Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

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AGRAR FORSCHUNG SCHWEIZ Juni 2010 | Heft 6 Nutztiere Umtriebsweide bei der Schafsömmerung: Auswirkungen auf die Vegetation Seite 216 Umwelt Rekultivierungen im Vergleich mit natürlich gewachsenen Böden Seite 232 Pflanzenbau Bedroht der Gelbrost den Weizenanbau in der Schweiz? Seite 244 Agroscope | BLW | SHL | AGRIDEA | ETH Zürich

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Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die Zeitschrift der landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope und ihren Partnern. Die Zeitschrift erscheint auf Deutsch und Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus Forschung, Industrie, Lehre, Beratung und Politik, an kantonale und eidgenössische Ämter und weitere Fachinteressierte.

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AgrArforschung schweiz

J u n i 2 0 1 0 | H e f t 6

Nutztiere Umtriebsweide bei der Schafsömmerung: Auswirkungen auf die Vegetation Seite 216

Umwelt Rekultivierungen im Vergleich mit natürlich gewachsenen Böden Seite 232

Pflanzenbau Bedroht der Gelbrost den Weizenanbau in der Schweiz? Seite 244

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Berner FachhochschuleHaute école spécialisée bernoiseSchweizerische Hochschulefür Landwirtschaft SHLHaute école suisse d’agronomie HESA

Agroscope

ImpressumAgrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die Zeitschrift der landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope und ihren Partnern. Die Zeitschrift erscheint auf Deutsch und Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus Forschung, Industrie, Lehre, Beratung und Politik, an kantonale und eidgenös sische Ämter und weitere Fachinteressierte.

HerausgeberinAgroscope

Partnerb Agroscope (Forschungsanstalten Agroscope Changins-Wädenswil

ACW; Agroscope Liebefeld-Posieux ALP und Schweizerisches Nationalgestüt SNG; Agroscope Reckenholz-Tänikon ART)

b Bundesamt für Landwirtschaft BLW, Bernb Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft SHL, Zollikofenb Beratungszentralen AGRIDEA, Lindau und Lausanne b Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich,

Departement Agrar- und Lebensmittelwissenschaften

Redaktion Andrea Leuenberger-Minger, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agro nomique Suisse, Forschungs anstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00, E-Mail: [email protected]

Judith Auer, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, Postfach 1012, 1260 Nyon 1, E-Mail: [email protected]

Redaktionsteam Vorsitz: Jean-Philippe Mayor (Direktor ACW), Eliane Rohrer (ACW), Gerhard Mangold (ALP und SNG), Etel Keller-Doroszlai (ART), Karin Bovigny-Ackermann (BLW), Beat Huber-Eicher (SHL), Philippe Droz (AGRIDEA), Jörg Beck (ETH Zürich).

AbonnementPreiseZeitschrift: CHF 61.–* (Ausland + CHF 20.– Portokosten),inkl. MWSt. und Versandkosten, Online: CHF 61.–** reduzierter Tarif siehe: www.agrarforschungschweiz.ch oder [email protected]

AdresseNicole Boschung, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00, E-Mail: [email protected]

Internet www.agrarforschungschweiz.chwww.rechercheagronomiquesuisse.ch

ISSN infosISSN 1663-7852 (Print)ISSN 1663-7909 (Internet)Schlüsseltitel: Agrarforschung SchweizAbgekürzter Schlüsseltitel: Agrarforsch. Schweiz

© Copyright Agroscope. Nachdruck von Artikeln gestattet, bei Quellenangabe und Zustellung eines Belegexemplars an die Redaktion.

215 Editorial

Nutztiere

216 Umtriebsweide bei der Schafsömmerung: Auswirkungen auf die Vegetation Marco Meisser und Catherine Chatelain

Nutztiere

222 Futteraufnahme und Gewichtsent- wicklung von Mutterkühen mit Kalb Marc Boessinger, Jacques Emmenegger,

André Chassot und Isabelle Morel

Nutztiere

228 Siliermittel: Testergebnisse 2009Ueli Wyss

Umwelt

232 Rekultivierungen im Vergleich mit natürlich gewachsenen BödenMatthias Stettler, Christoph Stettler und

Beat Huber-Eicher

Agrarwirtschaft

238 Biolandbau: Warum nur wenige Ackerbau betriebe umstellenAli Ferjani, Albert Zimmermann und

Linda Reissig

Pflanzenbau

244 Bedroht der Gelbrost den Weizenanbau in der Schweiz?Fabio Mascher, Michel Habersaat und

Stefan Kellenberger

252 Porträt

253 Aktuell

255 Veranstaltungen

InhaltJuni 2010 | Heft 6

Das Walliser Schwarznasenschaf wird in der warmen Jahreszeit gesömmert. ACW hat auf einer Alp im Ober­wallis Versuche mit Umtriebsweide bei der Schaf­sömmerung durchgeführt. Die Schafe der Versuchs ­herde gehörten den Rassen «Weisses Alpenschaf» und «Walliser Schwarznasenschaf» an. (Foto: Hélène Tobler, ACW)

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Editorial

215Agrarforschung Schweiz 1 (6): 215, 2010

Welche Zukunft ist unseren Alpen beschert?

Liebe Leserin, lieber Leser

Die Alpwirtschaft ist mit einer schwierigen Situation konfrontiert: Die

Anzahl der gesömmerten Tiere geht zurück, die Produktionskosten auf der

Alp sind hoch, die Arbeit ist mühsam, oft fehlt es an qualifiziertem Personal

und die gesetzlichen Vorschriften werden zusehends verschärft.

Diese Situation wirkt sich auf die Alpbewirtschaftung aus, die sich immer

stärker polarisiert. Die Bewirtschaftungsintensität nimmt auf den geeig-

netsten Flächen zu, während die unrentabelsten Alpen von der Aufgabe

bedroht sind. Das Milchvieh wird oft durch Rinder, Mutterkühe oder Schafe

ersetzt.

Angesichts all dieser Herausforderungen ist es dringend notwendig,

neue Instrumente zur Alpbewirtschaftung zu entwickeln. Eine Studie von

ACW, die in dieser Ausgabe auf Seite 216 vorgestellt wird, befasste sich mit

der Umtriebsweide bei Schafsömmerung. Dieses bezüglich Unterhalt und

Nutzung der Weideressource sehr vorteilhafte Weidesystem erlaubt es, den

Weidedruck auf die verschiedenen Vegetationszonen der Alp anzupassen.

In tiefer gelegenen, aufgeforsteten Zonen wird der Weidedruck erhöht,

während im höher gelegenen Alpteil, wo die Flora empfindlich reagiert, der

Weidedruck begrenzt wird. Dieser unterschiedliche Weidedruck trägt zur

Erhaltung der botanischen Vielfalt bei. Ein Paradox bleibt: Die «extensive»

Bewirtschaftung grosser Flächen (tieferer Besatz oder Ersatz von Rindern

durch Schafe) zieht häufig Mehrarbeit und einen höheren Materialbedarf

nach sich. Auch wenn die Unterstützung des Staates erlaubt, einen Grossteil

der Zusatzkosten zu decken, so bleiben diese Mittel oft unzureichend.

Die Zukunft der landwirtschaftlichen Bergzonen wirft zahlreiche, globa-

lere Fragen auf, die in drei Forschungsprogrammen behandelt werden: Agri-

montana, AlpFUTUR und Mountland. Das erste dieser Programme befasst

sich mit der Rolle der Berglandwirtschaft im Zusammenhang mit der nach-

haltigen Entwicklung dieser Regionen. Das zweite bezweckt die Abklärung

der Bewirtschaftungsperspektiven der Sömmerungsalpen für die kommen-

den 10 bis 40 Jahre. Mountland schliesslich befasst sich unter anderem mit

der Ermittlung der Auswirkungen der Klimaerwärmung auf die Bewirt-

schaftungssysteme.

Künftig werden sich die Alpzusammenlegungen, die Extensivierung

eines Teils der Alpen und die Aufgabe der Milch- zugunsten der Fleischpro-

duktion noch verschärfen. Die agronomischen, ökologischen, sozialen und

«touristischen» Herausforderungen der Alpen werden noch stärker an

Bedeutung gewinnen. Diese Entwicklung wird bedingen, dass sich sämtliche

Akteure, aufeinander abstimmen. Die Herausforderungen sind gross, aber

die Sache verdient es bei weitem, verteidigt zu werden.

Marco Meisser,Agroscope Changins­Wädenswil ACW

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216 Agrarforschung Schweiz 1 (6): 216–221, 2010

für die Schafhaltung weit weniger verbreitet. Beim

Material wurden jedoch grosse Fortschritte gemacht,

so dass es heute möglich ist, selbst auf schwierigem

Gelände Hochleistungszäune anzubringen.

In einem zwischen 2000 und 2002 geführten Ver-

such haben Troxler und Chatelain (2006) mit der Bil-

dung von elektroumzäunten Koppeln Möglichkeiten

und Grenzen der strikten Umtriebsweide aufgezeigt.

In diesem Artikel werden wir die Auswirkungen dieses

Weidesystems auf die Alpvegetation beleuchten. Im

Jahre 2002 und anschliessend im Jahre 2009 wurden

auf 36 Probeflächen botanische Untersuchungen

durchgeführt, um die Umtriebsweide bei Schafsöm-

merung unter dem Aspekt der Pflanzenvielfalt zu

beurteilen.

M a t e r i a l u n d M e t h o d e n

Die Nivenalp ist eine Schafsömmerungsalp, die sich in der

Region von Leukerbad (VS) befindet. Sie erstreckt sich

über die Gemeinden von Erschmatt und Bratsch und liegt

auf 1950 bis 2700 m Höhe. Ihre Hänge sind hauptsächlich

südlich ausgerichtet. Der Boden besteht aus Kalk- und Kie-

selkalkfelsen. Ursprünglich sömmerten auf der Nivenalp

Rinder, junge Pferde und Schafe. Seit über zehn Jahren

sömmern dort nun aber rund 1000 Schafe und einige Pfer-

de. Die Schafe gehören mehrheitlich der Rasse «Weisses

Alpenschaf» (reinrassig oder gekreuzt) und «Walliser

Schwarznasenschaf» an. Seit dem Jahr 2000 wird die

Umtriebsweide betrieben. In den ersten drei Jahren (2000

bis 2002) gab es fünf Weidekoppeln. Im Laufe dieser

Testphase wurden die Umzäunungen manchmal verstellt

um die Koppelfläche auszugleichen oder den Tieren den

Zugang zum Wasser zu ermöglichen. Erst ab dem Jahre

2003 wurden die Anzahl der Koppeln und ihre Gestaltung

definitiv (Abb. 1). Im Allgemeinen beginnt die Sömmerung

gegen den 20. Juni und endet um den 15. – 20. September.

Der tiefer gelegene Teil – vier umzäunte Koppeln – wird für

die ersten 50 Tage benützt. Der hochgelegene, nicht

umzäunte Teil, wird von Anfang August bis Mitte Septem-

ber beweidet. Vor dem Jahr 2000 gab es keine ständige

Behirtung und die Schafe konnten während der 90-tägi-

gen Beweidung sämtliche Alpzonen frei beweiden.

Marco Meisser und Catherine Chatelain, Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, 1260 Nyon

Auskünfte: Marco Meisser, E-Mail: [email protected], Tel. +41 22 363 47 42

N u t z t i e r e

Umtriebsweide bei der Schafsömmerung: Auswirkungen auf die Vegetation

E i n l e i t u n g

Der Schweizer Schafbestand beläuft sich auf 450 000

Tiere (BFS 2009); die Hälfte davon wird gesömmert.

Auf den meisten Alpen werden die Schafe im freien

Weidegang gehalten. Diese Bewirtschaftungsart geht

oft mit einer sehr ungleichen Nutzung der Weide ein-

her. Die tiefer gelegenen Zonen, die sich oft in Wald-

nähe befinden, sind unterbeweidet, während die sen-

siblen Zonen auf der Alp oft überbeweidet sind.

Seit dem Jahre 2003 fördert der Bund die ständige

Behirtung und die Umtriebsweide dank einer Diffe-

renzierung in Bezug auf die Sömmerungsbeiträge.

Während die Umtriebsweide mit fixen Umzäunungen

ein relativ gängiges Rinderhaltungssystem ist, so ist es

Ungefähr die Hälfte des Schweizer Schafbestandes wird gesömmert.

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Agrarforschung Schweiz 1 (6): 216–221, 2010

Der Weidegang von Schafen in sensiblen

Zonen ist heikel. Bei schlechter Weidefüh-

rung vermindert sich der Pflanzenbestand

und die floristische Artenvielfalt geht zurück.

Insofern ist es wünschenswert, neue Herden-

führungstechniken zu entwickeln. Die von

ACW durchgeführte Studie bezweckt die

Beurteilung der Umtriebsweide bei Schaf-

sömmerung unter dem Aspekt der Pflanzen-

vielfalt. Im Jahr 2002 und anschliessend im

Jahr 2009 wurden auf 36 Probeflächen

anhand der Braun-Blanquet-Methode botani-

sche Untersuchungen durchgeführt. Im Laufe

der sieben Beobachtungsjahre blieben die

Hauptindikatoren (Artenzahl, sowie Shannon

und Evenness-Indices) stabil oder entwi-

ckelten sich positiv. Bezüglich botanischer

Zusammensetzung oder Deckungsgrad

entwickelte sich die Vegetation in dieser Zeit-

spanne nur zögerlich. Diese Ergebnisse legen

daher nahe, dass eine gut geführte Umtriebs-

weide zur Erhaltung der botanischen Vielfalt

beiträgt. Da die Studie jedoch nur über eine

beschränkte Zeitdauer erfolgte, sind die

Ergebnisse mit Vorsicht zu geniessen.

Ein Teil der Herde wurde manchmal in den tiefer gelege-

nen Teil der Alp gebracht, um gewisse Zonen abzuweiden.

In den Jahren 2002 und 2009 wurden auf 36 Probe-

flächen in den vier Koppeln botanische Erhebungen

zur  Abdeckung der verschiedenen Vegetationsarten

ge macht. Die Beobachtungen fanden kurz vor der

Ankunft der Tiere statt. Im Jahre 2002 wurden die geogra-

fischen Koordinaten der Probeflächen mittels GPS aufge-

nommen. Ausserdem wurden jeweils zwei Metallpflöcke

im Boden angebracht, um den Standort der Probeflächen

genau zu markieren. Im Jahre 2009 wurde ein Metall-

detektor zur Aufspürung dieser Metallpflöcke eingesetzt.

Die von der gleichen Person im Jahre 2002 und 2009 mit

der Methode Braun-Blanquet (1964) durchgeführten

Erhebungen fanden im Allgemeinen auf Quadraten von

25 m² statt. Die verwendete Nomenklatur ist jene der

Flora Helvetia von Lauber und Wagner (2000).

