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1 2.2 01 Sehgewohnheiten (Jörg Roche) LIFE - Ideen und Materialien für interkulturelles Lernen • http://www.bmwgroup.com Jörg Roche Sehgewohnheiten „Wir sehen, was hinter unseren Augen ist.“ Chinesisches Sprichwort 1. Einleitung Wie Sprache und Kultur sich gegensei- tig bedingen, davon wissen Übersetzer und Dolmetscher ein Lied zu singen. Den mühsamen Prozess der Vermittlung zwischen verschiedenen Weltsichten (Humboldt) hat schon Martin Luther in seinem „Sendbrief vom Dolmetschen“ bemerkt. „Ittliche sprag hat ihren eigen art“ schreibt er und meint damit sicher nicht nur die grammatischen Regeln der Sprachen, für die sich Sprachlehrerinnen und Sprachlehrer auf allen Kontinenten so begeistern können. Fast könnte man behaupten, dass die grammatischen Unterschiede von Sprachen im Vergleich zu den konzeptuellen eher marginal sind, aber diese Behauptung träfe nur be- dingt zu, ist doch auch die Grammatik einer Sprache Ausdruck einer bestimm- ten Weltsicht. Die kulturelle Bedingtheit von Sprache macht es so schwierig, miteinander zu kommunizieren, und zwar eigentlich nicht nur über kulturelle Gren- zen hinweg, sondern auch innerhalb ei- ner Gemeinschaft mit dem gleichen oder einem ähnlichen kulturellen Hinter- grund. Zu viele Konnotationen und In- terpretationen erschweren das gegen- seitige Verstehen. Um diese Schwierigkeiten zu vermeiden oder wenigstens einzudämmen, gibt es verschiedene Versuche sprachlicher Standardisierung, solche, die Sprachen sich selbst schaffen – wie sprachliche Rituale und Formeln, Register, Genres und Diskursschemata – und solche, die bewusst und gezielt von außen den Sprachen angetragen werden – wie etwa explizite sprachliche Normen (inklusive DIN-Normen der Begriffsdefinition) und Fachsprachen. Sowohl in Fachsprachen als auch in der Alltagssprache, die wachsender Internationalisierung und zunehmendem Kulturkontakt unterliegen, erhofft man sich dabei von visuellen Darstellungen klärende Hilfe durch ein- eindeutige Zuweisungen von Bild und Text. Genauso wie man von der interna- tionalen Verstehbarkeit der Musik, der Musik als „internationaler“ Sprache, ausgeht, genauso nimmt man weitläufig an, Bilder besäßen eine eigene inter- kulturelle Verbindlichkeit 1 . In Wirklichkeit aber trügt dieser Eindruck. Visuelle Reize sind zwar wahrnehmbar wie fremde sprachliche Laute und kön- nen dabei durchaus einen ästhetischen Reiz haben. Ob dieser Reiz jedoch auf verschiedene Kulturen gleich wirkt be- ziehungsweise von allen gleich (oder überhaupt) verstanden wird, ist fraglich. Es scheint daher nötig zwischen Wahr- nehmung und Verstehen zu unterschei- den.

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Jörg Roche

Sehgewohnheiten

„Wir sehen, was hinter unseren Augen ist.“

Chinesisches Sprichwort

1.Einleitung

Wie Sprache und Kultur sich gegensei-tig bedingen, davon wissen Übersetzerund Dolmetscher ein Lied zu singen.Den mühsamen Prozess der Vermittlungzwischen verschiedenen Weltsichten(Humboldt) hat schon Martin Luther inseinem „Sendbrief vom Dolmetschen“bemerkt. „Ittliche sprag hat ihren eigenart“ schreibt er und meint damit sichernicht nur die grammatischen Regeln derSprachen, für die sich Sprachlehrerinnenund Sprachlehrer auf allen Kontinentenso begeistern können. Fast könnte manbehaupten, dass die grammatischenUnterschiede von Sprachen im Vergleichzu den konzeptuellen eher marginal sind,aber diese Behauptung träfe nur be-dingt zu, ist doch auch die Grammatikeiner Sprache Ausdruck einer bestimm-ten Weltsicht. Die kulturelle Bedingtheitvon Sprache macht es so schwierig,miteinander zu kommunizieren, und zwareigentlich nicht nur über kulturelle Gren-zen hinweg, sondern auch innerhalb ei-ner Gemeinschaft mit dem gleichenoder einem ähnlichen kulturellen Hinter-grund. Zu viele Konnotationen und In-terpretationen erschweren das gegen-seitige Verstehen.

