JOACHIM RITTERt KARLFRIED GRUNDER SONDERDRUCK AUS …

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• • HISTORISCHES WORTERBUCH DER PHILOSOPHIE UNTER MITWIRKUNG VON MEHR ALS 1200 FACHGELEHRTEN IN VERBINDUNG MIT GUNTHER BIEN, TILMAN BORSCHE, ULRICH DIERSE , GOTTFRIED GABRIEL WILHELM GOERDT, OSKAR GRAEFE, WOLFGANG HUBENER ANTON HOGLI, FRIEDRICH KAMBARTEL, FRIEDRICH KAULBACHt THEO KOBUSCH, HERMANN LOBBE , 000 MARQUARD REINHART MAURER, FRCEDRTCH NIEWl>HNER, LUDGER OEING-HANHOFFt WILLI OELMULLER, THOMAS RENTSCH, KURT ROTTGERS ECKART SCHEERER, HEINRICH SCHEPERS GUNTER SCHOLTZ, ROBERT SPAEMANN HERAUSGEGEBEN VON JOACHIM RITTERt UNO KARLFRIED GRUNDER VOLLIG NEUBEARBEITETE AUSGABE DES <WORTERBUCHS DER PHILOSOPHISCHEN BEGRIFFE) VON RUDOLF EISLER SONDERDRUCK AUS BAND 8 (R-Sc) SCHWABE & CO AG . VERLAG· BASEL I I I , I I j ;

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• • HISTORISCHES WORTERBUCH

DER PHILOSOPHIE

UNTER MITWIRKUNG VON MEHR ALS 1200 FACHGELEHRTEN

IN VERBINDUNG MIT GUNTHER BIEN, TILMAN BORSCHE, ULRICH DIERSE, GOTTFRIED GABRIEL

WILHELM GOERDT, OSKAR GRAEFE, WOLFGANG HUBENER ANTON HOGLI, FRIEDRICH KAMBARTEL, FRIEDRICH KAULBACHt

THEO KOBUSCH, HERMANN LOBBE, 000 MARQUARD REINHART MAURER, FRCEDRTCH NIEWl>HNER, LUDGER OEING-HANHOFFt

WILLI OELMULLER, THOMAS RENTSCH, KURT ROTTGERS ECKART SCHEERER, HEINRICH SCHEPERS

GUNTER SCHOLTZ, ROBERT SPAEMANN

HERAUSGEGEBEN VON

JOACHIM RITTERt UNO KARLFRIED GRUNDER

VOLLIG NEUBEARBEITETE AUSGABE DES <WORTERBUCHS DER PHILOSOPHISCHEN BEGRIFFE)

VON RUDOLF EISLER

SONDERDRUCK AUS BAND 8 (R-Sc)

SCHWABE & CO AG . VERLAG· BASEL

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stinkt-Struktur distanzieren und durch das reine Sosein der Dinge motivieren lassen kann (4). 1m Zusammen­hang mit den Begriffen <ldeierung>, <Derealisierung>, <Askese) bezeichnet <S.> das geistbedingte Verhalten, das Gegebenes zu konstanten Gegenstanden zu erheben vermag.

3. Auch J. PIEPER [S] interpretiert die S. von der Sub­jekt-Objekt-Relation aus, versteht diese aber von der Thomasischen mensura-Lehre her: Die Wirklichkeit ist das MaB der Erkenntnis; diese ist es fUr den sittlichen «Befehh> (imperium), der letztere flir die HandJung. Diese Bereitschaft zum MaBnehmen, die (im Unter­schied zu 1.) als aus der Spontaneitat der Person reali­sierte Haltung der «KJugheit» aufzufassen ist, ist nach Pieper das Wesen der S.

4. TH. LITT versteht die S. wieder mehr von «Sachem> und «Versachlichung» (vgJ. 1.) her als von einer Grund­haltung. Flir letztere steht hier der «Wille zur Sache», wobei <Sache> die Natur bezeichnet, sofern sie vom Menschen mit Hilfe von mathematisch-naturwissen­schaftlich formulierten Gesetzen objektiviert worden ist [6]. Die so «versachlichte NatuI) steht dem Menschen in der Technologie als Mittel zu selbstgewahlten Zwecken zur Verftigung. Dabei kommt einerseits die Natur zur SinnerfUllung, da sie auf die Indienstnahme durch den Menschen angelegt ist, anderseits der Mensch, da er, der die Zwecksetzungen sowohl im aufbauenden als allch zerstorenden Sinne votnehmen kann, eine Entschei­dungspotenz realisiert, ohne deren Realisierullg das Hu­manum nieht voll erruUt ware.

5. Nach A. GEHLEN [7] ist der Mensch das «handelnde Wesen», das seine naturgegebene Lebensuntiichtigkeit, die Folge des Fehlens der Umwelteingeborgenheit sein soli, nachtraglich zu Lebenschancen umwandeln muB. Das gesehieht dUrch die sog. «Entlastung» und den zuehtvollen Aufbau von Erfolgsphantasmen. Es kommt zu entlasteten Probiersituationen, die von der aktuellen Notdurft ablosbar und in diesem Sinne sachlieh sind [8]. Da S. hier nul' ein interimistisch urn des spateren erfolg­reiehen Handelnkonnens willen eingeschaltetes Verhal­ten ist, ist ihr Begriffbei Gehlen pragmatisch gefarbt [9].

6. H.-E. HENGSTENBERG [10] versteht un tel' <Sache> (res) Seiendes schlechthin, unter <S.) (im Unterschied zu I. und S.) die Zuwendung zu einem Seienden urn des Seienden selbst und seiner Selbstoffenbarung willen, wo­bei <Zuwendung> als ein «Konspirierem> mit dem Seins­und Sinnentwurf des Begegnenden zu verstehen ist. Dies kann geschehen einmal in der «naiven S.» (ekstatische Teilhabe an der geschauten Wesenheit), zum andern in der «bewiihrten S.», die durch eine Entscheidung hin­durch (vgl. unten) als Haltung gewonnen worden ist. Diesel' S.-Begriffunterscheidet sich a) yom Schelerschen dadurch , daB Weltoffenheit und Fahigkeit zur Vergegen­standlichung nul' als Teilmomente der S. gel ten; b) von allen vorgenannten dW'ch eine universalere Bedeutung: S. ist nicht nul' eine intellektuelle (ideierende) Funktion oder Einzeltugend, ein Wille zur Sache oder ephemere Entlastung, sondern aus der ganzen Flille del' Person initiiert und engagiert, wobei Intellekt, Wille und Gefuhl koexistenzial eingesetzt sind. Sie ist auch insofern uni­versal, als sie, wie alle echt analogischen Begriffe, in je kategorialer Abwandlung allen Seinsbereichen gegen­uber realisiert werden kann und solI. e) Weil die Person dieses konspirierende Siehengagieren (mit der Liebe als Hochstform) auch ablehnen kann, kommt auch die kon­trare menschliche Moglichkeit in den Blick: Ablehnen des Konspirierens fuhrt bei einem Wesen, das zu ihm

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fahig ist, anstelle der gesollten sachlichen die unsaeh­hche Haltung herauf, die auf MiBbrauch des Seienden tendiert (11). Daher gibt es eine vor der Handlung lie­gende, von ungegenstandlichem Wissen (Gewissen) aus der Personmitte begleitete Entscheidung entweder fur oder gegen S. , genannt <Vorentscheidung> [12]. Durch die positive Vorentscheidung wird die bewahrte S. a]s Haltung aufgeriehtet. Wegen dieser Bedingtheit durch Entscheidung gewinnt die Thematik der S. unter be­stimmten Voraussetzungen ethische Relevanz [13]; des­g1eichen eine erkenntnistheoretische, sofem das Sich­aufschlieBen gegentiber dem Begegnenden in der positi­yen Vorentscheidung die Voraussetzung fUr das tiefere Vernehmen der Seinsstrukturen, das unsachliche Sich­verschlieBen in der negativen Vorentscheidung dagegen das Anheben del' Verdeutungen und aUer Formen des verschuldeten Irrtums ist. d) Da diese Entscheidungen Urhebungen aus der unverftigbaren Person sind, mhrt diese Analyse def S. zu einer den Phanomenen angepaB­ten metaphysischen Personlehre [14]. e) S. in diesem universalen Sinne transzendiert die Subjekt-Objekt­Relation. Letztere ist nur Vorbedingung, wird aber we­sensmaBig liberschritten im sympathetischen Nachvoll­zug dessen, was seinshaft im Begegnenden geschieht, so d<'113 sich eine inn ere Beriihrung der eigenen Seinsbewe­gung mit der des Begegnenden ereignet. S. hat ihre Sinn­erftillung in der alle bloBe 'Objektivitat' ubersteigenden, ungegenstfuldJiehen Seinserfahrung in del' Partnerschaft mit Begegnendem; verwandt dem dialogischen Prinzip M. BUBERS, der in ahnlichem Zusammenhang von S. spricht [IS]. f) S. beginnt in konkreten Hier- und Jetzt­Entscheidungen vor Seiendem, vollendet sich aber in der haltungsmaBigen Durchformung der sie realisieren­den Personlichkeit, die mehr und mehr in ihrel' «Freiheit des Seins» [16] wachst [17].

