Josef Heissenberger im Gespräch

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INSTITUT FÜR MARKEN- ENTWICKLUNG GRAZ Am 21. September 2009 STUDIE „WAS LERNEN SIE GERADE?“ IM GESPRäCH MIT JOSEF HEISSENBERGER, KOMPTECH

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„Was lernen Sie gerade?“

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INSTITUTFÜRMARKEN-ENTWICKLUNGGRAZ

Am 21. September 2009

STUdIE „WAS LERNEN SIE GERAdE?“IM GESpRäCh MIT JoSEF hEISSENbERGER, KoMpTECh

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Wenn die Steiermark irgendwo in der Welt ihre Innovationskraft beweisen möch-te, dann holt sie ganz selbstverständlich Josef Heissenberger auf die Bühne. Der Gründer und rastlose Motor von Komptech, einem Hersteller von Maschinen und Systemen für die Umwelttechnik, ist der personifizierte Pioniergeist. In zwei Jahr-zehnten ist das Unternehmen aus einer sprichwörtlichen Garage zu einem der wesentlichen Player auf dem Weltmarkt geworden. Josef Heissenberger im Inter-view – über seine Wurzeln, über wenig Wasser im Flußbett und über die Auszeit in der Wüste.

Franz Hirschmugl: Warum sind Sie Unternehmer?

Josef Heissenberger: Das kann ich Ihnen nicht erklären: Weil ich den inneren Antrieb

dazu hab? Ich bin aus einer Bauernfamilie. Natürlich ist auch eine Bauernfamilie ein

Unternehmen, nicht in dem Sinn wie wir das bei uns im industriellen Bereich verstehen.

Vielleicht hat das auch damit zu tun, ich hab immer ein Problem mit übergeordneten

Autoritäten gehabt. Schon immer. Vor allem mit Autoritäten, die ich nicht als Autoritäten

akzeptieren konnte. Anders gesagt: Der Drang nach einem höchsten Ausmaß an persön-

licher Freiheit. Nennen wir´s mal so. Nach einem größtmöglichen Maß an persönlicher

Freiheit.

FCH: Wann war klar, dass Sie Unternehmer werden?

JH: Für mich war das eigentlich relativ schnell klar. Schon in einem Alter von 22, 23 Jah-

ren. Und dass alle Stationen, die dazwischen liegen Zwischenstationen sind. Natürlich hat

man da noch keine klare Vorstellung davon, was man wirklich konkret machen will, aber

das Ziel selbstständig zu sein, war relativ früh da bei mir. Ich war 32 Jahre alt, bis es dann

tatsächlich so weit war.

FCH: Was sind die wesentlichsten drei Eigenschaftswörter eines Unternehmers?

JH: Antrieb, ist kein Eigenschaftswort, kommt aber von angetrieben sein, dann noch

kreativ und risikofreudig.

FCH: Was meint Antrieb?

JH: Man muss Leute motivieren – die Form von Motivation gibt es in Wahrheit gar

nicht. Sondern die Motivation muss von innen heraus kommen. Die Motivation kann

nur dann von innen heraus kommen, wenn die Sinnfrage geklärt ist., d.h. man muss in

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dem, was man tut, auch unternehmerisch tut, für sich persönlich und individuell einen

Sinn erkennen. Der Antrieb kann nur über den Sinn generiert werden, nicht über das

abgedroschene Wort Motivation. Das spielt nicht nur für den Unternehmer eine Rolle,

sondern auch für das mittlere und gehobene Management. Man kann die Leute nicht mo-

tivieren, wenn sie keinen Sinn in ihrer Aufgabe sehen. Die Aufgabe ist eigentlich, für Sinn

zu sorgen, für Ziele und für Sinn zu sorgen. Dann rennt er eh von selber. Dann brauchst

nicht motivieren.

FCH: Was kreist um das Wort „unternehmen“?