Statistische Untersuchungen

Die botanischen Untersuchungen wurden aufgrund von

zwei Kriterien ausgewertet: Nach der Artenliste (Anwe-

senheit-Abwesenheit) und ihrem Deckungsgrad (durch-

schnittliche, auf der Basis des Abundanz-Dominanz-Koef-

fizienten errechnete Deckung). Der Shannon-Index (H)

und der Gleichverteilungsindex (Evenness) wurden

anhand von Deckungswerten errechnet. Der Shannon-

Index dient der Charakterisierung der floristischen Arten-

vielfalt eines bestimmten Gebiets. Er hängt vom spezifi-

schem Artenreichtum und der Dominanzstruktur ab und

errechnet sich anhand folgender Formel: H = – [pi·log2pi],

wo pi die relative Abundanz von der Art i ist. Der Gleich-

verteilungsindex spiegelt die Dominanzstruktur wieder:

Dieser Indikator ist nicht mit dem spezifischen Artenreich-

tum korreliert: E = H / log2q, wo q die Artenanzahl dar-

stellt. Ferner wurden die durchschnittlichen Ökowerte

jeder Probefläche errechnet, indem die Zeigerwerte jeder

Art (Landolt 1977) mit ihrer Deckung gewichtet wurden.

Schliesslich erlaubte eine Korrespondenzanalyse den

Nachweis der Vegetationsgradiente.

Die phytosoziologische Diagnose (Erstellung einer

Vegetationstypologie) wurde mittels multivariaten Ana-

lysen und Gruppierungstechniken durchgeführt. In den

meisten Fällen handelt es sich bei diesen Gruppen um

Mosaike, die den Verbänden des Nardion und Seslerion

ähneln. Zur Vereinfachung haben wir folgende Bezeich-

nungen verwendet: Nardion für Verbände, die durch die

Präsenz von Borstgrasrasen-typischen acidophilen Arten

charakterisiert sind (Arnica montana, Campanula barbata

usw.), ohne dabei die Präsenz von Flecken kalkliebender

Arten vom Seslerion zu vergessen. Elynion für Elynion-

Seslerion, Caricion curvulae für die verarmte Form von

Nardion-Seslerion mit Tendenz gegen C. curvualae; Poion

Umtriebsweide bei der Schafsömmerung: Auswirkungen auf die Vegetation | Nutztiere

000000000 250250250250250250250250250 500500500500500500500500500

metresmetresmetresmetresmetresmetresmetresmetresmetres

2

4

1

3

Standorte der Koppeln ab dem Jahre 2003Alpgrenze (ohne Umzäunung)Elektrozäune

Probeflächen zur Beobachtung der Vegetation

AFS_06_2010_Abb_1_D.pdf 1 28.05.10 11:52

Abb. 1 | Standorte der Umzäunungen ab dem Jahre 2003. Die 36 Probeflächen der Vegetationsbeobachtungsstudie sind mit einem roten Punkt versehen. Die Informationen betreffend die Fläche der Koppeln und die Verteilung der Probeflächen sind auf den Tabellen 1 und 2 ersichtlich. Der hochgelegene, nicht umzäunte Teil liegt im Norden der vier Koppeln.

alpinae für die angereicherte und sehr beweidete Form

von Nardion und Junipero-Laricetum (Lärchenwald) für

die Grasvegetation unter einem Lärchenwaldbewuchs.

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218 Agrarforschung Schweiz 1 (6): 216–221, 2010

bereinigter Fläche. In diesem Teil wurde das Verhältnis

der  ungeniessbaren Vegetation, nämlich von Borstgras

(Nardus stricta) und Sträuchern, auf rund 30 % geschätzt.

Der Weidedruck war in den beiden tiefer gelegenen Kop-

peln deutlich höher als in den Koppeln Nr. 3 und 4. Im

hochgelegenen, nicht umzäunten Alpteil war die Weide-

intensität deutlich tiefer als im tiefer gelegenen Teil

(12 GVE gegenüber 53 GVE Tage/ha). Dies hängt mit dem

schwachen Grasangebot (2 bis 3 dt TS/bereinigter ha)

zusammen. Die Grenze zwischen den beiden Gebieten

entspricht in etwa dem Übergang zwischen subalpiner

und alpiner Zone.

Der Futternutzungsgrad lässt Rückschlüsse auf den

Bewirtschaftungsgrad der Weideressource zu. Er errech-

net sich durch Division des theoretischen Futterverzehrs

der Herde durch das Grasangebot. Nach unseren Schät-

zungen liegt der durchschnittliche Futternutzungsgrad

der Koppeln 1 bis 4 bei 90 % (nicht vorgestellte Daten).

Dieser Nutzungsgrad ist zwar hoch aber akzeptabel,

wenn man bedenkt, dass die ungeniessbare Vegetation

(vor allem das Borstgras) nicht Bestandteil der Berech-

nung bildet.

Botanische Erhebungen

Insgesamt wurden auf den 36 Probeflächen 197 Pflan-

zenarten erhoben. Etwas mehr als drei Viertel der Pro-

beflächen weisen eine «positive» oder «stabile» Bilanz

auf. Dies bedeutet, dass die Neubeobachtungen (Fehlen

einer Art auf einer Probefläche im Jahre 2002, Präsenz

im Jahre 2009) ebenso häufig waren wie die nicht wie-

derholten Beobachtungen (Abwesenheit im Jahre 2009,

aber Anwesenheit im Jahre 2002). Die Arten mit stark

positiver Bilanz sind hauptsächlich – was nicht über-

rascht - ubiquiste Arten (Anthoxanthum odoratum und

Agrostis capillaris). Die Reproduktionsstrategie, zum

Beispiel die Viviparie oder die Multiplikation durch Rhi-

zome erklärt wahrscheinlich auch die grössere Ausbrei-

tung einiger Arten wie Poa alpina und A. odoratum.

Von den 197 beobachteten Arten wurden zwölf nur

im Jahre 2009 beobachtet. Bei den meisten handelt

es  sich um lichthungrige Pflanzen (Kernera saxitalis,

Erigeron uniflorus, Cardamine resedifolia, Coeloglossum

viride, Dactylorhiza maculata). Im Gegensatz dazu wur-

den zwei Arten im Jahre 2009 nicht mehr auf den Probe-

flächen beobachtet. Es handelt sich um Laser pitium

halleri und Pulsatilla alpina ssp. apiifolia.

Bezogen auf Anzahl Beobachtungen und Deckungs-

grad hat die An wesenheit von Thymus serpyllum agg.,

Trifolium pratense, Cerastium arvense ssp. strictum und

Agrostis capillaris am stärksten zugenommen. Plantago

atrata und Polygonum viviparum hingegen gingen am

stärksten zurück.

R e s u l t a t e

Weideintensität, Grasangebot und Nutzungsgrad

Die Tabelle 1 zeigt die Entwicklung der Tierbestände von

2002 bis 2008 sowie den Weidedruck pro ha bereinigte

Fläche (Gesamtfläche abzüglich Geröllhalden und

geschlossenem Wald). Zwischen den Jahren 2002 und

2008 blieb der Schafbestand relativ stabil. Die durch-

schnittliche Weideintensität im umzäunten Teil betrug

53 GVE Tage/ha bereinigter Fläche. Demgegenüber steht

ein geschätztes Futterangebot von acht bis 11 dt TS/ha

Nutztiere | Umtriebsweide bei der Schafsömmerung: Auswirkungen auf die Vegetation

Abb. 2 | Korrespondenzanalyse mit den zwischen 2002 und 2009 auf der Nivenalp durchgeführten Erhebungen (n = 72). Die Symbole entsprechen den verschiedenen Vegetationstypen. Die beiden Ach­sen erklären 17,8 % der gesamten Varianz. Die Zentroidpunkte der verschiedenen Vegetationstypen, der Koppeln und der Jahre er­scheinen auf dem Plan (passive Projektion).Die Probeflächen sind mit dem Erhebungsjahr (A = 2002 / B = 2009) und einer Nummer (von 1 bis 36) gekennzeichnet. Aus Gründen der Leserlichkeit sind nur einige Probeflächenetiketten angegeben.

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219Agrarforschung Schweiz 1 (6): 216–221, 2010

Lärchenwald gestiegen sind. Diese zwei Gruppen werden

durch die Weide begünstigt ganz im Gegensatz zum

Nacktriedrasen (Elynion), der sehr anfällig ist.

Zeigerwerte nach Landolt

Insgesamt blieben die Vegetationsveränderungen zwi-

schen den Jahren 2002 und 2009 jedoch (sehr) begrenzt.

Die Korrespondenzanalyse (Abb. 2) zeigt, dass die Varia-

ble «Jahr» nur zu einem sehr bescheidenen Teil für die

Schwankung zwischen den Erhebungen verantwortlich

ist. Die Zentroidpunkte 2002 und 2009 blieben sehr

nahe beieinander. Die passive Projektion der Zeigerwer-

te nach Landolt bestätigt, dass es sich beim Nacktried-

rasen um die Gruppe mit den höchsten pH-, Licht- und

Kontinentalitätswerten handelt (nicht vorgestellte

Daten). Umgekehrt weisen der Lärchenwald und Poion

im Allgemeinen höhere Nährstoff- und Temperaturwer-

te aus als die anderen Verbände. Tabelle 3 zeigt die

durchschnittlichen Ökowerte in den Koppeln 1 bis 4.

Man stellt insbesondere fest, dass die Temperaturwerte

bei den tiefer gelegenen Koppeln (1 und 2) gestiegen

sind. Für die Alp zeigt der t-Test nach gepaarten Vegeta-

tionsaufnahmen / 2002 – 2009), dass der Temperatur-

Umtriebsweide bei der Schafsömmerung: Auswirkungen auf die Vegetation | Nutztiere

Biodiversitätsindex

Die Anzahl der auf den Probeflächen vertretenen Arten

belief sich im Schnitt im Jahre 2002 auf 34 und im Jahre

2009 auf 36. Im Laufe der sieben Beobachtungsjahre stieg

der spezifische Reichtum bei 27 der 36 Probeflächen. Der

t-Test bei gepaarten Vegetationsaufnahmen zeigt, dass

die Unterschiede zwischen den Jahren 2002 und 2009

stark signifikant sind (p < 0,01). Bei den Koppeln 2 und 4

hat die Artenzahl am stärksten zugenommen (Tabelle 2).

Der durchschnittliche Shannon-Index (H) hat sich kaum

ent wickelt (2002: 3,2 und 2009: 3,3). Der Shannonindex

und die Evenness sind hauptsächlich in den tiefer gelege-

nen Koppeln (1 und 2), die an der oberen Waldgrenze lie-

gen, gestiegen. Auch der Bewirtschaftungswechsel war

auf diesen beiden Koppeln am ausgeprägtesten. Vor dem

Jahre 2000 wurden diese Koppeln kaum beweidet. Seither

ist aber die Weideintensität auf diesen umzäunten Wei-

den stärker geworden. Diese Veränderungen haben die

Lichtverhältnisse in Bodennähe verbessert und wahr-

scheinlich die Arten der beweideten Bestände begünstigt.

Betrachtet man die Veränderungen unter dem phytosozio-

logischen Aspekt, stellt man fest, dass die Indizien vor

allem bei der Borstgrasweide (Borstgrasrasen) und beim

2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Durchschnitt

BeständeMilchschafe 612 615 629 651 673 637 541 623Lämmer 519 465 395 295 451 399 247 396Pferde 0 7 8 6 7 10 9 7

Sömmerungsdauer 82 91 92 92 86 92 92 90

Weideintensität 1

Koppel 1 (11 ha) 133 65 73 59 76 63 67 77Koppel 2 (20 ha) 77 70 88 64 88 78 69 76Koppel 3 (25 ha) 56 54 44 63 57 55 50 54Koppel 4 (47 ha) 45 28 38 46 36 38 30 37Koppeln 1 – 42 (102 ha) 63 46 53 55 55 52 47 53Oberer Teil3 (344 ha) 8 16 14 12 14 14 10 12

1 Die für die Berechnung verwendeten gVe-Koeffizienten betragen 0, 13, 0,06 bzw. 0,80 für die Milchschafe, die Lämmer und Pferde. 2 gewichteter Durchschnitt pro Koppelfläche 1 bis 4. 3 nicht umzäunter Teil oberhalb von 2350 m höhe. Bei den werten in Klammern handelt es sich um bereinigte flächen.

Tab. 1 | Tierbestände, Sömmerungsdauer (j) und Weideintensität (GVE∙Tage/gesäuberte ha) auf der Nivenalp in den Jahren 2002 bis 2008

Koppel Probe­flächen

(n)

Anzahl Arten Shannon Index Evenness­Index

2002 2009Abwei­chung 2002 2009

Abwei­chung 2002 2009 Abweichung

1 3 32 31 –1 % 3,0 3,3 8 % 0,61 0,66 9 %

2 8 36 39 11 % 3,2 3,5 10 % 0,62 0,66 7 %

3 9 37 38 4 % 3,2 3,3 3 % 0,62 0,63 2 %

4 16 32 35 11 % 3,3 3,3 1 % 0,66 0,66 –2 %

Durchschnitt1 34 36 4 % 3,2 3,3 7% 0,64 0,65 1 %

Tab. 2 | Reichtum an Pflanzenarten, sowie Shannon­ und Evenness­Indices; Durchschnitt pro Koppel

1 Arithmetisches Mittel der 36 Probeflächen.

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220 Agrarforschung Schweiz 1 (6): 216–221, 2010

S c h l u s s f o l g e r u n g e n

Die Einführung der Umtriebsweide im Jahre 2000 hat zu

folgenden Veränderungen bei der Weideintensität auf

der Alp geführt:

•• Der Weidedruck hat in den beiden tiefer gelegenen

Weideflächen zugenommen. In gewissen Gebieten

dieser Zone fand vor dem Jahre 2000 eine Wieder-

bewaldung statt.

•• Im hochgelegenen Alpteil trug das neue Weidesystem

im Gegensatz dazu bei, den Weidedruck zu begrenzen.

Diese Zone beherbergt zahlreiche Pflanzen, die sehr

empfindlich auf wiederholte Beweidung reagieren.

•• Der Übergang vom freien Weidegang zur Umtriebs-

weide wirkte sich eher günstig auf die Vegetation aus.

Im Laufe der sieben Beobachtungsjahre blieben die

Hauptindikatoren (Anzahl Arten, sowie Shannon- und

Evenness-Indices) unverändert oder entwickelten sich

positiv.

•• Im umzäunten Teil der Nivenalp erwies sich eine

durchschnittliche Weideintensität von 75 GVE Tage/ha

als angemessen, um die Floravielfalt auf einer Höhe

von 1950 bis 2100 m Höhe aufrechtzuerhalten. In der

Zone zwischen 2100 und 2350 m scheint eine Weidein-

tensität von 35 bis 50 GVE Tage/ha angebracht zu sein.

•• Die Zeigerwerte nach Landolt zeigen eine Zunahme

der Temperaturwerte, insbesondere in den beiden

tiefer gelegenen Koppeln (1950 – 2100 m), was sich

mit der Entwicklung von durch die Weide begünstig-

ten Arten erklären könnte. Der Einfluss der Klima-

erwärmung kann jedoch nicht ausgeschlossen wer-

den. Eine gleichzeitige Zunahme der Nährstoffwerte

konnte nicht festgestellt werden.

•• Die Tragweite dieser verschiedenen Ergebnisse muss

jedoch aufgrund der kurzen Beobachtungsdauer rela-

tiviert werden. n

wert signifikant gestiegen ist (p = 0,04). Die übrigen

Ökowerte weisen keine statistisch signifikanten Abwei-

chungen auf.Die Klimaerwärmung, die in den Bergen besonders

spürbar ist, stellt einen Expansions- und Kolonisations-

faktor für krautige Pflanzen dar. Dieses Phänomen ist

auf der alpinen Stufe, speziell in Gipfelnähe, gut doku-

mentiert (Vittoz et al. 2009a). Auf subalpiner Stufe

scheinen die Veränderungen der Vegetation langsamer

voranzuschreiten. Die Bedeckung mit krautigen Pflan-

zen ist dort dichter und das Auftreten neuer Arten

könnte durch die Konkurrenz mit bereits angesiedelten

Arten begrenzt werden. Vittoz et al. (2009b) erklären,

dass die Bewirtschaftungsveränderungen in dieser

Zone im Allgemeinen grössere Auswirkungen auf

die Vegetation haben als die Klimaveränderungen. In

Niven haben sich die Bewirtschaftungspraktiken auf

den tiefer gelegenen Koppeln am stärksten verändert.