Anmerkungen. [IJ vgI . R. HAMANN: Gesch. der Kunst ( 1933) 67. 837fT. ; vgl. K. PETERSEN: <Neue S.> . StilbegrifT, Epochenbe­zeichnung oder Gruppenphanomen? Dtsch. Vjschr. Lit.wiss. Geislesgesch. 56 (1982) 463-477. - (2) G. KERSCHENSTElNER : Der Begriff del' Arbeitsschule (1912,61925). - [3) R. ALLERS: Das Werden der sitU. Person (1929, 41936, ND 1970); F . KUNKEL: Einf. in die Charakterkunde (1928). - [4] M. SCHELER: Die Slel­lung des Menschen im Kosmos (1928,6 1962) 39. - [5) J. PIEPER: Die Wirklichkeit und das GUle (193 I , 11963) 83fT. - [6] TH. LITT: Mensch und Welt (1948) 116; Techn . Denken und menschl. Bil­dung (1957). - [7J A. GEflLEN: Der Mensch (1940, 1°1974) 32. 62. - [8] a.O. 255-260. - [9J 57. 189. 260. :.. [10] H.-E. HENosTEN­BERO: Philos. Anthropologie (1957,4 1984); Grundleg. der Elhik (1969,21989). - [11] lent Formen der S., gegen die F. OETINGER: S. und Menschlichkeit (1955) polemisiert, sind in WahIheit Un­S. - [12J Zur Vorentscheidung vgl. HENosrENBERo: Anthr., a.0. [10J (41984) 43-47; Ethik (Z1989) 61-72. 176; SeinsiiberschIeitung und KrealiviHil (1979) 115-123. 160. 167. 172. - [13J Anthr. (41984) 17-21. - [14] Zur Onto!. der Person, in: J. SPECK (Hg.): Das Personverstandnis in der Ptidag. und ihren Nachbarwiss.en 1(1966). - [151M. BUBER: Reden tiber Erziehung (1953) 33:­[l6] H.-E. HENGSTENBERO: Freiheit und Seinsordnung (1961) 273-290. - [17J In der zeitgeniiss. padag. wird S. als Seinsver­pflichtetheit verstanden bei K SCHALLER: Vom Wesen der Er­ziehung (1961); TH. BALLAUFF: Syslemat. padag. (1962) u .a. Au­loren; zur Kontroverse tiber den Begriff der S. vgl. l.-E. PLEINES: S. als Argument (1975). H.-E. HENOSTENBERG

Sachverhalt 1. S. als status rerum: Den Lexika zufolge ist der Aus­

druck <S.) vom juristischen Begriff <status) abgeleitet, der dabei im Sinn von <status rerum> (,Stand' oder 'Ver­fassung der Dinge', 'feststehendes Verhaltnis von Sa-

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chen') zu verstehen ist - im Gegensatz zu <status homi­num>, d.h. dem 'Stand' eines Menschen, ein Freier, Frei­gelassener, Sklave zu sein [1]. Der Ausdruck <status re­rum> findet sich allerdings im <Corpus juris> nicht; die relevante QueUe ist eher in der Rhetorik (speziell in der Rhetorik def Proze13fUhrung) zu vermuten, in der man <status> als «die (Streit-)Frage» definierte, "die sich aus dem ersten Zusammenprall der Rechtssachen ergibt» (<<status dicitur quaestio, quae ex prima causarum con­flictione nascituD» [2]. Diese rhetorische Statuslehre, die HERMAGORAS VON TEMNOS speziell fUr die Ge­richtsrede entwickelte, war ein Versuch, die Lehre von def Anweisung zum Auffinden (inventio) von Gedanken und Argumenten zu systematisieren. Der Begriff <status> wird in dieser Lehre in einem Zusammenhang mit <Sacherzahlung>, <sachliche Argumentation>, <Schlu13 der Argumentation> usw. behandelt. In diesem Sinne ist auch QUINTILlAN zu verstehen, wenn er schreibt: «Quod nos statum, id quidam constitutionem vocant, alii quaestionem, alii quod ex quaestione appareat» (<<Was wir Status nennen, nennen andere Verfa13theit [Feststel­lung der Streitobjekte], wieder andere die Frage und an­dere das, was aus def Frage offenbar wird)}) (3). Ahnlich heif3t es im <Lexicon totius latinitatis>: ({Der Ausdruck <status> wird sebs haufig in Ubertragenem Sinne verwen­det, und zwar fUr die Art und Weise, wie eine Sache steht, fur eine Bedingung, Eigenart def au13eren Um­srande, Stellung oder Ordnung» ({translate ponitur fre­quentissime pro modo, quo quaeque res stat, condi­cione, qualitate fortunae, loco, ordine)}) [4]. Als Beispiel wird def Widerstreit der Behauptungen 'A hat B getotet - A hat B nicht getotet' angeftihrt, woraus sich als status (anders gesagt: als quaestio, als das in Frage Stehende) ergibt: ob A B getOtet hat. Dieses Beispiel findet sich auch bei R. GOCLENlUS, dessen Behandlung von <status> von besonderer Wichtigkeit flir spatere Entwicklungen ist, und zwar wegen seiner Gegenliberstellung von (sta­tus> und <propositim: ,,1m Rechtsfach sind Status und Proposition nicht dasselbe [status et propositio non sunt idem], was wie folgt zu verstehen ist. Wie es je zwei Person en sind, die vor dem Richter prozessieren, so gibt es zwei Arten von Propositionen [Darlegungen, Anga­ben zur Sac he] in diesem Fach: einmal die Beschuldi­gung oder Anklage, und dann die Verteidigung oder Anzweiflung. Von beidem unterscheidet sich der Status insofern, als der Status nicht Darlegung der Anklage oder Verteidigung ist, sondem sozusagen der Angel­punkt, urn den sich die Darstellung des Anklagers wie des Verteidigers drehh) [5].

Goclenius gibt einige metaphorische Umschreibungen diesel' Idee: Der «status» ist "Ziel der Verhandlungen», «Ausgangspunkt und Hauptsitz des Streits», «das, worum man streitet». Das deutet darauf hin, daB noch zu seiner Zeit def Ausdruck <status> in seiner juridischen Bedeutung nicht fest war. Die Auffassung des status als Frage (vgL den gebrauchlichen Ausdruck <status quae­stionis» dUrfte auch bei der Pragung des deutschen Aus­drucks <S.> eine Rolle gespielt haben. Als Substantiv ist del' Ausdruck {Verhalt> ungebrauchlich, was daraufhin­deuten konnte, daB <S.> im Grunde eine verkiirzte indi­rekte Frage ist ('Wie verhalt sich die SacheT, ' ... wie die Sache sich verhalt').

1m deutschen juristischen Schrifttum ist <5.> oder (Sachverhaltnis> zusammen mit verwandten Termini wie <Rechtsverhaltnis.>, <Tatbestand>, <Sachstand>, <Streitstand>, <Sachlage>, usw. [6] in der von Goclenius skizzierten Bedeutung geJaufig, und Ontologien bzw.

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Taxollomien del' RechtsverhaItnisse sind eine Kerndis­ziplin der klassischen deutschen Rechtswissenschaft.

<Tatbestand> ist ursprlinglich eine Ubersetzung von "corpus delicti» [7]. Spater ordnete man dem Ausdruck <Tatbestand> aile Tatsachen unter, «die als konkrete Voraussetzung einer Rechtsanwendung gedacht wer­den» [8]. Dann aber wurde <Tatbestand> allmahlich auf jenen Teil eines Rechtssatzes beschrankt, der die Bedin­gungen angibt, unter den en die im zweiten Teil des Rechtssatzes angegebene Rechtsfolge eintreten soli. 1m Unterschied zu diesem abstrakt gefaBten <Tatbestand> nennt man den tatsachlichen Vorgang oder Zustand, der den gesetzlichen Tatbestand erftillt oder ibm gernaf3 ist, den <Lebens-S.> oder kurz den <S.>. Bei E. BELING z.B. wird der "S.» als der «konkrete Lebensfall, der juristisch beurteilt werden solI,» definiert [9]. Belings S.-Auffas­sung hat auf K. ENGISCH [10] einen EinfluB ausgeUbt, und durch diesen wiederum aufK. LARENZ [11]. In der heutigen Juristensprache ist auch die Wen dung <Sach­und Streitstand> (status rerum et quaestionis) Ublich. Etwa: «Der Richter ftihrt in den Sach- und Streitstand ein», wenn er berichtet, worliber sich die Parteien ge­einigt haben (Sachstand) und worliber sie noch streiten (Streitstand) (12).

2. S. als complexum: Scbon bei ARISTOTELES findet sich eine Opposition zwischen npiiYJlu und ')..6'(0<;, die -insofern, als npiiYllu die ein Urteil oder Behaupten rechtfertigende Grundlage bezeichnen soil, - als Urform des Gegensatzes <status/propositio> betrachtet werden darf [13]. Die vielen anderen Bedeutungen von npiiYllu zeigen allerdings, daB diese Opposition noch keineswegs terrninologisch verfestigt war. Wegen der Bedeutung von <status> als Zustand oder Beschaffenheit lesen auch moderne Interpreten von THOMAS VON AQUIN diesen S.-Begriff gelegentlich in dessen Philosophie hinein. Tat­sachlich gilt bei Thomas die (Nerfa13theit der Dinge)} (<<dispositio rerum») als Grund der Wahrheit eines Ur­teils: «dispositio rei est causa veritatis in opinione et oratione» [14].

1m spateren Mittelalter tauchen mehrfach Begriffe auf, die den S. als Korrelat eines Satzes klar zum Vor­schein bringen, etwa unter den Bezeichnungen «aliquali­ter [ita, sic] esse», «modus se habendi», «tantum com­plexe significabile» [15]. Bei ABAELARD z.B. lesen wir: «Deshalb setzen die Satze irgendwelche Dinge nicht cin­fach hin, wie die Namen, sondem setzen, wie sie sich zueinander verhalten, ob sie zueinander passen [d.h. miteinander Ubereinstimmen] oder nicht. Daher drUk­ken die Satze gewisserrnaBen eine bestimmte Art und Weise des Sichverhaltens der Dinge aus und bezeichnen nicht irgendwelche Dinge» [16]. Und bei BONAVEN­TURA: (<Das Aussagbare bezeichnet nicht ein Ding, son­dem die Weise [seines] SichverhaItens; und daher wird durch das Verbum der Gegenwart, der Vergangenheit und der Zukunft angegeben, daf3 die Dinge sich anders verhalten» [17].

3. AIs philosophischer Terminus taucht <S.> beilaufig anscheinend zum ersten Mal 1874 in H. LOTZES (Logik> auf [18]. In der Wahrheitstheorie des Lotze nahestehen­den J. BERGMANN spielt der S. dann cine zentrale Rolle als gegenstandliches Element, der «res», womit der «in­tellectus» in «adaequatio» zu stehen hat. «Erkennen» ist daher laut Bergmann ein Denken, "dessen Gedachtes mit dem S. iibereinstimmt, dj., welches wahr ist» [j 9]. Wichtiger ist allerdings die wahrscheinlich ebenfalls von Lotze veranla13te Pragung durch C. STUMPF, der in «ei­nem 1888 flir die Harer lithographierten Leitfaden der

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Logik» den Ausdruek <S.) flir «den spezifisehen Urteils­inhalb) einflihrte, der «dem Urteil ... entspreehe, der vom Vorstellungsinhalte (der Materie) zu seheiden sei und spraehlieh in 'DaB-Satzen' oder in substantivierten Infinitiven ausgedrUekt wird» [20] . Tatsaehlieh heiBt es in diesem Leitfaden: "Von der Materie des Urteils unter­seheiden wir seinen Inhalt oder den im U neil ausge­drUekten S. Z.B. 'Gott ist' hat ZUI Materie Gott, zum Inhalt das Sein Gottes. 'Es gibt keinen Gott' hat dieselbe Materie, aber den Inhalt 'Nichtsein Gottes'" [21]. 1m Riiekgriff darauf bestimmt Stumpf [22] dann S. oder Urteilsinhalt als «notwendige Korrelate» der intellek­tuellen Funktion des Urteilens. Zusammen mit Begrif­fen, lnbegriffen, Gestaltqualitiiten und Werten (d.h. den Inhalten von Geftihls- und Will ensakten) bilden sie die Klasse der «Gebilde», die "ebenso von den Funktionen selbst wie von den Erseheinungen (und weiterhin den GegensHinden), worauf sie sieh beziehen», zu unter­scbeiden sind. Der S. kann (<I1 ieht flir sieh allein, unab­hangig von irgendeiner Funktion unmittelbar gegeben und damit aueh real sein». Denn S.e wie andere Gebilde «si nd Tatsaehen Uberhaupt nur als lnhalte von Funktio­nen» [23]. Sie finden sieh «nieht irgendwo abgesondert ... an einem 'libersinnliehen Ort' als flir sieh seiende Wesen ... Sie exislieren nieht als tote Praparate, als Petrefakten, sondern im Verbande des lebendigen seelisehen Da­seins» [24].

