehört formal die Gesetzmäßigkeit des Handelns und derRechtsschutz vor unabhängigen Gerichten (Artikel 19 Abs. 4 GG). Diese formaleRechtsstaatlichkeit nützt allein nichts, wenn nicht mit ihr, wie in abschreckenderWeise die Erfahrungen aus dem „dritten Reich“ gezeigt haben (Rassengesetze), einemateriale Rechtsstaatlichkeit einhergeht (Artikel 20 Abs. 3). Diese Rechtsstaatlichkeitsteht eben im Gegensatz zum formal rechtsstaatlichen aber materialrechtlichenUnrechtsstaat.

Formale Rechtsstaatlichkeit wird heutzutage definiert als Rechtssicherheit (“derBürger muß auf die Rechtsordnung vertrauen können“(Vertrauensschutz)), auf dasSteuerrecht übertragen bedeutet dies die Rechtsmäßigkeit der Besteuerung. Es darfnur auf gesetzlicher Grundlage besteuert werden, womit auch wieder dasRückwirkungsverbot betroffen ist.Als Beispiel hierfür ist die Abschaffung der Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns zunennen, die einen unter Annahme der Steuerfreiheit geschlossenenSanierungsvertrag im nachhinein durch Kassation der Steuerfreiheit der Besteuerungunterwirft. Auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht verwirklicht hiernicht die Rechtssicherheit. Dieses Thema soll aber später an anderer Stelle nocheinmal behandelt werden.

Materiale Rechtsstaatlichkeit beinhaltet die inhaltlich ausgestaltete Gerechtigkeit.Konkretisiert wird dies zunächst durch verfassungsrechtliche Prinzipien.

Dazu folgende Abbildung:

Rechtsstaatlichkeit

(Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG)

Gesetz und Recht

Formale Rechtsstaatlichkeit Materiale Rechtsstaatlichkeit

Rechtssicherheit Gerechtigkeit

- Gesetzmäßigkeit der Besteuerung - Gleichmäßigkeit der Besteuerung- Bestimmtheitsgebot - Gesetzmäßigkeit der Besteuerung- Rückwirkungsverbot - Sozialstaatsprinzip- Vertrauensschutz - Übermaßverbot- Rechtsschutz (Verschonung des Existenz-

minimums; Verbot derErdrosselungsteuer;

Halbteilungsgrundsatz (?);Schutz von Ehe und Familie)

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Es gibt kaum einen Staat auf der Welt, in dem aus den allgemeinen Grundrechten, indenen nichts über Steuern steht, so konkrete Rechtsprinzipien abgeleitet werden wiein der Bundesrepublik Deutschland.In Italien, wo das Leistungsfähigkeitsprinzip in der Verfassung konkret verankert ist,ist die Rechtsprechung keineswegs so geradlinig und konsequent wie die desBundesverfassungsgerichts auf die Durchsetzung des Leistungsfähigkeitsprinzipsausgerichtet. So ist die Frage in Deutschland auch in der Steuerpolitik stets, wiedenn die Ansicht des Bundesverfassungsgerichts zu einem steuerpolitischenVorhaben aussieht.Zu bedauern ist in diesem Zusammenhang, daß der Gesetzgeber nicht so guteGesetze verabschiedet, daß es nicht zu einer Verwerfung durch dasBundesverfassungsgericht kommt.

Als erläuterndes Beispiel sei die vorläufige Festsetzung der Kinderfreibeträgeangesprochen. Es kann hier durch eine Entscheidung desBundesverfassungsgerichts etwas geändert werden, die Bestandskraft desBescheides steht dem nicht entgegen. Die Steuergerechtigkeit wird in Deutschlandalso sehr ernst genommen, was sich in so einer verfahrensrechtlichen Bestimmungniederschlägt.

C. Gleichmäßigkeit der Besteuerung

Ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es, daß der Grundsatzder Steuergerechtigkeit primär im Gleichheitssatz verankert ist. Die Gleichheit (Artikel3 Abs. 3) wird durch den Gleichheitsgrundsatz „Alle Menschen sind vor dem Gesetzgleich“ bestimmt. Die Gleichheit vor dem Gesetz bedeutet dabeiRechtsanwendungsgleichheit. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtsbeschäftigt sich allerdings in erster Linie nur mit der Vereinbarkeit vonSteuergesetzgebung und Gleichheitssatz. Das Gesetz selber wird also auf denPrüfstand gestellt.Diese historische Formulierung, in der französischen Revolution entstanden, gehtdavon aus, daß das Gesetz immer Gleichheit verbürgt.Das sogenannte „Zinssteuerurteil“, eine Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 1991(Amtliche Sammlung des Bundesverfassungsgerichts S. 239) befasst sich mit dieserRechtsanwendungsgleichheit. Nachdem nur 20 % des Zinsaufkommens versteuertwurden, ist die Exekutive hierin beauftragt worden, Rechtsanwendungsgleichheitherzustellen (Es heißt dort: “Der Gesetzgeber selbst muß Rahmenbedingungenschaffen, damit die gleichmäßige Durchsetzung der Gesetze gewährleistet ist“). DieGesetze, die dem entgegenstanden, waren demnach verfassungswidrig.Der Gleichheitssatz wird nun interpretiert als Willkürverbot, d. h. Gleichheit bedeutetkeine egalitäre Behandlung, sondern die Rechtfertigung sowohl derGleichbehandlung, als auch der Ungleichbehandlung.

Ungleiches darf nicht willkürlich gleich behandelt werden.Gleiches darf nicht willkürlich ungleich behandelt werden.

Willkür bedeutet dabei, daß der Gesetzgeber unter Rechtfertigungszwang steht.Umhier eine Rechtfertigung leisten zu können braucht man einen Maßstab für dieRechtfertigung, und das ist primär das Leistungsfähigkeitsprinzip.Die manchmal von Ökonomen geforderte Kopfsteuer wird hierdurch automatisch

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unzulässig.

Problematisch bleibt die Frage, ob Einkommen, Vermögen oder Konsum die richtigeKonkretisierung steuerlicher Leistungsfähigkeit darstellt.

D. Gesetzmäßigkeit der Besteuerung

Die Gesetzmäßigkeit der Besteuerung fällt in den Bereich der formalenRechtsstaatlichkeit. Ihre Ausgestaltung soll dem Rechtsanwender, den Gerichten, dieMöglichkeit offenhalten, den Prinzipien der materialen Rechtsstaatlichkeit zurGeltung zu verhelfen, aber natürlich auch formale Leitlinien in der Rechtsanwendungdarstellen.

Es sind drei Elemente der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung zu unterscheiden.

Der Vorbehalt des Gesetzes ist einer der elementaren Errungenschaften desRechtsstaats überhaupt. Gab es früher noch die willkürliche, meist von Monarchenveranlasste, ungesetzliche Erhebung von Steuern, muß, nicht zuletzt durch diebürgerlichen Revolutionen hervorgebracht, heutzutage die Erhebung von Steuern aufgesetzlicher Grundlage erfolgen. Mittlerweile unterstehen die Festlegung vonSteuersubjekt, Steuerobjekt, Bemessungsgrundlage und Tarif dem Parlament, demdeutschen Bundestag. Dies wird als Parlamentsvorbehalt bezeichnet.

Die Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung ist das zweite Element derGesetzmäßigkeit. Die Verwaltung hat, im Hinblick auf die historische Dimensionbedeutsam, auf die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale, wie sie ihr vorgegeben sind,besonders zu achten. Der Bürger ist davor geschützt, daß er mit einer Steuerbelastet wird, die nicht im Wortlaut eines Steuergesetzes erfaßt wird. Gesetzeslückenkönnen dabei durch Analogien ausgefüllt werden. Die Grenze der Besteuerung stelltdabei die steuerbegründende Analogie dar, deren genauer Verlauf jedoch(“Grauzone“) unbestimmt ist.

Der Vorrang des Gesetzes wird durch Abweichungsverbot (der Rechtsanwenderdarf die Grenzen des Gesetzes nicht überschreiten) und das Anwendungsgebot (dieFinanzbehörden sind nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die gesetzlichgeschuldeten Steuern fest- und durchzusetzen (Beispiel Flick)) garantiert. Hierbei zubemerken ist, daß das Anwendungsgebot insb. dann zu einem wichtigen Themawird, wenn große Institutionen oder „Mächte“ im Spiel sind.

Die gesetzliche Grundlage für die oben aufgeführten Regeln sind der folgendenAuflistung entnehmbar:

Rechtsgrundlagen der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung

1. Grundgesetz

Artikel 2 Abs. 1 GG ökonomische Handlungsfreiheit als elementarer

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Bestandteil des Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit;Schranken: Verfassungsmäßige Ordnung, subjektive

Rechte Dritter

Artikel 14 Abs. 1 Satz 2 Beschränkung des Eigentums nur durch Gesetzund Abs. 3 Satz 2 GG

Artikel 20 Abs. 3 GG Bindung der vollziehenden Gewalt und derRechtsprechung an Gesetz und Recht

Artikel 28 GG Gesetzesbindung der Länder und Gemeinden

2. Abgabenordnung

§ 3 AO Steuerbegriff

§ 38 AO Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung

§ 85 AO Gleichmäßigkeit der Festsetzung und Erhebung; Gesetzmäßigkeit der Besteuerung

(Bei den vorhergehenden Gesetzesstellen wird auf vollständige Zitierung desGesetzeswortlaut verzichtet, damit die Nacharbeitung am Gesetzestext, die denUmgang mit Gesetzessammlungen einübt, nicht vernachläßigt wird, denn derUmgang mit den Gesetzen ist unabdingbare Vorraussetzung für das Bestehen derLeistungsnachweisklausur.)Der Gesetzgeber hat allerdings erkannt, daß es keinen Sinn macht, in jedem Fall biszum äußersten das Prinzip der formalen Rechtsstaatlichkeit der Gesetzgebungdurchzuhalten.So finden sich in der Abgabenordnung einige Handlungsspielräume eingebaut. Zumeinen resultieren diese aus Praktikabilitätserwägungen, zum anderen aus derKonfrontation von formaler und materialer Rechtsstaatlichkeit. Es kann also imEinzelfall dazu kommen, daß die Festsetzung einer Steuer zu einem „ungerechten“Ergebnis führt. Dadurch wird die materiale Rechtsstaatlichkeit angesprochen.Hierbei ist der § 163 AO zu nennen. Dort heißt es: “Steuern können niedrigerfestgesetzt werden, und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen,können bei der Festsetzung der Steuern unberücksichtigt bleiben, wenn dieErhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.“. DieFinanzverwaltung kann also von sich aus die Gesichtspunkte materialerGerechtigkeit berücksichtigen (bspw. Fall einer Unternehmensaufgabe, dieungeschickt ausgeführt, die Altersversorgung gefährdete).Ganz verwandt mit dieser Regelung ist § 227 AO, der Steuererlaß.

Die oben bereits erwähnte Praktikabilitätserwägung wird als Opportunitätsprinzip,im Gegensatz zum Legalitätsprinzip, bezeichnet (Beispiel der „Einpersonen-“ und„Massenhausbesetzung“, bei der die Polizei einschreitet, oder auch mangelsPraktikabilität nicht).

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Im Steuerrecht lässt sich solches z.B. im § 156 AO, dem „Absehen vonSteuerfestsetzung, Abrundung“, wiederfinden. In der Übersicht:

Ausnahmen vom Legalitätsprinzip

I. Billigkeitsmaßnahmen (materiale Gerechtigkeit)1 abweichende Festsetzung, § 163 AO2 Steuererlaß, § 227 AO

II. Opportunitätsprinzip (Praktikabilität)1 Absehen von der Festsetzung bei geringer Steuerschuld, § 156 AO2 tatsächliche Verständigung über Besteuerungsgrundlagen

Noch nicht zulässig1 Steuervereinbarung2 Vergleich über streitige Steueransprüche

Es kann also vom Legalitätsprinzip abgewichen werden, insofern die gesetzlichGrundlage hierfür gegeben ist.

Zur Verdeutlichung der Materie folgende Fälle:

Fall 6:

(Steuervereinbarung)

Der Automobilkonzern A sucht einen Standort für eine neue Teststrecke. GemeindeG will die Ansiedlung von Unternehmen fördern und vereinbart mit A, zehn Jahrelang nur die Hälfte der eigentlich fälligen GewSt und GrSt zu erheben. NachFertigstellung der Teststrecke erhebt G gleichwohl GewSt und GrSt in voller Höhe.

Muß A zahlen?Welche steuerlichen Anreize kann G schaffen?

Ergebnis:In § 85 AO ist jeglicher Verhandlungsspielraum ausgeschlossen. Daher muß Azahlen.Andererseits bedeutet dies eine besonder Härte für den A.Das Bundesverwaltungsgericht (BStBl. II 1975, 679) erwägte zwar eine Würdigungnach § 163 und § 227 AO, kam jedoch zu ersterem Ergebnis. Aufgrund derAussenwirkung einer Entscheidung und einem evtl. Wegbruch derGewerbesteuereinnahmen durch vermehrten Wettbewerb der Kommunen (Schutzder unattraktiven Kommunen) ist diese Entscheidung auch positiv zu werten.

Fall 7:

(Einvernehmliche Schätzung)

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Beim Steuerpflichtigen S wurde eine Außenprüfung durchgeführt. In derSchlußbesprechung einigen sich der Außenprüfer, der Sachgebietsleiter derAußenprüfung des Betriebsfinanzamts und S darauf, den Gewinn ausGewerbebetrieb auf 15 % des Umsatzes zu schätzen (sog. Vollschätzung nach § 162AO).

Nachdem der Prüfungsbericht, in dem diese Vereinbarung aufgeführt ist, dem für dieESt Veranlagung zuständigen Sachbearbeiter zugeleitet worden ist, fragt sich dieser,ob er an die Vereinbarung gebunden ist und entsprechend die ESt-Bescheide ändernmuß.

Ergebnis:Fraglich ist hier, ob der Gewinn rechtswidrig ermittelt worden ist, andernfalls muß erden ESt- Bescheid ändern und sich an die Vereinbarung halten.

Nach § 162 AO ist die Schätzung aufgrund von Praktikabilitätserwägungen zulässig,allerdings muß es sich dabei um eine einseitige Schätzung handeln. In diesem Fallwar jedoch der S mitbeteiligt.Die Rechtsprechung läßt tatsächlich eine Art Vereinbarungsspielraum zu, aber nur inden Fällen, wo es um die Ermittlung von Tatsachen geht, TatsächlicheVerständigung genannt. Verständigung auf Tatsachen ist also rechtmäßig,Vereinbarungen auf die Höhe der Steuerschuld oder Vereinbarungen auf evtl.Rechtsfolgen sind hingegen rechtswidrig.Auf den Fall bezogen heißt das, daß Steuervereinbarungen grundsätzlich unzulässigsind (Gesetzmäßigkeit der Verwaltung § 85 AO), aber eine Verständigung überTatsachen (sog. Tatsächliche Verständigung) zulässig ist , auch mit der Folge, daßspäter eine Bindungswirkung für die Veranlagung eintritt.Die Tatsächliche Verständigung ist dabei von der Rechtsprechung entwickelt wordenund durch die Regelung in § 79 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung untermauert.

Ein ganz neuer Erlaß zusammenfassend hierzu in der Übersicht:

Tatsächliche Verständigung(vgl. OFD München DStR 1998, S. 1635)

1. Rechtsgrundlagea) BFH: richterliche Rechtsfortbildung (“unabweisbares praktisches Bedürfnis“,Hinweis auf § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FGO - gütliche Beilegung des Rechtsstreits)b) Literatur: öffentlich-rechtlicher Vertrag

2. Voraussetzungena) Zweifelsfrage im Bereich der Sachverhaltsaufklärung, wenn Schätzungs- bzw.Beweiswürdigungsspielraum besteht (z.B. § 162 AO),jedoch nicht: Klärung von Rechtsfragen oder Einigung auf Rechtsfolgenb) vollständige Ermittlung nach § 88 AO (Untersuchungsgrundsatz) zu schwierig oderzu langwierigc) Beteiligung des für die Veranlagung zuständigen Amtsträgers (Vorsteher,Sachgebietsleiter des Veranlagungsbereichs)

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3. RechtsfolgeDer Steuerpflichtige und die Finanzverwaltung sind nach dem Grundsatz von Treuund Glauben an die tatsächliche Verständigung gebunden (Vertrauensschutz); dasErgebnis ist Grundlage der Veranlagung

Anmerkung zu 2.c):Aus § 157 Abs. 2 AO ergibt sich daß Besteuerungsgrundlagen (hier für den Gewinnaus Gewerbebetrieb) keine Feststellung mit Bestandskraft sind. Dementsprechendwirkt das Betriebsstättenfinanzamt im Hinblick auf die Veranlagung vorbereitend,wohingegen daß Wohnsitzfinanzamt die Festsetzung der Steuer durchführt.

Eine solche Gliederung kann ein gutes Fundament für den Aufbau einerFallbearbeitung in der Klausur darstellen, wenngleich dieses „Schema“ natürlich vonjedem selbst modifiziert werden muß auf die jeweiligen Themenbereiche, bspw.Rückwirkung und andere. Die hierzu gehörende BFH-Entscheidung findet sich imBStBl. II 1991, 45.

In der Praxis ist es im übrigen so, daß sich Steuerpflichtige vorzugsweise auf dietatsächliche Verständigung einlassen, wenn sie noch etwas „in der Hinterhandhaben“, was den Finanzbehörden noch gar nicht zur Kenntnis gelangt ist (Stichwort“Minenfeld“).

Zur Erweiterung des Horizonts nun folgender internationaler Vergleich:Das amerikanische Steuerrecht sieht in einer Anweisung an ihre Finanzämter vor,einen Rechtsbehelf durch Vergleich von sich aus anzubieten. Hier wird ein klarökonomischer Ansatz verfolgt. § 85 AO ist also in den USA kein Thema, jedochwürde niemand behaupten, die USA seien kein Rechtsstaat.

USA: Erledigung von Rechtsbehelfen durch Vergleich

IRS (Amerikanische Finanzverwaltung) practice rules:

„Appeals will ordinarily give serious consideration to an offer to settle a taxcontroversy on a basis which fairly reflects the relative merits of the opposing viewsin the light of the hazards which would exist if the case were litigated. However, nosettlement will be made based upon nuisance value of the case to either party.“

=> 99% aller Rechtsbehelfe werden durch Vergleich erledigt, es gibt nur einFinanzgericht (tax court)

Aus der historischen Erfahrung heraus, daß die früheren Monarchen es sich zu eigenmachten, im nachhinein Dinge unter Strafe zu stellen, ist der Artikel 103 II GG in dasGrundgesetz aufgenommen worden. Dieser Grundsatz gilt allerdings ausdrücklichnur für das Strafrecht, jedoch hat das Bundesverfassungsgericht ein generellesRückwirkungsverbot für alle Gesetze abgeleitet. Werden dennoch rückwirkend

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Gesetze erlassen, so hat der Bürger aufgrund der Verfassungswidrigkeit der Gesetzedie Möglichkeit dagegen gerichtlich vorzugehen (Klage, Verfassungsbeschwerde,Normenkontrolle sind allesamt möglich).

Zur besseren Übersicht folgender Überblick:

Verbot rückwirkender Gesetze

Artikel 103 II GG: absolutes Verbot rückwirkender Strafgesetze

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) leitet aus dem Rechtsstaatsprinzip(Vertrauensschutz, Rechtssicherheit) in Verbindung mit den Grundrechten (insb.Artikel 2, 3, 12, 14 GG) ein prinzipielles Verbot rückwirkender Gesetze ab, das auchfür Steuergesetze gilt. Dabei sind drei Fragen zu beantworten:1. Wann hat ein Gesetz spezielle Rückwirkung? Und speziell im Steuerrecht: Wann

liegt bei der Änderung periodischer Steuern eine Rückwirkung vor?2. Gilt das Rückwirkungsverbot, das für belastende Gesetze entwickelt wurde, auch

für die rückwirkende Aufhebung einer Begünstigung? Und speziell im Steuerrecht:Kann der Bürger auf den Bestand einer Steuervergünstigung vertrauen?

3. Kann ein rückwirkendes Gesetz ausnahmsweise verfassungsmäßig sein? Undspeziell im Steuerrecht: Darf der Staat z.B. bei einer finanziellen Notlage dieSteuern rückwirkend erhöhen?

Die Rückwirkungsproblematik ist eine der schwierigsten Materien im Steuerrecht. Esreicht daher für die Studierenden dieser Vorlesung aus, die Unterscheidung desBundesverfassungsgerichts reproduzieren zu können.

Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet im Bereich der Rückwirkung zwischenechter und unechter Rückwirkung. Wenn das Gesetz nachträglich in abgewickelte,der Vergangenheit angehörende Tatbestände ändernd eingreift, spricht man vonechter Rückwirkung. Wird hingegen auf noch nicht abgeschlossene Sachverhalteund Rechtsbeziehungen für die Zukunft eingewirkt und damit zugleich dieRechtsposition nachträglich im ganzen entwertet, so spricht man von echterRückwirkung.

Zum besseren Verständnis folgende Übersicht:

Echte und unechte Rückwirkung

Rechtssicherheit/ HandlungsfähigkeitVertrauensschutz des Gesetzgebers

1. Echte Rückwirkung (2. Senat: Rückbewirkung von Rechtsfolgen) liegt vor, wennein Gesetz nachträglich in der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreiftbzw. auf einen Zeitpunkt angewendet wird, der vor seinem Inkrafttreten liegt.

Beispiel: Der Gesetzgeber beschließt 1998, den Est- Tarif für die Jahre 1995-1997 zuerhöhen

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2. Unechte Rückwirkung (2. Senat: tatbestandliche Rückanknüpfung) liegt vor, wenndas Gesetz auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte auf dieZukunft einwirkt und Rechtspositionen nachträglich entwertet.

Beispiel: A erwirbt 1998 Bauerwartungsland, das er im Jahr 2000 steuerfrei mitGewinn verkaufen will. Der Gesetzgeber beschließt kurz darauf, die Spekulationsfristfür Grundstücke von 2 auf 10 Jahre zu verlängern.

Die unechte Rückwirkung ist grundsätzlich zulässig; der Bürger kann nicht auf denFortbestand günstiger Bedingungen vertrauen.

Das große Problem insb. des Steuerrechts ist es, daß es sich mit einer Fülle vonDauerschuldverhältnissen beschäftigen muß. Würde man diesenDauerschuldverhältnissen einen ständigen Vertrauensschutz einräumen, würde dieszur Zementierung des Steuerrechts führen, so daß einzelne Steuergesetze gar nichtmehr geändert werden könnten. Inwieweit nun die Notwendigkeit einer Änderung(legitimes Änderungsinteresse) im Hinblick auf den Vertrauensschutz desSteuerzahlers berücksichtigt werden muß, ist nun abzuwägen. Zudem taucht nochdas Problem auf, daß ein Rückwirkungsbegriff nicht spezifisch für das Steuerrechtentwickelt werden kann (also nicht wie der Rückwirkungsbegriff des Strafrechts),sondern allgemeine Regeln gelten, die auf alle Rechtsgebiete ihren Einfluß haben.Ist im Bereich der Hochschulgesetzgebung der Rückwirkungsbegriff relativ weitausgelegt, so steht die Rechtsprechung im Bereich des Steuerrechts eher auf derSeite des Gesetzgebers und definiert einen engeren Bereich, der von derRückwirkung tangiert wird.Das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform ist ein Beispiel für dieteils unzulängliche Ausprägung des Rückwirkungsbegriffs im Steuerrecht (Beispielder Abschaffung der Steuerfreiheit der Sanierungsgewinne: Hierbei war dieSteuerbefreiung Grundlage eines Vertrages, so daß den Vertragsparteien derVertrauensschutz entzogen wurde). Der Abbau von Steuervergünstigungen ist zwarsicherlich durchführbar, es sollte aber eine rechtmäßigere Abwägung desAnwendungsbereiches der Vorgehensweise angestrebt werden.Ein plastisches Beispiel für unechte Rückwirkung hingegen stellt ein Arbeitsvertragda, bei dem man selbstverständlich nicht darauf vertrauen kann, daß der Nettolohnstets der gleiche bleiben wird.Eine genaue Grenze zwischen echter Rückwirkung, Rückbewirkung vonRechtsfolgen, und unechter Rückwirkung, tatbestandlicher Rückanknüpfung, zuziehen fällt schwer. Hierum geht es auch im Fall des Solidaritätszuschlags.

Fall: Solidaritätszuschlag(belastendes Gesetz mit Rückwirkung

Das Gesetz zur Einführung eines befristeten Solidaritätszuschlages (SolZ) wurde am24. Juni 1991 ausgefertigt, am 27. Juni 1991 im Bundesgesetzblatt (BGBL.)verkündet und ist am 28. Juni 1991 in Kraft getreten. Mit ihm ist eineErgänzungsabgabe zur Einkommensteuer eingeführt worden, die nach dem Konzeptder Gesetzesinitiative 7,5 v. H. der auf die Zeit vom 1.Juli 1991 bis 30. Juni 1992

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anfallenden Einkommensteuer betragen sollte. Da die Einkom-mensteuer jedochnach dem in einem Kalenderjahr bezogenen Einkommen berechnet und festgesetztwird, ist der Zuschlag mit 3,75 v. H. der für 1991 und 1992 festgesetzten Einkom-mensteuer bemessen worden. Der Stpfl. A hat im Mai 1991 seinen Gewerbebetriebverkauft und dabei einen Veräußerungsgewinn von 2,1 Mio DM erzielt.Ist die Einbeziehung des Veräußerungsgewinns in die Bemessungsgrundlage desSolZ rechtmäßig?

Hinweis: BFH BStBl. II 1992, 702

Graphisch:

15.5. 28.6. 31.12.Verkauf Gesetz in Kraft ESt entsteht

Das Bundesverfassungsgericht ist grundsätzlich der Auffassung, daß beiPeriodensteuern sich der Tatbestand erst mit Ablauf der Steuererhebungverwirklicht.Bei der Einkommensteuer ist es also so, daß erst während des Kalenderjahres(Veranlagungszeitraum) sich der Tatbestand verwirklicht und so lange nicht der letzteBestandteil der in diesen Bereich fallenden Bemessungsgrundlage geklärt ist, solange steht nicht fest, welches Jahreseinkommen vorliegt.Das Bundesverfassungsgericht ist weiter der Ansicht, daß, so weit dies offen ist, derTatbestand nicht verwirklicht ist, so daß dann der Gesetzgeber ihn betreffendeRegelungen noch ändern kann.

So verlor auch der Unternehmer im Falle des Solidaritätszuschlags vor demBundesfinanzhof.

