JP│KOM: Neuauflage „Veränderungskommunikation“: Die Medien der Veränderungskommunikation

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53 5 Die Medien der Veränderungskommunikation Neue Chancen und Risiken durch das Web 2.0 Jan Christopher Tesch und Jörg Pfannenberg Der Einsatz von Medien ermöglicht und vollzieht die Implementierung des Kommunikationskonzepts: Über sie erreichen die Veränderungsbot- schaften die Stakeholder und können aktiviert werden. Dafür ein effek- tives und effizientes Medienportfolio aufzustellen, ist Aufgabe des Kom- munikationsmanagers. Funktionen der Medien in der Veränderungskommunikation Die Funktionen der Medien leiten sich aus den Zielsetzungen und Wir- kungsketten der Veränderungskommunikation ab (vgl. S. 13), in Anleh- nung an Li/Bernoff (2008: S. 77 ff.): Listening. Durch die Nutzung von internen und externen Web 2.0-Tools als Instrumente der Meinungsforschung erhält das Management des Veränderungsprozesses Informationen über Wissen, Meinungen/Ein- stellungen und Verhaltensdispositionen der beteiligten Stakeholder. Dies ist die Grundlage für das Projekt- und Kommunikations-Control- ling. Information. Nur wenn die Stakeholder die Strategien und Programme der Veränderung kennen und wissen, was von ihnen erwartet wird, können sie ihr Verhalten auf die Veränderungsziele ausrichten. Empowerment. Das Gefühl, möglichst selbstbestimmt handeln zu kön- nen, ist eine Voraussetzung für die positive Einstellung zur Verän- derung (Readiness for Change). Die Medien der Veränderungskom- munikation signalisieren vergrößerte Handlungsspielräume und gegebenenfalls Risikobereitschaft, über sie wird die Belohnung für die Eigeninitiative von Führungskräften und Mitarbeitern verstärkt. Supporting. Zu den Aufgaben der Veränderungskommunikation gehört es auch, Tools für die Veränderungsarbeit und die Kommunikation der Führungskräfte mit ihren Teams bereitzustellen. Darüber hinaus wird die Projektarbeit unterstützt. Embracing. Um die Stakeholder an der Konsensbildung zu Werten und Verhaltensmustern zu beteiligen und die für das Verändungsprojekt erforderlichen Verhaltensdispositionen aufzubauen, eröffnen die Me- dien der Veränderungskommunikation verstärkt Sprech-, Diskussions- und Beteiligungsmöglichkeiten. Darüber hinaus braucht das Commit- ment zu einem Unternehmen/seinem Veränderungsprojekt ein starkes

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Jörg Pfannenberg (Hg.): Veränderungskommunikation. So unterstützen Sie den Change-Prozess wirkungsvoll. 3. Auflage mit Web 2.0 und neuen Fallstudien http://www.amazon.de/Ver%E4nderungskommunikation-unterst%FCtzen-Sie-Change-Prozess-wirkungsvoll/dp/3899813081

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5 Die Medien der Veränderungskommunikation Neue Chancen und Risiken durch das Web 2.0

Jan Christopher Tesch und Jörg Pfannenberg

Der Einsatz von Medien ermöglicht und vollzieht die Implementierung des Kommunikationskonzepts: Über sie erreichen die Veränderungsbot-schaften die Stakeholder und können aktiviert werden. Dafür ein effek-tives und effizientes Medienportfolio aufzustellen, ist Aufgabe des Kom-munikationsmanagers.

Funktionen der Medien in der Veränderungskommunikation

Die Funktionen der Medien leiten sich aus den Zielsetzungen und Wir-kungsketten der Veränderungskommunikation ab (vgl. S. 13), in Anleh-nung an Li/Bernoff (2008: S. 77 ff.):

• Listening. Durch die Nutzung von internen und externen Web 2.0-Tools als Instrumente der Meinungsforschung erhält das Management des Veränderungsprozesses Informationen über Wissen, Meinungen/Ein-stellungen und Verhaltensdispositionen der beteiligten Stakeholder. Dies ist die Grundlage für das Projekt- und Kommunikations-Control-ling.