Der S. ist flir Stumpf also urteilsimmanent. Flir J. BERGMANN dagegen ist er ein urteilstranszendentes gegenstandliehes Korrelat. Damit verwandt sind plato­nistisehe oder logiseh-objektivistische Auffassungen, die dem S. analoge Gebilde als ideelle Satzbedeutung oder Wahrheitstrager begreifen wollen . Elemente einer sol­chen Auffassung finden sich bei LOTZE und dem in die­sem Punkt hochstwahrscheinlich von Lotze inspirierten G. FREGE mit seiner Lehre vom «beurteilbaren Inhalt» [25]. Musterbeispiel der 10gisch-objekLivistischen Auf­fassung ist die Lehre vom Satz an sich, die von B. BOL­ZANO entwickelt wurde. Unter "Satz an sich» versteht Bolzano [26] «irgendeine Aussage, daB etwas ist oder niebt ist; g1eichviel, ob diese Aussage wahr oder falsch ist; ob sie von irgend jemand in Worte gefaBt oder nicht gefaBt, ja aueh im Geiste nur gedacht oder nieht gedaeht worden iS1». Bolzanos Satz an sieh kann dureh Denkakte aufgefaBt werden, ist aber unabhangig von irgendwel­eher Tatigkeit des Denkens: Er «ist niehts Existierendes; dergestalt , daB es ebenso ungereimt ware zu sagen, fer) habe ewiges Dasein , als, er sei in einem gewissen Augen­blick entstanden, und habe in einem anderen wieder aufgehort» [27].

Bolzanos Position wird von Stumpfs Schiiler G. GOTTHARDT [28] kritisiert. FUr ihn ist der S. das «dem 'Urteil' entspreehende psychische Gebilde, sofern wir es begrifflich erfassen». Daraus sehliel3t er, daB es ein Hy­steron-Proteran ist, «wenn man den S. bzw. den sich auf ihn stlitzenden 'Satz an sieh ' von d.em zugrunde liegen­den Urteilsakt realiter glaubt trennen zu konnen». Die­ser Streit urn die Abhangigkeit des S. vom Urteil ist ein standig wiederkehrendes Moti v in der Gesehiehte der S.-Theorien.

4. Die Brentanisten: Auch Stumpf akzeptierte gewisse Aspekte des Objektivismus von Lotze und Bolzano, ist aber maBgeblich von F. BRENTANO beeinfluBt, der die Wichtigkeit def Ulteilsinhalte zum ersten Mal hervor­hebt. Nach Brentanos frliherer Auffassung stehen ge­wi sse Urteile mit ihren Urteilsinhalten in einem Ver­haltnis def Adaquation und sind dadureh wahr. Ein sol-

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cher Urteilsinhalt ist die Existenz oder die Niehtexistenz des beurteilten Gegenstands [29]. Wie Stumpf haben auch andere Brentanisten diese Lehre von den Urteilsin­halten iibernommen und modifizielt; die Geschiehte des Terminus <S.) deekt sich weithin mit derjenigen der Ur­teilstheorien, die innerhalb def Brentano-Schule (ein­schlieBlich der frlihen phanamenologischen Bewegung und def Grazer Schule der Gegenstandstheorie) entwik­kelt \vurden. A. MARTY, zum engsten Kreis der Brenta­nO-Anhanger gehorend, hat die genannte Wahrheitsauf­fassung Brentanos aueh noeh venreten, als Brentano selbst davon abgekommen war, weil Ulteilsinhalte bloBe entia rationis seien. FUr Marty [30] ist der Urteilsinhalt das, «was die Richtigkeit unseres Urteilens objektiv be­grUndet oder genauer gesagt: dasjenige, ohne welches je­nes Verhalten nieht richtig oder adaquat sein hinnte»; (idas Urteil» hat, «um wahr zu sein, sich nach ihm zu richten" [31]. Der U rteilsinhalt ist also flir Marty (im Gegensatz zu Stumpf) denkunabhangig: Seine «'Objekti­vitat' muB ein vom BewuBtsein unabhangiges Dasein bedeuten» [32]. Deshalb kann es nur bei wahren Urtei­len einen Urteilsinhalt geben - eine These, die den Mar­ty-SchUler H. BERGMANN [33] veranlaBte, Bolzano zu kritisieren, weil dieser nicht nur Wahrheiten, sondern auch Falsehheiten an sieh angenommen hatte. Dieser Streit um die Gleiehwertigkeit der mit wahren und fal­schen Urteilen Ubereinstimmenden S.e oder Urteilsin­halte ist ein wei teres stets wiederkehrendes Motiv in der Gesehiehte der S.-Lehren.

Ein anderer Brentano-Schi.iler der ersten Generation, A. MEINONG, unterscheidet in dJber Annahmem (I 902) - zum Teil veranlaBt durch seine Arbeiten liber die Eh­renfelsschen «Gestaltqualitaten» oder «Gegenstiinde ho­herer Ordnung» sowie unter dem EinfluB des polnischen Brentanisten K. TWARDOWSKI [34] - zwei Alten von Gegenstanden: Objekte und Objektive. MEINONG will eine Art allgemeiner «Gegenstandslhearie» aufbauen. Den Terminus <S.) lehnt er ab, da «sein natiirliches An­wendungsgebiet zu eng ish); vor allem scheint seine «An­wendbarkeit flir untatsachliche Objektive ganz und gar zu versagen» [35]. Er spricht darum lieber von «Objekti­ven» und unterscheidet nieht nur zwischen positiven und negativen Seinsobjektiven (daB A ist, daB A nieht ist), sondern auch zwischen positiven und negaliven So­seinsobjektiven (daB A B ist, daB A nichl B ist) [36], sowie zwischen Objektiven liber Objekte und Objekti­ven liber weitere Objektive [37]. Diese Unterscheidun­gen werden dann von R. AMESEDER als Basis flir eine systematisehe Einteilung der Objektive verwendet. Ameseder [38] spricht von einer «Zuordnung» oder einer «gegenseitigen Abhangigkeih> von Objektiv und Objekt (oder von Objektiv und Gegenstand im allgemeinen, ob existent oder niehtexistent): «Jeder Gegenstand [steht] mindestens in einem Objektiv, und jedes Objektiv haf­tet mindestens an einem Gegenstand.» Die interessante­ste Leistung dieser Lehre von den Objektiven ist MEI­NONGS Feststellung, daB Wahrseheinlichkeit ebenso wie Wahrheit und Mogliehkeit «ein Attribut nicht von Ob­jekten, sondern von Objektiven ist» [39]- eine Feststel­lung, die schon von STUMPF [40] antizipiert worden war.

Nicht ganz klar ist bei MEINONG die Unterscheidung zwischen Satz und Proposition als Gegenstand der Lo­gik und S. als Gegenstand der Ontologie, da fUr ihn der Satz ein «erfaBtes, womoglieh sogar ausgesprochenes, mindestens sozusagen in Worten formuliert vorliegen­des Objektiv» sein soli [41]. Man hat deshalb mit A. REI­NACH festzustellen, daB ({sein Objektivbegriff die durch-

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aus verschiedenen Begriffe von Satz (im logischen Sinne) und S. ungeschieden enthalt» [42].

5. S.e, Objektive, Urteilsinhalte spielen bei Brentano, Stumpf, Marty und Meinong in mehrfacher Hinsicht eine Rolle. Sie fungieren als Inhalte der entsprechenden Urteile, als Bedeutungen der entsprechenden Satze so­wie als transzendente und fUr die Wahrheit der Urteile maf3gebende Korrelate. Klarheit uber diese verschiede­nen RoUen schuf E. HUSSERL in seiner <Y. Logischen Untersuchung> (1901). Bei Husserl treten S.e deutlich als gegenstandliche Wahrmacher hervor. Sie sind sowohl den Urteilen selbst mit ihren immanenten Inhalten als auch den Satzen (verstanden als abstrakte oder ideelle Urteilsbedeutungen) entgegengesetzt, welche die Rolle des Wahrheitstragers ubemehmen [43]. Neu bei Husserl sind daruber hinaus folgende Thesen:

a) DieS.e bilden eine universale Kategorie gegen­standlicher UrteilskorreJate, die der Ding- oder Gegen­standskategorie als dem Korrelat schlichter nominaler Akte gleichgestellt ist: «Das Objektive des urteilenden Vermeinens nennen wir den beurteiiten S.; wir unter­scheiden ihn in der reflektierenden Erkenntnis yom Ur­teilen selbst, als dem Akte, in dem uns dies oder jenes so oder anders zu sein scheint» [44]. Die kategoriale Unter­scheidung zwischen S. und Ding tragt dazu bei, daf3 Hus­serI die Konzeption einer universalen formalen Ontolo­gie oder formalen Gegenstandstheorie entwickelt, die ein Gegenstiick zur forrnalen Logik sein sollte. Diese formale Ontologie ahnelt in mancher Hinsicht der Gegenstandstheorie Meinongs.

b) S.e konnen nicht nur als Korrelate der Urteilsakte, sondern modifiziert auch ais KorreJate spezifischer no­minaler Akte dienen: «Vollziehen wir ein Urteil, ... so scheint uns irgendetwas zu sein oder nicht zu sein, z.B. S ist p. Aber dasselbe Sein, das uns hierbei 'vorstelJig' ist, wird uns offenbar in ganz anderer Weise vorstellig, wenn wir sagen: das P-sein des S». OdeT «wir sagen die Tatsache, daf3 S p ist, oder einfach daf3 S p ist - hat zur Folge ... , ist erfreulich, ist zweifelhaft usw .... In all die­sen Fallen ist uns der S .... in einem anderen Sinne gegenstandlich» aIs beim Urteilen, «und er ist dann of­fen bar gegenstandlich in einem ahnIichen Sinne, wie das Ding ... , obschon ein S. kein Ding iS1>, [45]. S.e konnen in diesem Sinn nominalisiert werden. Bedeutsam fur Hus­serls spatere Phanomenologie ist die Einsicht, daB ein kumulativer Prozef3 der S.-Nominalisierung moglich ist, so daB Urteile zur allmahlichen Konstitution komplexer Gegenstande der Erfahrung beitragen konnen [46].

c) Der S. fungiert nicht nur als identisches gegenstand­Iiches KorreJat von Urteilsakten, sondern z.B. auch von Wunsch~ oder Frageakten. Der geurteilte S. kann «als identisch derselbe in einer bloBen Vorstellung vorge­stellt, in einem Wunsch gewtinscht, in einer Frage ge­fragt, in einem Zweifel bezweifelt sein» [47].

d) Anders als allgemein angenommen beziehen sich Wiinsche, WolJensakte usw. normalerweise nicht auf Dinge, sondern auf S.e. 1m Wunsch, «das Messer sollte auf dem Tische liegen, ... wiinsche ich nicht das Messer, sondern dies, daB das Messer auf dem Tische liege, daB sich die Sache so verhaIte» [48].