Bei Periodensteuern gilt also, daß sie auf abgeschlossene Sachverhalte einwirkenkönnen, da sie sich erst während eines Periodenzeitraums abschließendverwirklichen. Der Vertrauensschutz ist bei Periodensteuern gering.Keine Rückwirkungsprobleme gibt es hingegen bei punktgenau fixierbaren Steuern,z.B. der Grunderwerbsteuer, die im Zeitpunkt des Kaufs anfällt.

Die Rückwirkungsproblematik verkompliziert sich durch die Frage, welcher Zeitpunktfür den Dispositionsschutz als maßgeblich gilt. So galt beim Solidaritätszuschlag derAnkündigungszeitpunkt (1990), auch Ankündigungseffekt genannt, als maßgeblich,so daß der im Mai handelnde Verkäufer mit dessen Einführung rechnen mußte.Ansonsten war jedoch nach Meinung des Bundesverfassungsgerichtes der Zeitpunktdes verbindlichen Gesetzesbeschlusses maßgeblich. Allerdings ist selbst das vomBundestag verabschiedete Steuerreformgesetz für 1998/1999, also einGesetzesbeschluß, gescheitert. Hier sollte bei zustimmungsbedürftigen Gesetzenalso besser auf den Vermittlungsausschuß oder allgemein auf den letztenverfassungsmäßig zuständigen Gesetzgeber und seinen endgültigen Beschlußabgestellt werden. Dadurch wäre dann auch der Vertrauensschutz gewährleistet.Im Fall der Sonderabschreibungen hat jedoch das Bundesverfassungsgericht wiederden Zeitpunkt der Ankündigung als maßgeblichen Zeitpunkt bestimmt.

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Fall: Bewertungsfreiheit für Handelsschiffe(Aufhebung einer Steuervergünstigung)

Durch das Jahressteuergesetz 1997, verkündet am 20.12.1996, wurde dieSonderabschreibung für Handelsschiffe (“Bewertungsfreiheit“) nach §§ 51 I Nr. 2Buchstabe w, 82 f. EStDV auf solche Handelsschiffe beschränkt, die vor dem1.1.1999 angeschafft oder hergestellt werden und bei denen der Kaufvertrag oderBauvertrag vor dem 25.4.1996 abgeschlossen worden ist. Der Gesetzgeber schafftedie Sonderabschreibung ab, um Steuersparmodellen einen Riegel vorzuschieben.

Die A-Reederei hatte am 30.4.1996 einen Schiffsbauvertrag über ein Containerschiffabgeschlossen, das in Taiwan gebaut und dann auf eine KG übertragen werdensollte, um den Verkauf von Schiffsbeteiligungen an Kapitalanleger zu ermöglichen.Sie vertraute bei Abschluß des Kaufvertrages auf einen Beschluß derBundesregierung vom 25.4.1996, wonach die Sonderabschreibung erst für Verträgenach dem 30.4.1996 abgeschafft werden sollte. Im Gesetzesbeschluß desBundestages wurde der Stichtag dann auf den 25.4.1996 vorverlegt, um den nachder Ankündigung der Bundesregierung noch schnell aufgelegten Steuersparmodellendie Grundlage zu nehmen. Da die erwarteten Steuervorteile der Anleger aufgrundder Änderung des § 82 EStDV nicht mehr eintreten konnten, waren dieSchiffsbeteiligungen der A-Reederei unverkäuflich.

Hinweis: BverfGE 97, 67

Graphisch:

25.4.. 30.4.. 20.12.Ankündigung Vertrag Gesetz in Kraft

Hier entschied das Bundesverfassungsgericht, wenn die Abschaffung einerSonderabschreibung angekündigt worden ist (durch Gerichte), dann sollten bereitsdie betroffenen Verträge keinen Vertrauensschutz mehr genießen.Etwas, was also noch im Gesetz steht, kann somit aufeinmal nicht mehr gelten, waseinen ganz massiven Eingriff in die Steuerplanungssicherheit darstellt.Man bewegt sich also in einem Raum der Unwägbarkeiten, denn ob derAnkündigung etwas auch tatsächlich folgt, bleibt unklar. Es wird quasi von demBetroffenen dadurch verlangt, gemäß dem handelsrechtlichen Vorsichtsprinzip zuagieren (“Es könnte passieren, daß ..).

Wüschenswert wäre es, man würde bei der Rückwirkungsproblematik auf denGesetzesverkündungszeitpunkt abstellen. Leider ist diese gute und faire Lösungnicht gewählt worden.

- 42 -2059 / Prof. Dr. iur. Joachim Lang / Steuerrecht I / 02.11.1998 / Lüdtke-Handjery

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E. Sozialstaatsprinzip und Steuerrecht

1. Tarif und Existenzminimum

Die Steuerfreiheit des Existenzminimums ist 1992 vom Bundesverfassungsgerichtangeordnet worden. Bis zu dieser Entscheidung gab es noch einen Grundfreibetragvon 5616 DM. Der Grundfreibetrag ist nun nach §32 a Abs. 1 Satz 1 EStG auf 12365DM festgesetzt worden. Die Funktion dieser Norm ist es, daß Existenzminimumsteuerfrei zu lassen.Die Querverbindung zwischen Steuerrecht und Sozialrecht besteht in dereinheitlichen Definition der Existenzminima (Man erinnere sich an das Beispiel desehemaligen Kioskbesitzer „der als Sozialhilfeempfänger auf einer teurenDüsseldorfer Einkaufsmeile einkaufen ging“)Der verfassungsrechtliche Anspruch auf Sozialhilfe hat mehrere Wurzeln. In Artikel 1GG (Schutz der Menschenwürde) wird der Schutz des soziokulturellenExistenzminimums festgeschrieben. In Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip(Artikel 20 Abs. 1 GG und Artikel 28 Absatz 1 Satz 1 GG) wird der Staat zu positivenTransferleistungen verpflichtet.

In Artikel 6 GG (Schutz von Ehe und Familie) wird nach einer Entscheidung desBundesverfassungsgerichts das Ehegattensplitting, welches aus demBenachteiligungsverbot des Absatzes 5 herrührt, der Grundfreibetrag für Ehepartnerverdoppelt. Der Familienleistungsausgleich, begründet in Artikel 3(Leistungsfähigkeitsprinzip), Artikel 1 und Artikel 6 GG, beinhaltet den Anspruch desBürgers auf das Existenzminimum des Kindes, welcher durch den Kinderfreibetraggeregelt wird.Noch besser wäre es allerdings in einem sog. Familienrealsplitting dasFamilienexistenzminimum dem Familiensozialhilfeminimum anzugleichen.Weiter wird in der Entscheidung auf Artikel 12 und Artikel 14 GG (Verbot derErdrosselungsteuer) angespielt.

Das Existenzminimum tritt also in vielfältiger Weise auf den Plan und wird durch eineReihe von Grundrechten gerechtfertigt. Kern des Ganzen ist das sozialstaatlicheDenken, also der Anspruch des Bürgers auf Sozialtransfers.

An dieser Stelle scheint es überlegenswert, einmal darüber nachzudenken, wasAbwesenheit von Sozialstaat eigentlich bedeutet (Beispiele Vororte von SanFrancisco und Sao Paolo).

Neben dieser Aussage des Sozialstaatsprinzips den Sozialtransfers und dasExistenzminimum betreffend (konsequente Umsetzung desLeistungsfähigkeitsprinzips), steht der Umverteilungszweck des Steuersystems,repräsentiert durch den progressiven Verlauf des Steuertarifs.Ohne Sozialstaatsprinzip würde sich für das Steuersystem aus dem Gleichheitssatzein proportionaler Tarif ergeben, so existiert aber ein progressiver Tarif, der aberleider erheblichen Steuerwiderstand auslöst, so daß sich Steuerpflichtige eineshohen Progressionsbereiches durch Beratung oder Auswanderung derSteuerzahlung entziehen. Dies kann im Ergebnis dazu führen, daß weniger Steuerneingenommen werden, die dann zu noch höheren Belastungen aller führen können.Um den Steuerwiderstand zu umgehen, sollte man einen maßvollen progressiven

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Tarif festsetzen. Für Prof. Lang wäre ein Spitzensteuersatz von 45 % vorstellbar, derallerdings bei einer angestrebten rechtsformneutralen Besteuerung von 35 %Gleichheitsprobleme aufwirft.Die Umverteilung wird aber nicht nur durch Tarife, sondern bspw. durch dieErbschaft- und Schenkungsteuer vollzogen, wenngleich mit geringer Effizienz, daman sich dieser Steuer relativ leicht entziehen kann (Beispiel Flick).

Steuersätze und Steuern sollten also so gestaltet sein, daß die Steuern auch bezahltwerden.

F. Verfassungsrechtliche Schranken der Besteuerung

1. Schutz der Menschenwürde und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

Der Schutz der Menschenwürde wurde vom Bundesverfassungsgericht in denMittelpunkt des verfassungsrechtlichen Wertsystems gerückt. Dies betrifft zum einendas bereits besprochene Existenzminimum, zum anderen den Schutz imSteuerverfahren.

Gibt jemand in seiner Einkommensteuererklärung ein Arbeitszimmer an, so kann essein, daß sich der Finanzbeamte von der tatsächlichen Existenz dieses Raumesvergewissern muß. Auch bei Krankheitskosten wird ein Teil der Intimsphäre berührt.Es besteht also ein Recht der Verwaltung auf Kontrolle der erklärten Daten,wenngleich das Eindringen in die Privatsphäre kein unzumutbares Vorgehenbeinhalten darf.Von Finanzgerichten wird dann entschieden, zu welcher Tageszeit (StichwortBademantel) der Finanzbeamte den Steuerpflichtigen aufsuchen darf etc. . Imenglischen Steuerrecht (als Gegenbeispiel) wird versucht, nicht an die diePrivatsphäre betreffenden Tatbestände anzuknüpfen. Dort wird eine Abzugsfähigkeiteiner Kinderbetreuerin gar nicht erst zugelassen, da es „niemanden etwas angeht“,wer wann sein Kind betreuen läßt.

Konkretisiert wird das Grundrecht der Menschenwürde durch die Anwendung desÜbermaßverbots.

2. Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung durch dasSteuergeheimnis

Diese Bestimmung ist in § 30 AO normiert.

Zum Bereich des Datenschutzes erging vom Bundesverfassungsgericht das sog.Volkszählungsurteil, welches das Recht auf informationelle Selbstbestimmungfestgelegt hat.

Jedermann denkt zunächst, er habe die alleinige Herrschaft über seine persönlichenDaten. Leider ist dem nicht so. Vom gesetzlichen Tatbestand her ist der Steuerzahlerverpflichtet, seine Angaben, die er geltend macht, zu belegen. Dadurch wird diePreisgabe der persönlichen Daten der Gesetzgebung unterstellt. Der Schutz des

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Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist hiermit nicht gemeint (man ist sogarzur Mitwirkung verpflichtet; Beispiel Betriebsprüfung einer Zahnarztpraxis, bei derman nach seiner Behandlung befragt wird), sondern bezieht sich auf die Verwertungdieser Daten. D. h. wenn Daten für einen bestimmten Zweck der Finanzverwaltungübermittelt werden, dürfen diese Daten nicht für andere Zwecke als angefordertverwertet werden (Verwertungsverbot oder „Kästchenprinzip“).Dieses Prinzip wird leider nicht immer durchgehalten.

Fall 8:Betriebsprüfer B hat bei einer Außenprüfung festgestellt, daß Ramschkönig R 20offensichtlich gestohlene HiFi-Geräte weit unter Preis erworben und zum normalenPreis an Gutgläubige weiterverkauft hat. Den Gewinn aus diesem Geschäft hat Rordnungsgemäß versteuert. Darauf macht der Betriebsprüfer den Staatsanwaltaufmerksam.

Ausgangslage sind wieder allgemeines Persönlichkeitsrecht Artikel 1 und Artikel 2GG, sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in § 30 AO.Dort heißt es in Absatz 1: „Amtsträger haben das Steuergeheimnis zu wahren“. § 7AO definiert den Begriff Amtsträger genauer (Richter etc.). D.h. jeder derAmtsgeschäfte zu übernehmen hat wird in den Datenschutz miteinbezogen, und ihmist die Verpflichtung auferlegt, diesen Datenschutz zu gewährleisten. BeiNichterfüllung kann ein solches Verhalten zum Verwertungsverbot oder ähnlichemführen.

Wird in einem Verfahren (Kästchen) etwas offengelegt, was der Amtsträger nichtallein in diesem Verfahren beläßt (im Kästchen beläßt), so verletzt er dasSteuergeheimnis (§ 30 Absatz 2).

Die befugte Offenbarung ist in Absatz 4 geregelt. Dies betrifft in Nr. 1 die Zulässigkeitvon Kontrollmitteilungen (z.B. die Einkünfte des HiFi-Geräte Diebes aus vorherigemFall dürfen dem zuständigen Wohnsitzfinanzamt mitgeteilt werden). Weiter istinternationaler Auskunftsverkehr (§ 117 AO) gestattet (Nr. 2). Soweit (Nr. 3) derBetroffene zustimmt (Beispiel „Schreinemakers“), kann die Finanzbehörde Stellungnehmen, sie ist jedoch grundsätzlich nicht verpflichtet, bei etwaigem Einverständnisdes Betroffenen sich bspw. im Rahmen einer Fernsehshow zu äußern. Nr. 4 sprichtauf Steuerstrafverfahren an, wobei grundsätzlich gilt, daß bei Nichterfüllung derVorraussetzungen des Nr. 4 der Staatsanwalt auch nicht informiert werden darf. Nr. 5schließlich beschäftigt sich mit dem öffentlichen Interesse an einer Offenlegung. ImSteuerfall der Tennisspielerin Stefanie Graf sind nicht nur Steuerdaten desinvolvierten Vaters Peter Graf, sondern auch der Tochter veröffentlicht worden(betrifft insb. Nr.5 c) ). Stefanie Graf ist hier unzulässiger Weise ins Licht derÖffentlichkeit gezerrt worden.Wünschenswert wäre daher auch eine genauere Beachtung desSteuerschutzgeheimnisses insgesamt.

Das Steuergeheimnis, eine besondere Form des steuerrechtlichen Datenschutzesund traditionell stets als Pionier des Datenschutzes überhaupt gilt, ist historischeigentlich nur aus fiskalischen Motiven heraus entstanden. Man wollte zu Beginndiesen Jahrhunderts vermeiden, daß Daten aus Angst vor Weitergabe nicht erklärtwurden. Man war also anfangs keineswegs bemüht, den Schutz des Rechts auf

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informationelle Selbstbestimmung zu gewährleisten.

Keinesfalls ist das Steuergeheimnis ein international regierender Grundsatz. Es istsogar in manchen Ländern üblich, Steuerlisten mit namentlich aufgeführtenBeitragszahlen öffentlich auszuhängen. In Japan werden anonyme Listen präsentiert,in Schweden besteht so gut wie gar kein Steuergeheimnis und in Luxemburgwiederum (Luxemburg hat Enno Beckers AO übernommen) existiert einSteuergeheimnis.

Die nationalen Regelungen zu diesem Thema sind also sehr unterschiedlich.

Der Schutz von Bankkunden durch § 30 a AO betrifft den Bereich derZinsbesteuerung. Der § 30 a Absatz 3 Satz 2 „Die Ausschreibung vonKontrollmitteilungen soll insoweit unterbleiben“ führt dazu, daß Zinsen heute immernoch nicht in einer vollständigen Weise erfaßt und besteuert werden. Früher in den60iger Jahren war es üblich, den einzelnen Wohnsitzfinanzämtern der Bankkundenmitzuteilen, welche Zinsen wann und wo vereinnahmt wurden. In einem Bankenerlaßist dies dann abgeschafft und später in einem Gesetz festgeschrieben worden.

Gemäß eines Urteils zur Zinsbesteuerung (Rechtsanwendungsgleichheit) istnocheinmal festgelegt, daß der Gesetzgeber dafür sorgen muß, daß dieVollzugsbedingungen die Gleichmäßigkeit der Steuerrechtsanwendunggewährleisten müssen. Aufgrund der kontraproduktiven Bestimmungen des § 30 aAO hierzu kann dieser Paragraph durchaus als verfassungswidrig angesehenwerden. Die verfassungskonform sehr enge Auslegung (verfassungskonformeInterpretation) des § 30 a AO durch das Urteil bedingt aber, daß, wenn einKapitalabfluß nach bspw. Luxemburg bekannt wird, so daß eine Zinsversteuerungnicht sichergestellt ist, gehandelt werden kann; d.h. daß solche Luxemburger Kontenauch systematisch ausgewertet werden können. Somit hat das Urteil die Wirksamkeitdes § 30 a AO stark eingeschränkt.

Wünschenswert wäre die Einführung von Modellen der zinsbereinigtenUnternehmenssteuer oder der Cash-Flow Steuer wie sie in Kroatien verwirklichtwurden. Diese Modelle stellen eine inflationsneutrale Besteuerung sicher undmachen eine Zinsbesteuerung erträglich, wohingegen sich bei einer jährlichenZinsabgeltungssteuer von ca 30 % sich nach 20 Jahren schon die reale Steuerlastverdoppelt hat (durch die entgangenen Zinseszinsen).

3.Beschränkung der Besteuerung durch das Übermaßverbot

Das Übermaßverbot hat einerseits seine Wurzeln im Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20GG), andererseits in den Grundrechten (insb. Artikel 12 Absatz 1 und Artikel 14Absatz 1). Verlustreiche Unternehmen, die durch Gewerbekapitalsteuer oderVermögensteuer übermäßig belastet waren, wurden durch Billigkeitsmaßnahmen derFinanzverwaltung dem Übermaßverbot entsprechend wieder entlastet. Dieübermäßige Besteuerung soll also durch das Übermaßverbot ausgeschlossenwerden.Im Steuerverfahrensrecht hat das Übermaßverbot eine ganz besondere Bedeutung.

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Zur Verdeutlichung folgender Fall:

Fall 9:

Betriebsprüfer B hat festgestellt, daß der Gewerbetreibende G seine Ehefrau alsSekretärin beschäftigt und ihr Gehalt als Betriebsausgaben geltend gemacht hat.Darf der Betriebsprüfer den Pförtner des Betriebes fragen, ob die Ehefrau des Gauch tatsächlich im Betrieb arbeitet?

(Zusatzinformation: Für eine steuerliche Anerkennung von Verträgen zwischenAngehörigen ist eine tatsächliche Vertragsdurchführung zwingend notwendig)

§ 200 Absatz 1 AO birgt in sich eine gewisse Vorgehensweise bezüglich derReihenfolge der Befragung, die Befragung des Pförtners wäre demnach zuletztvorzunehmen. Zudem ist zu befürchten, daß durch solche Methoden dasBetriebsklima vergiftet wird, was vielleicht als für die Betroffenen unzumutbargewertet werden kann.

Die Verletzung des Übermaßverbots wird in drei Schritten geprüft:

(1) Ist die Maßnahme überhaupt geeignet? (Sachgerechte Zweck-MittelRelation)

(2) Ist diese Maßnahme wirklich erforderlich? (Erforderlichkeit)(3) Ist die Maßnahme zumutbar? (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne)

Im vorliegenden Fall ist die Geeignetheit zu bejahen. Der Pförtner weiß wer kommtund geht.

Im Bereich der Erforderlichkeit ist der Staat angehalten, das Mittel zu wählen,welches den mildesten Eingriff darstellt. Es müssen also auf der ersten StufeAlternativen ermittelt werden, von denen dann auf einer zweiten Stufe die mildesteAlternative ausgesucht wird, sonst tritt das Übermaßverbot in kraft. So sind zunächsttechnische Einrichtungen wie Stechuhren etc. zu prüfen, dann wendet man sichvermutlich an den Steuerpflichtigen/Ehemann und/oder Steuerberater, dann dieEhefrau und erst wenn hier dann Zweifel auftauchen, darf der Pförtner befragtwerden. Bei Nichtbeachtung der Erforderlichkeit führt die verfassungswidrigeVorgehensweise zum Verwertungsverbot. Es können aber die Befragungen dererstgenannten Alternativen keine echten Alternativen sein, insofern sie z.B. nichtgeeignet sind. Hierauf ist ebenfalls zu achten (siehe § 200 AO). Dann könnte dieBefragung des Betriebsangehörigen die einzig (noch) geeignete Alternative sein. DieErforderlichkeitsprüfung ist also genauestens vorzunehmen.

Wird jetzt die Befragung des Pförtners tatsächlich erforderlich, muß noch dieZulässigkeit der Befragung geprüft werden. Betriebsklima oder Arbeitsplatzschutzdes Pförtners reichen nicht zur Unzulässigkeit. Der Pförtner ist sogar zur Mitwirkungverpflichtet (Kein Eidesverweigerungsrecht § 160 AO).

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Ergebnis:Nur dann wenn der Gewerbetreibende G erkennen läßt, daß er unrichtige Auskunftgibt (und auch die anderen Betroffenen), dann ist seine Befragung ungeeignet undder Pförtner darf befragt werden.

Eine weitere Bestimmung in deren Bereich das Übermaßverbot zu Hause ist, ist der§ 160 AO (Benennung von Gläubigern und Zahlungsempfängern). Dort steht, daßBetriebsausgaben oder Werbungskosten nur dann steuerlich anerkannt werden,wenn der Steuerpflichtige auch den Empfänger oder Gläubiger der Zahlungenbenennt. Die Verwendung der Formulierung „regelmäßig“ im Gesetzestext deutetdabei auf Ausnahmen hin.Diese Vorschrift dient zum einen der Nachweisführung des Steuerpflichtigen, aberauch der Überprüfung des Empfängers (Kontrollmitteilungen).

Existiert nun bei Schutzgeldzahlungen an die russische Mafia kein Empfänger, so istes zunächst fraglich, ob dies steuerlich anerkannt werden kann. Eine Maßnahmekann nur geeignet sein, wenn sie von dem Bürger etwas Mögliches verlangt. Wennallerdings kein Name feststellbar ist (tatsächliche Unmöglichkeit), ist die Anforderungan den Steuerpflichtigen durch das Übermaßverbot betroffen. Der Vorgang solltedann aber durch eine Ersatzquittung dokumentiert werden (Angestellter, der sich vonder Kasse das zu zahlende Schmiergeld abholt).Die Ausnahme von der Regel wird quasi durch das Übermaßverbot begründet(weiteres Beispiel: Zahlungen an DDR-Fluchthelfer ohne Namensnennung).

Bei der Kontrolle des Arbeitszimmers wurden von der Rechtsprechung übrigensGeeignetheit und Erforderlichkeit bejaht, im Bereich der Zumutbarkeit wurde jedochdie Besuchszeit auf vor 19.00 Uhr festgelegt.

Das Übermaßverbot verhindert bspw. auch, daß der gesamte Aktenbestand vonVersicherungsnehmern (Beispiel: Firmenverbundene Vermittler bietenVersicherungen an Arbeitnehmer vergünstigt an (Arbeitslohn?)) derFinanzverwaltung zur Verfügung gestellt wird. Geeignetheit einer solchen Maßnahmeliegt hier zwar vor, jedoch die Übersendung ist nicht erforderlich, denn die Beamtenkönnten ja zu den Versicherungsunternehmen hingehen, um vor Ort zu prüfen.

Durch das Verbot der Erdrosselungsteuer (den Artikel 12 und 14 GG entstammend)wird ein weiterer Aspekt der Beschränkung der Besteuerung durch dasÜbermaßverbot betroffen. Das erste bedeutendere Urteil hierzu ist das bereitserwähnte Urteil der Bergfernverkehrsteuer. Auch im Verpackungsteuerurteil wurdedas Verbot der Erdrosselungsteuer als nicht verletzt angenommen. Die einzigeEntscheidung (und darum sollte sie auch jeder Kursteilnehmer lesen) in der dasVerbot der Erdrosselungsteuer als verletzt anerkannt worden ist, ist die bereitsgenannte Entscheidung zum Existenzminimum.

3. Das Prinzip eigentumsschonender Besteuerung

Neben dem Übermaßverbot stellt das in den Einheitswertbeschlüssen desBundesverfassungsgerichts von P. Kirchhof entwickelte Prinzip

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eigentumsschonender Besteuerung eine weitere verfassungsrechtlicheBeschränkung der Besteuerung dar.Hierin wird der Bestandsschutz des Vermögensstammes, sowie derHalbteilungsgrundsatz („hälftige Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand“)statuiert.Bis auf diesen Fall ist weltweit übrigens noch nie durch die Rechtsprechung aus derVerfassung abgeleitet eine Obergrenze der Steuerbelastung kreiert worden (Vorbildhöchstens kalifornische Steuerrevolte).

Auf die Vermögenssteuer bezogen bedeutet dieses Prinzip, daß wenn dieVermögensteuer wieder eingeführt würde, dieses zur Folge hätte, daß ca. 1 MillionDM Vermögen steuerfrei und darüber hinaus nur bis zu 2 % des VermögensTarifspielraum für die Erhebung der Vermögensteuer verblieben.Von den zu erwartenden 4 Milliarden Steuereinnahmen verschwänden dannallerdings noch ca. 2 Milliarden in Verwaltungskosten, so daß (in Anbetracht derdrohenden Kapitalflucht) bei zu erwartenden Einnahmen von lediglich 2 MilliardenDM der Sinn der Wiedereinführung der Vermögenssteuer schlicht nichtnachvollziehbar bleibt.

4. Schutz von Ehe und Familie

Zuletzt ist noch der Schutz von Ehe und Familie (Artikel 6 GG) in die Betrachtungder verfassungsrechtlichen Schranken der Besteuerung mit einzubeziehen. Hierauswerden Benachteiligungsverbot und Förderungsgebot abgeleitet. Ehe undFamilie stehen also unter besonderem Schutz der staatlichen Ordnung. ImSteuerrecht geht es hierbei in erster Linie darum, daß Ehe und Familie nichtdiskriminiert werden sollen.

Das Benachteiligungsverbot im Steuerrecht bewirkt, daß die wirtschaftlicheLeistungsfähigkeit der Familie im Steuerrecht möglichst realitätsgerechtberücksichtigt wird. Die gleichmäßige Besteuerung nach der Leistungsfähigkeitbedeutet, daß die reale, die somit richtige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit derFamilie zu besteuern ist.

