Jörg Hellmann Geschichten über kleines Golf - Buch.de · Nun musste ich noch die Terminologie...

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1 Jörg Hellmann Geschichten über kleines Golf Kleine Geschichten über Golf, Band 2 ISBN: 978-3-9814431-2-7 (E-Books, pdf ) ( Printausgabe: ISBN: 978-3-9814431-9-6) ISBN: 978-3-9814431-8-9 (E-Books, epub) Texte und Strichzeichnungen ©Dr. Jörg Hellmann Titelbild ©Arno Bruse (Arpitam) Grußwort ©Dr. Jörg Hellmann Bild im Vorwort © Renate Lehnstaedt www.hildesheimer-literaturverlag.de www.golfsatire.de

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Jörg Hellmann Geschichten über kleines Golf

Kleine Geschichten über Golf, Band 2

ISBN: 978-3-9814431-2-7 (E-Books, pdf ) ( Printausgabe: ISBN: 978-3-9814431-9-6) ISBN: 978-3-9814431-8-9 (E-Books, epub)

Texte und Strichzeichnungen ©Dr. Jörg Hellmann Titelbild ©Arno Bruse (Arpitam) Grußwort ©Dr. Jörg Hellmann

Bild im Vorwort © Renate Lehnstaedt www.hildesheimer-literaturverlag.de

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Grußwort

Liebe Golfspielerinnen und Golf- spieler, liebe Noch-Nicht-Infizierte, mir klingen die jubelnden Kom- mentare des Reporters beim Ry- der Cup 2012 noch in den Ohren: „Das ist großes Golf!“ Dieses Buch ist für das „kleine Golf“ geschrieben. Für die Hun- derttausende, die Golf spielen wegen des Genusses, der Gesund-

heit und der Geselligkeit. Es ist geschrieben für alle jene, die auch nach dem dritten vergebenen Putt auf dem Grün nicht verzweifeln, die nach der zweiten „Lady“ hintereinander nicht verzagen und die nach dem ersten Birdie in ihrem Leben das Clubhaus freihalten. Um dieses „kleine Golf“ ranken sich im vorliegenden Buch wieder satirische Geschichten, geschrieben für all jene, die über sich selbst lachen können.

Auch kleine Golfer werfen manchmal große Schatten!

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Vorwort

Großes Golf zu spielen ist eine Kunst, die den meisten von uns lebenslang versagt bleibt – abgesehen von beglü- ckenden Momenten, in denen uns ein perfekter Schlag gelingt. Auf dessen Wiederholung müssen wir dann aller- dings wieder drei Turniere lang warten. Große Kunst soll uns in diesem Buch über all unsere Enttäuschungen hin- weghelfen. Die Demütigungen und Niederlagen, die in diesem Buch sati-

risch aufs Korn genommen werden, werden aufgewogen durch die wunderschönen Bilder, die Künstler zur Verfügung gestellt haben. Bilder, mit denen sie erregende Momente und die mitreißende Dyna- mik des Golfsports eingefangen haben. Bilder, die in ihrer Buntheit auch die faszinierende Vielfalt dieses Spiels widerspiegeln. Den Künstlern, die am Ende des Buches gesondert vorgestellt werden, danke ich für Ihre Unterstützung.

Auch kleine Golfer erschaffen manchmal große Bilder!

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Inhalt

Der schwerste Schlag ........................................................................... 6 Meine ersten Anfänge ....................................................................... 11 Teufelswerk ....................................................................................... 16 Golfsenioren ...................................................................................... 23 Die Wende ......................................................................................... 29 Einstellige .......................................................................................... 33 Ausreden ........................................................................................... 38 Zwei Seelen ....................................................................................... 45 Zocken zehrt ...................................................................................... 50 Träum weiter! .................................................................................... 59 Triumph in der Dritten Senioren ....................................................... 63 Mein Golfschwung ............................................................................ 71 Das Golf Virus .................................................................................... 77 Mentalmäßig ..................................................................................... 80 Strafschläge ....................................................................................... 86 Von wegen Turniersieg! .................................................................... 92 Statistik .............................................................................................. 97 Damen und Herren nach dem Turnier ............................................ 101 Die Niederlage ................................................................................. 107 Bekenntnisse eines Golfballes ......................................................... 110 Tausend Dank den Grünhaltern ...................................................... 116 Künstler: .......................................................................................... 118

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Der schwerste Schlag

Christel Donner

Von allen Schlägen ist der schwerste Auf Abschlag 1 der allererste!

Wenn er gelingt, dann heißt das viel, Dann läuft auch meist das ganze Spiel. Wenn er jedoch danebengeht, Nach rechts in einen Bunker dreht, Wenn er nach links im Rough verschwindet, Wenn ihn der Sturm ins Aus verwindet,

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Wenn er sich Richtung Wasser wendet, Wenn er vorm Damenabschlag endet, Dann ahnt man bang, na das wird heiter, Denn meistens geht es ähnlich weiter!

Wenn sich der Drive jedoch erhebt, In ungeahnte Weiten strebt, In schnurgerader Richtung fliegt, Sich nicht zu einem Slice verbiegt, Und auch dem Drange widersteht, Sich nicht zu einem Hook verdreht, Am Ende noch ein paarmal tickt, Mit freier Sicht zur Fahne blickt, Dann ahnt der Golfer, das wird gut, Das gibt für diese Runde Mut, Denn so wie dieser erste Schlag, So wird dann meist der ganze Tag!

Wenn man zum ersten Abschlag geht, Sich dies in unserm Kopfe dreht: „Gott geb, der Abschlag geht nicht schief!“ Der bange Zweifel, er sitzt tief, Man will ihn aus dem Kopf verjagen, Für immer ihn zu Grabe tragen, Doch von Entspanntheit keine Spur, Denn der Gedanke, der bleibt stur.

Nun kommt man zu dem Abschlag hin

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Und wartet jetzt auf den Beginn. Ein Golfer steht turnierbereit, So zehn Minuten vor der Zeit! Das ist so Usus, das ist Pflicht, Die Zeit verkürzen darf man nicht. So steht man dort minutenlang, Die Knochen steif, das Herze bang, Ein Stoßgebet zum Himmel sendet, Dass diese Wartezeit bald endet!

Gerti Idzior

Der Flight davor fängt jetzt erst an, Den Ball teet auf der erste Mann, Der mit dem besten Handicap, Der geht natürlich vorneweg, Denn endlich ist das Fairway frei Auf dieser ersten Bahn, Par drei!

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Voll Ehrfurcht schweigt der ganze Rest! Der Mann besteht den Härtetest! Er haut die Kugel in die Ferne Und kommentiert: „Das sieht man gerne!“ Man lobt den Golfer „Guter Schlag!“ Vor dem liegt nun ein schöner Tag!

Der zweite Mann beim Schlag versagt Und das mit lautem Fluch beklagt! Ein tolles Ding haut dann der Dritte Weit hinten auf des Grünes Mitte. Man schaut bewundernd hinterher, So soll der eigne sein – nachher! Dem Letzten geht der Schlag daneben, Der Driver lässt die Erde beben Und gleich die Sorge in dir frisst: „Oh je, mach bloß nicht auch so‘n Mist!“

Der Flight zieht schließlich trödelnd los, Die Nerven liegen langsam bloß, Der eine putzt noch mal die Brille, Der and‘re probt in aller Stille, Und während dieser neigt zu Scherzen, Beklagt sich jener über Schmerzen, Und jeder hofft, dass endlich fände, Die Nervenschlacht ein schnelles Ende!

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Jetzt stehst zum Abschlag du bereit!! Da kommt auch schon der nächste Flight Und alle schau‘n auf dich gebannt! Du hast den Golfball in der Hand, Du legst ihn zitternd auf das Tee, Der Blick wird starr, es schwankt das Knie, Dann straffst du deine schlaffen Sehnen Beginnst den Körper weit zu dehnen, Dann haust du zu mit lautem Knall, Du triffst ihn voll, den kleinen Ball Und schlägst ihn geradeswegs ins Loch!! „Na also!“ sagst du: „Geht doch noch!“

Peter Miesler

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Meine ersten Anfänge

Karl-Peter Muller

Meine ersten, eher kläglichen Anfänge im Golf wären im Dunkel des Vergessens versunken, würde ich sie nicht ab und an in die Erinne- rung zurückrufen. Vor allem dann, wenn wieder ein Tag hinter mir liegt, ein Golftag, an dem ich von Schmach zu Schmach eilte, auf der Scorekarte hohe Zahlen sammelte, meine Siegchancen mit vollen Händen rauswarf und nach der Siegerehrung mit leeren Händen dastand. Dann denke ich gern an meine ersten Anfänge als Golfer zurück und tröstende Bilder drängen sich in mein Bewusstsein. Ich erinnere mich daran, dass im Verhältnis zu meinen allerersten Golf-

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schlägen der abgelaufene Tag ein wahres Feuerwerk sportlicher Glanzleistungen war. Dereinst hatte ein ehemaliger Tennisfreund, ein bereits zu den Gol- fern übergelaufener, mich überredet, mehr mich bedrängt, ich müss- te das Golfergefühl unbedingt kennen lernen. Er hatte von der gro- ßen Entdeckung eines fabelhaften Sportes geschwärmt, ich lauschte ihm emotionslos und zweifelte an seiner Urteilskraft. Dabei war der- jenige eine überaus honorige Persönlichkeit, was unter Golfern ja nicht selten ist. Ich ließ mich breitschlagen, zumal meine Knie beim Tennis immer mächtiger protestierten. Und so stand ich denn zum ersten Mal in meinem Leben auf der Driving Range, skeptisch und unsicher, gleichwohl von einem gewissen Tatendrange beseelt. Ich stand dort und blickte hinunter auf die weite Wiese, nicht ahnend, wie viele wertvolle Minuten meiner Restlebenszeit ich auf den grünen Matten noch zubringen würde. Mein Freund drückte mir ein Eisen 7 in die Hand und mahnte mit dürren Worten: „So musst du den Schläger halten!“, machte es noch einmal vor und verschwand dann auf eine andere Matte, um sich zu vergnügen. Ich blieb allein mit meinen Bemühungen, den flüchtig gesehenen Griff zu imitieren, probierte mal dieses, mal jenes und hatte gleichwohl immer das Gefühl, eine schwer zu zähmende Schlange am Hintern zu halten. Das komische lange Gerät mit der Verdickung am unteren Ende hing vagabundie- rend und unbeholfen an meinen Armen. Ich hielt den Griff fest um- klammert, und die Hände waren befremdlich verschraubt. Nun sollte ich auch noch zuschlagen, was bedeutete, ich musste den Körper verwringen, den Hintern rausstrecken, den Körperschwerpunkt ver-

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lagern, irgendwie durchschwingen, den Rücken grade halten und dabei auch noch den Ball ansehen. Mehr noch, ich sollte ihn treffen! Meine Ausholbewegung verwirrte meinen Orientierungssinn, brachte mich aus dem Gleichgewicht. Etwa 100 Muskelgruppen in meinem Körper verkrampften sich, und mein Kopf wollte unbedingt nach vorne in die Weite blicken, um sich mit ansehen zu können, was pas- siert. Ich berührte den Ball nur unwesentlich, er gab einen eher kläglichen, dumpfen Klacklaut von sich und trullerte ungefähr zehn Meter nach vorne, vielleicht auch nur acht.

Claudia Dahmen

Auf der Nachbarmatte schlug just zum selben Zeitpunkt mein Freund ab, er trieb den Ball auf fast 200 Meter. Er sah nicht einmal bewun-

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dernd hinterher, sondern betrachtete meinen längst zur Ruhe ge- kommenen Ball und lobte, den Unterschied von 190 Metern ignorie- rend, das sei doch schon ein ganz guter Anfang. In dieser embryonalen Phase meines Golferdaseins verfestigte sich bei mir die Einsicht, ich würde dieses Spiel nie so richtig lernen. Aber irgendwie machte ich dann doch Fortschritte. Die Bälle flogen weiter, ich hatte mich ein wenig nach vorne vorgearbeitet - und je weiter ich kam, je besser ich traf, je unverkrampfter ich zuschlug, desto mehr nahm dieser kleine weiße Ball mich in Beschlag. Aber ich musste ja noch meine Platzreife absolvieren. Um meinen Geisteszustand zu überprüfen, ließ man mich einen Theoriekurs be- suchen. Um meine Gedächtnisleistungen zu testen, fragte man mich die Farben von angepinselten Pfählen ab. Um meine Tauglichkeit als „netter Mensch“ zu erforschen, mahnte man bei mir Benimmregeln an.

Und zu guter Letzt: Um meine Demut zu schulen, nahm man mich auf eine Golfrunde mit und ließ mich als Caddie dienen. Sie werden es nicht für möglich halten: Ich bestand! Nun gut, die gestrengen Prüfer hatten auch ein nicht zu unterschätzendes Interes- se an meinen zukünftigen Beiträgen… Ich schaffte also die Platzreife. Es war gewissermaßen die Geburts- stunde eines neuen Golfers. Freilich wäre es übertrieben, man würde behaupten: a star was born.

Immerhin: Ich war jetzt Golfer. Nun sah ich mich einer riesigen In- dustrie gegenüber, die meine Fortschritte zu unterstützen trachtete. Diese wohlwollenden Helfer machten mir klar, meine begrenzte Kon- stitution und meine beschränkte Technik könnten durch neue Schlä-

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ger und bessere Bälle ganz leicht aufgefangen werden und meinem Golfspiel zu großem Glanz verhelfen... Nun musste ich noch die Terminologie lernen: Der „Driver“ ist nicht etwa der Chauffeur des Präsidenten, „longhitter“ hat nichts mit dem Sexualleben zu tun und ein „Socket“ ist irgendwas Schlimmes. Allerdings stellte ich mit großer Genugtuung fest, dass es vielen mei- ner neuen „Mitspieler“ ebenso ging. Ich traf welche, die nach langen Jahren den Ball nicht richtig trafen, ich traf welche, die den Unter- schied zwischen Brutto und Netto nicht begriffen, ich traf welche, für die das Ausfüllen einer Scorekarte ein Geheimnis geblieben war und ich traf welche, die es mit den Benimmregeln nicht so genau nah- men. Aber all diese kleinen Problemchen werden bei uns aufgewogen durch die Freude, die uns das Spiel bereitet und durch die Freunde, die wir durch das Spiel gewinnen. Und die unergründlichen Geheim- nisse des Golfspiels werden ergänzt durch grandiose Gegenden und die gelungene Geselligkeit. Bei mir hat sich inzwischen auch ein Hauch von Entspanntheit und Erfahrung eingestellt. Ja, sogar ein Hauch von Eignung; ich bin weiß Gott kein Meister, aber ein halbwegs passabler „Mitspieler“. Und wenn dann doch mal wieder so ein Tag kommt, wo nichts geht und wo ich aus Verzweiflung am liebsten den Ball, den Schläger oder das Golf-Bag zertrümmern würde, dann erinnere ich mich an die ersten kümmerlichen Tage meines Lebens als Golfer, und es geht mir wieder besser….

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Teufelswerk

Renate Lehnstaedt

Die Sonne senkte sich sanft den Hügeln des Hildesheimer Waldes entgegen. Die hektische Betriebsamkeit auf dem Golfplatz hatte sich gelegt, ein wunderschöner Spätsommertag verabschiedete sich. Ein Tag, der wie geschaffen gewesen war für großes Golf. Und warum war bei mir nur kleines Golf herausgekommen? Sehr kleines Golf!? Ich saß zerknirscht auf der zugigen Terrasse und war in meinem Groll darauf aus, dem Alkohol eine Chance zu geben. Der stetige und un- aufhaltsame Untergang der Sonne am Rande des Innerste-Tales äh- nelte dem meinigen Werdegang auf der Runde. Den Rest gaben mir die als Trost gedachten Worte der Freunde. Es war schon lange dunkel, als ich ohne größere Zwischenfälle mein Bett erreichte, auf erholsamen Schlaf hoffend. Vorher spielte ich im

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„Bring mich unter 20 und ich gebe dir meine Leber!“,

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Geiste noch zehn Ein-Meter-Putts und traf das Loch jedes Mal. Selbst der lange Abschlag über das Biotop auf der Bahn Fünf gelang mir vorzüglich. Im Geiste spiele ich eh immer wesentlich besser als auf der Bahn. Dann muss ich eingeschlafen sein, denn plötzlich stand er vor mir: der Leibhaftige, mit Hörnern und Pferdefuß. Ich habe ihn, schlaftrun- ken wie ich war, zuerst nicht erkannt und fragte ihn: „Wer, zum Teufel, bist du denn?“ „Der Teufel“, antwortete er gelassen. „Und was willst du hier?“ „Ich will deinem Score auf die Beine helfen!“ Das hörte sich vielversprechend an. Ich vermute ohnehin seit lan- gem, dass beim Golfspiel das Wirken höherer Mächte im Spiel ist, und vor allem, dass sich diese Mächte gegen mich verschworen ha- ben. Warum sollte ich mich nicht mit ihnen verbünden? Und ein einfaches Verhandlungsgespräch mit Luzifer ist ja noch lange kein Vertragsabschluss. Allerdings empfiehlt es sich bei Verhandlungen anfangs hervorzuhe- ben, dass man auf eine Abmachung nicht angewiesen ist. „Ich kann meinem Score alleine wieder auf die Beine helfen!“ Mein Gegenüber brach in schallendes Gelächter aus. Seine höhnische Reaktion war demütigend. Er hatte durchschaut, dass ich geblufft hatte.

Notgedrungen veränderte ich meine Verhandlungsstrategie: „Was willst du dafür?“ fragte ich ihn unschuldig, obwohl ich wusste, was kommt. „Gib mir deine Seele, und ich bring dein Handicap unter 10!“

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Ich gebe zu, mein Angebot war hinterlistig, denn meine Leber ist nicht mehr viel wert. „Machst du Witze?“ brauste er auf, „was soll ich mit diesem abge- wrackten Organ? Ich will nur Seelen.“ „Aber meine Seele ist eigentlich auch nicht viel wert“, gab ich klein- laut zu. „Das weiß ich, bei uns wird genau Buch geführt!!“ Ein Schock für mich! Die führen Buch! Wahrscheinlich sehen die auch alles. Ich beschloss auf der Stelle, mein Sündenregister in Zukunft zu reduzieren. Und vorerst wollte ich meine Seele behalten.