6. Die «phanomenologische Bewegung» begann damit, daf3 J. DAUBERT (1877-1947) Yom Juli 1902 an die Schu­ler des Mtinchener Philosophen und Psychologen Th. Lipps mit Husserls <Logischen Untersuchungen> be­kannt machte. Dies geschah in seinem Vortrag <Zur Psy­chologie der Apperzeption und des Urteils>, worin er eine Auffassung des S. als etwas Reales verteidigte, das

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dem Urteil und der Urteilsbedeutung entgegenzusetzen ist: «Mein Urteil 'dieser Tisch ist viereckig' kann wahr oder falsch sein. Der reale S. ist niemals wahr oder falsch. Er ist schlechthill, was er ist. Das Urteil ferner kann beliebig oft in den verschiedensten Zusammen­hangen mit anderen Urteilen auftreten. Der S. ist nur einmal da, und er bleibt immer in seinem bestimmten realen raumlich-zeitlichen Zusammenhange» [49].

Auch in weiteren Manuskripten ab J 902 bemuht sich Daubert urn die Bestimmung des S.-Begriffs. S.e sind gegliederte Entitaten - im Gegensatz zu den ungeglie­derten Gegenstanden, die uns in der Wahrnehmung ge­geben sind. Der S. entsteht dadurch, daB durch pointie­rende Beachtung bestimmte Eigenschaften eines Dings herausgehoben werden. Er kann so als eine Entfaltung von Merkmalen aufgefaBt werden, die im Ding Iiegen. Ein S. ist deswegen aber nicht ein Komplex von Gegen­standen oder deren Eigenschaften, denn bei diesen gibt es das Verhaltnis von Teil und Ganzem. Ein S. dagegen hat keine Teile, sondern GJieder; er ist kein Ganzes, sondern eine Einheit. S.e bilden also keine ontologische Kategorie autonomer Entitaten neben del' Kategorie der Dinge (oder Gegenstande), denn S.e sind doppelseitig abhangig von Dingen und von U rteilsintentionen: Sie sind Ergebnis der Aneignung oder Verarbeitung der Wirklichkeit - nicht einfach der aufmerkenden (beach­tenden), sondern der kategorialen Verarbeitung.

Husserls und Dauberts S.-Lehre wird von A. REfNACH ausgearbeitet und systematisiert. S.e sind nach Reinach «das, was [i] im Urteil geglaubt wird und behauptet wird, was [ii] im Zusammenhang von Grund und Folge steht, was [iii] Modalitaten besitzt, und was [IV] im Ver­haltnisse kontradiktorischer Positivitat und Negativitat steht» [50]. Ein S. ist also nach [i] nicht nur Korrelat eines Urteilsakts als eines episodischen Ereignisses der Behauptung, sondern auch Korrelat eines Glaubenszu­stands, einer dauernden Uberzeugung; diese verhalten sich Iaut Reinach so zueinander, daB jeder echte Urteils­akt durch eine entsprechende, auf denselben S. bezogene Uberzeugung fundiert werden muf3. Der S. ist nach [ii] das, was in Begrtindungsverhaitnissen steht. Reinach schlief3t daraus, daf3 auch die SchluBgesetze der Logik «nichts anderes als allgemeine gesetzmaf3ige Beziehun­gen von S.en» sein konnen [51]. Das logische Urteilsge­setz «findet also seine Begrtindung in dem S.-Gesetz», so daB «groBe Teile der traditionelleh Logik sich ihrem Fundamente nach als allgemeine S.-Lehre heraussteJlen werden» [52]. Der S. ist schlieBlich nach [iii] und [IV] logischen und modalen Bestimmungen wie Ableitbar­keit, gegenseitige Kontradiktion, Notwendigkeit, Mog­lichkeit., Wahrscheinlichkeit usw. untersteIIt.

Fur Reinach wie flir Husser! entspricht jedem Urteil, gleich ob wahr oder faisch, ob positiv oder negativ, ob kontingent oder notwendig, ein S.; aUe S.e haben vom Standpunkt der Ontologie aus die gleichen Rechte. Nur auf der Seite der entsprechenden Akte (positives und negatives, wahres und falsches Urteilen) und der ent­sprechenden Zustande (positive und negative, wahre und falsche Uberzeugung) sind hier Unterscheidungen zu treffen. Fur Reinach sind S.e also (im Gegensatz zu Stumpf) denkunabhangig. Nach Reinach (wie auch Hus­ser! und Daubert) sind S.e kategorial von 'Satzen' bzw. 'Propositionen' zu unterscheiden. S.e sind keine Trager von Wahrheitswerten; sie sind \>ielmehr das, was die Urteile und Satze erst wahr machen. Reinachs S.-Theo­rie kann daher als eine weiterentwickeite Form des logi­schen Objektivismus betrachtet werden.

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Nicht nur als Moment der lQgik oder der allgemeinen UtteiJstbeorie. sOndem aucb im Zusammenhang der nichtrein intellektiven AklC im alIgemeinen wird die S.-Theorie yon den Mlincheoer PhanomenoJogen be­handclt. Qie~e Erweilerung ~es S.~Be'g[iffs gcht von der Kritik dc[ Miinchener lin der voo Husserl in den <Logi­schen Unlers.ucbungem vertrctcnen Lebre aus, Wunsch­und Fro\lgeakte und <teren gegenstiiodliche Korre-Iate scicn aufUrteile und Urtci.lskorrclate reduzierbar. Diese Krilik fiibn in Milncben 'zu einer eigenst3.ndigen Theo­ric dieser Ph1inomene. die we-se.nt[icbe Elemenle der spliter im angelslfctlsischen Bereicb entwickchen. Sprecbakttheorie vorwcgni.mmt f53]. me Krllik wird. zuniichsL von. DAUBERT cnlwickelt. der die Klassc der S.e in Erkenntnisvcrhalle. Frage'-, Wun~6- Befehls-, V~rmulungs.verhalte u.a.m. ddTerenziert £54]. FUr die S.­Theorie iD) engeren Sinn hat 'diese EntwickJuDg zur Folg·c. dafi man sicb niehl nudur dic E'igonart der ab­stral ... en Kategoric des S. als solehe·inleressiert .. sondem aU'ch fUr Einzcl-S.e als konkrelc Besl.andtcile der empiri­schen Well sowie rur ihre untcrschicdl.ichcn Mer·k-roale uod filr die unle.rscbie.dJicbe Art und Weise. in dcr sic sich. zu andereo psychisehenund nichtpsychi$ohcn End­liitcn verballcn . .

Auch beim Rcinach- und Hussc·rl-Scbti.lcr R. ING"AR­DEN findet ..man wiehtigc Bejlrage ZUt desknptiven S.­Ontologie. die tcilwcise'aueh von lngardens polnls~hcm Lehrer Twardowski inspiricrt wnrden . .Ingarden krili­sien vor allem Rei.nachs ontologis~h'e Gleirnslcllung po­sitiver und negaliver. sO'wie beslcHc'nder undoicbt-ooslC­hender $.c und will dadufch radikale U nterschicde ihrer Seiosweisco zur Gcltung bringen [55). Nach .Ingarden kann nur bID positiv bestcbenden S.cn .von cineOl re.alen aulonome.n Scin im strengcn Sinn dje Rede sein. Andere S.c dagegeo sind vom BewuOtsCin· abhang!& ~ cine Lehre. die dann in lngardcns Ontologie fiktion'aler S.c Anwendun'g fmdet r56]: Anders als von I.ngardcn wurdc der Husserl-Reinaehschc S.-Bcgriff von W. ScHAPP be­bandelt. de.1' die .-Kalegol'ie in cine neue, ont-elogische Kat.egorie der 'Gl'Schicbtcn' ver:wandelt [5'7].

7. Mit der frUben pha.nomcnologiscben Bcwcgung lInd zum Teil auch mit der GI'II~r Schulc iSl ~ie Wiilzburger Scltu1e CleT experimcnleUcn Dcnk~ und Wollcnsp$ycho­logic um O. KuLPF. ,<TbundeD. F-lir Kiilpe iSl das gegen­st.andlicbe Korrelat cines Urteils wie mr Husserl oQd Rem8.cb cin S. Qdc;:r ... das VerhaJteo ~incs Gcgensl3n­dcs>t; m~l Blick auf Reinaeh ncnnt cr den S. cine .. Grund­fOr:Tlllo. die anderen formcn wic ·d.;r Form des Dings oder des Gegenslands gJeicbzusleJlen ware [58). Killpc untcrscbeidel folgcndc Typen V01l S.: .. Haben van 8:c­schaffcnbeiten. Kennteichen. McrkmaJen. Eigenschaf­ten; Stehen in Beziebungen Verhlihnisscn, ~Iatiorien; das Sein .. pn Gegenstllndtm, li.inwe.iseD von Zcichcn, Gehen von BegriiTell, Gcgenwiirtigsein (Gcgebcnscin) von wirklic;:hen, Geselztsein von ideil.lim~ Exislieren von realcn., Objektenll (59).

Ein enger Mitarbcilcr Kiilpcs (und zudem MitgHed der Miincbcner Pbanomcnologenschule) ist O. SEI,.z,. d~scn Wcrk iioor die Gcsctze:dcs geordnelcn Denkvcr­lau(s eine allgemeine. taxonomischc t Cbaraklcrisicrullg der Sachvcrhliltnisse- ent.biih [60.). Ausgclicnd von Stumpf, Hu~rl .Reinaeh, Mcinong u.a. zieht Sell, den Ausdruck (Sachverhiiltnis> vor, ~um durch dasWort 'VemiUmis' die cigcntiimlieitc Natur der Saehverhlih­oisse als ein sicb zueinander in be.stimmter Weise Ver­·haJten von bestimmlen Gegcnslaoden zum Ausdruck zu bringen .. [61]. Er behan<l~1t ausftihrlich die spezifisch

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psychischen S.c: Einfache und komplcxe· BcwulltseiJ)scr­lebnissc und ihre , unselbsHindigcn Momente· konnon .. untereinimder in b<.'Stimmten Beziehungen stehen, aJso GUcdcr von Sach\>:crhiillnissen seill.Jl [62]. Auch bci N. ACH tindet sich. diesdbc inzwischcn schon k1assisch gewordcnc S.-Literalur \/ric 6ci Selz beriicksicfitigL Ach komml jedoch zum sehumen SchloO. daB die· l)nlcrsu­ehungen·Rein3chs c'inc Besliitigung seiner eigenen ..Dar­legungen uoor die Unvergleichba~rkcit und Unbestimm­barkeit der Gegcnstiindc. [bildenl. Ocr El'kenntnis und mithin der wissenschaflliehen Darstellung zuglnglich sind nichtdie Gcgcnstande'sc1bsl. sondcm nU.r ihm S.e» [63].