Die Verwirklichung dieser Grundlage beginnt bei der Ehegattenbesteuerung. Bis1957 gab es noch die Haushaltsbesteuerung. Die Ehegatten wurden als eine Einheitbesteuert. Durch die Zusammenrechnung der Einkünfte rutschten die Eheleuteautomatisch in eine höhere Progressionsstufe eines progressivenEinkommensteuertarifs. An dieser Stelle hat das Bundesverfassungsgerichtentschieden, daß die Besteuerung sich nach der Leistungsfähigkeit auszurichten hatund der Grundsatz der Individualbesteuerung gilt. Die Zusammenrechnung vonEinkommen mehrerer Personen stellt eine Diskriminierung dar. Daraufhin wurde dieSplittingregelung (§ 32 a EStG) eingeführt.In einer weiteren Entscheidung wurde die Ehe als Erwerbs- undVerbrauchsgemeinschaft gesehen und das Ehegattensplitting, dies berücksichtigend,somit nicht als Steuervergünstigung qualifiziert. Diese Betrachtung geht davon aus,daß in einer intakten Ehe (positives Leitbild) das gemeinsam erwirtschafteteEinkommen zusammen verbraucht wird. Dies wird dann steuerrechtlich abgebildet.Herrscht hingegen doch Gütertrennung (getrennte Verwendung von Einkommen), soschlägt das Ehegattensplitting in ein Privileg um.

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Abschließend ist noch zu erwähnen, daß Verträge zwischen Angehörigen steuerlichanerkannt werden müssen.

Die Grundidee des Ehegattensplittings dabei ist die Erwerbs- undVerbrauchsgemeinschaft der intakten Ehe angemessen zu berücksichtigen. DasBundesverfassungsgericht wertet aus diesem Grunde das Ehegattensplitting,welches abgeschafft werden soll, nicht als Steuervergünstigung, sondern als einesachgerechte Norm, die die Realität der intakten Durchschnittsehe berücksichtigt (indiesem Zusammenhang ist die Lektüre der Entscheidung des Bundesverfassungs-gerichts (BVerfG) v. 3.11.1982 zu empfehlen).Hieran schließt sich die Frage, ob eine Tarifkappung nicht einen Akt der Willkürdarstellt, der Artikel 6 Abs.1 verletzt. Die Kappung bedeutet im übrigen, daß nurnoch eine Unterhaltsgemeinschaft berücksichtigt wird, wobei der in denKoalitionsvereinbarungen beschrittene Weg ohnehin als verfassungswidriganzusehen ist, da danach die nicht intakte Ehe steuerlich besser stehen würde alsdie intakte Ehe („Steuersparmodell Scheidung“). Für geschiedene Eheleute mußdann an dieser Stelle eine Neuregelung gefunden werden.

Der große Nachteil dieser Kappung besteht in der vorwiegend für Arbeitnehmerliegenden Verschlechterung der Lebensbedingungen, wohingegen Unternehmern imZuge der Vertragsgestaltung eine Vielzahl an Möglichkeiten verbleiben (Ehefraubeteiligen, Arbeitsverhältnisse unter Familienangehörigen herstellen) dieSplittingentlastung wiederherzustellen. Hierdurch wird im Ergebnis Artikel 3 GGverletzt.In einem etwaigen Musterprozeß endend vor dem Bundesverfassungsgericht, dervermutlich erst nach der Pensionierung von Paul Kirchhoff stattfinden wird, bestehtbei Entscheidung durch den ersten Senat (Berichterstatterin Frau Jäger, erklärteGegnerin des Ehegattensplitting) kaum Hoffnung, eine solche Gesetzgebung zurevidieren.

Im internationalen Vergleich stellt allerdings die bestehende etwas großzügigereLösung des Ehegattensplitting eher die Ausnahme dar.

Festzuhalten bleibt, daß bei Negation der realitätsgerechten Erwerbs- undVerbrauchsgemeinschaften, das Benachteiligungsverbot verletzt wird, eben da essich hierbei nicht um eine Steuervergünstigung handelt und nicht um dieFörderung einer bestimmten Familienform.

Ferner beschäftigt sich ein in der amtlich nichtveröffentlichen Sammlung der BFH-Entscheidungen (BFH NV) abgedrucktes Urteil mit der Frage, ob durch dieAbschaffung der Ansetzbarkeit der „doppelten Haushaltsführung“ die Ehediskriminiert wird. Dies wird mit der Begründung verneint, daß bei Berufstätigen, dielänger als zwei Jahre eine Arbeitsortwohnung führen, eine private und keineberufliche Veranlassung ist, die sie zur doppelten Haushaltsführung veranlaßt.Obwohl diese Entscheidung in der Tat wenig mit Artikel 6 GG zu tun hat, ist siewegen der Ausführungen zu verschiedenen grundlegenden Betrachtungsweisen derGrundrechtsartikel sehr lesenswert.

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Fall 10:Der Gewerbetreibende G beschäftigt seine Ehefrau E als Sekretärin und macht ihrGehalt als Betriebsausgabe geltend. Der Betriebsprüfer erkennt die Ausgabe nichtan, „weil G und E ohnehin aus einem Topf wirtschaften“.Wie ist diese Begründung zu werten?

Ergebnis:Die Verwaltung sah zunächst keine Möglichkeit, Verträge zwischen Angehörigen zuakzeptieren, da in der Regel eine Sonderbeziehung zwischen den Vertragspartnernbesteht, die eine (Stichwort Chefintheorie) normale Würdigung unmöglich macht. DasBundesverfassungsgericht verwarf diese Auffassung und argumentiert, daß Verträgeauch zwischen Angehörigen anerkannt werden müssen, da andernfalls die Familiediskriminiert wird (Verletzung des Artikel 6 Absatz 1 GG). Die steuerrechtlicheAnerkennung der Verträge Familienangehöriger ist verfassungsrechtlich geboten.

Festzuhalten bleibt jedoch dabei, daß ein Vertrag aufgrund der Verletzung desDiskriminierungsverbots nur dann steuerlich anerkannt werden muß, wenn er eineübliche Vereinbarung zwischen fremden Dritten (Fremdvergleich) beinhaltet. DieserFremdvergleich wird auch als „Essentiale der verfassungsrechtlichen Konkretisierungdes Diskriminierungsverbots“ bezeichnet.Immer wenn die Abgrenzung zwischen Sachverhalten fraglich wird, kommt dieserFremdvergleich zum Tragen.

Zusammenfassend ist zu sagen, daß die systemtragenden Prinzipien desSteuerrechts aus der Verfassung abgeleitet werden und somit Bestandteil derWertordnung des Grundgesetzes sind. International sind viele der Prinzipien (nichtzuletzt aufgrund eines vergleichbaren Gerechtigkeitsempfindens) wiederzufinden,wobei wohl die französische Bürgerrechtserklärung von 1789 intensiv alleeuropäischen Verfassungen geprägt hat. Das international anerkannteste Prinzipdabei ist das Leistungsfähigkeitsprinzip.

Für die Beratungspraxis ist es immanent wichtig, diese Grundlagen zu beherrschen,denn das Steuerrecht ist das Rechtsgebiet, welches den höchsten Anteil anVerfassungsbeschwerden stellt.

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Mitschrift Vorlesung Grundkurs Steuerrecht, Prof. Dr. jur. Joachim Lang,Universität zu Köln

Erster Teil: Grundlagen der Steuerrechtsordnung

§ 5 Rechtsanwendung im Steuerrecht

A. Rechtsnormen des Steuerrechts

In § 4 AO heißt es: „Gesetz ist jede Rechtsnorm“. Um die Gesetzmäßigkeit derBesteuerung umzusetzen, muß geklärt sein, was ein Gesetz im Sinne derGesetzmäßigkeit der Besteuerung überhaupt bedeutet. Dies wird durch § 4 AO klar,der angibt, daß sich die Gesetzmäßigkeit der Besteuerung nicht nur auf denformellen, sondern auch auf den materiellen Gesetzesbegriff bezieht. Neben denformellen Gesetzen stehen dabei zunächst einmal die Durchführungs-verordnungzu einer jeweiligen Steuer (LStDV etc.). Diese Verordnungen werden ohneGesetzgebungsverfahren durch eine Regierung erlassen (Artikel 80 GG)

Für das Entstehen einer Durchführungsverordnung bedarf es einer Ermächtigungdurch Gesetz, die also in einem formellen Gesetz steht, wobei (Artikel 80 Absatz 1Satz 2) „Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmtwerden“. Zu prüfen gilt es, ob sich eine Ermächtigung zum Erlaß einer Verordnungüberhaupt im Gesetz wiederfinden läßt (Beispiel der strittigen Existenz einer solchengesetzlichen Grundlage stellt § 7 EStDV (Fortführung der Buchwerte) dar).

Daneben stehen die autonomen Satzungen, meist Gemeindesteuersatzungen, dievon den Gemeinden selbst normiert werden können (Örtliche Verbrauch- undAufwandsteuern, bei denen die Länder das Gesetzgebungsrecht delegiert haben).Hier ist die Verpackungsteuer zu nennen, die zwar für verfassungswidrig erklärtwurde, aber evtl. neuformuliert und gestaltet durch die Koalition wiedereingeführtwerden könnte.Also auch eine Gemeindesteuersatzung ist Gesetz im Sinne des § 4 AO.

Im Völkerrecht spielen Doppelbesteuerungsabkommen eine große Rolle undzählen somit ebenfalls zu den durch § 4 AO gemeinten Rechtsnormen. Sie dienender Vermeidung der steuerlichen Mehrfachbelastung. Die Rechtslage ist noch einmalgenauer in § 2 AO festgehalten. Dort heißt es: „Verträge mit anderen Staaten imSinne des Artikels 59 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes über die Besteuerung gehen,soweit sie unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, denSteuergesetzen vor. Im Völkerrecht ist also zwischen Zustandekommen undInkrafttreten als innerstaatliches Recht, also der parlamentarischen Transformation(Zulassungsgesetz) in innerstaatliches Recht zu unterscheiden. International wirddabei das Instrument der Anrechnung (34 c des EStG) präferiert. Das UStG und diespeziellen Verbrauchsteuern sind allerdings schon international verbindlichabgegrenzt, so daß vornehmlich Ertragsteuern betroffen sind. Chaotisch und aufBilligkeitsmaßnahmen angewiesen sind dabei Teile des Erbschaft- undSchenkungsteuerrechts, wobei zu bemerken ist, daß die Erhebung dieser Steuersowieso relativ leicht umgangen werden kann.Einige Regeln setzen jedoch die Doppelbesteuerungsabkommen bewußt außerKraft, Treaty-Override (Limitierung der vorgesehenen Anrechnung durch

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Spezialgesetz) genannt. Dies wird von der Rechtsprechung zugelassen und kannmanchmal sehr harte Folgen für einen Steuerpflichtigen bedeuten.

Mit supranationalem Recht ist das für das Steuerrecht so bedeutsame Europarechtgemeint. Klassisch wird in diesem Bereich zunächst die Steuerhoheit angegangen. InEuropa wurde diese unmittelbare Geltung von europäischen Gesetzen durch denZollkodex verwirklicht. Daneben gibt es im Europarecht Richtlinien, die von nationalerSeite her dazu führen, Steuergesetze richtlinienkonform zu interpretieren(richtlinienkonforme Interpretation), wobei die Bedeutung des EuropäischenGerichtshofs nicht zu unterschätzen ist, der schon manche Auslegung desBundesfinanzhofes verwarf. Der dritte Bereich schließlich betrifft die Anwendung derNormen des EG-Vertrages auf nationales Recht, insbesondere die Vereinbarkeitnationaler Regelungen mit den vereinbarten Diskriminierungsverboten. Zweimalwurde das deutsche Einkommensteuerrecht durch Unvereinbarkeit mit denDiskriminierungsverboten (Beispiel: Schoemacker-Fall) schon abgeändert.

Ob auch Gewohnheitsrecht Gesetz im Sinne der Gesetzgebung sein kann iststreitig. Zunächst gilt es als zivilrechtliches Institut, welches zwei Vorraussetzungenerfüllen muß:1. Überzeugung der Richtigkeit des Handelns muß vorliegen.2. Das Handeln muß über lange Zeit (ca.10 Jahre), in sog. Übung, vollzogen

werden.

Ob dieses Rechtsinstitut ins Steuerrecht übertragen werden kann wird in derRücklage für Ersatzbeschaffung deutlich. Zur näheren Erläuterung fogender Fall:

Fall 11Ein Gebäude eines Unternehmens, abgeschrieben auf einen Buchwert von 100 000DM, ist versichert und wird durch einen Brand völlig zerstört, so daß eineVersicherungssumme von 4 000 000 DM fällig wird. Ist der Ertrag von 3 900 000 zu versteuern, was dieWiedererrichtung verhindern würde?

Ergebnis:Um die Wiedererrichtung zu ermöglichen gesteht der Reichsfinanzhof die Bildungeiner Rücklage für Ersatzbeschaffung dem Unternehmer zu.

Leider ist diese Rücklage für Ersatzbeschaffung, seit den 20iger Jahren existent,immer noch nicht ins Gesetz aufgenommen worden. Dieses Gewohnheitsrecht kannnach neuer Auffassung nicht Steuerrecht bilden, da unter der Gesetzmäßigkeit derBesteuerung eine Vorgehensweise in diesen Bereichen, die von vornherein nichtgesetzlich legitimiert ist, nicht unter der Überzeugung der Richtigkeit des Handelnsvollzogen werden kann.Gewohnheitsrecht ist also kein Recht im Sinne des § 4 AO, da im Rahmen derGesetzmäßigkeit der Besteuerung jede Übung gesetzlich legitimiert sein muß, sichdemnach keine Übung der rechtlichen Richtigkeit entwickeln kann.

Hiervon sind die Normen, die keine Gesetze sind, abzugrenzen. Dies trifft erst einmal

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auf die Richtlinien zu. Richtlinien sind Verwaltungsvorschriften, die grundsätzlich dieAnsicht der Verwaltung repräsentieren und zunächst einmal nicht verbindlich sind.

Im Rahmen des gesetzlich Zulässigen existiert jedoch die sog. Selbstbindung derVerwaltung. Im Rahmen des im folgenden noch näher zu beleuchtendenErmessensspielraums kann die Verwaltung sich durch eine Verwaltungsvorschriftfestlegen. Ein Beispiel für die Einengung der Handlungsspielräume der Verwaltungist die Betriebsprüfungsordnung. Als Steuerpflichtiger hat man nun aber auch dasRecht, sich aufgrund der „Aktivierung“ des Gleichheitssatzes (Artikel 3 GG) auf dieseBetriebsprüfungsverordnung zu berufen, obwohl sie kein Gesetz ist. Natürlich giltdies nur für gesetzmäßige Verwaltungsvorschriften („keine Gleichheit im Unrecht“).Die Normwirkung einer Verwaltungsvorschrift besteht in einer sog. Selbstbindung, diebei der Einschränkung von Handlungsspielräumen durch die Verwaltung entsteht.

Die Einordnung einer Verwaltungsvorschrift ist nicht zuletzt für den Steuerberaterwichtig, der durch einen Rechtsbehelf gegen einen Verwaltungsakt (Steuerbescheid)und der Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes in einem sichdaran anschließenden Prozeß die Möglichkeit erhält, die Verwaltungsvorschrift aufihre materielle Übereinstimmung mit dem Gesetz (bspw. dem EStG) überprüfen zulassen.

Die Rechtsprechung wird ebenfalls nicht zu den Gesetzen gezählt, sie gilt in ersterLinie nur für den entschiedenen Einzelfall. Davon ist dann die grundsätzlicheBedeutung mancher Entscheidungen, sog. Präjudizien zu unterscheiden, wobei sichdie Rechtsprechung, bspw. Des BFH, auch schon mal ändern kann. Ist man von derUnrichtigkeit der Rechtsprechung gänzlich überzeugt, so kann man in einemMusterprozeß durchaus versuchen, diese noch einmal abzuändern.Die Finanzverwaltung versucht dies ebenfalls in sog. Nichtanwendungsverfügungen,was bedeutet, daß dieses Urteil in anderen Fällen nicht angewandt wird. Es wirddamit ein weiterer Prozeß bis hin zum BFH provoziert, um eine „rechtsdogmatischeFehlentwicklung“ evtl. noch einmal abzuändern.

Eine kritische Betrachtungsweise des zukünftigen Beraters, ob die steuerlicheBehandlung eines Falles mit dem Gesetz zu vereinbaren ist oder nicht, wäre sehrwünschenswert.Dazu folgender Fall.

Fall 12:X gibt seine Steuererklärung über 30.000 DM nicht rechtzeitig ab. Das FinanzamtKöln setzt 1.500 DM Verspätungszuschlag fest, das Finanzamt Düsseldorf in einemgleichgelagerten Fall nur 1.000 DM.Kann hiergegen vorgegangen werden?

Der § 152 räumt der Finanzverwaltung einen gewissen Ermessensspielraum ein(stets an der Formulierung „kann“ zu erkennen), der unterschiedlich ausgefüllt wird.Diese ungleiche Vorgehensweise kann nur angegangen werden, wenn eineVerwaltungsvorschrift dazu besteht, also eine Selbstbindung im Bereich derVerspätungszuschläge existiert. Dies ist anhand der sog. OFD-Verfügungen (OFD =Oberfinanzdirektion) zu überprüfen.

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Ergebnis:In den OFD-Verfügungen sind für den vorliegenden Fall 1.000 DM vorgesehen.

Diese Verwaltungsvorschriften können sich natürlich regional unterscheiden.

B. Rechtsanwendung, Gesetzesauslegung

Dieser Bereich der juristischen Methodenlehre wird bedauerlicherweise allzuoftvernachläßigt. So kommt es zur Anwendung von Steuergesetzen, selbst durch denBFH, ohne der Methodenlehre genügend Aufmerksamkeit geschenkt zu haben. Dienicht hinreichende Beachtung der Methodenlehre ist umso bedauerlicher inAnbetracht der Tatsache, daß man durch sie eine Wirkung erzielen kann, die sichpositiv auf die Behandlung eines Steuerfalls auswirkt. Dazu folgender Fall:

Fall 13:

(häusliches Arbeitszimmer)

Steuerrechtsprofessor S hat für die Neuauflage seines Lehrbuchs das BStBl. I nachneuen Verwaltungserlassen durchforsten müssen. Um seinen Verdruß über die Flutvon fiskalistischen und bürokratischen Vorschriften abzureagieren, beschließt er, dieFinanzverwaltung mit ihreneigenen Waffen zu schlagen: Nach §§ 4 Absatz 5 Satz 1 Nr. 6b, 9 Absatz 5 EStGdarf der Steuerpflichtige „Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer“ alsBetriebsausgabe bzw. Werbungskosten im Rahmen der Einkommensteuer geltendmachen. Im Arbeitszimmererlaß (BStBl. I 1998, 863 Tz. 7) heißt es jedoch, „auchmehrere Räume können als häusliches Arbeitszimmer anzusehen sein.“. Professor Smacht unter Hinweis auf den Erlaß AfA für zwei Räume geltend, die er im Rahmenseiner freiberuflichen Tätigkeit nutzt.

„Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung“sind grundsätzlich nicht abziehbar (ergibt sich aus§ 4 Absatz 5 Satz 1 i. V. mit Absatz5 Nr. 6b). Die oftmalige Vortäuschung der Existenz eines Arbeitszimmers hat denGesetzgeber berechtigterweise dazu bewogen, diesen Mißbrauch durchAbzugsverbot abzustellen. Besonders hart trifft allerdings diese Regelung diejenigen,die aufgrund des Fehlens eines Arbeitszimmers beim Arbeitgeber auf einArbeitszimmer im eigenen Haus nicht verzichten können, und die nunmehr nur nochauf die limitierte Abzugsfähigkeit in Höhe von 2400 DM zurückgreifen können.

Wenn nun jemand zwei Arbeitszimmer besitzt ist fraglich, ob das Abzugsverbot, nachWortlaut nur auf ein Arbeitszimmer bezogen, nun auch auf zwei Arbeitszimmeranzuwenden ist.

Zunächst bleibt festzuhalten, daß alle dogmatischen Methoden, die in derRechtswissenschaft Anwendung finden, auch auf das Steuerrecht anwendbar sind.Was darüberhinaus doch das Steuerrecht kennzeichnet ist die wirtschaftlicheBetrachtungsweise. Konkretisiert wird diese wirtschaftliche Betrachtungsweise, und

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dies ist in der Rechtswissenschaft einmalig, durch die § XX ff. AO. Sie stellt dabeikeine eigentliche Abweichung zu der üblichen Methodenlehre da, vielmehr mußdurch sie nur die wirtschaftliche Spezialbegrifflichkeit des Steuerrechts hin-reichendberücksichtigt werden. Begriffe wie Umsatz, Vermögen, Lieferung und Leistung sindeben nicht zivilrechtliche Definitionen, sondern wirtschaftliche Vorgänge (Beispiel desminder-jährigen Buchkäufers, wo die Rechtswirksamkeit des Vertrages zuvernachlässigen ist).Nach dieser allgemeinen Feststellung nun noch mal zurück zum Fall des häuslichenArbeitszimmers (s.o.):

Die erste Frage die es hierbei zu klären gilt, ist die Frage, ob das Vorliegen zweierRäume nach Wortlaut des Gesetzes unter dem angegebenen Tatbestand zusubsumieren (ein-/unterzuordnen) ist. Man versucht also zunächst einen bestimmtenNebensachverhalt dem Wortlaut des Gesetzes zuzuordnen (Subsumption).

Bei der Interpretation des Gesetzestextes wird demnach zunächst der Wortlaut„grammatikalisch“ durchleuchtet (Umfaßt der Wortlaut „ein“ auch zweizusammenhängende Räume?, etc.). Hier taucht jedoch bei reinerWortlautinterpretation das Problem der Begriffsjurisprudenz auf. D.h. enthält derWortlaut, und so ist es im Bilanzsteuerrecht anzutreffen, keine konkrete Aussage, istschwerlich der vorliegende Nebensachverhalt einer Vorschrift zuzuordnen.

Ganz allgemein wird die Gesetzesauslegung als Subsumption eines Sachverhaltsunter einen noch möglichen Wortsinn des Gesetzes verstanden. Ist also der Wortlauteines Gesetzes nicht eindeutig, so kann man in der Interpretation des Gesetzesdurchaus unterschiedlicher Auffassung sein.

So kann die Formulierung „ein Arbeitszimmer“ auch auf jedes einzelneArbeitszimmer bezogen werden.

Damit es jetzt aber nicht zu einer rein willkürlichen Gesetzesinterpretation kommt,wird die teleologische Interpretation des Gesetzes angewandt (Gemäß der sog.Methodenlehre von K. Larenz). Ist der Wortlaut also nicht eindeutig, so fragt manhiernach nach dem Sinn der Vorschrift, danach, was der Gesetzgeber mit dieserVorschrift bezwecken wollte, um dem Willen des Gesetzgebers Geltung zuverschaffen.

In den USA sind Rechtsanwender ebenfalls in die „black letters lawers“ (reineBegriffsjuristen) und diejenigen, die versuchen dem Willen des Gesetzgebers zufolgen.Das für uns Deutsche so maßgebliche Bundesverfassungsgericht wendet dieteleologische Gesetzesinterpretation an.

Es ist nun im Fall des häuslichen Arbeitszimmers zu betrachten, ob das, was ausdem Wortlaut des Gesetzes herausgelesen wurde, dann denn auch mit dem Willendes Gesetzgebers übereinstimmt.

Der Wille des Gesetzgebers wird zuerst aus der historischen Auslegung bestimmt.Hierbei ist darauf zu achten, ob der Wille des Gesetzgebers, ablesbar aus deramtlichen Begründung, Gesetz geworden ist. Nach der Andeutungstheorie,

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angewandt vom Bundesverfassungsgericht, muß eine historisch ermittelteGesetzesbegründung mindestens andeutungsweise im Gesetzeswortlautwiederzufinden sein, sonst darf die Gesetzesbegründung nicht berücksichtigtwerden. Mit dieser Theorie steht soll der Schutz der Rechtssicherheit gewährleistetwerden..

International wird hierfür der Begriff der objektiven Auslegungstheorie verwandt.

Ergebnis:Wird, auf das Beispiel des häuslichen Arbeitszimmers bezogen, dem Gesetz alshistorisch ermittelter Zweck die Beseitigung des Mißbrauchs unterstellt, so kann man„mehrere“ Arbeitszimmer sowohl vom Mißbrauchsgedanken erfaßt sehen, als auchvom Mißbrauch nicht mehr erfaßt. Der Mißbrauchszweck erstreckt sich nach derletztgenannten Alternative nur auf ein Arbeitszimmer, da nur hier eineMißbrauchsmöglichkeit besteht. Je größer hingegen ein Büro ist, desto geringer istdie Gefahr eines tatsächlichen Mißbrauchs, so daß man den Wort-laut des Gesetzesteleologisch als ein einzelnes Arbeitszimmer interpretieren muß.

Ein Gesetzestext steht nie abstrakt grammatikalisch für sich, sondern stets imKontext mit einer bestimmten Absichtsnorm (man spricht hier vom hermeneutischenZusammenhang).

Die Gesetzessprache ist eine Fachsprache bei der die Sichtweise der Expertenimmer in Betracht gezogen werden muß („Eine bloße Zitierweise aus dem Brockhausallein reicht nicht aus“).

Neben dem Wortlaut und der historischen Auslegung gibt es noch diesystemmatische Auslegung. Hierbei wird aus dem äußeren System heraus unddem Sachzusammenhang mit dem ein Gesetz zu anderen verbunden ist derGesetzeszweck zu ermitteln versucht. Es kommt also darauf an , wo ein Gesetzsteht, wie ein Gesetz mit anderen in Verbindung steht (Kontext) und welcheÜberschrift es trägt.

Eine wichtige Bedeutung in diesem Zusammenhang erfährt das Thema„Analogieverbot“, wenn also Gesetzeslücken durch Interpretation geschlossenwerden müssen („Über den Gesetzestext hinaus eine Rechtsfolge zu bilden ist“),aber man im Interesse der Rechtssicherheit an den Wortlaut des Gesetzes gebundenist.

Im Steuerrecht besteht daher das Verbot der sog verschärfenden Analogie. D.h.zugunsten des Bürgers darf interpretiert werden, da keine Einschränkung derRechtssicherheit erfolgt, aber eine Steuerverschärfung muß direkt aus dem Wortlautdes Gesetzes ableitbar sein.

Die Mehrzahl der Senate des Bundesfinanzhofes lehnen ein steuerrechtlichesAnalogieverbot ab. Dies liegt daran, daß in der überwiegenden Mehrzahl der Fällenur dann ein sachgerechtes Ergebnis erreicht werden kann, wenn man die Methodenso einsetzt, daß der Gesetzessinn auch verwirklicht werden kann (Beispiel derBuchwertfortführung bei Betriebsübergabe, was im Gesetzestext überhaupt nicht

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abgedeckt ist und sich für die Betroffenen auch nachteilig auswirken kann(Zweischneidigkeit)).