Der Übergang von einer Unternutzung zu einem Wei-

dedruck von rund 75 GVE Tage/ha hat wahrscheinlich

relativ weideresistente Arten begünstigt. Unter ihnen

befinden sich unter anderem Pflanzen für mittlere

Lagen (Agrostis capillaris, Hieracium lactucella, Trise-

tum flavescens), was darauf hinzuweisen scheint, dass

der Faktor «Temperatur» ebenfalls an dieser Entwick-

lung beteiligt war. Die im Laufe der sieben Jahre beob-

achteten Vegetationsveränderungen bleiben trotzdem

begrenzt und lassen keine definitiven Schlussfolgerun-

gen bezüglich der jeweiligen Wirkung der beiden vor-

erwähnten Faktoren zu.

Nutztiere | Umtriebsweide bei der Schafsömmerung: Auswirkungen auf die Vegetation

Feuchigkeit ph­Wert Nährstoffe Licht Temperatur

2002 2009 2002 2009 2002 2009 2002 2009 2002 2009

Koppel 1 2,92 2,87 2,83 2,82 3,04 2,93 3,90 3,81 2,36 2,58

Koppel 2 2,73 2,68 2,57 2,64 2,48 2,54 3,92 3,92 2,28 2,35

Koppel 3 2,60 2,59 2,92 2,90 2,25 2,24 4,13 4,10 2,00 2,02

Koppel 4 2,56 2,56 2,68 2,64 2,21 2,20 4,10 4,08 1,85 1,86

Alp 2,64 2,62 2,73 2,72 2,35 2,34 4,05 4,03 2,03 2,07

P1 0,21 0,67 0,80 0,22 0,04

Tab. 3 | Werte nach Landolt, Durchschnitte pro Koppel

Die Anzahl Probeflächen pro Koppel ist in Tabelle 2 ersichtlich. 1t-Test für gepaarte stichproben (2002 – 2009) bei allen 36 Probeflächen.

Page 9: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

221Agrarforschung Schweiz 1 (6): 216–221, 2010

Umtriebsweide bei der Schafsömmerung: Auswirkungen auf die Vegetation | Nutztiere

Ria

ssu

nto

Sum

mar

y

Rotational grazing with sheep on a

high altitude pasture: impact on the

vegetation

The use of high altitude pastures with

sheep is delicate. A bad management

is a threat to the vegetation and the

diversity of the flora diminishes. The

goal of the study was to assess the

effect of a strict pasture rotation on

the diversity of vegetation. Botanical

analyses have been carried out in 2002

and 2009 on 36 plots by means of the

Braun-Blanquet method. During this

period, the main indicators (number

of species, indexes of Shannon and

evenness) remained stable or evolved

positively. The vegetation, in terms of

botanical composition and abundance,

did not undergo any important

changes. The results suggest that the

rotation pasture, if well managed,

enables at maintaining the diversity

of the vegetation. However, due to the

short span of time of the survey, the

results have to be interpreted with

care.

Key words: Alpine vegetation, sheep,

rotational grazing, botanical composi-

tion, species diversity.

Pascolo a rotazione durante l’alpeggio

di ovini: effetti sulla vegetazione

Il pascolo ovino nelle zone sensibili è

delicato. Se il pascolo è mal condotto,

la copertura vegetale si degrada e la

diversità floristica diminuisce. In

questo contesto è auspicabile

sviluppare delle nuove tecniche di

gestione dei greggi. Lo studio,

condotto da ACW, aveva l’obiettivo

di valutare la rotazione del pascolo

durante l’alpeggio degli ovini dal

punto di vista della diversità vegetale.

Negli anni 2002 e 2009 sono state

realizzate delle analisi botaniche su

36 aree utilizzando il metodo di Braun-

Blanquet. Nel corso dei sette anni di

monitoraggio, i principali indicatori

(numero delle specie, indice di

Shannon e di equivalenza) sono

rimasti stabili o sono evoluti favorevol-

mente. Durante questo periodo la

vegetazione, in termini di composi-

zione botanica o di copertura, è evo-

luta solo molto leggermente. Questi

risultati suggeriscono che il sistema a

rotazione, se è ben condotto, permette

di mantenere la diversità botanica.

I risultati devono comunque essere

considerati con prudenza visto la

durata limitata del monitoraggio.

Literatur b Braun-Blanquet J., 1964. Pflanzensoziologie. Grundzüge der Vegetations-kunde. Springer Verlag, Wien, 865 S.

b Landolt E., 1977. Ökologische Zeigerwerte zur Schweizer Flora. Veröffent-lichungen des Geobotanischen Institutes der Eidg. Techn. Hochschule, Stiftung Rübel, Zürich, 208 S.

b Lauber K. & Wagner G., 2000. Flora Helvetica, flore illustrée de Suisse. Haupt Verlag, Bern, Stuttgart, Wien, 1616 S.

b Bundesamt für Statistik (BFS), 2009. Schweizer Landwirtschaft, Taschen-statistik 2008. Vom BFS herausgegeben, 35 S.

b Troxler J. & Chatelain C., 2006. Pâture tournante avec des moutons à hau-te altitude. Agrarforschung 38 (2), 53–61.

b Vittoz P., Dussex N., Wassef J. & Guisan A., 2009a. Diaspore traits discri-minate good from weak colonisers on high-elevation summits. Basic and Applied Ecology 10, 508–515.

b Vittoz P., Randin C. F., Dutoit A., Bonnet F. & Hegg O., 2009b. Low impact of climate change on subalpine grasslands in the Swiss Northern Alps. Global Change Biology 15, 209–220.

Page 10: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

222 Agrarforschung Schweiz 1 (6): 222–227, 2010

N u t z t i e r e

nahme von Mutterkuh und Kalb liegen differenziert

nach der Vielzahl der in der Schweiz vertretenen Mut-

terkuhrassen erst wenige Daten vor. Die Gründe dafür

liegen einerseits in der schwierigen getrennten Erfas-

sung des Futterverzehrs andererseits im eher leicht über

das Grundfutter zu deckenden Gesamtbedarf der Tiere,

der seinerseits in den bescheidenen Milchleistungen

und der genetisch bedingten niedrigen Gesamtfutter-

aufnahme von Fleischrassentypen in der Mutterkuhhal-

tung begründet liegt. Die Futteraufnahme von Mutter-

kühen wurde deshalb bis anhin pauschal in Anlehnung

E i n l e i t u n g

Bezüglich der Futteraufnahme von Milchkühen liegen

umfassende Datengrundlagen und zahlreiche Formeln

für eine möglichst zuverlässige Futterverzehrsschät-

zung vor. Zur Beantwortung der Frage, wie viel Mutter-

kühe und deren Kälber verzehren, sind in der Schweiz

nur wenige Datengrundlagen vorhanden. Das Interesse

und Bedürfnis von Beratung, Lehre und Praxis hierzu

über mehr Kenntnisse zu verfügen, nimmt deshalb zu.

Insbesondere bezüglich einer getrennten Futterauf-

Futteraufnahme und Gewichtsentwicklung von Mutterkühen mit KalbMarc Boessinger1,2, Jacques Emmenegger2, André Chassot3,1 und Isabelle Morel3

1AGRIDEA, Tierhaltung & Lebensmittelqualität, 8315 Lindau2ETH Zürich, Institut für Pflanzen-, Tier- und Agrarökosystemwissenschaften IPAS, 8092 Zürich3Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, 1725 Posieux

Auskünfte: Marc Boessinger, E-Mail: [email protected], Tel. +41 52 354 97 68

Die zahlreichen Mutterkuhrassen der Schweiz weisen zum Teil sehr unterschiedliche Futteraufnahmen und Leistungsparameter auf.

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Page 11: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

223

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Agrarforschung Schweiz 1 (6): 222–227, 2010

Futteraufnahme und Gewichtsentwicklung von Mutterkühen mit Kalb | Nutztiere

Im Rahmen einer Bachelorarbeit an der ETH

Zürich wurde Datenmaterial eines vier-

jährigen Versuches von Agroscope ALP des

Projekts «Typo» ausgewertet. Von Kühen der

Mutterkuhrassen Angus, Limousin, Eringer

und des milchbetonten Rassenkreuzungs typs

Limousin x Red Holstein (F1), wurden die Fut-

teraufnahme und die Lebend-

gewichtsentwicklung während der

Winterfütterung erhoben. Mit Futteraufnah-

men von über 14 kg Trockenmasse bei Angus-

und F1-Kreuzungstieren liegt der

Futter verzehr höher als in den bisherigen

schweizerischen Fütterungsempfehlungen.

Bei Limousin-Mutterkühen wird ein signifi-

kanter, um ca. 10 % geringerer Futterverzehr

gegenüber den anderen Mutterkuhrassen

beobachtet. Der maximale Futterverzehr

liegt bei den Mutterkühen um den Zeitpunkt

des dritten Laktationsmonats. Eine Energie-

mobilisation von 4 bis 10 MJ NEL pro Tag ist

deshalb auch bei Mutterkühen innerhalb der

ersten zwei Laktationsmonate zu erwarten.

In Anlehnung an neuere französische Daten-

grundlagen zur Schätzung des Futterverzehrs

wurden im Rahmen der Bachelorarbeit, in

Kombination mit dem Datenmaterial aus dem

Projekt «Typo», zudem eine Schätz formel für

den Futterverzehr von Mutter kühen schwei-

zerischer Rassen abgeleitet. Die Modellan-

nahmen zur Verzehrsschätzung wurden auf

einem Praxisbetrieb geprüft, wobei sich

maximal 4 % Unterschied zwischen dem

geschätzten und dem gewogenen Futterver-

zehr ergaben. Zur weiteren Anwendung wird

ein Schätzmodell in Abhängigkeit von Rasse

und Lebendgewicht der Mutterkuh, dem

Energiegehalt der Futterration und Korrektu-

ren für Trächtigkeit, Laktationsmonat und

Laktations nummer vorgeschlagen.

Zusa

mm

enfa

ssu

ng

an leichte Milchkühe geschätzt, jene der Mutterkuhkäl-

ber in Anlehnung an Fütterungsempfehlungen für die

Jungviehmast unter Berücksichtigung eines prozentua-

len Verzehrsabzugs.

Anforderungen verschiedener Markenprogramme,

z.B. «Natura-Beef» verlangen, dass die Kälber direkt nach

dem Absetzen bei guter Schlachtqualität ver marktet

werden können. Dies erfordert Tageszunahmen der Mut-

terkuhkälber von über 1000 g, was eine aus reichende

Milchleistung der Mutterkuh, gutes Grundfutter und oft

eine gezielte Ergänzungsfütterung des Kalbes erfordert.

Eine Kontrolle und eine zutreffende Schätzung des Fut-

terverzehrs von Mutterkuh und Kalb ist deshalb sinnvoll,

um einerseits die Gewissheit zu erlangen, dass die Kuh

die für das Wachstum des Kalbes notwendige Milchleis-

tung erbringen kann und andererseits, ob das Kalb auf-

grund seiner Futteraufnahme kapazität die gesetzten

Wachstumsziele auch wirklich erreicht. Diesbezügliche

Kenntnisse ermöglichen es, dann mit Hilfe geeigneter

Fütterungsplanungstools den Einsatz betriebseigener

Futtermittel zu optimieren oder das Futterangebot im

Bedarfsfall mit zuzukaufendem Futter gezielt zu ergän-

zen.

Im Rahmen einer Bachelorarbeit am IPAS der ETH

Z ürich (Emmenegger 2009) sollten Versuchsdaten eines

mehrjährigen Mutterkuh-Herdenversuchs aus dem Pro-

jekt «Typo» der Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-

Posieux ALP bezüglich der Gewichtsentwicklung und

Futteraufnahme von Mutterkuh und Kalb unterschiedli-

cher Rassen ausgewertet werden und unter Anlehnung

an französische Verzehrschätzungsmodelle der INRA,

praktikable Schätzformeln zum Futterverzehr von Mut-

terkühen schweizerischer Rassen ableitet werden. Die

erarbeiteten Modelle zur Verzehrschätzung sollten nach-

folgend im Rahmen einer Futterverzehrserhebung auf

einem Praxisbetrieb angewendet und überprüft werden.

Kenntnisse zum Futterverzehr von Mutterkuh und Kalb dienen der Praxis und Beratung zur Fütterungsplanung und dem Erstellen möglichst exakter Nährstoffbilanzen.

Fot

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orel

, ALP

Page 12: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

224 Agrarforschung Schweiz 1 (6): 222–227, 2010

Nutztiere | Futteraufnahme und Gewichtsentwicklung von Mutterkühen mit Kalb

Als Basis für die Ableitung einer Schätzformel für den

Futterverzehr von Mutterkühen schweizerischer Mut-

terkuhrassen wurde von aktuellen französischen Be-

rechnungsgrundlagen zur Schätzung des Futterverzehrs

von Mutterkuh und Kalb (INRA 2007) ausgegangen.

R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n

Gewichtsentwicklung der Mutterkühe

Der Verlauf der Gewichtsentwicklung der Mutterkühe

im Laufe der ersten 18 Laktationswochen ist in Abbil-

dung 1 dargestellt. Er gibt Auskunft über die Energie-

mobilisation in der Startphase, wonach der Gewichts-

verlust in den ersten zwei Monaten der Laktation je

nach Mutterkuhrasse zwischen 10 und 25 kg beträgt.

Das entspricht einer Energiemobilisation von ca. 4 bis

10 MJ NEL pro Tag aus dem Körperfett, was für Mutter-

kühe in normalem Bereich liegt und im Versuch zu kei-

nen Stoffwechselproblemen, wie z.B. einer Ketose

führte.

Die wöchentliche Schätzung des Body Condition

Score (BCS) folgte im Wesentlichen der Gewichtsent-

wicklung der Mutterkühe über die ersten Laktations-

monate, wenn auch mit zum Teil deutlichen, rassenspe-

zifischen Niveaunterschieden. Letztere liegen darin

begründet, dass F1-Kühe tiefere BCS-Werte aufweisen,

weil sie zwar schwer und grossrahmig sind, als untypi-

sche Fleischkühe aber eher etwas leerfleischig sind. Bei

Eringerkühen werden mit grundsätzlich kleinerem For-

mat durchwegs auch tiefere BCS-Werte geschätzt.