Um diese Schwierigkeiten zu vermeidenoder wenigstens einzudämmen, gibt esverschiedene Versuche sprachlicher

Standardisierung, solche, die Sprachensich selbst schaffen – wie sprachlicheRituale und Formeln, Register, Genresund Diskursschemata – und solche, diebewusst und gezielt von außen denSprachen angetragen werden – wie etwaexplizite sprachliche Normen (inklusiveDIN-Normen der Begriffsdefinition) undFachsprachen. Sowohl in Fachsprachenals auch in der Alltagssprache, diewachsender Internationalisierung undzunehmendem Kulturkontakt unterliegen,erhofft man sich dabei von visuellenDarstellungen klärende Hilfe durch ein-eindeutige Zuweisungen von Bild undText. Genauso wie man von der interna-tionalen Verstehbarkeit der Musik, derMusik als „internationaler“ Sprache,ausgeht, genauso nimmt man weitläufigan, Bilder besäßen eine eigene inter-kulturelle Verbindlichkeit1 .

In Wirklichkeit aber trügt dieser Eindruck.Visuelle Reize sind zwar wahrnehmbarwie fremde sprachliche Laute und kön-nen dabei durchaus einen ästhetischenReiz haben. Ob dieser Reiz jedoch aufverschiedene Kulturen gleich wirkt be-ziehungsweise von allen gleich (oderüberhaupt) verstanden wird, ist fraglich.Es scheint daher nötig zwischen Wahr-nehmung und Verstehen zu unterschei-den.

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2.Von der Schönheit imAuge des Betrachters

Von der Relativität ästhetischer Wahr-nehmung kann man sich leicht dadurchüberzeugen, dass man mit beliebigenGesprächspartnern über (post)moderneLiteratur, abstrakte Kunst oder experi-mentelle Musik diskutiert. Es wird nichtlange dauern, bis sich stark divergie-rende Perspektiven ergeben. SolcheDiskussionen besitzen in der Tat auchein hohes didaktisches Potenzial, das –sofern es geschickt kanalisiert wird – er-folgreich im Sprachunterricht und in derAusbildung interkultureller Kompetenzenganz allgemein ausgeschöpft werdenkann. Das Lehrwerk „Moment Mal“ ver-sucht dies zum Beispiel explizit in Ka-pitel 7 des ersten Bandes mit der The-matisierung von „Farben“.

Noch deutlicher als im Bereich dersprichwörtlichen Subjektivität ästheti-schen Empfindens, bei dem die Schön-heit ja bekanntlich im Auge des Be-trachters liegt, treten Wahrnehmungs-unterschiede aber auch bei vermeintlichobjektiven und objektivierbaren Darstel-lungen hervor, und zwar deshalb, weilsie dort am wenigsten erwartet werden.„Aha-Erlebnisse“ haben aber einen ganzbesonderen Reiz und eine ganz beson-ders nachhaltige didaktische Wirkung.Man betrachte sich hierzu die folgendenAbbildungen:

In welche Richtung „läuft“ die-ses Dreieck? Was ist innen undwas ist außen?

In welche Richtung führen dieStufen der Treppe, nach obenoder nach unten? Sieht man dieOber- oder die Unterseite derTreppe?

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Öffnet sich diese Spirale nachlinks oder nach rechts?

Zeigt dieser Würfel nach rechtsoder nach links? Sieht man dierechte oder die linke Außenseite?

Verlaufen die horizontalen Liniengerade oder sind sie nach innengebogen?

Ist dies ein richtiges Quadratoder sind die Seiten nach innengebogen?

Welche Linie ist die längere, dieobere oder die untere?

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Um sich Klarheit über die Objektivitätder Darstellung und die Perspektivitätder Wahrnehmung zu verschaffen, sollteman die Abbildungen entsprechendnachmessen.