JH: Freiheit. Gestaltungswille. Risiko. Erfolgsgefühl. Was nicht vorkommt, ist eigentlich

der Motivationsfaktor Geld. Geld ist Mittel zum Zweck. In einem Unternehmen sind

natürlich die Begriffe Gewinn und Ertrag usw. wichtig, haben eine ganz hohe Priorität.

Aber nicht im Sinne, ich möchte mir persönlich eine Yacht kaufen. Geld ist die notwendi-

ge Energie, die man braucht, um was zu bewegen.

FCH: Beschreiben Sie mir bitte das Wort Erfolgsgefühl besser?

JH: Das ist ein individuelles, persönliches Gefühl. Unsere sehr komplexe Steuerung als

nichttriviale Biosysteme funktioniert über das Gefühl. Wenn wir etwas gut machen, wer-

den wir mit einem guten Gefühl belohnt, und wenn mir etwas nicht gelingt, mit einem

nicht guten Gefühl. Das fängt schon in der Schule an. Wenn man einen Einser bekommt,

hat man ein Erfolgsgefühl, ein angenehmes Gefühl und wenn man einen Fleck kriegt, hat

man ein deprimierendes, schlechtes Gefühl. Jedes Lebewesen – auch wenn es nicht be-

wusst ist – ist über diesen Mechanismus gesteuert. Wir suchen ein Verhalten, das gefühls-

mäßig positiv belohnt wird und versuchen Aktivitäten zu vermeiden, die mit negativen

Gefühlen behaftet sind. Und Erfolg zu haben, z.B. bei einem Kunden – das ist für mich

immer noch das Schönste, dem Kunden etwas verkauft zu haben, was ihm taugt, ist das

schönste Gefühl. Das ist auch die größte Motivation letztlich.

FCH: Was sind die Schattenseiten von „unternehmen“?

JH: Ich denke „Frusttoleranz“, im Sinne von negative Erlebnisse verarbeiten zu können.

Und das ist ja das tägliche Leben. Verschiedene Dinge gelingen, aber es geht genauso viel

in die Hose, wenn etwas nicht funktioniert, wo es Rückschläge gibt, was schwierig ist.

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Wenn man sehr unangenehme Sachen zu erledigen hat, wie jetzt z.B. in der Krise. Gerade

die Unternehmen, die ihre Leute alle selber generiert haben, wo man dann gezwungen ist,

wenn es gar nicht anders geht, sich von dem einen oder anderen Kollegen zu trennen. Das

ist sozusagen die Kehrseite der Medaille. Das gehört zu den sehr unangenehmen Seiten

des Unternehmertums gehört. Es gibt Tage, da geht alles schief. Da denkst dir: am bes-

ten, du gehst heim und regst dich nicht auf! Aber auch, wenn es eine Phase gibt, in der

alles negativ ist, auch mit dem irgendwie zurecht zu kommen, das zu verarbeiten und das

Ganze wieder umzudrehen.

FCH: Ein „Anti-Zweifel-Programm“?

JH: Ja, das ist eine ganz wichtige Eigenschaft. Leute mit geringer Frusttoleranz können

aus meiner Sicht nicht Unternehmer sein. Wenn Einer gleich alles wegschmeißt, weil es

ihm anzipft. Das ist zwangsläufig damit verbunden. Diese Zähigkeit, dieses Durchhalte-

vermögen, das Nicht-Nachlassen, dieses Nicht-Nachgeben. Einem Jungunternehmer bei

einem Start-up ist nicht bewusst, was er macht. Man sagt, jetzt werde ich selbstständig.

Kaum hat er sich´s versehen, hängt er in einer Wand drin, wo es so raufgeht. Da hat er

nur die Möglichkeit raufzukommen, weil Abstürzen bedeutet Tod und Hängenbleiben

bedeutet auch Tod.

FCH: Man braucht am Anfang also Naivität.