8. Unter dem EinlluB dCT frUben Brcnl3Disten hal H. GOMPERZ in seincr .. Semasiologie .. oder .. allgemei­nen Bedeutungslehrc» eine subtife Konzeption . der struktureUen Verhaltnisse zwisc.hcn S.cn. Aussage·n lund anderen EntiHilcn aufgestellt. Tn eincr Au~ge-S.-Struk­tur ist nach Gomperl die Aussage selbst von 'ihrem Aus­sageinhalt zu untersebeiden, der ein propositionaler Sinn ist und wiederumvon einemgewissen Aussageiaul ausgcdriickt wird. Dieser bedeutet dcnausge~gten S"' del" giinstige.nfalls cine Talsache zur Grundlage hat. die dann seibsl durch den gegebenen Aussageinhalt in be­stimmler Weise aufgefa81 wird (64].

Diese nnd lihnliche Ideen zur Aussage-S.-Re1ation spiden auch bei Linguisten und Sprachpsycho)ogen eine Rolle, vor allem in der Sprachtheorie von K. ·BOffLER (1934), die eine BrUcke zwischen ,den Sprachpsycholo­gien von Marty und Gomperz sowie der Grazer nnd Wiirzburger Schule cinerseits und der Husserlschen Phfinomcno)ogie sowie der Miinch.ener S.- nnd Sprecb. akllheorie andererseits schHigt [65]. Anen andere Ungui­sten haben den S.-Begriff als Werkzeug einer Definition des Sprachgebjldes 'Sau' iibemomme.n, wahrend marl yorher etwa von Subjckt-Priidlk-at-Gliederuog gespro­chen hatte. Typisch ist etwadJe Bcmcrk.ung von G. Ip­SEN: /(Die Sprache meint etwas als S. und br;ngt dies,en ZUT Einsicht; sic ... wird sinnvoll erst. wenn sie tin Stuck Welt .trifft und die Spree.henden ill der Erkenntnis damit einJ;. [66].

9. Von Frege und mogli.ehenvaisc a"Uch (tiber seinen Lehrer B. Russ~lI) von Meiilong beeinflufil , stellt L. WITTGENSTEIN 192J ip seiner <Logi.sch-philosophi­sche..n Abhandlung, eine. S.-Thoorie aJs TeiJ eiDer logi­schell lind onlologiscbcD Theorie dcr Abbildungsrela­(ion zwischen Spracbc und WirkJjchkeit dar. Die eiof:a­ehe.n Gegeosliindc. die laut Wittgenstcin die Sy~tanz der Welt ausm3chen. sind in vcrscbiedeneo Weisen zo­~mllleogekclt<:t. Der S. ist dano «eine Verbindullg von Gcgcnstanden (Sachen. Dingen)>>. "Sind alle Gegeo­slande gegebe.n, SO sind damit auch aile mogli(;hcn S.c gcgebcll. Jl.'dcs Ding is!. gle.iehsam. in Cinem Raume mogl.ichcr S.C.f, Ejn E1ementarsatz ist, wah! genau dann. wcnn. die von scinen ein.(acbcn Namen bezek.h.oeten einfac-hen Gegenslande dcran in einem S. ycr:kenet sind. daB die KOllfigllf3fion dcr Gegcnslinde in der Struktur des SalUS w,idergespiegelt wi rd. Jcder sionvelle Satz kann laut Wil1gcnstc,in als cine- WahrhcitsfUnktion von Elemc:olarsatztm analysien. werden. Wiugcnsloins ' logi. scher Atomismus" besleht darin zu ~hBupten, daO Ete­menta'rSlitz¢ (und daher auch dieihnco cntsprecbendcn S.c) logiscb voneinandcf unabhangi'g sind. Dil.' Welt ~er­fallt demnach in. S,e: "die G.esamlhcit der bestcbendcll Sachvcrhalte lSl die Wd ....

Die Welt ist aJlerdings auch «die .6csamtheil dt'lr Tat­sachen». Wittgenstein flihrt den Terminus tTalSachc> in

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def Bedeutung «das Bestehen und Nichtbestehen von S.CID> ein. Das Bestehen cines S, nennt er cine positive, das Nichtbestehen eine negative Tatsache. "Das Beste.. hen und Nichtbest.ehen von S.en ist die Wirklichkei1.» Das Bild (speziell das logischc Bild, der Satz oder def Gedanke) «bildet die Wirklichkcit ab, indem es eine M6glichkeit des Bestebens und Nichtbcstehens von S.en darstellt». «Der Salz sleUt das Bestehen und Nichtbeste­hen der S.e dar." «Der Sinn des Salzes ist seine Uberein­s~imm.ung und Nichtiibereinstimmung mjt den Mog­hchkcuen des Bestehens und Nichtbestehens der S.e. Der einfachste Satz, der 'Elementarsatz, behauptet das Bestehen cines S.\) [67].

10. Stale of o,fJairs: Eine weilere AbsWtzung flir die Herlcitung von <s.> aus dem latclnischen (status> (rerum bzw. quaestiollis) liefert die Parallelentwicklung von <status rerum> zu <state of affairs> in der engIischen Sprache. Mit Verweis auf <SlaIUS rerum> sprichl der <Ox­ford English Dictio,nary> von einem «state of things» oder ~sta.lC of affairs» als «the way in which events or citCUmstanccs stand djspose~ (at a particular time or within a particular sphere}". Die englisehe Ubersetzung des deutschen, genauer des Husserlschen Ausdrucks <S.> durch «state of affairs)> HU3l 5ich schon 1905 oachweisen (~8). Vor aHem wurdc 's.ie dadurch gefestigt, daB diese Ubersetzung de.s Terminus <S.> von C. K. OGDEN und F. P. RAMSEY, den Obe~tzem von Wittgenstcins. <Lo­gisch-philosophischer AbhandIung>, iibcmomrnen wur­de (69). Der S. und vor altern das MeinongsGhc Objektiv leben dann jcdoch nicht nur in den Schriften des frUhen Wittgenstein weiter, sondern auch in RUSSELLS Arbeiten tiber ~~objecti ves», ~facts» und «propositions» [7(}), in den Arbelten von G. BERGMANN und seine,n Schtilern [71] sowie in den Schriften von R. CHlS.HOLM wr S.-Ontolo­gie [72J. Neuerdings erfahrt die S.-Ontologie auch in der «sit~at.ion semantics» .von J. BARWISE und 1. PERRY [73] SOWle In neuerc.n polOiscilen Arbeitcn [74] rur «fonnalen Ontologie" von «situations» eine Wicdcrgeburt.

Anmerk/lngefl. [IJ vgI . Vocab. juri,pl'ud. Romanac ex aueL acado Borussiae compo (1939) 5, 657f. ; Manuale IUl.inilalis fon· tium jur!s civ. Rom~norum, hg. H. E. DIRKSEN (1837) 908. - !2J l",x. lOUUS laUnllatts (Padua 1940) 4. 478f. - [3] M. FABIUS Q t1INTlL1ANUS: Instit. oral., bg.. M. WlI'TERBOTTOM (Oxford 1970) Ill, 6, 2; vgl. Art. <Rhetol'ik, Redekunst>. - [4J a.O. (2)478 , -(5) R. GOCLENlUS: Lex.phjlos. (1613) 1081. - [6] vgl. ~B. F. C. VQ SA VtON'\'; ~yslem des heuligen rom. R,,(;hts (1840-1849): R. vo. JllliRING: Geist des rom. Reclm in den \I"rscbicd: SluCen einer Enlwickl. 1112 (1869). - [7] VgI. etwa E. F. ~N: Grund­

salze des gcmaincl\ dlsch. peinl. Recht, (21799) 57. - (8) E BIER­I..INO: J uriSL Prinzipienlchre (1911) 4, 23. - [9J E. BEUNG: Grundziigc de~ Strafrcchts ('I (930) 128; auch L ENNECERt1S: Lchrb. dC1i BurgerI. Rechts ( 14 1952) I, 212. - POJ K. ENGISCH:

L.0Be- Studien zur Gc:sctzcsanwendung (1941/42). - [II) K L~· R£NZ,: Mctll00clllchrc dcr Rcehtswiss. ('1983), - (l2) F. BYD­UNSKJ: Juri L Mcthodcnlchre und Rcchtsbegriff (1982) 417-425. - (I'J AlllrrOTeLES: CaL. 4 b 5-10; 12 b 5-15; 14 b 9-23. - (l4J THOMAS VON AQl.m.:: In Met. IX, 11, n. 1897; vgJ. alleb: Dc \·cr. 9: ad I: P. HOENIl: Reality aodjudgmeni acCord. to St. Thomas (Chicago 1952) 65 und 1. HABBEL: Die S.-Problematik in der Phanomcnologi ulld be,i Thomas von Aquin (1960) 127 uberset· zen dabcj mil.>. - (15) So bei GREGOl!. VON RIMINt. - (16) ABAEI.ARD: Dialecli(\a, hg. L. M. Of. RUK (Assen 1956, 21970) 160. - II n Bo'N" VI1NTURA: In I sent. 41 , a. 2, q. 2 (Quaracchi 1882-\.9(2) I, 740. - (181 H. LOT7..B: Logik (1874) §§ 138.327. 345. - [19) J. BEIlOMAN:-:: AIlg.. Logik I: Reine Logik (1879) 2-5. 19. 38; vgI.. die BinI. 1.um Knpiwf tiber UneilsJebre in: loTZE: Logik (21880) § 36, der ~u(olgc ein Urtei! nieht dn Verhaltnis zwcier VorsteUungen zueinander, sondern ein "sachliches Vcr­hli.\tnis der vorgcsteHren InbaUe. ausspricht, das man nur darum "In einem Satzc abbilden" hDn, weil der Satz «dieses sachliche