Gewichtsentwicklung und Tageszuwachs der KälberDie Lebendgewichtsentwicklung der Mutterkuhkälber

ist aus der Abbildung 2 ersichtlich. Angus-, Limousin-

und F1-Kälber entwickeln sich annähernd gleichmässig,

M e t h o d e

Der Mutterkuh-Herdenversuch fand von 2004 – 2008 an

der Agroscope Liebefeld-Posieux ALP in Posieux statt. Im

Durchschnitt der Jahre waren jeweils zehn Mutterkühe

der Rassen Angus (An), Limousin (Li), Eringer (Hr) und

F1-Kühe (Limousin x Red Holstein; Li x RH) vertreten. Die

Mutterkühe kalbten saisonal von November bis Januar

ab. Als Futterration erhielten die Kühe während der Lak-

tation, von Laktationsbeginn in der jeweiligen Winter-

periode bis zum Weideaustrieb ab der 18. Laktations-

woche, eine aus Heu und Grassilage qualitativ und

anteilsmässig einheitlich zusammengesetzte Ration,

welche während der Galtphase durch Ökoheu ersetzt

wurde. Die Kälber erhielten neben der Milch der Mutter-

kuh als Festfutter ein qualitativ sehr gutes Heu im Käl-

berschlupf angeboten.

Die Futteraufnahme der Kühe wurde quantitativ und

zeitlich elektronisch individuell erhoben, die Futterauf-

nahme der Kälber wurde gruppenweise erfasst. Die

Gewichtsentwicklung der Kühe wurde wöchentlich, jene

der Kälber alle zwei Wochen erhoben. Wöchentlich

wurde bei den Kühen zusätzlich der Body Condition

Score (BCS) geschätzt. Aufgrund der über die vier Jahre

leicht unterschiedlicher Anzahl Tiere je Mutterkuhrasse,

wurden die Daten je Rasse über die vier Jahre gepoolt

und in Abhängigkeit der Laktationswochen (Woche 1 bis

18) ausgewertet.

Die Praxiserhebungen erfolgten auf dem Betrieb der

landwirtschaftlichen Schule Strickhof-Wülflingen wäh-

rend des Winterhalbjahres 2008/2009. Hierzu wurden

die Festfutteraufnahme und die Gewichtsentwicklung

von Mutterkühen der Rassen Charolais und Simmental

(10 bzw. 18 Kühe) und die Gewichtsentwicklung der Mut-

terkuhkälber (28 Kälber) erhoben.

30

50

70

90

110

130

150

170

190

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18Laktationswoche

Lebendgewicht [kg]

AnF1HrLi

Lebe

ndge

wic

ht (k

g)

Abb. 2 | Gewichtsentwicklung der Kälber nach Rassen(An: Angus, Hr: Eringer, Li: Limousin, F1: Kreuzungstiere Li x RH).

400

450

500

550

600

650

700

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18Laktationswoche

Lebendgewicht [kg]

AnF1HrLi

Lebe

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wic

ht (k

g)

Abb. 1 | Gewichtsentwicklung der Mutterkühe nach Rassen (An: Angus, Hr: Eringer, Li: Limousin, F1: Kreuzungstiere Li x RH).

Page 13: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

225Agrarforschung Schweiz 1 (6): 222–227, 2010

Futteraufnahme und Gewichtsentwicklung von Mutterkühen mit Kalb | Nutztiere

erfassten Rassen gilt, dass die maximale Futterauf-

nahme etwa um 4.5 kg TM (An: 4,7 kg; F1: 4,7 kg;

Li:  4,8  kg; Hr: 4,2 kg) höher liegt als in der ersten

Abkalbewoche.

Eringer- und Limousinkühe fressen weniger als An-

gus- und F1-Tiere. Bei den Eringern ist dies durch das

kleinere Format und das geringere Gewicht der Kühe

begründet. Bei den Limousinkühen ist dieser Umstand

zwar nicht begründet, er ist aber bekannt und wird

auch in den französischen Fütterungsempfehlungen

(INRA 2007), mit einem Minderverzehr von ca. 8 – 10 %

gegenüber anderen Mutterkuhrassen gleichen For-

mats dokumentiert.

Weist man den Futterverzehr der Mutterkuh-

rassen in Verhältnis zu ihrem metabolischen Gewicht

aus, fressen auch die Eringer annähernd gleich viel

wie die Angus- und F1-Mutterkühe, während der

geringere Futterverzehr der Limousinkühe noch deut-

licher ersichtlich wird (Abb. 5).Deutlich liess sich zudem ein Einfluss der Laktations-

zahl auf den Futterverzehr der Mutterkühe zeigen, wo-

nach sich Erstlaktierende noch im Wachstum befinden

und aufgrund ihres geringeren Körpergewichts gerin-

gere Futtermengen verzehren (Abb. 6).

wobei die F1-Kälber dem Anschein nach von der gene-

tisch bedingten höheren Milchleistung der F1-Mutter-

kühe profitieren. Die Eringerkälber bleiben im gleichen

Zeitraum gewichtsmässig deutlich zurück.

Die Tageszuwachswerte der Kälber, dargestellt in

Abbildung 3, zeigen zwischen dem zweiten und drit-

ten Lebensmonat eine leichte Wachstumsdepression.

Die Ursache ist nicht bekannt, es wurde jedoch in dieser

Zeit eine erhöhte Durchfallrate bei den Tieren beob-

achtet, was auf einen gesteigerten Infektionsdruck

vermuten lässt. Danach entwickelten sich die Kälber,

mit Ausnahme der Eringerkälber, die ab der 15. Woche

geringere Tageszuwachswerte aufwiesen, wieder nor-

mal.

Futteraufnahme der Mutterkühe

Die Entwicklung der Futteraufnahme der Mutterkühe

in den ersten Monaten der Laktation ist für alle Ras-

sen in etwa gleich (Abb. 4). Die Kühe fressen bereits

kurz nach dem Abkalben je nach Rasse zwischen 8 und

11 kg Trockenmasse (TM) pro Tag. Ähnlich den Milch-

kühen scheint die maximale Futteraufnahme im drit-

ten Laktationsmonat erreicht zu sein. Sie liegt in ei-

nem Bereich von 11 bis 14 kg Trockenmasse. Bei allen

400500600700800900

1000110012001300

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18Laktationswoche

Tageszuwachs [g/Tag]

AnF1HrLi

Tage

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achs

(g/T

ag)

Abb. 3 | Tageszuwachswerte der Kälber nach Rassen(An: Angus, Hr: Eringer, Li: Limousin, F1: Kreuzungstiere Li x RH).

6789

101112131415

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18Laktationswoche

Futterverzehr [kg TS/Tag]

AnF1HrLi

Futt

erve

rzeh

r (k

g TS

/Tag

)

Abb. 4 | Futteraufnahme der Mutterkühe nach Rassen(An: Angus, Hr: Eringer, Li: Limousin, F1: Kreuzungstiere Li x RH).

0.070.080.080.090.090.100.100.110.110.120.12

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18Laktationswoche

Futterverzehr [kg/kg

metabolisches K_rpergewicht]

AnF1HrLi

Futt

erve

rzeh

r (k

g/kg

)m

etab

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Kör

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ht)

Abb. 5 | Futteraufnahme der Mutterkühe nach Rassen je Kilo­gramm metabolisches Körpergewicht (An: Angus, Hr: Eringer, Li: Limousin; F1:Kreuzungstiere Li x RH).

56789

101112131415

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18

Futterverzehr K_he

[kg TS/Tag]

An erstlakt. .F1 erstkalt.

Laktationswoche0 2 4 6 8 10 12 14 16 18

Futt

erve

rzeh

r K_

he(k

g TS

/Tag

) Hr erstkalt.Li erstkalt.An mehrlakt.F1 mehrlakt.Hr mehrlakt.Li mehrlakt.

Abb. 6 | Futteraufnahme der Mutterkühe nach Anzahl Laktationen und Rasse. (An: Angus, Hr: Eringer, Li: Limousin, F1: Kreuzungstiere Li x RH; erstlaktierend, mehrlaktierend).

Page 14: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

226 Agrarforschung Schweiz 1 (6): 222–227, 2010

Nutztiere | Futteraufnahme und Gewichtsentwicklung von Mutterkühen mit Kalb

Schätzung des Futterverzehrs der Mutterkuh

Trockenmasse-Gesamtverzehr (kg TMVtot)

kg TMVtot = IRasse + 1,4 x NELRation + 0,0147 x LGMutterkuh – 4,1

Rassenindizes:

Angus: 0,7; Limousin: 0,2; Eringer: 0,0;

Simmental: 0,7; Charolais: 0,4; F1-Kühe (Li x RH): 1,2

Korrekturen:

•• Galtphase: - 4,3 kg TS

•• 1. Laktationsmonat: - 1,3 kg TS

•• Kühe 1. Laktation: - 0,3 kg TS

S c h l u s s f o l g e r u n g e n

Die bisherigen Auswertungen zeigen, dass folgende

Faktoren den Futterverzehres der Mutterkuh beeinflus-

sen und entsprechend gewichtet in die Modellierung

einer Gesamtverzehrsformel für Mutterkühe berück-

sichtigt wurden: Rasse, Lebendgewicht, Milchleistung,

Laktationsstadium und Laktationsnummer. Diese Fakto-

ren und zusätzlich der Body Condition Score (BCS) wur-

den auch in den französischen Berechnungsgrundlagen

(INRA 2007) zur Verzehrschätzung von Mutterkühen

berücksichtigt. In der vorliegenden Arbeit zeigt die Be-

rücksichtigung des BCS keinen Effekt, weshalb dieser

nicht in die vorgeschlagene Schätzformel aufgenom-

men wurde. Die in den ALP-Versuchen erhobenen Ver-

zehrsmengen und Gewichtsentwicklungen der Mutter-

kühe und Kälber decken sich zudem nur teilweise mit

französischen Angaben zur gleichen Rasse. Für die Viel-

zahl an unterschiedlichen Mutterkuhrassen, die in der

Schweiz vertreten sind, sind deshalb weitere Erhebun-

gen durchzuführen und die bisher erarbeiteten Modelle

zur Verzehrsschätzung zu prüfen und zu validieren.

Hierzu werden gegenwärtig weitere Rassenvergleichs-

versuche mit Mutterkühen an Agroscope Liebefeld-

Posieux ALP durchgeführt und ausgewertet. n

Futteraufnahme der Mutterkuhkälber

Die Futteraufnahme der Mutterkuhkälber liess sich im

Projekt «Typo» nicht erfassen. Die Kälber wurden in

Gruppen gehalten, hatten keinen Zugang zur Futter-

krippe der Muttertiere, konnten aber nicht mittels

Einzeltieridentifikation erfasst werden. Die separat im

Kälberschlupf aufgenommenen Futtermengen waren

zudem gering, variierten stark und die Futterreste

waren im Verhältnis zur Vorlage eher hoch. Aufgrund

der mangelnden Genauigkeit der Daten, wurde auf eine

separate Auswertung verzichtet.

Schätzung des Futterverzehrs

Bestehende Modelle zur Schätzung der Futteraufnahme

von Mutterkühen, wie jenes der INRA (Agabriel und

Hour 2007) und jenes, dass in der EDV-Fütterungspla-

nung von AGRIDEA (FUPLAN 7.4, 2009) in Anlehnung an

die französischen Vorschläge für schweizerische Mut-

terkuhrassen angepasst wurde, haben zum Nachteil,

dass sie zahlreiche Parameter enthalten, die fortlaufend

anzupassen und grundsätzlich schwierig einzuschätzen

sind. Solche sind im Wesentlichen der BCS und die

Milchleistung der Mutterkuh. Das lineare Modell, wel-

ches im Rahmen der Bachelorarbeit erarbeitet wurde,

ging im Wesentlichen von den erhobenen Versuchs-

daten aus und basiert auf gut zu schätzenden oder

bekannten Faktoren, wie das Lebendgewicht, den

Laktationsmonat, die Laktationsnummer, den Energie-

gehalt der Futterration und die Rasse der Mutterkuh. Es

liessen sich daraus verschiedene Formeln unterschiedli-

cher Komplexität zur Schätzung des Futterverzehrs von

Mutterkühen ableiten. Nach vergleichenden Modellbe-

rechnungen mit Verzehrserhebungen auf dem Praxisbe-

trieb Strickhof Wülflingen bei Mutterkühen der Rassen

Simmental und Charolais, wird folgendes, für die Bera-

tung, Ausbildung und Praxis praktikable Modell für die

Schätzung des Gesamtfutterverzehrs von Mutterkühen

vorgeschlagen:

Page 15: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

227

Ria

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nto

Sum

mar

y

Agrarforschung Schweiz 1 (6): 222–227, 2010

Futteraufnahme und Gewichtsentwicklung von Mutterkühen mit Kalb | Nutztiere

Ria

ssu

nto

Sum

mar

y

Feed consumption and live weight per-

formance of suckler cows with calves

As part of a bachelor thesis at the ETH

Zurich, data of a four-year experiment of

Agroscope ALP Project «Typo» were evalu-

ated. From suckler cows of the breeds

Angus, Limousin, Eringer and the cross-

bred type Limousin x Red Holstein, feed

intake and live weight performance were

measured during winter feeding periods.

With feed intake of over 14 kg DM in

Angus and the crossbred cows, the total

food consumption is higher than in latest

Swiss feed recommendations for suckler

cows. In Limousin cows a significantly

lower feed intake of 10 % was observed,

compared to the other breeds. The maxi-

mum feed intake of suckler cows takes

place around the third month of lactation.

Energy mobilization of about 4 to 10 MJ

NEL per day is to be expected in cows

within the first two months of lactation.

As a further part of the thesis, a formula

was derived for estimating the food con-

sumption of Swiss suckler beef breeds,

based on recent French formula-bases

combined with data from the project

"Typo". The model assumptions used to

estimate consumption were tested in on-

farm research and the differences

between estimated and actual weight of

feed consumption didn’t exceed 4 %. For

further application, a simplified estimation

model is proposed including breed and

live weight of the suckling cow, energy

content of the feed ration and modifica-

tions due to pregnancy, month of lactation

and lactation number.

Key words: suckler beef, forage intake,

weight performance, estimation model.

Assunzione di foraggio e sviluppo del

peso di vacche nutrici con vitelli

Nell’ambito di un lavoro di Bachelor

all’ETH di Zurigo sono stati analizzati dati

di una ricerca quadriennale del progetto

«Typo» condotta da Agroscope ALP.

Durante il foraggiamento invernale sono

stati raccolti dati sulla consumazione del

foraggio e dello sviluppo del peso vivo

delle razze vacche nutrici Angus, Limousin,

Eringer e del incrocio del tipo Limousin x

Red Holstein. Con un’assimilazione del

foraggio di più di 14 kg di materia secca

negli animali delle razze Angus e incroci

F1, la consumazione di foraggio è più alta

che nelle esistenti raccomandazioni di

foraggiamento svizzere. Nelle vacche

nutrici della razza Limousin è osservata

una consumazione ridotta di circa del 10 %

in confronto alle altre razze. Il consumo

massimo di foraggio per vacche nutrici si

situa intorno al terzo mese di lattazione.

E’ da prevedere una mobilizzazione ener-

getica tra 4 e 10 MJ NEL per giorno per le

vacche nutrici nei primi due mesi di latta-

zione. All’interno del lavoro di Bachelor si

sono combinati i nuovi dati di base fran-

cesi, sulla stima del consumo di foraggio,

con quelli emersi dal progetto «Typo» così

da poter dedurre una formula per la stima

del consumo di foraggio per le vacche

nutrici delle razze svizzere. Il modello di

stima del consumo é stato testato in

un’azienda; la differenza tra quantità

stima e pesata era al massimo del 4 %.

Per l’uso futuro si propone un modello

semplificato a dipendenza di razza e peso

vivo delle vacche nutrici, del contenuto

energetico della razione foraggiera e una

correzione per gestazione, mese di latta-

zione e numero di lattazioni.