Karl-Peter Muller

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Ich machte Luzifer ein neues Verhandlungsangebot: „Wenn du mir die Ein-Meter-Putts beibringst, kriegst du von mir die Seele meiner Schwiegermutter!“ „Du bist vielleicht ein Scherzbold, die habe ich doch längst“, meinte er grinsend. Diese Nachricht war für mich durchaus erfreulich, ich schlief tief und fest weiter, und der Teufel verabschiedete sich aus meinen Träu- men, ohne dass wir handelseinig geworden waren. Mit großer Spannung erwartete ich das Turnier am darauffolgenden Wochenende. Ich spielte sehr ordentliches Golf, jedenfalls für meine Verhältnisse. Ich traf den Ball meistens beim ersten Mal, und die Drives landeten erstaunlich oft auf dem Fairway. Ich spielte saubere Ein-Meter-Putts, und auf der Bahn Fünf gelang mir ein fabelhafter Schlag über das Biotop. In der nächsten Nacht stand prompt wieder der Satan vor mir, um mich zu versuchen: „Hast du heute gesehen, wie ich dir helfen kann? Das war nur ein kleiner Vorgeschmack dessen, was möglich ist.“ „Scher dich zum Teufel!“ herrschte ich ihn an. „Das war allein mein Verdienst! Und ein solides Gottvertrauen!“ „Ach du Dummerchen“, scherzte Luzifer von oben herab und fuhr fort: „Die Götter stehen dir nicht bei, darauf brauchst du nicht zu hoffen!“

„Und warum sollte mir der Golfgott nicht helfend in die Seite tre- ten?“ „Weil es im Himmel akkurat zugeht. Da werden die Golfregeln streng beachtet, es gibt kein Foot-Wedge, und gezählt wird auch erbar-

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mungslos richtig! Keine Tricks, kein Schummeln. Wie willst du bei deiner Spielweise da dein Handicap verbessern?“ Ich schwieg betreten. Gleichzeitig war ich erfreut zu hören, dass so- wohl unten als auch oben Golf gespielt wurde. „Nur mal so eine Frage für später: Wo lässt sich denn besser Golfen, im Himmel oder in der Hölle?“ Der Satan trumpfte auf: „Wir haben schönere Golfplätze und bessere Clubhäuser als die da oben!“ „Wieso denn das?“ „Wir haben mehr Mitglieder! Und vor allem zahlungskräftigere! Die ganzen Banker sind bei uns.“ „Und im Himmel?“ „Studienräte und die Caritas!“ Dass man mit solcher Klientel keinen vernünftigen Golfclub zustande bringen kann, war mir klar.

„Wie sieht es mit dem weiblichen Geschlecht aus?“ „Neugierig bist ja gar nicht, was?“ grinste der Leibhaftige und fuhr fort: „Dabei kannst du dir das selber denken. Die da oben haben die reinsten Engelchen und wir kleine Teufelinnen?“ Da meine Frau in diesem Traum nicht in der Nähe war, sagte ich rundheraus: „Hört sich gut an!“ Der Teufel fuhr triumphierend fort: „Und außerdem ist es bei uns immer schön warm!“ Ich dachte an Teneriffa und fragte: „Wie viel Grad Celsius?“ „142!“ Ich wachte schweißgebadet auf, und ein schwerer Schwefeldio- xyddunst durchzog den Raum. War er nun wieder da gewesen oder lag es doch an den dicken Bohnen im Chili Con Carne, die ich am

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Abend noch im Clubhaus verzehrt und mit einigen Bierchen ver- schnitten hatte?? Der nächste Sonntag. Es war nieselig und für die Jahreszeit viel zu kalt, wie geschaffen für Frustrationsgolf. Vor meinem geistigen Auge hatte ich bei meinen Planungen pausen- los Pars und prächtige Putts paradieren lassen. Es sollte doch mit dem Teufel zugehen, wenn es mir nicht gelänge, alles auf dem heili- gen Rasen umzusetzen.

Renate Lehnstaedt

Sie ahnen es schon, das Gegenteil trat ein. Es war wie verhext. Wäh- rend meine Flight Partner höllisch gut spielten, suchten sich meine Bälle die teuflischsten Verstecke aus, gingen diabolisch baden, ver-

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sandeten satanisch in Bunkern oder klatschten keck gegen Kiefern. Teufelswerk! Grimmig aß ich nach dem Turnier wieder mein Chili Con Carne mit dicken Bohnen, trank verbittert einige Biere und harrte in der Nacht der Ankunft des Gehörnten. Er kam auch zügig, gut gelaunt und in mir ein leichtes Opfer sehend. „Hör zu“, sagte er, „mein Freundschaftsangebot gilt nur heute Nacht. Deine Seele und du bist demnächst auf 15. Ach was, weil du es bist, lege ich noch was drauf! Auf 14 !“ „Kann ich vielleicht erst mal ein Probeabo haben?“ „Bist du des Teufels? Entweder ganz oder gar nicht, entweder gleich oder nie!“ Ich war in einer schwierigen Zwangslage. Ging ich darauf ein, war ich meine Seele für alle Ewigkeit los und musste in der Hölle schmoren. 142 Grad sind ja nicht zu unterschätzen. Zu bedenken war freilich, dass ich wohl ohnehin nicht drum rum komme, wenn die im Jenseits so genau Buch führen. Ging ich nicht auf das Angebot des Bösen ein, war ich mein Seelen- heil auf dem Golfplatz los, das war klar. Eine Verbesserung meines Handicaps konnte ich mir ein für alle Male abschminken! Aber ich blieb standhaft. Als aufrechter Niedersachse schließt man keinen Pakt mit dem Teufel. Ich sagte ihm wieder klipp und klar, er möge zur Hölle fahren, was er auch tat.

Seither sind meine Schläge manchmal wie verhext. Aber ich ertrage es mit Fassung und beäuge misstrauisch die Turniersieger, die ohne Zweifel mit Satan im Bunde stehen.

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Golfsenioren

Christel Donner

Ich spiele gerne bei den Golfsenioren. Sie sind eine der letzten Inseln im zunehmenden Proletentum des Zeitgeistes. Golfsenioren haben neben der eleganten Kleidung auch ein Verhalten während der Run- de, das von Fairness und Sportsgeist geprägt ist. Seniorengolfer sind durchweg rüstig und tatendurstig. Auch bewegli- che Hindernisse wie Herzkatheter und Hüftprothesen hemmen sie nicht in ihrem Eifer. Gut gelaunt und lebensfroh putten sie in unserer Prostagut-Forte-Liga. Im Auto fahren sie noch ohne Hut! Für sie ist das Golfspiel eine nicht chemische Droge. Sie sind davon überzeugt, dass die Tage, die sie mit dem Golfschläger verbringen, hinten wieder

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drangehängt werden. Und sie sind fest entschlossen, eher den Füh- rerschein abzugeben als den Golfschläger, bevor sie den Löffel abge- ben. Überraschenderweise hat allerdings bei den Golfsenioren das Handi- cap immer noch eine große Bedeutung, obwohl die alten Herren doch darüber erhaben sein könnten. Handicap heißt zu Deutsch „Be- hinderung“. Selbige wird in Zahlen gemessen, die Scala ist nicht nach oben offen wie die berühmte Richterskala bei Erdbebenmessungen, sondern bei 54 ist Schluss. (Eine der wohlwollenden Gesten dieses grandiosen Sportes, nach 54 kommt nichts mehr, selbst wenn jemand ein Handicap von 81 haben sollte, was häufiger vorkommt als man glaubt.)

Gerti Idzior

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Das Handicap ist das Kriterium bei der Einordnung von Golfern. Es gilt die Faustregel, je kleiner das Handicap, desto größer der Golfer. Folglich sagt der Senior mit breiter Brust: „Ich habe ein Handicap von 22 Komma 8! Halt, nein, 22 Komma 7!“ Und hinter dieser bloßen Angabe steht die stolze Aussage: „He, guck mal, was ich noch drauf habe!“ Festgestellt wird das Handicap durch das Zählen der Schläge auf der Bahn. Hier allerdings kämpfen die Golfsenioren manchmal mit einem Problem: Sie können nicht mehr gut zählen. Obwohl in der Regel höchstens bis zehn gezählt werden muss, kommen wir alten Knaben oft zu verschiedenen Ergebnissen. Woran das liegt, dazu gibt es in der Geriatrie die unterschiedlichsten Theorien: Am weitesten verbreitet ist die Interpretation des Sich-Verzählens als fortschreitende Demenz oder kurzzeitiger Gedächtnisverlust. Einge- leitet wird dieses Versagen durch die Doppelbelastung, sowohl als Zähler als auch als Spieler fungieren zu müssen. Diese medizinische Sicht ist deswegen so beliebt, weil sie die Mög- lichkeiten einer therapeutischen Behandlung offenlässt. Gingium gilt als gutes Gegenmittel. Als hilfreich wird auch eine Veränderung der Trinkgewohnheiten angesehen, wobei die Reduzierung des Alkohol- konsums während eines Turnieres besonders zu empfehlen ist. Am nachhaltigsten bekämpft wird das Problem allerdings, wenn man die Anzahl der Schläge bereits vor der Bahn festlegt und aufschreibt. Dadurch ist ein entspanntes Spiel möglich, und Streitigkeiten werden vermieden. Der arbeitsmedizinische Ansatz geht von traumatischen Erfahrungen während des langen Berufslebens aus, die das Zählen von Golfschlä- gen im Alter erschweren. Ehemalige Lehrer zählen nur bis „Sechs,

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setzen!“, dann ist Schluss. Ich habe jedenfalls noch nie von einer „Sieben“ in Latein oder gar einer „Acht“ in Mathematik gehört. (Al- lerdings sollte man angesichts des grassierenden Bildungsverfalls in den Schulen langsam über Siebenen und Achten nachdenken!) Ehemalige Banker und Politiker sind es nicht gewohnt, mit kleinen Zahlen zu rechnen. Wie sich inzwischen herausgestellt hat, konnten sie aber auch mit Milliarden nicht besonders gut umgehen. Das ist freilich nicht weiter schlimm, weil es ja nicht ihre eigenen Milliarden sind. Sich beim Golfspiel zu verrechnen ist da weitaus folgenschwe- rer.

Peter Miesler

Vom arbeitsmedizinischen Ansatz her sind auch ehemalige Sozialpä- dagogen vorgeschädigt. Sie sehen in einem Strich auf der Score-Karte eine herzlose Härte, die aus humanitären Gründen abgelehnt werden

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müsse. Menschenrechtswidrige Achten und Neunen müssten gut- menschlich nach unten korrigiert werden. Auch ehemalige Unternehmer haben beim Zählen ihre Schwierigkei- ten. Ein Schlag weniger am Ende einer Bahn ist für sie so etwas wie die abzugsfähige Vorsteuer. Bei Kaufleuten und Handelsvertretern geht ohne Rabatte gar nichts. Bei einem Par 5 Loch gibt es 30 Prozent auf die Schläge, bei einem Paar 4 noch 20 Prozent und beim Par 3 je nach Absprache. Diese im Berufsleben erworbenen Schwächen nennt die Wissen- schaft: „deformation professionelle“, was so viel heißt wie verform- te Professorinnen. Lediglich ehemalige Bürokraten scheinen vom Sich-Verzählen ver- schont zu bleiben. Sie zählen erbarmungslos eins und eins und eins zusammen und untermauern dies mit einer entsprechenden Zähl- Apparatur. Sie klicken auf kleine Rädchen oder schieben Perlen auf einer Schnur hin und her wie damals in der Grundschule. Deshalb verzählen sie sich selten, aber wer möchte schon gern als ein Büro- krat gelten. Soweit der arbeitsmedizinische Ansatz. Der psychologische Ansatz interpretiert das ständige Sich-Verzählen als Überforderung angesichts des Leistungsdruckes während einer Runde. Was im täglichen Leben das Burnout - Syndrom ist, ist beim Golfsenior das Putt-daneben-Syndrom.

Als Abhilfe gegen diesen Stress wird ein gemeinsames Umarmen des gesamten Flights nach einer überstandenen Bahn empfohlen, ver- bunden mit tröstenden Worten oder gegebenenfalls mit kollektivem Jammern. Diese Sicht ist zwar sehr sympathisch, geht aber an der Realität mannhafter Golfsenioren etwas vorbei.

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Der anthropologische Ansatz hält das Versagen beim Zählen für ei- nen Ausdruck der zentralen Grundkonstante menschlichen Daseins: dem Egoismus. Ergänzt wird dies durch Ehrgeiz, Neid und Missgunst und das Ganze abgerundet durch den Geltungsdrang. In vereinzelten Fällen kommt eine Portion Altersstarrsinn dazu. Dieser anthropologische Ansatz ist zweifellos am pessimistischsten, weil es in solchem Fall keine Abhilfe gibt. Er ist allerdings nach mei- nen Beobachtungen bei den Golfsenioren nur bedingt von Bedeu- tung. Der pädagogische Ansatz geht eher von dem Verlust fundamentaler kultureller Fertigkeiten wie dem Bis-Acht-Zählen aus. Verantwortlich gemacht wird dafür das Nachlassen des allgemeinen Bildungsni- veaus. Auch dieser Ansatz scheidet bei den Golfsenioren völlig aus. Ihre Schulbildung stammt aus einer Zeit, in der der Hauptschulabschluss noch die Qualität eines heutigen Gesamtschul-Abiturs hatte. Und leider gilt insgesamt festzuhalten: Die Untugend der kreativen Zählweise bei den Golfsenioren lässt sich nur schwerlich aufarbeiten, weil die Bereitschaft zur Therapie als äußerst gering eingeschätzt werden muss. Neuerdings hat sich in der einschlägigen Literatur der eher pragmati- sche Ansatz durchgesetzt: Alles Quatsch, manche Golfer schummeln eben ganz gerne mal! Auch im Alter lässt diese Behinderung nicht nach. Das ist ihr eigentliches Handicap.

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Die Wende

Renate Lehnstaedt

Plötzlich war sie da gewesen, die Wende. Schon auf der Driving Ran- ge hatte ich die herrliche Leichtigkeit des Seins gespürt. Endlich ge- lang mir beim Rückschwung die Entdeckung der Langsamkeit, wie von selbst fanden die Bälle ihre Richtung, die Flugkurven verbogen sich nicht nach links und nicht nach rechts, die Blicke ruhten voller Genugtuung auf den Weiten. Wider Erwarten gelangen mir auf der Bahn ähnliche Schläge. Ich traf den Ball, ich traf das Fairway und schließlich traf ich gar das Loch. Ich hauchte ein zartes „Heureka! Ich hab's gefunden!“ in den azur- blauen Himmel und fühlte mich wie Archimedes. Ach, was sage ich: Wie Tiger Woods. Da war er, der Durchbruch! Lang ersehnt. Der

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Eintritt in die Welt des nahezu perfekten Golfspiels. Der Lohn für alle Mühen:

Für die unsäglichen Stunden, die man einsam auf den grünen Matten verbracht hatte und einen Korb voller Bälle in die Weite der Driving Range gedroschen hatte!

Für die zwecklosen Versuche, den Zugriff auf das zerfledder- te Nervenkostüm zu schaffen!

Für die vergeblichen Bemühungen, durch Selbstbeobachtung und Selbstanalyse den Fehlern auf die Spur zu kommen!

Für die fruchtlosen Mühen, der verwirrten Muskulatur nach- vollziehbare Kommandos zu geben!

Alles schien für die Katz gewesen zu sein. Wie Don Quichotte hatte man gegen die Windmühlenflügel missglückter Schwünge und verge- bener Putts gekämpft. Erfolglos, so schien es! Aber nun, nun war sie da, die Wende! Endlich! Man hatte schon nicht mehr an sie geglaubt! Die lichte Zukunft lässiger Siegerposen war angebrochen. Tag eins als Könner! Das Clubhaus anschließend mit einer Lokalrunde freigehalten, um auf den neuen Stern am Golferhimmel aufmerksam zu machen. Auf dem Nachhauseweg ein lustiges Lied auf den Lippen. Der Maid am heimi- schen Herd himmelhoch jauchzend das Ende des Dilettantendaseins verkündet.

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Gerti Idzior

In Vorfreude auf einen neuen, fehlerfreien Golftag einen nahezu schlaflose Nacht verbracht! In den kurzen, aber heftigen Traumpha- sen den Kampf gegen Martin Kaymer und Marcel Siem gewonnen. Souverän, mit vier Schlägen Vorsprung!

Der neue Tag! Eigentlich hatte ich der Angetrauten diverse Arbeiten im trauten Heim versprochen. Die mussten warten! Ich hatte Wichti- geres zu tun. Ich bestellte Freunde zu einer Runde auf den Golfplatz ein. Früher, als ich noch nicht mit ihnen mithalten konnte, hatte ich sie gebeten, mitspielen zu dürfen. Diese Zeiten waren jetzt vorbei. Die Demütigungen, die sie mir bereitet hatten, würde ich ihnen nun heimzahlen!

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Die unwirtliche Hütte mit dem schiefen Haussegen ließ ich leichten Herzens hinter mir. Der Golfgott hatte für gutes Wetter gesorgt, um meiner neu gewonnenen Gabe Glanz zu verleihen. Leider suchte ich auf der Driving Range vergeblich nach der Leichtig- keit des Seins des Vortages, erste Irritationen machten sich breit, und mein Selbstbewusstsein wich einer leichten Verunsicherung. Mit jedem Schlag steigerte sich die Ernüchterung, ach, was sage ich, die Bestürzung. Die Nacht hatte die Fortschritte vernichtet, der Tag brachte es an den Tag, und ich rief mit geballter Faust: „Hier steh ich nun, ich armer Tor, und schlag so schlecht als wie zuvor!“ Seitdem stehe ich wieder unsägliche Stunden auf grünen Abschlag- matten, versuche meine Nerven in den Griff zu kriegen, beobachte und analysiere verzweifelt meine Fehler und gebe den Muskeln Kommandos, die sie zynisch ignorieren. Die Leichtigkeit des Seins ist unerträglich schwer geworden. Und ich frage Freunde, ob sie mich mal mitspielen lassen. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Einmal wird sie kommen, die Wen- de. Vielleicht aber auch nicht. Golf ist eben die Sportart, bei der sich Fortschritte und Rückschritte weitgehend die Waage halten.

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Einstellige

Arno Bruse (Arpitam)

Ich spiele ganz gerne mal mit Einstelligen. Nicht allzu häufig, das hält meine Psyche nicht aus, wenn ich sehe, was die mit dem Ball ma- chen, und wenn ich dann mit ansehen muss, was der Ball mit mir macht …! Aber ab und zu ist es ein Genuss, mit diesen Könnern über den Platz zu ziehen. Ich selber bin nämlich zweistellig, und daran wird sich in meinem Leben nichts ändern, zumal mir immer mehr die Zeit davonläuft.