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Verhaltois ... als bestehendschon vonmssetzt.. - [20J Dies hebl C. STUMPF: Erscheinungcn und psych, Funktionen. Abh. Kg!. Preuss. Akad. Wiss.en (1906) 4, 29~30, eigens hervor. - [21] to· glk [Sommer 1888) 4; von dieser Lithographic .ist ein;tig das Exemplar belannt, das Stumpf damals Husserl gesehcnlct hat (Hussert-Arcbiv zu Lowen, Sign, Q 13); bemcrkcnswcrt is\. daB ~usserl, der Stumpfs LogikkoUeg vom Jabr vorher gehon hat, zu dlcsem Passus am Rand notien, er sci ~ in den DlkUlh::n 1887 nicbt ~ritbah.:n~. - (22) a.O. (20J 30. - [23J a..0. - (24) Zur Eintci1. dcr WISHn, a.O. [20] S, 34. - [25] G. FnoE: BegriJTsschr. (1879) " § 2. - [26] B. BOLZANO: WissJehre 083?} I, n - [27J a.O. 78. -(28) G. GOTTHARDT: Bolzanos Lehrc vom 'Salz an sic-h' in ibrel" mClhodolog. Bedcut. (1909) 27. - [29] Vgl. F. BRENTANO: Obcr den Begrin'd ·r Wahrheit (1889), io: Wahrheit lind Eyidenz, hg. Q. KRAUS (f930) 3-29. - [,30] A. MARTY: Unlers. zur Gr,undJeg. d ... r aUg. Grnmmntik und Sprachphilos. (1908) 295. - [31] a.O. 404. - (32) a.O. - (33) H. BBRGMANN: Das pbilos. Werk B, Bolza· nos (1909) IS. - [341 Vgt K. TWAR.DOWSk.l: Zur LehJ'e vom In· halt undGcscnstand der VorsteUungen (J894) 9; A. MEfNONG: Philosophenbriefc, hg. R. Kl"''DI~GEM ([965) 143f. - [.35) VgI. MEI~~NG: ~lJ:cr ~nahmen (21910) 101; A. MARTY: Die'logi­sehc '. lokahsuscltc u.nd andc,re KJisuslheoricn (1910) 81, Anm. - [36} VgI. a.O. (1902) '163; e.1 9 10) 141. - [37) (I 902) 162; (11910) 49. - [38J R. AMESEDElt: Bs:1I1. zur Grun'dlcg. der Gcgcnstands. thecrie (1904) 55. - [39J A. MEINONG: fiber M6glicbkcil und Wah.rscheinlichkeit (1915) 88. -140} C. STUMPF. Door den Be· gri!," del' matbemat. Wahrscheinlichkeit. Sher. Kg!. Bayer. Akad. Wlss.en, Phll.·hlst. KJ. (1892) 37-100, hier: 46. - (41) MEiNONG, ~.O. (35)100. - [42] A. 'REINACH: ZurTl)ecfiedes negal. Uncils; Ill: A. PfANPEl!. (Hg.): Munchi:ner Philos. Abh. (1911). 220, Anm. - (43) VgI. E. RUSSEll: Log. Uoters. VI, § 39 (1901. t1921) 1112, 126. - (44) L?g. Untm. V, § 28 (1901, !19q) 11I1. 445. - [45] § 33, 3.0. 4591. - [46J Vgl. Erfahrung und l}rtcil §"S6 (.[94&) 2761f. - [47] Log. Unters. V. § t 7, a:O. [44] 402: - (48J :1..0. - {49J 1. DAUBERT: Ms. Da\lbeniana A, ' I. 4112r Han.dscllr.abt . Bayer. Staatsbibl. - {SO] Vgl. REINACH, a.O. [42]224. -[51} a.O. 222.­[52] a.O. 251, Anm.; vgl. aueh M. HONECKER: Logik (1927); <;icgccnsLandsloglk. uud Ocnklogik (1928); A.. PFANDElt: togik 1 (1921) Kap. 3. - (53] Vgl. d;lZU vor allem A. REINACH: Die llprior. GnlOdL des burgerI. Reehts. Jb. Philos. p\).anomenolog. Forsell . 1 (1913) 685·847. - [54) Vgl. in dieser Hinsicht auch den neuerdings von H.-N. CASTANEDA: Thinking and doing: The p~os. found. of institutions (Dordrecht 1975) cingefiihnen Be­gnff der 'practition'. - [55] Vgl. R. INGARDE'N: Der Streit urn die Existenz der Welt III! (1965) Kap. I L - (56] Das Lit. KwlStwerk (l93J). - (57] W. SCHAPP: Phi\os. der Geschichten (1959). - (58] O. KULPE: Vorles. uber l.ogik (1923) 214; vgl. auch H . SCHOU: S. - Unci! - Bcuncilung in der KIlIp...'SChen Logik.. Phil. Dis5. (Leipzig 1932). - (59) a.O, 194. -[60] O. SEl-Z: Oberdic Gesetzc dl'S 8.CordnClen' Dcnk\'erl~ur5 (1913) 130-145 .. - '(61) a.O. 131.:" (62] 145f. - {63] N . ACH: Obcr die Erkenntnis a priori, inshes. in der AdlhOletik (1913) 39, - (64J H. GOMPERZ: Weltaoscbauungs­Ichre n, I (1908) 61-79. 262-293. -- (65) VgI . daZ\I 3uth O. DITT­RICH: Die Problcme dar SPnLchpsychol. und ibrc 8C1Cnwlin. LO~ sungsmogliehkeiten (I!H3); G. K. OGOEN/1. A. RtCUARDS: The mea.n,ins.of nteaning (London 192.3) 214-277; A. H. GARDINER: The theory of speech and Language (Oxford 1932) 24-27. - [66J G . IPSEN'. Besinnung der Sprachwi~. Indogennnn. Jb. 11 (1926) 29. - [67] Vgl. L WrtT(lliNST, rN: Log.·pbilos. ·Abh. (\921) 2.01; 2.0124: 2.013; 2.0272; 2.C)4; 2.06; 2.20" : 4. 1: 4.2; 4.21; 4.25. - (681 Vgl. W., PIT"JN: Log. problems, old and lIew. J.Philos. Psycho!. scknt. Method 2 (1905) 233. - {69J L. WrnOENSTEIlI/: Tractatus 1~-phiIOs. (London 1922). - [70] Vg!. 1.B. B. RUSSELL: Tbe .,hllos. of log.. alomism /u)lldon 1918}; Analysis of mind (Lon~ dOli 1921) ch. 12; - (71) G. BERGMANN: Logic and reality (Madi· son 196'4); R. G ,RO!:'SMAI'o'Jo;; Tbe cal. struc\. of the world (Bloo­nii"gton 1983); da.rnit verwandl ist aucb D. M . ARMSTRONG: UnivcBlIls and scient. realism (Cambridge 1978). - In] Vgl. z.B. R. M. CHISHOLM: Person and object. A melaphys: study (London 1976). - !73] J. BAllWIsElJ. PERRY: Situations add attitudes (Cambridge, Mass. 1983). - {74 J VgI. dazu vor altern B. WOLNIE­WICZ: A formal ontology of situations. St\ldia logica 41 (1982) 3&1-413.

Literarurhillweise. C. A. BAYLIS: Facts, propositions, exempli. fication aod truth. Milld 57 (1948) 459-419. - U, WESEL; Rhel.

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BewuBtsein und Rcnlltlit bei Killpe und Gomperz. Z. Semiotik 10 (J 988) 377-397. - J. WOLENSKl/P. M. SIMONS: De veritafe. Austro-Polisb coot rib. to the lhwry of truth from Brenl8.no to Tarski , in: K. SZANIAWSIU (Hg.): The Vienna circle and Ihe­Lvov-Warsaw school (Dordrecbt 1989). - J. SCI-lULU (Hg.): Texte zum Tractatus (1989). B. SMITH

Sacrificium intelledus (dtscb.: Opfer des Verstandes). 1. Die Vorgeschichte des Begriffs <s.i.) reicht herab bis

zu den VollkommeilheitsvorstelJungen in der Sonder­cthik des a1tchristlichcnM<Snchf\lIt\S, die besonde~ auf den umfassenden Gehorsam und dessen beilsm.illleri~ sche Bedeutung abhebl. Nach JOHANNES CASSIAN sl~ht es dem Oberen, dem schon. der aul3eren Ordnung wegen Gehorsam geschuldet wird. zu, daB ihm die Gedanken­regungen seiner Untergebenen offengeJest und seiner Prtifung unterworfen ' werden (I). JOHANNES KUMA-KUS begreift di~ im Gehorsam dargebrachte Entsagung der Enlscheidung, die einer EntJeerung des menschlichen Willens g1eichkommt [2}. als nieht mehr iibersteigbares Vermogen der Entscheidungsmacht tiber sich setber: ' YIt(UCOll 8(Y'Tl v Wt6t>&m; Olo'ICPlOEro<,; i;v ltAoil1:q> ota.l(pi­~(3).

IONA TfUS VON. loYOLA erorten. nach patrologisehen Vorarbeilen. [4] im sog. <Gehorsamsbrie6 vom 26. Mlirz 1553 die seinen Orden auszcichnende Lehre vom «rei­ne.n uod vol.lkommcncn Gchorsam, der wahrhaften Vcr­zieht auf unsercn Eigenwilleo lind Vcrleugnung unseres eigencn Urteils einschlieBb [5J . Den hoehsten Grad des Gehorsams, der ein Ganzopfer (holocausto) uod cine vollstiindige Resignation seiner selbst ist [61. erlangt, wer

1114 Sacrificiuln intellectllll

dem Oberen ,(zum Willen auch noch seinen Verstand opfert» (<<offrezca el entendimiento») [7]. Die Unterwer­fung des Urteils kann nur so weit gehen, wie der erge­bene Wille in den "Fallen. wo ihn nichl die klar erkanntc Wahrheit (anders) notigt~ l8}, den Verstand «fUr etwas geneigi machen kanm~ [9]. Dabei ist nieht der aristoteli· sche szientifische Inlcllektbegriff, sondem die vomehm­lieh von augustinisierenden Denkem tradiene Auffas­sung eines infolge des SiindenraUs falliblen und daher ste!s auf Autoritat rUckverwiesenen Intellektes rezipiert [10]: "Was meinen Augen weill erscbeint, halte ieh flir schwarz, wenn die hierarcrusehc Kirche so bestimmh (II ).

1m Zeitalter der Gegenreformation begegnet dieser Gedankc in einer Viclfalt von (oft an Ignatius anschlie­I3enden) Formeln und Varianten: «Resignation des eige­nen Uneils» (121, «geistliches Ganzopfer» (<<spirituale holocaustum») (13], "Abtolung (monificatio) des Intel· lekts, Willens und Gedaehtnisses" {14], «Verzicht auf das eigene Urteil» «(abnegatioproprii iudicii») (15J; gele· genrlieh wird aber aueh ausdriicklich von einem «Opfer der Vernunfb, (<<sacrifice de 'la Raisofl») gesprochen (16J.