JH: Man hat zwangsläufig eine naive Vorstellung. Das ist ja diese Täuschung, ich war

immerhin elf Jahre bei der Firma Vogel & Noot, einem Industrieunternehmen. Man ver-

wechselt da die Sachen. Du bist dann nicht nur der Heissenberger, sondern du bist auch

Vogel & Noot. Und das ist dann eine bittere Erkenntnis, wenn man dann wirklich nur

mehr der Heissenberger ist. Vorher hat man irgendeine Bedeutung gehabt aufgrund einer

Funktion in einem Unternehmen. Und so wirst du von den anderen auch wahrgenom-

men. Dann bist du aber nur mehr der Heissenberger. Und da sagt einer: „Aha, ein muti-

ger Schritt war das.“ – „Sehr mutiger Schritt. Ich möchte aber einen Auftrag haben.“ Und

dann: „Momentan passt es nicht, aber schauen wir mal in ein, zwei Jahren, dann könnte

es vielleicht passen.“ Schlechte Nachricht. Du merkst gar nicht, was alles automatisch

abläuft. Und dann fängst an, selber die Marke raufzupicken und die Rechnungen reinzu-

stecken ins Kuvert. Und alle Tätigkeiten trivialster Art selbst zu machen.

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FCH: Was fordert Sie gerade, auch in Hinblick auf die Krise?

JH: Die Krise ist sicher so etwas wie eine Neuorientierung, weil gewisse Dinge vollkom-

men anders sind als vorher und auch gewisse Dinge nicht mehr so werden, wie sie vorher

gewesen sind. Da muss man sich wieder zurücklehnen und sich fragen: „Was will ich

eigentlich?“Ist das, was ich mache in all den Facetten, ist das aufgrund der geänderten

Rahmenbedingungen, aufgrund der geänderten Umweltbedingungen noch richtig. In

vielen Fällen ist das, was vor zwei Jahren richtig war, jetzt falsch.

FCH: Was ist für Sie persönlich, als Person Heissenberger, nicht als Komptech, die Her-

ausforderung?

JH: Persönlich die Herausforderung ist jetzt auf der einen Seite eine intensive Ressour-

censchonung zu betreiben, Kosten zu sparen, das ist jetzt die Aufgabe, die man hat. Und

sehr auf die zur Verfügung stehenden Mittel zu schauen, um liquide zu bleiben. Auf der

anderen Seite aber nicht so weit zu gehen, dass man Zukunftspotentiale zerstört.

FCH: Was lernen Sie gerade?

JH: Eine Verhaltensänderung. Man muss lernen, sein Grundverhalten umzustellen, dass

es nicht immer nur mit Offensivstrategien geht, sondern dass zwischendurch auch De-

fensivstrategien und Vorsichtsstrategien notwendig sein können, dass es halt nicht immer

mit Vollgas dahingeht. Das ist eine Lehre. Man muss auch das Wort Erfolg anders definie-

ren. Sagen wir es mal so: Für das Wolfsrudel sind momentan weniger Hasen da. Und wir

müssen akzeptieren, dass wir mit weniger Hasen auskommen müssen. Und selbst wenn

wir früher zehn am Tag gefangen haben, und das war ein guter Jagdtag, müssen wir jetzt

sagen, drei sind ein Erfolg. Vor einem halben Jahr haben wir gesagt, drei sind ein Miss-

erfolg. Jetzt sagen wir, drei Hasen sind ein Erfolg. Den Erfolg anders zu definieren. Auch

wenn wir jetzt wieder von der Firma redet, dass man sagt, ein Jahr z.B. ohne Verlust zu

überstehen, ist auch ein Erfolg, was man sonst eigentlich als Misserfolg bezeichnet. Das

hat ein paar Monate gedauert, das zu akzeptieren.

FCH: Welche Formen von Reflexion stehen Ihnen als Unternehmer zur Verfügung?