Um die Rechtssicherheit zu gewährleisten müssen strenge Anforderungen an diePlanwidrigkeit des Steuergesetzes gestellt werden. Ist für den Bürger allerdings klarerkennbar, daß ein Gesetzestext offensichtlich falsch formuliert ist, sind Methodender Gesetzesauslegung, bspw. Analogie oder teleologische Extension (Ausweitung),zu bemühen.

Methodologisch einwandfreie Interpretation wird auch für die Beratungspraxis, insb.im Steuerprozeß, immer bedeutsamer.

Zusammenfassend ist folgendes Prüfungsschema aufstellbar:

Ist eine Subsumtion unter dem Gesetzeswortlaut möglich?

Wenn ja

Entspricht dieses Subsumtionsergebnis dem Gesetzeszweck des Gesetzes?

Wenn dies nicht ausreicht

Liegt eine Gesetzeslücke vor oder nicht?

Die eingangs angesprochene wirtschaftliche Betrachtungsweise kann als Methodeder teleologischen Interpretation, als eine Berücksichtigung des spezifischen Zwecksdes Steuerrechts, angesehen werden.Der Zweck des Steuergesetzes fordert einen besonderen Begriffsinhalt, wodurch dieAbweichung vom Zivilrecht begründet werden kann. Dazu folgender Fall:

Fall 14:

(Spekulationsgeschäft)

X kauft im Juni 1994 ein Haus. Er verkauft es im Mai 1996, Veräußerungsgewinn100.000 DM. Die Grundbucheintragung erfolgt im September 1996. Liegt einSpekulationsgeschäft im Sinne von § 32 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1a EStG vor?

Hierbei geht es um die Interpretation der Begriffe Anschaffung und Veräußerung.Die zivilrechtliche Sichtweise sieht als dingliches Geschäft die Veräußerung, was mitdem Eigentumsübergang verbunden ist. Dies wäre im Falle eines Gebäudeverkaufsdie Eintragung ins Grundbuch, nicht der beim Notar geschlossene Vertrag.Würde man im Steuerrecht, und dies zeigt das Beispiel, immer auf die zivilrechtlicheBetrachtungsweise abstellen, würde man sehr viele Gestaltungsmöglichkeiten

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ermöglichen. Die Spekulationsfrist würde so stets als überschritten gelten.

Ergebnis:Es erstreckt sich nach dem Zweck des Gesetzes Spekulationsgeschäfte zubesteuern die Veräußerung nicht auf das dingliche Geschäft, sondern unterAbweichung vom Zivilrecht auf den obligatorischen Kaufvertrag, indem dasSpekulationsgeschäft ökonomisch gegeben ist.Es liegt ein Spekulationsgeschäft im Sinne von § 32 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1a EStGvor.

Verluste oder ein Ergebnis, welches gerade noch die Kosten zu decken vermochte,eingefahren.Rechtsanwalt Marmor möchte die Verluste geltend machen.Zu Recht?

Die Frage die hier zugrunde liegt, ist die Frage, ob im vorliegenden Fall überhaupteine Gewinnerzielungsabsicht zu vermuten ist oder ein gepflegter Lebensstil nichtder Liebhaberei zuzuordnen ist. Überraschenderweise hat jedoch der BFH dieVerlustverrechnung anerkannt. Da bei Kosteneinsparungen (Verlagerung desKanzleistandortes in eine billigere Umgebung etc.) die Ertragslage deutlich besserausfallen würde als es vorliegend der Fall ist, ist eine Gewinnerzielungsabsicht zubejahen. Derart hohe Kosten müssen erst einmal erwirtschaftet werden, ihre Höhe ansich ist aber nicht dem Steuerpflichtigen vorzuwerfen. Daraus folgt, daß die in der Tathohe Verlustansammlung auf „Managementfehler“, nicht aber auf grundsätzlichfehlende Gewinnerzielungsabsicht schließen läßt. Wie eine unternehmerischeTätigkeit wahrzunehmen ist, kann nicht vorgeschrieben werden.

Ergebnis;Das Ausgabeverhalten ist nicht zu beanstanden, der Rechtsanwalt macht seineVerluste zu Recht geltend.

Dies ist natürlich ein Grenzfall. In der Regel kommt es in diesen Fällen auf dieBetrachtung der Totalperiode an. Stellt sich bei der Betrachtung der Gesamttätigkeitüber alle Perioden heraus, daß es insgesamt an Gewinnerzielungsabsicht fehlt,dürfen natürlich die positiven Überschüsse auch nicht besteuert werden (BeispielSchriftsteller).

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Mitschrift Vorlesung Grundkurs Steuerrecht, Prof. Dr. jur. Joachim Lang,Universität zu Köln

Dritter Teil: Einkommen- und Bilanzsteuerrecht

§ 9 Einkommensteuer

Zu Beginn der Vorlesung ging Prof. Lang auf die Vorgehensweise bei derQualifikation der Einkünfte ein.Zunächst ist der objektive Tatbestand zu prüfen, d.h. ob eine Teilnahme amwirtschaftlichen Verkehr vorliegt.Anschließend ist auf den subjektiven Tatbestand einzugehen, indem man überprüftob Gewinnerzielungsabsicht vorliegt.Bei der Einkommensteuer wird also der Erfolg einer Erwerbstätigkeit steuerlich mitder Gewinnerzielungsabsicht bei Gewinneinkünften einerseits, und mit der Absichteinen Überschuß der Einnahmen über die Ausgaben zu erzielen bei denÜberschußeinkünften andererseits gewürdigt. Man spricht in diesem Zusammenhanghier von der sog. Einkünfteerzielungsabsicht. Der Begriff Gewinnerzielungsabsichtallein würde allerdings besser zum Ausdruck bringen, daß es sich hier um dieErzielung von positiven Einkünften handelt.

Wann eine solche Einkünfteerzielungsabsicht zu bejahen ist, ist häufig schwierig zuentscheiden, wie man am Fall des Rechtsanwalts „Marmor“ sehen konnte. DasProblem liegt dabei oft in der Periodenbetrachtung. Startet ein Unternehmen,erwirtschaftet es in der Regelanfangs stets hohe Verluste, dennoch würde man hier kaum eineEinkünfteerzielungsabsicht verneinen können. Die aus diesem Grundewünschenswerte Gesamtbetrachtung, die Betrachtung der sog. Totalperiode, kannaber in der Praxis schwerlich durchgeführt werden. Deshalb wird eine Prognosehierüber erstellt.Diese Prognose knüpft dabei an sog. obj. Beweisanzeichen, objektive Kriterien, diesicher-stellen sollen, daß eine Einkünfteerzielungsabsicht hinreichend zu vermutenist.Tätigkeiten, bei denen von vorneherein nicht festgestellt werden kann, ob diese auchzum Erfolg führen, sind daher stets schwer einzuordnen. Dazu folgender Fall:

Fall 34

Kafka

Der Schriftsteller Kafka hat zeit seines Lebens Romane und Kurzgeschichten verfaßt.Da aber die Verleger diesen Werken keine Erfolgsaussichten zurechnen möchten,arbeitete Kafka als Verwaltungsangestellter, obwohl er vielleicht lieber hauptberuflichals Schriftsteller tätig gewesen wäre. Reisen die Kafka unternahm, um für seineWerke Inspirationen zu suchen oder anderweitig zu recherchieren, hätte er steuerlichnicht geltend machen können. Zu Recht?

Ergebnis:

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Stellt sich im Falle eines Buchautors heraus, daß er Einkünfteerzielungsabsicht hatte,so sind alle Ausgaben hierfür seit Beginn der schriftstellerischen Tätigkeit alsbetriebliche Vorgänge zu qualifizieren. Nach einem Bucherfolg können nach § 175Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gemäß des objektiven Nettoprinzips diese Ausgabennachträglich berücksichtigt werden.. Martin Walser konnte bspw. seineAufwendungen nicht steuerlich geltend machen, da seine Schriftstellerei alsLiebhaberei betrachtet wurde. Diese Betrachtung verkehrte sich ins Gegenteil,nachdem er seinen ersten Bestseller auf dem Markt brachte. Kafka jedoch ging esum seine Kunst, nicht um Einkünfte, darum war er Liebhaber im steuerlichen Sinne.

Fall 35

Cincinnati Kid

Der Berufskartenspieler Horst Zinker, nach einer Filmfigur „Cincinnati Kid“ genannt,bestreitet seinen Lebensunterhalt durch Pokerspiele mit wohlhabenden Bürgern, dieden Nervenkitzel einer gepflegten Pokerpartie schätzen. Sind seine Spielgewinnesteuerbar?

Hier handelt es sich erneut um einen Grenzfall im Bereich der Erwerbstätigkeit mitGewinnerzielungsabsicht. In der Regel werden Spielkartengewinne derKonsumsphäre zugeordnet und evtl. Gewinne sind nicht zu versteuern. EinBerufskartenspieler, der nach objektiver Betrachtung durch Trickserei eine hoheGewinnwahrscheinlichkeit besitzt, unbeachtlich der etwaigen Sittenwidrigkeit seinesHandelns (§ 40 AO), erwirtschaftet Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Ergebnis:Durch den professionellen Charakter der ausgeübten Tätigkeit von Horst Zinker, hatdieser zu versteuernde Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Dies betrifft aber nicht nur den Bereich des Glückspiels. Spiel, Sport, Wette undehrenamtliche Tätigkeit können übrigens ebenfalls als Profi-Tätigkeiten qualifiziertwerden. Bei der Ermittlung der Überschuß- bzw. der Gewinnerzielungsabsichtmüssen außerdem die tatsächlichen Aufwendungen angesetzt werden, evtl.vorliegende Abzugsverbote finden in diesem Bereich der Betrachtung noch keineAnwendung.

Inwieweit nun steuerliche Vorschriften maßgeblich sind bei der Ermittlung derGewinnerzielungsabsicht, wird am Beispiel des sog. Mietkaufmodells besondersdeutlich.Beim Mietkaufmodell wird für einen Zeitraum von ca. 5 Jahren ein Objekt erworben,welches durch Schuldzinsen und Abschreibungen zu negativen Einkünften ausVermietung und Verpachtung führen soll. Nach diesen 5 Jahren wird das Objektveräußert, manchmal sogar zu einem von Anfang an vorher bestimmten Preis. DieWertsteigerung des Objekts beinhaltet dann die eigentliche Wertschöpfung innerhalbdes Modells, denn die Veräußerungserlöse sind durch Einhaltung derSpekulationsfrist steuerfrei.

Der Aufholungseffekt von Abschreibungen etc. der durch die Besteuerung desVeräußerungserlöses bei Betrieben normalerweise erfolgt, unterbleibt also im

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Privatbereich, so daß Immobilienmodelle im Privatvermögen steuerlich äußerstattraktiv sind.

Insgesamt wird eine Vermögensmehrung nach Steuern erzielt, es liegt aber laut BFHkeine Einkünfteerzielungsabsicht vor.Dies wird damit begründet, daß aufgrund des Einkünftedualismus Einkünfte ausVermietung und Verpachtung quellentheoretisch betrachtet werden müssen. D.h. esmuß allein geprüft werden, ob in Bezug auf die Einkünfte aus Vermietung undVerpachtung, also in Bezug auf Quelleneinkünfte, ein Überschuß der Einnahmenüber die Ausgaben in der Totalperiode entsteht.

Der BFH hat mit einer generell milderen Würdigung bei normalen Einkünften ausVermietung und Verpachtung wohl den in der Regel als langfristig angelegt zubetrachtenden Immobilienkauf im Auge, der ca. 20 Jahre oder länger umfaßt, unddementsprechend mit höheren Anlaufverlusten bei hoher Fremdfinanzierung beginnt.Dies ist natürlich bei kurzfristig angelegten Mietkaufmodellen, wo der Besitzwechselschon miteingeplant ist, nicht der Fall. Insgesamt werden bei so einemMietkaufmodell also nur negative Einkünfte erwirtschaftet. Der Gewinn in derStammvermögenssphäre kann nicht, und dies rührt aus dem Einkünftedualismus her,in die Betrachtung miteinbezogen werden.

In diesem Zusammenhang ist noch auf die mit dem Immobilienkauf häufigverbundenen Steuervergünstigungen einzugehen. Steuervergünstigungen, alsgezielte Eingriffe in das Nettoprinzip anzusehen, verfälschen den Erfolg, so daßdiese nach Auffassung von Prof. Lang nicht bei der Ermittlung derEinkünfteerzielungsabsicht berücksichtigt werden sollten.Sonderabschreibungen beispielsweise, die als Sozialzwecknormen Investorenanimieren sollten in den neuen Bundesländern zu investieren, müßten demnach vonder Betrachtung, ob Einkünfteerzielungsabsicht vorliegt oder nicht, abzuschichtensein. Dies wird vom BFH allerdings anders gesehen.

(Zur Lektüre, insb. auch in Bezug auf die allg. Vorgehensweise bei der Ermittlungeiner Einkünfteerzielungsabsicht sei zur Lektüre (vielleicht auch fürExamenskandidaten) ein Aufsatz von Prof. Lang in FR 1997 (Zeitschrift Finanz-Rundschau), Seite 201 ausdrücklich empfohlen)

Bei einer zusätzlich vereinbarten Rückkaufgarantie kann das Objekt garantiert anden Initiator eines Immobilienmodells zurückverkauft werden, es besteht aber nichtdie Verpflichtung hierzu. Im Gegensatz zum Mietkaufmodell, bei dem ein geplanterVerkauf nicht zur Einkünfteerzielungsabsicht führt, wird vom BFH bei der Variantedes „Mietkaufmodells erweitert um eine Rückkaufgarantie“, bei dem auch schonwährend die Verluste entstehen, das Objekt verkauft werden kann(Unterpreisgarantie), eine Einkünfteerzielungsabsicht bejaht werden, weil hierbei derVerkauf nicht von vorneherein feststeht, sondern lediglich eine Option offensteht, dieeinen gegen Turbulenzen auf dem Immobilienmarkt absichert.Sind die Bedingungen also so gestaltet, daß eine Veräußerungsabsicht nicht vonvorneherein feststeht wie beim Rückkaufgarantiemodell, Argumente hierfür wärenz.B. persönliche Gründe (Beispiel der studierenden Tochter in Berlin, die auf einmalwoanders studieren muß, so daß die Rückkaufgarantie für die eigentlich für längergedachte Eigentumswohnung doch eingelöst werden muß), wird eine

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Einkünfteerzielungsabsicht bejaht und können Verluste steuerlich geltend gemachtwerden.

E. Persönliche Zurechnung von Einkünften

In § 2 EStG ist die Zurechnung, die Verbindung zwischen Steuersubjekt undSteuerobjekt, durch das Wort „erzielt“ normiert, daher wird sie auchVerbindungsnorm genannt. Die Zurechnung erfolgt also bei demjenigen, der denTatbestand der Einkünfteerzielung verwirklicht. Um dies zu verdeutlichenfolgende Fälle:

Fall 36

Rechtsanwalt R tritt eine Honorarforderung an seinen Sohn ab, indem R eine Stiftungberät, die dem Sohn daraufhin ein Stipendium gewährt.

Da die Erzielung nicht zu verstehen ist als die Frage nach dem Zufluß, sondern alsdie Frage nach dem Erwirtschaften, sind die Einkünfte dem Rechtsanwaltzuzurechnen.

Ergebnis:Der Rechtsanwalt hat also Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe desStipendiums.

Fall 37

Ein Vater schenkt seiner Tochter eine Wohnung unter Nießbrauchsvorbehalt, die aneinen Dritten vermietet wird.

Im Gegensatz zu den Arbeitseinkünften, bei denen man nur fragen muß, wergearbeitet hat, muß man bei den Vermögenseinkünften fragen, wer derNutzungsüberlasser des Vermögens ist (hingegen war es lange Zeit so (bis 1981),daß stets der Inhaber der Einkünfteerzielende war).Im einfachsten Fall überläßt der Kapitalbesitzer der Bank sein Geld und erhält dafürZinsen (respektive erzielt Einkünfte). Der Nießbraucher vermietet analog hierzuvorliegende Wohnung an einen Dritten und erhält dafür Miete.

Ergebnis:Der Akt der Nutzungsüberlassung des Kapitals macht also den Vater zumErzielenden der Einkünfte.

Fall 38

Ein Vater kauft seinem Sohn eine Eigentumswohnung im Kölner Uni-Center undräumt seinem Sohn einen Nießbrauch diesbezüglich ein, woraufhin der Sohn dieWohnung für monatlich 1500 DM vermietet. Kann der Sohn den an den Vatergesendeten Grundsteuerbescheid steuerlich geltend machen?

Der Verwirklichung des Nettoprinzips entspräche es, wenn die mit den zuversteuernden Mieteinnahmen eng in Verbindung stehenden Ausgaben

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mitberücksichtigt werden könnten. Die von Biergans vertretene Meinung wird vomBFH allerdings nicht geteilt.

Ergebnis:Zur Zurechnung von Aufwendungen gehört es nach BFH-Rechtsprechung auch, daßderjenige, der die Aufwendungen ansetzen möchte, diese auch wirtschaftlich trägt(sog. Kostentragungsprinzip). Es können also vom Sohn nur die selbst getragenenAufwendungen angesetzt werden. Der Vater, der die Wohnung gekauft hat (also dieAnschaffungskosten trug und die Grundsteuer bezahlt) ist daher derjenige, der dieAbschreibungen steuerlich geltend machen könnte, gleichwohl ist dies ihm nichtmöglich, da er keine Erwerbstätigkeit ausübt, sondern durch die Einräumung desNießbrauchs lediglich innerhalb seiner privaten Konsumssphäre umdisponiert hat.

Durch Vereinbarung eines „Nettonießbrauchs“ kann dies übrigens umgangenwerden. Der Sohn müßte dann dem Vater ein Entgelt knapp über der Höhe derKosten des Vaters (ein-schließlich Absetzung für Abnutzung (kurz AfA)) bezahlen.Der Vater erhielte dann Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die inVerbindung mit seinen Ausgaben nahe bei Null sind und der Sohn kann dieZahlungen an den Vater als Werbungskosten absetzen.

Wie man hieran sehen kann, wird der Dummensteuereffekt durch das praktizierteKostentragungsprinzip erheblich gefördert.

Zur Übung nun noch ein paar Beispiele (Frage: Wem sind die Einkünftezuzurechnen?):a)Gewerbetreibender G tritt eine Kaufpreisforderung an seinen Sohn ab.Dem Gewerbetreibenden sind die Einkünfte zuzurechnen, zumal dieKaufpreisforderung auch in seiner Bilanz aktiviert ist.b)Gewerbetreibender G beteiligt seinen Sohn als Kommanditisten mit Gewinnanteilam Unternehmen.Es liegt eine Schenkung vor. Ob die Mitunternehmerschaft des Sohnes steuerlichanerkannt wird, soll aber erst später an dieser Stelle behandelt werden.c)Landwirt L verpachtet seinen Hof an seinen Sohn.Ist der Vertrag wie unter fremden Dritten geschlossen worden, so sind Landwirt LEinkünfte aus Vermietung und Verpachtung zuzurechnen.d)Vater bestellt der Tochter einen Nießbrauch an seinen Wertpapieren.Nach einem Urteil aus dem Jahr 1976 wären, entgegen der Behandlung beimGrundstücksnießbrauch, die Einkünfte aus den Wertpapieren dem Vaterzuzurechnen. Aufgrund dieser fehlgegangenen Entscheidung wird einWertpapiernießbrauch nicht mehr praktiziert.e)Steuerberater S ist an einem Herzinfarkt gestorben; seine Witwe W zieht dieausstehenden Honorare von den Mandanten ein.Da der Tote, der die Einkünfte erwirtschaftet, diese in der Regel nicht mehrzugerechnet bekommen kann, hat man in § 24 Abs. 2 EStG eine Regelunggeschaffen, die dem Rechtsnachfolger diese Einkünfte zurechnet.f)Die Tennisspielerin G hat das Recht zur Vermarktung ihres Namens auf eineKapitalgesellschaft (N.V.) auf den niederländischen Antillen übertragen; alleinigeGesellschafter der N.V. sind G und ihr Vater. Wem sind die Einkünfte aus derVerwertung der Rechte zuzurechnen?

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Da die Tennisspielerin gearbeitet und dadurch die Einkünfte erzielt hat, müßten ihrschon vom System her die Einkünfte zuzurechnen sein. In der Praxis wird jedoch der§ 42 AO hinzugezogen und die Gesellschaft als dazwischengeschaltet qualifiziert.

Zu Beginn der Vorlesung ging Prof. Lang auf die Vertäge zwischen Angehörigen ein.Die Einkünfte innerhalb der Familie zu verteilen birgt einerseits den Vorteil, der sichaus der niedrigeren Progression ergibt, und zum anderen den Vorteil, der von derNutzung der etwaigen Abzüge stammt (hier ist z.B. der Grundfreibetrag in Höhe von12000 DM zu erwähnen). Es ist also steuerlich vorteilhaft Einkünfte aus einerErwerbstätigkeit verschiedenen Personen zuzuordnen.

Das einfachste Modell hierbei ist die sog. Familienpersonengesellschaft. Hierbeibeteiligt ein Einzelunternehmer, der sonst alle seine Einkünfte allein versteuernmüßte, beispielsweise in Form einer Kommanditgesellschaft bzw. GmbH&Co KG(aufgrund der Haftungsaspekte häufig verwandte Gesellschaftsform) seineFamilienangehörigen an seinen Einkünften und erreicht somit einFamilienrealsplitting.

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat die Anerkennung derVerträge zwischen Angehörigen festgelegt. In der sog. Chefintheorie wurde früherdie Zuordnung der Chefin, der Ehefrau des Unternehmers, zur Unternehmersphärevollzogen, was dann aber in einer Entscheidung wieder verworfen wurde. Allerdingsmüssen die Vertragsbedingungen bei Verträgen zwischen Angehörigen Bedingungenenthalten, wie sie auch bei fremden Dritten zustande kommen können(Fremdvergleich). Dieser Fremdvergleich spielt eine bedeutende Rolle, so auch inder Betriebsstättenabgrenzung im internationalen Steuerrecht. Gleichzeitig beinhalteter jedoch auch eine Diskriminierung, da er die in der Praxis häufig vorkommendenatypischen Vertragsgestaltungen von vorneherein ausschließt. Es wird also stets derVergleich zwischen wirtschaftlich vernünftig Handelnden angestellt.Für die steuerliche Anerkennung eines Vertrags zwischen Angehörigen ergeben sichfolgende Vorraussetzungen:1. ernstlich gewollt,2. zivilrechtlich wirksam,3. tatsächlich durchgeführt,4. Fremdvergleich (bei Leistungsaustausch),5. Schriftform (nicht zwingend, aber empfehlenswert zur Beweisführung).

Etwas problematisch gestaltet sich in praxi hierbei die Forderung nach derzivilrechtlichen Wirksamkeit. Sie gilt aber als Indiz für den tatsächlich gewolltenVertrag. Ein Konflikt mit § 41 AO wird daher von der Rechtsprechung nicht gesehen.Bei Verträgen mit Minderjährigen ist noch zu beachten, daß ein Ergänzungspflegerbestellt werden muß, da der eine Elternteil als ein Vertragspartner nicht kraftelterlicher Gewalt die Interessen des Kindes wahrnehmen kann, da er sich in einemInteressenkonflikt befindet. Vormundschaftsrechtlich muß diese Aufgabe daher einErgänzungspfleger übernehmen (bspw. der Taufpate). Die Forderung nach derzivilrechtlichen Wirksamkeit ergab sich durch die damals gängige Praxis, Verträgeabzuschließen, die von vorneherein unwirksam waren, die man aber solangeUnterhaltsverpflichtungen bestanden, beibehielt, um sich dann nach Ablauf derUnterhaltspflicht sofort auf die Unwirksamkeit des Vertrages bspw. mit dem Sohnoder der Tochter berufen zu können. Dies veranlaßte dann die Rechtsprechung diezivilrechtliche Wirksamkeit als Vorraussetzung zu fordern.

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Fall 39

Oder-Konto

Gewerbetreibender G beschäftigt seine Frau F in der Buchhaltung seinesUnternehmens. F hat einen Arbeitsvertrag wie vergleichbare Arbeitnehmer und istentsprechend qualifiziert. Das Gehalt wird vereinbarungsgemäß vom Firmenkontoauf das private Girokonto von G und F überwiesen, über das jeder der Ehegattenallein verfügen darf.

Aufgrund des Fremdvergleichs war der BFH der Ansicht, daß die Sphären derVertragspartner streng getrennt sein müssen und dies bei einem gemeinsamenKonto nicht der Fall ist und aus diesem Grund der Vertrag steuerlich auch nichtanzuerkennen ist.Das Bundesverfassungsgericht entschied anders. Einerseits kann bei normalem, ineiner Ehe üblichem Verhalten nicht von vorneherein angenommen werden, daß einVertrag nicht ordnungsgemäß durchgeführt wird. Außerdem würde es eineDiskriminierung der Ehe bedeuten, wenn künstlich eheunübliches Verhalten für diesteuerliche Würdigung einem Ehepaar abverlangt werden würde. Andererseits kanneine Abweichung von den Vorraussetzungen („das Haar in der Suppe“) nicht gleichden ganzen Vertrag steuerlich unbeachtlich machen, sondern es ist dieGesamtsituation abzuwägen und erst die Gesamtwürdigung soll darüberentscheiden, ob ein Vertrag zwischen Angehörigen anzuerkennen ist oder nicht.

Fall 40

Der evangelische Pfarrer P vereinbart mit seiner Ehefrau, daß sie einzelneseelsorgerische Besuche und Telefonanrufe übernimmt, um ihn zu entlasten. Dafürerhält sie 250 DM monatlich, die P als Werbungskosten im Rahmen seiner Einkünfteaus nichtselbständiger Arbeit geltend macht. Ist der Vertrag steuerlichanzuerkennen?

Ergebnis:Der BFH hat den Vertrag nicht steuerlich anerkannt, da die Annahme vonTelefonaten und der Besuch von Gemeindemitgliedern zum normalen Leben einerPfarrersfrau dazugehört. Die betroffene Tätigkeit ist also als familienrechtlicheVerpflichtung zu qualifizieren, was aber durchaus kritisch gesehen werden darf.Würde diese Arbeitsleistung nämlich an einen fremden Dritten weitergeleitet werden,wäre die Anerkennung unproblematisch.

Zusammenfassend ist zu den Verträgen zwischen Angehörigen festzuhalten, daßdiese vom Grundsatz her anerkannt werden müssen, gleichwohl sind gewisseVorraussetzungen zu erfüllen, vor allem müssen sie zivilrechtlich wirksam sein undeinem Fremdvergleich standhalten können.