In anderen Fällen ist die Wahrnehmungdurch eingespielte Routinen blockiertoder prädisponiert. So sind wir darangewöhnt, dass Landflächen auf Kartenstärker hervorgehoben werden als Was-

Ähnlich ist es auch bei stilisierten Abbil-dungen. Die meisten Betrachter werdenin der kanadischen Flagge zunächst le-diglich das Ahornblatt erkennen. Fürviele Kanadier ist die Abbildung aberauch anderweitig kontextualisiert. Siesehen darin versteckt, aber durchausrepräsentativ für das Land, die Streit-hähne Jacques und Jack, deren Köpferechts und links oben aneinanderge-drückt sind. Ihre langen Nasen ragenins „Blatt“ und ihre offenen Münder sinddarunter zu erkennen. Sie streiten sichmöglicherweise gerade darüber, in wel-cher der offiziellen Landessprachen derStreit ablaufen sollte.

serflächen. Das liegt wahrscheinlich da-ran, dass Landflächen für Mitteleuropäerin der Regel wichtiger sind als Gewäs-ser. Werden die Gewichtungen aberumgekehrt dargestellt (zum Beispiel aufSeekarten), so wird unsere Wahrneh-mung irritiert. Vieles bleibt so wahr-scheinlich völlig unverstanden. In denfolgenden Abbildungen werden Wasser-und Landflächen in umgekehrter Ge-wichtung dargestellt.

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Auch andere, recht eindeutig erschei-nende Zuweisungen zeigen bei genaue-rer Betrachtung wesentliche interkultu-relle Wahrnehmungsdifferenzen. Wiesollte man so zum Beispiel die Grund-farbe eines Zebras definieren, schwarzoder weiß?

mit Teil unserer Sprachen werden, dasswir die ausgedrückte Bildlichkeit garnicht mehr sehen. Sie werden als Me-taphern, Redewendungen, Schimpfwör-ter, Aphorismen, Sprichwörter und der-gleichen zu sprachlichen Routinen. IhreBedeutung kann von späteren Genera-tionen häufig gar nicht mehr oder nurschwer erschlossen werden.

So „kaufen wir die Katze im Sack“, „kom-men auf den Hund“, „ärgern uns schwarzüber eine Gans oder einen Esel“, „sitzenzwischen den Stühlen“ oder „sind aufdem Holzweg“, während „die Sonnelacht“ und „der Himmel weint“.

Wie sehr unsere Sprachen von solchenBildern bestimmt werden, zeigt sich inder Tat erst dann, wenn verschiedeneSprachen kontrastiert werden oder wennsich Kabarettisten darüber lustig ma-chen. Die folgenden türkischen Sprich-wörter „Suw körmeginçe etük tantma“(Ziehe deine Schuhe nicht aus, bevor duWasser siehst) oder „Ağaca balta vurmuş-lar“, ‘neyleyim sapø bendedir’ demiş“(Man schlug mit der Axt auf den Baumein, da sagte er „Der Griff ist aus mei-nem Körper gemacht“) stellen einenKontrast zum Deutschen dar, der zwarnachvollziehbar ist, aber dennoch dieFrage aufwirft, warum gerade die Bilder„den Tag nicht vor dem Abend loben“oder „den Teppich unter den Füßen weg-ziehen“ und dergleichen verwendet wer-den. Man betrachte hierzu des weiterendeutsch-englische Sprachmischungen,wie sie unter anderem in Filserbriefen(s. nächste Seite) und ähnlichen Genresauftreten.

Didaktisch lassen sich solche Sprach-mischungen auch im Grundstufenun-terricht bereits nutzbringend einsetzen,öffnen sie doch ein Fenster sowohl aufdie fremde als auch auf die eigeneKultur. Die folgende Aufgabe aus deminterkulturellen Sprachlehrwerk Für-und Widersprüche veranschaulicht dieVorgehensweise im Unterricht3.

Während das Zebra in Nordamerika undEuropa als weißes Tier mit schwarzenStreifen gilt, wird es in afrikanischen Kul-turkreisen als schwarzes Tier mit weißenStreifen gesehen2. Die vermeintlicheInternationalität von Bildern ist häufignur ein Trugschluss. Sie illustriert damitaber die allgemeine Problematik vonKommunikation und auch die der eherversteckten verbalen. Will man also zwi-schen Kulturen vermitteln, bedarf eswesentlich stärker differenzierter semio-tischer Verfahren, als die, die zur Zeitin der Sprach- und KulturvermittlungAnwendung finden.

3.Die Bilder im Kopf

Zur Abbildung verschiedener Weltsich-ten bedienen sich Sprachen gerne bild-licher Darstellungen, Darstellungen, diesich häufig dermaßen festsetzen und da-

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Royale im HundehausSusi, meine Sußigkeit,

wohl, das nimmt wirklich den Keks! Es war schlecht genug, als FergiesVati gefangen wurde, sein favorites Haus von krankem Ruf verlassend –aber wir können solche kleinen Imperfektionen übergucken; nach allem,für die obere Kruste sind Visiten zu solchen Etablierungen immer ein Partdes Lebens gewesen, und niemand hat je ein Augenlid gefledermaust.