Literatur b Agabriel J., Hour D., 2007. Tables INRA, Alimentation des bovins, ovins

et caprins, Besoin des animaux – Valeurs des aliments. Alimentation des vaches allaitantes; Edition Quae c/o INRA, 78026 Versailles Cedex: 57 – 77.

b AGRIDEA, 2007. FUPLAN 7.4, Excelanwendung zur Fütterungsplanung für Wiederkäuer.

b ALP, 2006. Fütterungsempfehlungen und Nährwerttabellen für Wieder-käuer. Online-Ausgabe. Hrsg.: Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP. Zugang: http://www.alp.admin.ch/dokumentation.

b Emmenegger J., 2009. Futteraufnahme und Lebendgewichtsentwicklung von Mutterkühen und Mutterkuhkälbern unterschiedlicher Rassen im Lebensabschnitt Geburt bis zum Absetzen. Bachelorarbeit des Instituts für Pflanzen-, Tier- und Agrarökosystemwissenschaften IPAS, ETHZ, 2009, 415 S.

Page 16: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

228 Agrarforschung Schweiz 1 (6): 228–231, 2010

N u t z t i e r e

Eine ausreichend hohe Entnahmemenge bei der Verfütterung ist die Voraussetzung zur Verhinderung von Nachgärungen.

E i n l e i t u n g

Bei der Silagebereitung stellen die Nachgärungen bei

der Entnahme sowohl bei den Gras- als auch bei den

Maissilagen in den Praxisbetrieben eines der Hauptpro-

bleme dar. Dabei sind besonders die guten Silagen

betroffen, welche viel Restzucker und Milchsäure sowie

wenig Essigsäure aufweisen. Gefördert werden die

Nachgärungen durch eine schlechte Verdichtung des

Siliergutes und zu geringe Entnahmemengen bei der

Verfütterung. Durch einen gezielten Siliermitteleinsatz

wird versucht, das Problem Nachgärungen besser in den

Griff zu bekommen. Dazu sind wirksame Siliermittel

notwendig (Abb.1). In einem Versuch wurde die Wirk-

samkeit des Siliermittels Silostar Protect zur Vorbeu-

gung von Nachgärungen bei angewelkten Grassilagen

untersucht.

M e t h o d e

Der Versuch wurde mit gräserreichem Kunstwiesen-

futter, welches vor allem Raigras aufwies, beim ersten

und auch zweiten Aufwuchs durchgeführt. Das Futter

wurde auf knapp 40 % TS angewelkt, mit einem Häcks-

ler auf die Häcksellänge von 1 – 2 cm gehäckselt und in

Laborsilos zu 1,5 l Inhalt einsiliert. Getestet wurde das

Siliermittel Silostar Protect, welches bereits im letzten

Jahr bei Silomais eingesetzt wurde (Wyss 2009). Bei die-

sem Produkt handelt es sich um ein chemisches Siliermit-

tel, welches Natriumbenzoat, Calciumformiat und Kali-

umsorbat enthält. Als Vergleichsvarianten wurde neben

einer Negativkontrolle «Ohne Zusatz» auch eine Positiv-

kontrolle mit Luprosil, das Propionsäure enthält, mitbe-

rücksichtigt. Die Varianten und Dosierungen der einge-

setzten Siliermittel sind aus Tabelle 1 ersichtlich. Die

Ueli Wyss, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, 1725 Posieux

Auskünfte: Ueli Wyss, E-Mail: [email protected], Tel. +41 26 407 72 14

Siliermittel: Testergebnisse 2009

Foto

: U. W

yss,

ALP

Page 17: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

229Agrarforschung Schweiz 1 (6): 228–231, 2010

Zusa

mm

enfa

ssu

ng

Die Wirksamkeit des Siliermittels Silostar

Protect zur Verbesserung der aeroben Stabi-

lität wurde bei angewelkten Grassilagen un-

tersucht.

Eine gräserreiche Mischung des ersten und

zweiten Aufwuchses, welche auf knapp 40 %

Trockensubstanz (TS) angewelkt und in La-

borsilos einsiliert wurde, diente als Aus-

gangsmaterial. Neben der zu prüfenden Vari-

ante mit dem Produkt Silostar Protect

wurden auch die beiden Varianten ohne Zu-

satz und Luprosil als Positivkontrolle mitbe-

rücksichtigt. Die Silierdauer betrug 56 Tage.

Sieben Tage vor der Entnahme wurden die

Silagen einem Luftstress ausgesetzt.

Alle Silagen zeigten eine gute Gärqualität,

was sich auch in einer hohen DLG-Punkte-

zahl auswirkte. Keine der Silagen des ersten

Aufwuchses erwärmte sich. Hingegen ver-

mochte sowohl die Positivkontrolle als auch

das zu prüfende Siliermittel Silostar Protect

die aerobe Stabilität der Silagen des zweiten

Aufwuchses im Vergleich zur Variante ohne

Zusatz zu verbessern.

Siliermittel: Testergebnisse 2009 | Nutztiere

Silierdauer betrug 56 Tage. Die Silos wurden bei einer

Temperatur von rund 20 °C gelagert. Eine Woche vor der

Entnahme wurden die Silagen während 24 Stunden ei-

nem Luftstress unterzogen, indem die Gummizapfen

unten und oben in den Laborsilos entfernt wurden.

Beim Einsilieren und beim Aussilieren wurden im

Futter die Rohnährstoffe analysiert. Im Weiteren wurde

ein Laborsilo pro Variante bereits nach 3 Tagen geöffnet

und der pH-Wert bestimmt. In den Silagen wurde jeweils

in drei Proben pro Variante zusätzlich die Gärqualität

anhand von pH-Wert, Gärsäuren, Ethanol- und Ammo-

niakgehalt untersucht sowie die Gärgasverluste berech-

net. Zur globalen Beurteilung der Silagequalität wurden

die DLG-Punkte berechnet (DLG 2006). Als wichtiger

Parameter wurde in den Silageproben die aerobe Sta-

bilität anhand von Temperaturmessungen ermittelt.

Alle 30 Minuten wurde die Temperatur gemessen und

re gistriert. Diese Erhebung dauerte 11 beziehungsweise

10 Tage. Als aerob stabil wurden die Silagen angesehen,

solange die Temperatur in der Silage die Umgebungs-

temperatur nicht um mehr als 1 °C übertraf.

Abb. 1 | Bei undichten Silos oder Siloballen mit Löchern kann auch das beste Siliermittel die Qualität nicht verbessern.

Variante 1. Aufwuchs 2. Aufwuchs

Ohne Zusatz – –

Propionsäure 600 g 600 g

Silostar Protect 300 g 300 g

Tab. 1 | Prüfverfahren und Dosierungen der eingesetzten Siliermittel (Dosierung für 100 g Futter)

1. Aufwuchs 2. Aufwuchs

Trockensubstanz (%) 38,5 38,8

Rohasche (g / kg TS) 82 100

Rohprotein (g / kg TS) 158 188

Rohfaser (g / kg TS) 188 207

Zucker (g / kg TS) 174 123

Pufferkapazität1) (g / kg TS) 69 68

Nitrat (g / kg TS) 0.1 0.7

Vergärbarkeitskoeffizient 59 53

NEL (MJ / kg TS) 6,3 6,5

APDE (g / kg TS) 104 110

APDN (g / kg TS) 105 125

Tab. 2 | Gehaltswerte des Futters beim Einsilieren

neL: netto energie Laktation APDe: Absorbierbares Protein im Darm, das auf grund der verfügbaren energiemenge aufgebaut werden kann. APDn: Absorbierbares Protein im Darm, das auf grund des abgebauten rohproteins aufgebaut werden kann.

Page 18: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

230 Agrarforschung Schweiz 1 (6): 228–231, 2010

Nutztiere | Siliermittel: Testergebnisse 2009

R e s u l t a t e

Gehaltswerte des Ausgangsmaterials

Die Gehaltswerte sowie weitere Parameter des Futters

beim Einsilieren sind in Tabelle 2 dargestellt. Der TS-

Gehalt betrug 38,5 beziehungsweise 38,8 % beim Futter

des ersten beziehungsweise zweiten Aufwuchses. Wie

anhand der Rohprotein- und Rohfasergehalte und auch

NEL-Gehalte ersichtlich ist, handelte es sich um junges

Futter. Die Zuckergehalte waren beim ersten Aufwuchs

höher als beim zweiten. Mit 174 beziehungsweise 123 g

Zucker pro kg TS war im Ausgangmaterial bei beiden

Aufwüchsen genügend Zucker für die gewünschte

Milchsäuregärung vorhanden. Das Futter wies bei bei-

den Aufwüchsen tiefe Nitratgehalte auf. Die Vergärbar-

keitskoeffizienten zeigten mit Werten von 59 und 53,

dass dieses Futter als leicht silierbar eingestuft werden

konnte.

Gehaltswerte der Silagen

Die Gehaltswerte der Silagen sind aus der Tabelle 3

ersichtlich. Dabei zeigten sich in den Silagen im Ver-

gleich zum Ausgangsmaterial vor allem Unterschiede

beim Zuckergehalt. Dieser wurde durch den Gärprozess

mehr oder weniger stark abgebaut. Wobei der Zucker-

abbau bei der Positivkontrolle am geringsten war. Aus-

wirkungen hatte dieser Zuckerabbau auch auf die übri-

gen Gehaltswerte, die dadurch zunahmen. Der

NEL-Gehalt in den Silagen lag 0,1 bis 0,2 MJ/kg TS unter

dem NEL-Gehalt des Ausgangsmaterials.

1. Aufwuchs 2. Aufwuchs

Parameter Ohne Zusatz Luprosil Silostar Protect Ohne Zusatz Luprosil Silostar Protect

Trockensubstanz (%) 36,7 36,9 36,8 37,3 37,5 37,7

Rohasche (g / kg TS) 90 89 94 101 101 107

Rohprotein (g / kg TS) 167 165 167 195 194 194

Rohfaser (g / kg TS) 208 207 206 216 215 215

Zucker (g / kg TS) 76 131 93 57 99 72

NEL (MJ / kg TS) 6,2 6,2 6,2 6,4 6,4 6,3

APDE (g / kg TS) 83 83 83 85 85 85

APDN (g / kg TS) 105 104 105 123 122 122

Tab. 3 | Gehaltswerte der Grassilagen.

Parameter Einheit1. Aufwuchs 2. Aufwuchs

Ohne Zusatz Luprosil Silostar Protect Ohne Zusatz Luprosil Silostar Protect

pH-Wert Tag 3 5,1 5,3 5,2 5,4 5,3 5,6

pH-Wert 4,3 4,4 4,4 4,4 4,6 4,5

Milchsäure (g / kg TS) 88 71 82 93 52 80

Essigsäure (g / kg TS) 20 12 18 10 6 8

Buttersäure (g / kg TS) 2 1 2 1 1 1

Propionsäure (g / kg TS) 0 19 0 0 19 0

Ethanol (g / kg TS) 7 2 5 4 1 3

fl. S./Ges. S. (%) 20 31 19 11 32 10

NH3-N/Ges. N (%) 3,2 2,5 3,1 4,8 3,0 4,7

Gärgasverlust (%) 3,5 2,0 3,0 2,2 1,1 1,8

DLG Punkte 100 100 100 100 96 100

Aerobe Stabilität (Stunden) 264* 264* 264* 150 240* 240*

Max. Temperaturdifferenz (°C) 0,0 0,1 0,0 7,5 0,3 0,3

pH-Wert nach Nachgärtest 4,4 4,4 4,4 7,4 4,6 4,5

fl. s./ges. s.: Anteil der flüchtigen säuren an den gesamtsäuren nh3-n/ges. n: Ammoniakstickstoffanteil am gesamtstickstoff * nach 264 oder 240 stunden wurde der nachgärtest abgebrochen

Tab. 4 | Gärqualität und aerobe Stabilität der Grassilagen.

Page 19: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

231Agrarforschung Schweiz 1 (6): 228–231, 2010

Siliermittel: Testergebnisse 2009 | Nutztiere

Gärparameter der Silagen

In den ersten Tagen nach dem Einsilieren fand in allen

Silagen nur eine langsame Absenkung des pH-Wertes

statt (Tab. 4). Nach 56 Tagen Lagerdauer waren die pH-

Werte auf Werte von 4,3 bis 4,6 abgesenkt.

In allen Silagen dominierte die Milchsäuregärung. In

der Positivkontrolle wurden leicht geringere Milchsäure-,

Essigsäure- und Ethanolgehalte im Vergleich zu den bei-

den anderen Varianten festgestellt. Buttersäure war nur

in Spuren vorhanden. Alle Werte lagen unter 5 g/kg TS,

welches der Grenzwert für gute Silagen darstellt.

Der Proteinabbau, ausgedrückt als Ammoniakstick-

stoffanteil am Gesamtstickstoff, war bei allen Varianten

tief und deutet auf eine gute Gärqualität hin. Die

Positvkontrolle wies bei beiden Silagen die tiefsten

Gärgasverluste auf.

Auch bei den mit dem Siliermittel Silostar Protect be-

handelten Silagen waren die Gärgasverluste tiefer als

bei der Variante ohne Zusatz. Nach dem DLG-Schlüssel

wiesen alle Silagen zwischen 96 und 100 Punkten auf,

was einer sehr guten Qualität entspricht.

Aerobe Stabilität

Trotz den höheren Zuckergehalten in den Silagen des ers-

ten Aufwuchses im Vergleich zum zweiten Aufwuchs

konnte während der 11-tägigen Erhebungsdauer in keiner

Variante eine Erwärmung festgestellt werden. Auch die

pH-Werte blieben gleich tief wie am Tag 0.

Die unbehandelte Silage des zweiten Aufwuchses

erwärmte sich hingegen und der pH-Wert nahm stark

zu. Unter diesen Bedingungen vermochten die Positi-

vkontrolle wie auch das zu prüfende Siliermittel eine

Erwärmung zu verhindern und zeigten eine gute Wirk-

samkeit. Die pH-Werte veränderten sich bei diesen bei-

den Varianten nicht.

S c h l u s s f o l g e r u n g e n

•• Die Gärqualität war bei allen Silagen sehr gut.

•• Das Siliermittel Silostar Protect konnte auch bei

an gewelkten Grassilagen die aerobe Stabilität bei

der Entnahme verbessern. n

Literatur b DLG 2006. Grobfutterbewertung. Teil B – DLG-Schlüssel zur Be-urteilung der Gärqualität von Grünfuttersilagen auf Basis der chemischen Untersuchung. DLG-Information (2), 2006.

Ria

ssu

nto

Coadiuvanti per l'insilamento: risultati dei test 

del 2009

È stata testata l'efficacia del coadiuvante per

l'insil amento Silostar Protect per il miglioramento

della stabilità aerobica in insilati d'erba appassita.

A tal fine è stata usata una miscela ricca di

graminacee, ottenuta dal primo e dal secondo

taglio, appassita fino a ridurne il tenore in

sostanza secca (SS) al 40 per cento e insilata nei

silo sperimentali. Il test prevedeva tre varianti:

una in cui veniva usato il prodotto Silostar Pro-

tect, una in cui non venivano impiegati additivi e

una, utilizzata per il controllo positivo, in cui

all'insilato veniva aggiunto il prodotto Luprosil.

L'insilamento ha durato 56 giorni.