F. Ermittlung der EinkünfteDie Einkünfte werden je nach Einkunftsart unterschiedlich ermittelt, was zuunterschiedlichen Ergebnissen führen kann und dadurch Probleme aufwirft. In der

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Einkommensteuer werden also Überschußeinkünfte anders ermittelt alsGewinneinkünfte und Gewinneinkünfte untereinander wiederum anders.In § 2 EStG sind Gewinneinkünfte und Überschußeinkünfte normiert. In § 2 Abs.2wird dann im Zusammenhang mit den Gewinneinkunftsarten (Ziel: Erfassung desReinvermögenszugang) auf die §§ 4 ff. EStG verwiesen, im Zusammenhang mit denÜberschußeinkünften (Ziel: Erfassung der Quelleneinkünfte) auf die §§ 8 ff. EStG.Hinzu treten noch die Ausnahmen von der Quellentheorie, nämlich die Veräußerungvon Anteilen an Kapitalgesellschaften bei wesentlicher Beteiligung und dieSpekulationsgeschäfte (§ 17 und § 23, Ziel: Ermittlung von Veräußerungseinkünftenaus Veräußerungen von Wirtschaftsgütern des Stammvermögens). Es ergibt sichdemnach ein dreiteiliges Raster.Im Bereich der Quelleneinkünfte wird eine Überschußrechnung durchgeführt.Im Bereich der Gewinneinkünfte wird in der Regel ein Betriebsvermögensvergleichangestellt. Der allgemeine Gewinnbegriff ist dabei, und dies geht aus dem § 4 Abs. 2EStG hervor, bilanz-abhängig, was sich auf den Charakter der Einkünfteermittlungauswirkt. Allerdings existiert in dem Bereich der Gewinneinkünfte wiederum eineAusnahme, und zwar die in § 4 Abs. 3 normierte Einnahmen-Überschußrechnung.Der Unterschied zwischen der Überschußrechnung im Sinne der Überschußeinkünfte(§ 4 Abs. 3 EStG) und dem bilanzabhängigen Gewinnbegriff liegt in derperiodengerechten Erfassung von Einkünften.

Die Überschußrechnung ist eine einfache Kassenrechnung. Es werden zufließendeEinnahmen mit abfließenden Ausgaben verglichen (Stromgrößenrechnung). DiesesZufluß- und Abfluß-prinzip ist in § 11 EStG geregelt.Zur Verdeutlichung folgendes Beispiel:Ein Gebrauchtwagenhändler kauft im Mai ein Auto von einem älteren Herren für10000 DM, verkauft es im Dezember wieder und erhält aber erst im Januar denKaufpreis von 15000 DM.Bei der Kassenrechnung/Überschußrechnung für Jahr 01 taucht nur der Einkauf von10000 DM auf, es findet eine Periodenverzerrung statt. Der Effekt der Zerschneidungdes Lebenseinkommens in einzelne Perioden wird durch die Kassenrechnung alsonoch gesteigert (dramatisches Beispiel des Architekten der erst nach 5 JahrenBauprojekt auf einen Schlag entlohnt wird).

Bei der Gewinnermittlung durch Bilanzierung werden Erträge mit Aufwänden inBeziehung gesetzt (Bestandsrechnung) und der ermittelte Differenzbetrag mit demermittelten Differenzbetrag der Vorjahresbilanz verglichen. Dadurch erhält man denReinvermögenszugang.In Bezug auf das Gebrauchtwagenbeispiel heißt das, daß sowohl der Einkauf alsAufwand eingebucht wird, als auch der Ertrag als Forderung in Höhe von 15000 DMeingebucht wird. Wird später dann bezahlt, wird lediglich von Forderungskonto aufPosition Kasse bspw. umgebucht. Im Ergebnis erhält man hierdurch einperiodengerechtes Ergebnis, gleichwohl erfordert diese Ermittlungsartbilanztechnische Fachkenntnisse und erheblichen organisatorischen Aufwand.

Die Ermittlung der Veräußerungseinkünfte (§ 17 und 23 EStG) erfolgt ebenfalls inkleinen Bestandsrechnungen, da der Kapitaleinsatz dem Veräußerungserlösgegenübergestellt wird.

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Überschußeinkünfte (§4 Abs. 3 EStG und § 8 ff.) werden noch modifiziert beiAnlagevermögen (da natürlich nicht hingenommen werden kann, daß der volleKaufpreis eines Gebäudes auf einmal abgesetzt werden kann), indemAbschreibungen angesetzt werden. Die Abschreibungen sollen laut BFH dazubeitragen, daß der Werteverzehr eines Anlagegutes berücksichtigt wird.

Im Einkommensteuerrecht existieren zusammenfassend demnach mehrereEinkünfteermittlungsarten. Zunächst sind hier die HauptermittlungsartenGewinnermittlung und Überschußermittlung zu nennen. Bei denGewinnermittlungsarten unterscheidet man zwischen dem bilanzabhängigenBetriebsvermögensvergleich und der Kassenrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG.Bei der Überschußrechnung werden einerseits Quelleneinkünfte erfaßt undanderer-seits ein kleiner Bestandsvergleich nach § 17 und § 23 EStGdurchgeführt. Wichtig ist noch, daß die Überschußrechnungen im Rahmen derÜberschußeinkünfte keine reinen Überschußrechnungen darstellen, sondern imBereich des Anlagevermögens, um dramatische Verzerrungen zwischen Einnahmenund Ausgaben zu vermeiden, auf Abschreibungen (Absetzungen für Abnutzung)zurückgegriffen wird.

Im Anschluß hieran beschäftigte sich Prof. Lang mit der personellen Zuordnung derGewinnermittlungsarten.Ist jemand dazu gesetzlich verpflichtet Bücher zu führen, so muß er bilanzieren undso seinen Gewinn ermitteln. Ist er nicht dazu verpflichtet kann er sich freiwillig zurBuchführung und Bilanzierung entschließen. Die Buchführungspflicht ist dabei nachGrößenkriterien geordnet und in § 141 AO geregelt.Geprüft wird also zunächst, ob jemand nach Handelsrecht buchführungspflichtig ist.Im Anschluß daran wird geschaut, ob jemand nach § 141 AO Bücher zu führen hat.Da der Gewinn von 48.000 DM in der Land- und Forstwirtschaft nicht allzu hochbemessen ist, müssen ziemlich viele Land- und Forstwirte Bücher führen. Für siegelten die normalen GoB, allerdings gibt es auch eine besondere Behandlung fürLand- und Forstwirte, welche weniger als 48.000 DM Gewinn machen (Sie ist in § 13a EStG niedergelegt). Nach dieser Gewinnermittlungsart werden nur ca. 60-80 % desRealgewinns aus Land- und Forstwirtschaft erfaßt.Nicht buchführungspflichtige Land- und Forstwirte können also interesanterweisezwischen freiwilliger Buchführung, Bilanzierung, Überschußrechnung undGewinnermittlung nach § 13 a EStG frei wählen.Bei den Gewerbetreibenden ist die spezielle Gewinnermittlung nach § 5 EStG zubeachten, die nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßigerBuchführung zu erfolgen hat (Maßgeblichkeit der Handels- für die Steuerbilanz). Sindsie nicht buchführungspflichtig, so können sie freiwillig Bücher führen und dieÜberschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG durchführen.Freiberufler sind nicht buchführungspflichtig (somit erfolgt meist Überschußrechnungnach § 4 Abs. 3 EStG) und sind auch nicht von § 141 AO erfaßt, können aberfreiwillig Bücher führen ((z.B. lohnend für Architekten) nach § 4 Abs. 1).

Mit der erfreulichen Nachricht, daß am 21. und 22. Dezember die Vorlesungen nichtstattfinden schloß Prof. Lang im Anschluß an diesen Überblick die Vorlesung.

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Aber nun noch zum besseren Verständnis folgende Abbildung:

Personenkreis GewinnermittlungsartLand- und Forstwirte, gesetzlich buch-führungspflichtig (insb. nach § 141 AO)oder freiwillig buchführend

Freiberufler, freiwillig buchführend

A1lgemeiner Betriebsvermögensvergleich(§ 4 Abs. 1 EStG)

Gewerbetreibende, gesetzlichbuchführungspflichtig(insb.Vollkaufleute/Handelsgesellschaften/Buchführungspflichtige nach § 141 AO)oder freiwillig buchführend

Betriebsvermögensvergleich fürGewerbetreibende (§ 5 EStG)

Freiberufler, nicht buchführend

Gewerbetreibende, weder gesetzlichbuchführungspflichtig (insb.Kleingewerbetreibende) noch freiwilligbuchführend

Land- und Forstwirte, weder gesetzlichbuchführungspflichtig noch freiwilligbuchführend und die Überschußrechnungnach § 13 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStGbeantragend

Betriebseinnahmen/-ausgaben-Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3EStG

Land- und Forstwirte, welche dieVorraussetzungen des § 13 a Abs. 1EStG erfüllen und nach § 13 a Abs. 2EStG keine andere Gewinnermittlungsartwählen

Gewinnermittlung nachDurchschnittssätzen

Zu Beginn der Vorlesung berichtete Prof. Lang von der höchst ereignisreichen Zeit imRahmen der sich jetzt konkretisierenden anstehenden Steuerpolitik. Waren diebislang öffentlich gewordenen steuerpolitischen Reformvorhaben eher als Beitragzum Steuerchaos zu beurteilen, ergibt sich nunmehr die Chance durch dieEinrichtung einer Unternehmensteuerreformkommission, der auch Prof. Langangehört, entscheidend zur Verbesserung der StandortwettbewerbspositionDeutschlands beizutragen. Es wird dabei das Ziel verfolgt, eine rechtsformneutraleUnternehmensteuer mit einem Steuersatz von 35 % zu schaffen.

Im Hinblick auf die Brisanz dieses Themas möchte ich an dieser Stelle einen kleinenÜberblick über die existierenden Konzepte geben (obschon dieses Thema eigentlichin die Vorlesung des Sommersemesters gehört). Damit der Faden aber nicht verlorengeht, packe ich dies in den Anhang dieser Mitschrift.

Einführend ging daraufhin Prof. Lang noch einmal auf die Ermittlung der Einkünfte imHinblick auf das ihnen zugrunde liegende System (Stichworte: Bilanzierung,Überschußrechnung und ergänzende Ermittlung von Veräußerungseinkünften, sowie

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privilegierende Einkünfteermittlung (§ 13 a EStG (in der Praxis eher unbedeutend, daBeträge meist höher als 48000 DM)) ein.

Hervorzuheben bleibt im Hinblick auf die Terminologie innerhalb derEinkünfteermittlung, daß es das Ziel des Betriebsvermögensvergleiches ist, eineperiodengerechte Zuordnung zu schaffen, so daß Verzerrungen vermieden werdenkönnen (siehe Beispiel Architekturbüro). Dieses Ziel zu erreichen ist jedoch miterheblichem technischen Aufwand (Buchführung) verbunden. Man spricht hierbei vonErtrag und Aufwand.

Dem steht die Einnahmen-/Werbungskosten- Überschußrechnung, die sichkassenmässig mit Einnahmen und Ausgaben (Werbungskosten) beschäftigt,gegenüber.

Dazwischen ist die Betriebseinnahmen-/Betriebsausgaben-Überschußrechnunganzusiedeln, die betrieblich veranlaßte Zu- und Abflüsse betrachtet.

Ein großes Problem im Steuerrecht stellt nun die Zuordnung eines Vorgangs zurErwerbsphäre auf der einen Seite oder zur Privatsphäre auf der anderen Seite dar.40 % aller Finanzgerichtsverfahren beschäftigen sich mit dieser Problematik.Diese Abgrenzung soll nun am Beispiel einer Autofahrt von der Wohnung zurArbeitsstätte dargestellt werden.Betrachtet man die gesetzliche Definition „Werbungskosten sind Aufwendungen zurErwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen“ (§ 9 Absatz 1 Satz 1 EStG)würde man diese Autofahrten eigentlich nicht steuerlich anerkennen können, da dieEntscheidung, ob man in der Nähe der Arbeitsstätte wohnt oder nicht, in derPrivatssphäre liegt. Die Einnahmen aus der beruflichen Tätigkeit werden davoneigentlich nicht berührt.

Im amerikanischen Steuerrecht werden daher solche Fahrten nicht anerkannt (nobusiness expensives).

Da jedoch in der Vorschrift über die Betriebsausgaben diese (§ 4 Absatz 4 EStG) mitdem Satz „Betriebsausgaben sind die Aufwendungen, die durch den Betriebveranlaßt sind“ definiert werden (Veranlassungsprinzip) und nach Meinung desBFH Ausgaben der Erwerbssphäre nicht bei den Gewinneinkünften nach anderenKriterien definiert werden können als in der Erwerbssphäre bei denÜberschußeinkünften, gilt für die Werbungskosten das Veranlassungsprinzip. Kannalso der erwerbsrelevanten Tätigkeit eine Ausgabe zugeordnet werden(Veranlassung durch die Erwerbstätigkeit), so ist diese zu den Werbungskosten zuzählen. Die Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte sind demnachWerbungskosten.

Diese Veranlassung läßt sich in drei Bereiche einteilen. Graphisch:

Veranlassung

rein gemischt rein betriebliche/berufliche private/betriebliche private Veranlassung Veranlassung Veranlassung

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Streng genommen wäre eine Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einegemischt private/ betriebliche Veranlassung.Der Gesetzgeber hat dies erkannt und in vielen Fällen der gemischt privaten/betrieblichen Veranlassung Sondertatbestände geschaffen. So ist im vorliegendenFall die Nr. 4 in § 9 Abs. 1 EStG entstanden.

Gewisse Aufwendungen dürfen bei betrieblicher/beruflicher Veranlassung nicht involler Höhe abgezogen werden (Nichtabziehbare Erwerbsaufwendungen).Dies wird bereits am Beispiel des angesprochenen Arbeitszimmers deutlich.Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie für die Kosten seinerAusstattung sind grundsätzlich nicht abziehbar, es sei denn, es bildet den Mittelpunktder gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung. In diesen Fällen wird einlimitierter Abzug gewährt.Die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sind beruflich veranlaßt. Alleinaufgrund der Tatsache, daß das Arbeitszimmer sich in der Wohnung, also derPrivatssphäre, des Steuerpflichtigen befindet, ist nicht darauf zu schließen, daß dieAufwendungen hierfür der Privatssphäre zuzuordnen sind. Wird trotzdem dieserSchluß gezogen, wird eindeutig das Nettoprinzip verletzt. Eine Begrenzung auf 2400DM ist demnach eigentlich nicht gerechtfertigt. Man denke in diesem Zusammenhangnur an einen Lehrer, der Klausuren korrigieren muß und dafür in der Schule effektivkeine Möglichkeit besitzt.

Um eine Norm wie bspw. diese Arbeitszimmerregelung einordnen und beurteilen zukönnen, braucht man an diese nur zunächst mit einem kausalrechtlichen Verständnisheranzutreten. Die Verletzung des Nettoprinzips durch dasArbeitszimmerabzugsverbot kann so schnell erkannt werden.

Ein anderes beachtenswertes Abzugsverbot findet sich in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7EStG. Dazu:

Fall 41

Ferrari

Handelsvertreter Hiphop kauft einen Ferrari (der eigentlich bevorzugte Mercedes mitFlügeltüren war nicht schnell genug lieferbar), um seine Kunden aus derMusikbranche standesgemäß zu beeindrucken. Die Modeaccessoires der aktuellenGangsterrapper-Kollektion bringt Hiphop nur mit Mühe und Not in seinemMusterkoffer auf dem Beifahrersitz unter. Sind die Kosten für den Ferrari alsBetriebsausgabe absetzbar?

Die Regelung in § 4 Abs. 5 EStG setzt voraus, daß die Aufwendungen für den Ferrarinach allgemeiner Verkehrauffassung als unangemessen angesehen werdenmüssen, um steuerlich als nicht abziehbar zu gelten. Es müßte alsobetriebswirtschaftlich vertretbar sein, ein solches Auto zu fahren (was mit der Höhedes Umsatzes wieder zusammenhängt). Nach der Rechtsprechung werdenAutokosten bis zu einer Höhe von 260000 DM Anschaffungskosten noch toleriert,sofern ein entsprechender umsatztechnischer Hintergrund besteht.

Ergebnis:

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Der Ferrari kann bestenfalls mit Anschaffungskostenanteil von 260000 DM in diesteuerliche Betrachtung eingehen und wird in den Folgejahren abgeschrieben. Einegemischte Veran-lassung ist also im vorliegenden Fall festzustellen, die zu einerAufteilung der Aufwendungen führt.

Wenn Aufwendungen sowohl betrieblich, als auch privat veranlaßt sind, gibt es alsozum einen die Möglichkeit, alle Ausgaben der Privatsphäre zuzuordnen (z.B. § 12EStG) und zum anderen die unangemessenen Ausgaben von den derErwerbssphäre zuzuordnenden Ausgaben zu unterscheiden.Die Kausalitätsfrage (gemischte Veranlassung) wird dabei im ersten Fall vomGesetzgeber durch das Institut der nicht abziehbaren Betriebsausgaben in zuvereinfachender Weise gelöst.Die in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG gefundene Lösung hingegen berücksichtigt dieKausalität angemessen.

Dasselbe Abgrenzungsproblem stellt sich natürlich auch auf der Einnahmenseite. Sowerden Mitarbeitern häufig Güter zur Verfügung gestellt, die als zusätzlicherArbeitslohn zu qualifizieren sind. Beispiele hierfür sind Dienstwagen, die auch fürPrivatfahrten genutzt werden, oder Starköche, die für Teile der Beschäftigten kochen.

Ein weiteres Beispiel bietet folgender Fall

Fall 42

Goldenes Stethoskop

Der Chefarzt Sauerbruch kauft für seine Privatpraxis ein goldenes Stethoskop, dasvoll funktionsfähig ist. Können die Anschaffungskosten steuerlich geltend gemachtwerden?

Ein Stethoskop berührt die Lebensführung nicht und wird (in der Regel) rein„betrieblich“ genutzt. Dahinter steht die Philosophie, daß dem Unternehmer nichtvorgeschrieben werden kann, welche Kosten von ihm zu verursachen sind. D.h. fürden rein betrieblich veranlaßten Bereich kann betriebswirtschaftlich rationalesVerhalten nicht aufoktroyiert werden, und somit sind unangemessen hohe Ausgabenbei betrieblicher Veranlassung voll absetzbar.

Ergebnis:Die Aufwendungen für das goldene Stetoskop sind rein betrieblich veranlaßt unddaher voll absetzbar.

Zusammenfassend ist festzustellen, daß durch die Erwerbstätigkeit Aufwendungenveranlaßt werden können, welches im Betriebsausgabenbegriff und demWerbungskostenbegriff näher beschrieben wird. Deklaratorisch werden hierzu vomGesetzgeber in § 12 Absatz 1 EStG Aufwendungen, die durch die Lebensführungveranlaßt sind, als nicht abziehbar gewertet, was ja bereits aus demBetriebsausgaben-/Werbungskostenbegriff folgt.Die Ausnahme hiervon bildet dann jedoch § 12 Absatz 2 EStG, in dem auch dann einAbzugsverbot festgeschrieben wird, wenn die Aufwendungen mit der Förderung des

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Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen verbunden sind. Ein gemischtveranlaßter Bereich wird hierdurch der Lebensführung voll zugeordnet. Derhistorische Anlaß für die Einführung dieser Vorschrift lag in dem Mißbrauch durchRepräsentationsaufwendungen, also Aufwendungen der Lebensführung, die manvom steuerlichen Abzug ausschließen wollte (Beispiel: Bankvorstand lädtGeschäftspartner und Freunde zu einer Party in seinem Haus ein).

Der Ärztekongreß in Davos ist ein weiteres Beispiel für die Auswirkungen desAbzugverbots. Der BFH hat die Kongreßkosten komplett nicht zum Abzugzugelassen. Besser wäre es natürlich, würde man in solchen Fällen einen Teilanerkennen, selbst wenn die Ermittlung dieses Anteils Probleme bereitet.

Die Abgrenzung von Privataufwendungen und Berufsaufwendungen erfolgt leiderwillkürlich.

Abschließend ist also festzustellen, daß bei rein betrieblich oder rein privatenAufwendungen in der Regel keine Probleme auftreten, wohingegen bei gemischterVeranlassung enorme Abgrenzungsschwierigkeiten auftreten. Nach derWesentlichkeitstheorie sollte man eine Aufteilung der Aufwendungen durchführen,wenn beide, sowohl betrieblich als auch private, Veranlassungsgründe vorliegen.Eine Abweichung hiervon verletzt das Nettoprinzip.

Zum besseren Verständnis folgende kausalrechtliche Fälle, bei denen folgendesPrüfungsschema angewandt werden kann:

Prüfung gemischt veranlaßter Aufwendungen:

1. Besteht ein spezielles Abzugsverbot gem. §§ 4 Abs. 5, 9, 12 EStG?2. Welche Handlungen haben die Aufwendungen verursacht?3. Sind die Aufwendungen ,,wesentlich beruflich" oder ,,wesentlich privat" veranlaßt?

a) Bei wesentlich betrieblich/beruflich veranlaßten Aufwendungen ist der Abzuggrds. involler Höhe zulässig; bei wesentlich privat veranlaßten Aufwendungen greiftdagegen das Abzugsverbot des § 12 Nr.1 EStG.

b) Sind die Aufwendungen sowohl wesentlich durch eine Erwerbshandlung, alsauch zugleich wesentlich durch die Lebensführung veranlaßt, so sind sie nachder Rspr. nur aufzuteilen, wenn eine zutreffende, leicht nachprüfbare Trennungmöglich ist (anerkannt z.B. für Telefon, Betriebs-Kfz). In allen anderen Fällengilt das ,,Aufteilungs- und Abzugsverbot"; insoweit hat § 12 Nr. 1 EStGkonstitutive Wirkung.

Fall 43

Handelsvertreter H verursacht auf dem Weg zu einem Kunden einen Verkehrsunfall,bei

dem ein Schaden in Höhe von 15.000 DM entsteht. Ursache:H nahm die Hände vom Lenkrad, um eine heruntergefallene Zigarette aufzuheben.

Ergebnis:

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Das unfallverursachende Rauchen wurde in diesem Fall als unwesentlich bewertet.Die Betriebsausgaben wurden voll anerkannt.

Fall 44

Handelsvertreter H verursacht auf dem Weg zu einem Kunden einen Verkehrsunfall,bei dem ein Schaden in Höhe von 15.000 DM entsteht. Ursache:

H hatte einen erfolgreichen Geschäftsabschluß gefeiert und war angetrunken.

Ergebnis:Das unfallverursachende Trinken wird als wesentlich bewertet. Die Betriebsausgabenwerden nicht anerkannt.

Diese Art „Schweinehundtheorie“ ist schwer nachzuvollziehen. Wenn ein Arzt voneiner Gaststätte aus zu einem Unfallort gerufen wird (er macht sich vielleicht strafbar,wenn er nicht dorthin fährt) und einen Unfall hat, würde dies nicht steuerlichanerkannt, was nach normalem Verständnis fehlgeht.

Fall 45Bei einer privaten Urlaubsfahrt mit dem Firmen-Pkw wird dieser zerstört.

Ergebnis:Es liegt hier eine eindeutige private Veranlassung vor.

Eigentlich müßte im Zeitpunkt der Zerstörung der Pkw als private Entnahme zumderzeitigen Zeitpunkt ausgebucht werden.

Fall 46Eine Fernsehansagerin möchte ihre hohen Kosten für Kosmetika und Kleidung alsWerbungskosten geltend machen.

Ergebnis:Nur bei typischer Berufskleidung (Richterrobe, Uniform) läßt man den Abzug zu.

Fall 47Einem Arbeitnehmer wird auf einer Dienstreise Geld und ein Koffer gestohlen.

Eigentlich liegen hier aber beruflich veranlaßte Aufwendungen vor (Beispiel:Journalist in Beirut). Der BFH urteilt aber anders.

Ergebnis:Die Vermögensschädigung wird der Privatsphäre zugeordnet. Daher keinsteuerlicher Abzug.

Fall 48

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Polizist P nimmt einen Straftäter fest, der nach seiner Freilassung aus Rache dasPrivatauto des P in Brand setzt. Kann P den Schaden von 8.000 DM alsWerbungskosten von seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehen?

Ergebnis:Die Aufwendungen sind dem Steuerpflichtigen völlig unfreiwillig entstanden unddurch seine Erwerbstätigkeit veranlaßt. Sie sind darum als Werbungskostenanzuerkennen.

Zu Beginn der Vorlesung ging Prof. Lang noch einmal kurz auf die Rechtsprechungdes BFH ein, welche den Werbungskosten- und Betriebsausgabenbegriff einheitlichnach dem Veran-lassungsprinzip definiert. Sind also Aufwendungen durch denBetrieb oder beim Arbeitnehmer durch seine nichtselbständige Arbeit (beiKapitalvermögen durch Kapitalüberlassung/bei Vermietung und Verpachtung durchdie Vermietung oder Verpachtung) veranlaßt, werden sie nach bereits erwähntemGrundschema als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten zum Abzug zugelassen.Probleme treten auf, wenn Kosten weder der Privat- noch der Erwerbssphäreeindeutig zugeordnet werden können und somit gemischte Veranlassung vorliegt.Diese Problematik wurde teils vom Gesetzgeber geregelt, indem Pauschalen oderAbzugs-beschränkungen eingeführt wurden oder sogar Abzugsverbote (§ 12 EStG)in das Einkommen-steuergesetz übernommen wurden.Richtiger wäre es gewesen, wenn wie in § 4 Abs 5 Nr. 7 EStG die Angemessenheitfür alle gemischt veranlaßten Aufwendungen als Kriterium erkannt worden wäre, dieAufwendungen „angemessen“ aufzuteilen.

Einige Abzugsverbote, und dies ist noch hinzuzufügen, dienen dem Schutz derRechtsordnung. Hierzu ist gleichsam das Abzugsverbot für Schmier- undBestechungsgelder (§ 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG) zu zählen.Strafgelder für Preisabsprachen galten früher nach BFH-Rechtsprechung alsbetrieblich veranlaßt und daher steuerlich abziehbar. Dies wurde durch denGesetzgeber dann aber durch die Einfügung des § 4 Abs. 5 Nr. 8 EStG abgestellt.Das Nettoprinzip wird zwar hierbei verletzt, ist aber gerechtfertigt auf der Grundlagedes Grundsatzes der Einheit der Rechtsordnung. Die Halbierung desSanktionszwecks der Strafe durch steuerliche Anerkennung kann nichthingenommen werden. Sie wird daher als nicht abziehbare Betriebsausgabebehandelt.Da der Vorgang allerdings sowieso in die private Opfersphäre fällt, kann man schonvon vornherein dieses Strafgeld der Privatsphäre zuordnen.

