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blick auf die starke Konkurrenzierung durch den Kraftwagenverkehr der Kieler Verkehrsbetriebe nicht mehr umgangen werden, wenn der Personen- verkehr auf der Schiene gehalten werden sollte. Problematisch war auch die Gestellung der Be- triebsstoffe für die Aufrechterhaltung des Fahr- plans. Der Kohlenbedarf lag bei etwa 180 Tonnen monatlich, die Reichsbahn als der von der engli- schen Besatzungsmacht bestimmte Kohlenliefe- rant, stellte jedoch lediglich etwa 60 bis 80 Tonnen zur Verfügung. Um die acht werktäglichen GmP befördern zu können, stand 1946/47 neben den Kieler Dampflokomotiven daher eine ehemalige Marine-Diesellok zur Verfügung (Lok V 36 04, DWK 776/1944, Typ 360 C), die von der KSchE übernommen werden sollte und für die auch bereits die Nummer V 12 K-Sch vergeben worden war. Nach langen, erfolglosen Verhandlungen ging die Lok aber doch nicht in das Eigentum der Klein- bahn über. Auch für die Dieselleistungen wurde der monatliche Bedarf von 8 Tonnen Dieselkraft- stoff nur zu knapp 40 % gedeckt. Nachdem die DEG für weitere Bahnen ihres Be- triebsführungsbereiches bereits seit 1947 versucht hatte, dampfbespannte Personenzüge durch Trieb- wageneinheiten zu ersetzen, dies aber infolge der Auslastung der potentiellen Lieferfirmen mit In- standsetzungsarbeiten für die Reichsbahn und dem Verbot des Neubaus von Fahrzeugen durch die Be- satzungsmächte zunächst nicht möglich war, ge- lang es in enger Zusammenarbeit mit der Maschi- nenfabrik Esslingen Anfang der fünfziger Jahre ei- nen geeigneten Dieseltriebwagen zu entwickeln, der für den Einsatz auf den Betriebsführungsbah- nen der DEG optimale Voraussetzungen bot. Die beiden ersten Exemplare wurden 1951 an die Farge-Vegesacker Eisenbahn im Bremer Norden ausgeliefert, weitere Fahrzeuge folgten zügig. Mit den Esslinger Triebwagen konnte der Betrieb – nicht nur bei den von der DEG geführten Bahnen, sondern in der Folge auch bei vielen anderen nicht- bundeseigenen Eisenbahnen – erheblich rationali- siert werden und sicherte somit das Überleben des Personenverkehrs auf vielen Nebenbahnen. Auch in Kiel trat man dem Ersatz der unwirtschaft- lichen Dampfpersonenzüge Anfang der fünfziger Jahre wieder näher. In den Aufsichtsratssitzungen der beiden Gesellschaften wurde daher seit Anfang 1952 gemeinsam mit dem Kieler Verkehrsministe- Vorgeschichte Die beiden von Kiel ausgehenden Kleinbahnen Kiel – Schönberg (KSchE) und Kiel – Segeberg (KSE) wurden in den Jahren 1897 bzw. 1911 durch die Eisenbahnbau- und Betriebsgesellschaft Lenz & Co mit Sitz in Berlin gebaut und nach Fertigstel- lung betrieben. Somit befanden sie sich wie zahl- reiche weitere Privat- und Kleinbahnen später unter dem Dach der Aktiengesellschaft für Verkehrswe- sen (AGV), die ihren Sitz ebenfalls in Berlin inne- hatte. Durch die Zonenteilung konnte ab Mai 1945 eine Verwaltung der beiden Kieler Lenz-Bahnen nicht mehr aus Berlin vorgenommen werden, da jegli- cher Kontakt wegen des nicht zugelassenen bzw. gestörten EDS- und Postverkehrs zunächst unmög- lich war. Auf Anordnung des im April 1945 nach Hamburg übergesiedelten AGV-Generaldirektors Dr. Lübbert wurde ab 1. August 1945 die Betriebs- führung von Lenz & Co auf die ebenfalls unter dem Dach der AGV befindliche Deutsche Eisen- bahn-Aktiengesellschaft mbH, seit 1952 Deutsche Eisenbahn Gesellschaft mbH (DEG) in Frankfurt (Main) übertragen. Nachdem die Betriebsergebnisse der Kieler Bah- nen nur während des Zweiten Weltkrieges durch enorme Transportleistungen für die Marine und die Wehrmacht zufrieden stellende Höhen erreichten, änderte sich die Situation nach Kriegsende schlag- artig. Beide waren nach 1945 in großer finanzieller Not, die Anlagen durch die gewaltigen Transport- aufgaben für die Kriegswirtschaft in besonders be- dauernswertem Zustand und auch die Fahrzeuge, die zum Teil noch aus der Eröffnungszeit stamm- ten und überwiegend schwere Kriegsschäden da- vongetragen hatten, für einen zeitgemäßen Ver- kehr, vor allem nach der Währungsreform, nicht mehr verwendbar. Zudem stiegen die Beförderungszahlen rapide an: 1947 waren es z. B. bei der Kiel-Schönberger Ei- senbahn 753.000 Fahrgäste gegenüber 230.000 im letzten Friedensjahr 1938/39. Der dreifachen Nach- frage stand ein nahezu halbiertes Angebot entge- gen: Die KSchE leistete 1947 52.000 Zug-km ge- genüber 96.541 Zug-km in 1938/39. Während 1939 noch 14 Personenwagen mit rund 650 Sitzplätzen bereitstanden, waren im Krieg 7 Wagen verloren gegangen. Mit requirierten Personenwagen aus Marinebeständen und Anmietung des Doppelwa- gens 1091 der KSE gelang der KSchE zwar 1947 die Bereitstellung einer Kapazität von 590 Sitzplät- zen, die Modernisierung des veralteten Fahrzeug- parks konnte jedoch bei beiden Bahnen im Hin- Links: Sattelschlepper-Leichttriebwagen der meterspurigen, damals als Straßenbahn konzessionierten Inselbahn auf Sylt mit Borgward-Zugmaschine, 1952 Rechts oben: Angebotszeichnung der MaK-Akkutriebwagen Rechts: Konkurrenzprodukt zum GDT war der Esslinger Triebwagen. Hier Werkfoto des Triebwagens WEG T 20 zwi- schen Linsenhofen und Neuffen, 1952 Alle nicht anders bezeichneten Fotos und Zeichnungen: Slg. Jochen Fink 24 Die Museums-Eisenbahn 4/2004 Fahrzeug-Geschichte Im Sommer 1953 – vor gut 50 Jahren – wurden auf den Kleinbahnen Kiel – Segeberg und Kiel – Schönberg die beiden ersten Exemplare der MaK-Großraumtriebwagen (GDT) in Dienst gestellt. Mit dem Bau erhoffte sich die Maschinenbaufabrik Kiel (MaK) die Eröffnung neuer Marktchancen für den Absatz von Dieseltriebwagen in Fortführung der Tradition der Vor- gängerfirma, den Deutschen Werken Kiel (DWK). Nachdem schon rund zwei Jahrzehnte keine Triebwagen mehr die Kieler Werkshallen verlassen hatten, sollte der Triebwagenbau nun wieder aufgenommen werden. Daß dem Projekt kein allzu großer Erfolg beschieden war – im Zeitraum von 1953 bis 1960 wurden insgesamt nur 18 Triebwagen, davon 13 GDT, gefer- tigt – lag nicht an mangelnder Qualität des Produktes, sondern den ungünstigen Rahmenbe- dingungen für den Weiterbetrieb zahlreicher Nebenbahnen seit Beginn des Siegeszuges der individuellen Motorisierung in den 1950er Jahren. Dennoch lohnt ein Blick auf die Entste- hungsgeschichte des GDT-Fahrzeugtyps, der in enger Zusammenarbeit zwischen den Erstauf- traggebern und der Lieferfirma in aus heutiger Sicht außerordentlich kurzer Zeit erfolgreich entwickelt, gebaut und in Betrieb gesetzt wurde. Jochen Fink 50 Jahre MaK-Großraumtriebwagen (GDT)