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Dabei sind auch Einstellige durchweg normale Menschen. Es sind welche dabei, die sind dicker als ich, es sind welche dabei, die sind kleiner als ich und sicherlich gibt es auch welche, die dämlicher sind als ich. Aber sie sind einstellig! Ein normaler Querschnitt durch die Bevölkerung: Ordensträger, Wampenträger, Linksträger, träger als ich, aber sie sind einstellig! Dennoch kann ich mir nicht vorstellen, dass bei ihnen alles mit rech- ten Dingen zugeht. Ich habe bisher davon Abstand genommen, sie des Blutdopings zu bezichtigen. Ein Hauch von Lance Armstrong liegt über ihnen, aber ich kann es nicht beweisen. Wahrscheinlicher ist, dass sie mit dem Teufel im Bunde stehen. Ich nehme an, dass sie Luzifer ihre Seele versprochen haben, damit sie diese phänomenalen Abschläge hinkriegen und zügig einlochen kön- nen. Mal unter uns, ich hätte auch nichts dagegen, mit dem Gehörn- ten ein Verhandlungsgespräch zu führen, aber er hat bei mir wegen meiner Seele nicht mehr nachgefragt. Ich vermute, er ist sich sicher, er kriegt sie sowieso. Was mich bei den Einstelligen besonders neidisch macht, ist ihre große Gelassenheit. Wenn unsereins verkrampft die Kugel in den Wald drischt, rufen wir empört: „Das ist mir ja noch nie passiert!“ Und dann folgt eine Selbstbeschimpfung, bei der wir uns noch nicht mal beim Vornamen nennen. Zur Strafe sind wir beim nächsten Schlag noch verkrampfter und hauen ein Divot in Tellerminengröße aus dem Rasen. Einstellige gehen nach meiner Erfahrung ganz anders mit ihren Fehl- schlägen um: Sie schauen amüsiert hinterher, rufen dem sich in Richtung Wald entfernenden Ball noch ein freundliches:

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„Na, dann tschüs!“ hinterher und kommentieren: „Passiert mir manchmal!“ Dann konzentrieren sie sich auf den nächsten Schlag, und mit wun- dersam lockerem Durchschwung fliegt der Ball wieder in die unendli- che Weite des Fairways. Einstellige bleiben auch beim Putten ganz ruhig. Sie lesen kon- zentriert und ohne Hektik die Putt-Linie und nehmen gelassen ihren Stand ein. Souverän und unaufgeregt stehen sie da und sprechen mit ihrer inneren Stimme den Ball an: „Los, großer Meister, truller jetzt langsam in das Loch dahinten rein, ich helfe dir dabei und gebe dir einen kleinen Schubs.“

Christel Donner

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Dann rollt das Ding los, bewegt sich geschmeidig über den Ra- senteppich - und schon macht es Klack! Unsereins ist dran. Auf das Lesen der Putt - Linie wird verzichtet, weil wir da sowieso Analphabeten sind. Dann nehmen wir den Stand ein, und unsere innere Stimme prophezeit: „Der geht ja sowieso wieder daneben!“ Gleichwohl versuchen wir den Ball in Ruhe einzustimmen auf seine schwierige Aufgabe, aber die innere Stimme raunzt die unschuldige Kugel an: „Wehe du Gurke rollst jetzt wieder dicht am Loch vorbei wie auf der letzten Bahn!“ Ist doch klar, dass der Ball stinksauer ist und mit Absicht am Loch vorbeikugelt. Unsere Putts scheinen nur zwei Lösungswege zu ken- nen: Falsche Richtung und zu schnell oder richtige Richtung und zu langsam. Und dann gucken wir beim nächsten Loch neidisch dem Einstelligen zu, und dabei hält sich der Ball exakt an die Vorgabe seines Herren: richtig gerade und von der Geschwindigkeit her gerade richtig. Einstellige zählen auch immer korrekt. Sie gehören schließlich zur Creme de la Creme des Golfs und betrachten es als unter ihrer Wür- de, durch eine kreative Interpretation ihrer Schlagzahl den Score aufbessern zu wollen. Nun gut, bei Ihnen kommt hinzu, dass sie sel- ten mehr als bis sechs zählen müssen, während sich unsereins der- weil mit Siebenen und Achten rumschlägt, da kommt man schon mal durchhin… Wir Zweistellige neigen ja auch zu Bedrohungsszenarien gegenüber unserer Ausrüstung. Dem Siebener Eisen wird mitgeteilt:

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„Haust du noch einmal in die Erde, schmeiß ich dich in den Wald!“ Und der Ball wird vor dem Schlag verwarnt: „Fliegst du wieder in die Büsche, kannst du da liegenbleiben.“ Die Erfahrung zeigt, dass sich weder Schläger noch Bälle davon be- eindrucken lassen, ganz abgesehen davon, dass die Schuldfrage ge- flissentlich übersehen wird. Machen wir uns nichts vor, manchmal erinnern uns die Einstelligen fatal an unsere Schulzeit. An diese Streber, die immer alles richtig gemacht haben und Einsen und Zweien nach Hause trugen, während wir froh waren, wenn wir keinen Strich gekriegt hatten. Und es ist nach wie vor so: die einstelligen Streber kriegen auf dem Par-Drei- Loch eine Zwei – und wir kriegen eine Fünf!

Peter Wiegand

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ligte ich mich nicht an ablenkenden Gesprächen und Scherzen, um

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Ausreden

Arno Bruse (Arpitam)

Ein sonniger Sommermorgen, wie geschaffen für gutes Golf. Ein leichtes Lüftchen versprach die Wärme zu mildern, weiße Wölkchen spendeten ab und an Schatten. Angesichts dieses fabelhaften Wet- ters nahm ich mir vor, mindestens Brutto- Sieger zu werden. Zugege- ben, mein Vorhaben entsprach nur bedingt einer realistischen Ein- schätzung meines Leistungsvermögens, aber man muss sich wie im richtigen Leben immer hohe Ziele setzen. Think big, sagt der Ameri- kaner, denke in großen Dimensionen. Schon vor dem Turnier betei-

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auf die Ernsthaftigkeit meiner Turniersiegerambitionen aufmerksam zu machen. Hoch konzentriert, um nicht zu sagen hochprofessionell bereitete ich mich auf die kommenden Aufgaben vor. Auf dem Put- ting Green schob ich drei 40 Zentimeter-Putts sicher ins Ziel, machte auf der Driving Range fünf Schläge mit fünf, vom Vorgänger liegen gelassenen Bällen, dehnte und reckte mich noch zweimal und been- dete nach sechs Minuten meine intensive Aufwärmphase. Turnier- sieger zeichnet eben aus, dass sie mit den Kräften haushalten kön- nen. Auch mental brachte ich mich in die Vorstartphase, indem ich im Geiste noch einmal die Übergabe des Preises für den Turniersie- ger durchging. Gleichwohl lastete ein immenser Druck auf meinen Schultern. In solchen Fällen ist es von Vorteil, wenn man den selbst geschaffe- nen Erwartungsdruck etwas abmildert, indem man schon vor dem Turnier auf belastende Umstände hinweist, falls was schief läuft. Solche vorweggenommenen Ausreden sind hilfreich, wenn man nicht zu dick aufträgt. Ich hatte mich dieses Mal für die Formulierung ent- schieden: „Bei so schönem Wetter merke ich meine künstlichen Gelenke kaum!“ Bei Regenwetter variiere ich gekonnt und sage: „Trotz des Wetters merke ich von meinen künstlichen Gelenken nicht viel.“ Hat man sich nämlich frühzeitig den Status eines Versehrten ver- schafft, entlastet das die Seele nicht unerheblich. Allerdings hält sich das Mitleid in der ansonsten so kultivierten Golfergemeinde nach meinen Beobachtungen in Grenzen. Das liegt vielleicht daran, dass etwa 87,4 Prozent der Senioren nach derselben Masche arbeiten.

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Immerhin rufen bei jüngeren Mitspielern freimütige Bekenntnisse über meine körperlichen Mängel ein gewisses Mitfühlen hervor und lösen hin und wieder sogar besorgte Nachfragen aus. Dann tut es besonders gut, wenn man das heldenhafte Ignorieren der eigenen Gebrechen hervorheben kann.

Karl-Peter Muller

Aber ich will nicht abschweifen und zurückkehren zu jenem sonnigen Sonntagmorgen. Nachdem ich mir also ein Alibi für mögliches Versa- gen verschafft hatte, gelang mir ein phänomenaler Abschlag, der meine Klagen über künstliche Intarsien im Knie und in der Hüfte Lü- gen strafte. Ich ärgerte mich, weil ich einen meiner wichtigsten Aus- redentrümpfe bereits so früh verplempert hatte.

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und ich aus allen Wolken fiele. Dies stieß bei meinen Mitspielern

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Immerhin lief auf der Bahn Eins bis zum Grün alles einigermaßen glatt, aber der Putt ging satt vorbei. „Die Grüns sind heute besonders schnell!“ stellte ich fachmännisch fest, die sprachliche Absurdität meiner Feststellung ignorierend. Ich erntete die Zustimmung von zweien meiner drei Mitspieler, die eben- falls aus Nahdistanz versemmelt hatten. Bereits nach zwei Bahnen sah ich meine Felle davonschwimmen, dem Teilnehmerfeld den Bruttosieg wegzuschnappen. Ich tröstete mich, es sei völlig illusorisch gewesen, damit zu liebäugeln. Auf der Bahn Vier musste ich mich nach zwei weiteren Strichen von dem Gedanken verabschieden, in irgendeiner Kategorie Sieger zu werden. Meinen Mitspielern gegenüber ließ ich großen privaten Stress durchblicken, der eine entsprechende Konzentration verhinde- re. Meine Bürde unterstrich ich mit dem Hinweis, nicht darüber re- den zu wollen. Sollten die doch zusehen, wie sie mit ihrer Betroffen- heit klarkommen. Nach einem weiteren Doppelbogey musste ich vom Vorhaben Ab- stand nehmen, mein Handikap zu verbessern und setzte mir als neu- es Ziel die 36. Ich muss allerdings zugeben, auch das war eine über- aus optimistische Einschätzung meiner Lage, zumal der von mir er- wartete Höhenflug auf den Bahnen Fünf bis Sieben ausblieb und geradezu nach Erklärungen schrie. Auf der Bahn Fünf beschwerte ich mich über die blendende Sonne und begleitete meinen missratenen Abschlag mit dem Ausruf: „Was ist denn heute bloß los?“ Diese Ansage sollte andeuten, dass meine Schläge kreuz und quer über die Bahn eine absolute Ausnahme in meiner Karriere darstellten

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wiederum auf großes Verständnis, weil sie die Bälle genauso vogel- wild durch die Gegend hauten. Der Unterschied zwischen gedachtem Schlag und gemachten Schlag ist beim Golf zumeist erheblich. Deshalb ist es wichtig, die Mitspieler immer darauf hinzuweisen, was man sich bei dem betreffenden Schlag eigentlich gedacht habe! Und welche äußerst widrigen Um- stände einen gelungenen Schlag verhindert haben. Auf der Bahn Sechs monierte ich folglich lautstark den Krach auf der Nachbarbahn, auf der Bahn Sieben bejammerte ich die Unebenheiten, um nicht zu sagen Untiefen des Fairways. Auf der Bahn Acht beschloss ich, mich endlich vom Leistungsdruck zu befreien, mein Handicap spielen zu wollen und mich damit zu begnü- gen, zu puffern.

Gerti Idzior

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Auf der Bahn Neun beklagte ich die Bahn Neun und auf der Bahn Zehn lamentierte ich über die allgemeine Lage in der EU, die einen kein entspanntes Golf mehr spielen lasse. Ich hatte immer noch die Hoffnung, von meinen Flightpartnern und insbesondere von meiner Flightpartnerin als Golfspieler wahrgenommen zu werden. Da ich dabei nicht auf die Qualität meiner Schläge vertrauen konnte, blieb einzig der Ausweg über die Ausreden. Das musste doch jeder verste- hen! Zu allem Überfluss befand sich meine Frau nicht in unserem Flight, die ich in solchen Fällen für Verschiedenes verantwortlich machen kann und mir auf diese Weise etwas Entlastung verschaffe. Nach der Bahn Zehn verabschiedete ich mich notgedrungen von meiner Absicht zu puffern und setzte mir als neues Ziel, die Blamage in erträglichen Grenzen zu halten. Meine Mitspieler informierte ich mit dem vehementen Ausruf: „Das ist mir noch nie passiert!“ darüber, dass sie Zeuge eines einzig- artigen Versagens in meiner gesamten Golfkarriere wurden. Ich verschwieg, dass ich die Formulierung: „Das ist mir noch nie pas- siert!“ bereits mehrere hundert Male ausgestoßen habe, allein in 2012. Ab der Bahn Elf zog ich unmerklich das rechte Bein nach und achtete darauf, mein Leiden von Bahn zu Bahn zu verschlimmern. Besorgte Nachfragen konterte ich mannhaft, durchhalten zu wollen. Nachdem sich auf der Bahn Dreizehn wieder mal ein Ball von mir in den Wald verirrt hatte, wies ich auf die neue Griffhaltung hin, die mir der Pro beizubringen versucht habe und mit der ich wohl noch nicht ganz klar käme. Auf der Vierzehn ärgerte ich mich über meine Mitspieler, die mit ihren albernen Ausreden ihre kümmerlichen Schläge entschuldigen

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wollten. Ich haute folgerichtig den Ball in den Bunker und stellte sachlich fest: „Bei so viel Gequatsche kann sich doch kein Mensch konzentrieren!“ Auf der Bahn 15 machte ich meinen alten Schlägersatz verantwort- lich, und auf der Bahn 16 ließ ich meine Katze sterben. In besonders dringenden Fällen habe ich auch schon mal eine Tante von mir hinscheiden lassen. Auf der Bahn 17 musste ich mir zwei neue Bälle leihen. Auf der Bahn 18 wies ich noch einmal ausdrücklich auf meine Leis- tung hin, trotz meiner körperlichen und seelischen Gebrechen die ganze Runde durchgehalten zu haben. Ich war so überzeugend, dass meine Flightpartner fast zu Tränen gerührt waren und ich diesen Schwindel beinahe selbst geglaubt hätte.

Renate Lehnstaedt

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Zwei Seelen

Peter Wiegand

Ich gebe zu, ich spiele gerne Golf. Ein Spiel, das mich entspannt und Körper, Geist und Seele in Bewegung hält. Und da ich als alter Sport- ler auch gerne Wettkämpfe bestreite, habe ich an Turnieren Spaß. Allerdings wird die Freude am Spiel durch zwei Begleiter erschwert, die sich nicht abschütteln lassen und die sich immer ungefragt zu Wort melden: Es sind meine inneren Stimmen, die mir vorschlagen, was ich zu tun und zu lassen habe. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die beiden nicht vertragen und stets gegensätzlicher Meinung sind. Ich habe meinen inneren Stimmen Namen gegeben: Manni und Mandy! Manni ist ein Angeber und Draufgänger. Mannis Devise: „Kannst du! Kein Problem! Keule nehmen!“

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Wenn es nach Manni ginge, hätte ich ein einstelliges Handicap und könnte trotz meiner Titan - Gelenke großes Golf spielen. Manni ist prahlerisch und überschätzt sich maßlos. Oder, um es ganz genauer zu sagen: Wenn mir meine innere Stimme Manni vorschreibt, wie ich schlagen soll, überschätzt sie mich meistens maßlos. Die Gegenspielerin von Manni nenne ich Mandy. Mandy, meine an- dere innere Stimme, ist eine misserfolgsmeidungsmotivierte Mem- me. Wäre Mandy ein Mensch, käme sie aus der Uckermark, hätte hän- gende Mundwinkel und würde immer die Fingerkuppen zusammen- pressen. Sie hätte fünf Semester Sozialpsychologie und Kulturpäda- gogik studiert und dann wegen Überforderung abgebrochen. Mandy ist kleinlaut und verzagt und unterschätzt mich maßlos! Meine inneren Stimmen haben auch eine unterschiedliche Auffas- sung vom Fairplay!

Manni rät dauernd zu mutigem Schmu. „Merkt doch keiner!“ lautet seine Maxime. Mandy ist eine ehrliche Haut, das rechne ich ihr hoch an. Aber mit ihrem hochmoralischen Gutmenschengetue geht sie mir auch auf den Zeiger. Wenn ich könnte, würde ich meine inneren Stimmen mit dem nassen Lappen erschlagen. Aber die beiden sind nicht totzukriegen. Es war ein Sommertag mit fabelhaftem Golfwetter! Die Vorbereitun- gen auf das Turnier waren ungewöhnlich reibungslos verlaufen, und der erste Abschlag hatte sogar die Mitte der Bahn gefunden. Leider entsprach der zweite Schlag nicht ganz meinen Erwartungen, und der Ball landete hinter dem einzigen Baum, der das Fairway zierte.

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Je näher ich kam, desto klarer wurde mir, wie ungünstig die Kugel lag! Der direkte Weg zum Grün war gesperrt. Schon unterwegs fingen meine beiden inneren Stimmen an mich zu bequatschen. Von innen tönte Manni: „Überhaupt kein Problem, Tiger-Line wählen! Eisen Sieben und über den Baum!“ Mandy jammerte: „Das geht doch schief, der Ball bleibt am Baum hängen, und noch ein Schlag ist futsch. Vorsichtig zur Seite chippen, und dann sehen wir weiter!“ Manni konterte: „Dann schubs ihn lieber ein bisschen mit dem Fuß zur Seite, merkt doch keiner!!“ Mandy wütend: „Wehe du hörst auf diesen elenden Schurken!“ Ich entschied, mich weder von dem einen noch von der anderen bevormunden zu lassen. Ich wählte die Zwischenlösung: mit dem Fuß ein bisschen kicken, dann am Baum vorbei auf das Fairway, aber mit Schmackes. Das Resultat entsprach leider nicht meinen Erwartungen, der Ball raste einmal quer über den Rasen und landete auf der ande- ren Seite im Rough. Sofort hatte ich die Beiden wieder am Hals. „Hab ich dir nicht gesagt, du sollst vorsichtig sein?“ lamentierte Mandy! „Das ist die gerechte Strafe für deinen Betrugsversuch!“ „Das hast du von deiner Feigheit!“ motzte Manni, „hättest du richtig gegengetreten, wäre der Weg zum Grün frei gewesen!“ Als ich den Ball endlich gefunden hatte, krähte Manni: „Hau wenigs- tens jetzt mal richtig darauf, du Leisetreter!“

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Mandy moserte Manni an: „Das kann doch wohl nicht dein Ernst sein. Lieber den Ball vorsichtig auf das Fairway chippen, und dann sehen wir weiter.“

Arno Bruse (Arpitam)

Golf ist ein Spiegelbild des Lebens. Wie immer du dich entscheidest, Risiken bleiben. Haust du so richtig drauf auf den Ball und er verabschiedet sich ins Nirwana, ärgerst du dich, du hättest wohl doch besser auf Mandy hören sollen. Du hät- test lieber vorsichtig agieren sollen, auch kleine Schritte führen sicher zum Ziel. Anderseits haderst du, wenn so ein zaghafter Schlag gut geht, aber dich nicht recht voranbringt. Dann wirfst du dir vor, eigentlich hättest du mehr Mut haben müssen. Ganz schlimm aber wird es erst, wenn so ein kleinlauter Schubser auch noch schief geht…!

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Schummelst du und es funktioniert, hast du ein schlechtes Gewissen, gaunerst du und es geht schief, bist du blamiert! Bist du aufrichtig und gehst unter, machst du dir Vorwürfe wegen der verpassten Chance. Schließlich prellen die anderen doch auch!

Das ist die Grundproblematik menschlichen Daseins. Wie man es auch anstellt und was man auch macht, man kann es den inneren Stimmen nicht recht machen. Sie raten dir, was du machen sollst, wie du es machen sollst, wo du es machen sollst und wann. Und manch- mal sogar wie oft. Sie sitzen dir im Nacken und machen dir Vorschrif- ten. Und stets sagt die eine Stimme Hü und die andere Hott. Man wird sie nicht los, Manni und Mandy. Eigentlich gibt es nur ei- nen Trost. Dass sich alle, die Golf spielen, auch mit den Beiden rum- schlagen müssen.

Gerti Idzior

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Zocken zehrt

Frank Ollig

Ich bin der Meinung, Glück und Pech verteilen sich auf die Dauer. Mein Golffreund Günter ist anderer Ansicht; er behauptet von sich, er sei ein geborener Pechvogel und ich sei ein Glücksritter. Auf mei- nen Einwand hin, er bilde sich sein Pech nur ein, beharrte er, aber spätestens mit seiner Heirat habe seine Pechsträhne angefangen. Ich spiele gerne Golf mit Günter, er ist ein kluger Kopf, und die Run- den mit ihm sind unterhaltsam. Er spielt gerne mit mir, weil er dann von zuhause weg kann. Bei unseren Golfduellen würden sich auf die Dauer Sieg und Nieder- lage verteilen, hätte Günter nicht eine Schwäche: Er hadert gerne!