In den USA besteht übrigens eine viel einfachere Regel. Dort sind alleAufwendungen, die gegen amerikanisches Recht verstoßen, nicht abziehbar.

Der Bereich der vorab entstandenen und nachträglichen Erwerbsaufwendungensoll anhand folgenden Falles erklärt werden:

Fall 49

Ein arbeitsloser Schlosser absolviert einen Meisterlehrgang, um seine beruflichenChancen zu verbessern. Daneben bewirbt er sich laufend bei verschiedenen

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Arbeitgebern. Kann er die Aufwendungen für den Lehrgang und die Reisekosten fürdie Vorstellungsgespräche mit seinen positiven Einkünften aus Vermietung undVerpachtung verrechnen?

Wäre der Schlosser beschäftigt, so würden seine Ausbildungsaufwendungen alsFortbildungs-kosten im Rahmen der Sonderausgaben Beachtung finden (§ 10 Abs. 1Nr. 7 EStG). Sie fielen aber in die Privatsphäre und wären nicht als Werbungskostenoder Betriebsausgaben abziehbar.In der Prüfungsreihenfolge wird also zunächst geprüft, ob1. die Aufwendungen als Werbungskosten oder Betriebsausgaben zu qualifizieren

sind oder2. Sonderausgaben vorliegen.

Aus der Formulierung „oder seine Weiterbildung in einem nicht ausgeübten Beruf“des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG läßt sich eigentlich schließen, daß dieseWeiterbildungsaufwendungen keine Werbungskosten sind. Gleichwohl wird dies vonder Rechtsprechung nicht so konsequent gesehen, so daß, wenn ein konkreterVeranlassungszusammenhang besteht, Werbungskosten zu bejahen sind.

Ergebnis:Im vorliegenden Fall ist eine konkrete Zuordnung der Weiterbildungskosten zurberuflichen Tätigkeit möglich, d.h. die Weiterbildungskosten sind als Werbungskostenzu qualifizieren und nicht als Berufsausbildungskosten anzusehen.

(Intensiv zu diesem Thema (vielleicht auch für Examenskandidaten) Drenseck in dernächsten Ausgabe von StuW)

Die Aufwendungen für ein Studium im allgemeinen werden mangels konkretemVeranlassungszusammenhang der Privatssphäre zugeordnet und stellen keineWerbungskosten dar (Anders bei einem Zweitstudium bei gleichzeitiger Beurlaubungin der WP-Gesellschaft).

Würde der arbeitslose Schlosser übrigens vortragen, er habe vor, sich demnächstselbständig zu machen, so wären seine Aufwendungen vorab entstandeneBetriebsausgaben (keine Liebhaberei, da Gewinnerzielungsabsicht vorlag).Ist er sich indessen aber unsicher, ob er später Arbeitnehmer oder Selbständigersein will, sind die Aufwendungen weder als Werbungskosten noch alsBetriebsausgabe qualifizierbar und daher nicht absetzbar (Dies sieht Drenseckübrigens anders und würde daher gerne diese Vorgehensweise abändern).

Bei nachträglichen Erwerbsaufwendungen (Fall der nach zwei Jahren nachAuflösung eines Geschäftsbetriebes eingehenden Rechnung, die zu bezahlen ist)besteht in der Regel ein Veranlassungszusammenhang.

Ein anderes schwieriges Thema betrifft den sog. Drittaufwand, wenn alsoAufwendungen, die Dritte tragen (z.B. man wird in einer Fahrgemeinschaftunentgeltlich mitgenommen), von einem selbst angesetzt werden.

Fall 50

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Vater Verschwend schenkt seinem Sohn Sorglos einen Geldbetrag von 50.000 DM,den dieser dazu verwendet, einen Mittelklassewagen zu kaufen, um ihn in seinenneu gegründeten Geschäftsbetrieb einzubringen. Kann der Teilwert von Sorglosabgeschrieben werden?

Ergebnis:Es liegt eine Schenkung in der Privatsphäre vor. Der Kauf des Autos ist hiervonabzuschichten, so daß das Auto also betrieblich genutzt wird (mit allenKonsequenzen, die sich daraus ergeben).

Schön wäre es, wenn solche Vorgänge immer in Zuwendung und anschließendeAufwendung unterschieden würde.Die Rechtsprechung ist aber leider der Ansicht, daß derjenige, der die Kosten auchtatsächlich (wirtschaftlich) getragen hat, auch allein das Recht auf Abzug besitzt (vgl.Beispiel Nettonieß-brauch bei Wohnungsvermietung).Dies widerspricht dem Gedanken, daß durch die Zuwendung auch hierausentstehende Vorteile mitübertragen werden. Zudem wäre es im Sinne desNettoprinzips, wenn die Aufwendungen, unabhängig davon wer sie wirtschaftlichträgt, den ihnen zugehörigen Erträgen zugeordnet werden könnten.

Fall 51

Ein verheirateter Richter hat in einem den Ehegatten gemeinsam gehörendenEinfamilienhaus ein Arbeitszimmer. Steht ihm die auf das Arbeitszimmer entfallendeAfA auch zu, soweit sie den Miteigentumsanteil seiner Ehefrau betrifft? UnterstellenSie, daß die Voraussetzungen für den WK-Abzug nach §§ 4 V 1 Nr. 6b, 9 V EStGvorliegen.

Es ist hier also zu entscheiden, ob bspw. 10% oder 5 % der Gebäude-AfA (dieAnschaffungskosten für das Gebäude haben beide Ehepartner je zur Hälftegetragen) ansetzbar sind.

Ergebnis:Nach derzeitiger Rechtsprechung wird der Zuwendungsgedanke noch angewandt.Es ist eine private Entscheidung unter Eheleuten (familienrechtliche Entscheidung),ob einer der Ehepartner einen Teil des Hauses ganz für sich beansprucht. Es wirdalso auch im Hinblick auf den Miteigentumsanteil der Ehefrau die hierauf entfallendeAfA gewährt.

Diese Rechtsprechung widerspricht dabei ganz klar dem Kostentragungsprinzip.Würde dieses angewandt, müßten die Eheleute durch Gestaltung (Mietvertrag) sichden vollen Abzug sichern. Anders wurde in der neueren Rechtsprechungentschieden.

Fall 52

Die Eheleute E kaufen gemeinsam ein Grundstück mit Einfamilienhaus, welches siezur Hälfte zu privaten Wohnzwecken nutzen (1. Stock). Das Erdgeschoß nutzt FrauE für ihre Arztpraxis, wobei Herr E seiner Frau ,,seine Hälfte" des Erdgeschossesunentgeltlich zur Nutzung überläßt. Den Erwerb des Hauses finanzierten die

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Eheleute E zur Hälfte mit einem gemeinsam aufgenommenen Darlehen, zur Hälftemit gemeinsamen Ersparnissen. Dabei ordnen sie das Darlehen der Praxis zu undmachen die Zinsen voll als Betriebsausgabe im Rahmen der Praxis geltend. Ist daszulässig?

Ergebnis:Hier kommt nun der Kostentragungsgedanke zum Zuge. Nur der Anteil, den dieEhefrau finanziert hat und der auf die Praxis entfällt, kann als AfA abgesetzt werden.

Dieser Widerspruch in der Rechtsprechung soll durch eine bald zu erwartendeEntscheidung des BFH abschließend geklärt werden.

Fall 53

Bauen auf fremden Boden

Eine Ehefrau stellt ihrem Mann, der Anwalt ist, ein unbebautes Grundstück zurVerfügung. Dieser bebaut es anschließend und möchte die Gebäude-AfA für seineAnwalts-GmbH geltend machen. Kann er das?

Ergebnis:Das Gebäude kann als Wirtschaftsgut aktiviert und abgeschrieben werden, da nachdem Kostentragungsprinzip die Herstellungskosten von dem Anwalt getragenwerden.

In diesem Fall braucht man also nicht Eigentümer zu sein, um AfA-berechtigt zu sein.Problematisch wird dies dann, wenn die Ehefrau dann das Grundstück veräußert, dader Veräußerungsgewinn steuerfrei bleibt. Wäre man für klare Verhältnisse undwürde man als Anwalt auch das Grundstück der Ehefrau kaufen und in die Bilanzübernehmen, müßte ein evtl. Veräußerungsgewinn versteuert werden(Dummensteuereffekt).

Andererseits hängen solche Lösungen auch immer vom Zustand einer Ehe ab, daBauen auf fremden Boden bei einer etwaigen Scheidung widerum enorme Problemeaufwerfen könnte.

Abschließend bleibt noch zu erwähnen, daß die Rechtsprechung auf diesSteuersparmodell reagiert hat mit der Folge, daß wenn ein unbebautes Grundstückunentgeltlich überlassen wird, eine Nutzungsentschädigung vereinbart werden muß,um zu verhindern, daß die Herstellungskosten für das Gebäude dem Privatbereichzugeordnet und die AfA versagt werden.Dies führt dazu, daß also im betrieblichen Bereich die Differenz zwischenHerstellungskosten und Zeitwert versteuert werden.

Damit schloß Prof. Lang diesen Bereich ab und wendete sich demBetriebsvermögensvergleich nach §§ 4 Abs. 1 und 5 Abs. 1 EStG zu.

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In § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ist definiert, daß der „Gewinn der Unterschiedsbetragzwischen den Betriebsvermögen am Schluß des Wirtschaftsjahres und demBetriebsvermögen am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres vermehrt umden Wert der Entnahmen, vermindert um den Wert der Einlagen“ ist. Dies giltnatürlich unter der Prämisse der Bilanzidentität der beiden Schlußbilanzen. BeiAuffinden eines unrichtigen Bilanzansatzes bspw., werden alle Bilanzen daraufhindurchkorrigiert. Die Verankerung der Periodisierung der Rechnungslegung (§ 5Absatz 1 EStG) gehört dabei eigentlich zu diesem Gewinnbegriff dazu und wäre aucheher in § 4 Abs. 1 EStG aufzuführen, anstatt in § 5 EStG.Vereinfacht kann man sich merken, daß der Betriebsvermögensvergleich denVergleich von zwei Schlußbilanzen beinhaltet.Die betriebliche Sphäre wird desweiteren durch die Formulierung „vermehrt um denWert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen“ von der nicht-betrieblichen Sphäre abgegrenzt. Werden z.B. innerhalb eines Wirtschaftsjahres ausder Kasse des Unternehmens durch den Unternehmer 50.000 DM entnommen (beieinem Eigenkapital in Höhe von 100.000 DM), so werden am Schluß desWirtschaftsjahres diese 50.000 DM hinzugerechnet. Es erfolgt in so einem Fall eineWertabgabe zu außerbetrieblichen Zwecken.

Hieraus ergeben sich vier Grundbegriffe:

1. Ertrag Vergleich zweier Schlußbilanzen2. Aufwand (hierzu gehört die periodisierende Rechnungslegung)

3. Einlage Spezifikation des steuerlich erwirtschafteten4. Entnahme Gewinns

Nimmt man die 50.000 DM aus obigem Beispiel, um mit der Sekretärin nach Mexikoin den Urlaub zu fahren, handelt es sich dementsprechend um eine Entnahme,verwendet man sie für einen Werbefeldzug, so handelt es sich um betrieblichenAufwand. Eine Entnahme ist also eine Wertabgabe aus dem Betriebsvermögen fürandere betriebsfremde Zwecke.Analog sind Wertzuführungen aus dem nicht-betrieblichen Bereich Einlagen. DerEinlagenbegriff dient aber neben der Abgrenzung von Betriebs- und nichtbetrieblicher Sphäre noch dazu, betriebliche Erträge von Wertzugängen, die nichterwirtschaftet worden sind, abzugrenzen.Im Ergebnis sind also Ertrag und Aufwand Begriffe, die mit dem, was erwirtschaftetwurde, in Zusammenhang stehen, wohingegen Einlage und Entnahme dem nichterwirtschafteten zuzuordnen ist.Mit dieser Unterscheidung sind enorme Steuerfolgen verknüpft. Hierzu ein Beispiel:

Vor zwanzig Jahren wurde ein Betriebsgebäude für 500.000 DM gekauft. Auf Grundund Boden entfallen 50.000 DM, der Rest wird abgeschrieben, so daß insgesamtnoch 100.000 DM in den Büchern stehen. Das Gebäude ist inzwischen jedoch2.000.000 DM wert. Dadurch, daß die Familie des Unternehmers nun in diesesGebäude einzieht (bei vorangegangener Betriebsverlagerung) sind nun 1.900.000DM Entnahmegewinn zu versteuern.

Um solche Gewinnrealisierungen, es wird der Verkehrswert (Teilwert) mit demBuchwert verglichen, steuerrechtlich zu vermeiden, müssen spezielle Lösungenentwickelt werden.

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Handelsrechtlich entsteht so ein Problem hingegen nicht, da der Buchwert bestehenbleibt.

Abschließend bleibt also festzustellen, daß der Entnahmen-/Einlagenbegriff gemäßdes Gewinnbegriffs nach § 4 Abs. 1 EStG somit dramatische Folgen (Stichwort:„Sprengstoff“) durch Gewinnrealisierungen beinhalten kann, wenn stille Reservenaufgedeckt werden müssen.

Zum Schluß der Vorlesung ging Prof. Lang auf die Frage ein, welche Normen derRechnungslegung im Steuerrecht gelten sollen. Dies kommt in § 5 EStG zumAusdruck. Im Mittelpunkt des gesamten Bilanzsteuerrechts steht nämlich die sog.Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz (§ 5 EStG: „...dasBetriebsvermögen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßigerBuchführung auszuweisen ist“).Sie wurde zum Ende des 19. Jahrhunderts installiert, um ausVereinfachungsgründen die steuerliche Rechnungslegung an die handelsrechtlicheRechnungslegung anzubinden. Nun enthält aber das klassische Handelsrecht instarkem Maße den Gläubigerschutzgedanken, nach dem nur das ausgewiesenwerden darf, was tatsächlich am Markt auch realisiert ist, so daß der Gläubiger auchsicher darauf zurückgreifen kann.Diese („über“)vorsichtige Sichtweise ist allerdings nicht mehr zeitgemäß, da in Zeitender rasant fortschreitenden Globalisierung die internationale Sichtweise des „true andfair“ view immer mehr an Bedeutung erlangt. Die Beibehaltung der Maßgeblichkeit istdaher bedroht.Das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit kollidiert zudem mit demVorsichtsprinzip (Gläubigerschutzgedanken), da dem Anspruch, den wirklicherwirtschafteten Gewinn auszuweisen, bei zu vorsichtiger Bilanzierung („man rechnetsich ärmer, als man ist“)nicht in seiner Gesamtheit entsprochen werden kann.

Der Jahresabschluß steht im Spannungsfeld zwischen dem amGläubigerschutzgedanken orientierten Handelsrecht und den daraus resultierenden(zu arm gerechneten) Ansätzen für die Steuerbilanz (Maßgeblichkeit) einerseits undder Indikatorfunktion für die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit andererseits.Deutlich wird dieser Konflikt bspw. bei der Teilwertabschreibung bei Büchern.Entgegen der stets möglichen Wertbestimmung einiger Wirtschaftsgüter desUmlaufvermögens (z.B. bei Aktien), existieren in einem UnternehmenVermögensgegenstände, deren Wert nicht genau zu bestimmen ist. Im Buchhandelsind ältere Buchbestände (quasi Ladenhüter) praktisch nicht mehr zu verkaufen unddaher wertlos. Dem wird bislang Rechnung getragen, indem man diese Beständevon den Herstellungskosten abschreibt. Wird jedoch ausnahmsweise dann dochnoch ein Buch verkauft, müßte eigentlich wieder zugeschrieben werden, was in praxijedoch nicht geschieht.Daher stehen diese Teilwertabschreibungen zur Disposition und sollen sogargänzlich abgeschafft werden. Betrachtet man allerdings die Probleme in Japan, dienicht zuletzt daher rühren, daß diese Teilwertabschreibungen nicht vorgenommenwurden, erkennt man, daß die pauschale Abschaffung der Teilwertabschreibunggewiß ein gänzlich falscher Weg ist. Abgesehen davon stellt die Abschaffung derTeilwertabschreibung eine verfassungsrechtliche Verletzung des Nettoprinzips da.

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Allgemein, und dies ist in allen Ländern so, ist aber die grundsätzlicheVorgehensweise festzustellen, daß der handelsrechtliche Jahresabschluß materiellnoch für die Anwendung des Steuerrechts modifiziert werden muß, um eine beliebigeBildung von stillen Reserven zu unterbinden.Damit sich zudem ein fremder Dritter in die Rechnungslegung einarbeiten kann, mußnoch die formelle, aus den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung abzuleitendeBilanzerstellung gemäß den handelsrechtlichen Vorschriften in die steuerrechtlicheRegelung übernommen werden.

Zusammenfassend ist festzustellen, daß die formelle Seite der Rechnungslegungwohl beibehalten wird, wenngleich sich materiell im Rahmen derInternationalisierung der Rechnungslegung (hin zum „true and fair view“) abzeichnet,daß eine schrittweise Abkehr vom Vorsichtsprinzip das Konfliktfeld zwischenBesteuerung nach der Leistungsfähigkeit und gläubiger-schutzorientierterhandelsrechtlicher Rechnungslegung wohl entschärfen wird.

Nach dieser grundlegenden Einführung zum Betriebsvermögensvergleich und dernäheren Betrachtung der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz gehtes im folgenden um die Grundbegriffe der Einkünfteermittlung.

Ein Grundbegriff der Einkünfteermittlung ist das sog. Wirtschaftsgut. Spricht manhandelsrechtlich von Vermögensgegenständen und Schulden, so wird dies imSteuerrecht allein durch diesen Begriff umfaßt, d.h. ein Wirtschaftsgut kann sowohlnegativ als auch positiv sein. Dieser Begriff steht ferner im System einerperiodengerechten Einkünfteermittlung und darf daher nicht allein statischinterpretiert werden (obschon er grundsätzlich mit dem handelsrechtlichen Begriffdes Vermögensgegenstandes übereinstimmt) sondern sollte auch dynamischinterpretiert werden. Ein Beispiel eines solchen dynamischen Elements sindRückstellungen.Bei Rückstellungen werden handelsrechtlich Rückstellungen aufgrund und ohneVerpflichtung gegenüber einem Dritten unterschieden. Zu den ersteren zählenDrohverlustrückstellungen, Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten und dieKulanzrückstellung. Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebendenGeschäften allerdings sind jedoch nach § 5 Abs. 4 a EStG steuerrechtlich nicht zubilden, was die dynamische Komponente der Definition des Begriffs Wirtschaftsgutstark einschränkt.

Zusammenfassend läßt sich die Problematik des Begriffes Wirtschaftsgut wie folgtgliedern:

Wirtschaftsgut

Problem 1 Problem 2 Problem 3Begriff umfaßt dynamische sachenrechtlichauch negative Betrachtung ist einheitliche Be-Wirtschaftsgüter miteinzubeziehen trachtung muß

aufgesplittet werden

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Die dritte Problematik hat zur Folge, daß beispielsweise Grund und Boden zum einenin abschreibbare (Grundstücke) und nicht-abschreibbare (Gebäude) Wirtschaftsgüterund zum anderen in betrieblich und privat genutzte Wirtschaftsgüter unterteiltwerden. In der Praxis gibt es allerdings unterschiedliche Regelungen. So wird beiImmobilien gesplittet, hingegen wird bei Mobilien nicht gesplittet. Ein Auto bspw.,welches nur zum kleinen Teil privat genutzt wird, wird voll dem Betrieb zugeordnet.

Ein weiteres Thema des Wirtschaftsgutbegriffes ist die steuerliche Behandlungimmaterieller Wirtschaftsgüter. In § 5 Abs. 2 EStG werden nur entgeltlich erworbeneimmaterielle Wirtschaftsgüter zur Aktivierung zugelassen. Der Vermögenswert einesimmateriellen Wirtschaftsgutes wird erst realisiert, der Vorteil „erst“ greifbar, wenndies Wirtschaftsgut Gegenstand eines Leistungsaustausches wird (Beispiel desFilmproduzenten). Es muß also stets überprüft werden (statische Betrachtung), obein greifbarer Vorteil entstanden ist. Dies ist in der Regel der Fall, wenn ein Entgeltgezahlt wurde.

Im Gesetz nicht verankert, aber dennoch zu erwähnen, ist der Grundsatz, wonachhandels-rechtliche Wahlrechte der Aktivierung im Steuerrecht Aktivierungsgebotedarstellen, sowie handelsrechtliche Passivierungswahlrechte im Steuerrecht einPassivierungsverbot bedeuten (Gefahr der Verschleierung steuerlicherLeistungsfähigkeit (Rechtsprechung 1969)).

Entnahmen und Einlagen sind weitere Grundbegriffe der Gewinnermittlung.Entnahmen sind Wertabgaben aus dem Betriebsvermögen für anderebetriebsfremde Zwecke. Einlagen sind als Pendant hierzu Wertzuführungen in dasBetriebsvermögen.Dazu folgender Fall

Fall 54

Eine Rentnerin stellt ihrem Ehemann, dynamischer Jungunternehmer, ein bebautesGrundstück zur betrieblichen Nutzung unentgeltlich zur Verfügung, wobei derEhemann zudem auch noch die Abschreibungen nutzen soll. Ist der Vorgang alsEinlage zu qualifizieren?

Ergebnis:Laut BFH-Rechtsprechung (1988) sind Nutzungen nicht einlagefähig, da sich sonstaus unentgeltlichen Nutzungsüberlassungen unbegrenzte Abschreibungspotentialeergeben könnten.

Hier ist wieder das Kostentragungsprinzip auszumachen. Die Kosten, die der Ehefrauentstehen, sind Aufwendungen, die steuerlich nicht berücksichtigt werden können.

Würde allerdings ein entgeltlicher Nießbrauch entstehen, ist die Aktivierung zulässigund Abschreibungen möglich.Durch Gestaltung kann also leicht die steueroptimale Situation herbeigeführt werden.

Dramatische Auswirkungen liegen in der Besteuerung von Entnahmegewinnen. DieEntnahme wird nämlich zum sog. Teilwert angesetzt. Der Teilwert ist derVerkehrswert, der einen Teil des Veräußerungspreises des ganzen Betriebes

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darstellt. Dieser Wert kann sehr unterschiedlich hoch sein (Zum einen im Fall, beidem der ganze Betrieb verkauft wird (da die Kombination der einzelnenWirtschaftsgüter im Verbund in der Regel einen höheren Wert ergeben) zum anderender Fall der Veräußerung des Wertes zum Zerschlagungswert (Liquidationswert)).

Aufgrund der enormen Steuerfolgen, die mit einer Entnahme verknüpft sein können,ist es daher ratsam, als späterer Steuerberater seinen Mandanten speziell auf dieProblematik des Unterschiedsbetrags zwischen Teilwert (Verbundwert) undniedrigerem Liquidationswert (Zerschlagungswert) hinzuweisen.

Betriebsvermögen

In der Rechtsprechung unterscheidet man zwischen notwendigem Betriebsvermögengewillkürtem Betriebsvermögen und notwendigem Privatvermögen.Bei notwendigem Betriebsvermögen handelt es sich um solche Wirtschaftsgüter,die unmittelbar den Zwecken des Betriebes zu dienen bestimmt sind. Es handelt sichhierbei also um Wirtschaftsgüter, die für Zwecke des Betriebes genutzt werden.Daneben steht das gewillkürte Betriebsvermögen.Gewillkürtes Betriebsvermögen ist nicht unmittelbar dazu bestimmt, dem Betrieb zudienen. Es steht jedoch in einem gewissen Zusammenhang mit dem Betrieb, da esobjektiv als Vermögensanlage- und Ertragsobjekt dem Betrieb dienen kann undsubjektiv durch Einlage zu Betriebsvermögen erklärt wird.Zur Verdeutlichung kann als Beispiel hierfür der Kauf eines Miethauses dienen.Fallen in der Regel lediglich Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung an, wirddurch Aktivierung dieses Miethauses im Rahmen einer Einlage das Mietobjekt zumBetriebsvermögen gemacht.

Problematisch hierbei ist aber, daß der unternehmerische Gewinn zwar durchAbschreibungen gemindert werden kann, jedoch bei einer Entnahme der Teilwertdieses Mietobjektes anzusetzen ist, d.h. die während der Zugehörigkeit zumgewillkürten Betriebsvermögen entstandene Wertsteigerung des Mietobjektes wirddann voll im betrieblichen Gewinn erfaßt.

Durch das geplante Steuerentlastungsgesetz bedingt ist allerdings zu erwarten, daßbei Wegfall der Verrechnung von Verlusten aus Einkünften aus Vermietung undVerpachtung mit Gewinneinkünften der Anteil des gewillkürten Betriebsvermögenswieder zunehmen wird.

Abschließend ist noch das notwendige Privatvermögen zu erwähnen. Hierzu gehörenWirtschaftsgüter, deren tatsächliche Funktion nur eine Zuordnung zumBetriebsvermögen zuläßt (Beispiel: Schmuck). Bei notwendigem Privatvermögenhandelt es sich also um Gegenstände, die privaten Zwecken dienen und einemkonkreten betrieblichen Zweck weder unmittelbar noch mittelbar dienen können.

Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, abgekürzt GoB, gehören ebenfallszu den wichtigen Grundbegriffen der Gewinnermittlung. Unter den Grundsätzenordnungsmäßiger Buchführung ist die Gesamtheit der Regeln zu verstehen, dieerforderlich sind, um alle Geschäftsvorfälle zu erfassen und den Jahresabschluß zu

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erstellen. Dabei ist zwischen formellen und materiellen Grundsätzenordnungsmäßiger Buchführung zu unterscheiden.

Die formellen GoB ergeben sich aus den §§ 238 Abs.1 Satz 2; 239 Abs.1, Abs.II;243 Abs.1, Abs.2; 252 Abs.1 Nr.3 HGB, entsprechend gelten die §§ 145, 146 AO; siebefassen sich mit der äußeren Form der Buchführung, die so beschaffen sein muß,daß sie einem sachverständigen Dritten in angemessener Zeit einen Überblick überdie Lage des Unternehmens vermittelt.

Bei den materiellen GoB handelt es sich um verschiedene Prinzipien, die dasErgebnis der Bilanz bestimmen:

Prinzip der Wahrheit und Vollständigkeit gem. der §§ 239 Abs. 2 HGB, 146 Abs.1 Satz 1 AO.Prinzip der Bilanzidentität und Bilanzkontinuität gem. § 252 Abs. 1 Nrn. 1, 6HGBVorsichtsprinzip gem. § 252 1 Nr.4 HGB, unterteilt in das Realisationsprinzipund dasImparitätsprinzipNominalwertprinzip (Mark=Mark)Stichtagsprinzip § 252 l Nr.3 HGB

Heftig wurde stets in diesem Zusammenhang die Frage diskutiert, wann denn einGewinn realisiert ist (Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, der Leistung oderBezahlung des Entgelts?).