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blick auf die starke Konkurrenzierung durch denKraftwagenverkehr der Kieler Verkehrsbetriebenicht mehr umgangen werden, wenn der Personen-verkehr auf der Schiene gehalten werden sollte.

Problematisch war auch die Gestellung der Be-triebsstoffe für die Aufrechterhaltung des Fahr-plans. Der Kohlenbedarf lag bei etwa 180 Tonnenmonatlich, die Reichsbahn als der von der engli-schen Besatzungsmacht bestimmte Kohlenliefe-rant, stellte jedoch lediglich etwa 60 bis 80 Tonnenzur Verfügung. Um die acht werktäglichen GmPbefördern zu können, stand 1946/47 neben denKieler Dampflokomotiven daher eine ehemaligeMarine-Diesellok zur Verfügung (Lok V 36 04,DWK 776/1944, Typ 360 C), die von der KSchEübernommen werden sollte und für die auch bereitsdie Nummer V 12 K-Sch vergeben worden war.Nach langen, erfolglosen Verhandlungen ging dieLok aber doch nicht in das Eigentum der Klein-bahn über. Auch für die Dieselleistungen wurdeder monatliche Bedarf von 8 Tonnen Dieselkraft-stoff nur zu knapp 40 % gedeckt.

Nachdem die DEG für weitere Bahnen ihres Be-triebsführungsbereiches bereits seit 1947 versuchthatte, dampfbespannte Personenzüge durch Trieb-wageneinheiten zu ersetzen, dies aber infolge derAuslastung der potentiellen Lieferfirmen mit In-standsetzungsarbeiten für die Reichsbahn und demVerbot des Neubaus von Fahrzeugen durch die Be-satzungsmächte zunächst nicht möglich war, ge-lang es in enger Zusammenarbeit mit der Maschi-nenfabrik Esslingen Anfang der fünfziger Jahre ei-nen geeigneten Dieseltriebwagen zu entwickeln,der für den Einsatz auf den Betriebsführungsbah-nen der DEG optimale Voraussetzungen bot.

Die beiden ersten Exemplare wurden 1951 an dieFarge-Vegesacker Eisenbahn im Bremer Nordenausgeliefert, weitere Fahrzeuge folgten zügig. Mitden Esslinger Triebwagen konnte der Betrieb –nicht nur bei den von der DEG geführten Bahnen,sondern in der Folge auch bei vielen anderen nicht-bundeseigenen Eisenbahnen – erheblich rationali-siert werden und sicherte somit das Überleben desPersonenverkehrs auf vielen Nebenbahnen.

Auch in Kiel trat man dem Ersatz der unwirtschaft-lichen Dampfpersonenzüge Anfang der fünfzigerJahre wieder näher. In den Aufsichtsratssitzungender beiden Gesellschaften wurde daher seit Anfang1952 gemeinsam mit dem Kieler Verkehrsministe-

Vorgeschichte

Die beiden von Kiel ausgehenden KleinbahnenKiel – Schönberg (KSchE) und Kiel – Segeberg(KSE) wurden in den Jahren 1897 bzw. 1911 durchdie Eisenbahnbau- und Betriebsgesellschaft Lenz& Co mit Sitz in Berlin gebaut und nach Fertigstel-lung betrieben. Somit befanden sie sich wie zahl-reiche weitere Privat- und Kleinbahnen später unterdem Dach der Aktiengesellschaft für Verkehrswe-sen (AGV), die ihren Sitz ebenfalls in Berlin inne-hatte.

Durch die Zonenteilung konnte ab Mai 1945 eineVerwaltung der beiden Kieler Lenz-Bahnen nichtmehr aus Berlin vorgenommen werden, da jegli-cher Kontakt wegen des nicht zugelassenen bzw.gestörten EDS- und Postverkehrs zunächst unmög-lich war. Auf Anordnung des im April 1945 nachHamburg übergesiedelten AGV-GeneraldirektorsDr. Lübbert wurde ab 1. August 1945 die Betriebs-führung von Lenz & Co auf die ebenfalls unterdem Dach der AGV befindliche Deutsche Eisen-bahn-Aktiengesellschaft mbH, seit 1952 DeutscheEisenbahn Gesellschaft mbH (DEG) in Frankfurt(Main) übertragen.