Tutti gli insilati hanno dimostrato una buona qua-

lità fermentativa, ottenendo un elevato punteg-

gio DLG. Nessuno degli insilati del primo taglio si

è surriscaldato. Negli insilati di erba del secondo

taglio si è constatato un miglioramento della sta-

bilità aerobica sia nella variante utilizzata per il

controllo positivo sia in quella in cui è stato

testato il coadiuvante Silostar Protect rispetto alla

variante che non prevedeva l'uso di coadiuvanti

per l'insilamento.

Sum

mar

y

Silage additives: test results 2009

The efficacy of the silage additive Silostar

Protect in improving the aerobic stability of

wilted grass silages was investigated. Forage

of a mixture containing mainly grasses from

the first and second cuts was pre-wilted

to 40 % DM and ensiled in laboratory scale

silos. Besides the variant with Silostar Protect,

a variant without additive and another with

propionic acid (positive control) were investi-

gated. The storage period lasted for 56 days.

Seven days before the silos were opened,

they underwent an air-stress. All silages

showed a good fermentation quality and

therefore high DLG points.

The silages of the first cut did not heat up. In

contrast to the variant without additive, both

positive control and Silostar Protect variant

did improve the aerobic stability of the silages

of the second cut.

Key words: aerobic stability, fermen tation

quality, grass silage, silage additive.

b Wyss U., 2009. Siliermittel und aerobe Stabilität: Testergebnisse 2008. Agrarforschung 16 (8), 320 – 329.

Page 20: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

232 Agrarforschung Schweiz 1 (6): 232–237, 2010

U m w e l t

Zwischenlagerung), als auch bei der Wiederherstellung

(Rekultivierung) und der Rückgabe an die Bewirtschaf-

ter (Wiederinkulturnahme und Folgebewirtschaftung).

Über die mittel- bis langfristige Wirkung der vor rund

zehn Jahren in der Verordnung über Belastungen des Bo-

dens (Anonym 1998) festgelegten Bodenschutzvorschrif-

ten ist unseres Wissens noch wenig publiziert worden

(vergleiche auch Kaufmann et al. 2009). Nach den Rekul-

tivierungsarbeiten sind die Böden nur schwach aggregiert

und mechanisch labil. Erst im Verlauf von mehreren Jah-

ren erlangen sie durch die Entwicklung einer Bodenstruk-

tur wieder eine gewisse Festigkeit. Bis zu diesem Zeit-

E i n l e i t u n g

Die Untersuchung erfolgte im Rahmen der bodenkund-

lichen Baubegleitung der SBB-Neubaustrecke Mattstet-

ten-Rothrist (NBS). Ein beträchtlicher Teil der zwischen

1995 und 2004 erstellten Bahnlinie verläuft in engen

Einschnitten und Tunnels, um Auflagen wie Landschafts-

schutz und Erhaltung der Bodenressourcen Rechnung

zu tragen. Die Beanspruchung des Kulturlandes für Ins-

tallationsplätze, Lagerflächen, Baupisten oder Baugru-

ben erforderte bodenschützerische Massnahmen so-

wohl während der Bauzeit (Bodenabtrag und

Rekultivierungen im Vergleich mit natürlich gewachsenen BödenMatthias Stettler1,2, Christoph Stettler1 und Beat Huber-Eicher2

1Geotechnisches Institut AG, 3007 Bern2Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft SHL, 3052 Zollikofen

Auskünfte: Matthias Stettler, E-Mail: [email protected], Tel. +41 (0)78 622 12 89

Schüttung des Oberbodens auf den vorbereiteten Unterboden.

Foto

: Mat

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005

Page 21: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

233Agrarforschung Schweiz 1 (6): 232–237, 2010

Rekultivierungen im Vergleich mit natürlich gewachsenen Böden | Umwelt

Die Bahn 2000 Neubaustrecke Mattstetten-

Rothrist war eine der ersten Grossbaustellen,

bei welcher die vor rund zehn Jahren ein-

geführten Bodenschutzvorschriften von der

Planung über die Ausführung bis zur Folge-

bewirtschaftung konsequent umgesetzt und

von einer bodenkundlichen Baubegleitung

betreut wurden. Ziel dieser Studie war es,

die mittel- bis langfristige Wirkung dieser

Anstrengungen anhand eines einfach zu

erhebenden Parameters möglichst flächen-

deckend zu überprüfen. In einer Feldunter-

suchung wurde dazu der Eindringwiderstand

von rekultivierten Flächen am Ende der

Folgebewirtschaftung und von benachbar-

ten, natürlich gewachsenen Böden mittels

Penetrometer gemessen und verglichen.

Dabei wurden zwei Standorte (Wanzwil und

Hersiwil) und zwei Fruchtfolge-, respektive

Bodenbearbeitungszustände (Kunstwiese

und Acker) sowie der volumetrische Boden-

wassergehalt berücksichtigt.

Die Ergebnisse zeigen auf, dass sich die

rekultivierten Böden nach sieben Jahren

Folgebewirtschaftung bezüglich des Ein-

dringwiderstands nicht von den umliegen-

den natürlichen Böden unterscheiden. Dank

den umfangreichen Bodenschutzmassnah-

men konnten demnach Verdichtungen

vermieden werden. Aufgefallen ist, dass die

rekultivierten Böden im Pflugsohlenbereich

(25 – 35 cm) einen tendenziell geringeren

Eindringwiderstand aufweisen. Dieser

Qualitätsvorteil sollte durch pfluglose

Bodenbearbeitung oder durch den Einsatz

des Systems Onland-Pflug erhalten werden.

Zusa

mm

enfa

ssu

ng

punkt reagieren rekultivierte Böden sehr empfindlich auf

Belastungen von Fahrzeugen (Schäffer et al. 2007; Kauf-

mann et al. 2009).

Die vorliegende Untersuchung sollte die Frage klären,

ob sich die unter bodenkundlicher Begleitung

re kultivierten Böden am Ende der Folgebewirtschaf-

tungsperiode von den natürlich gewachsenen Böden

(Kontrolle) bezüglich des Eindringwiderstands unterschei-

den.

M e t h o d e

Untersuchte Standorte

Entlang der NBS wurden zwei grossflächige Rekulti-

vierungsstandorte und angrenzende, nicht vom Bau

betroffene Parzellen beprobt:

•• Wanzwil: Aushubdeponie, rekultivierte Fläche

ca. 20 ha, natürliche Bodentypen: mässig tiefgründige

bis tiefgründige Braunerden, Bodenart: sandiger

Lehm. Skelettgehalt: Oberboden skelettarm (Stein-

gehalt < 5 %), im Unterboden nimmt der Skelett

gehalt mit der Tiefe zu (schwach skeletthaltig bis

kieshaltig, Steingehalt 5 – 20 %).

•• Hersiwil: Tagbautunnel, rekultivierte Fläche ca. 15 ha,

natürliche Bodentypen: tiefgründige Braunerden und

mässig tiefgründige Braunerde-Gleye. Bodenart:

Lehm. Skelettgehalt: skelettfrei bis skelettarm (Stein-

gehalt < 5 %).

Die Standorte unterschieden sich hinsichtlich baufüh-

render Firmen und Entwässerungskonzepten. Die Kul-

turerdarbeiten erfolgten an beiden Orten nach den

gültigen Richtlinien (Anonym 2000; Anonym 2001;

Häusler und Salm 2001). Mittels Tensiometern1 wurde

sichergestellt, dass Eingriffe nur bei trockenen Boden-

bedingungen erfolgten. Die Rekultivierungstechnik war

an beiden Orten dieselbe (Abb. 1): Auf weichem Aus-

hubmaterial wurde mittels Kalkstabilisierung und

Verdichtung eine tragfähige, ausnivellierte Rohplanie

erstellt. Unmittelbar vor dem Überschütten wurde die

Rohplanie mittels Dozer 40 cm tief aufgerissen. Unter-

und Oberboden wurden sodann mit Hydraulikbaggern

streifenweise und locker geschüttet. Vor einem Traktor-

einsatz auf einer frisch rekultivierten Fläche wurde min-

destens vier Wochen abgewartet, damit sich der Boden

auf natürliche Weise setzen konnte.

Für die Folgebewirtschaftung führte die SBB zusam-

men mit den beauftragten bodenkundlichen Baubeglei-

tern eigens vertraglich vorgeschriebene Richtlinien ein

(Anonym 2002). In den ersten drei Jahren nach der

Rekultivierung war nur Kunstwiese (Luzerne-Mischun-

gen) mit Silage- oder Dürrfuttergewinnung erlaubt,

danach konnte eingeschränkter Ackerbau (keine Hack-

1Tensiometer sind Messgeräte, welche die saugspannung im Boden anzeigen.

Abb. 1 | Streifenweise Rekultivierung der Ackerböden auf der Tunnelausbruch­Deponie Schacht bei Wanzwil: A=Oberboden; B=Unterboden; C=Rohplanie mit Kiesstreifen (Pfeil) als Drainage.

Foto

: M. S

tett

ler,

200

5

Page 22: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

234 Agrarforschung Schweiz 1 (6): 232–237, 2010

früchte) oder Weide betrieben werden. Mittlerweile

befinden sich die Flächen im 8. Folgebewirtschaftungs-

jahr und in Kürze erfolgt die Übergabe an die Eigen-

tümer und in die betriebsübliche Bewirtschaftung.

Feldexperiment mit Penetrometer

An beiden Standorten wurden jeweils zwei vergleich-

bare, möglichst nahe beieinander liegende Ackerparzel-

len (Wintergetreide) bestimmt: eine auf rekultiviertem

Boden und eine auf gewachsenem als Kontrolle. Zusätz-

lich wurden in gleicher Weise je zwei Kunstwiesenpar-

zellen bestimmt. Insgesamt vier paarweise vergleich-

bare Parzellen, total acht Parzellen (Tab. 1; Abb. 2 für

den Standort Wanzwil).

Die durchschnittliche Distanz zwischen den Parzel-

lenpaaren betrug rund 120 m (gemessen von Parzellen-

mitte zu Parzellenmitte). Bei den Rekultivierungsparzel-

len achtete man darauf, dass alle im gleichen Jahr (2002)

geschüttet wurden. Die Einteilung nach Kunstwiese und

Acker war nötig, um die Wirkung der Bodenbearbei-

tung mit dem Pflug zu berücksichtigen, welche zu ge-

ringeren Lagerungsdichten im Oberboden führt. Die

Kunstwiesen-Parzellen wurden mindestens ein Jahr

lang nicht gepflügt, die Acker-Parzellen hingegen rund

ein halbes Jahr vor der Beprobung.

Es wurden zwei Bodenkennwerte gemessen: der Ein-

dringwiderstand (EW) und die Bodenfeuchtigkeit, d.h.

der volumetrische Wassergehalt (θ). Der EW kann als

Mass für die Verdichtung bzw. für die Durchwurzelbar-

keit des Bodens bezeichnet werden. Man kann sich die

Spitze eines Penetrometers als Wurzel vorstellen, die

sich ihren Weg durch den Boden bahnen muss. Als ver-

gleichbare Messgrösse wird üblicherweise der Cone In-

dex (CI) verwendet, so auch in dieser Untersuchung.

Beim CI handelt es sich um den Mittelwert der gemesse-

nen Eindringwiderstände in Megapascal (MPa) in 1, 15,

30 und 45 cm Bodentiefe.

Als Messinstrument diente der Penetrologger Typ

06.15.SA der Firma Eijkelkamp (Abb. 3). Der Penetrolog-

ger ermöglicht Messungen bis in eine Tiefe von 80 cm

durch manuelles Herunterdrücken der Sondierstange.

Direkt am Penetrologger angeschlossen ist ein Boden-

feuchtesensor (TDR-Sonde) zur Ermittlung von θ mittels

elektrischen Widerstands, jedoch nur in den obersten

10 cm. Die Messergebnisse werden automatisch in ei-

nem Datenlogger gespeichert und können über eine

Schnittstelle von einem PC ausgelesen werden.

Die acht Versuchsparzellen wurden je in acht Teilparzel-

len unterteilt, sogenannte Plots. Um einen zuverlässi-

gen Messwert zu erhalten wurden pro Plot sieben Pene-

trationen getätigt und anschliessend der Mittelwert

gebildet (insgesamt 7 × 8 × 8 = 448 Messungen).

Messzeitpunkte und statistische AuswertungDer volumetrische Wassergehalt θ nimmt erheblichen

Einfluss auf die Messung des EW (Dexter et al. 2007;

Kaufmann et al. 2009).

Um möglichst ähnliche Bodenbedingungen zu gewähr-

leisten, wurden zeitlich nahe beieinander liegende Mes-

sungen angestrebt.

Geplant war, alle Messungen im Frühling 2009 bei Feld-

kapazität durchzuführen, also bei feuchtem Bodenzu-

stand. In Wanzwil erfolgten die Erhebungen am 6. April.

Danach setzte eine aussergewöhnliche Trockenperiode

ein und die Bodenfeuchtigkeitsverhältnisse konnten

nicht mehr reproduziert werden. Die Messungen in Her-

siwil erfolgten schliesslich am 13. Mai 2009, nachdem

wieder einige Regenfälle durchs Land gezogen waren. Es

Umwelt | Rekultivierungen im Vergleich mit natürlich gewachsenen Böden

Rekultivierungs-perimeter

N

Abb. 2 | Aufgefüllte Deponie Schacht bei Wanzwil mit Rekulti ­vierungsperimeter und beprobten Parzellenpaaren (rote Linien). (K­A = Kontrolle­Acker; K­KW = Kontrolle­Kunstwiese; R­A = Rekulti­viert­Acker; R­KW = Rekultiviert­Kunstwiese). Am unteren Bildrand ist die neue Bahnlinie erkennbar.

Standort Bodenbearbeitung Bodenalter CI (MPa)

Wanzwil

AckerRekultiviert 1,29

Kontrolle 1,35

KunstwieseRekultiviert 1,57

Kontrolle 1,79

Hersiwil

AckerRekultiviert 2,29

Kontrolle 2,58

KunstwieseRekultiviert 2,69

Kontrolle 2,51

Tab. 1 | Versuchsplan mit acht Varianten (2 Standorte * 2 Boden­alter * 2 Bodenbearbeitungsstufen), zugeteilten Parzellen und gemessenen Mittelwerten für den Cone Index (CI).

Fot

o: G

oogl

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rth,

Apr

il 20

07

Page 23: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

235Agrarforschung Schweiz 1 (6): 232–237, 2010

Die grosse Differenz zwischen den Standorten Wanzwil

und Hersiwil lässt sich primär auf ein unterschiedliches θ

zurückführen: in Hersiwil wurden wegen den trockene-

ren Bedingungen höhere EW gemessen (Abb. 4).

Zwischen den Bodenbearbeitungszuständen (Kunst-

wiese - Acker) konnte ebenfalls kein gesicherter Unter-

schied festgestellt werden. Hier wurde ursprünglich

vermutet, dass die tiefere Bodenbearbeitungsintensität,

die höhere Befahrungsintensität (Futterernte), die in-

tensivere Durchwurzelung und die höhere Evapotrans-

pirationsrate (tieferes θ) bei Kunstwiesen-Böden einen

signifikant höheren CI zur Folge haben.

Physikalische Bodenqualität

Aussagen zur physikalischen Bodenqualität (Vergleich

mit Normen und Richtwerten) lassen sich ausschliesslich

für Messungen nahe der Feldkapazität anstellen, was

nur für Wanzwil möglich ist. Die folgenden Ausführun-

gen gelten deshalb nur für diesen Standort.