Laut BFH-Rechtsprechung bspw. zum § 23 EStG wird (wirtschaftlich vernünftig) mitdem Abschluß des Kaufvertrags die Entstehung des Anspruchs begründet. Dies wirdauch international so gesehen.Allgemein ist dies aber in Deutschland nicht der Fall, was in der handelsrechtlichenGläubiger-schutzorientierung und dem daraus sich ableitenden Vorsichtsprinzipbegründet liegt.Erst wenn die Leistung bei einem Kaufvertrag auch erbracht ist, ist der Wert amMarkt realisiert und darf handelsrechtlich nach dem Realisationsprinzip auch aktiviertwerden. Eine Forderung kann erst geltend gemacht werden, wenn ein Unternehmerseine Lieferung oder sonstige Leistung erbracht hat.

Es bleiben zwei Fragen, die anhand der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführungbeantwortet werden müssen:1. ,,Ob" der Bilanzierung (Bilanzierung dem Grunde nach)2. ,,Wie" der Bilanzierung (Bilanzierung der Höhe nach)

Das „Ob“ der Bilanzierung fragt danach, ob ein Wirtschaftsgut vorliegt. Das „Wie“betrifft die Frage, in welcher Höhe der Wert für das Wirtschaftsgut festgelegt werdensoll.

Hierbei tritt das Problem der sog. umgekehrten Maßgeblichkeit auf. Da steuerlicheWahlrechte bei der Gewinnermittlung in Übereinstimmung mit der Handelsbilanzauszuüben sind, werden steuerliche Erwägungen maßgeblich für den Ansatz in derHandelsbilanz. Das Ausüben eines steuerlichen Wahlrechts bestimmt dieBilanzierung des „Wie“ (in welcher Höhe) des Bilanzansatzes in der Handelsbilanz.

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Das Ergebnis des Betriebsvermögensvergleichs im Sinne der §§ 4 Abs. 1 und 5 Abs.1 EStG hängt also nicht nur davon ab, was als Bilanzposition aktiviert oder passiviertund was als Einlage/Entnahme behandelt wird, sondern wesentlich auch davon, wiedie Bilanzposten, die Einlagen und Entnahmen bewertet werden.

Die Bewertung von Wirtschaftsgütern kann zu Anschaffungskosten,Herstellungskosten oder zum Teilwert erfolgen und durch die Anwendung vonAbschreibungen und Zuschreibungen näher bestimmt werden.

Der Begriff der Anschaffungskosten wird für das Steuerrecht aus dem HGB (§ 255Abs. 1) herangezogen und umfaßt (vereinfacht ausgedrückt) alle Aufwendungen, dieden erstmaligen betriebsbereiten Zustand eines Wirtschaftsgutes herbeiführen.Der Herstellungskostenbegriff nach § 6 EStG entspricht demHerstellungskostenbegriff nach § 255 Abs. 2 und Abs. 3 HGB.Probleme entstehen hier bei der Abgrenzung zwischen Anschaffungs- undHerstellungskosten und sofort als Aufwand abzuziehendem Erhaltungsaufwand.

Der Teilwert ist der Wert eines Wirtschaftsgutes in einem lebenden Unternehmen.Er kann stark vom gemeinen Wert (Verkehrswert) abweichen.

Absetzungen für Abnutzungen (AfA) oder Absetzungen für Substanzverringerungsind bei der Gewinnermittlung zusätzlich zu berücksichtigen.

In der heutigen Vorlesung ging Prof. Lang auf das Thema der Gewinn- undVerlustrealsierung ein.Zunächst ist hierzu festzustellen, daß die Gewinn- und Verlustrealisierung einemSystem handelsrechtlicher und spezifischer steuerrechtlicher Prinzipien unterliegen,die feststellen, wann ein Gewinn oder Verlust realisiert ist. HandelsrechtlichePrinzipien sind vor allem das Vorsichtsprinzip mit den beiden UnterprinzipienRealisationsprinzip (Verbot der Gewinnantizipation) und Imparitätsprinzip (Gebot derVerlustantizipation).Als steuerrechtliche Prinzipien treten hierzu dann das Prinzip derBuchwertfortführung und das Prinzip der Steuerentstrickung. Das Prinzip derBuchwertfortführung ist teils gesetzlich konkretisiert (z.B. bei Umstrukturierungen(Umwandlungssteuergesetz)) und teils nicht gesetzlich konkretisiert, so daß in vielenBereichen die Rechtsprechung letzliche Klarheit schaffen mußte.

Die Grundproblematik soll an folgendem Fall näher erläutert werden:

Fall 55

Unternehmer U vererbt seinem Sohn seinen Betrieb, dessen Betriebsvermögen zumTeil Gebäude besitzt, deren Anschaffung in den fünfziger Jahren erfolgte. ZumTodeszeitpunkt des U betragen die tatsächlichen Zeitwerte dieser Gebäude einzehnfaches der in der Bilanz stehenden Buchwerte. Sind die stillen Reserven nachGrundsatz der Individualbesteuerung aufzudecken?

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Einerseits liegt nach der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit in dem Sterbendes Unternehmers eine Betriebsaufgabe in der Person des Erblassers vor und somitinsgesamt eine Totalentnahme, d.h. daß alle stillen Reserven aufgedeckt werdenmüßten und Einkommen-steuer zu bezahlen wäre.Andererseits führt die Bewertungsproblematik leicht zu einer unsicheren, wennnicht gar zur übermäßigen Besteuerung der aufzudeckenden stillen Reserven(Beispiel für die Bewertungsproblematik: Nach dem Stuttgarter Verfahren wurde einUnternehmen mit 20 Millionen DM bewertet und hierauf Erbschaftsteuer bezahlt,kurze Zeit später dieses aber für 120 Mio DM weiterveräußert). Darüberhinaus trittein Liquiditätsproblem für die Erben auf, was dazu führen kann, daß dasUnternehmen aufgegeben werden muß, wobei vermutlich nur schlechtere Preiseerzielt werden können, als sonst am Markt zu erzielen wären.

Dieses Grundproblem wird durch das Prinzip der Buchwertfortführung gelöst. Beispäterer Veräußerung werden die stillen Reserven aufgedeckt, und es kommt zurBesteuerung des Wertzuwachses. Solange aber der Erbe das Vermögen imUnternehmen belässt (ruhendes Vermögen), können die Buchwerte beibehaltenwerden. Dadurch wird zwar das Prinzip der Besteuerung nach der persönlichenLeistungsfähigkeit verletzt und die intersubjektive Übertragung stiller Reservenzugelassen, dies wird jedoch durch das Markteinkommensprinzip und dasÜbermaßverbot gerechtfertigt.

Ergebnis:Der Grundsatz der Individualbesteuerung wird aufgrund des zu befürchtendenSchadens nicht konsequent angewandt. Solange also die stillen Reserven in derSteuerverstrickung verbleiben, können die Buchwerte weitergeführt werden. Werdensie jedoch ins Privatvermögen überführt oder in ein nicht besteuertesBetriebsvermögen einer ausländischen Betriebsstätte, muß dann aufgrund desEntstrickungsgrundsatzes die stille Reserve aufgedeckt und versteuert werden.

Um die Möglichkeit zur Umstrukturierung nicht zu gefährden wird übrigens eine ArtBuchwertfortführung mit dem Instrument der steuerfreien Rücklage zugelassen (§ 6b EStG).Vorraussetzung hierfür ist, daß die Umstrukturierung aus objektiver Sicht operativveranlaßt ist. Muß man also gewisse Wirtschaftsgüter im Rahmen einerBetriebsumstrukturierung veräußern, so werden die Erträge aus dieser Veräußerungin eine steuerfreie Kapitalrücklage eingestellt. Diese wird dann bei Anschaffunganderer Wirtschaftsgüter wieder aufgelöst. Im Ergebnis wird dadurch der Buchwertder alten Wirtschaftsgüter auf die neuen Wirtschaftsgüter übertragen (BerühmtesBeispiel Flick und der Verkauf seiner Daimler Aktien und Kauf von amerikanischenAktien).Ob diese Vorgehensweise als Steuervergünstigung anzusehen ist oder als Norm, dieden Grundsatz der Buchwertverknüpfung entspricht, ist nicht abschließend geklärt.Aufgrund der Ausweitung allerdings ist wohl eher die Qualifikation alsSteuervergünstigung sachgerecht.

In diesem Zusammenhang ist ebenfalls die Rücklage für Ersatzbeschaffung zunennen. Brennt ein Betriebsgebäude nieder, welches in der Bilanz weitestgehendabgeschrieben wird, und zahlt die Versicherung hierfür ihre Prämie, so wird diesePrämie nicht ergebniswirksam, sondern der Buchwert des abgebrannten

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Betriebsgebäudes auf das neu errichtete Gebäude übertragen. Diese Übertragungder stillen Reserven ist jedoch nur bei Beschaffung des Ersatzwirtschaftsgutes imgleichen Jahr möglich.

Zusammenfassend ist festzustellen, daß als Gewinnrealisierungstatbestände derEntnahme-tatbestand und der Tatbestand der Betriebsaufgabe (= Totalentnahme)anzusehen sind, die durch Buchwertfortführung und Steuerentstrickung ergänztwerden müssen.Dies kann in einer Vielzahl von Varianten geschehen.

Beispiel 1

Ein Hotelier ist den Gästestreß leid und verpachtet sein Hotel.

Es liegt ein Einkunftsartenwechsel vor. Das würde bedeuten, daß der Hotelier diestillen Reserven aufdecken müßte (wobei die Bewertung gewiß immer ein Problemdarstellen wird) und in Zukunft Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung beziehenwürde.

Ergebnis:Es liegt jedoch nach Rechtsprechung ein Wahlrecht vor. Der Hotelier kann ebensoden Gewerbebetrieb fortführen. Dadurch wird es ihm natürlich möglich, die für ihngünstigste Alternative auszuwählen, d.h. seine Leistungsfähigkeitsfaktoren selbst zubestimmen, was zu einer Verschlechterung der Verwirklichung des Grundsatzes derBesteuerung nach der Leistungsfähigkeit führt.

Beispiel 2

Ein Bauer striegelt lieber als zu melken und wandelt seinen Bauernhof in einenReiterhof um.

Ergebnis:Die Buchwertfortführung ist bei einer Umwandlung eines land- undforstwirtschaftlichen Betriebes in einen Gewerbebetrieb möglich.

Fall 56

Realteilung mit Spitzenausgleich

Eine Personengesellschaft, die zwei Kinos betreibt, wird aufgelöst. JederGesellschafter bekommt ein Kino:

A: gemeiner Wert des übernommenen Kinos 400.000 DM Ausgleichszahlungdes B an A: 100.000 DM

B: gemeiner Wert des übernornmenen Kinos 600.000 DM

Unterliegt der Vorgang der Einkommensteuer?

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Wären die Buchwerte der Kinos gleich, würde sich kein Problem stellen, da beideKinos nach Buchwerten fortgeführt werden können. Hier wird aber die Realteilungeiner Personengesellschaft mit einer Ausgleichszahlung durchgeführt. Dabei istbesonders, daß eben ein Anteil am Kino des B von A an B verkauft wird. Es handeltsich hier also um einen Veräußerungsakt.

Ergebnis:Daraus folgt, daß insoweit der Veräußerungspreis geleistet wird, der anteiligeBuchwert durch Offenlegung der stillen Reserven in Höhe des Anteils auf dentatsächlichen anteiligen Buchwert berichtigt wird. Der Veräußerungsgewinn(Differenz zwischen Buchwert und Veräußerungs-preis) ist anschließend zuversteuern.

Dieses Problem kann leider nur allzu leicht durch Einlage in die Gesellschaftumgangen werden. In Höhe des Ungleichgewichts wird eine Einlage eingebracht, diedann eine hälftige Teilung ohne Ausgleichszahlung ermöglicht.

Der Fall der Erbauseinandersetzung kann weniger gut durch Gestaltung gelöstwerden.

Fall 57

Erbauseinandersetzung

E besitzt ein Einzelunternehmen (Buchwert 500.000 DM, gemeiner Wert 1 Mio. DM)und ein privat vermietetes Mehrfamilienhaus (historische Anschaffungskosten desGebäudes 400.000 DM, Wert des Grundstücks einschl. Grund und Boden 800.000DM). E fährt am 1.4.01 unvermutet gegen einen Baum und verstirbt. Erben sind SohnS und Tochter T zu je ½. Im Rahmen der Erbauseinandersetzung einigen sich S undT im März 02, daß S das Einzelunternehmen fortführt und T das Mehrfamilienhauserhält. Außerdem zahlt S an T 100.000 DM in bar. Unterliegt der Vorgang derEinkommensteuer?

Im Wortlaut des § 15 EStG ist die Erbengemeinschaft nicht explizit genannt.Dennoch können nach BFH-Rechtsprechung nicht nur Gesellschaften, sondern auchGemeinschaften Mitunternehmer sein (Dies kann übrigens zu Problemen führen,wenn z.B. der Sohn auf einmal auf seine zu 50 % mitleitungsbefugte Schwester beiUnternehmensentscheidungen Rücksicht nehmen muß, obwohl er vorher schon alsJuniorchef im Unternehmen auftrat).

Die Konsequenz, die sich hieraus ergibt, ist, daß zunächst ertragsteuerlich dasUnternehmen weiterbetrieben wird, als ob nichts weiter passiert wäre.

Auf der zweiten Stufe sind dann die Erbauseinandersetzungen zu betrachten.

Würde nur ein Unternehmen (Buchwert 500.000 DM, Gemeinwert 2 Mio DM) alsErbmasse existieren und die Tochter würde vom Sohn abgefunden werden (mit 1Mio DM), so würde eine Veräußerung vorliegen und vom Sohn im jetzt ihmgehörenden Unternehmen 750.000 DM Veräußerungsgewinn zu versteuern sein.

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Im vorliegenden Fall erbt ersteinmal die Tochter ein Haus und der Sohn einenLöwenanteil am Unternehmen (90 %). Den übrigen Anteil (10 %) erbt zudem nochdie Tochter, die diesen an ihren Bruder verkauft. Diese 10 % des Unternehmensbetragen 100.000 gemeinen Wert und 50.000 DM Buchwert.Da aber nun im Rahmen der Veräußerung offenbar wird, daß die 50.000 DMBuchwert in Wahrheit 100.000 DM „am Markt“ erzielt haben, werden die 50.000 DMBuchwert auf 100.000 DM Buchwert aufgestockt, so daß am Ende der Buchwert550.000 DM beträgt.

Ergebnis:Der Sohn hat für den jetzt höher ausgewiesenen Buchwert (zusätzliche 50.000 DM)in Höhe der Veränderung Einkommensteuer zu bezahlen (also 50.000 DM mehrBuchwert zu versteuern). Die Schwester muß eventuell noch denVeräußerungsgewinn versteuern. Das Haus kann weiter zu den historischenAnschaffungskosten fortgeführt werden, da es nicht zur Teilung innerhalb derImmobilie kommt.

Ein Teil des nicht klar aufzuteilenden Vermögens wird also als Buchwert fortgeführtund der andere Teil wie ein Veräußerungsgewinn behandelt. Es gilt also immerzunächst das Veräußerungsgeschäft zu identifizieren. Der anteilige Buchwert desVeräußerungsgeschäfts wird auf Erwerberseite zu den Anschaffungskosten in derBilanz aktiviert, während auf der Veräußererseite ein entsprechenderVeräußerungsgewinn entsteht.

Gestalterisch kann dieses Problem nicht (wie bei der Realteilung) durch Einlageumgangen werden. Für den Steuerberater empfiehlt es sich daher, seine Mandantenvorher zu einer klaren Regelung für den Fall ihres Ablebens zu bewegen. DurchAufstockung des Betriebsvermögens hat der potentielle Erblasser die Möglichkeit, dieGegenstände des Unternehmens gleichwertig zu halten, ohne daßVeräußerungsgewinne zu versteuern sind.

Für den Fall, daß ein Haus vererbt wird, werden die ursprünglichen Herstellungs-bzw. Anschaffungskosten übrigens ebenfalls zu Buchwerten fortgeführt (§ 11 dEStG). Wird das Haus dann jedoch erworben, erhält man neue Anschaffungskostenund neue Bemessungsgrundlagen für die Abschreibungen.

Das vorliegende Konzept der Einkünfteermittlung ist leider nichtentscheidungsneutral und besonders gestaltungsanfällig. Die häufigstenGestaltungsmodelle profitieren dabei vom Dualismus der Einkünfteermittlung. AlsBeispiel ist ein besonders prägnanter Fall eines Architekten zu nennen, der überJahre ein Drittel des Personals eines Finanzamtes fesselte und auf der anderenSeite mehrere Anwälte beschäftigte, um die Frage zu klären, ob Einkünfte ausGewerbebetrieb oder Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vorlagen. DieserRessour-cenverschwendung sollte aus gesamtwirtschaftlicher Sicht dringend Einhaltgeboten werden.

Das Anliegen von Prof. Lang ist es daher, die sieben Einkunftsarten auf drei zureduzieren und zwar auf:

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1. Unternehmerische Einkünfte2. Lohneinkünfte3. Einkünfte aus Privatvermögen (Wertpapiereinkünfte etc.)

Das Reformvorhaben (Entwurf eines Steuergesetzbuchs) sollte dabei im Sinne einerCash Flow Steuer Zinseinkünfte vor den Gefahren einer Inflation bewahren.Einzahlungen in einen Vermögensfonds sollten demnach abzugsfähig,Auszahlungen aus einem Vermögensfonds hingegen steuerpflichtig sein.

Gelänge die Reduktion auf drei Einkunftsarten und sähe man für jede Einkunftsarteine sachgerechte Ermittlung vor, so könnte man im Ergebnis das Ziel einerökonomisch entscheidungsneutralen, gleichmäßigen synthetischen Besteuerungnach der Leistungsfähigkeit bald erreichen.Die Erfolge in Kroatien, wo dieses Reformprojekt bereits verwirklicht ist, lassen klarerkennen, wie die Abgrenzungsproblematik auch in Deutschland entschärft werdenkönnte

Die jetzige Situation läßt die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform desSteuerrechts deutlich werden.

So herrschen in Deutschland zum einen erhebliche Abgrenzungsproblemezwischen den Gewinneinkunftsarten.

Dies betrifft zum einen das Verständnis der Abgrenzung zwischen Einküften ausLand- und Forstwirtschaft und der Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Einkünfte ausLand- und Forstwirtschaft werden dabei als die Einkünfte definiert, die aus eigenemGrund und Boden stammen. Daher sollte man sich merken, daß Einkünfte aus Land-und Forstwirtschaft die Urproduktion betreffen.Gesetzlich wird dies technisch durch ein Verhältnis Vieh pro Fläche ausgedrückt(Vieh-einheiten § 13 EStG). Die Tierbestände sind nach Futterbedarf inVieheinheiten umzurechnen, so daß, wenn Futter dazugekauft werden muß (also dereigene Grund und Boden nicht ausreicht das Vieh zu ernähren) man davonausgehen kann, daß es sich schon um gewerbliche Viehzucht handelt (Beispiel:Hühnerfarm).

Der Grund, warum der Begriff des Land- und Forstwirts so ungeheure Bedeutungbesitzt, liegt in der Subventionierung dieses Berufsstandes. Es gibt keineBerufskategorie, die massiver gefördert wird als die der Landwirtschaft. Dies sindneben den eher unbedeutenden Privilegien des § 13 a EStG enorme EU-Subventionen und milliardenschwere Steuersubventionierungen durch diePauschalierung des Umsatzsteuerabzuges. Außerdem besteht keine Gewerbesteuerpflicht. Und all dies hängt kurioserweise von den Vieheinheiten ab.

Es ist sogar festzustellen, daß fast das gesamte Budget der EU für die Förderung derLandwirtschaft ausgegeben wird. Getragen wird das vom normalen Steuerzahler.Reformbedarf besteht also und nicht zuletzt deshalb, weil durch den EU-BeitrittTschechiens, Ungarn und Polens die gleiche Förderung der Landwirtschaft nichtmehr zu bezahlen wäre. Dieser Subventionsabbau wird allerdings in Zukunft noch

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vor großen Durchsetzungsschwierigkeiten begleitet sein (Stichwort: „Keine Schnitzelmehr in Budapest“).

Der Zustand ist übrigens als besonders unerträglich zu betrachten, wenn man inBetracht zieht, daß von den Subventionen am meisten Großbetriebe profitieren, dieohnehin im großen Maß leistungsfähig sind.

Die andere problembehaftete Abgrenzung innerhalb der Gewinneinkünfte betrifft dieAbgrenzung Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit und Einkünfte ausGewerbebetrieb.Hier spielt die Gewerbesteuer eine große Rolle, die bei Einkünften aus selbständigerArbeit (noch?) nicht zu entrichten ist.

Die freiberufliche Tätigkeit erfüllt dabei in der Regel alle Kriterien der gewerblichenTätigkeit, gleichwohl gehört sie nach § 15 II EStG nicht dazu. Die Kennzeichen, diefür das Vorliegen einer gewerblichen Tätigkeit sprechen, sind:

Ausbildung auf höherem Niveau eigene geistige Leistung persönliche Leistung Eigenverantwortlichkeit überwiegend akademische Berufe

Um ein Gefühl für die Problematik der Qualifizierung zu erhalten folgende Fälle:

1. A bestreitet seinen Unterhalt aus der Veräußerung von Landschaftsbildern, die erselbst inÖl- und Acrylfarben malt. Diese Bilder tragen häufig die gleichen Motive, siewerdenjedoch stets frei entworfen und ohne Schablonen erstellt.

Im Gegensatz zum Gebrauchsmaler, bei dem die Kreativität so eingeengt ist, daß ernicht mehr als Selbständiger einzuordnen ist, liegen hier aufgrund der freienMalweise Einkünfte aus selbständiger Arbeit vor.

2. B ist medizinischer Bademeister. Seine Tätigkeit besteht darin, Bädereinschließlich Saunabäder zu verabreichen.

Es liegen Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor.

3. Architekt A läßt die fachliche Arbeit allein durch seine fünf Mitarbeiter ausführen.Er befaßt sich ausschließlich mit der Beschaffting von Aufträgen und derErledigung des kaufmännischen Teils seines Betriebs.

Es liegen Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor, da hier keine weitere Verantwortlichkeitvorliegt.

Der Architekt besitzt nicht aufgrund eigener Fachkenntnisse weitereVerantwortlichkeit.

4. B ist Synchronsprecher.

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Keine herausragende künstlerische Leistung, daher Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

5. X ist Privatdetektiv.

Ebenfalls Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

6. A ist Berater für Datenverarbeitung. Die Beratung beschränkt sich auf dieVerwendung bereits vorhandener Anlagen.

Wiederum Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

7 B ist Apotheker.

Es liegen erneut Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor.

8. Architekt A beschäftigt fünf fachliche Arbeit verrichtende Mitarbeiter. Neben derBeschaffüng von Aufträgen arbeitet er selbst leitend mit, erstellt Entwürfe vonBauplänen und übernimmt Bauleitungen.

Da der Architekt nicht mehr allein kaufmännisch tätig ist (Vgl. Fall 3), sondernaufgrund eigener Befähigung gestaltend und leitend mitarbeitet, liegen Einkünfte ausselbständiger Arbeit vor.

9. X ist Werbe- und Modefotograf. Er erstellt Modefotos, Fotomontagen undfotografische Modezeichnungen.

In aller Regel (heftig umstritten) liegen Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor.

10.S ist akademischer Bildhauer und Restaurator. Er stellt Baudenkmäler (z.B.Kirchen, Schlösser) und darin befindliche beschädigte Stuckornamente wiederher.

Es liegen Einkünfte aus selbständiger Arbeit vor.

11.M fällt nach Abschluß des Medizinstudiums dreimal durch die Examensprüfüng.Danach verschaft er sich gefälschte Abschlußpapiere und läßt sich als Arzt fürAllgemeinmedizin nieder.

Es liegen Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor, da keine ausreichende fachlicheQualifikation vorliegt.

Die Abgrenzung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu denunternehmerischen Einkünften beinhaltet ein weiteres Problemfeld. Hier wird oftversucht, die Lohnnebenkosten zu umgehen.Der Wortlaut („Arbeitnehmer sind Personen, die in öffentlichem oder privatem Dienstange-stellt oder beschäftigt sind oder waren und aus diesem Dienstverhältnis odereinem früheren Dienstverhältnis Arbeitslohn beziehen.“(§ 1 Abs. 1 LstDV) und in Abs.2: „Ein Dienstverhältnis liegt vor, wenn der Angestellte...seine Arbeitskraft schuldet.Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen

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Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismusdes Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen ver-pflichtet ist“) ist dabei leider nichtso genau zu nehmen. Anstelle dessen treten zwei Kriterien:

1. Die Weisungsgebundenheit und2. die Eingliederung in einen fremden Organismus

muß vorliegen, um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (steuerrechtlicherArbeitnehmerbegriff) zu begründen.

Um eine Abgrenzung vollziehen zu können, muß also herausgefunden werden, wasals typisch an der Tätigkeit identifiziert werden kann.

Vorstandsvorsitzende (kaum weisungsgebunden) bspw. sind arbeitsrechtlichUnternehmer, obwohl sie ökonomisch nicht das Risiko für ein Unternehmen tragen.Sollten Verluste dann auftreten (Beispiel: Bremer Vulkan) so muß derMitverantwortliche hierfür keine persönlichen wirtschaftlichen Konsequenzen darausziehen.Als Gewerbetreibender müßte der Vorstandsvorsitzende übrigens eine Bilanzerstellen, was ebenfalls deutlich macht, daß es bei der Unterscheidung Einkünfte ausGewerbebetrieb und Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit häufiger auf dasMerkmal der Eingliederung in einen fremden Organismus ankommt.

Bei Handelsvertretern, die das Risiko selber tragen, handelt es sich in der Regel umEinkünfte aus Gewerbebetrieb.

Rundfunkermittler

Neben der Gewerbesteuer ist die Nichtsteuerbarkeit von VeräußerungsgewinnenMotiv bei der Abgrenzungsproblematik zwischen Einkünften aus Vermietung undVerpachtung und Einkünften aus Gewerbebetrieb.

Zum besseren Verständnis folgender Fall:

Fall 58

Der Auswanderer

Chefarztsohn Peter Punk hat „keinen Bock mehr“ auf „Rot-Grün“ und will in dieSchweiz auswandern, um in den Bergen abzuspannen. Um seinen bisherigenLebensstandard halten zu können, verkauft Punk das seit drei Jahren in seinemBesitz befindliche Mehrfamilienhaus (23 Eigentumswohnungen). Liegen Einkünfteaus Gewerbebetrieb vor?