Nachdem die Betriebsergebnisse der Kieler Bah-nen nur während des Zweiten Weltkrieges durch

enorme Transportleistungen für die Marine und dieWehrmacht zufrieden stellende Höhen erreichten,änderte sich die Situation nach Kriegsende schlag-artig. Beide waren nach 1945 in großer finanziellerNot, die Anlagen durch die gewaltigen Transport-aufgaben für die Kriegswirtschaft in besonders be-dauernswertem Zustand und auch die Fahrzeuge,die zum Teil noch aus der Eröffnungszeit stamm-ten und überwiegend schwere Kriegsschäden da-vongetragen hatten, für einen zeitgemäßen Ver-kehr, vor allem nach der Währungsreform, nichtmehr verwendbar.

Zudem stiegen die Beförderungszahlen rapide an:1947 waren es z. B. bei der Kiel-Schönberger Ei-senbahn 753.000 Fahrgäste gegenüber 230.000 imletzten Friedensjahr 1938/39. Der dreifachen Nach-frage stand ein nahezu halbiertes Angebot entge-gen: Die KSchE leistete 1947 52.000 Zug-km ge-genüber 96.541 Zug-km in 1938/39. Während 1939noch 14 Personenwagen mit rund 650 Sitzplätzenbereitstanden, waren im Krieg 7 Wagen verlorengegangen. Mit requirierten Personenwagen ausMarinebeständen und Anmietung des Doppelwa-gens 1091 der KSE gelang der KSchE zwar 1947die Bereitstellung einer Kapazität von 590 Sitzplät-zen, die Modernisierung des veralteten Fahrzeug-parks konnte jedoch bei beiden Bahnen im Hin-

Links: Sattelschlepper-Leichttriebwagen der meterspurigen,damals als Straßenbahn konzessionierten Inselbahn auf Sylt

mit Borgward-Zugmaschine, 1952

Rechts oben: Angebotszeichnung der MaK-Akkutriebwagen

Rechts: Konkurrenzprodukt zum GDT war der EsslingerTriebwagen. Hier Werkfoto des Triebwagens WEG T 20 zwi-

schen Linsenhofen und Neuffen, 1952

Alle nicht anders bezeichneten Fotos und Zeichnungen:Slg. Jochen Fink

24 Die Museums-Eisenbahn 4/2004 Fahrzeug-Geschichte

Im Sommer 1953 – vor gut 50 Jahren – wurden auf den Kleinbahnen Kiel – Segeberg und Kiel– Schönberg die beiden ersten Exemplare der MaK-Großraumtriebwagen (GDT) in Dienstgestellt. Mit dem Bau erhoffte sich die Maschinenbaufabrik Kiel (MaK) die Eröffnung neuerMarktchancen für den Absatz von Dieseltriebwagen in Fortführung der Tradition der Vor-gängerfirma, den Deutschen Werken Kiel (DWK). Nachdem schon rund zwei Jahrzehntekeine Triebwagen mehr die Kieler Werkshallen verlassen hatten, sollte der Triebwagenbaunun wieder aufgenommen werden. Daß dem Projekt kein allzu großer Erfolg beschieden war– im Zeitraum von 1953 bis 1960 wurden insgesamt nur 18 Triebwagen, davon 13 GDT, gefer-tigt – lag nicht an mangelnder Qualität des Produktes, sondern den ungünstigen Rahmenbe-dingungen für den Weiterbetrieb zahlreicher Nebenbahnen seit Beginn des Siegeszuges derindividuellen Motorisierung in den 1950er Jahren. Dennoch lohnt ein Blick auf die Entste-hungsgeschichte des GDT-Fahrzeugtyps, der in enger Zusammenarbeit zwischen den Erstauf-traggebern und der Lieferfirma in aus heutiger Sicht außerordentlich kurzer Zeit erfolgreichentwickelt, gebaut und in Betrieb gesetzt wurde.

Jochen Fink

50 Jahre MaK-Großraumtriebwagen (GDT)

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50 Jahre MaK-Großraumtriebwagen GDT Die Museums-Eisenbahn 4/2004 25

rium über die Beschaffung neuer Fahrzeuge bera-ten. Intention der Landesregierung als Darlehens-geber für die Anschaffung neuer Fahrzeuge warnatürlich die Vergabe der Aufträge an ein im LandSchleswig-Holstein ansässiges Unternehmen. Ein-ziger Schienenfahrzeugproduzent war die KielerFirma MaK, die 1952 bereits den Auftrag zum Bauvon drei zweiachsigen Akkumulatorentriebwagennebst zwei Steuerwagen für die neu zu eröffnendeAlsternordbahn erhalten hatte.

Daneben hatte die Sylter Verkehrsgesellschaft imselben Jahr die ersten Borgward-Sattelschlepper-Triebwagen auf ihren Meterspurstrecken in Dienstgestellt und zeigte zusammen mit dem Konstruk-teur und dem Borgward Haupthändler Heinrich F.Rohlf aus Kiel sehr starkes Interesse an einer wei-teren Vermarktung des Fahrzeugkonzeptes, das je-doch für Normalspurstrecken wegen fehlenderBauartzulassung der besonders leichten Bauart undfehlenden Drehscheiben an den Endpunkten undUnterwegsbahnhöfen kaum geeignet erschien.