Die in der Denldigur des s.i. formulierte zugespitzte Fassung des Verhli1tnisscs von Vernunft und Glaube/Of­fenbarung metel sich der Religionskritik der Aufrlarung als Argument gegen den Wabrheitsanspruch der Offen­barung geradezu an und wird auch latsachlich zu einem ihrer glingigen Topoi. Geradc weil der Glaube an die Lehtcn der Offenbarung nur urn den Preis des s.i. mog­lich sei, konne es cine Aneignung der geofTenbarten Leh· ren aus Uberzeugung niebt geben: "Toute religion reve· lee exige qu'on lui sacrifie la raison, ... & consequement il eSI impossible que DOUS soyons convaincu» (17). -Zeilgleioh mit der protestantischen Aufldlirung, die das Problem def «Aufopferung der Vernunfh> (18) teils au&­driieklieh unler diesem Titel, teils in bezug auf den pau· Hnischen Gedanken der «Gefangennehmung der Ver· nunft durch den Gehorsam des GiaubenslI (2 Kor. 10, 5) kontrovers e(orten [19), bleibt im katholischen Raurn das GCbol in Kraft, «das eigene Urteil uod den eigenen Willen millels der Tugend des Verzichte~ Gott zU iiber­sebcD und zu opfel11» (20).

2. 1m Vorfcld und im Verlauf des 1. Vatikanischen Konzils (1869t70) scheint der Begriff des s.i. seine fonan grciibare Prilgnanz erhalten IU haben. C. J. VON HEFELE, Bischof von Rottenburg, schreibt 1870, er habe, urn ein Schis.mazu venneiden, durch seine Zustimrnung zum anstehenden Unfehlbarkeitsdogma Gott ein Opfer des Verstandes dargebracht (<<sacrificio dell'inteHetto Deo OblUli.) (21). Naeb A. TANNER kann man «alIenfalls das sacrificio dcll'intellelto bringen und dem Dogma sich unterwcrfen; aber etwas anderes ist es, dasselbe wissen­schaftlich zu erortern, zu begriinden und zu vertheidi­gen~ (22). Fur M. J. ScHEE8EN, der seine kompendiose <Theologische Erkennrnislehre) als Kommentar zu den Lehreotschei.dungeo des Vaticanum I versteht [23}, ge­staltet sich "der Glaube selbst ionerlich und wesentlich ... zu einem Akte der Religiositlit, 8pezieller des latreuti­schen Kultus, und gerade eines ganz besondcrs erhabe· nen und Gott wohlgefalligen Kultus, der rcligiosilas mentis oder des s.i.» [24]. Gegen Liberalismus und Pro· testanti.smus. der «von dem inneren Werte und 'dec Not· wendigkeit des s.i. nichts wissen will muB ... das Maje­stlitsrecht GOlles auf den Glauben, uod demgemafi die wirksame Geltendmachung der Offenbarung hervorge­hoben werden~ {25I. Der protestantische Kirchcnbistori­ker TH. F'ROMMt\NN [261 und der Konzilsbeobachler

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Sacrificium intellectus J 115

und spiitere Altkalholik 1. FRIEDRICH [27] gebrauchen den Begriff des s.i. als ein Leitwort anlikatholischer und antijesuitischer Polemik [28]; anderen Nichtkatholiken ist er immerhin AnlaB zu konfesslonellcr Pistanznahme g<::wordcn {29].

F. NIE'TZSCHE stellt den Begriff des s.i. in den Zusam­menhang seiner KIilik alIef MoraJ, deren Kern im Wil­lenzur Wahrheitliege. «Die Fiilsehung der Wahrheit zu Gunsten der Dinge, die wir lieben (z.B. auch Gott) -/luchwfudigste Unart bei erleuchtel.en Geiste.m, denen d ie Menschheit zu vertrauen pflegt und die so dieselbe verderben. im Wahne festhalten. Vnd oft war es ein so schweres Opfer fUr euch, s.i. propter amorem! Ach ich seIber habe es gelobt!,) [30]. "Das Chrislenthum ver· langle eigentlich nicbts als ein intellektueHes Opfer: dan an Christus geglaubt werde» [31]. - Fur M. WEBER ist die Hihigkeit zur «Virtuosenleistung des 'Opfers des In­tellck\s' .. . das entscheidende Merkmal des positiv reli­giosen Menschen», das «rechtmaBigerweise nur der Jiin­ger dem Propheten, der Glliubige der Kirehe» darbringt [32J. Wer «das Schicksal unserer Zeib, <ldie Entzaube­rung der Welt.», (micht oolinnlich erlragen kann, ... kehre lieber, schweigend, ... schlicht und einfach, in die weit und erbar01cnd geoffncten Arooe der alten Kirchen zu­ruck .... Denn ein solches Opfer des Intellekts xugunsten einer bedingungslosen reiigiosen Hingabe ist sittJich im­merhin doch etwas anderes als ... scllwiichliche Re1ati­vierung,. oder "Kathedcrprophctie» [33]. fm «Bewu.Bt­sein der Jrnums- und Tau5cbungsneigung des Men­schen)\ [34) verteidigt M. ScHELER das s.i. im Sinne einer (unter Wahrung der «Weltautonomie der Ver­nunft» vollzogenen) «Unterordnungsbereitschaft des Willens unter die Autoritat, unter ihren Anspruch del' Interpretation tind Fixierung der hOchstcn Glaubens­und Siltenregeln im Sinne ihres Stiftcrs» [35], wobei nieht «die objektivell idealen Prinzipicn und Formen und Ideen der Vernunfb, sondern "das subjektive, indi­viduellc, men.schliche, irrtumstahige» Erkenntnisvermo­gen geopfert wird (36). In der Dialcktischen Theologie K. BA.RTHS hat die wahre Erkenntnis des wahren Gones, dIe ~llangegrilTen und unangreiibar, ohne Sorge und Zweifel» ist [37], nur in de.T allcinigen gnadcnhaften Bin­dung an das Wort Gottes ihre Gewlihr, niemals in e'iIiem selbst erhr-achten s.i. oder «saito mortale des freien Den­kens. [381. «Das sj. a1s lelZter ver:zwcifclter kiibner Akt des Selbstvcrtraucns~ erweist sich slcts -als bloOer Zau­be(, '" auch wenn man ibn als Sprung in den. Glauben deutCbI [391. In Fortftihrung llanhscher Gedanken [40] grfindet D. BONFrOEFPER die Dialektik von Iireiheil und GehoTSam cines jeden Chris len. der auch immer cin Dogmatiker ist, auf das Wort GOlles. Dieses iSI fldie in der Kirche prliscnte absolute Autoritat, die prils~nl ist freilich nur iD) Wort der Kirchc. d..h. aber in repriisen­lierier. rl'iatiwr AutoJilal 1> [41}. "Mein relativer Gcb()[­sam geh6rt der Kirche. sic ist im Recht, von mir cin s.i. und viclJejchl sog(lr auch gegebcnenfalls ein sacrificium conscientiae zu fordem. Ersl dort, wo ... wirkJich die absoluteAulor:ilal des Wo'rtcs·Gottes mir gegeniibertrilt und meineo absoluten G e.horsam ... forderl . ... da kann die relative Gcbundcnhcit an di.c- K.i-rchc zerrisscn wer­den, weon sic meincr alisoJuten Bindung ans Wort im Wegc steht.)t Sonsl o:stiindcn wif beim katholischen Kir­chen- ond Autoriiftt&begrifl'l. [42}. Fur R. BULTMANN be­deutet die Forderung, die nculestamenlJicile Mytbologie blind zu akzeptieren u.nd als Glaubensfordcrung zu cr­heben, "den Glauben zum W~rk tzu] emiedrigcn ... Die Erftillung def Forderu.ng ware eio abgezwungenes s.i.1I

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[43]. - 1m Auslreiben def Phantasie wird oacb TH. W. ADORNO durch die instrumentelle, reproduktivc Vcr­nunft (~lntel1ectus s.i.») .kritiscbes Denken /(e~orziert» t44]. - !Ieuljge katho/isehc Religionsphi/osophi~ (45], Dogmatik (46) und Moraltheologie {47] dis\3nziert sicl), vOl1 A,usnanmenabgeseJlI!n [48], vom Begriff dc.s s.i. und seiner integralislischcn Tendenz, chrisl1iche E~isteD2 in Ki.rche und Well einer allgemeinen und umfassenden rationalcn Veraotwortbarkeit entziehen zu wollen.

.-Illmerkllllgell. Lll JOI~. CASSIANUS: De instil. cocl)ob. 4. 9. CSEL 17. 53: zit. F. SUAREZ; De rCiig. tract. 8, 10, 6,_0. 5 (1625). Op. omo .. hg. C. BERTON (paris 1856-78) 16, 1084 D .. - [2J JOH.

KLIMAKUS: Scala pa.rad. " $Chat. 3. MPG 88. 729 B. - (3J Sc. par. 4, a.O. 680 A; :rum Begriff des 50S- blindcn Gchorsams "gl. F. ROPPERT: Das ~achomian. Monchriim und die Anfiingc kliislcrl. Gchorsamii {l97 I) 418-427. - I") VgI. K. Q. ScHMIDT: Die Geo borsamsidcc .dcs Jgn. von Loyola (1935) 8·19; J. LOOSEN: Geslalt­""'andel im relig. Gehof!i3msid~al. Gcir.t lA:ben 24(1951)203; H . R.MINER.: Igo. von LoY,ola als Meosch und Thcologc (1964) 235· 250. -(SJ IGNATIOS voN LoVOLA: Episi. de oboed. ·vinule 2 (26. 3. ISH), zit. nacb': c. f,.;IIRDT/K. 'UNO (Hg.); Quellen zur Gesell. des P.aps~tum$ lind d~ Rom. Kalholli ismu5 I (6 1967) 554; dlsch.: H. R:AIINE"R (Hg.); Geist!. Br. (Einsiedcln .1(956) 244; vgl. A. M OLLElI: Das Problrm von Bcfc.hl lind Gehotsllm im Leben tier Kjn:he (Einsicci~n 1964) I 39it - [til Epist. \l. 9. 3.0 . 546/dlsch. 24:8; vgl. a.uch ~n. (R~signalion, rcsignieren>. - (7) n. 7, a ,O, 545/248; \'&\. SUhRU: ~~clig.. 7, fO, pro!. 0624-), a.O. [II 15, 863 b. -(8) n:~, a.O. $46J248. - (9J n. 7, D.O. - (IOJ VgL z,B. AUGUSTINUS: De orli 2, 26f.; eJttrem: WlutE1.M ilON A UYE,RONf.; Tract. de fide J [ca. 1228], Opcrn (paris 1674, NO 1963) I. 2 b H; 3 a A-B; 4- b E-H; 6 b F·H; bcs. 7 a A; dull G. ~GUIAItOT: Die Entwickl. def dogmal. Glaubensps),cbo!. in def miUdallcrl. Schola.(lik (J 933). 280 (Anm.l). 29"r. 299 (Anm.21); A. LANG: Die theol. Prihzil?icnlchrc der miLlclaller!. Scholaslik (t 964) IS8f.; zur Rc-lCplion v(in 2 Kor. 19. 5 im ZUs. dcrPariser lA:hr· veruncilung von 1277 vg!. L. BIANCHI: .CaplivareiOlellcChlm io obscquium ChristO.. Riv. ('.nl. Storia Filo!>. 38 (1983) 81~87. -III] Exerc. spiriL n. '365 lca. 15211351. hg. J. ULVIlItAS/C . J)I!