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Kaum hat er mal einen Ball in die Wicken gehauen, jammert er „Geht das schon wieder los!“ oder „Ich habe es gewusst!“ Auf diese Weise bringt Günter sich schnell aus dem Rhythmus und demontiert sich. Natürlich ist mir nicht verborgen geblieben, wie schnell ihn eine missratene Bahn aus der Bahn wirft. Ich habe ihm deshalb irgendwann vorgeschlagen, bei unseren Runden um Geld zu spielen und Günter hat zu meiner großen Freude zugestimmt. Nur um einen Zehner, aber immerhin. Nicht viel, aber für drei, vier Bier reicht es allemal. Ich habe mir auf diese Weise eine solide Nebener- werbsquelle geschaffen. Allerdings trifft es bei Günter keinen Armen. Er war erfolgreich in der freien Wirtschaft tätig und hat gutes Geld verdient. Derweil habe ich mich als Pauker mit den verzogenen Gören fremder Leute rumge- schlagen und habe mich mit einem vergleichsweise dürftigen Ein- kommen bescheiden müssen. Aber auch ich kann mir ein bisschen Zocken leisten und eine Nieder- lage hier und da und einen Zehner ab und an verschmerzen, weil ich nicht, wie Günter, eine geschiedene Frau und zwei lebensuntüchtige Kinder mit durchschleppen muss. Das bestätigt wiederum meine These, Glück und Pech würden sich irgendwie ausgleichen. Einmal die Woche, am Mittwoch, zocken wir um den Zehner. Vorher wird der Spielmodus geklärt: „Spielen wir heute Weicheiergolf oder richtig?“ „Richtig!“ Dann ist Zählspiel angesagt. Gnadenlose Härte. Auf jeder Bahn bis zum bitteren Ende. Die Schläge werden unbarmherzig zusammenge- zählt und am Ende unser Handicap abgezogen. Fertig!

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Wir müssen aufschreiben, was den Druck und die gegenseitige Kon- trolle erhöht. Ein Spiel, nichts für schwache Nerven.

Die Saison neigte sich dem Ende entgegen, die Blätter auf den Bäu- men in den Bünter Bergen wurden gelb und braun. Morgens war es schon empfindlich kalt, und der Boden wurde seifig. Aber Günter und ich ließen uns nicht verdrießen. Schließlich war wieder Mittwoch. An sich halte ich Horoskope für Firlefanz, aber vor solch wichtigen Spielen scheint es mir doch angebracht, die Auguren zu befragen. Für mich, den im August geborenen Löwen, hielt mein Tageshoroskop die frohe Botschaft parat: „Sie sollten die erzielten Erfolge auszubau- en versuchen!“ Vorsichtshalber sah ich noch bei Günter nach, er ist Krebs. Ich las verzückt: „Seien Sie heute in finanziellen Angelegenheiten vorsichtig, da Sie recht impulsiv sind und zu verrückten Entscheidungen neigen.“

Nun stand bei mir ohnehin eine größere Investition an, ich musste mir neue Winterreifen kaufen. Ich habe daraufhin Günter den Vor- schlag gemacht, kurz vor der Winterpause könne er einen kleinen Teil seines Jahresverlustes mit einem einzigen Schlage wieder aus- gleichen, wenn wir um 100 € spielen. Ich spekulierte auf die Fehlein- schätzung seiner eigenen Gewinnchancen und auf seine Großzügig- keit. Und darauf, dass er sein Tageshoroskop nicht gelesen hatte! Er willigte ein, mein Herz hüpfte. Die Finanzierung eines der vier Win- terreifen erschien mir auf diese Weise gesichert.

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Die Aussicht auf einen satten Gewinn beflügelte meinen Adrenalin- spiegel, aber auch Günter machte einen ungewohnt konzentrierten Eindruck. Die ersten Bahnen verliefen ohne größere Ereignisse, nach der 5. Bahn war immer noch Gleichstand. All square, wie die Fachleute sa- gen. Dann endlich kam bei Günter der Schlag, auf den ich schon fünf Bah- nen lang gelauert hatte: Auf der Bahn Sechs haute er die Kugel auf der Höhe des Damenabschlages links ins Unterholz. Ich heuchelte Bedauern, derweil Günter grollte: „Geht das schon wieder los!“ „Den finden wir bestimmt“, täuschte ich Trost vor, wohl wissend, dass es ihm gar nichts nützen würde, wenn wir ihn tatsächlich fän- den. „Quatsch!“ brummte er, „den suchen wir gar nicht erst.“ Grollend nahm er den Strafschlag in Kauf, teete den 2. Ball auf und wuchtete ihn wieder nach links in den Wildwuchs. „Ich habe es gewusst“, kommentierte er fachmännisch sein erneutes Versagen, und ich vermied, ihm beizupflichten mit: „Ich habe es auch gewusst!“ Ein Suchen wäre aussichtslos gewesen, und Günther teete seinen Ball zum fünften Schlag auf dieser Bahn auf. Am Ende schrieb ich ihm genüsslich eine Zehn auf und fand, er sei noch gut davongekommen. Günter ruinierte weiter seine Nerven, indem er sich zu einem Wut- ausbruch hinreißen ließ. Bahn 8 wurde ebenfalls zu einem Desaster für ihn, und ich hatte nach meiner groben Schätzung acht Schläge Vorsprung.

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Während wir zur Bahn 9 hochstapften, unterbreitete ich ihm ein höchst unseriöses Angebot: „Na, willst du verdoppeln!“ Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen, als er grimmig versetzte: „Wir verdoppeln!“ Na also, Günter schien grade die Finanzierung meines zweiten Win- terreifen übernommen zu haben. Freilich hatte die Erhöhung des Einsatzes auch auf meine Nerven eine beunruhigende Wirkung. Ich wurde zunehmend unsicherer und zitt- riger, und mein Vorsprung schmolz von Loch zu Loch. Diese ver- dammten kleinen Nervenfasern. Sie sind die Seismographen unserer Seele, überaus sensibel und leicht zu beeinflussen. Auf meinen Schul- tern schienen plötzlich zwei Winterreifen zu lasten und meine Ner- ven, sonst wie Drahtseile, begannen zu flattern. Günter dagegen wurde auf eine merkwürdige Weise immer ruhiger, obwohl seine Situation nach wie vor alles andere als rosig war. Den- noch, schon wieder hatte er einen Schlag aufgeholt. Er hatte auf der Zwölf die Ehre und zelebrierte sein Setup-Programm mit aufreizender Behäbigkeit. Das Aufteen glich einer sakralen Hand- lung, die Suche nach der richtigen Ausgangsstellung wurde mehrfach korrigiert, der prüfende Blick in die Weite schien beschwörend und musste mehrfach wiederholt werden, obwohl der Mistpfützenkrebs immer auf dieselbe Fläche stierte! Und dann, als ich es schon nicht mehr zu hoffen gewagt hatte, schlug er ab, schnurgerade und weit! Er wusste, mein Nervenkostüm, durch die voraufgegangenen Bahnen ohnehin ausgefranst, würde weiter zerfleddert.

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Frank Ollig

Als ob ich die durch Günter vertrödelte Zeit aufholen müsste, quetschte ich das Tee samt Ball lieblos in den Boden, richtete mich ruckartig auf, holte kurz und hektisch aus und drosch drauf! Viel zu früh und zu forsch zog ich den Kopf in Richtung Fairway hoch und musste mir vom Feldherrnhügel des Abschlages das Elend der Flug- bahn mit ansehen: Der Ball hatte mir das freudlose Verfahren beim Aufteen offenbar nicht verziehen, überflog im Halbkreis das gemähte Grün und landete unerbittlich im Ungemähten. Günter hinter mir streute gnadenlos Salz in meine Wunden: „Spiel lieber einen Provisorischen!“ Ich spielte einen zweiten Ball, der dem ersten zielsicher ins Rough folgte. Wir konnten zwei Bälle an derselben Stelle suchen und fanden

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nur den Provisorischen. Ich schrieb eine Neun, und die Winterreifen rollten immer weiter weg. Auf den Bahnen 13, 14 und 15 zitterte ich mich über die Runden. Derweil meine Nerven blank lagen, schien Günter die Ruhe selbst geworden zu sein. Mit aufreizender Lässigkeit schlug er seine Bälle und spendete mir Trost für meine Versuche. Auf der Sechzehn nutzte ich die Gelegenheit um durchzuzählen und stellte fest, dass ich nur noch zwei Schläge vorne lag. Mein schöner Vorsprung! Dahin, vernichtet, verspielt. Meine Nerven waren nahezu am Ende, während Günther nervtötendes Selbstbewusstsein an den Tag legte. Nerven gehören zum Golfer wie Epo zum Radrennfahrer. Sie sind die Plagegeister der Amateurgolfer und die Preisgeldvernichter bei den Profis. Nur Günter schien an diesem Tage keine Nerven zu haben. Mein Abschlag auf dieser elenden Bahn17 schaffte den Weg durch die Baumgasse ohne Probleme, sein Drive dagegen streifte die linke Baumreihe und wurde vom Waldgott wieder auf das Fairway gewor- fen! Dieser Glücksritter. Was der für ein Dusel hatte. Auf dem Grün waren wir immer noch gleichauf, nach den Putts nicht mehr! Er einen, ich drei! Welch ein Pech! Welch ein Drama. Gleich- stand. Meine Nerven flatterten im Herbstwind vor sich hin, als mein Gegner ihnen den Rest gab: „Was ist, wollen wir verdoppeln?“ Ihm war der Zustand meiner Seele nicht verborgen geblieben. Dieser Schurke! Dieser Schuft! Er wusste, ich hatte keine Wahl: „Natürlich verdoppeln wir!“ Die Bahn 18 in Bad Salzdetfurth! Wie viele Hoffnungen wurden da schon begraben!

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Günter gelang ein begnadeter Abschlag auf den Gegenhang. Der Druck wuchs. Während ich ausholte, schoss mir durch den Kopf: Hauptsache an den Bäumen rechts vorbei – da war es auch schon passiert. Klack, hörte man es von weitem – und dann trullerte die Kugel wieder auf das Fairway. Glücksritter, knurrte Günter. Ausgleichende Gerechtig- keit, fauchte ich zurück.

Frank Ollig

Mein zweiter Schlag endete nach fulminantem Flug am Rande des Grüns, Günters Ball flog günstigerweise in den Bunker. „Verdoppeln?“ fragte ich? „Lass gut sein!“ Wozu auch, ich hatte meine neuen Winterreifen schon so gut wie auf der Felge.

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Günters Bunkerschlag landete wider Erwarten an der Fahne. 5 Zen- timeter bis zum Loch. Ein für uns beide höchst ärgerlicher Schlag, aus seiner Sicht hätte der auch gefälligst reingehen sollen, aus meiner Sicht hätte er gefälligst im Bunker bleiben sollen. Die Situation hatte sich wieder zu meinen Ungunsten verschoben: Ich hatte nur einen einzigen Versuch, um zu gewinnen. Ich hatte zwei Putts, um zu teilen… Mein erster Putt blieb zwei Meter vor dem Loch hängen. Ich hatte noch einen Putt... Vor meinen Augen flimmerte es. Ich versuchte mich zu konzentrieren – ich schob den Ball vorbei. Aus, vorbei! „The big miss“, der ganz große Mist! Günter gelang ein phänomenaler 5 Zentimeter-Putt. Er gab mir die Hand und grinste. Ich beschloss noch auf dem Grün, nie wieder mit ihm um Geld zu spielen, soll er sich doch jemand anders suchen, den er ausnehmen kann. Außerdem werde ich versuchen, mit meinen Sommerreifen durch den Winter zu kommen.

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Träum weiter!

Peter Miesler

Ach Golffreund, geht es dir wie mir Vor einem großen Golfturnier? Man setzt sich hohe Leistungsziele Und hat der Vorsätze gar viele: „Ich will mein Handicap erreichen! Will diesmal keine Bahnen streichen! Ich will beim Abschlag ruhig bleiben! Und lass mich nicht zum Toben treiben!

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Und muss ich bei den Buchen suchen, Dann werd‘ ich diesmal nicht mehr fluchen! Seh‘ ich den Ball ins Wasser sinken, Werd‘ ich zum Abschied lässig winken! Ich werde meistens richtig zählen Und mich mit keinem Zweifel quälen Und spiele Golf, man glaubt es kaum, Mit tollen Schlägen wie im Traum!“

Dann endlich scheint es mir so weit, Ich steh zum ersten Schlag bereit, Ich seh‘ zur Bahn vom ersten Tee, Mir zittern weder Arm noch Knie! Ich hau mit vollem Schwunge zu, Der Ball fliegt auf das Fairway zu Und landet hinten auf der Mitten Nach 185 Schritten! Der zweite Schlag dient dem Transport, Ich treib ihn Richtung Fahne fort! Dann mit Gefühl zum Löchlein hin, Die Kugel landet dicht am Pin! Was für ein Anfang! Welch Genuss! Mir scheint, ich treff‘ mit jedem Schuss!

Auch auf der schweren Golfbahn Zwei Bin ich mit einem Par dabei! So geht es weiter Bahn für Bahn, Ich spiele traumhaft wie im Wahn,

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Ich treff‘ den Abschlag voll und satt! Ich loche ein fast jeden Putt Und schaff‘ am Ende einen Score, Der ist so gut wie nie zuvor! Das hätten Sie wohl nicht gedacht!!! Und plötzlich bin ich aufgewacht!

Karl-Peter Muller

Der Wecker zeigt mir 8 Uhr10, Um zehn muss ich am Abschlag steh‘n Und zur Sekunde merk‘ ich auch, Das eben war nur Schall und Rauch! Nun steh ich wirklich auf‘m Tee, Aus Angst erzittern meine Knie!

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Ich hau mit vollem Schwunge zu, Ich schau dem Golfball nach, nanu?? Ich seh‘, wie er nach rechts sich wendet Und hinterm roten Pflock verendet. Der zweite Schlag geht auch daneben, Die Kugel bleibt an Kiefern kleben! Im Bunker komm ich nicht zurecht Und erst das Putten – grottenschlecht! So geht es weiter Bahn für Bahn, Ich spiele wie im Fieberwahn, Ich muss den Ball bei Buchen suchen, Ich fange lautstark an zu fluchen, Ich seh‘ den Ball ins Wasser sinken Und dauernd Doppelbogeys winken! Und statt mit Würde mich zu quälen, Beginne ich mich zu verzählen! Am Ende hab ich einen Score, Der ist so schlecht wie nie zuvor!

Woraus der Golfer wieder sieht, Dass alles, was im Traum geschieht, Das lässt uns hoffen, stimmt uns heiter, Doch bringt es uns nicht wirklich weiter. Denn alles, was im Traum passiert, Bei Lichte leicht an Glanz verliert!

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Triumph in der Dritten Senioren

Peter Wiegand

Ich kannte mich beim Golf noch nicht so gut aus. Ein erfahrener, guter Mitspieler aus meinem Freizeitgolfmilieu schwärmte mir was vor vom Lochwettspiel. Das sei erst das richtige Golf. Da habe man endlich einen Gegner, den man mit Taktik und Psychologie bekämpfen könne. Nicht immer nur dieses lauwarme Miteinander beim Stablefort, wo man sich auch über die Schläge der anderen freuen solle. Gar noch zusätzlich ver- wässert durch einen „Mulligan“ am ersten Abschlag. Das sei zwar gut christlich, es widerspräche aber seiner Kämpferna- tur. Deshalb liebe er eben das Lochwettspiel. Wie es gespielt wird, war mir schnell klar: „The winner takes it all….“ Der Zufall wollte es, dass in der Dritten Senioren jemand ausfiel und händeringend nach Ersatz gesucht wurde. Ich bin gerne Kumpel, und

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so kam ich zu meinem ersten Loch-Wettspiel der Karriere und das bei einem überaus bedeutsamen Vergleichskampf in Bad Münder gegen die Dritte Senioren aus Gleidingen. Der Ryder-Cup ist ein Rotz dage- gen. Bad Salzdetfurth Dritte Senioren gegen Gleidingen Dritte Senio- ren, der Kampf der Giganten! Bereits in der Nacht davor hatte ich mir eine Taktik zurechtgelegt, wie ich meinen Gegner in die Verzweiflung treiben wollte. Alles war in meinem Kopf bis ins Kleinste vorbereitet, als ich am an- dern Tag zum Abschlag auf der Eins stand. Ich wollte meinem Gegner von vornherein den Schneid abkaufen, ich wollte ihn schockieren mit der Brillanz meiner ersten Schläge und frühzeitig Zweifel an seinen Chancen säen. Forsch griff ich das erste Loch an, aber das Loch wehrte meinen An- griff erfolgreich ab. Bereits nach dem zweiten Loch war meine Taktik hinfällig, meinen Gegner mit großem Golf einzuschüchtern. Ich hatte den Ball im Teich versenkt und das Loch verschenkt. Wut und Entset- zen strömten zu gleichen Teilen durch mein sonst so sonniges Ge- müt. Statt bei meinem Gegenpart aus Gleidingen Dritte Senioren den Gedanken zu erzeugen: „Gegen so einen Gegner kannst du nicht gewinnen!“ hatte ich mit meinen Schlägen bei ihm eher die sichere Erwartung genährt: „Ge- gen so eine Flasche kannst du gar nicht verlieren!“ Statt ihn mit meiner ausgeklügelten Taktik bereits auf den ersten Löchern mutlos zu machen, hatte ich ihn aufgebaut. Aufrecht und vor Selbstbewusstsein strotzend stolzierte er hinter seinem Trolley her, leutselig von seinen bisherigen Erfolgen erzählend. Nach dem dritten Loch war er bereits „Drei auf“: Er hatte alle drei Löcher gewonnen!

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Notgedrungen änderte ich meine Taktik: Ich wollte ihn nun in einer vermeintlichen Sicherheit wiegen, ihm Sand in die Augen streuen hinsichtlich meiner wahren Leistungsstärke. Da passte es ganz gut, dass ich viel Sand aus dem Bunker auf das Grün streute, ohne den Ball belästigt zu haben! Er war „Vier auf!“

Gerti Idzior

Sein solider Vorsprung ließ ihn nachlässig werden. Auf der Fünf ver- zog er den Abschlag, quälte sich mit matten Schlägen zur Fahne und brauchte auf dem Grün vier Putts. Ich gewann das Loch souverän, und er war nur noch „Drei auf“. Mein Lochgewinn hatte die Situation leicht verändert, Spannung und Nervosität nahmen zu. Die nächsten fünf Löcher waren von zähem Ringen bestimmt. Irgendwie kriegte ich es hin, die Bahnen Fünf bis Acht zu teilen. Merkwürdig: Zeigte ich Schwächen, gelang auch ihm wenig, trumpfte ich mit guten Schlägen auf, zog er nach.