Angebot der Firma MaK für Speicher-triebwagen

Basierend auf der Entwicklung des Akkumulato-renzuges für die Alsternordbahn (Typ „Ochsen-zoll“) wurde der DEG auf Veranlassung des KielerVerkehrsministeriums am 23. April 1952 von derMaK ein Angebot zur Lieferung von zweiachsigenAkkumulatorentriebwagen überreicht. Bei einerLänge von 11,8 m über Kupplung boten die zwei-achsigen Fahrzeuge 38 Sitzplätze und 34 bis 54

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28 Die Museums-Eisenbahn 4/2004 50 Jahre MaK-Großraumtriebwagen GDT

Links: Konkurrenzprodukt zum GDT war auch der Talbot-Triebwagen. Hier NHS T 71, 1952

Nächste Seite oben und Mitte: Angebotszeichnung der MaKvom 4. 10. 1952

Rechts: überarbeitete Angebotszeichnung der MaKvom 22. 10. 1952

Kraftübertragung: mechanisch (bei Verwendungdes Deutz Motors mit dem 4-Gang Mylius-Ge-triebe d oder dem ZF Media Sechsganggetrie-be, bei Verwendung der Büssingmotoren mitdem Mylius Fünfganggetriebe E oder dem Ar-delt-Sechsganggetriebe der ZahnradfabrikRenk)

Wagenbaulicher Teil: Moderne Stahlleichtbauwei-se in geschweißter Bauweise, der gesamte Wa-gengrundriß war restlos als Nutzfläche auszu-bilden. Symmetrische Anordnung der Türenund Fenster, Fensterbreite 1,20 m, Fallfenster,je zwei Doppeltüren je Fahrzeugseite für zügi-gen Fahrgastwechsel, ein Abort, Gepäckraum-fläche ca 4 – 5 m2

Drehgestelle: leichte Bundesbahnausführung oderin moderner Ausführung mit Wiege- undSchraubenfedern

Ausschlaggebend für die Auftragserteilung sollteneben der möglichst preiswerten Realisierung deroben genannten Forderungen vor allem ein früherLieferzeitpunkt sein, was bei der Esslinger Kon-struktion wegen der vorliegenden Zeichnungen undVorrichtungen natürlich relativ einfach war. Auchvom Talbot Triebwagen existierten bereits zweiWagen im Bau, die als Typ „Frankfurt“ wenige Ta-ge später – am 28. 9. 1952 – an die TeutoburgerWald-Eisenbahn AG als T 70 bzw. am 7. 12. 1952an die Kleinbahn Neheim – Hüsten – Sundern alsT 71 geliefert werden sollten.

Die Entwicklung der MaK

Die MaK, die wegen der Lieferung der neuen Ak-kumulatorentriebwagen für die Alsternordbahnbereits gute Kontakte zum Kieler Verkehrsministe-rium unterhielt und daher auch über die bevorste-hende Modernisierung des Fahrzeugparks der Kie-ler Kleinbahnen informiert worden war, richtetebereits am 4. 10. 1952 ein Angebotsschreiben andie DEG, in dem sich der erfolgreiche Lokomotiv-bauer bei der Konstruktion und Gestaltung des Wa-gens sehr eng an die Gestaltungsvorgaben derDEG-Ausschreibung gehalten hatte. Das angebote-ne vierachsige Fahrzeug in selbsttragender Ganz-stahlausführung war mit zwei Maschinenanlagenkonzipiert (2 Zchn. nächste Seite oben und Mitte)

Abweichend von den Vorgaben der DEG bot dieMaK die Ausrüstung der Triebwagen jedoch mitDeutz Dieselmotor A 8 L 614 und hydromechani-schem EMG/AEG-Getriebe an. Vorteil dieser Kon-stellation war die Möglichkeit der gemeinsamenUnterbringung von Motor und Getriebe im Dreh-gestell, allerdings auf Kosten des Radstandes imDrehgestell, das im vorliegenden Entwurf 3.500mm maß. Diese Anordnung führte daneben auchzur Erhöhung des Fußbodens über den Triebdreh-gestellen, was nicht erwünscht war. Insgesamt er-schienen die Raumaufteilung und die Platzkapazi-tät, vor allem die zu geringe Anzahl an Stehplät-zen, die kleinen Einstiegsbereiche und die zu gerin-ge Gepäckraumfläche suboptimal.

Stehplätze im Motor- und Steuerwagen. Der Trieb-wagen sollte zwei Motoren GBM 320 der AEG mit50 kW Stundenleistung erhalten, die ihm eineHöchstgeschwindigkeit von 50 km/h gestatteten.

Auch bei Mitführung des Steuerwagens war dieGeschwindigkeit zu erreichen, durch die elektri-sche Betriebsbremsung mit maximalen Bremsver-zögerungen bis zu 1,5 m/s2 sollte die Reisezeit ver-kürzt werden. Der Gesamtpreis für eine aus Motor-und Steuerwagen bestehende Einheit einschließlichelektrischer Ausrüstung und AFA-Batteriesatz be-lief sich auf 246.000 DM bei einer Lieferzeit von10 Monaten.

Die DEG wurde von dem MaK-Angebot einiger-maßen überrascht, favorisierte man doch in Frank-furt nach den guten Erfahrungen mit den neuenTriebwagen aus der Maschinenfabrik Esslingen dieBeschaffung weiterer Fahrzeuge aus süddeutscherProduktion. Dies hatte nicht nur Ursachen in derbeabsichtigten Vereinheitlichung der Fahrzeugflot-ten und damit verbundener reduzierter Lagerhal-tung für Ersatzteile in den Betriebswerkstätten beiden DEG-Bahnen; vielmehr sollten die Neubau-triebwagen nach Kriegsende im Unterschied zu inden 1930er Jahren und Anfang der 40er Jahre be-schafften kleinen Triebwagen nicht mehr nur fürdie Bewältigung des Reiseverkehrs in Nebenver-kehrszeiten beschafft werden, sondern vorrangigals Ersatz für alle Dampf-Personenzüge.

Hierfür mußten die Fahrzeuge eine deutlich höherePlatzkapazität aufweisen und darüber hinaus in derLage sein, im Berufsverkehr weitere Anhängermitzuführen. Um langfristig konkurrenzfähig ge-genüber dem Straßenverkehr zu bleiben, war über-dies eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/hnicht ausreichend. So beabsichtigte die DEG bei-spielsweise eine Erhöhung der zulässigen Ge-schwindigkeit auf den Kieler Strecken auf minde-stens 60 km/h.