JH: Die beste Art von Reflexion kriegt man beim Kunden. Im letzten halben Jahr ist der

Materialdurchsatz um die Hälfte zurückgegangen, ich krieg um 30 Prozent für das Ma-

terial weniger. Ich muss jetzt mal schauen, dass ich über die Runden komme. Ich kann

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jetzt momentan nichts investieren. Und wenn das eine repräsentative Anzahl von solchen

Gesprächen ist, dann ist das das beste Feedback. Das zu akzeptieren, weil ich merke, dass

meinem Kunden die Energie ausgeht. Selbst wenn er wollte, kann er momentan eben

nicht kaufen, nicht investieren. Das wahrzunehmen, das ist eigentlich das Feedback, das

in dem Zusammenhang das Wichtigste ist.

FCH: Sagen wir, Sie hätten von jetzt drei Monate frei. Was tun Sie?

JH: Ich würde zuerst einmal vier Wochen in die Wüste fahren, das hab ich schon zweimal

gemacht. Es hat mir noch nichts so viel Spaß gemacht wie eine Sahara-Tour. Und dann

sechs Wochen in alle Ruhe nachdenken und Strategien entwickeln. Zum Beispiel wie

wir die Firma organisatorisch und substanziell weiterentwickelt. Und da ist es zwischen-

durch auch oft gut, wenn man einen Vorhang runterlässt. Aber das muss ein paar Wochen

dauern. Sonst schafft man den Abstand nicht. Also, wenn ich nur zwei, drei Wochen mit

meiner Frau unterwegs bin, da geht mir die Firma nicht aus dem Kopf. Die Entfernung

ist notwendig, damit sich neue Bahnen im Gehirn bilden können, die es möglich machen,

andere Denkmuster zu entwickeln.

FCH: Beschreiben Sie mir bitte die zweiten sechs Wochen genauer.

JH: Ich lese sehr viel. Vor allem Philosophie. Nachdem ich ein Autodidakt bin, hab ich

mich kreuz und quer herangetastet. Das dauert noch eine Zeit lang bis man da einen Zu-

gang findet. Ich lese erstens einmal Philosophie, zweitens viel, was Sozialbiologie betrifft

und Erkenntnistheorie betrifft. Leute, wie der Karl Popper, mit dem hab ich mich sehr

intensiv beschäftigt. Von den Biologen Konrad Lorenz. Über diese Literatur habe ich

eigentlich den Zugang gefunden. Und gerade die Soziobiologie, was die Arbeit mit Men-

schen betrifft und was die Arbeit im Unternehmen betrifft, sehr lehrreich. Unsere Ver-

haltensmuster kommen ja von dort im Wesentlichen. Das ist uns nur nicht bewusst. Wir

organisieren uns immer noch wie ein Wolfsrudel, in Wahrheit, oder wie eine Gorillahorde

oder Schimpansenhorde. Wir glauben zwar, dass es nicht so ist, aber in Wahrheit ist es so.

FCH: Was ist mit den vergangenen Monaten? Was sind so ein, zwei Sätze, die eine beson-

dere Bedeutung für Sie haben?

JH: Diese Krise hat einen Rückschlag gebracht. Und das dauert sicher noch mindestens

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ein Jahr, bis es wieder so sein kann, wie es vorher schon war. Viele Dinge werden in Frage

gestellt, die vorher funktioniert haben, sie funktionieren plötzlich nicht mehr. Ein Bei-

spiel: Stellen Sie sich ein Flussbett vor, und in dem Flussbett ist normalerweise so viel

Wasser drin, und in jedem Flussbett sind Steine und Kies. Solange genug Wasser da ist,

gibt es kein Problem mit den Steinen. Plötzlich geht das Wasser runter. Dann kommen

die ganzen Steine raus. Jetzt müssen Sie die ganzen Steine wegräumen, damit das Wasser

fließen kann. Sonst versiegt der Fluss nämlich. Und das ist die Aufgabe, die man noch hat,

die Steine wegzuräumen. Eigentlich sollte man die Steine wegräumen, wenn das Wasser

hoch steht. Das lerne ich auch gerade, dass man in solchen Zeiten viel zu leicht zulässt,

dass sich ungelöste Probleme bilden. – Es ist eh genug da, um das zu übertauchen, wenn´s

zu gut geht.