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Dann die Überraschung: Bahn Neun ging an mich! Nur noch „Zwei auf“ für ihn. Seine Zuversicht, mich von der Platte zu fegen, war da- hin. Ich hatte meinen Gang inzwischen etwas aufgerichtet und er- zählte ihm leutselig von meinen Erfolgen. Auf der Zehn lagen wir mit der gleichen Anzahl der Schläge auf dem Grün, ich freilich acht Meter vom Loch entfernt, er zwei. „Den mache ich rein!“ verkündete ich lautstark vor meinem Putt! Was eher als Spaß gemeint war, entpuppte sich als Ernst: Der Ball trudelte zu mei- ner eigenen Verblüffung ins Loch. Muss ich extra erwähnen, dass sein Putt daneben ging? Er war nur noch „Eins auf“ und wurde knurrig. Nachdem er mir vorher mit seiner Siegesgewissheit auf den Wecker gegangen war, stapfte er nun wortlos hinter seinem Trolley her. Eine Besonderheit des Lochwettspiels ist die Möglichkeit, das Loch zu schenken. Man schenkt dem Gegner den letzten Putt, weil er ihn sowieso eingelocht hätte. Wahrscheinlich, jedenfalls. Mehr noch, man bewahrt ihn vor der Blamage, das Ding doch noch vorbei zu schieben. Und natürlich hofft man, der andere ist ebenso spendabel und revanchiert sich bei passender Gelegenheit. Zu Beginn des so bedeutungsvollen Spiels Bad Salzdetfurth Dritte Senioren gegen Gleidingen Dritte Senioren hielt sich die Bereitschaft zum beiderseitigen Schenken in Grenzen. Bei Schlachten von solcher Tragweite macht man keine Gefangenen. Außerdem hatte sich mein Gegenspieler über seinen Rücken beim Bücken beklagt, und ich sah nicht ein, warum ich ihn vor dem Herausklauben aus dem tiefen Loch schützen sollte. Wo er doch vorne lag!

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Gleichwohl hatten wir den höflichen Anschein gewahrt. Auf der Zwölf hatte ich ihm einen 13-Zentimeter-Putt geschenkt und er mir auf der Dreizehn einen 12-Zentimeter-Putt. Auf der Vierzehn schafften wir es mit der gleichen Anzahl von Schlä- gen auf das Grün. Als wir dort ankamen, hüpfte mein Herz. Der Ball meines Gegners lag schätzungsweise einen halben Meter vom Loch entfernt, ich aber nur ca. 30 Zentimeter. Triumphgefühl ob meiner höheren Chancen machte sich breit. „Wollen wir schenken?“ fragte er. Dieser hinterlistige Mistkerl. Lehnte ich ab, stand ich als verbissener Ehrgeizling da. Hatte ich denn keinen Sinn für die großzügige Geste? Mehr noch, lehnte ich ab und er versenkte seinen Putt trotzdem in souveräner Martin-Kaymer Manier, hätte er schier unmenschlichen Druck auf meine Schultern geladen. Und hätte ich diesem Druck dann nicht standgehalten, hätte sein mühsam unterdrückter Hohn meine Seele zerfetzt. Ich hätte den Weg frei gemacht für eine Demütigung durch Gleidingen Dritte Senioren. Ich willigte ein! Die Dramatik nahm zu. Ich gewann mit Glück die Fünfzehn, unser Spiel stand All Square. Gleichstand. Auf dem Weg zur Sechzehn griff ich tief in die psychologische Trick- kiste: Ich lobte sein Golfspiel. Er tobte! „Das soll gutes Golf sein?! Einen kläglichen Mist spiele ich mir zu- sammen. Grottenschlechtes Golf ist das!“ Voller Wut wuchtete er seinen Abschlag auf der Sechzehn in den Wald. Ich half ihm schadenfroh und wenig motiviert beim Suchen. Leider fand er seinen Ball und bugsierte ihn sauber auf das Fairway. Dann schafften wir es beide mit dem nächsten Schlag auf das Grün, er mit dem dritten, ich mit dem zweiten.

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Den weiteren Weg zum Grün legten wir wortlos zurück. Ich bestrafte ihn für sein Schweigen, indem ich nur einen Putt brauchte. Ich war „Eins auf“! Ich! Auf dem Weg zur Siebzehn ging mir der bemitleidenswerte Phil Mi- kelson beim Ryder Cup 2012 durch den Kopf. So was wird mir doch wohl nicht auch passieren?! Plötzlich nistete sich die Angst in mei- nem Hirn ein. Von einer Sekunde auf die andere wurden meine Arme schwerer, meine Hände zittrig, mein Blick unstet und meine Knie wacklig. Mein Abschlag flog nicht in die Weite, sondern suchte das Weite. Mein Gegner spielte ein Par, ich spielte ein paar mehr. Ausgleich! Es war alles wieder offen. Die letzte Bahn. „Sei jetzt ein Kaymer!“ mahnte meine innere Stimme. Aber auch bei meinem Gegenspieler lagen die Nerven blank, die Spannung war zum Greifen. Mit eher mickrigen Schlägen quälten wir uns mit gleicher Schlagzahl auf das 18.Grün. Die ersten Putts! Beide verfehlten wir das runde Mistding, aber ich lag besser, eindeu- tig. Er war zuerst dran! „Schenken?“ fragte er grinsend. Ich war wieder in der Zwickmühle! Einen halben Punkt für Bad Salzdetfurth Dritte Senioren in meinem ersten Einsatz zu holen, war doch aller Ehren wert!

Ging das Loch wegen meiner Halsstarrigkeit an ihn, weil ich vorbei- schob und er traf, hätte mich die Schmach für mein Leben gezeich- net. Anderseits, die Tür zum Heldentum stand für mich sperrangel- weit offen.

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„Zu großzügig!“ hörte ich mich sagen, „dies Geschenk kann ich nicht annehmen!“ Soweit kommt das noch, dass ich den grandiosen Tri- umpf freiwillig aus den Händen gebe! Natürlich hatte mein Gegner nichts anderes erwartet. Ein solch er- bärmliches Eingeständnis von Schwäche ist nichts für mannhafte Golfer.

Karl-Peter Muller

Er umrundete mehrmals seinen Ball, hockte sich hin, ging wieder rum und guckte nochmal. „Hex, hex, hex, geh daneben!“ beschwor meine innere Stimme die edle Kugel des elenden Gleidingers. Endlich schien mein Rivale seinen Stand gefunden zu haben und schob seinen Putter sacht, aber bestimmt, gegen seinen Ball, der sich in idealer Linie in Richtung Loch auf den Weg machte. Und dann, plötzlich, passierte das Unfassbare: Kurz vor dem Loch bog der Ball

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leicht nach links, drehte noch eine halbe Runde an der Lochkante und nahm wieder auf dem Grün Platz. Daneben. Mein Herz hüpfte und gleichzeitig rang ich mir ein mitfühlendes „Das war aber Pech!“ ab. Das wusste mein Feind selber, auch ohne meine dämlichen Kommentare. Schmallippig presste er einige Worte her- aus, bei denen man froh sein konnte, dass keine Kinder in der Nähe waren. Aber noch war nichts gewonnen, nichts. Ich musste meinen erst mal versenken. Mir ist dieses Rumtänzeln lästig, zumal meine Knie das Hinhocken ohnehin nicht mehr mitmachen. Und die Erfahrung zeigt, dass ich mit oder ohne Tänzeln ähnlich kläglich putte. Aber diesmal nicht. Diesmal nicht!! Ich ging zügig auf den Ball zu und schob die Kugel beherzt in Richtung Loch. Ich schloss die Augen und ließ das wunderbar klackende Geräusch auf dem Boden des Loches in meinen Ohren wirken. „Aus, aus, aus!“ hörte ich Herbert Zimmermann in meinem Hirn ru- fen, „das Spiel ist aus! Bad Salzdetfurth Dritte Senioren ist Weltmeis- ter!“ Mein Widersacher aus Gleidingen hob frustriert seinen bedeutungs- los gewordenen Ball auf und ließ meine tröstenden Worte tapfer über sich ergehen. Was für ein grandioser Sieg, welch ein Triumpf, der auch dadurch nicht geschmälert wurde, dass wir das Spiel gegen Gleidingen Dritte Senioren doch noch mit 2 : 4 verloren haben.

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Mein Golfschwung

Karl-Peter Muller

Ich gebe zu, mein Golfschwung hat ein schwieriges Leben hinter sich. Was ich dem alles angetan habe! Kein Wunder, dass er stur, unbere- chenbar und bockig geworden ist wie ein verzogenes Gör. Dabei stand am Anfang ein unberührter Naturschwung, locker, flo- ckig, optimistisch, freilich mit einer bescheidenen Trefferfolge: Schlecht, schlecht, mittel, geht so, daneben! Der Golf-Pro erklärte: „,Learning by doing‘ geht beim Golf gar nicht! Nur ich weiß den Weg ins Licht!“

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Seine Anweisungen brachten in der Tat einige Lichtblicke hervor, mehr aber auch nicht. Mein Golfschwung blieb unstet und leistungs- unwillig. Na warte, dachte ich! Dann beging ich einen folgenschweren Fehler: Teils aus Geiz, teils aus Überheblichkeit begann ich meinen eigenen Weg zum Golfschwung gehen zu wollen. Als Erstes gedachte ich, meiner bockigen Bewegung mit einschlägiger Golfliteratur zu Leibe zu rücken. Verblüfft stellte ich dabei fest, dass ein schwunghafter Handel mit Golfliteratur betrieben wurde und der vermaledeite Schwung eine vielfältige Schwungerklä- rungsindustrie in Schwung hielt. Ich kaufte mir also Schwungerklärungsbücher. Nur das Teuerste war mir für einen perfekten Schwung gut genug! Nun hieß es lesen! Zunächst machte man mir Mut: Nur etwa 400 von 650 Muskeln in unserem Körper seien am Golfschwung beteiligt. Das ging ja. Auf der Driving Range hatte ich freilich das Gefühl, ausgerechnet jene 250 Muskeln zum Schwingen zu bringen, die eigentlich mit dem Schwung nichts zu tun hatten. Herausgekommen war kein Schwung, sondern eher eine Schwungstemme, die mir aus leidvollen Erfahrungen in Turnstunden der Schulzeit noch in Erinnerung war. Nun begann die Phase, in der ich mich auf Teile meines Bewegungs- ablaufes zu konzentrieren begann. Ich befahl mir, den Ball anzuse- hen. Die dafür zuständigen zwölf Muskeln (oder sind es 25??) erhiel- ten den Befehl, sich auf die Kugel da unten zu konzentrieren und wurden bei der Ausführung einer strengen Überwachung unterzo- gen. Ich starrte den Ball an, durchbohrte ihn mit Blicken. Ich schien die Hartgummipille in Hypnose versetzt zu haben, aus der sie jäh erwachte, als das metallische Klacken des Schlägers sie weckte. Der Ball entschwand aus meinem Blick, der immer noch starr auf das

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Abschlag-Grün gerichtet war, und ich sah fassungslos in die braune Kuhle, die mein Driver in das satte Grün gerissen hatte. Das Tee war auch weg. Wo es hingeflogen war, wusste ich nicht, ich hatte ja nach unten gestiert. Der Schläger war bei der Ausholbewegung aus dem Ruder gelaufen. 370 Muskeln, die ich ein wenig aus den Augen verloren hatte, hatten die Gelegenheit genutzt zu machen, was sie wollten. Das war es also auch nicht. Allerdings bin ich nicht der Typ, der sich schnell entmutigen lässt. Ich suchte nach einem neuen Weg, wie ich meinem immer störrischer werdenden Schwung beikommen könnte. Am vielversprechendsten erschien mir dabei die Biomechanik. Nach Ben Hogan müsse man dabei nur die Hauptfunktionsphasen zu einer Gesamtbewegung ad- dieren. Aha, das ist doch simpel. Als erstes las ich mich schlau, was denn unter den Hauptfunktions- phasen zu verstehen sei. Gerade als ich mit dem Addieren beginnen wollte, erklärte man mir, die Methode sei schon wieder veraltet: „Bei der moderneren Free-Release-Methode wird die Verschiebung des hypermobilen Körperschwerpunktes reduziert und die auftretenden Kräfte werden um den Körper herumgeleitet.“ Na also, ist ja noch einfacher. Ich teilte diesen Plan meinem Schwung mit der Bitte mit, sich daran zu halten. Der freilich machte auf be- griffsstutzig und brachte Bewegungen zustande,

die mich daran zweifeln ließen, ob ich überhaupt einen Körper- schwerpunkt habe. Aber ich bin ja hypermobil und sah mich nach einer neuen Lehrme- thode um.

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Ich wurde schnell fündig: Rhythmus ist alles! Es käme vor allem da- rauf an, die Balance, die Koordination und die Beweglichkeit zu ver- bessern. Ich sollte es doch mal mit Tanzen und Ballett-Übungen zu Musik versuchen. Aha! Nun bin ich von Hause aus ein jämmerlicher Tänzer, findet auch mei- ne Frau. Ich hätte kein Rhythmusgefühl und Taktgefühl hätte ich schon gar nicht. Ich beschloss deshalb kurzfristig, meinem Körper, der nicht mal mit einem Tango klarkommt, diese Lehrmethode zu ersparen. Den Durchbruch erhoffte ich mir vom mentalen Ansatz. Besonders leuchtete mir die bahnbrechende Erkenntnis ein: „Konzentration im Golf ist wichtig. Zu viel oder zu wenig davon kann aber auch kontra- produktiv sein.“ Na also, das war’s doch. Einfach nicht mehr denken, sondern nur noch sehen, fühlen und hören. Leider zeigten sich bei der Umsetzung dieser Methode gewisse Schwächen. Mein Gehirn tobte, als ich ihm mitteilte, es solle nicht mehr arbeiten, jedenfalls beim Golf. Es habe ohnehin schon so wenig zu tun und solle sich nun auch noch beim Golf raushalten. Wo es doch gerade da sich so gerne seine Gedanken mache. Käme gar nicht infrage, und wo solle das denn hinführen. Der Praxistest wurde deshalb auch nur bedingt ein Erfolg: Mein Hirn sinnierte weiter unverdrossen über alles Mögliche, aber ich konnte gut sehen, fühlen und hören! Ich sah, wie sich der Ball schnell von der Ideallinie entfernte, fühlte Wut und Entsetzen in mir und hörte in der Ferne den Aufprall des Balles an diversen Baumstämmen. Immer neue bahnbrechende Hilfen wurden mir angeboten: „Stellen Sie sich vor, dass sich ihr Unterkörper und die Hüften innerhalb eines Weinfasses drehen…“

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Der Gedanke gefiel mir, rotweingeschwängert meinen Hintern im Kreis zu bewegen. (Zur Not geht wohl auch Weißwein.) Der Einfluss dieser Methode auf meinen Golfschwung blieb allerdings überschau- bar. Wahrscheinlich heißen all diese Methoden „bahnbrechend“, weil man sie nach einer Bahn schon wieder abbricht. Ich hatte mich inzwischen zu einem guten Analytiker entwickelt: Ich wusste zwar nicht, wie es richtig geht, aber ich wusste immer, was ich falsch gemacht hatte. Dauernd bastelte ich bemüht an meiner Bewegung herum. In meinem Hirn hatte ich ein paar graue Zellen abgeordnet, um ein Glossar für meine Handlungsanweisungen zu erstellen. Auf diese Weise sollte Ordnung in meine Bewegungsabläu- fe gebracht werden. Dieses Glossar war inzwischen zu einem 20- seitigen Kompendium angewachsen, kleine Schrift. Und dann tat ich den entscheidenden Schritt: Ich warf das 20-seitige Kompendium in meinem Hirn in den Müll. Ich bin schließlich ein klei- ner Golfer und werde immer ein kleiner Golfer bleiben und niemals „großes Golf“ spielen. Das Ding, das fabriziert werden soll, heißt Schwung und nicht „Denk- an-dies-und-das-Bewegung“. Schwung. Was für ein schönes, schwungvolles Wort. So soll es in Zukunft laufen. Beschwingt fahre ich auf den Golfplatz hoch und gehe schwungvoll in das Turnier. Dort schwinge ich mich zu guten und oder weniger guten Schwüngen auf und lasse mich auf den Schwingen meiner Freude in immer größere Höhen tragen. Gleichzeitig bringe ich mit meiner guten Laune unseren gesamten Flight in Schwung.

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Golffreundinnen und Golffreunde! Verabschiedet Euch von dem dauernden „Denk-an dies-und-das- Desaster“, das uns die wertvollen Tage unseres Golferdaseins ver- miest. Dann liegt Swing-Musik in der Luft und wir haben den richti- gen Schwung, auch wenn der Ball manchmal wild durch die Gegend fliegt! Oder setzt Euch einfach auf eine Bank und träumt vom perfekten Golfschwung…

Renate Lehnstaedt

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Der Golf-Virus

Christel Donner

Zu den Infektionskrankheiten, die in letzter Zeit immer ärger um sich greifen, gehört die Ansteckung mit dem Golf-Virus. Beim ersten Auf- tauchen dieses Virus in der Geschichte der Menschheit waren zu- nächst nur Männer befallen (no dogs, no women), aber in neuerer Zeit sind nur Hunde davor geschützt. Menschen aller Altersklassen, aber besonders ältere Leute werden von dem Erreger befallen. Die Krankheit macht selbst vor künstlichen Hüften und Knien, vor Arthritis und Hepatitis nicht Halt. Vermehrt werden Leute angesteckt, bei denen es zu intensiver sportlicher Be- tätigung nicht mehr reicht und denen sonst nur noch Schwimmen oder Schach geblieben wäre.

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Ist man einmal von dem Virus infiziert, geht es einem wie mit einem Ferien-Apartment auf Mallorca: Man wird ihn nicht mehr los. Die Inkubationszeit ist unterschiedlich. Manche sind dem Erreger schon nach einmaliger Berührung verfallen, bei anderen bricht das Leiden erst nach längerer Anlaufzeit aus. Die Symptome der Krankheit sind erschreckend: Honorige Menschen hintergehen ihre Ehepartner, nur um zwei bis sechs Stunden ihrer Sucht auf den Golfbahnen zu frönen. Besonnene Rentner, die ohne- hin keine müde Mark mehr auf der Tasche haben, verfallen in einen wahren Kaufrausch und schaffen sich den neusten Driver an, mit dem sie dann noch weniger treffen als mit dem alten. Betuchte Damen, die sich früher einen Lover hielten, halten sich jetzt einen Golflehrer. Zu den besonders tragischen Krankheitssymptomen gehört die Vor- stellung, irgendwann einen tadellosen Golfschwung zu fabrizieren. Diese Verbissenheit führt zwangsläufig zu seelischen Schlappen, ab- genutzten Gelenken und hemmungslosen Selbstbeschimpfungen. Ca. 95 Prozent der Infizierten können als psychisch labil gelten. Schlaflose Nächte vor dem Turnier, Schweißausbrüche vor dem ers- ten Abschlag und Wutanfälle auf dem Grün gehören zum allgemei- nen Krankheitsbild. Sind beide Ehepartner angesteckt, führen ge- meinsame Auftritte zu einer frappierenden Verschärfung der Symp- tome. In kleinen Horden ziehen also diese Leidenden, die sich Golfer nen- nen, mit Schlägern bewaffnet durch eine tadellos gepflegte Land- schaft. Selten einen Blick für die wunderschöne Natur verschwen- dend prügeln sie auf unschuldige, kleine Bälle ein und bezichtigen sich gegenseitig des Schummelns und/oder falschen Zählens. Thera-

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peutische Ansätze, Erkrankte vom Golfvirus zu heilen, gelten bisher als gescheitert. Trotzdem wünsche ich Euch:

Gute Besserung

Renate Lehnstaedt

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Mentalmäßig

Arno Bruse (Arpitam)

Mentalmäßig sah es bei mir früher saumäßig aus. Ich stand mir selbst im Wege. Meine Nerven eröffneten mir höhnisch, sie seien die un- eingeschränkten Herrscher über mein Handicap. Vor dem Turnier war ich aufgeregt, als ob es um etwas ginge! Bei den Abschlägen ging so gut wie gar nichts, und die Putts gingen einfach nur daneben. Ich ging schnell in die Luft, und am Ende ging ich sang und klanglos unter. So ging das nicht weiter! Es musste was passieren! Andere kriegen doch ihre Nerven auch in den Griff! Zufällig las ich von Bubba Watson, er sei überzeugter Christ. Viel- leicht war es das: Mir fehlt das Gottvertrauen!