Zur Untermauerung ihrer Vorstellungen versuchtedie DEG weitere Aspekte heranzuziehen, die einenEinsatz der Akkumulatorentriebwagen unattraktiverscheinen ließen: Neben der ungünstigen Beein-flussung des maroden, in Kies gebetteten, Form-5-Oberbaus der Kieler Bahnen mit gelaschten Schie-nenlängen von 10 m durch zweiachsige Fahrzeuge

mit hohen Achslasten schien auch die Höhe derKosten für den Betrieb der Wagen negativ zu Bu-che zu schlagen. Während im Norden Dieselkraft-stoff billiger als in Süddeutschland war, lagen dieKosten für Elektrizität wegen der hohen Kohlen-frachten im Kieler Raum deutlich höher als im Sü-den. Auch wenn im Kieler Verkehrsministeriumnoch einige Überzeugungsarbeit geleistet werdenmußte, letztlich wurde im Spätsommer 1952 Ein-vernehmen darüber erzielt, daß auch in Kiel vier-achsige Dieseltriebwagen beschafft werden sollten.Der Aufsichtsrat faßte dementsprechend am 12. 9.1952 den Beschluß zur Beschaffung zweier Trieb-wagen, je eines für die Kleinbahn Kiel – Schön-berg und – Segeberg.

Ausschreibung für Dieseltriebwagen

Schon eine Woche nach dem Beschluß, am 19. 9.1952, übersandte die DEG der MaK, der Maschi-nenfabrik Esslingen und der Waggonfabrik Talbotin Aachen eine Anfrage über die Erstellung einesAngebotes zur Lieferung je eines vierachsigen Die-seltriebwagens für die Kleinbahnen Kiel – Schön-berg und Kiel – Segeberg. Um wunschgemäß Fahr-zeuge der Maschinenfabrik Esslingen zu erhalten,sahen die geforderten technischen Daten der zu lie-fernden Fahrzeuge den bereits ausgelieferten underfolgreich im Betrieb stehenden Esslinger Trieb-wagen sehr ähnlich:

Gesamtlänge über Puffer: 23.000 – 24.000 mm

Drehzapfenabstand: bis 16.000 mm

Drehgestellradstand: möglichst 2.500 mm

Fahrleistung:In 1,2 km langen Steigungen 1:60 undeinem Halbmesser von 250 m bei einer Anhän-gelast von etwa 20 t muß eine Geschwindigkeitvon 40 km/h erreicht werden, bei 40 t Anhän-gelast noch 25 km/h

Höchstgeschwindigkeit: 65 – 70 km/h

Motorenanlage: zwei Aggregate mit je 145 bis 180PS (entweder Deutz A 8 L 614 mit 145 PS,Büssing U13 oder Büssing U15) in Unterflur-anordnung

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50 Jahre MaK-Großraumtriebwagen GDT Die Museums-Eisenbahn 4/2004 29

Anläßlich eines Aufenthaltes bei der Hildesheim-Peiner Kreiseisenbahn nutzte DEG-Direktor Schill-möller, der mit Oberingenieur Mümmler von derMaschinenfabrik Esslingen maßgeblich an der Ent-wicklung der Esslinger Großraumtriebwagen mit-gewirkt hatte, am 10. 10. 1952 die Gelegenheit,und besprach mit Oberingenieur Butter von derMaK den vorgelegten Entwurf und die Änderungs-wünsche, die sich vorrangig auf die Gestaltung desWagengrundrisses und die maschinentechnischeAusstattung des Fahrzeuges bezogen. Neben derErhöhung der nutzbaren Grundfläche sollte auchdie Möglichkeit des schnellen Fahrgastwechselsdurch Anordnung von zwei zweispurigen Einstie-gen je Fahrzeugseite berücksichtigt werden.

Bereits knappe zwei Wochen später legte die MaKam 22. 10. die Ergebnisse ihrer zwischenzeitlichangestellten Untersuchungen und Konstruktionenvor. Im wagenbaulichen Teil wurde wunschgemäßeine Überarbeitung des Grundrisses vorgenommen,der nunmehr wieder drei Abteile vorsah, die ausdem Einstiegsbereich über eine Stufe erreicht wer-den sollten, ansonsten aber eine einheitliche Fuß-bodenhöhe von 1.200 mm aufwies (Zchn. unten).

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30 Die Museums-Eisenbahn 4/2004 50 Jahre MaK-Großraumtriebwagen GDT

Im Entwurf 900-10258-2 (S. 29 unten) wurdendoppelflügelige Schiebetüren vorgesehen, die eineinteressante Fensterteilung zur Folge hatten, da dieTürblätter in Taschen geführt wurden, wodurch dieneben den Türen liegenden Fenster unterteilt wer-den mußten. Der Verwendung von zweiflügeligenAußenschwenkschiebetüren wollte die MaK wegenfehlender Betriebserfahrungen nicht näher treten.Einflügelige Schwenkschiebetüren, die im ge-schlossenen Zustand bündig mit der Außenhaut ab-schlossen, waren seinerzeit erstmals beim VT 08-Dieseltriebwagen der DB eingebaut worden, dieTauglichkeit konnte aber noch nicht abschließendbeurteilt werden.

In einer zweiten Variante (S. 31 oben) wurden an-stelle der Schiebetüren Klapptüren vorgesehen, al-ternativ mit gleicher Fußbodenhöhe im Einstiegs-bereich und den Abteilen oder mit abgesenkterFußbodenhöhe im Einstiegsbereich. Für eine ein-heitliche Fußbodenhöhe hätten die Klapptüren beiAnordnung von zwei Außentrittstufen wie bei denMitteleinstiegwagen der DB und einer gewünsch-ten Kastengesamtbreite von 2.920 mm um 50 mmzurückversetzt werden müssen, um im geöffnetenZustand innerhalb der Umgrenzung nach Bau- undBetriebsordnung zu liegen. Außerdem wurde derGepäckraum durch Erhöhung des Fahrzeugüber-hanges um 500 mm am Wagenende 1 vergrößert,was dem Fahrzeug ein recht unproportioniertesAussehen verliehen hätte. Die Außentüren entspra-chen dem Bundesbahnstandard für die in großerStückzahl bestellten 26,4 m langen Eilzug- undNahverkehrswagen, ebenso die Übersetzfenster.Auch wenn die äußere Gestaltung schon Merkmaleder späteren Ausführung beinhaltete, waren esdoch erst einzelne Baugruppen, die aus dem Reise-zugwagenbau übernommen werden sollten. Anson-sten entsprach das Fahrzeug mit seinen Außenab-messungen nicht den Reisezugwagen der DB.