Mit dem Steine Wegräumen sind jetzt momentan viele beschäftigt. Damit das Wenig, was

an Wasser da ist, ordentlich fließen kann. Die großen Brocken da drinnen sind Ineffizi-

enzen, Graupeln, die sich gebildet haben. Das geht sehr schnell. Speziell dann, wenn eine

Firma relativ schnell wächst. Wir haben gerade in den letzten Jahren vor der Krise inner-

halb von eineinhalb Jahren von vierhundert auf fünfhundert Leute zugenommen. Das ist

einfach viel zu schnell, da sind zwangsläufig Sachen dabei, die nicht passen. Auch ohne

Krise müsste man sagen, das gehört zurückgestutzt, das muss sich einpendeln, da müssen

die Effizienzen wieder hergestellt werden. Nur, wenn alles so auf Druck läuft, bildet sich

immer eine Blase, dann sind immer zu wenige Leute da, da brauch ich noch einen, und

da brauch ich auch noch einen und auf einmal ist die Anzahl der Personen gewachsen.

Aber die Effizienz ist nicht im gleichen Ausmaß mitgewachsen, sondern ganz im Gegen-

teil, die ist schlechter geworden. Und dann geht´s wieder darum effizient zu sein, schlank

zu sein. Man nimmt dann Fett auch zu, nicht nur Muskeln, es gibt auch ein überpropor-

tionales Fettwachstum. Dann heißt es aber: Runter mit dem Speck.

FCH: Ist das Niedrigwasser zur richtigen Zeit gekommen?

JH: Das Niedrigwasser hat ja nicht nur schlechte Seiten, sondern auch gute. Man muss

sich dessen bewusst werden, dass man ausräumen muss.

Normal passiert es nicht, weil der Widerstand viel zu groß ist. Man hat ja unglaubliche

Widerstände, wenn man in einer Organisation etwas ändern muss. Es hat keiner ein Ver-

ständnis dafür, wenn man unangenehme Maßnahmen setzen muß.

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FCH: Sagen Sie mir noch zwei, drei große Steine.

JH: Das sind dann konkrete Probleme mit einem Abteilungsbereich, mit einem Mitarbei-

ter usw. auf der Produktseite mit Produkten dort, wo man es bis jetzt noch nicht geschafft

hat, obwohl man es eh schon längst weiß, das es einen Mangel auszuräumen gilt.

Die Kunden werden in solchen Zeiten wesentlich selektiver. Sie schauen dann viel genau-

er. Und damit werden alle Schwächen, die in der Leistung drinnen sind, viel deutlicher

sichtbar. Alle Probleme, egal ob es Personalprobleme sind, ob es Probleme in der Leis-

tungskette sind, werden sichtbar.

FCH: Höre ich da eine gewisse Freude an der Krise?

JH: Freude ist vielleicht der falsche Ausdruck. Es ist die gleiche Freude, die Sie haben,

wenn Sie eine Entschlackungskur machen.

FCH: Meine Ausgangsfrage war: Welche zwei, drei Sätze sind bei Ihnen im letzten halben

Jahr aufgetaucht, die Ihnen wertvoll sind?

JH: Man merkt in solchen Situationen, ob einer wirklich aus innerem Antrieb bei einer

Sache ist, oder ob er jetzt in der Situation, wo die Luft dünner wird, sagt: „Das ist mir

jetzt aber zu anstrengend.“ Die Spreu trennt sich vom Weizen momentan, im Sinne von

unternehmerischem Verhalten, ob der Wille der Leute da ist, die Krise auch von innen her

mitzutragen. Die Leute reagieren sehr unterschiedlich, wenn man sagt, wir machen einen

Prämienverzicht – was wir im gesamten Management gemacht haben.