Ob die Intention des Grundstückhandels vorliegt, kann anhand desquellentheoretischen Konzepts ermittelt werden. Wer Quelleneinkünfte erwirtschaftet,richtet seine Einkünfteerzielungsabsicht nicht auf die Umschichtung desStammvermögens (Ankauf/Verkauf) sondern möchte mit einem erworbenen Objekt

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langfristig Fruchtziehungseinkünfte (Quelleneinkünfte) erzielen. Tritt dieUmschichtung des Stammvermögens jedoch in den Vordergrund, liegen gewerblicheEinkünfte vor.

Ob nun im vorliegenden Fall eine Beendigung der Vermögensverwaltung odergewerblicher Grundstückshandel vorliegt, wird aber leider nach neuererRechtsprechung nicht mehr für die Würdigung ins Kalkül gezogen, da dieFinanzverwaltung davon ausgeht, daß der Steuerpflichtige immer ein Vorliegen derBeendigung der Vermögensverwaltung angibt.

Wenn demnach innerhalb von fünf Jahren mehr als drei Objekte veräußert werden,liegt gewerblicher Grundstückshandel vor. Die Spekulationsfrist wird dadurchunterlaufen. Im Fall der Veräußerung innerhalb von fünf bis zehn Jahren liegtgewerblicher Grundstückshandel für den Personenkreis vor, der demImmobilienmarkt nahe steht (Architekten, Bauunternehmer etc.).

Ergebnis:Ob eine Beendigung der Vermögensverwaltung aufgrund der Auswanderung vorliegt,ist fraglich, da zum einen der Regierungswechsel keinesfalls als „höhere Gewalt“anzusehen ist und zum anderen hier der Verkauf und nicht dieFruchterzielungsabsicht im Vordergrund steht.Da jedoch die Drei-Objekt-Grenze überschritten ist und der Ankaufszeitpunkt erstdrei Jahre zurückliegt, kann gewerblicher Grundstückshandel angenommen werden.

Bei einer solchen Rechtsprechung besteht natürlich die Gefahr, daß „richterrechtlich“eine Grenzverschiebung im dualen System stattfindet. Der Gewerbebetrieb drohtausgeweitet zu werden, um Steuermehreinnahmen zu beschaffen.

Die Auslegung des Begriffs der Drei-Objekt-Grenze stellt ein weiteres Problem dar(Interessant und signifikant für den Zustand des deutschen Steuerrechts ist übrigensauch, daß man sich mittlerweile schon mit der Auslegung der Rechtsprechungbeschäftigen muß). Es ist festzustellen, daß man durch die Organisation in GmbH`sversucht, die Regel der Drei-Objekt-Grenze zu umgehen versucht. Nach demTrennungsprinzip darf man nämlich die Geschäfte der GmbH nicht mit denGeschäften des anteiligen Gesellschafters zusammenrechnen. Durch geschicktgestalterische Verteilung kann der Begriff der Drei-Objekt-Grenze augehöhlt werden.Abgesehen davon bereitet es auch Probleme, ob nicht ein Mehrfamilienhaus als einObjekt zu betrachten ist.

Hieran kann man sehen, daß bei fehlendem Gerechtigkeitsmaßstab es für dieRechtsprechung schier unmöglich wird, eine Abgrenzungsproblematik abschließendin den Griff zu bekommen.

Letztlich ist noch kurz auf das Problem der Abgrenzung zwischen Einkünften ausGewerbebetrieb und Einkünften aus privater Wertpapierverwaltung hinzuweisen. DerAn- und Verkauf von Aktien (Beispiel des pensionierten Bankdirektors der seinenprivaten „Aktienfonds“ unterhält) wird von der Rechtsprechung als Pflege- des

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Stammvermögens bezeichnet und begründet nur dann Einkünfte ausGewerbebetrieb, wenn man als wirklicher Wertpapierhändler tätig ist.

Kindergeld

Hierzu ist zunächst zu bemerken, daß es zwei Vorgehensweisen gibt, dasSteuerexistenzminimum eines Kindes zu sichern.Hier ist zunächst das Existenzminimum für das Kind, der sogenannteKinderfreibetrag zu nennen. Gäbe es kein Kindergeld, so müßte auf jeden Fall einKinderfreibetrag, der das Existenzminimum eines Kindes steuerfrei stellt, gewährtwerden.Das Kindergeld hingegen ist eine Subvention.Diese beiden Begriffe werden häufig miteinander vermengt, zumal in § 31 EStGFiskalzwecknorm und Subvention so eng miteinander verzahnt sind, daß dieeigentliche Subvention als solche gar nicht mehr eindeutig ausgemacht werdenkann. Das Kindergeld beinhaltet also auch eine Steuererstattungsfunktion für zuvielgezahlte Steuern.

Der Kinderfreibetrag wird (insb. unter den derzeitigen politischen Verhältnissen)kritisch gesehen, da durch den progressiven Verlauf des Einkommensteuertarifseinkommensstärkere Eltern größere Steuervorteile erhalten alseinkommensschwache Eltern.

Die eigentlich faire Lösung wäre es daher, ein Kindergeld zu gewähren und denUnterschiedsbetrag zwischen Kindergeld und Existenzminimum des Kindes (dasKindergeld deckt nämlich das Existenzminimum des Kindes nicht voll ab) durchGewährung eines Kinderfreibetrages zu ermöglichen. Im Ergebnis stände dann einRestkinderfreibetrag zur Verfügung.Die jetzige Regelung sieht demgegenüber eine alternative Inanspruchnahme vonKindergeld und Kinderfreibetrag vor.Familien mit geringem Einkommen und hoher Kinderanzahl wären dann nicht mehrso diskriminiert (Beispiel des Journalisten, der mit 140.000 DM Jahreseinkommenacht Kinder zu ernähern hatte).

Sollte Herr Schröder mit seinem Beitrag sowohl Kindergeld, als auch Kinderfreibetraggemeint haben, so steht dem die verfassungsmäßige Schranke der Steuerfreiheitdes Existenzminimums des Kindes gegenüber. Das Kindergeld als solches wäreschon abbaubar, natürlich nur unter der Prämisse, daß dann der Kinderfreibetragzum Zuge käme.

H. Private Abzüge

Mit den privaten Abzügen wird das subjektive Nettoprinzip verwirklicht. DieBemessungs-grundlage soll hierdurch um den indisponiblen Teil des Einkommensvermindert werden.Bezeichnend für die fehlende Systematik im Steuerrecht ist es, daß obwohl privateAbzüge (wie der Grundfreibetrag) Abzüge von der Bemessungsgrundlage darstellen,sie, historisch bedingt, im Gesetzestext im Abschnitt über den Tarif eingeordnet sind.

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Die privaten Abzüge können in die Sonderausgaben, die außergewöhnlichenBelastungen und in die „Unterhaltsabzüge“ unterteilt werden. Die Sonderausgabensind in § 10 EStG normiert.Absatz 1 beschäftigt sich dabei mit der Ergänzung des Ehegattensplittings. DasEhegattensplitting teilt bei Vorliegen einer Güter- und Erwerbsgemeinschaft (intakteEhe) gerechterweise beiden Ehepartnern jeweils die Hälfte des Einkommens zu.Obwohl Unterhaltsverpflichtungen weiterhin bestanden, war bei dauernd getrenntlebenden Ehegatten und Geschiedenen der Splittingvorteil auf einmal fort, was dazuführte, daß die immer noch bestehende Unterhaltsgemeinschaft nicht ausreichendberücksichtigt wurde. Dies führte zur Implementierung des Realsplittings in dasSteuerrecht.

Kurioserweise wird es von der Zustimmung des Empfängers (Unterhaltsempfängers)abhängig gemacht, ob es zu einer Gewährung dieses Abzuges kommt. Sind dieRachegefühle bspw. einer unterhaltsberechtigten geschiedenen Frau gegenüberihrem geschiedenen Mann (ehemals Alleinverdienerehe) sehr stark, so kann es zueinigen Komplikationen kommen. Der zukünftige Steuerberater sei daher auf diedringende Notwendigkeit hingewiesen, Zustimmungsklauseln in Unterhaltsverträgenmitaufzunehmen.

Das Realsplitting besitzt leider den großen Nachteil, daß es Fälle gibt, in denen diegeschiedene Ehe besser gestellt wird als die intakte Ehe (Stichwort:„Steuersparmodell Scheidung“). Durch die Berücksichtigung derKinderbetreuungskosten und die Einräumung eines Haushalts-freibetrages wird diesdann noch verstärkt.

Hieran wird deutlich, wie das Einkommensteuergesetz die verschiedenenUnterhaltsgemeinschaften und Unterhaltsverpflichtungen würdigt.

Die Sonderausgaben sind in einer Art Katalog in § 10 EStG geregelt (genauer § 10;10 b; 10 c EStG).In § 10 Abs. 1 Nr. 1a wird eigentlich ein Bestandteil der Besteuerung vonwiederkehrenden Bezügen geregelt. Abweichend vom Grundsatz derIndividualbesteuerung werden hier in einem Korrespondenzprinzip auf besonderenVerpflichtungsgründen beruhende Rentenleistungen und dauernde Lasten, die nichtals Betriebsausgaben oder Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Nr.1 EStG) zuberücksichtigen sind, als Sonderausgabe zum Abzug zugelassen.

In § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG sind Vorsorgeaufwendungen, die demexistenznotwendigen Lebensbedarf durchaus zuzuordnen sind, ebenso alsSonderausgaben abziehbar.Lebensversicherungen sind dabei als privilegiert anzusehen, da die Einzahlungenaus unversteuertem Einkommen geleistet werden können, später bei der Auszahlungdann jedoch nicht einmal der Ertragsanteil versteuert wird. Zinsen ausLebensversicherungen sind also steuerfrei.Die Folge dessen ist es, daß zugunsten der Versicherer (niedrige Zinsen) dieAltersvorsorgevarianten unterschiedlich steuerlich behandelt werden.

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In § 10 Abs. 1 Nr. 4 wird die Kirchensteuer und in Nr. 5 die Verzinsung vonSteuernachforderungen (Zinsen nach den §§ 233a, 234 und 237 AO) alsSonderausgabe qualifiziert.

Steuerberatungskosten (§ 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG), übrigens auch Fachliteratur, sindabziehbar, was auch dem subjektiven Nettoprinzip entspricht.

Dasselbe gilt für Aufwendungen für die Berufsausbildung oder Weiterbildung ineinem nicht ausgeübten Beruf (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG) bis zu 1800 DM pro Jahr.Wichtig (vielleicht auch für Examenskandidaten) ist die Unterscheidung zwischenEinkunftssphäre und der Sphäre der privaten Abzüge. Es muß also zunächstüberprüft werden, ob man die Kosten der Einkunftssphäre zuordnen kann (Frage:Liegen Werbungskosten oder Betriebsausgaben vor?). Ist eine solche Qualifizierungnicht möglich, fallen die Kosten also aus der Einkunftssphäre heraus, so unterliegensie dem beschränkten Abzug von 1800 DM (2400 bei auswärtiger Unterbringung).

Die in § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG angesprochenen hauswirtschaftlichenDienstverhältnisse (sog. Dienstmädchenprivileg) werden nach dem jüngsten Urteildes Bundesverfassungsgerichts wohl in dieser Form nicht beibehalten werden. Eswird hierdurch lediglich der Unterhaltsaufwand der gehobenen Lebensführungbedacht, jedoch werden zwangsläufige Unterhaltsverpflichtungen nichtrealitätsgerecht berücksichtigt. Dieses Regelung ist nicht dem indisponiblenEinkommen zuzurechnen.

Schulgelder für inländische Internate (Nr. 9) dienen ebenso wenig wie dasDienstmädchenprivileg nicht der Verwirklichung des subjektiven Nettoprinzips,sondern sind als Steuervergünstigung zu qualifizieren.

Als Steuervergünstigung ist ebenso der Spendenabzug nach § 10 b EStG zuqualifizieren, der das Vereinswesen, insb. große, gemeinnützige Institutionen, fördernsoll.

Der § 10 d Abs. 1 Nr. 1 (Verlustrücktrag) hingegen ist keine Steuervergünstigung,sondern Fiskalzwecknorm.

Die außergewöhnlichen Belastungen werden im § 33 EStG geregelt. Sie betreffenden Teil des Einkommens, der neben dem Teil, der der unmittelbaren Sicherung derExistenz dient (wird mit Pauschalen abgedeckt), den existenznotwendigenaußergewöhnlichen Lebensbedarf darstellt. Historisch existierte die Vorschrift deraußergewöhnlichen Belastungen bereits im preußischen Einkommensteuergesetzund wurde bis zur Rechtsprechung Ende der 60iger Jahre als Billigkeitsmaßnahmeverstanden. Dementsprechend wurde ein zumutbarer Teil der „außergewöhnlichenBelastung“ stets herausgerechnet und nicht beachtet. Dieser Sichtweise widersprichtder Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Der Ansatz deraußergewöhnlichen Belastung entspricht einer Strukturnorm, die der richtigenMessung der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit dient.Durch den guten Krankenversicherungsschutz in Deutschland wird dieses Problemim allgemeinen vernachlässigt (Hinweis auf den amerikanischen Dialysepatienten).

Zur Verdeutlichung folgender Fall

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Fall 59

Ein Behinderter kauft sich ein Einfamilienhaus, in welches ein behindertengerechterFahrstuhl eingebaut werden muß. Liegen außergewöhnliche Belastungen vor?

Es kann argumentiert werden, daß der Einbau eines Fahrstuhls den Wert desHauses erhöht und somit ein Gegenwert geschaffen wird (sog. Gegenwerttheorie).Es sind aber Zweifel anzumelden, ob behindertengerechte Einbauten nicht eherwertreduzierend wirken.Da aber auch Brille oder Zahngold Gegenwerte darstellen, welche allerdingsniemandem zugerechnet werden, kann festgehalten werden, daß dieGegenwerttheorie sich überlebt hat.

Ergebnis:Die Gegenwerttheorie ist nicht anzuwenden und die Aufwendungen für denFahrstuhleinbau stellen außergewöhnliche Belastungen dar.

Die Abgrenzung von notwendigen Krankheitskosten, die man demexistenznotwendigen Bedarf zuordnen kann, zu den Aufwendungen des disponiblenBereichs (Beispiel Trinkgelder an die Krankenschwestern) bereitet Probleme.Am Fall der künstlichen Befruchtung wird die unterschiedliche Sichtweise deutlich.

Fall 60

künstliche Befruchtung

Werner und Eva können keine Kinder bekommen. In Erlangen wird daraufhin einekünstliche Befruchtung durchgeführt. Sind die Aufwendungen hierfüraußergewöhnliche Belastungen?

Kinder können als „Privatvergnügen“ angesehen werden, allerdings geht dies nichtmit Artikel 6 des GG (Schutz von Ehe und Familie) konform.

Ergebnis:Vor dem Hintergrund, daß Unfruchtbarkeit als Krankheit gesehen wird, stellenAufwendungen für eine künstliche Befruchtung außergewöhnliche Belastungen dar.

Fall 61

Viagra

Können bei Impotenz Viagra-Tabletten als außergewöhnliche Belastungen angesetztwerden?

Ergebnis:Soweit keine klinisch erwiesene Begründung des Viagrabedarfs vorliegt, muß einAbzug als außergewöhnliche Belastung verneint werden.

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Im Ergebnis bleibt festzustellen, daß die eindeutige Abgrenzung zwischennotwendigem Fahrstuhl und „nichtnotwendigem“ Fitnessgerät schwer zu treffen ist.

Das Thema der heutigen Veranstaltung ist die Familienbesteuerung mit Bezug aufdie Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichtes, die am 19. Januar veröffentlichtworden sind, aber bereits am 10. November vergangenen Jahres beschlossenworden sind. Ob trotz aller Sorgfalt bei der Erstellung des Urteils die Tragweite derEntscheidung bedacht wurde scheint fraglich, da die Steuerbescheide, die bis zuzwölf Jahren zuvor (bis 1987) tragen, allesamt im nachhinein berichtigt und angepaßtwerden müssen.

Es sind dabei zwei Entscheidungen zu unterscheiden. Zum einen erging eineEntscheidung zum Haushaltsfreibetrag und zu den Kinderbetreuungskostenund zum anderen eine Entscheidung zum Kinderfreibetrag.

Absolut noch nie dagewesen in der Geschichte der Rechtsprechung desBundesverfassungsgerichts ist die Vorgehensweise bei letzterem Urteil zumKinderfreibetrag, in dem in Würdigung der zu niedrigen Kinderfreibeträge 1985 und1987 bis auf die Mark genau das Existenzminimum eines Kindes festgelegt wurde.

Dazu heißt es im Leitsatz: „Artikel 6 Abs. 1 GG gebietet, bei der Besteuerung einerFamilie das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei zu lassen(Hier wird interessantereise auch die Unterhaltspflicht gegenüber dem Großvateroder der Großmutter miteingeschlossen). Dabei bildet das sozialhilferechtlichgebildete Existenzminimum die Grenze für das einkommensteuerlicheExistenzminimum, die über- aber nicht unterschritten werden darf. (Es gilt dabei das(sozialrechtlich definierte) städtische Existenzminimum). Das einkommensteuerlicheExistenzminimum ist für alle Steuerpflichtigen unabhängig von ihrem individuellenGrenzsteuersatz in voller Höhe von der Einkommensteuer freizustellen (also auch dieSpitzenverdiener sind hier angesprochen). Der Wohnbedarf ist nicht nach dem Pro-Kopf-Bedarf, sondern nach dem Mehrbedarf zu ermitteln (technischer Maßstab).“.

Die Ausübung des Wahlrechts, wie dieses Ziel zu erreichen ist (Kindergeld oderKinderfreibetrag), bleibt weiterhin beim Gesetzgeber.

Neben dieser Entscheidung zum Kinderfreibetrag steht die Entscheidung zumHaushaltsfreibetrag und zu den Kinderbetreuungskosten.Dazu heißt es: „ Artikel 6 Abs. 1 GG enthält einen besonderen Gleichheitssatz(Diskriminierungsverbot). Er verbietet, Ehe und Familie gegenüber anderen Lebens-und Erziehungsgemeinschaften schlechter zu stellen. Dieses Benachteiligungsverbotsteht jeder belastenden Differenzierung entgegen, die der Existenz einer Ehe oderder Wahrnehmung des Elternrechts ehelicher Erziehungsgemeinschaft angehören.Die Leistungsfähigkeit der Eltern wird über dem existenziellen Sachbedarf und demerwerbsbedingten Betreuungsbedarf des Kindes hinaus generell durch ehelichenBetreuungsbedarf gemindert. Der Betreuungsbedarf muß als notwendigerBestandteil des familiären Existenzminimums einkommensteuerlich unbelastetbleiben, ohne das danach unterschieden werden dürfte, in welcher Weise dieserBedarf gedeckt wird. Der Gesetzgeber muß bei der gebotenen Neugestaltung des

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Kinderleistungsausgleichs auch den Erziehungsbedarf des Kindes unabhängig vomFamilienstand bei allen Eltern, die einen Kinderfreibetrag oder Kindergeld erhalten,berücksichtigen. Soweit das Familienexistenzminimum sich nachpersonenbezogenen Daten wie Familienstand, Anzahl der Kinder und Alter bestimmt,muß nach dem rechtstaatlichen Gebot der Vorraussehbarkeit und Berechenbarkeitdieser Tatbestand so gefaßt werden, daß die bloße Angabe dieser Daten dieAnwendung des Gesetzes möglich macht“.

Die bisherige Rechtslage soll schematisch dargestellt werden. Dabei gilt es folgendeFragen zu klären.

1. Wie werden Unterhaltsverpflichtungen einkommensteuerlich berücksichtigt?2. Wie wird das Existenzminimum gesichert?

Die bisherige Rechtslage sieht dabei folgendes Vorgehen vor:

A) Ehegattensplitting („Einkommen geteilt durch zwei“)

Eva intakte Ehe Adam

gemeinsames Einkommen

Divisor 2

Erwachsenen- Erwachsenen-existenzminimum existenzminimum

Bei dieser Lösung werden sowohl Existenzminimum der Verheirateten, als auch dieEheverpflichtungen, unter der Prämisse des Vorliegens einer gemeinsamen Erwerbs-und Verbrauchsgemeinschaft, angemessen berücksichtigt.Ob übrigens die geplante Beschneidung des Progressionsvorteils beimEhegattensplitting tatsächlich durchgeführt wird, bleibt in Anbetracht der jüngstenRechtsprechung erst noch abzuwarten.

B) Geschiedene Eheleute und dauernd getrennt lebende (begrenztes Realsplitting)

Unterhaltsgeber Lola

Einkommen zu versteuernde- 27.000 DM Unterhaltszahlungen

(Grundfreibetrag) (Grundfreibetrag)

Bei geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Eheleuten ist in der Regel dereine Ehepartner zur Zahlung von Unterhaltsleistungen verpflichtet. Bis zu einer Höhevon 27.000 DM können diese als Sonderausgaben geltend gemacht werden (Leiderhängt dieser Abzug von der Zustimmung des Unterhaltsempfängers ab). Dererhaltene Unterhalt ist dann vom Unterhaltsempfänger zu versteuern.

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Wünschenswert wäre es, dieses Realsplitting zu einem Familien-Realsplittingauszubauen.

C) Allgemeiner Unterhaltsabzug bei fehlendem Anspruch auf Kinderfreibetrag

Unterhaltsgeber Unterhaltsberechtigter

Einkommen- 12.000 DM

Das Steuerchaos beginnt mit diesem § 33 Abs. 1 EStG. Hier wird in Höhe desErwachsenenexistenzminimums ein Abzug gewährt, allerdings vermindert sich dieserBetrag, insofern die unterhalts-berechtigte Person andere Einkünfte oder Bezügeerhält (und dies, obwohl die Situation des Unterhaltsberechtigten überhaupt nichtsmit der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten zu tun hat (eklatantes Beispieldes Vaters, der für seinen geringfügig beschäftigten geistig verwirrten SohnUnterhaltsbeihilfen nicht geltend machen konnte).

DA) Familienleistungsausgleich (besser Kinderleistungsausgleich)

Eva intakte Ehe Adam

gemeinsames Einkommen

Divisor 2

Erwachsenen- Erwachsenen-existenzminimum existenzminimum

Kindergeld/wenn steuerliche Auswirkung besser: Kinderfreibetrag

Kind 1 Kind 2 Kind 3

Zunächst ist festzustellen, daß die steuerliche Freistellung des Existenzminimumseines Kindes durch Kindergeld oder Kinderfreibetrag erfolgen kann. Praktisch wirdzunächst Kindergeld ausgezahlt und am Schluß des Veranlagungszeitraums vomFinanzamt festgestellt, ob hierdurch das Existenzminimum des Kindes gesichertwurde oder eventuell ein Kinderfreibetrag zu gewähren ist. Dies ist der Fall, wenndas Kindergeld die steuerliche Auswirkung des Kinderfreibetrages nicht erreicht.Es handelt sich hierbei also keineswegs um ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen,Kindergeld oder Kinderfreibetrag zu erhalten.

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Für Kindergeldempfänger die gar nicht so viel verdienen, daß das Existenzminimumeines Kindes steuerlich freizustellen wäre, wirkt Kindergeld wie eineDirektsubvention.

DB) Steuersparmodell Scheidung

Gegenstand der Entscheidung zum Haushaltsfreibetrag und zu denKinderbetreuungskosten betrifft den Fall der geschiedenen oder dauernd getrenntlebenden Ehegatten mit Kind.Um die Halbfamilie ein bißchen der Familie anzunähern, gewährte man einemAlleinerziehenden das doppelte Existenzminimum, das bei 5.616 DM lag. Die Vorteiledes Ehegattensplitting (Verdoppelung der tariflichen Nullzone) sollten hierdurchausgeglichen werden, obwohl festzuhalten ist, daß das Ehegattensplitting mit demExistenzminimum des Kindes überhaupt nichts zu tun hat. Das Ehegattensplittingbetrifft allein die Verteilung des Einkommens zwischen Eheleuten. Hier sind Dingemiteinander vermengt worden, die nicht in direkter Beziehung zueinander stehen.

Unterhaltsgeber Lola

Einkommen zu versteuernde- 27.000 DM Unterhaltszahlungen

(Grundfreibetrag) (Grundfreibetrag)

Kindergeld/wenn steuerliche Auswirkung besser: Kinderfreibetrag

+ Haushaltsfreibetrag

Kind 1 Kind 2 Kind 3

Dies führte zum sogenannten Steuersparmodell Scheidung. Dadurch, daß das Kindeines Alleinerziehenden nun mit einem Gesamtfreibetrag von 12.528 DMberücksichtigt wird, wird die intakte Ehe diskriminiert. Der Steuervorteil einernichtehelichen Lebensgemeinschaft beträgt demnach einige tausend DM.

J. Einkommensteuertarif

Durch die Steuerreform 1990 ist die Struktur des jetzigen Einkommensteuertarifs alslinear-progressiven Tarifs begründet worden.Für die persönliche Betrachtung ist der Durchschnittssteuersatz (prozentualeBelastung des Gesamtverdienstes) wohl der entscheidende Steuersatz. In derInvestitionsrechnung wird aufgrund großer Zahlen meist mit dem Spitzensteuersatz(bei Verlustphasen mit Steuersatz 0) gerechnet oder mit dem Körperschaftsteuertarif.Die Grenzbelastung stellt die prozentuale Belastung des Mehrverdienstes dar.

Der Progressionsvorbehalt (siehe oben) stellt sicher, daß der Steuerpflichtige keinenProgressionsvorteil durch steuerfreie Einkommensteile erhält. Es wird alles

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Einkommen zusammengerechnet und der entsprechendeEinkommensteuerdurchschnittssatz ermittelt. Mit diesem wird dann das zuversteuernde Einkommen besteuert.

Neben dem Steuersatz oder Tarifermäßigungen einerseits und denSteuerbetragsermäßigungen andererseits steht als Ausnahme vom Normaltarif derSondertarif für Gewerbetreibende im Vordergrund. Als Ausgleich für die zu zahlendeGewerbeertragsteuer ist der Tarif für gewerbliche Einkünfte auf 47 % begrenzt. Hierinliegt eine Verletzung des Gleichheitssatzes begründet. Ob dies beibehalten wird,scheint indes fraglich.

Steuersatzermäßigungen sind Fiskalzwecknorm und keine Steuervergünstigungenund dienen der Vermeidung der Diskriminierung bei der Besteuerung vonVeräußerungsgewinnen. Die Zusammenballung stiller Reserven wird hierdurchangemessen berücksichtigt.