Dann kamen die Stories von Prinzessin Anne und ihren stabilen Jungenauf der einen Hand und Mark Phillips mit seinem Anrufmädchen auf deranderen. Zu beginnen mit, dachte ich, es war alles eine Ladung Abfall,aber es gibt keinen Rauch ohne Feuer ...

Und bevor Du Jack Rubinson sagen kannst, gehen die Prinzessin Royalund ihr pferdeverrückter Mann ihre separaten Wege – sie spalten aufnach 16 Jahren zusammen im publiken Auge. Ich kann mich still erin-nern, wie die Queens älteste Tochter und der handsame Ordinäre in Lie-be fielen und sich engagierten. Sie schienen wirklich für einander ausge-schnitten zu sein – ein perfektes Match. Und jetzt kommt alles apart anden Säumen....

Liebe, Charles

Quelle: Egbert Daum in: Roche, Jörg und Mark Webber. Für- und Widersprüche.New Haven, 1985. Mit freundlicher Genehmigung der Süddeutschen Zeitung.

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Interessant hieran sind nicht nur die Ein-blicke in die fremde Kultur und reflexivüber diese in die eigene. Für interkultu-relles Lernen aufschlussreich ist vor al-lem auch die Beobachtung, dass dieselben Referenten in anderen (auch ver-wandten) Kulturen andere Bedeutungentragen. So gilt der Rabe in indianischenKulturen nicht etwa als lästige oderdümmliche Figur wie im Deutschen,sondern vielmehr als der Überbringerguter Botschaften, als Lehrer und alsSymbol für das Zusammenhalten ver-streuter Stämme. Es ist daher bemer-kenswert, dass gerade im Zeitalterzunehmender Internationalisierung ver-stärkt auf Symbole wie Tiere oder Farbenzurückgegriffen wird, denen eine „uni-verselle“ Bedeutung zugeschrieben wird,ohne dass diese aber interkulturell re-flektiert oder eingelöst würde. Die Euleals Symbol der Weisheit in vielen Mär-chen hat in zahlreichen Computerpro-grammen zum Beispiel die Funktion derHilfs- oder Nachschlagetaste übernom-men, steht aber – von Universalistenübersehen – in einigen Kulturen alsSymbol eines Todesbringers. Ebensoergibt sich aus den international stan-dardisierten Farbfunktionen der Ampelnnicht unbedingt eine Übertragbarkeitauf Lehr- oder Lernsituationen (zum Bei-spiel grün als leicht und rot als Fehler-meldung).

4.Sehgewohnheiten

Ähnlich ist es übrigens mit den Sehge-wohnheiten bei Cartoons und Filmen.Die Werbebranche hat das im Großenund Ganzen erkannt und adaptiert in derRegel ihre Werbungen für andere Kul-turen. Cartoon-Produktionen, zumal sol-che, die in Asien auch für den interna-tionalen Markt entwickelt werden, orien-tieren sich aber weitgehend an westli-chen Ästhetik-Standards, auch wenndiese im Ausgangsland nicht bekanntoder anders besetzt sind (zum Beispieldie Cartoon-Reihe und Fernsehserie

Eine Ente von vorne oder ein Eichhörnchen vonhinten. Die Schwanzfedern der Ente bildenden Kopf des Eichhörnchens, während derKopf der Ente gleichzeitig der Schwanz desEichhörnchens ist.

Entweder ein Seehund oder ein Esel. Die Flos-sen des Seehundes ragen in die Höhe undsind gleichzeitig die Ohren des Esels. Die Na-senlöcher des Esels sind die Augen des See-hundes.

Entweder ein Hase oder der Hinterkopf einesIndianers. Der Kopf und die Löffel des Hasenbilden das Haarband und die Feder auf demhinteren Teil des Indianerkopfes.