FCH: Würde man heute Komptech noch einmal neu gründen, braucht man dann andere

Eigenschaften, als Sie sie gehabt haben?

JH: Glaub ich nicht. Ich glaube, die Eigenschaften eines Unternehmers, die grundsätzli-

chen Eigenschaften, was seine biometrischen Eigenschaften, seine Anlagen betrifft, waren

in der Antike nicht anders als sie heute sind. Das Spiel ist immer ein anderes, aber die

Grundveranlagung ist konstant, was einen Unternehmer ausmacht. Ich glaube, das ist ein

konstantes Phänomen.

FCH: Ich mache Sie jetzt für fünf Minuten zum Unterrichtsminister von Österreich. Was

würden Sie ändern?

JH: Es ist wichtig zu versuchen, die ganzen intellektuellen Ressourcen, die es in der Bevöl-

kerung gibt, zu schöpfen und darauf zu achten, dass kein einziger verloren geht.

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Und es gilt, in den Ländern, egal, ob Österreich, Deutschland das Bildungssystem so zu

gestalten, dass das eben nicht passiert. Und zwar insbesondere bei den „bildungsferneren“

Schichten. Und das sind jetzt weniger Bauernkinder oder Arbeiterkinder. Da hat es sich –

relativ gesehen – eh verbessert. Vielleicht kann man das immer noch verbessern. Aber es

geht vor allem auch um die Zuwanderer, dass man bei denen, die man einbürgert, auch

das ganze Potenzial rausholt. Deshalb ist es ganz wichtig, dass das sehr früh beginnt. Auch

im Kindergarten, wo die sprachliche Ausbildung für Migrantenkinder gefördert wird, sie

sollten meiner Meinung nach auch in der Muttersprache unterrichtet werden. Sie denken

in der Muttersprache. Zweisprachigkeit, egal ob es türkisch ist oder serbokroatisch, ist

immer ein Vorteil.

In der Unterstufe brauchen wir viele offenere Systeme. Das, was wir früher gehabt haben

mit ersten und zweiten Klassenzug und Mittelschule. Eine Umkehrbewegung, wenn man

eine Richtung eingeschlagen hat, war nicht möglich. Das ist völlig unzulässig. So gesehen

brauchen wir eine Gesamtschule in der Unterstufe, wo Talente gefördert werden, aber,

dass man sich auch um die kümmert, die schwächer sind. Und deshalb bin ich gegen jede

Art von Hochbegabtenschulen usw. Ich halte das für einen Blödsinn, weil diesen Kindern

geht letztlich die soziale Kompetenz ab. Da ist die Gefahr, dass die zu absoluten Sonder-

lingen werden. Man muss ja schauen, dass man mit unterschiedlichen Begabungen zu-

rechtkommt, in einem Unternehmen z.B. Und dieses Lernen halte ich auch für sehr wich-

tig. Aber in der Unterstufe müsste das aus meiner Sicht ein vollkommen offenes System

sein. Es ist ja auch falsch, wenn am Land eine Hauptschule eine höhere Qualität hat als

ein Gymnasium in der Stadt und dort eine Hauptschule eigentlich eine Sonderschule ist.

Das ist ja alles nicht zulässig. Und das gehört aus meiner Sicht radikal aufgebrochen. Und

dazu ist es natürlich erforderlich, dass es eine massive Verwaltungsreform gibt. Die einzel-

nen Schulen brauchen mehr Autonomie, das muss wesentlich leistungsbezogener gehen.

Was dem entgegenwirkt, ist das österreichische Beamtensystem. Wo dann die engagierten

Lehrer was bewegen wollen, die werden teilweise gehasst, das kommt von den Behäbigen.

FCH: Sie sind noch immer Minister, was tun wir für das Unternehmerische?