DALMMes (Rom 1969) 4IOff.: zum ckkl~iolog. Hintcrg(Und iliescs als RepUk auf Erasmus von RQllcrdam cnlsLDndcncn Dik­lUInS ~g1. W, LASER: Die Res~ln des 1&0. von Loyola zur kirchl. QC$innung. Geist L4:ocn S7 ( 984) 341·352. -[12) L-. DE PONTE [DE LA PUENTE): Dux spirituali!; 1, 24.3 (1609) (16) 7) 204~ vgl. 4, 7-: vgl. IQ~·Anus VON loYOLA: EJc~rc. spiriL n. 2.34, 3:0. 308. -

. (13l bpoi . moralis in Canlicum Canticorum 4. 18, 4 e 1622) 2, H b C. - (14) J Ar-: DE 1.-' C,-uz: Llama de amor viva 2, 6, 34 (15114). Vida y obras .. hg. L. D~ SS. SACRAMENTO (Madrid ~.1950) 12161:; C ONSTANTTN' D.E BARIJANSON: Amoris divioi oc­CultaC semilae 4 (1623) 82: zur Vorgeschicbtc diesel> MOljvs "g!. DlosV$lus CARTRIJSIANUS. \)e comcmp!. 2, 12 lea. I 44OI45J, Op. ontn. (Touroa.i 1896-1913) 41. 258 Ai J. MANSI: Bib!. moralis pracdicabili S I. disc.. 7~9 (VenCtlig J 703) 3, 35Q-3S6. - (lS] M. Mor:u .. os: GuIa C$piriluaJ 2, 76. 8.3-'87 u.ll. (1675), hg. J. l TEL­LEe liliA IOIGoRA (Madrid 1976) 240. 244ff. - [16) P. BAYLE: Ecl:iirc. sur ccnain~ chases ~paJldoes dans ~ Diet.; lI. Eel.. in : Di.l't. hisL el eri\. (Amsterdam sl-'740).4, 632. 6~; NO: Oeuvr. div., hg. E. LABROUSSE Suppl. 112 (1982) 122S. 122·9; FEtaLON; L::llm sur l'autorite de ('eg!. I. Oeuvr., hg. M. AlM,t-MAATJN (PllriS 1838-43) I, 224 a; dlsch.: Geist!. Weritc, hg.. F. V ARJLLON (1961) l41 ; L::ltr~ spiril. 40, a Mil!< de MainlCnOJl (1690,) • .a.Q. J, 479 b: vg!. R. Sl'Af.J1ANN: Rcf1c<xioli un~ Spontllne-i~t (1963) tOO. - [1711. A. NAIOEON (fig.); Rccueil phit6s. ('ttlndoo'(Am­Slcrdam] ! 770) I , 69; vgl. auch 6G: vgl. D. DIOF.IIOT: Addit aux pcnstcS pliilos. II [ca. 1749]. OeUVT, rompl .. hg. -.I . ASStZATjfl.1 . TouRNEux (Paris 1875-77) I. 158; dJscll. : Phllos. &hr., hg. TH. LOCKE (Beflin~1 1967) 1, 35. - {I 8] G. E. LESSI .. a: Rettungdts Hier. Cardanus (1754). Wcrke, bg. R G. GOPFf.RT 7 (1976) ·20. -(19J H. S. REIMARUS: A:poiogie ooerSchuuschr. rlirdievcrniinft. Vcrchrcr Goues, hi. G. ALEXANDER (i972) 1,102-1.04; LESSING: GcgenSill2e des Hg .• a.O. 7 (1976) 462f. - (20) D. ScmtAM: InstiL theal. mysticac § 96 (Wien 1778) 1, 226: vg!. § 93(. , a.0. 216, 219. - [21] C.1. vot" lfEFEJ.E: Br. an J. FeOIer(iO. 4. 18-70), in: A. B. HASLER: Pius IX. (1846-1878), papS!!. Unichlbarkllit und I. Vat. Komil (1977) 2. 473. - (22J A. TANNER: Dr. an J. 8. K. Greith

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Hans Rudolf Schweizer: Philosoph, Autor und Herausgeher

HaftS Rudolf Schweizer

Asthetik als Philo sophie der sinnlichen Erkenntnis Eine Interpretation der «Aesthetica» A. G. Baumgartens mit teiJweiser Wiedergabe des

lateinischen Textes und deutscher Ubersetzung.

1973. 358 Seiten. Leinen . Fr. 51.-/ OM 61.-. ISBN 3-7965-0582-1

Die Entdeckung der Phanomene Dokumente einer Philosophie der sinnlichen Erkenntnis Herausgegeben von Hans Rudolf Schweizer und Armin Wildermuth. 1981. 395 Seiten. 33 Abbildungen. Broschiert. Fr. 35.-/ DM 42.-. ISBN 3-7965-0776-X

In ErscheinWlg treten Heinrich Earths Philosophie des ASlhetischen Herausgegeben von Gunther Hauff, Hans Rudolf Schweizer und Annin Wildermuth. 1990.326 Seiten, 10 Abbildungen. Gebunden. Fr. 58.- j DM 68.-. ISBN 3-7965-0907-X

WfadysJaw Talarkiewicz

Geschichte der Asthetik Deutsch von A. Loepfe. Gesamtpreis ffir aile drei Bande: Fr. 150.- J DM 179.50.

ISBN 3-7965-0914-2

Band 1: Asthetik der Antike. 1979. 404 Seiten mit 19 Abbildungen. Leinen. Fr. 60.- J DM 71.50. ISBN 3-7965-0660-7

Band II: Asthetik des Mittelalters. 1980. 355 Seiten mjt 17 Abbildungen. Leinen. Fr. 60.- J DM 71.50. ISBN 3-7965-0731-X

BOlld Ill: Asthetik der Neuzeit. Von Petrarca bis Vieo. Herausgegeben von Hans Rudolf Schweizer. 1987. 461 Seiten mit 44 Abbildungen. Leinen. Fr. 60.- / DM 71.50. ISBN 3-7965-0746-8

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I AUGUSTINUS-LEXIKON lIP-

Herausgegeben von Cornelius Mayer in Verbindung mit Erich Feldmann, Wilhelm Geerlings, Reinhart Herzog, Martin Klockener, Serge Lance}, Goulven Madec, Gerard O'Daly, Alfred Schindler, Otto Wermelinger, Antonie Wlosok

Redalction: Karl Heinz Cbelius

Vol. J Fasc. J 12: Aaron - Anima, animus 1986. Einleitung. 52 Seiten, Text 320 Spalten. Broschiert. Fr. 60.-IDM 74.-. ISBN 3-7965-0855-3

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Das Gesamtkonzept des Augustinus-Lexikons

Das Augustinus-Lexikoo 1st sowohl ein BegrifTs- als auch ein Real-Lexikon. 10 alphabetischer Reiheofoige stellt es BegrifTe vor, erfaCt es Person en und Sachen, die fLir Leben, Werk und Lehre Augustins von Bedeu­tung sind. Urn groBere Zusarnmenhlinge darstellen zu konnen, bertieksiehtigt das Lexikon nicht nur Augu­stins Biographie und Schriften, sondern bezieht auch seine kirchenpolitische Stellung, die Personlichkeiten seiner Umgebung sowie den zeitgeschichtliehen Kon­text mit ein. Wegen des kaum tiberschaubaren und von der Forsehung erst teilweise aufgearbeiteten Ein­flusses Augustins auf die Naebwelt wird die Wir­kungsgescbichte ausgekJammert.

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Geplant sind 4 Textblinde zu 8 Faszikeln mlt Je ca. 1280 Spallen und I Registerband. Die Artikel sind entweder in deutscher, englischer oder franzosiseher Sprache abgefaBL Lieferung in broschierten Faszikeln 'ZU 160 bzw. Doppelfaszikeln zu 320 Spalten ungefahr jahrlich. Preis flir Vol. 1: pro Faszikel Fr. 32.-1 DM 39.-, pro Doppelfaszikel Fr. 60.-IDM 74.- . Lei­nen-Einbanddec.ke separat mit Fasc. 8 jedes Bandes (ca. Fr. 20.-/DM 25.-). Lexikonformat 19,5x26,6 em. Bestellung zur Fortsetzung. Bezahlung nach Lieferung des Faszikels. ISBN 3-7965-0854-5 (flir Gesarntwerk).

Vol. J Fasc. 4: Asinus - Bellum 1990. 160 Spalten. Broschiert. Fr. 32.-/DM 39.-. ISBN 3-7965-0874-X

Vol. 1 Fasc. 5/6: Bellum - Ciuitas dei 1992. 320 Spatten. Broschiert. Fe 60.-/DM 74.-. ISBN 3-7965-0925-&

~Dieses Lexikon wird nicht nur von Augustin-Spezia­listen) sondem von Geisteswissenschaftlern aller Schattierung benutzt werden! ... Gewisse Bedenken sind nur Quisquilien gegeniiber diesem imposanten Unternehmen, das die kritische Auseinandersetzung mit einem Denker erneut intensivieren wird, einem Denker, der die christlicbe Kultur wie kein anderer Tbeologe beeinfluCt hat. Nicbt nur die theologische Faehwclt sollte s.ich jetzt an die Stimme zuruckerin­nern, die Augustin vor 1600 Jahren zugerufen hat: toIle - lege!»

Theol. Lileraturzeitung 112 (1987) 730-734

«We must welcome this work and regard it as an ar­rabon of the projected Augustinus-Lexikon in toto. It seems fitting that such a comprehensive work be launched at a time whenjoumals and bookshelves are further inundated by Augustiniana and that it con­centrate on the thought and times of St Augustine himself and the influences which his environment brought to bear on him. The emphases are generally in the right places and we look forward to the publication of its companion fascicles and volumes.»

Journal o/Theological Studies 38 (1987) 541-543

«Pour tout dire, I' Augustinus-Lexikon promet d'etre un instrument de travail d'une grande valeur: il a sa place dans toute bibliotheque specialisee; en outre, il est ofTert a un prix qui n'est point excessif.»

Archives de Philosophie 50 (1987) 687-689

Schwabe & Co. AG . Verlag· Basel