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Sailor Moon, die in Japan produziertwird). Und das amerikanische Film- undFernsehpublikum, das auf Verfolgungs-jagden, Gewalt und die Dramatisierungvon Recht und Unrecht filmisch soziali-siert ist, findet nur schwer Zugang zuden Themen und filmischen Technikenvon Produktionen aus anderen Kultur-kreisen. Es sei denn, sie entsprechen –wie zum Beispiel „Das Boot“ – amerika-nischen Sehgewohnheiten. Die alljährlichmit großem Aufwand betriebene Verlei-hung der Oscars in Hollywood ist damitauch eher Selbstbespiegelung als Aus-zeichnung bester internationaler Filme.Deutsche Fernsehfilme erscheinen demnordamerikanischen Publikum allgemeinals zu langsam, französische Talk Showszum Beispiel als zu gekünstelt.

„For example, there is a long Germantradition of foregrounding the processof narration in television films: the storymay start with the end and retrace theevents that led to it, the filmmaker/narra-tor may appear in person to give meta-comments on the narrative, thus des-troying the filmic illusion. In addition, be-cause of the traditional lack of interrup-tions for commercial purposes, Germantelevision viewers have long attentionspans and enjoy slow reflective narrativestyles. By contrast, American cinematicstyle prefers to obliterate all traces ofenunciation: narration is chronological,events unfold linearly as in ‘real time’,viewers are able to identify with the cha-racters. Uninformed American viewersof German television films tend to findthe lack of American-type suspense andaction disconcerting, and the pace tooslow; they confuse the lack of identifica-tion possibilities with ‘intellectualism’“.4

Die kulturelle Bedingtheit der Sichtwei-sen filmischer Medien gerade bei demim Fremdsprachenunterricht an Beliebt-heit gewinnenden Genre „Sitcom“ zeigtfolgender Kommentar in der Süddeut-schen Zeitung vom 15. März 1994 sehranschaulich:

„Seichter Humor ist ein störrischer Stofffür Übersetzer. Tagelang plagen sichdie Synchronautoren, ehe die Wortspieleder „Golden Girls“ zu ein paar deutschenScherzen geronnen sind, und auch diekönnen noch in die Hose gehen, weildas hiesige Publikum es möglicherweisedämlich findet, wenn eine Großmutteranzügliche Bemerkungen macht – egalwie diese nun übersetzt werden.“

5.Vom Bild zur Sprache

Wir nehmen nicht nur statische und be-wegte Bilder in einer bestimmten – ineiner kulturspezifischen Weise mit allenihren Variationen – wahr, wir bilden dieWelt, auch die sprachlich realisierte, inBildern ab, zum Beispiel in Metaphernund Redewendungen (siehe Roche20015). Wir entwickeln Konzepte, die inirgendeiner Art zu einer sprachlichen Re-alisierung finden. Diese sprachliche Rea-lisierung ist aber häufig nur die Oberflä-che. Um eine Sprache – und die Men-schen, die sie verwenden – richtig zuverstehen, gilt es aber, hinter die meistfossilisierte Oberfläche zu blicken unddie zugrundeliegenden Konzepte zu er-schließen. Das gilt zum Beispiel für dieVerwendung von du und Sie oder dieUnterscheidung von abgeschlossenerZeit oder Erzählzeit (Präteritum) und po-tenziell in Gegenwart und Zukunft anhal-tender Wirkung der Vergangenheit oderBerichtzeit (Perfekt). Es gilt aber auchfür räumliche Konzepte wie die Markie-rung von Grenzüberschreitungen durchdie Wechselpräpositionen im Deutschen(ich gehe in das Zimmer versus ich geheim Zimmer auf und ab). Wir bilden dieBilder in Sprache ab und häufig auch dieSprache in Bildern. Wie idiosynkratischdiese Abbildungen dabei sein können,zeigen die sogenannten „mind maps“.Die folgende mentale Karte gibt die sub-jektive Abbildung der deutschen Geogra-fie bei einer amerikanischen Studentinwieder, die offensichtlich eine besonde-re Beziehung zum Raum Stuttgart hat.

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Natürlich bilden wir Sprache auch in gra-femischen Realisierungen ab. DasSchriftbild erscheint sozusagen vor unse-ren inneren Augen. Jedenfalls sind wirdarauf dermaßen sozialisiert, dass unsauch diese Bilder leicht in die Irre leitenkönnen. Ein Deutschsprachiger, der aufReisen den Schriftzug

– zum Beispiel an einem Bus und unterUmständen auch in einem englischspra-chigen Land – wahrnimmt, wird (vielleichtsogar mit Verwunderung) zunächst anentsprechende deutsche Begriffe den-ken und möglicherweise erst beim zwei-ten Hinsehen mit gewisser Überraschungfeststellen, dass ihn seine gewohnteWahrnehmung vereinnahmt hat, dannnämlich, wenn er den gesamten Schrift-zug „Not in Service“ wahrnimmt. Ein kleingeschriebenes „not“ hätte die besagteFestlegung mit Sicherheit weniger starkvorgeprägt.