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Also beschloss ich vor dem nächsten Turnier eine Kirche aufzusu- chen. Die haben ja Gott sei Dank bei den Gottesdiensten auch frühe Abschlagzeiten. In aller Herrgottsfrühe suchte ich voller Demut die harten Kirchenbänke auf, was meinem Rücken gar nicht gut tat. Ich flehte mit Inbrunst um höheren Beistand durch den Schutzpatron der Golfer, durch St. Andrews. Im anschließenden Turnier musste ich allerdings verbittert feststel- len, dass ich kein Gehör gefunden hatte. Vermutlich hatte der liebe Gott die Halbherzigkeit meines Besuches durchschaut und St. Andrews verboten, mich zu betreuen, oder dieser selbst sah nicht ein, sich für einen besseren Score missbrauchen zu lassen. Vielleicht hatte er aber auch die geringen Erfolgsaussichten seiner Bemühun- gen erkannt und von vornherein jede Hilfe versagt. Ich musste neue Wege suchen und sie am besten auch noch finden. Wie wäre es eigentlich mit Alkohol? Ein paar Whiskeys vor und wäh- rend der Runde machen einen unaufgeregt und freudvoll. Dazu viel- leicht noch eine dicke Zigarre zur Abrundung. American Dream. Yes I can, yes I can! Allerdings erwies der Probelauf nur eine bedingte Tauglichkeit die- ses Ansatzes: Ich war entspannt und fröhlich, und auch die Zigarre bekam mir überraschend gut! Leider spielte ich aber nur eine 124-er Runde, das ist selbst für meine Verhältnisse ein eher dürftiges Ergeb- nis. Außerdem verliert das 19. Loch an Reiz, wenn man schon am 18. Loch voll ist. Das war es also auch nicht. Na gut, dann eben mal in der Golfzeitung nachgucken, was die so anbieten. Ich bin ja wohl in Deutschland nicht der einzige Golfer, der die Flatter kriegt, sowie er die Driving Range verlässt.

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Ich wurde schnell fündig. Pausenlos machen diese Blätter Anstalten, unsere Nerven zu heilen. Erster heißer Tipp: Ich sollte beim Schlagen singen. Als Melodie wurde „An der schönen blauen Donau“ vorge- schlagen. (Im Ernst!) Leider bin ich von Geburt an schwer mit Unmu- sikalität geschlagen. Mein Singen ist noch kümmerlicher als mein Putten. Gleichwohl unternahm ich bei einer Montagmorgenrunde mit Freund Uli einen Versuch mit der Abschlags-Gesangs-Methode und summte vor mich hin. Vielleicht sollte ich noch erwähnen, Uli ist ein guter Golfer und Musikkenner.

Christel Donner

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„Warum summst du denn beim Abschlag neuerdings: ,Oh Tannen- baum‘?“ wollte Kumpel Uli wissen. „Das war: „An der schönen blauen Donau!“ „So????!“ Der Abschlag war dann in der Tat auch mehr „Tannenbaum“ als „Do- nau“: Der Ball verabschiedete sich in den Wald zu den Tannen. Dann schlug Uli ab ohne zu summen, und wie immer wurde eine wunder- schöne, weite „Donauwelle“ draus! Drum singe nur, wem Gesang gegeben.

Aber es waren ja noch mehr getippte Tipps da, um meine Nerven zu mäßigen. Sehr vielversprechend erschien mir dabei das „Augentur- nen“. Meine Angetraute wirft mir ohnehin vor, ich würde mit meinen Au- gen überall rumturnen. Es gibt ja auch viele lohnenswerte Objekte, auf denen man mit den Augen gerne mal rumturnt.

Nun durfte ich offiziell Augenturnen! Allein schon der Begriff ist eine Augenweide und augenscheinlich beruhigt Augenturnen vor dem Golfschlag. Dazu sollte ich mir zwei Fixpunkte wählen und mit den Augen hin und her wandern. Machte keine Mühe. Dann befahl ich den Augen: „Schluss jetzt mit dem Rumgeturne. Fo- kussiert Euch auf den Ball!“ Die Augen turnten munter weiter. Der Ball turnte mit, turnusmäßig ins Aus! Als Sammelplatz fürs Augen-Turnen? In meinem Falle? Taugen Urnen!

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Nun bin ich ja nicht der Typ, der sich unterkriegen lässt. Also fasste ich als nächstes die angepriesene Butterfly-Methode ins Auge: „Klop- fen oder tippen Sie sich selbst mit überkreuzten Armen mehrfach abwechselnd rechts und links z.B. auf die Ellenbogen.“ Vorsorglich wurde darauf hingewiesen, man solle „Butterfly“ mög- lichst unauffällig machen: „...während Sie beispielsweise warten, bis Ihre Flight-Partner abgeschlagen haben.“ Ich probierte es aus: Statt mich zu beruhigen, kam neuer Stress hinzu durch die Sorge, für nicht ganz dicht gehalten zu werden. Es war zum Verzweifeln: Auch mit Methode „Butterfly“ Kam ich nicht meiner Flatter bei! Eine unauffälligere Vorgehensweise musste her, um meinen emotio- nal-mentalen Zustand zu meistern. Ich fand auch schnell einen neuen Vorschlag: Ich sollte auf dem Hinweg zum Golfplatz WingWave-Musik hören. WingWave? Nie gehört! Ich musste mich erst mal schlau ma- chen und googlete erfolgreich: „Für das Selbst-Coaching über den auditiven Sinneskanal wurde spe- zielle WingWave-Musik entwickelt.“ 30 € eine DVD! Zweiter Vorschlag im Internet mit motivierendem Kaufanreiz: „.. WingWave: Vom limitierenden Glaubenssatz zum ressourcevollen Belief!“ Auch 30 €. Nun gut, 30 € sind nicht allzu ressourcevoll für das Ende meiner Flat- terei, aber es fehlte mir einfach an „Belief“. Mal sehen, was mir in der nächsten Ausgabe der Golfzeitung an Er- lösung von meinen mentalen Mängeln angeboten wird. Bis dahin werde ich weiter vor dem Spiel nervös sein, genervt um Ruhe beim Abschlag bitten und meine Nerven beim Bunkerschlag

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nicht im Griff haben. Bis dahin wird mir ein muffliger Mitspieler wei- ter auf die Nerven gehen, ich werde beim Putten Nerven zeigen und die Nerven verlieren, wenn die Kugel an der Lochkante vorbei trul- lert. Kurzum: Bis dahin werde ich weiter wurschteln, zittern, fluchen und suchen – und irgendwie gehört das doch beim Golf dazu, o- der???

Karl-Peter Muller

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Strafschläge

„Vierer-Flight“

Susanne Blank

Ich golfe nur zum Vergnügen. Der Sinn des Spieles besteht für mich darin, den Ball vom Abschlag mit möglichst wenigen Schlägen ins Loch zu bringen und zwischendurch möglichst viel Spaß zu haben.

Ich weiß, es gibt welche, die wollen während der Runde Geschäfte machen; es gibt welche, für die der Sinn des Spieles darin besteht, das Handicap zu verbessern; und es gibt welche, deren Ziel es ist, auf irgendeinem kleinen Foto in irgendeiner kleinen Golfzeitung zu sehen zu sein.

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Und es gibt welche wie meinen Golffreund Gottfried. Gottfried ist Jurist, ein ehemaliger Richter. Er glaubt insgeheim, dass damals auf dem Berg Sinai nicht nur die Zehn Gebote übergeben wurden, son- dern der liebe Gott in weiser Voraussicht auch gleich die Golfregeln übergeben hat, um deren Unantastbarkeit Nachdruck zu verleihen. Deswegen grenzt es für Gottfried nahezu an Blasphemie, wenn ge- gen die Golf-Regeln verstoßen wird. Für ihn besteht der Sinn des Spiels darin, das Regelwerk zu kennen und einzuhalten. Ich gebe zu, ich habe in den Anfängen meines Golferdaseins alles ein wenig lax gesehen, bis ich eines Tages auf Gottfried gestoßen bin und von ihm eine Lektion gelernt habe. Ich war schon ein wenig fortgeschritten, als ich mich in das erste Anfängerturnier traute. Man hatte einen erfahrenen Golfer damit betraut, mich zu betreuen. Ein stattlicher, älterer Herr, vielleicht Mit- te 70, grauhaarig, fast majestätisch. Er kam offen und freundlich auf mich zu, gab mir die Hand und sagte: „Ich bin Gottfried; ich bin ihr Zähler!“ Ich war verschüchtert und traute mich nicht, ihm das „Du“ anzubie- ten, nicht mal das Tagesdu! Die anderen Greenhorns hatten mir vor der Runde gesteckt, bei meinem Partner handele es sich um einen ehemaligen Richter. Ich erinnere mich noch genau an jenen schönen, sonnigen Sommer- tag, wie geschaffen für gelungenes Golf. Ich wollte mein Handicap verbessern. Es war hoch und eine Verbesserung dringend geboten. Der Richter nahm mich freundlich unter seine Fittiche, gab mir Tipps, ermunterte mich bei Fehlschlägen und mahnte die Einhaltung der Etikette an. Bis zur Bahn Fünf ging alles glatt.

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Ich hatte geschätzte zehn Netto- Punkte gesammelt und sah den nächsten Bahnen mit freudiger Erwartung entgegen. Dann passierte es auf der sechsten Bahn: Ich hatte meinen Ball auf das Grün plat- ziert, war als erster mit dem Putten dran und schob die weiße Kugel in Richtung Fahne, unglücklicherweise vorbei. „Das sind leider zwei Strafschläge“, kommentierte mein Richter gna- denlos. „Warum denn das?“ fragte ich, des Regelwerkes noch nicht ganz mächtig, „weil ich das Loch nicht getroffen habe?“ „Nein, Sie haben die Fahne nicht aus dem Loch genommen.“ Ich haderte mit meinem Schicksal und versuchte es mit einer Notlü- ge: „Habe ich nicht gewusst, dass man dafür bestraft wird!“ „Die Regeln sollte man schon kennen“, beharrte mein Meister und fuhr fort: „Dafür bin ich ja da, damit Sie alles lernen!“ Ich modifizierte meine Argumentation: „Na ja, eigentlich kenne ich die Regel schon, aber ich habe einfach nicht dran gedacht.“ „Das hilft Ihnen auch nicht weiter!“ „Können Sie nicht mal Gnade vor Recht ergehen lassen!“ bettelte ich und heuchelte Reue. „Das liegt leider nicht in meiner Hand. Und das Regelwerk kennt kei- ne Gnade!“ Er setzte einen strengen Blick auf und fuhr fort: „Sehen Sie, es gibt manchmal strittige Situationen, in denen die Spieler nach gesundem Menschenverstand so entscheiden sollten, dass das Spiel nicht ver- fälscht wird. Aber hier ist das leider ein eindeutiger Regelverstoß!“ Nun gut, das mit dem Regelverstoß ließ sich nicht leugnen. Also un- ternahm ich einen letzten Versuch, meinen Scharfrichter gnädig zu

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stimmen: „Was ist, wenn man mildernde Umstände geltend machen kann?“ „Was denn für mildernde Umstände??“ „Dass ich vorhin zum Mutmachen drei Glas Sekt in mich hinein ge- schüttet habe und angetrunken bin.“ „Wenn wir Trunkenheit am Schläger als mildernden Umstand gelten lassen würden, kämen wir bald ganz ohne Strafschläge aus!“

Renate Lehnstaedt

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Das leuchtete mir ein, und ich versuchte es auf anderem Wege: „Was wäre, wenn ich auf meine schwierige Jugend verweisen wür- de!“ „Die hatten wir alle!“ „Wenn ich einen Migrationshintergrund vorzuweisen hätte?“ „Im Gerichtssaal kämen sie damit durch, hier nicht!!“ Inzwischen hatten wir einen Flight durchspielen lassen, der keine Neigung zeigte, sich an unserer Regeldiskussion zu beteiligen. „Sehen sie“, sagte mein freundlich unbeugsamer Mitspieler, „der Sinn des Regelwerkes ist es, Recht und Ordnung zu schaffen. Alle werden gleich behandelt, und es gibt keine mildernden Umstände und keine Bewährung. Schauen Sie sich das richtige Leben an, wohin das alles geführt hat! Wir haben das Rechtsbewusstsein ausgehöhlt und was noch schlimmer ist, wir haben das Unrechtsbewusstsein ausgehöhlt. Wenn man einen betrunken totschlägt, ist das nicht so schlimm, als wenn man einen nüchtern totschlagen würde. Und wenn man dann auch noch eine schlimme Jugend und Migrationshin- tergrund nachweisen könnte…“ Er sprach nicht weiter, weil man sich den Rest ohnehin denken konn- te. „Sehen Sie,“ sagte er freundlich und bestimmt, „ich liebe das Golf- spiel unter anderem deswegen, weil es so eine feste und unerschüt- terliche Ordnung hat!“

Ich gebe zu, ich hatte auf Nachsicht gehofft und zog mit leichter Ver- bitterung zum nächsten Loch. Prompt legte meine Konzentration eine Ruhepause ein, und ich hieb die Kugel irgendwo hinten ins Ge- büsch.

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Wutentbrannt wollte ich mich auf den Weg machen, als mein Lehr- meister mahnte: „Spielen Sie für alle Fälle einen provisorischen Ball!“ Natürlich kam der zweite einigermaßen ins Ziel und natürlich fanden wir den ersten nicht mehr. Wieder ein Strafschlag. Zwei Bahnen später: Mein Ball war nach dem Schlag bedenklich in die Nähe der weißen Pfähle gerollt. Wir stapften schweigsam auf die Seitenbegrenzung zu. Der oberste Richter schaute sich nüchtern den Sachverhalt an und stellte emoti- onslos fest: „Der Ball ist einwandfrei im Aus!“ Das sah ich selber, aber es waren doch nur zwanzig Zentimeter. Höchstens. Trotzdem war das Urteil erbarmungslos: „Tut mir Leid, ein Strafschlag!“ Am letzten Loch sammelte ich noch zwei weitere Strafschläge ein, weil ich meinen Schläger im Bunker aufgesetzt hatte – ich nahm die Sanktion gelassen hin. Ich hatte meine Lektion gelernt. Ich bettelte nicht um Gnade, ich bejammerte nicht meine Vergesslichkeit und ersparte mir und meinem Meister die Schwäche, verhandeln zu wol- len. Mannhaft und ohne Groll nahm ich die zwei Strafschläge in Kauf. Am Ende war es wieder nix geworden mit einer Verbesserung meines Scores, aber die Punkte, die ich erworben hatte, waren ehrlich ver- dient und machten mich stolz. Seit jener Runde mit dem Richter a. D. bin ich ein überzeugter Anhä- nger des Regelwerkes. Gottfried und ich sind längst gut befreundet und duzen uns. Aber trotzdem drückt er kein Auge zu, wenn wir mit- einander spielen…

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Von wegen Turniersieg!

Arno Bruse (Arpitam)

Ich gebe zu, ich habe vom Turniersieg geträumt. Ich bin ein normaler Golfspieler, und jeder normale Golfspieler träumt von Turniersiegen. Dieser Traum basiert in den seltensten Fällen auf einer realistischen Einschätzung der eigenen Qualitäten. Aber das ist unerheblich. Es ist ja schließlich ein Traum, und träumen wird man wohl noch dürfen. Immerhin hatte ich im eigenen Golfklub die Qualifikation für das große Endturnier erfolgreich gestaltet, sodass ich nun ein bisschen weiter wegfahren durfte, um mich mit Golfern aus ganz Deutschland zu messen. Das ist in etwa so, als ob sich Hannover 96 urplötzlich in der Champions League wiederfände.

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Gleichwohl war meine Anreise getragen von einer freudigen Erwar- tungshaltung. Mein Eheweib, ohnehin den Tatsachen nüchterner ins Auge sehend und bescheidener, wollte einfach nur mitspielen. Ich wollte gewinnen. Da wir einen Tag vor dem großen Turniere anreisten, hatte ich noch Zeit, am späten Nachmittag auf der Driving Range meinen Mit- und Gegenspielern meine Künste zu demonstrieren. Ich bildete mir ein, dass mein vollendeter Schwung und die Präzision meiner Schläge meine Nachbarn auf den anderen Abschlagmatten tief beeindruck- ten. Anschließend begab ich mich auf eine Proberunde, um den Golf- bahnen schon mal einen Vorgeschmack zu geben, wie ich sie am anderen Tag zu bezwingen dachte. Beim Abendessen wähnte ich mich im Mittelpunkt der Hochachtung durch meine rund 100 Mitspielerinnen und Mitspieler, einzig meine Angetraute schien auszuscheren und behandelte mich wie immer. So mit dem zukünftigen Turniersieger umzugehen fand ich nicht in Ord- nung. Nach dem Abendessen war gemütliches Beisammensein angesagt, und ich wurde nach dem vierten Bier besonders gemütlich. Zudem hielt ich es für sinnvoll, meinen am anderen Tage zu erwartenden Flüssigkeitsverlust frühzeitig auszugleichen und ein entsprechendes Depot anzulegen. Die Nacht wurde bestimmt von einem tiefen und festen Schlaf, begleitet von lautem Schnarchen, um die Bären des Bayrischen Waldes zu verjagen, wie meine Frau am anderen Morgen empört feststellte. Im Übrigen sei das immer so, wenn ich angetrun- ken zu Bett ginge. Die sogenannte Vorstartphase vor dem großen Turnier war bei mir geprägt von einer gewissen Orientierungslosigkeit. Ich verlegte in

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einem kurzen Moment der Unaufmerksamkeit meine Scorekarte und verbrachte die Zeit, in der ich sonst auf der Driving Range gelungene Schläge probte, damit, die vermaledeite Karte zu suchen. Als ich sie endlich gefunden hatte, wurde es Zeit, zur Bahn 14 aufzubrechen. Es war Kanonenabschlag, und mich, den zukünftigen Turniersieger, hat- te man rücksichtslos an das Ende des Golfplatzes verbannt.