In einer Unterredung mit Mitgliedern des Vorstan-des und Aufsichtsrates der Kieler Bahnen anläßlicheines Arbeitstreffens bei der Moselbahn in Trieram 27. und 28. 10. 1952 wurde der DEG zweifels-frei mitgeteilt, daß der Auftrag für die Lieferungder Fahrzeuge für die beiden Kleinbahnen im LandSchleswig-Holstein verbleiben müsse. Da eine Be-stellung der Triebwagen für die beiden Kieler Bah-nen noch im Jahr 1952 erfolgen sollte, der Wunschdes Kieler Verkehrsministeriums, das zugleichDarlehensgeber für die Finanzierung der Fahrzeugewar, nach Berücksichtigung der MaK als Lieferantvon der DEG nicht unberücksichtigt bleiben konn-te, wurden in einer weiteren Besprechung zwischenden Herren Schillmöller und Butter Konstruktions-merkmale definiert, um eine entsprechende Ange-botsüberarbeitung seitens der MaK zu ermögli-chen.

Gegenstand dieser Besprechung vom 30. 10. 1952war erstmals der Gedanke, die Vorrichtungen fürden Bau der 26,4 m langen Reisezugwagen derBundesbahn zu nutzen, einerseits zur Kostenein-sparung durch Entfall des Baus von speziellen Vor-richtungen, andererseits zur Gewährleistung einesmöglichst frühzeitigen Auslieferungszeitpunktes,denn die MaK wies zwar günstige wirtschaftlicheAngebotskonditionen auf, in der Lieferzeit rangier-te sie hingegen auf dem letzten Platz. Der DEGwar sehr daran gelegen, den defizitären Verkehrmit dampfgeführten Personenzügen schnellstmög-lich zu rationalisieren. Durch die mit 26,4 m länge-ren Wagen und dem Grundriß der DB-Eilzugwa-gen konnte ein zusätzliches Abteil mit weiteren 10

Sitzplätzen angeboten werden. Die daraus resultie-rende Verringerung der Fahrzeugbreite um rund100 mm sollte durch Verwendung von Übersetz-fenstern anstelle in Taschen herablaßbarer Fensterund einen schmaleren Mittelgang die Sitzplatzbrei-te nur um 9 mm reduzieren. So konnte die DEGdiesen Konstruktionsmerkmalen zustimmen.

Neben dem Wagenkasten sollten auch die Minden-Deutz-Drehgestelle MD 50 Verwendung finden,natürlich in entsprechend verstärkter Ausführungfür die Befestigung der Drehmomentstützen derAchstriebe. Auf Schürzen, auch im Bereich derKöpfe, wurde auf Wunsch der DEG ebenfalls ver-zichtet, ansonsten sagte der DEG die Kopfformweitgehend zu. In Frankfurt meinte man jedoch,daß diese nicht ganz so stark ausgeprägt sein sollte.

Ursprünglich nicht vorgesehen, sollten die Wagennunmehr doch mit einem Abort ausgerüstet wer-den, eine Forderung des Kieler Ministeriums undeine Notwendigkeit für den geplanten Ausflugver-kehr mit Langläufen auf DB-Strecken und den star-ken Verkehr mit erholungssuchenden Kindern aufder Strecke zum Schönberger Strand.

Obwohl die DEG an sich das Sechsgang-ZF-Me-dia-Getriebe mit VOITH-Flüssigkeitskupplung prä-ferierte, das sie auch in einigen der von ihr zu be-auftragenden Esslinger Triebwagen einsetzen woll-te, erklärte sie sich mit dem Einbau des Mylius-Viergangwechselgetriebes d einverstanden, da hierein Kostenvorteil von 5.000 DM resultierte und ZFsich nicht in der Lage sah, auf das neu entwickelteund noch nicht erprobte ZF-Getriebe Gewährlei-stung zu übernehmen. Die Endgeschwindigkeit mitdem Myliusgetriebe sollte danach im vierten Gang65 km/h betragen.

Schon am 6. 11. 1952 folgten die überarbeitetenKonstruktionszeichnungen für den Großraumtrieb-wagen mit den Nummern 900-10287-1 und 900-10288-1 (S. 31 Mitte und unten). Nun war die Ver-wandtschaft mit den DB-Wagen nicht mehr vonder Hand zu weisen. Neben einer Variante mitzwei Mitteleinstiegen und doppelflügeligen Klapp-türen (Variante 10288-1), bot MaK auch eine Vari-ante mit nur einer doppelflügeligen Tür in Fahr-zeugmitte und je zwei einflügelige Einstiegstürenam Fahrzeugende. Diese Aufteilung sah die DBzunächst auch für ihre Nahverkehrswagen vor,rückte jedoch später zugunsten der zwei doppelflü-geligen Türen hiervon ab und verwendete den Mit-teleinstieg lediglich für die Fahrzeuge des Eilzug-verkehrs. Für das Kieler Triebwagenprojekt bedeu-tete diese Türanordnung einer Verlängerung desGepäckraumes gegenüber Variante 10287 um1.300 mm auf 3.500 mm bei gleicher Sitzplatzan-zahl wie in der Variante 10288.

Alle Entwürfe sahen allerdings nicht die Möglich-keit des Überganges von einem Fahrzeug zumnächsten vor, die Wagenenden erhielten geschlos-sene Führerstände. Einher mit der Verlängerungdes Wagens ging auch eine Erhöhung des Wagen-gesamtgewichtes, das nach Ermittlungen der MaKetwa 34 – 35 t betragen sollte.

Im kommerziellen Angebot änderte sich die Sum-me auf 254.000 DM. MaK erkannte hierbei eineKonventionalstrafe an, die für jeden Tag verspäte-ter Auslieferung über den vertraglich zu fixieren-den Liefertermin 30. 8. 1953 hinaus zur Anwen-dung kommen sollte. Die Höhe der Strafe betrugfür jeden der ersten 20 Tage verspäteter Abliefe-rung 50 DM, danach für jeden Werktag 100 DM,

allerdings nur für durch MaK zu verantwortendeVerzögerungen, also beispielsweise nicht für ver-spätete Anlieferung von Baugruppen der Unterlie-feranten.