Zu den visuellen Mitteln der Kommuni-kation gehören bekanntlich aber auchGestik und Mimik. Und auch diese Bil-der unterscheiden sich zwischen Kultu-ren. So bemerken zum Beispiel Erickson/Schultz (1982)6 wesentliche Unterschie-de im Verhalten schwarzer und weißerAmerikaner in bezug auf Kopfnickenund Blickkontakt. Nicht-sprachlichesVerhalten ist normalerweise mit dementsprechenden sprachlichen Verhaltensynchronisiert, um die Kommunikationzu unterstützen oder zu entlasten. Esüberrascht aber, dass trotz der großenBedeutung derartiger Gesprächskonven-tionen und ihrer nicht-spachlichen Kon-textualisierung in authentischer Kom-munikation bisher wenig davon Eingangin den Sprachunterricht gefunden hat.

Trotz der Fülle der Differenzen zwischenKulturen ist kaum einem Lerner unmit-telbar klar, wie stark Sprachen eigentlichvon den ihnen zugrundeliegenden Kul-turen und Bildkulturen abhängig sind.

Not ...

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Um diese tiefgreifende Beziehung eini-germaßen zu veranschaulichen, wird ge-legentlich auf die Metapher des „Eis-bergs“ zurückgegriffen, bei dem der

größte Teil, der tragende Teil, unter derWasseroberfläche verborgen bleibt(Chase et al. 1996)7.

Awareness

fine artsliterature

drama

musicdancing

fooddress

S u

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notions of modestyconceptions of beauty

ideas governing childraisingrules of descentcosmology

relationship to animalspatterns of superior/subordninate relations

definition of skincourtship practices

conception of justice incentives to work

history notions of leadership tempo of work

patterns of decision-making conception of cleanliness

attitudes towards the dependent theory of diseaseapproaches to problem-solving

conception of status mobilityroles inrelation to age, sex, occupation, kinship etc.

eye behaviour conversational patterns in social settings

conception of past and future definition of insanitynature of friendship ordering of time conception of self

patterns of visual perceptionpreference for competition or cooperation

body languagesocial interaction ratenotions of adolescence

notions about logic and validity

pattern of handling emotionsfacial expressions

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Aus dieser Abbildung geht unter anderemhervor, dass die folgenden tiefliegenden,kulturspezifischen Einstellungen undWerte einen direkten, wenn auch impli-ziten, Einfluss auf sprachliche Realisie-rungen haben und daher nicht leicht zuvermitteln sind:

• die Neigung einer Kultur zum Indivi-dualismus oder Kollektivismus

• die Beziehung zu Macht und Autorität• Akzeptanz, Toleranz und Erwartung

von Kritik• Einstellungen zur Höflichkeit• die Vermeidung von unsicherem Ver-

halten/Auftreten ...• eine spezifische Auffassung von Ge-

schlechterrollen, wie sie zum Beispielin der Dominanz des Männlichen oderWeiblichen ausgedrückt wird

• die Bedeutung der Religion.

Auch wenn vieles davon in Sprache nurimplizit ausgedrückt wird, erscheinenzahlreiche kulturspezifische Einstellun-gen und Werte institutionalisiert in be-stimmten Diskurskonventionen, zumBeispiel religiösen Ritualen. Sie steuerndamit unter anderem:

• welche Themen ausgewählt oder bes-ser vermieden werden

• wie mit Tabuthemen umzugehen ist• in welcher Form Register und kom-

munikative Stile erscheinen8

• wie kulturspezifische konstitutiveMerkmale ein Genre prägen

• wie viel in Worten ausgedrückt werdenmuss oder implizit bleiben kann, denGrad der Ellipse also.