Eine gewisse Erschöpfung ließ sich nicht verhehlen, als ich endlich auf dem Abschlag der Vierzehn stand. Jetzt ja keine Schwäche zeigen. Ich hatte mir für dieses Turnier extra drei Pro V1 Bälle besorgt, Stück vierfuffzig, um meine Mitspieler schon durch die Ausrüstung einzu- schüchtern. Mit einem eindrucksvollen Abschlag über den leicht rechts liegenden Teich wollte ich meine Anwartschaft demonstrie- ren. Zu meinem Entsetzen plumpsten die ersten Vierfuffzig in das Gewässer, und schließlich musste ich einen Strich bei dieser Bahn hinnehmen, obwohl ich noch gut 50 Meter vom Loch entfernt war. Dieser Beginn hatte nicht unbedingt meinen Vorstellungen entspro- chen, und ich gedachte, diesen kleinen Rückschlag durch fabelhafte Schläge auf der restlichen Runde auszugleichen. Unglücklicherweise verkrümelte sich der Abschlag auf der nächsten Bahn in einem dichten Gestrüpp rechts der Bahn, und ich war bereits zwei Bälle los, bevor das Spiel richtig angefangen hatte. Man wird verstehen, dass ein gewisser Groll in mir hoch stieg. Da meine Frau in einem anderen Flight spielte, hatte ich noch nicht mal die Möglich- keit, sie dafür verantwortlich zu machen.

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Renate Lehnstaedt

Zwei Striche am Beginn des Turnieres, wie sollte ich das wieder auf- holen? Es blieb nur eine Chance. Ab dem nächsten Loch musste ich mich wie Phönix aus der Asche zu einer Ryder-Cup tauglichen Leis- tung aufschwingen. Was keiner für möglich gehalten hatte, außer mir natürlich, der Ab- schlag war begnadet und landete mitten auf dem Fairway. Was keiner für möglich gehalten hatte und ich am allerwenigsten: Der zweite Schlag wurde zu einem Desaster. Mein schöner ProV1 suchte das Rough auf und war nicht mehr aufzufinden. Von nun an spielte ich wieder mit meinen Shamp Nudeln von Aldi und spielte damit auch nicht schlechter als vorher. Leider auch nicht viel besser. So war ich, der designierte Turniersieger, bereits nach dem vierten Loch aus dem Rennen.

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Wie heißt es immer so schön: Ist der Score erst ruiniert, spielt sich‘s gänzlich ungeniert. Nicht mal das gelang mir: Ich genierte mich we- gen meiner Schläge und schlitterte haltlos in den Ruin meines Scores. Am Ende hatte ich ein Ergebnis, das nach einer sofortigen Abreise aus Bayern Richtung Niedersachsen schrie, mit verhüllten Autofens- tern. Und als ob es nicht schon genug der Pein war, hatte meine Frau of- fenbar eine fabelhafte Runde gespielt und tauchte gut gelaunt am Clubhaus auf. Nur knapp hatte sie in ihrer Klasse einen Preis verfehlt, wie sich abends bei der Siegerehrung herausstellte. Ich bekämpfte meine Frustration auf urbayrische Art mit etlichen Halben Litern. Kurzum: Mein Tag war eine einzige Katastrophe gewe- sen – aber in der Nacht hatte ich wieder eine abenteuerliche Bären- jagd.

Claudia Dahmen

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Statistik

Gerti Idzior

Statistiken sind etwas Wunderbares. Mit ihnen kann man sogar be- weisen, dass der Euro stabil ist. Ich bin, jedenfalls statistisch gesehen, inzwischen ein besserer Golf- spieler als Marcel Siem. Laut Statistik landen seine Drives zu 50,57 Prozent auf dem Fairway. Las ich in der GOLF TIME. Meine Abschläge landen dagegen nach eigener Einschätzung zu 62,14 Prozent auf dem Fairway, sofern es meine Bälle über den Damenabschlag schaffen. Dass bei Marcel die Abschläge erst bei 270 Meter runterkommen, meine dagegen bei 102 Metern, wenn ich den Ball voll treffe, ist in diesem Zusammenhang unwichtig. Fairway getroffen ist Fairway getroffen.

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Statistiken sind etwas Großartiges. Mit ihnen kann man beweisen, dass Auricher besser Auto fahren als Augsburger und umgekehrt. Ich jedenfalls treffe, statistisch gesehen, auch das Grün häufiger als Marcel. In der GOLF TIME las ich die Lobeshymne über einen unserer wenigen Vorzeigeprofis: „Waren es von 2005 – 2011 immer um die zwölf getroffene Grüns, so sind es 2012 gut 13!“ Lächerlich, ich treffe 16 Grüns. Kritiker werden jetzt räsonieren, ich schlüge vom Vorgrün auf das Grün, er von 120 Metern. Und Marcel hat dann zwei Putts zum Par, ich nur noch einen Putt, um einen Strich zu vermeiden, aber das sind kleinliche Einwände. Die Trefferquote des Grüns spricht eindeutig für mich. Und schließlich: „Im Verhältnis zu den vorangegangenen Jahren hatte er sich in 2012 um insgesamt 1,2 Schläge pro Runde verbessert. Und das konstant, ohne größere Ausreißer. Auf der European Tour ma- chen diese Werte Welten aus.“ (GOLF TIME 3-2012, S.96) Respekt, aber was ist das schon gegen meine Verbesserung um 3 Schläge von 102 auf 99! Kurzum, ich bin begeistert von den vielen aufschlussreichen Statisti- ken in unserem Golfsport. Da lässt sich ablesen, dass ich Rang 147 von 787 Erstmitgliedern mit Spielrecht in meinem Hei- matclub innehabe: „18,55% der Mitglieder liegen vor Ihnen, 81,45% liegen gleichauf oder hinter Ihnen.“ Na bitte! Und es kommt noch schöner! „Ihr Rang bei den Herren im LGV Niedersachsen/Bremen: Rang 8.131 von 44.392. 18,31% der männlichen LGV-Mitglieder aus

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Online-Clubs liegen vor Ihnen, 81,69% liegen gleichauf oder hinter Ihnen.“ Daraus lässt sich wiederum ablesen, dass in meinem Heimatclub 0,24 Prozent mehr männliche Mitglieder vor mir liegen als in ganz Nieder- sachsen, was bedeutet, dass wir in Bad Salzdetfurth um 0,24 Prozent besser spielen als im Land! So was gehört doch ans Schwarze Brett! Statistisch gesehen bin ich sogar eine nationale Größe: „Ihr Rang in Deutschland: 107.209 von 611.871 Erstmitgliedern mit Spielrecht aus Online-Clubs. 17,52% der Mitglieder aus Online-Clubs liegen vor Ihnen, 82,48% liegen gleichauf oder hinter Ihnen.“ Grandios! Nur 107.208 Golfer in Deutschland spielen besser als ich. Vielleicht ist ja inzwischen einer gestorben und es sind nur noch 107.207!

Peter Miesler

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Von noch größerem Interesse sind für mich die statistischen Berech- nungen bei der Qualität des Materials in den Golfzeitungen! So was muss man doch wissen, dass bei den Schlägerschäften

der Fujikura Blur 60 (S) bei einer Schwunggeschwindig- keit von 145 km/h einen Landewinkel von 34,1 Grad hat,

während der Matrix Ozik Xcon – 5 (S) einen Landewinkel von 34,5 Grad hat

und dass der Fujikura Blur 60 (S) 3194 Umdrehungen pro Minute macht,

ein Matrix Ozik Xcon – 5 (S) macht dagegen 3372 Um- drehungen pro Minute.

Was mich allerdings wundert, dass Bälle neuerdings eine Minute in der Luft sein können, während meine immer schon nach 5 Sekunden wieder unten sind! Übrigens schneidet der Fujikura Blur 60 (S) bei der „Ball Speed“ deut- lich besser ab als der Matrix Ozik Xcon – 5 (S): Er macht 212,0 Km/h, letzterer nur 211,9 km/h. Für diese 0,1 Kilometerstunde lohnt es sich doch nun wirklich, sich durch drei Seiten Statistik durchzufressen, oder??

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Damen und Herren nach dem Turnier

Claudia Brigitte Weis

Anthropologen behaupten, wir würden immer noch in den Höhlen der Steinzeit hocken, jedenfalls, was unsere Verhaltensweisen an- geht. Ich bin ein Anhänger dieser Theorie. Eigentlich haben wir nur die Assecoires ausgetauscht. An die Stelle der Keule ist bei uns Gol- fern der Driver getreten. Und wann ist ein Mann ein richtiger Mann? Wenn er mit dem Driver die dicksten Divots dreschen kann! Dann! Immer geht es bei uns um „das Treffen“. Früher ging es um das Tref- fen des Mammuts, heute geht es um das Treffen des Tores oder des

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Loches. Und hinterher, nach überstandenem Kampf, geht es um das Übertreffen: „Mein Wildschwein fiel eher!“ „Meines war auch dicker!“ - „Ich hab auf der Sechs einen Siebenmeterputt gespielt!“ „Ich auf der Acht einen Neunmeterputt!“ Fehlschläge werden blumig geschönt. Man muss doch allen erklären, warum man aus einem halben Meter das Mammut, pardon, das Loch nicht getroffen hat. Die Kommunikation bewegt sich ansonsten auf bescheidenem Ni- veau und unterscheidet sich nur unwesentlich von jener, die wir über Hunderttausende von Jahren in den Höhlen gepflegt haben. Wenn wir draußen bei der Jagd gerade dem Tode entronnen waren und in die traute Höhle zurückkamen, hatten wir alles andere im Sinn als jetzt auch noch zu reden.

Die Aufforderung der Angetrauten: „Erzähl doch mal, wie war dein Tag?“ wird mit der Drei-Wort-Strategie abgespeist: „Ein Wildschwein getroffen!“ Unterschlagen wurde selbstverständlich: „Eine Frau getroffen!“ Wenn es hoch kam, wurde noch nachgeschoben: „Wann gibt's Essen?“

Ende der Unterhaltung. An der grundsätzlichen Situation hat sich bis heute wenig geändert: Nach dem Golfturnier sitzen wir wie damals in der Höhle um das Lagerfeuer und warten aufs Essen. Die Themenvielfalt bewegt sich im Sparmodus: Birdies, Börse, Bundesliga!

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Unsere wortkarge, muffige Art mag auch daran liegen, dass wir erst ab dem achten Bier auftauen, aber wer kann sich das heute noch erlauben? Die Zeiten, als wir in jungen Jahren, damals, in den Sechzigern, nach dem 25. Bier langsam im dritten Gang nach Hause fuhren, sind vor- bei. „Ich eine Diestel!“ „Ich einen Kaffee!“ „Ich alkoholfreies Hefe-Weizen.“ „Vielleicht einen Ramazzotti?“ „Danke, muss fahren!“ Wie anders läuft es doch bei einem Golfturnier der Damen. Ich kann mir ein Urteil erlauben, weil ich wegen der Lesungen bei einigen Feiern (als einziger Mann) dabei war. Schon in der Vorbereitung scheint alles anders. Viele helfen mit, die eine bringt Kuchen, die andere Kekse und Servietten, die Dritte spendiert Sekt. Bei den Männerrunden herrscht die Haltung vor:

Peter ist unser Chef, den haben wir gewählt, der hat sich ge- fälligst um alles zu kümmern!

Wenn ich Chef wäre, würde ich mich auch um alles selber kümmern!

Ich habe Startgeld bezahlt, und deswegen darf ich jetzt auch meckern!

Wie herrlich dagegen die Geselligkeit der Damen nach dem Turnier: Einige haben nicht mitgespielt, sie sind nur wegen der Feier gekom-

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men. Kleine Geschenke werden verteilt, man tauscht ein paar Küss- chen. Ein kleines Schwätzchen ist wichtiger als das Siegertreppchen.

Claudia Brigitte Weis

Es wird geklatscht, getratscht, getuschelt. Die Kommunikation dreht sich um Kinder, Küche, Kunst, Kultur. Kaffeeklatsch halt. Der Durst wird mit einigen Weinchen gelöscht. Und bei den Männern? Es gelten wiederum folgende Grundsätze:

Bis zur Siegerehrung bleibe ich nur, wenn ich eine Chance habe, auf dem Treppchen zu stehen!

Der Gewinn, drei neue Bälle, ist von überragender Bedeu- tung, obwohl ich zuhause noch 150 neue rumliegen habe!

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Wenn ich nicht wenigstens 3.Nettosieger werde, war es ein verlorener Tag!

Ist die Siegerehrung vorbei, macht sich sofort Aufbruchsstimmung breit. „Nun haut nicht gleich wieder alle ab!“ bettelt der Chef. Die Worte verhallen ungehört. Die ersten stürzen zur Theke, damit sie beim Bezahlen nicht warten müssen.

Man macht noch schnell beim Chef seine Honneurs: „T’schuldigung, Peter, aber ich muss leider heute früher nach Hause. Meine Frau wartet!“ Dabei geht der immer früher nach Hause! Nur zwei, drei Unentwegte bleiben, die zurzeit keinen Führerschein haben.

Bei den Damen hatte ich das Gefühl, dass die Siegerehrung zur ne- bensächlichsten Sache der Welt verkommt. Man plaudert, man jucht, man lästert ein bisschen. „Schickes Kleid, das Rita da anhat!“ „Findest Du??“ Und dann gibt es wieder ein Gläschen Obstler, weil Gaby Geburtstag hatte. Die Siegerehrung ist längst vorbei, zuhause wartet nur der Alte, der kann warten.

„Noch einen Prosecco?“ „Na klar!“ Immer neue Themen werden gefunden: „Ich war gestern mit Gisela in der Monet – Ausstellung. Wunderbar! Musst du dir unbedingt ansehen.“ „Ich gehe am nächsten Mittwoch mit meinem Mann in die Galerie!“

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„Der geht mit?“ „Sehr gerne!“ Am Donnerstag, bei der Herrenrunde, hört sich das dann so an: „Wollen wir am nächsten Mittwoch mal eine Runde zusammen spie- len?“ „Kann leider nicht, muss mit meiner Frau in eine bescheuerte Ge- mälde-Ausstellung!“ „Von wem sind die Bilder?“ „Woher soll ich das wissen?“

Damen sind herrlich, Herren sind dämlich!

Renate Lehnstaedt

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Die Niederlage

Peter Wiegand

Ich finde es unfein, betrunken zu sein und betrachte es als Schwäche. Bei Niederlagen, menschlichen wie sportlichen, sollte man die Finger vom Alkohol lassen. Allerdings gibt es von dieser Regel auch Aus- nahmen, die der Bewältigung von Schmach durchaus dienlich und der Wiederherstellung der seelischen Ausgeglichenheit förderlich sind. Zu solchen Ausnahmen gehören die Abende nach einem Golf- turnier. Es war einer jener schönen Sommertage. Kaiserwetter. Für Kaiser Wilhelm und für Kaiser Franz. Meine Erwartungshaltung vor dem Turnier schwankte zwischen der Verbesserung des Handicaps um vier Punkte bis zu einem Fortschritt um sieben Punkte. Der Verlauf der 18 Bahnen entsprach freilich nicht unbedingt meinen Vorstellungen. Mit einem Score von 27 Nettopunkten kam ich ins Clubhaus und war kurz an einer Blamage vorbeigeschrammt. Dabei tröstete es mich wenig, dass meine Flight-Partner Gustav mit 28 und Günther mit 29 Nettopunkten wenig besser abgeschnitten hatten als ich. Allerdings

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hatte die Dame in unserem Vierer-Flight mit 39 Punkten den Sieg in ihrer Gruppe davongetragen und dadurch weiteres Salz in unsere Wunden gestreut. Da es uns nicht gelang, nach der Siegerehrung das Aushängen der Ergebnislisten zu verhindern, blieb nur noch der Gang an die Theke. Unsere Flight-Partnerin hatte sich verabschiedet, nachdem sie vorher drei Kümmerlinge ausgegeben hatte. Vielleicht wollte sie nicht weiter mit uns gesehen werden. Wir waren inzwischen beim vierten Bier angelangt und ließen die hinter uns liegende Turnierrunde noch einmal Revue passieren. Ich verwies dabei auf den unglücklichen Schlag auf der ersten Bahn, als der Ball im Graben gelandet war und mich zwei Schläge gekostet hatte. Darüber hinaus habe dieses Unglück meine seelische Verfas- sung bereits beim ersten Loch angekratzt. Zöge man diese beiden Schläge ab, wäre ich wie Günther auch bei 29 gelandet. Gustav ver- wies auf seinen unseligen Dreierputt am zweiten Loch und schraubte auf diese Weise sein Ergebnis auf 30. Günther freilich ließ sich nicht lumpen und erwähnte seine dreifache Wiederholung des Bunker- schlagers auf der dritten Bahn. Wenn dieses Riesenpech nicht gewe- sen wäre, wäre er sogar bei 31 gelandet. „Herr Schröder, schenken Sie uns noch mal bitte drei Bier ein.“ Nun begann in unserem Gespräch die Blütezeit des Konjunktivs, er- gänzt durch eine Häufung des Adverbs „eigentlich“ und der Adjektiva „unglücklich“ und „fatal“. Derweil hatten wir alle drei unseren Score auf 33 hochgerechnet und auf diese Weise souverän gepuffert. „Herr Schröder, noch mal drei Kümmerlinge!“

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Inssszwischen hatte die Ausssprache der Sssss-laute ein wenig an Trennschschärfe verloren, dafür aber hatten wir alle drei endlich die ssechssundreisssig erreicht. Dann setzte ich zum großen Sprung nach vorn an: „Dasss auf der Acchhsssehn der Balll aussssgerecchhnet im einssssigen Bach auf dem Fairwwway liegen bleibt, war doch grotesssk. Da kassst du doch gar nich gegen ansspielen.“ Dem beifälligen Nicken der anderen entnahm ich, sie waren damit einverstanden, wenn ich meinen Score auf 37 hoch schraubte. Meine Laune besserte sich dadurch so sehr, dass ich nichts dagegen hatte, als Günther auf einer 38 bestand und Gustav mit einer 39 sogar Sie- ger in unserer Klasse wurde. So nahm denn das Turnier doch noch ein versöhnliches Ende. Zwar hatten wir an diesem wunderschönen Sommertag unsere Leberwer- te verschlechtert, dafür war es uns aber gelungen, unser Handicap zu verbessern, jedenfalls theoretisch. Und wir bestellten als Scheidebecher 3 Kümmerlinge.