JH: Es wäre Ziel, das System so zu gestalten, dass möglichst das gesamte intellektuell

geistige Niveau der Bevölkerung gehoben wird. Vor allem braucht man sich nicht um Fa-

milien kümmern, wo die Eltern darauf schauen, dass die Kinder die bestmögliche Ausbil-

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dung bekommen. Ich muss mich besonders um die kümmern, wo das eben nicht so ist, in

sogenannten bildungsfernen Schichten. Wie hole ich die Kinder ins Boot rein. Dort geht

mir ja das Potenzial verloren.

Was das Unternehmerische betrifft, das ist natürlich die nächste Katastrophe. Es ist fast

unternehmerfeindlich in der Schule. Die Kinder werden erzogen in Richtung Sicherheit,

wenig arbeiten, idealerweise wirst Beamter. Diese unternehmerische Komponente wird,

wenn sie schon nicht unterdrückt wird, in keinster Weise gefördert. Das führt dann

natürlich dazu, dass viele Kinder den falschen Beruf erlernen, wo sie ihr Leben lang kein

vernünftiges Einkommen haben, kein vernünftiges Leben führen können, mit dem, was

sie verdienen. Und wir müssen ja gerade das technische Potenzial nutzen. Das ist ja das

was uns die Wertschöpfung und den Wohlstand bringen. Das sind in der Volkswirtschaft

die Bereiche, wo Wertschöpfung passiert. Egal, ob das im Dienstleistungsbereich, in der

Industrie oder Gewerbe ist, wo tatsächlich Wertschöpfung passiert.

Wenn man sich gegenseitig die Haare schneidet und die Füße wäscht, entsteht auch Wert-

schöpfung. Es entsteht aber kein Handelsüberschuss, volkswirtschaftlich gesehen.

Für das Unternehmerische in der Schule muß man versuchen, die Freude am Risiko zu

wecken, nicht das Gegenteil. Das fängt bei uns schon so an, dass ein berufliches Scheitern

stigmatisiert ist, obwohl es etwas Normales sein sollte. Wenn in Europa ein Privatunter-

nehmer in Konkurs geht, hat er ein Stigma. Nicht, dass man das fördern sollte, aber es

sollte demjenigen nicht ein Leben lang nachhängen. Damit macht man die Leute noch

ängstlicher und vorsichtiger, als sie ohnehin schon sind.

FCH: Auf der einen Seite gibt es die Lehrerschaft, die so ausbildet, wie Sie es beschrieben

haben, auf Sicherheit, weniger arbeiten und so weiter. Auf der anderen Seite gibt es Un-

ternehmer, die es wie Sie in einer Klarheit und Präzision in einen Block diktieren können.

Warum passiert trotzdem nichts?

JH: Die Organisation ist für sich selbst da. Das Ganze wird zum Selbstzweck. Es steht

nicht mehr die Aufgabe im Vordergrund, den Kunden, in dem Fall den Kindern einen

guten Kundennutzen im Sinne einer Ausbildung zu geben, sondern es geht darum, dass

sich die Organisation selbst genügt.

Das heißt, wir reden vom Sieg der Bürokratie über das Unternehmertum. Wir reden

vom Parkinson´schen Gesetz. Jetzt brauchen wir nur den Neugebauer anschauen, es geht

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um die Institution als solche für sich selbst. Sie haben ja auch keine Konkurrenz. Ohne

Konkurrenz geht nichts im Leben. Überall, wo die Konkurrenz abhanden kommt, gibt

es solche Entwicklungen. Daran ist auch das planwirtschaftliche System zugrunde gegan-

gen. Weil es nicht konkurrenzfähig war. Und unser Bildungssystem ist so gesehen nicht

konkurrenzfähig. Stellen Sie sich folgenden Gedanken vor: Sie würden erlauben, dass sich

eine private Volksschule etablieren kann. Und diese private Volksschule wird ohne Schul-

geld vom Staat auf- und abgegolten. Es würde nicht lange dauern, und es würde kein

einziges Kind mehr in eine öffentliche Schule gehen, weil die privaten sicher eine bessere

Leistung erbringen würden. Das funktioniert momentan nur deswegen nicht, weil eine

Privatschule nicht voll finanziert wird, weil man den Eltern ein viel zu hohes Schulgeld

abverlangen müsste.