6.Umsetzung im Unterricht

Bekanntes im Fremden zu entdecken,bereitet meist große Freude, scheint esdoch einen Teil der bedrohlichen Unsi-cherheit wegzunehmen, die Fremdesbietet. Die Werbung nutzt dieses Prinzip,besonders die Fremdenverkehrswer-bung, die Presse, die Filmindustrie und

die Lehrmaterialien für den Fremdspra-chenunterricht. Gerade graphische Dar-stellungen und Bilder projizieren undfördern nämlich eine stereotype Wahr-nehmung von der Fremde. Bei den Lehr-werken gilt das verstärkt für solche, dienicht im Zielland produziert werden.Autobahnen und Bierzelte prägen dahernach wie vor einen überproportionalenAnteil deutschsprachiger Lehrwerke imAusland. Allerdings ist das auch wiedernicht gar so schlecht, sofern man richtigdamit umzugehen weiß. Allzu groß istaber die Gefahr, dass die stereotypeDarstellung zu einer Verfestigung der be-stehenden Wahrnehmungsmuster bei-trägt. Nutzt man aber die Vorwahrneh-mung als Anlass zur Gegenüberstellungund damit als Auslöser kritischer Refle-xionsprozesse, so können auch stereo-type Darstellungen eine sinnvolle heu-ristische Funktion übernehmen. Die indiesem Beitrag abgedruckten Abbildun-gen eignen sich für ein Auslösen kriti-scher Reflexionsprozesse in besondererWeise, weil sie zunächst eine gewohnteWahrnehmungsweise suggerieren, dieaber von anderen Kursteilnehmern nichtunbedingt geteilt werden muss. Dieseanderen Perspektiven lassen sich aberunmittelbar nachvollziehen und evozie-ren dabei einen spielerischen (also we-nig bedrohlichen) explorativen Umgangmit visuellen Wahrnehmungen. Dieserexplorative Umgang sollte sich leichtauf andere Darstellungen und die Wahr-nehmung allgemein übertragen lassen.

Die Wahrnehmungsprozesse lassensich darüber hinaus auch in einem Meta-diskurs reflektieren, das heißt, es könnenweitere Beispiele aus der eigenen Er-fahrung der Kursteilnehmer gesammeltwerden und es kann versucht werdenzu ergründen, wie es zu spezifischenWahrnehmungen kommt, welche Leis-tungen sie erbringen und welche Ge-fahren sie beinhalten. Vielleicht kennendie Lerner sogar weitere Fälle von per-spektivisch bedingten optischen Täu-schungen, wie zum Beispiel Verzerrun-

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Fußnoten und Anmerkungen1 Zur Rolle interkultureller Wahrnehmung der Musik siehe Baumann, Max Peter:

„Zwischen Nationalismus, Moderne und Globalisierung.“ In: Begegnung undKonflikt – Eine kulturanthropologische Bestandsaufnahme. Hg. von Fiken-tscher, Wolfgang. Bayerische Akademie der Wissenschaften, München, 2001,(im Druck).

2 Siehe auch Hubbard, Ann: „The Zebra’s Stripes.“ In: Experiential Activities forIntercultural Learning. Hg.: von Ned Seelye, Yarmouth (Maine), 1996, 33-37.

3 Roche, Jörg und Mark Webber: Für- und Widersprüche. New Haven, 1995.4 Kramsch, Claire: „Culture in Language Learning: A View from the United

States.” Foreign Language Research in Cross-Cultural Perspective. Hg. vonKees de Bot, Ralph B. Ginsberg and Claire Kramsch. Amsterdam, J. BenjaminsPub. Co., 1991, S. 233.

5 Roche, Jörg: Interkulturelle Sprachdidaktik. Eine Einführung. Tübingen,Gunter Narr Verlag, 2001.

6 Erickson, F. und J. Schultz: The Counselor as Gatekeeper. New York, 1982.7 Chase, Mackie und Moira de Silva: Pre-Departure Preparation Facilitator’s

Manual. Vancouver: Intercultural Training and Resource Centre/British ColumbiaCentre for International Education/The Canadian Bureau for International Edu-cation, 1995.

8 Sprachen besitzen ja verschiedene Register, die unterschiedlichen Regeln un-terliegen; sie variieren in bezug auf Direktheit und Indirektheit, den Grad derExplizität, die Beziehung zwischen verbalen und non-verbalen Ausdrucksmit-teln und in der Systematik des Gesprächsrollenwechsels.

9 Siehe auch Escher, M.C. und J. L. Locher: The World of M.C. Escher. New York,1971; Smith, Gary und George Otero: Behind Our Eyes. In: Experiential Acti-vities for Intercultural Learning. Hg. von Ned Seelye, Yarmouth (Maine), 1996,27-31; und Block, Richard und Harold Yuker: Ich sehe was, was Du nichtsiehst. Stuttgart, 1993.