• Information. Nur wenn die Stakeholder die Strategien und Programme der Veränderung kennen und wissen, was von ihnen erwartet wird, können sie ihr Verhalten auf die Veränderungsziele ausrichten.

• Empowerment. Das Gefühl, möglichst selbstbestimmt handeln zu kön-nen, ist eine Voraussetzung für die positive Einstellung zur Verän-derung (Readiness for Change). Die Medien der Veränderungskom-munikation signalisieren vergrößerte Handlungsspielräume und gegebenenfalls Risikobereitschaft, über sie wird die Belohnung für die Eigeninitiative von Führungskräften und Mitarbeitern verstärkt.

• Supporting. Zu den Aufgaben der Veränderungskommunikation gehört es auch, Tools für die Veränderungsarbeit und die Kommunikation der Führungskräfte mit ihren Teams bereitzustellen. Darüber hinaus wird die Projektarbeit unterstützt.

• Embracing. Um die Stakeholder an der Konsensbildung zu Werten und Verhaltensmustern zu beteiligen und die für das Verändungsprojekt erforderlichen Verhaltensdispositionen aufzubauen, eröffnen die Me-dien der Veränderungskommunikation verstärkt Sprech-, Diskussions- und Beteiligungsmöglichkeiten. Darüber hinaus braucht das Commit-ment zu einem Unternehmen/seinem Veränderungsprojekt ein starkes

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Gemeinschaftsgefühl: Die Medien der Veränderungskommunikation inszenieren gemeinschaftsstiftende Erlebnisse und bieten den Stake-holdern Möglichkeiten, sich miteinander zu vernetzen.

Verändertes Medienportfolio: neue Herausforderungen

In der Mitarbeiter- und Führungskräftekommunikation nimmt das Web 2.0 seit 2008 zunehmend einen hohen Stellenwert ein: In Fortbildung und Wissensmanagement kommen Webinare und Wikis zum Einsatz. In das Intranet sind inzwischen oft Blogs/Microblogs und Foren sowie Be-wegtbildformate eingebunden (vgl. Trendmonitor Interne Kommunika-tion 2011: S. 11 f.). Neben dem Auf- und Ausbau des Intranets (Web 1.0) sehen Kommunikatoren in Unternehmen künftig einen Schwerpunkt im Ausbau der Social-Media-Aktivitäten (vgl. Trendmonitor Interne Kommu-nikation 2011: S. 13).

Durch das Web 2.0 entstehen in Veränderungsprozessen neue Herausfor-derungen, aber auch zusätzliche Chancen:

• GleichlangeSpieße. Der Switch von der One-to-Many- zur Many-to-Many-Kommunikation bedeutet in der internen Kommunikation, dass die Mitarbeiter und Führungskräfte sowie die Arbeitnehmervertreter und Stakeholder im direkten Umfeld des Unternehmens nun denselben Zugang zur aktiven Nutzung von Medien haben wie die Unterneh-mensleitung. Damit sind die Mitarbeiter in der unternehmensinternen Meinungsbildung nicht mehr auf den Flurfunk und andere informelle Kommunikationsprozesse angewiesen: In Foren und Blogs können sie sich unmittelbar artikulieren und erreichen die unternehmensinterne Öffentlichkeit mit derselben Kommunikationsqualität wie die Unter-nehmensleitung – auch mit Rich Media wie Bewegtbilder. Dadurch nimmt die Koorientierung (vgl. Bürker 2013: S. 65 ff.) in der unterneh-mensinternen Öffentlichkeit zu.