In Wanzwil liegt der CI für die Ackerflächen mit 1,35

MPa (Kontrolle) und 1,29 MPa (Rekultiviert) klar unter-

halb des von Locher und De Bakker (1990) als oberes

Limit für ungestörtes Wurzelwachstum angegebenen

Wertes von 1,5 MPa. Bei den Kunstwiesen liegt er mit

1,79 MPa (Kontrolle) und 1,57 MPa (Rekultiviert) leicht

darüber. Allerdings fällt bei Betrachtung der EW-Ver-

läufe auf, dass sich die Unterschiede zwischen Acker-

und Kunstwiesen-Parzellen durch alle Bodenschichten

hindurch ziehen. Das lässt auf einen systematischen Un-

terschied schliessen, der wahrscheinlich in Textur, Ske-

lett oder θ zu suchen ist.

Der EW liegt beim Wanzwiler Oberboden (bis ca. 30

cm Tiefe) unterhalb dem von Horn et al. (2009) vorge-

schlagenen Vorsorgewert von 2 MPa. Im Unterboden

(30 bis 80 cm Tiefe) bewegt er sich etwas darüber (2 bis 3

MPa), wobei der EW bei den Kontrollparzellen gegen-

über den rekultivierten Parzellen durchwegs um ca. 0.5

MPa höher liegt. Mögliche Gründe hierfür liegen in der

Pflugsohle und im Skelettgehalt. Die Kontrollparzellen

weisen im Bereich von 25 – 40 cm einen markant höhe-

ren EW auf, welcher so bei den rekultivierten Parzellen

nicht zu beobachten ist. Dies ist eine erfreuliche Er-

kenntnis, die den Anstrengungen für die sorgfältige

Folgebewirtschaftung ein gutes Zeugnis ausstellt. In

den Kontrollparzellen führte der in tieferen Schichten

(ab ca. 50 cm) zunehmende Skelettgehalt zu Problemen

beim Einstechen mit dem Penetrologger und zu einer

erhöhten Varianz der Messungen.

Die Daten von Hersiwil decken die Problematik von

Messungen unterhalb der Feldkapazität auf. Es zeigt

sich ein umgekehrtes Bild: der EW nimmt im Unter-

boden mit der Tiefe ab. Dies deutet auf ein zunehmen-

stellte sich jedoch heraus, dass θ trotzdem weit unter der

Feldkapazität lag. Der Zeitpunkt konnte aber nicht wei-

ter verschoben werden, da die Getreidekulturen bereits

hoch standen. Das hat zur Folge, dass die Messwerte von

Wanzwil und Hersiwil nicht direkt miteinander vergli-

chen werden können.

Für die statistische Auswertung wurde für jede Par-

zelle der CI-Mittelwert aus den jeweils acht Mittelwer-

ten der Plots berechnet (Tab. 1). Die Parzellenmittel-

werte wurden dann zu Wertepaaren zusammengefasst,

wobei an jedem Standort die Parzellen mit der gleichen

Bodenbearbeitung auf rekultiviertem bzw. natürlich ge-

wachsenem Boden ein Paar bildeten. Die vier so gebilde-

ten Wertepaare wurden dann mit einem Wilcoxon sig-

ned-rank Test analysiert.

R e s u l t a t e

Keine Unterschiede zwischen Kontroll- und rekultivier-

ten Böden

Die statistische Analyse der CI-Daten ergab keinen signi-

fikanten Unterschied zwischen den Mittelwerten der

Kontrollböden (CI = 2,06 MPa) und der rekultivierten

Böden (CI = 1,96 MPa; n = 4, W = 5, p > 0,05).

Rekultivierungen im Vergleich mit natürlich gewachsenen Böden | Umwelt

Abb. 3 | Penetrologger der Firma Eijkelkamp Agrisearch Equip­ment, Giesbeek (NL), mit Tiefenbezugsplatte und Feuchtigkeits­sensor mit Kabel. (Foto: E. Stettler, 2009)

Fot

o: E

. Ste

ttle

r, 2

009

Page 24: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

236

Wanzwil

-80

-70

-60

-50

-40

-30

-20

-10

00 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4 4.5

MPa

Bodentiefe (cm)

K-A

K-KW

R-A

R-KW

Hersiwil0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4 4.5

MPa

Bode

ntie

fe (c

m)

Agrarforschung Schweiz 1 (6): 232–237, 2010

Literatur b Anonym, 1998. Verordnung über die Belastung des Bodens vom 1. Juli 1998 (Stand 1. Juli 2008), Schweizerischer Bundesrat.

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b Locher W. P. & De Bakker H., 1990. Bodemkunde van Nederland, Deel 1. Malmberg, Den Bosch (NL).

b Schäffer B., Attinger W. & Schulin R., 2007. Compaction of restored soil by heavy agricultural machinery – Soil physical and mechanical aspects. Soil and Tillage Research 93, 28 – 43.

des θ in tieferen Bodenschichten hin. Trotzdem ist eine

deutliche Pflugsohle bei den Ackerflächen der Kontroll-

Parzellen zu erkennen.

Bodenschutzmassnahmen haben sich bewährt

Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich die

Lagerungsdichte der untersuchten Böden trotz

Bodenabtrag, Zwischenlagerung, Schüttung und wäh-

rend der Folgebewirtschaftung nicht erhöht und so-

mit nicht verschlechtert hat. Auffällig ist, dass die re-

kultivierten Böden im Pflugsohlenbereich (25 – 35 cm)

einen tendenziell geringeren Eindringwiderstand auf-

weisen. Dieser Qualitätsvorteil sollte durch pfluglose

Bodenbearbeitung oder durch den Einsatz des Systems

On-land-Pflug erhalten werden.

Die vor ca. zehn Jahren eingeführten Bodenschutzvor-

schriften und die von der SBB eigens für die Folgebe-

wirtschaftung eingeführten Richtlinien scheinen sich

damit im vorliegenden Fall als erfolgreiche Massnah-

men zur Vermeidung von Bodenverdichtungen erwie-

sen zu haben. Es gilt in zukünftiger Forschung zu

untersuchen, wie sich das Porensystem von Rekultivie-

rungen entwickelt und ob die Porenkontinuität (die

Vernetzung der Hohlräume untereinander) wieder

dasselbe Niveau erreicht wie bei natürlichen Böden. n

Umwelt | Rekultivierungen im Vergleich mit natürlich gewachsenen Böden

Abb. 4 | Eindringwiderstände nach Standorten (K­A = Kontrolle­Acker; K­KW = Kontrolle­Kunstwiese; R­A = Rekultiviert­Acker; R­KW = Rekultiviert­Kunstwiese).

Page 25: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

237

Ria

ssu

nto

Sum

mar

y

Confronto tra terreni ricoltivati e

terreni a crescita naturale

La nuova tratta ferroviaria Mattstet-

ten-Rothrist, costruita nell’ambito del

progetto Ferrovia 2000, é stato uno dei

primi grandi cantieri nel quale le diret-

tive sulla protezione del suolo, stabi-

lite una decina d’anni fa, sono state

rigorosamente applicate, durante la

fase di pianificazione, realizzazione e

assestamento, dagli specialisti della

sorveglianza del suolo.

L’obiettivo del presente studio era di

esaminare gli effetti a medio lungo

termine risultanti da questo notevole

sforzo, utilizzando semplici parametri

che possano essere applicati su vaste

superfici.

Nelle analisi del suolo, tramite pene-

trometro dinamico, è stata misurata e

messa a confronto la resistenza di

penetrazione dei suoli rinaturalizzati

tramite sistema di ricoltivazione con

quelli a crescita naturale. Lo studio è

stato eseguito in due località (Wanzwil

e Hersiwil), su due tipi di terreni

coltivati (prato artificiale e cereali)

considerando l’umidità del suolo.

I risultati dimostrano che dopo sette

anni, per quel che concerne la resi-

stenza alla penetrazione, i terreni

ricoltivati non si differenziano dai

suoli a crescita naturale.

Grazie alle misure di protezione si è

dunque impedito una compattazione

del suolo.

Inoltre si nota che i suoli ricoltivati

presentano una resistenza legger-

mente inferiore alla penetrazione

nella profondità di aratura (25–35 cm).

Questo vantaggio qualitativo

dovrebbe venir conservato rinun-

ciando alla lavorazione del terreno

con aratri oppure tramite l’aratura

semiportante.

Agrarforschung Schweiz 1 (6): 232–237, 2010

Comparison between restored and

naturally developed soils

The new Mattstetten-Rothrist rail

line builded in the frame of «Railway

2000»was one of the first large-scale

construction projects to strictly

im plement soil protection regulations

introduced about 10 years ago. Super-

vised by a pedological consultation

team, this was realised from the plan-

ning of the project to subsequent soil

management. The objective of this

study was to examine the mid- to

long-term effects of these efforts

using easy-to-apply parameters, and

covering as wide an area as possible.

Using a penetrometer, penetration

resistance of both restored areas and

neighbouring, naturally developed

soils were measured and compared in

a field study at the end of the sub-

sequent management. Two locations

(Wanzwil and Hersiwil) and two types

of soil cultivation (ley and field) as

well as volumetric soil water content

were taken into consideration. The

results demonstrate that after seven

years of subsequent management,

restored soils show no difference

from naturally produced ones with

regard to penetration resistance. Thus,

by applying extensive soil protection

measures, it was possible to avoid

soil compaction. Particularly noticeable

fact was that the restored soils in the

plow pan strata (25 – 35 cm) showed

somewhat lower penetration

resistance. This qualitative advantage

should be maintained through plow-

less tillage or through the use of

On-land-Plow systems.

Key words: soil restoration, soil com-

paction, penetration resistance, plow

pan, plowless tillage.

Rekultivierungen im Vergleich mit natürlich gewachsenen Böden | Umwelt

Page 26: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

238 Agrarforschung Schweiz 1 (6): 238–243, 2010

A g r a r w i r t s c h a f t

Landwirte in Ackerbaugebieten davon abhalten, auf

bio logische Wirtschaftsweise umzusteigen. Diese

Hemmnisse wurden mittels der Antworten von Betrie-

ben, die bereits auf Bio umgestellt haben, auf ihre Rele-

vanz überprüft. Die Ergebnisse sollten aufzeigen, wel-

che gezielten Massnahmen dazu beitragen können, die

steigende Nachfrage nach Bioprodukten auch im Pflan-

zenbau vermehrt durch inländischen Anbau zu decken.

E i n l e i t u n g

Rund zehn Prozent oder 6000 der Landwirtinnen und

Landwirte in der Schweiz führen ihren Betrieb bio-

logisch. Deutlich geringer ist dieser Anteil in der Gruppe

der Ackerbaubetriebe (im Jahr 2007: 0,44 % bzw.

17  Betriebe). Anhand einer schweizweiten Befragung

wurden daher jene Faktoren identifiziert, die ÖLN-

Biolandbau: Warum nur wenige Ackerbau betriebe umstellenAli Ferjani, Albert Zimmermann und Linda Reissig, Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART,

Tänikon, CH-8356 Ettenhausen

Auskünfte: Ali Ferjani, E-Mail: [email protected], Tel. +41 52 368 31 31

Der befürchtete Unkraut­ und Schädlingsdruck schreckt viele Ackerbaubetriebe von einer Umstellung auf Biolandbau ab.

Foto

: ART

Page 27: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

239Agrarforschung Schweiz 1 (6): 238–243, 2010

Zusa

mm

enfa

ssu

ng

Der biologische Landbau in der Schweiz

verzeichnete vor allem im Zeitraum zwischen

1990 und 2005 ein grosses Wachstum und

hat sich in der Landwirtschaft und bei den

Konsumenten etabliert. Deutlich unter-

vertreten sind die Biobetriebe jedoch in den

Ackerbauregionen, was sicherlich auf die im

Vergleich zum Grünland meist höheren

Anforderungen an die Betriebsumstellung

zurückzuführen ist. Mit einer Umfrage unter

rund 600 Bio- und ÖLN-Ackerbaubetrieben

wurde untersucht, welche Gründe Land-

wirtinnen und Landwirte von einer Um-

stellung abhalten.

Die grössten Befürchtungen sind der

Unkrautdruck und der damit zusammen-

hängende höhere Arbeitsaufwand, die

ungenügende Wirtschaftlichkeit durch zu

geringe Zuschläge auf die Produktpreise,

Probleme bei der Nährstoffversorgung

und zu strenge oder häufig ändernde Richt-

linien. Die Umfrageergebnisse der Bio-Acker-

baubetriebe zeigen, dass diese Befürchtun-

gen nur teilweise berechtigt sind. Die

Wirkungsweisen nachbarschaftlichen

Austauschs bei der Ausdehnung des Bio-

landbaus sollten daher verstärkt gefördert

werden.

Biolandbau: Warum nur wenige Ackerbaubetriebe umstellen | Agrarwirtschaft

M e t h o d e

Im Jahr 2009 wurden im Rahmen einer empirischen

Studie rund 3400 Bio- und ÖLN-Betriebe schriftlich an-

gefragt, ihre Einstellungen gegenüber dem Biolandbau

darzulegen. Für Betriebsgruppen mit geringer Anzahl

Betriebe, insbesondere Ackerbau- und Umstellungsbe-

triebe (Umstellung von ÖLN auf Bio oder umgekehrt),

wurde der Stichprobenumfang erhöht; innerhalb dieser

Schichten erfolgte danach die Auswahl der Betriebe zu-

fällig. 1177 Landwirtinnen und Landwirte beteiligten

sich an der anonymisierten Befragung. Die Befragten

konnten die vorgegebenen Argumente für und gegen

den Biolandbau auf einer vierstufigen Skala bewerten,

von nicht wichtig, eher unwichtig, teilweise wichtig bis

zu sehr wichtig. Viele von ihnen beschrieben ihre Einstel-

lung in Form zusätzlicher Kommentare, was sehr nütz-

lich für ein tieferes Verständnis der Problematik war.

Von den 612 angefragten Ackerbaubetrieben be-

teiligten sich 220 Landwirtinnen und Landwirte mit

auswertbaren Fragebögen an der Erhebung; dies ent-

spricht einer Rücklaufquote von 36 %. 106 antwortende

Betriebe waren gänzlich viehlos, nur sieben Betriebe

wurden biologisch bewirtschaftet. Um die Daten statis-

tisch auswerten zu können, wurden für die vorliegende

Analyse weitere 60 Biobetriebe miteinbezogen, die eine

offene Ackerfläche von über 50 % der landwirtschaftli-

chen Nutzfläche (LN) aufweisen, obwohl für die offi-

zielle Klassifizierung als Ackerbaubetrieb ein Anteil von

über 70 % erforderlich wäre.

Bio-Ackerbaubetriebe ÖLN-Ackerbaubetriebe

4%

21%

30%

22%

37%

27%

39%

36%

39%

45%

54%

63%

45%

61%

10%

27%

19%

31%

24%

42%

31%

34%

33%

31%

25%

27%

45%

30%

3%

6%

25%

20%

19%

31%

20%

21%

10%

15%

26%

31%

31%

30%

28%

29%

33%

29%

30%

34%

33%

30%

20%

35%

31%

34%

34%

17%

0% 20% 40% 60% 80% 100% 120% 140% 160% 180%

Wertschätzung durch Berufskollegen

Wertschätzung durch Familie

Eignung für Direktvermarktung

Wertschätzung durch Gesellschaft

Wohl der Tiere

Mehr Direktzahlungen

Einkommen verbesserbar

Positives Image des Biolandbaus

Besondere Herausforderung

Passt in das eigene Betriebskonzept

Nachfrage nach Bio-Produkten gross

Geringere Belastung der Umwelt

Höhere Preise für Produkte

Weniger Chemikalien in Nahrungsmitteln

Sehr wichtig Teilweise wichtig Sehr wichtig Teilweise wichtig

Abb. 1 | Argumente für Bio aus Sicht der Bio­ und ÖLN­Ackerbauern.