FCH: Wie gefährlich ist diese ganze Entwicklung. Wie gefährlich ist das für einen Stand-

ort und wie gefährlich ist das für das eigenen Unternehmen?

JH: Wir brauchen ein leistungsfähiges und effizientes Schulwesen, weil sonst kriegen wir

das Potenzial, das wir brauchen letztlich nicht. Wenn die öffentliche Verwaltung ineffizi-

ent aufgebläht ist, dann müssen wir das schlussendlich bezahlen, bezahlen im Sinne von

Steuern. Wenn in einer Volkswirtschaft die Belastung auf der Steuerseite überproportional

hoch ist, dann ist das ein ganz normaler Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Län-

dern. Wir haben folgende Situation in Österreich: wir haben 5 Millionen Erwerbstätige,

oder 4 Millionen, die auf irgendeine Art und Weise einer Erwerbstätigkeit nachgehen

– und davon zahlen 2 Millionen überhaupt keine Steuern, zumindest keine direkten Steu-

ern. Und das ist immer noch zuwenig. Die wirklich viel verdienen, bilden eine absolute

Minderheit. Der durchschnittliche Einkommensbezieher trägt die größte Last.

FCH: Was lernen Sie gerade?

JH: Dass das Leben teilweise aus drei Schritten vorwärts und einem Schritt zurück be-

steht. Das lernt man in solchen Situationen. Es geht nicht kontinuierlich. Das Leben und

auch die Wirtschaft sind ein pulsierender Prozess.

FCH: Im Grunde ist alles, was Sie mir sagen, von einer gewissen Ruhe geprägt. Es scheint

mir nicht so zu sein, dass Sie sich wahnsinnig geschreckt hätten.

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JH: Nach Viktor Frankl ist die Frage immer: Wie fühlt man sich? Wie man sich fühlt

hat ja nichts damit zu tun, wie viele Ressourcen man momentan zur Verfügung hat, im

Sinne von Geld, Rechnungen oder sonst was. Zufrieden ist man immer dann, wenn es

eine Sinnerfüllung gibt, wenn der Sinn nicht verloren geht, wenn genug Sinn da ist, dann

haben Sie auch bei den größten Scherereien kein Problem. Er hat einen eigenen Ausdruck

dafür kreiert. Der fällt mir jetzt nicht ein. Haben Sie das gelesen, als er im Konzentrati-

onslager war und diese ganzen fürchterlichen Sachen miterlebt hat, hat er trotzdem den

Sinn nicht verloren. Und was hat er daraus gelernt? Nach diesen Erlebnissen, die er dort

gehabt hat, gibt es nichts mehr, was ihn erschüttern kann. Weil das, was er dort an Fürch-

terlichkeiten erlebt hat, das kann er gar nicht mehr erleben. Das ist auch wichtig für

einen Unternehmer. Alles, was einem auf dem Weg passiert, macht die Toleranz größer.

Wenn man gelernt hat, über Jahre über einem auf 500 m über dem Boden gespannten

Stahlseil zu gehen ohne Balance, dann hat einer, der das nicht gewohnt ist, eine Todes-

angst, dass er runterfällt und tot ist. Wenn man das aber lange genug gemacht hat, dann

findet man das als selbstverständlich, dass man mittlerweile da oben geht. Man kriegt

eine gewisse Sicherheit, sich am Seil zu bewegen. Und hat eigentlich keine Angst mehr

damit, wo sich ein anderer vielleicht zu Tode fürchtet. Das kommt natürlich auch davon,

dass man das gewohnt wird.

FCH: Danke für Ihre Zeit.