Die DEG teilte der MaK am 8. 11. 1952 mit, daßnur die Variante 900-10287-1 in Betracht gezogenwerden könne, um die Fahrgastwechselzeitendurch eine möglichst große Anzahl an Türen zuminimieren. Auch wurde eine leichte Anschrägungder Stirnseite gewünscht, die seitens MaK im vor-liegenden Entwurf noch ganz senkrecht ausgeführtworden war.

Nach nur zweimonatiger Entwicklungszeit warsomit aus dem ersten Entwurf eines formschönenvierachsigen Dieseltriebwagens mit hydromechani-schen Getrieben in Triebdrehgestellen im Stil derfünfziger Jahre ein 26,4 m langer Dieseltriebwagenmit mechanischen Getrieben geworden, der vieleKonstruktionsmerkmale der DB-Eilzugwagen auf-wies. In dieser Ausführung wurden die Fahrzeugefür die beiden Kieler Bahnen am 18. 11. 1952 tele-grafisch über das Büssing-Behördenbüro in Frank-furt (Main) bei MaK beauftragt. Das Bestellschrei-ben folgte mit Datum vom 26. 11. 1952.

In der Folgezeit wurden in erster Linie kleinereBauartänderungen besprochen, z. B. die Größe derZusatztankbehälter für die Webastoheizung, Defro-stereinrichtung für die Front- und Führerstandsei-tenscheiben, Spiegel für den Abort und die Mög-lichkeit zum Anheben des Fahrzeuges mit Hebe-böcken, wie sie in der Werkstatt Bornhöved ge-nutzt wurden.

Mit hohem Einsatz ging die MaK an die Konstruk-tion und Fertigung der beiden in Auftrag gegebe-nen Triebwagen. Nach Fertigstellung der Genehmi-gungsunterlagen erteilte der Landesbevollmächtig-te für Bahnaufsicht bei der EisenbahndirektionHamburg mit Datum vom 9. 5. 1953 die Bauartge-nehmigung für die beiden Triebwagen. Zu diesemZeitpunkt war noch vorgesehen, dem SchönbergerTriebwagen die Nummer T 81 zuzuteilen, währendder Segebeger VT die Nummer T 80 tragen sollte.Im Hinblick auf weitere Beschaffungen wurde demSchönberger VT jedoch noch vor der Ablieferungdie Nummer T 85 zugeteilt.

Wesentlich schneller als erwartet vollzog sich dieFertigstellung der Fahrzeuge, so daß bereits am 1.7. 1953, also knapp zwei Monate vor dem vertrag-lich vereinbarten Zeitpunkt 30. 8. 1953 mit denWerkprobefahrten begonnen werden konnte. Am 4.7. 1953 erfolgte die vorläufige Abnahme des erst-gebauten Triebwagens T 80 KSE (MaK-Fabrik-Nr.505) durch die DEG, die Werkstatt Bornhöved unddie Bahnverwaltung Kiel. Wenige Tage späterfolgte Schwesterfahrzeug T 85 KSchE (Fbr-Nr.504). Die offizielle Vorstellung erfolge mit einerSonderfahrt am 14. 7. 1953 zwischen Kiel-Süd,Bad Segeberg und Schönberger Strand für 73 gela-dene Gäste.

Oben: Variante mit Drehtüren, MaK-Angebotszeichnung vom22. 10. 1952

Mitte und unten: Überarbeitete Entwürfe vom 6. 11. 1952 mitgeraden Stirnwänden sowie zwei Mitteleinstiegen(Mitte) bzw.

einem Mittel- sowie zwei Endeinstiegen (unten)

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Waschbecken, das die in den beiden älteren Fahr-zeugen aufgetretenen Geruchsbelästigungen wäh-rend der Sommermonate vermied.

Um auch die mit der Herrichtung der beiden zwei-achsigen Personenwagen zu Beiwagen geschaffe-nen Provisorien zu beseitigen, entschied sich dieDEG Ende 1955 nach Bereitstellung von Geldernzur Beschaffung von Steuerwagen für die nunmehrdrei vorhandenen MaK-Großraumdieseltriebwa-gen. Die MaK sah sich jedoch nicht in der Lage,ein Angebot für einen zu den GDT passenden Steu-erwagen abzugeben. Unter der Hand wurde einPreis von rund 200.000 DM für die Beschaffungeines Steuerwagens bei gleichzeitiger Bestellungvon zwei Fahrzeugen genannt. Da die Maschinen-fabrik Esslingen Steuerwagen aus ihrem Programmzum Preis von rund 160.000 DM anbot, fiel dieEntscheidung zur Bestellung von zwei Esslingern,die ab Mitte 1956 zusammen mit den MaK-Trieb-wagen bis zur Einstellung des Schienenpersonen-verkehrs im Norden unterwegs waren.

Die DEG beauftragte somit für Bahnen in ihremBetriebsbereich letztlich nur drei Fahrzeuge desMaK GDT, der jüngste des Trios brachte es nur aufein achtjähriges Triebwagendasein, ehe 1963 nachStillegung der Segeberger Strecke und Verkauf andie KSchE der Umbau zum Beiwagen VB 181 er-folgte. Immerhin verkehrte das Fahrzeug imSchlepp der ebenfalls aus den Kieler Fertigungs-hallen stammenden Stangendieselloks bis zurEinstellung des Personenverkehrs am 16. 1. 1981im Norden Deutschlands. Die beiden erstgebautenTriebwagen hingegen verabschiedeten sich Mitteder siebziger Jahre aus ihrer angestammten Heimatund fanden mit der SWEG (VT 85) bzw. WNB(VT 80) neue Eigentümer.

Neben den Kieler Bahnen fand sich mit den Ost-hannoverschen Eisenbahnen AG zwischen 1954und 1959 ein weiterer Abnehmer für die GDT. Ba-sierend auf der DEG-Ausführung erhielten dieOHE sieben GDT, die ebenfalls bis kurz vor derEinstellung des Schienenpersonenverkehrs bei derOHE im März 1977 im Einsatz standen. Nach an-nähernd einem Vierteljahrhundert im italienischenExil bei der Privatbahn ACT in Reggio Emilia sinddie Wagen mittlerweile wieder nach Deutschlandzurückgekehrt. Ein Fahrzeug wurde von der FirmaVossloh als Traditionsfahrzeug aufgearbeitet undgelangt ab sofort wieder auf der Strecke Kiel –Schönberg und anderen Strecken zum Einsatz.