10 Siehe: Roche, Jörg: Lerntechnologie und Spracherwerb. Grundrisse einermedienadäquaten, interkulturellen Sprachdidaktik. Deutsch als Fremd-sprache 3/2000, 136-143; Roche, Jörg: Vom Medienmangel in der Lehre undvom Lehrmangel in den Medien. In: Die Geisteswissenschaften in der In-formationsgesellschaft. Hg. von Venanz Schubert: Wissenschaft und Philo-sophie. Interdisziplinäre Studien, Band 23. St. Ottilien, 2001.

Abbildungsverzeichnis

Abbildungen 1, 2, 3, 4, 5, 6 aus Smith, Gary und George Otero: Behind Our Eyes.In: Experiential Activities for Intercultural Learning. Hg. von Ned Seelye, Yar-mouth (Maine), 1996, 30/31.

Abbildungen 7, 8 aus Block, Richard und Harold Yuker: Ich sehe was, was Dunicht siehst. Stuttgart 1993, 25/36.

Abbildungen 9, 10 aus Hubbard, Ann: „The Zebra’s Stripes.“ In: ExperientialActivities for Intercultural Leanring. Hg. von Ned Seelye, Yarmouth (Maine),1996, 35/36.

Texte 10, 11 aus Roche, Jörg und Mark Webber: Für- und Widersprüche. NewHaven, 1995.

Abbildung 13 aus Behal-Thomsen, Heinke et al: Typisch Deutsch? Berlin/Mün-chen, 1993, 96.

Abbildung 14 aus Chase, Mackie und Moira de Silva: Pre-Departure PreparationFacilitator’s Manual. Vancouver: Intercultural Training and Resource Centre/Bri-tish Columbia Centre for International Education/The Canadian Bureau for Inter-national Education, 1995.

gen im Spiegel9. Vertiefen lassen sichdiese Erkundungen durch gezielte Re-cherchen in verschiedenen Kulturen unddurch eine Übertragung auf sprachlicheWahrnehmungen (inklusive Gestik, Mi-mik, Pausen etc.). Die genannten inter-kulturellen Lehrwerke für den UnterrichtDeutsch als Fremdsprache, insbeson-dere „Typisch Deutsch?“ und „Für- undWidersprüche“, aber auch die LIFE-Sammlungen, bieten hierzu ausführlicheHilfestellungen und Quellen.

7.Schluss

Das Potenzial von Bildern und anderenVisualisierungen wird in der interkulturel-len Kommunikation häufig fehleinge-schätzt. Zum einen verbinden sich mitdem Medium der visuellen Übertragungunrealistische Vorstellungen über dieKommunikationserleichterung (im Sinneeiner universellen Bildkultur), zum ande-ren werden die Chancen des Mediumszu wenig genutzt. Auch Bilder sindschließlich mentale Konstrukte und keineeins-zu-eins-Abbildungen der Wirklich-keit (Bilder-Kulturen). Ihre Wahrnehmungvariiert also von Betrachter zu Betrach-ter. Als solche Konstrukte eröffnen sieaber ungeahnte Einblicke in die Denk-weisen anderer Menschen und Kulturen,sind also ein ausgesprochen gut geeig-netes didaktisches Mittel, um sich Bil-der von Kulturen zu machen. Wie sie alssolches eingesetzt werden können, wur-de hier skizziert. Bemerkenswert ist indiesem Zusammenhang auch die Über-flutung mit visuellen Reizen durch dasInternet. Es ist ja schließlich in ersterLinie bildgestützt, und diese Ausrichtungauf visuelle Reize wird durch die zuneh-mende Verwendung von Animationenund Videos noch weiter verstärkt. DasInternet operiert per definitionem überGrenzen hinweg. Insofern müsste dortgerade besonders auf die interkulturelleVermittelbarkeit visueller Nachrichtengeachtet werden, vor allem natürlich invirtuellen Lehrangeboten. Gerade das

ist aber nicht der Fall. InterkulturellesMissverstehen ist damit programmiert,für Sprach- und Kulturdidaktiker ein rie-siges Arbeitsgebiet, das bisher wegender Kurzsichtigkeit wirtschaftlicher In-teressen nicht in den Fokus der Wahr-nehmung geraten ist. Die Aufgaben derSprach- und Kulturdidaktik werden des-halb durch die neuen Medien nicht not-wendigerweise vereinfacht10.