• Beschleunigung. Der Zugang der bisherigen Zielgruppen zu den Medien und damit zur Öffentlichkeit bedeutet eine starke Beschleunigung der Kommunikation im Unternehmen und in dessen Umfeld. Wenn die Unternehmensleitung Beschlüsse nicht kommuniziert oder an der Meinungsbildung nicht zeitnah teilnimmt, wird dies durch andere übernommen: in Blogs und Foren oder durch Informationen an Nach-richtenportale im Umfeld. Generell haben Internet und Social Media die Erwartungen an die Schnelligkeit von Kommunikation und Feed-back erhöht.

• Transparenz und gezielte Desinformation. Das Web 2.0 verstärkt die Gefahr, dass Mitarbeiter und ihre Interessenvertreter den Zugang zur medialen

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Kommunikation nutzen, um zielgerichtet Transparenz herzustellen, zum Beispiel durch die Kommunikation von Themen und Beschlüssen oder auch von vertraulichen Informationen. Auch können – taktisch motiviert – gezielt Fehlinformationen, Halbwahrheiten und Spekula-tionen gestreut werden.

• Aktivierung. Andererseits bedeutet der Switch von der One-to-Many- zur Many-to-Many-Kommunikation auch, dass das Wissen und die Kom-petenz der Mitarbeiter leichter aktiviert werden können. In Verände-rungsprozessen erfolgt die Kommunikation jetzt nicht mehr nur top-down von der Geschäftsführung zu den Mitarbeitern, sondern auch zwischen den Mitarbeitern und von den Mitarbeitern bottom-up zu den Führungskräften und zum Top-Management.

• Behavioral Branding. Durch die Möglichkeit zur direkten Ansprache, zum Austausch und durch das Angebot, selbst Inhalte zu gestalten (User-Generated Content), werden Mitarbeiter stärker beteiligt und da-mit motiviert, die Veränderungsbotschaften nach außen zu tragen.

• Vernetzte Medien. Durch die neuartigen Möglichkeiten zur Vernetzung von Medien und zum Dialog im Web 2.0 können Kommunikations-prozesse flexibler und reichhaltiger gestaltet werden.

Kanäle und Instrumente im Web 2.0

Folgende Kanäle (Channels) und typische Instrumente (Applications) ste-hen im Web 2.0 für die Mitarbeiter- und Führungskräftekommunikation mit typischen Anwendungsfeldern und Nutzen zur Verfügung (vgl. Ta-belle):

Web 2.0-Kanäle und Instrumente in der internen Kommunikation

Kanäle (Channels) Instrumente(Applications) Merkmale/Nutzen

Microsite Landing Page

Verlinkung: RSS-Feed; Social Bookmarking;Tagcloud;Mashup

•PlattformzurBündelungvonWeb2.0-Channels

•ZentraleStellefür(projektbezogene)Information der Mitarbeiter und Führungskräfte

Media Center

Video/Bild/Podcast/Vodcast; RSS-Feed;Tag;Mashup

•PlattformfürdieBündelungvonBe-wegtbild, Fotos, Podcasts und anderen Hintergrundmaterialien

•Downloadzahlen,Bewertungenetc.alsErfolgskontrolle für die eingesetzten Channels und bereitgestellten Materialien

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Kanäle (Channels) Instrumente(Applications) Merkmale/Nutzen

Microblog („InternesTwitter“)

Tweets;Diskussion;Verlin-kung; Hashtag

•Schnelle,prägnanteKommunikationüber Kurznachrichten

•WeiterführendeInformationenüberVerlinkungen

Instant Messaging

Diskussion; Verlinkung; Bild •RealtimeCollaboration:Kommunika-tion und Zusammenarbeit in Echtzeit

•PragmatischeAlternativezuE-Mailmithöherer Media Richness

Teamroom Ablage Dokumente; Resour-cenplanung; Kalender

•TransparenzundhoheVerfügbarkeitaller Projektunterlagen

•ErleichterungderZusammenarbeitund des Austausches von Informatio-nen und Meinungen