Nach den ersten Vermarktungserfolgen bei dennorddeutschen Privatbahnen entwickelte die MaKihr Konzept weiter. Nunmehr sah sie in Anlehnungan die Steuerwagen für die Bundesbahn auch Vari-anten mit Übergangseinrichtungen vor, die einenfreizügigen Einsatz der Fahrzeuge in längeren Zug-verbänden oder als Wagen in Reisezügen ermögli-chen sollte. Von dem an sich interessanten Ange-bot nahm jedoch nur die dänische Privatbahn Ods-herrds Jernbane im Jahr 1961 Gebrauch, derenzwei Fahrzeuge im wesentlichen der Aufteilungder bereits 1952 angebotenen Zeichnung 10287entsprachen.

Mit der Fabriknummer 518 erhielt schließlich dieNordfriesische Verkehrsbetriebe AG den letzenGDT in klassischer Ausführung, allerdings in nochmal verstärkter Ausführung als Schlepptriebwagenfür den Kurswagenverkehr.

Links: Vorstellungsfahrt des Triebw. KSchE T 85, 14. 7. 1953

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Nach Schulung der Personale gelangten beide Wa-gen ab 23. 7. 1953 in den planmäßigen Einsatz aufihren Heimatstrecken und liefen vom ersten Tag abohne größere Probleme. Erst mit Hereinbrechender kalten Jahreszeit zeigten sich Mängel in derHeizleistung der Webastoheizungen, die jedochAnfang 1954 abgestellt werden konnten. Aus Sichtder Werkstatt Bornhöved waren die beiden Trieb-wagen unauffällig, unzufrieden war man lediglichüber fehlende Frostsicherheit der Druckminderven-tile, fehlende Absperrhähne für die Druckluftlei-tungen zu den Achswendegetrieben und schwacheScheinwerferleistung.

Die Attraktivitätssteigerung durch Einsatz der mo-dernen, wenn auch infolge der Holzbänke sparta-nisch ausgestatteten Triebwagen führte schnell zuder erhofften Steigerung der Fahrgelderlöse einer-seits und drastischen Senkung der Betriebsausga-ben andererseits. Die im Volksmund „Silberlachse“genannten Triebwagen erfreuten sich großer Be-liebtheit und führten schnell zu Kapazitätsengpäs-sen.

Da die wirtschaftliche Situation der Kieler Bahnendie Beschaffung weiterer Neubaufahrzeuge aus-schloß, begnügte man sich in Kiel zunächst mit derHerrichtung zweiachsiger Personenwagen zuTriebwagenanhängern. So wurde bei Kiel-Sege-berg im Sommer 1953 der Wagen Ci 1023 zumTriebwagenanhänger 180 umgebaut. Neben Einbaueiner Webasto-Ölheizung erfolgte eine Umlackie-rung in Triebwagenfarben rot/beige. Der Schönber-ger Beiwagen mit der neuen Nummer VB 185 ent-stand aus dem ABi 3 KSch in gleicher Weise.

Die positive Resonanz veranlaßte die DEG, 1954einen weiteren Triebwagen für die Kleinbahn Kiel– Segeberg bei der MaK zu beauftragen. Im wa-genbaulichen Teil unterschied sich der Wagen nurgeringfügig von den erstgebauten GDT. Mit derFabriknummer 512 wurde der Triebwagen VT 81am 9. 12. 1955 an KSE ausgeliefert, wies aberRenk-Rambausek-Getrieben RR 90, Deutz-Diesel-motoren A 12 L 614 mit je 220 PS und Allachsan-trieb B´B´ auf. Für die Fahrgäste gab es nunmehrgepolsterte Sitzbänke und ein Wasserklosett mit

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Werkfoto eines der Mak-Triebwagen der Osthannover-schen Eisenbahnen OHE, 1954

Triebwagen T 3 der Nordfriesischen VerkehrsbetriebeAG, der letztgebaute der Serie, Dagebüll-Mole, Foto: Peter Pekny

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Zeichnung der MaK GDT KSE T 80 und KSchE T 85,M 1 : 100, Werkszeichnung MaK 27. 8. 1954

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Oben: Triebwagen KSE T 80 war nach Stillegung der Streckeauf der Kiel-Schönberger Eisenbahn im Einsatz, Juni 1976,

Foto: Joachim Rodatz

Mitte: Triebwagen KSchE T 85, Mai 1970, Foto: Joachim Rodatz

Unten: Beiwagen KSchE VB 165 in der Nutzung derKahlgrundbahn, Schöllkrippen, 30. 12. 1973,

Foto: Klaus-Peter Quill

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Oben und Mitte: Beide MaK-Triebwagen gingen später an dieSWEG-Strecke Bruchsal – Hilsbach – Menzingen, TriebwagenKSE T 80 als SWEG T 80 in Menzingen, 5. 6. 1977, Foto: Joachim Rodatz

Mitte: Triebwagen KSchE T 85 in Menzingen, 1. 4. 1979,Foto: Klaus-Peter Quill

Unten: Seit Mitte 2004 befindet sich der von Vossloh Locomo-tives GmbH, dem heutigen Nachfolger des HerstellerwerkesMaK, zurückgekaufte und betriebsfähig restaurierte GDT,einer der Triebwagen der OHE, mit zweifarbigem Anstrich imEinsatz. Im August 2004 bewältigte er den regulären Verkehrauf der Strecke Niebüll – Tondern, da der RegeltriebwagenVT 411, ein zum Connex-Konzern gehörender Triebwagen derBauart NE 81, durch einen unvorsichtigen Pkw-Fahrer aneinem nichttechnisch gesicherten Bahnübergang schwerbeschädigt worden war.Bf. Niebüll, 15. 8. 2004, Foto: Wolfram Bäumer

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