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Bekenntnisse eines Golfballes

Renate Lehnstaedt

Manche Menschen meinen, wir Golfbälle seien eine leidgeprüfte Spezies. Dauernd prügele man auf uns ein oder meckere an uns rum. Es stimmt, wir haben ein hartes Los, viele von uns hauchen schon beim ersten Einsatz ihr Leben aus. Überall in den Wäldern im dichten Laub liegen die Kameraden rum, ganz zu schweigen von den vielen in Teichen untergegangenen Leidensgenossen. Aber wir sind keine Weicheier und Jammerlappen. Wir sind harte Kerle! Und wir haben eine spezielle Überlebensstrate- gie entwickelt. Wir sind Sadomasochisten. Masochisten, weil uns die Schläge, die wir von Golferinnen und Golfern erhalten, mit lustvoller

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Freude erfüllen. Je mehr Schläge, desto besser, je härter, desto schö- ner. Sadisten sind wir, weil wir unsere Herren und Meister und unsere Damen und Meisterinnen bis zur Weißglut reizen. Denn wir bestim- men, wo wir hinfliegen, wie weit wir fliegen und ob wir überhaupt fliegen! Wir alleine bestimmen das. Ich muss das vorwegschicken, damit die nachfolgende Begebenheit von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, richtig eingeordnet wird, auch wenn ich nicht zu hoffen wage, dass ich bei Ihnen Verständnis für mein Verhalten finden werde. Es war ein wunderschöner Sommertag. Die Sonne stand majestätisch über den Wipfeln und überzog den Golfplatz mit strahlendem Glanz. Dieses Wetter ist auch für uns Golfbälle angenehm, weil wir dann nicht dauernd in den Matsch klatschen. Meine Hoffnungen, für den Abschlag auf Tee 1 ausgewählt zu wer- den, hatten sich erfüllt, ich war mir der besonderen Ehre bewusst und sah mit großer Freude den kommenden Stunden entgegen. Die Bahn Eins des Golfplatzes Bad Salzdetfurth ist bei uns Golfbällen wegen seiner diversen Entfaltungsmöglichkeiten sehr beliebt. Wir können ganz nach links über den Zaun segeln, um das Golfball- Prekariat auf der Driving Range zu besuchen, aber das empfiehlt sich nicht, weil man dann gleich aus dem Spiel ist. Lohnender sind da schon die Bäume hinter dem Weg auf der rechten Seite, und wenn man einen guten Tag hat, dann trullert man sogar bis in das Rough dahinter. In freudiger Erwartung lieg ich also auf dem Tee, als mich auf der Eins der Schlag trifft. Gott sei Dank hat mein Herr und Meister richtig ge-

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troffen, denn wenn er mich beim ersten Abschlag nicht richtig trifft, habe ich immer Angst, dass ihn der Schlag trifft. Hui, ab geht die wilde Fahrt. Oben in der Luft genieße ich den wun- dervollen Blick in das Innerste-Tal, dann beschließe ich, einen leich- ten Slice nach rechts zu fliegen, vor dem Weg zu landen und hinter dem Weg unter die Bäume zu laufen. Dort suche ich mir eine Stelle mit etwas höherem Gras. Wenn ich gewollt hätte, hätte ich es auch bis in das Rough dahinter geschafft, aber ich wollte meinen Chef nicht gleich ganz verärgern. Er wird sich ohnehin aufregen, denn er will an diese Stelle nie hin, aber ich liege hier umso lieber. Außerdem beobachte ich ihn gerne beim Suchen. Fluchend rückt mein Meister mit dem Rescue an und haut drauf, ich zische durch die Bäume, genieße die Zweigmassage und suche mir anschließend genüsslich das Plätzchen direkt hinter dem einzigen Baum auf dem Fairway. Ich hatte doch erwähnt, dass wir Sadisten sind. Es macht mir immer besondere Freude, meinen Herrn bereits auf der ersten Bahn an den Rand des Wahnsinns zu treiben. Er chippt mich grimmig zur Seite, weil der Baum den Weg versperrt. Nach dem vierten Schlag suche ich den Bunker auf, beim fünften bleibe ich einen Meter vor dem Loch liegen, beim sechsten trudele ich mit höhnischem Grinsen einen halben Zentimeter am Loch vor- bei. Ich sehe eine leichte Schaumkrone vor dem Mund meines Meis- ters und bin zufrieden. Ich will an dieser Stelle nicht alle Stationen seines Leidensweges nachzeichnen. Aber einige Szenen müssen doch Beachtung finden, sonst wird das Ende nicht verständlich. Auf der Bahn 3 entschließe ich mich, ihn Bunkerschläge üben zu lassen. Eigentlich mag ich Bun- ker auch nicht besonders gerne, denn bei der Landung hat man Sand

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in den Augen, beim Schlag Sand im Hintern und beim Rausfliegen keine Sicht. Aber wat mut, dat mut. Ich also mit einem großen Satz links in den ersten Bunker, dann ein kleiner Satz in den Bunker dahin- ter und dann ein mittlerer Satz in den rechten Bunker vor dem Grün, begleitet von den Kommentaren meines Meisters: „So ein Mist!“ „So ein großer Mist !“ „So eine verdammte Scheiße!“ Es liegt mir fern, seine ständigen verbalen Entgleisungen zu ent- schuldigen. Im Gegenteil, ich entscheide, ihn für seine unflätigen Kraftausdrücke angemessen zu bestrafen. Ich springe also behände aus dem Bunker und lege mich wieder einen halben Meter vor das Loch. Er hockt sich trotz seiner Arthrose-Knie mehrfach hin, um die Putt-Linie genauestens zu studieren. Ich beobachte amüsiert sein verzweifeltes Bemühen sich zu konzentrieren. Dann schlägt er zu, nein, er schubst mich ein bisschen in Richtung Loch. Ich trudele wie von mir geplant auf die Lochkante zu, drehe dort eine halbe Ehren- runde und laufe dann wieder aufs Grün. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie er förmlich ausflippt, als ich auslippe. Vielleicht sollte ich zum besseren Verständnis des von mir inszenier- ten Martyriums noch die Bahn Acht schildern. Ich spiele kurzfristig mit dem Gedanken, mich in das Biotop zu verkrümeln. Aber es ist so ein schöner Tag, und ich will noch ein bisschen weiterquälen. Also begnüge ich mich beim Abschlag mit einer Lady und lande anschlie- ßend im Rough vor den Bäumen zur Linken. Chip nach rechts auf das Grün, dort einmal in die Erde gehauen, ich kullere auf die Schräge vor dem Biotop, er flucht wie ein Rohrspatz. 5. Schlag, ich bequeme mich knapp über das Biotop.

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Um seine Belastbarkeit auszureizen, kullere ich beim sechsten Schlag vor den großen schönen Baum auf der linken Seite, der die Sicht auf die Fahne versperrt. Erneuter Chip auf das Fairway, Schlag über das Grün, Strich! Wutentbrannt stampft er auf mich zu, grabscht mich wütend und stopft mich in die Hosentasche. Dort kriege ich mich nicht mehr ein vor Lachen. Selbst die Hoden lachen mit, als ich ihnen die Geschichte erzähle. Es bedarf keiner großen Phantasie, um sich vorzustellen, wie die nächsten Bahnen verlaufen sind. Mein Herr und Meister ist den Trä- nen nahe, der Score längst ruiniert. Ich amüsiere mich, wie sich mein frustriert über die Bahnen schleppt. Deshalb beschließe ich auf der 18. Bahn, ihn mit dem Golfspiel wie- der zu versöhnen. Schließlich macht es wenig Spaß, einem ohnehin Geschlagenen den Gnadenstoß zu geben. Ich werde ihm auf der letz- ten Bahn ein wenig auf die Beine helfen. Ich liege auf dem Tee. Er trifft mich genau an der richtigen Stelle, sozusagen an meinen G-Point. Es gibt zwar immer einen kleinen Stich, aber der Flug ist dann ein Erlebnis. Ich überwinde den kleinen Graben und rolle den Gegenhang hoch. Beim zweiten Schlag über- winde ich geschwinde die Kuppe und lege mich auf das Fairway. Von Ferne höre ich das übliche „Na also, geht doch noch!“ Auch beim dritten Schlag lasse ich mich richtig hauen und fliege gen Pin. Ich ticke auf dem Vorgrün auf, rolle noch ein bisschen und bleibe etwa zwei Meter vor dem Loch liegen. Ich höre bis zum Grün, wie die Anerkennung über ihn hereinbricht.

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Sein Körper strafft sich. Während er vorher wie der Glöckner von Notre Dame hinter seinem Bag her getrottet ist, kommt er jetzt stolz und aufrecht über das Fairway auf mich zu. Ein Martin Kaymer für Senioren. Wie versprochen lasse ich ihn einputten. Ein Par! Jawohl, ein Par. Mein Meister lässt sich feiern und tut so, als ob er die ganze Runde schon so gespielt habe. Ich lasse ihm den Triumpf. Ich will schließlich beim nächsten Mal wieder dabei sein.

„Tee-Time“

Susanne Blank

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Tausend Dank den Grünhaltern

Ich habe hinter dem Haus unterhalb der Terrasse ein kleines Stück Rasen, vielleicht so groß wie ein Badmintonfeld. Dereinst hatte ich davon geträumt, ein Stück Wembley-Rasen entstehen zu lassen. Da- von bin ich inzwischen weit abgerückt. Was Rasenpflege angeht, habe ich keine besonders glückliche Hand. Das sieht man meinem Rasen auch an: ein von ständigen Gebrechen geplagtes Fleckchen Erde: Mal ist meine Grünfläche braun und gelb, mal wuchern Disteln, oder Butterblumen brechen beim Blühen bemerkenswerte Rekorde. Vor zwei Jahren hatte sich gar ein Maulwurf unter mein Grün verirrt. Ein rastloses Tierchen, das offensichtlich unter einem Aufmerksam- keitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) litt. Nun sind jene emsi- gen Viecher ja heiliggesprochen, sodass man ihnen nicht aufs Fell rücken darf. Gott sei Dank ist dieser schwarze Mietnomade inzwi- schen weitergezogen. Neuerdings plage ich mich mit Moos und habe eine sonderbare Pilzs- orte auf meinem Areal. Kurzum, mein Rasen ist eine Wiese mit wirrem Wildwuchs. Und dann fahre ich zu unserem Golf-Platz und freue mich auf die heile Welt großartig gepflegter Grünflächen, auf samtene Teppiche unter meinen Füßen und auf prima präparierte Grüns. Aus diesem Grunde grüße ich die Greenkeeper überall in der Welt, in ganz Deutschland und ganz besonders in meinem Heimat-Golfklub Bad Salzdetfurth, die Meister ihres Handwerks. Männer, dieses Bild wur- de von Renate Lehnstaedt als Dank und Anerkennung für Eure tolle Arbeit geschaffen.

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Renate Lehnstaedt

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Künstler:

Blank, Susanne [email protected] http://www.golf-kuenstler.de/kuenstler/blank-susanne.html

Bruse, Arno (Arpitam) [email protected]

www.arpitam.net

Dahmen, Claudia [email protected] www.claudia-dahmen.de

Donner, Christel christeldonner@t-

online.de www.christeldonner.de

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Idzior, Gerti [email protected] http://www.golf-kuenstler.de/kuenstler/idzior-gerti.html

Renate Lehnstaedt

[email protected] http://www.golf-kuenstler.de/kuenstler/lehnstaedt-renate.html

Miesler, Peter [email protected] www.peter-miesler.de

Muller, Karl Peter [email protected]

http://www.kpmuller.com

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Ollig, Frank [email protected] http://www.golf-kuenstler.de/kuenstler/ollig-frank.html

Weis, Claudia Brigitte [email protected] http://www.golf-kuenstler.de/kuenstler/weis-claudia-brigitte.html

Wiegand, Peter [email protected] www.peter3.de

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Hildesheimer Literaturverlag (In aller Bescheidenheit, es ist mein eigener Verlag, ich bin der einzi- ge Mitarbeiter, ich bin der einzige Autor….)

„Kleine Geschichten über Golf“ ISBN: 978-3-9810380-8-8 (gedruckte Ausgabe, wattiertes Hardcover) ISBN: 978-3-9814431-0-3 (E-Books, epub)

ISBN: 978-3-9814431-6-5 (E-Books, pdf )

„Geschichten über kleines Golf“ Kleine Geschichten über Golf, Band 2 ISBN: 978-3-9814431-9-6 (gedruckte Ausgabe, wattiertes Hardcover) ISBN: 978-3-9814431-8-9(E-Books, epub) ISBN: 978-3-9814431-2-7(E-Books, pdf )

„Kleine Geschichten über Politik” ISBN: 978-3-9810380-2-6 (verbesserte Neuauflage des vergriffenen Buches „Kleine Ge-

schichten über Politik und andere Leiden des Lebens, ge-

druckte Ausgabe, wattiertes Hardcover)

ISBN: 978-3-9810380-7-1 (E-Books epub) ISBN: 978-3-9814431-3-4 (E-Books, pdf)

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„Kleine Geschichten über Enkel“ (2.Auflage) ISBN: 978-3-9810380-1-9 (gedruckte Ausgabe, wattiertes Hardcover) ISBN: 978-3-9810380-3-3 (E-Books, epub)

ISBN: 978-3-9814431-7-2 (E-Books, pdf)

„Die Fäden ziehen“

Krimi und Gesellschaftssatire ISBN:978-3-9810380-4-0

(gedruckte Ausgabe, Hardcover)

ISBN: 978-3-9810380-5-7 (E-Books, epub) ISBN: 978-3-9814431-5-8 (E-Books, pdf)

„ Michel schlägt zurück ”

ISBN: 978-3-00-011725-1, (gedruckte Ausgabe, Hardcover)

ISBN: 978-3-9810380-6-4 (E-Books, epub)

ISBN: 978-3-9814431-3-4 (E-Books, pdf)

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Leseprobe aus dem 1. Band „Kleine Geschichten über Golf“ S.11/12

„….Die Begrüßung zwischen uns beiden war überaus freundlich, er

bot mir großzügig das Tagesdu an. Ich war mir nicht ganz im Klaren:

Bis wann gilt eigentlich so ein Tagesdu? Ich sah auf die Uhr, es war

11.34 h. Gilt es bis zum anderen Tag um 11.34 h? Oder nur bis

abends 24 Uhr. Oder nur so lange, bis wir uns streiten? Ich Idiot

nahm trotzdem das alberne Tagesdu an.

Immerhin, ab 11.35h duzte ich mich mit Ralf-Rüdiger!

Seine Ausrüstung war phänomenal. Er hatte einen sündhaft teuren

Elektro-Trolley mit hydro-pneumatischem Faltmechanismus, Ge-

schwindigkeitsregler mit integriertem Ein- und Ausschalter, wahlwei-

se für Links- und Rechtshandbetrieb. Ich schob meine alte Karre, bei

der das rechte Rad eiert, neben ihm her.

Auf dem Weg zur Eins erzählte er mir, dass er nur noch gewuchtete

Golfbälle mit ausbalanciertem Ballflug spiele. Ich dachte beschämt an

die Shamp-Nudeln von Aldi, die ich für den heutigen Tag ausgewählt

hatte.

Sein erster Abschlag war genauso wie ich befürchtet hatte! Der Ball

segelte schier endlos schnurgerade und landete mitten auf dem

Fairway. Mein erster Schlag war genauso, wie ich befürchtet hatte!

Der Ball erhob sich in die Lüfte, segelte nach links, überflog behende

den Zaun und gesellte sich schamlos zu seinen Artgenossen auf der

Driving Range… (Auszug aus der Geschichte: „Ein schöner Golftag“.)

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2. Leseprobe aus „Kleine Geschichten über Golf“ S. 63/64/65

„Liebe Mitgliederinnen des Donnerstag-Damen-Kränzchens (Do-Da-

Krä)!

Als Ladies-Captain möchte ich euch auf den neuesten Stand der Vor-

bereitungen zu unserer geplanten Abschlussreise bringen. …

Martha fährt nicht mit, wenn Marlies mitkommt. Marlies fährt nur

mit, wenn Martha zuhause bleibt. Beide suchen Unterstützer.

Sabine will nur mitfahren, wenn sie im Flight mit Susanne, Herta und

Olga spielen dürfe. Susanne, Herta und Olga fahren nur mit, wenn sie

nicht mit Sabine spielen müssen.

Drei Damen wollen nur mit Astrid zusammen in einem Doppelzimmer

schlafen. Berta will auf keinen Fall mit Isolde zusammen im Doppel-

zimmer schlafen, weil die mit ihrem Mann geschlafen habe. Clara

und Karola möchten sich ein Einzelzimmer teilen. …

Bea teilte mir unverblümt mit, dass sie das ständige Getuschel in

unserem Kreise nicht mehr mitmachen wolle und deswegen nicht

mitfahre. Hinter vorgehaltener Hand erzählte sie mir dann, Margare-

te habe ein Verhältnis mit dem Zweiten Vorsitzenden. Angeblich.

Betreffende, von mir daraufhin angesprochen, hat dies empört von

sich gewiesen. Sie stellte richtig, sie habe etwas mit dem Ersten Vor-

sitzenden…

(Auszug aus der Geschichte: „Die Abschlussfahrt der Damen“)

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Leseprobe aus „Kleine Geschichten über Enkel“ S. 11/12

Ich spiele mit meinem Enkel Ole Memory. Ole gewinnt immer. Ole ist fast sechs, ich bin fast sechzig. Irgendwie klingt selbst das „fast“ bei ihm anders als bei mir. Bei ihm klingt das „Fast-sechs“ nach „endlich bald sechs“ und „endlich zur Schule“ und „endlich Roller-Blades“. Das „Fast-sechs“ klingt nach Hoffnung und nach Zukunft. Bei mir klingt das „Fast-sechzig“ nach „bald Rentner“, nach „bald siebzig“ und nach Arthritis. Es klingt nach Resignation und Mitleid.

Glaubt man den modernen Erkenntnissen der Wissenschaft, könnte Ole mal 100 Jahre alt werden. Ich bin noch nicht mal sechzig und habe überall Zipperlein. Ständig kommt irgendwas Neues dazu und nichts geht mehr weg. Neidisch gucke ich Ole aus den Augenwinkeln an. Er ist gesund und munter, hat klare, helle Augen, kann gut hören und hat noch alle Haare. Er besitzt vier Bälle, ich hatte in seinem Al- ter einen aus zusammengebundenen Lumpen. Er hat zwei Brüder, ich hatte nur eine Schwester. Und er beherrscht durch den Kindergarten einen Strauß von Schimpfwörtern, die ich selbst bei meiner Konfir- mation nicht zu flüstern wagte. Schlimmer noch ist, dass Ole beim Memory immer gewinnt. Gerade will ich wieder eine Karte ziehen, da sagt er vorwurfsvoll: „Opa, das ist die falsche“, und er grinst dabei verschmitzt. …. (Auszug aus der Geschichte: „Memory“)

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Informationen, Leseproben, Bestellungen etc.: Hildesheimer Literaturverlag (Hilve-Verlag) Uhlandstr. 21 –31162 Bad Salzdetfurth, Tel.: 05064 962262 - Fax: 05064 962261 e-mail: [email protected] Webshop: www.hildesheimer-literaturverlag.de Hier erhalten Sie auch alle 5 Bücher als E-Books. Die neue Webseite für das Golfbuch: www.golfsatire.de

Der Autor Dr. Jörg Hellmann: Ich bin geboren am 6. August 1944 in Magdeburg, genau ein Jahr vor Hiroshima. Flucht mit der Mutter aus der SBZ, als der Vater aus der Gefangenschaft kam und – sehr weitsichtig – nicht in die Sowjetisch Besetzte Zone zurückkehren wollte. Abitur 1964 am Scharnhorstgymnasium in Hildesheim. Anschließend Wehrdienst, Lehramtsstudium in Hannover, Stipendium und Promo- tion. Zwischendurch ein halbwegs passabler Fußballspieler, drei Jahre lang Studentennationalspieler und Kapitän der Niedersachsenaus- wahl. 40 Jahre an der pädagogischen Front tätig, Oberstudienrat in den Fächern Deutsch, Geschichte und Sport. Inzwischen Pensionär mit Spaß an Satiren und Lust auf eigene Lesungen. Ich möchte den Löffel und den Golfschläger möglichst gleichzeitig abgeben.