Corporate/ExecutiveBlog

News/Report;Trackback;RSS-Feed; Verlinkung

•Authentische,direkteundpersönlicheInformation

•HerstellungvonNähe,EröffnungvonDialogmöglichkeiten über Kommentar-funktion

Team-/Pro-jektblog

News/Report;Tag;RSS-Feed;Verlinkung

•WissensmanagementundZusam-menarbeitimTeam;gemeinsameBereitstellung von Informationen und Materialien zum Projekt

•ChronologischeDokumentationdesProjektstands

Forum Diskussion/Kommentar/Bewertung; RSS-Feed

•FörderungvonAustausch,Zusammen-arbeit und Aufbau von Beziehungen unter Mitarbeitern

•IdentifikationvonSMEs(Subject MatterExperts)

Corporate Wiki/Pro-jekt Wiki

Archiv;News/Report;Tag-cloud; Verlinkung

•Effiziente(Selbst-)OrganisationvonWissen: Wissenspool zu Unterneh-mens- und Projektthemen, der von Mitarbeitern bearbeitet und ergänzt werden kann

•SimultanesEditierenvonTexten,Dokumenten und Präsentationen ohne Versionsabgleich

Social Network (intern)

Social News: Diskussion/Kommentar; persönliche Nachrichten; Verlinkung; Tags

•AufbauvonNetzwerken/stärkereVer-netzung unter Kollegen

•InformationundAustauschinnerhalbdes Netzwerks über persönliche Profile und Nachrichten, Social News, Status-Updates

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Kanäle (Channels) Instrumente(Applications) Merkmale/Nutzen

Q&A-Commu-nity

Bewertung;Tag;Archiv •Interaktive,themenbezogeneQ&A-Plattform: Mitarbeiter stellen Fragen, das(Top-)Managementantwortet– die Antworten sind für alle Mitarbeiter sichtbar

Prediction Market

Diskussion/Kommentar/Bewertung; Verlinkung

•AggregiertesMeinungsbilddurchOnline-Prognosebörse: Mitarbeiter „setzen“aufProdukte,Trends, Ent wicklungen im Markt

•IncentivierungsicherthoheTeilnahme/präzise Prognosen

Jam Diskussion/Kommentar/Bewertung; Verlinkung

•Moderiertes,zeitlichbegrenztesOn-line-Event zur Entwicklung, Diskussion und Bewertung neuer Ideen

•Gezielte,themenspezifischeNutzungvonkollektiverIntelligenz(Crowd-sourcing)

Microsite. Drehscheibe der internen Kommunikation ist das Intranet, bei Veränderungsprozessen oftmals die thematische Microsite (vgl. Abbil-dung 11). Als zentrale Anlaufstelle für die themenbezogene Kommuni-kation gelangen die Mitarbeiter von hier aus zu sämtlichen Informa-tionen und Hintergrundmaterialien: News, Dokumente zum Download und wichtige Intranetseiten mit weiterführenden Informationen sind verlinkt. Der Nutzen:

• Zugang zu Web 2.0-Medien. Als Hub bietet die Landing Page Zugang zu Foren, Blogs, Wikis und anderen Web 2.0-Kanälen.

• Zielgerichtete Information und Dialog. Die Microsite bietet umfassende und schnelle Information zum Veränderungsprojekt sowie vielfältige Möglichkeiten für Feedback und Dialog unter den Mitarbeitern und zwischen Mitarbeitern und Management.

• Benachrichtigung. Auf Wunsch werden die Nutzer per RSS-Feeds infor-miert, sobald neue News-Artikel, Beiträge in Blogs/Foren oder Antwor-ten auf von ihnen gestellte Fragen online sind.

• KlassifikationvonInhaltenundemergentenStrukturen. Durch Applications wie Tags und Social Bookmarks tragen Mitarbeiter zur gemeinsamen Indexierung und Strukturierung der Informationen und Materialien bei. Dadurch sehen die Mitarbeiter (und die Projektverantwortlichen), welche Informationen ihre Kollegen besonders interessieren und wel-che sie aktuell stark nachfragen – die häufigsten Tags werden in einer Tag Cloud abgebildet.