Page 28: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

240 Agrarforschung Schweiz 1 (6): 238–243, 2010

Agrarwirtschaft | Biolandbau: Warum nur wenige Ackerbaubetriebe umstellen

a. «Überzeugt ÖLN» (51 Betriebe; davon 1 konven-

tionell, 50 ÖLN)

Die Landwirtinnen und Landwirte dieser Gruppe

verfolgen primär das Ziel der Ertragsmaximierung. Sie

empfinden die ÖLN-Bewirtschaftungsweise als um-

weltfreundlich und glauben nicht, dass der Bioland -

bau Vorteile für Mensch oder Umwelt bietet oder dass

biologische Lebensmittel gesünder sind. Zudem

äussern sie grundlegende Zweifel an der Sinnhaftig-

keit und Machbarkeit eines Biolandbaus in grossem

Umfang.

b. «Optimierer» (92 Betriebe; davon 2 konventionell,

89 ÖLN, 1 Bio)

Den Landwirtinnen und Landwirten in dieser Gruppe

ist umweltfreundliches Wirtschaften ein besonderes

Anliegen, sie wollen sich jedoch nicht starren Richt-

linien und Kontrollen unterwerfen. Im Umstieg auf

biologische Wirtschaftsweise sehen sie eine Möglich-

keit, das Betriebseinkommen zu verbessern. Aufgrund

einer fehlenden Ausbildung in biologischer Wirt-

schaftsweise, des höheren anbautechnischen Risikos,

der als ungenügend erachteten Organisation der Ver-

marktung oder der Unsicherheit über die zukünftigen

Preise und Direktzahlungen im Biolandbau sehen die

Betriebe jedoch meist von einer Umstellung ab.

c. «Überzeugt Bio» (67 Betriebe; davon 1 ÖLN, 66 Bio)Die biologische Wirtschaftsweise ist ein besonders wich-

tiges Anliegen für die Landwirtinnen und Landwirte

dieser Gruppe. Ihre Wahl stützt sich aber weniger auf

abstrakte Begriffe wie «Nachhaltigkeit», sondern viel-

mehr auf unmittelbare Erfahrungen, sei es der

R e s u l t a t e

Umstellungsvorteile für Ackerbaubetriebe

Die Landwirtinnen und Landwirte beurteilten verschie-

dene Vorteile des Biolandbaus (Abb. 1). Sowohl für die

Bio- als auch die ÖLN-Betriebe haben Umweltaspekte

eine grosse Bedeutung. Für rund 90 % beziehungsweise

60 % sind diese ein mindestens teilweise wichtiges Argu-

ment für den Biolandbau. Fast gleichbedeutend werden

die höheren Produktpreise beurteilt. Für die Biobe-

triebe sind im Weiteren das positive Image des Bioland-

baus, die Direktzahlungen und die Eignung für das ei-

gene Betriebskonzept besonders wichtig. Weniger

entscheidend für den Umstieg auf Bio ist die gesell-

schaftliche Anerkennung, besonders jene seitens der

Berufskollegen.

Clusteranalyse

Um hinsichtlich ihrer Einstellung und Motivation ge-

genüber dem Biolandbau möglichst homogene Grup-

pen von Landwirtinnen und Landwirten zu unterschei-

den, wurde anhand der Argumente, die für den

Biolandbau sprechen, eine Clusteranalyse durch geführt.

Nicht in diese Analyse einbezogen wurden 70 ÖLN-Be-

triebe, die nicht alle Argumente beurteilt hatten, so

dass die Gruppengrösse insgesamt 210  Betriebe um-

fasste. Anhand einer Faktorenanalyse wurden die teil-

weise korrelierten Argumente zu drei Faktoren zusam-

mengefasst, nämlich «Umwelt», «Image» und

«Ökonomische Motivation». Diese dienten als Variablen

in der hierarchischen Clusteranalyse, die zu drei Grup-

pen von Ackerbaubetrieben führte und allgemein wie

folgt beschrieben werden können:

34%

25%

24%

55%

39%

60%

33%

46%

50%

52%

54%

64%

67%

73%

77%

83%

39%

51%

55%

53%

69%

65%

75%

76%

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Vermarktung ungenügendorganisiert

Lieferrecht unsicher

Teure Investitionen wärenerforderlich

Direktzahlungen zu niedrig

Zukünftige Nachfrage nachBio unsicher

Entwicklung derDirektzahlungen unsicher

Einkommen mit Bio kaumverbesserbar

Produktpreise deckenMehrkosten nicht

«Überzeugt ÖLN»«Optimierer»«Überzeugt Bio»

Abb. 2 | Ökonomische Umstellungshemmnisse.

Page 29: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

241Agrarforschung Schweiz 1 (6): 238–243, 2010

Biolandbau: Warum nur wenige Ackerbaubetriebe umstellen | Agrarwirtschaft

marktung befürchten mehr «Optimierer» als «Überzeugt

ÖLN»-Betriebe, relativ stärker besorgt sind die «Optimie-

rer» im Weiteren bezüglich der Preise und Direktzahlun-

gen. Die tatsächlich biologisch wirtschaftenden Landwirt-

innen und Landwirte nähern sich bei der Verunsicherung

über die Höhe und Entwicklung der Direktzahlungen am

stärksten an die Beurteilung der ÖLN-Betriebe an.

Produktionstechnische Umstellungshemmnisse

Besonders deutlich fällt die Beurteilung einiger Argu-

mente gegen den Biolandbau im Bereich der Produkti-

onstechnik aus. Rund 95 % der ÖLN-Betriebe befürch-

ten Probleme mit dem Unkraut (Abb. 3). Auch für 76 %

der Biobetriebe spricht dieses Argument gegen den Bio-

landbau, was darauf hinweist, dass die Unkrautbekämp-

fung im Biolandbau tatsächlich ein schwerwiegendes

Problem darstellt. Auch der Krankheits- und Schädlings-

druck sowie der höhere Arbeitsaufwand sind für 94 %

der «Überzeugt ÖLN»- Betriebe bedeutende Nachteile

des Biolandbaus, leicht geringer sind diese Anteile bei

den «Optimierern». Weitere, von einem Grossteil der

Betriebe als bedeutend erachtete Argumente sind der

Nährstoffmangel und die Ertragseinbussen. Die mit

dem ÖLN gestiegene Umweltqualität spricht besonders

für die «Optimierer» gegen eine Umstellung, während

dies die Biobetriebe kaum dazu bewegt, die Landbau-

form zu ändern.

Soziale, persönliche und administrative Umstellungs-

hemmnisse

Das soziale Umfeld und die persönliche Situation beein-

flussen die Einstellung zum Biolandbau. Dazu zählen

laut Lampkin und Padel (1994, 244ff.) Aspekte wie der

Widerwillen mit chemischsynthetischen Pflanzenschutz-

mitteln zu hantieren, die Gesundheit der Familie, die

Suche der Nähe zur Natur, oder die Überzeugung, dass

nur die biologische Wirtschaftsweise den Boden gesund

und fruchtbar hält. Oft sind diese Betriebsleitende auch

in der Direktvermarktung engagiert.

Umstellungshemmnisse der Ackerbaubetriebe

Eine Umstellung auf die biologische Produktionsweise

erfordert mit der umfassenden betrieblichen Verände-

rung ein anderes Grundverständnis der Landbewirt-

schaftung (Rolker 2000). Neben ökonomischen und pro-

duktionstechnischen Gründen können auch soziale,

persönliche und administrative Argumente gegen den

Biolandbau sprechen (Padel 2001). Im Folgenden ist die

Bewertung solcher Argumente durch die drei unter-

schiedenen Betriebsgruppen dargestellt; ausgewiesen

ist jeweils der Anteil der Betriebe, für den das Argument

teilweise wichtig oder sehr wichtig für eine Entschei-

dung gegen die Umstellung auf Biolandbau ist.

Ökonomische UmstellungshemmnisseEine Mehrzahl der ÖLN-Landwirte vertritt die Meinung,

dass der Biolandbau kaum wirtschaftliche Vorteile bietet.

So glauben drei Viertel von ihnen nicht, dass sich ihr Ein-

kommen mit dem Biolandbau verbessern liesse, während

von den Biolandwirtinnen und -wirten nur ein Drittel

diese Erfahrung machte (Abb. 2). 68 % der ÖLN-Land-

wirte zweifeln zudem an der zukünftigen Absatzsicher-

heit der Bioprodukte, je rund die Hälfte befürchtet wei-

tere wirtschaftliche Nachteile wie teure Investitionen,

wegfallende Lieferrechte oder eine ungenügende Ver-

marktungsorganisation. Diese Probleme bei der Ver-

18%

34%

48%

19%

51%

63%

76%

36%

68%

71%

79%

83%

88%

95%

39%

71%

80%

73%

94%

94%

96%

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Einhaltung Ökoflächenanteilschwierig

Ertragseinbussen zu hoch

Probleme bei derNährstoffversorgung

Gestiegene Umweltqualitätauch mit ÖLN

Krankheits-/Schädlingsdruck

Arbeitsaufwand zu hoch

Unkrautdruck

«Überzeugt ÖLN»«Optimierer»«Überzeugt Bio»

Abb. 3 | Produktionstechnische Umstellungshindernisse.

Page 30: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

242 Agrarforschung Schweiz 1 (6): 238–243, 2010

Agrarwirtschaft | Biolandbau: Warum nur wenige Ackerbaubetriebe umstellen

Generationskonflikt, Informationsmangel oder ein

mögliches Negativimage des Biolandbaus, aber auch die

vorhandene betriebliche Konstellation und die Wahr-

nehmung von Risiken. Ein Drittel der ÖLN-Betriebe

bezeichnen ein negatives Image des Biolandbaus als

Umstellungshemmnis (Abb. 4). Gleichzeitig betonen

über die Hälfte dieser Betriebe das positive Image des

Biolandbaus (siehe Abb. 1). Sogar derselbe Betrieb

stimmt teilweise beiden Argumenten zu, was zum Bei-

spiel bei einer positiven persönlichen Einstellung, aber

einem negativen Image seitens der Berufskollegen der

Fall sein kann. Für 55 % der «Optimierer» ist der eigene

Wissensstand über den Biolandbau ein Umstellungs-

hemmnis. Von grösserer Bedeutung ist der Eindruck,

dass die Richtlinien zu streng sind oder sich zu oft ändern,

sowie der administrative Aufwand. Diese Argumente

empfinden auch viele Biobetriebe als störend.

S c h l u s s f o l g e r u n g e n

Die Befragung der ÖLN-Ackerbaubetriebe zeigt, dass

die Befürchtung von produktionstechnischen Nachtei-

len, besonders von Unkrautproblemen, die grössten

Hemmnisse für eine Umstellung auf die biologische

Wirtschaftsweise sind. Ebenfalls sehr verbreitet ist die

Meinung, dass sich der Biolandbau wirtschaftlich nicht

lohnen würde, gefolgt von den als zu streng empfunde-

nen Richtlinien. Die Anzahl der befragten ÖLN-Betriebe,

für die eine Umstellung derzeit in Frage kommt, ist rela-

tiv gering (nur 3 % bzw. 6 Betriebe). Sehr viele Betriebs-

leitende sind nicht bereit, die gewohnte Wirtschafts-

weise aufzugeben und das Risiko einer Umstellung

einzugehen. Um dem hemmenden Einfluss dieses Risi-

kos zu begegnen, dürfte es besonders hilfreich sein,

wenn in der Region bereits Biolandwirte unter ver-

gleichbaren Bedingungen erfolgreich wirtschaften und

auch bereit sind, bei Fragen oder Problemen zur Seite zu

stehen. Denn Landwirtinnen und Landwirte messen

dem, was sie sehen und erleben können, mehr Bedeu-

tung zu, als jenem, welches ihnen von der Beratung oder

von Dritten, die sie nicht kennen, berichtet wird (Sze-

rencsits et al. 2009). Um den Biobetriebsanteil bei den

Ackerbaubetrieben zu erhöhen, werden basierend auf

den vorliegenden Ergebnissen folgende Massnahmen

vorgeschlagen:

•• Unterstützung vorhandener Biobetriebe und Nutzung

ihrer Vorbildwirkung.

•• Zukünftige Sicherung der Bio-Direktzahlungen. n

4%

15%

36%

24%

28%

60%

48%

67%

48%

29%

34%

45%

50%

55%

59%

71%

72%

75%

35%

33%

51%

61%

43%

57%

69%

63%

61%

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Ich lehne Biolandbaugrundsätzlich ab

Negatives Image desBiolandbaus

Überwachung stört mich

Passt nicht in eigenesBetriebskonzept

Eigenes Wissen über Bioungenügend

Bio-Kontrollen zu teuer

Administration aufwändig

Richtlinien ändern sich oft

Richtlinien zu streng

«Überzeugt ÖLN»«Optimierer»«Überzeugt Bio»

Abb. 4 | Soziale, persönliche und administrative Umstellungshemmnisse.

Page 31: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

243

Ria

ssu

nto

Sum

mar

y

Agrarforschung Schweiz 1 (6): 238–243, 2010

Biolandbau: Warum nur wenige Ackerbaubetriebe umstellen | Agrarwirtschaft

Organic Agriculture: Why so Few

Farms Convert

Organic farming recorded significant

growth in Switzerland, especially

between 1990 and 2005, and won the

support of both farmers and consum-

ers. Despite this, organic farms are

noticeably underrepresented in the

arable farm regions; this situation is

certainly due to the usually greater

demands placed on farm conversion in

these regions than in grassland. A  sur-

vey of around 600 organic and PEP

arable farms was conducted to

de termine which factors deter farmers

from converting. The greatest fears

expressed were the weeds pressure

and the increased work needed for

their control, the insufficient profi-

tability resulting from toolow sur-

charges on product prices, problems

in nutrient supply and the too strict

or too frequently changing guidelines.

The results of the organic arable farm

survey show that these fears are only

partially justified. Increasing neigh-

bourly exchanges should therefore

promote the expansion of organic

farming.

Key words: arable farms, organic,

conversion factors, cluster analysis.

Agricoltura biologica: mal accettata in

campicoltura

L'agricoltura biologica ha conosciuto

un importante rilancio in Svizzera

soprattutto tra il 1990 e il 2005, con-

quistando una notevole valenza sia

presso i produttori, che i consumatori.

Nelle regioni dedite alla campicoltura,

le aziende biologiche sono nettamente

sottorappresentate e ciò è riconduci-

bile alle esigenze imposte alle aziende

che vi si convertono, esigenze più

rigorose rispetto a quelle imposte alle

zone foraggicole. Attraverso un son-

daggio rivolto a 600 aziende dedite

alla campicoltura che seguono i prin-

cipi dell'agricoltura biologica e della

PER, si è tentato d'individuare i motivi

per cui gli agricoltori sono piuttosto

restii a convertire la propria azienda.Le

maggiori reticenze concernono la

pressione di malerbe e il conseguente

aumento del carico di lavoro, l'insuffi-

ciente redditività dovuta a supple-

menti troppo limitati sui prezzi dei

prodotti, i problemi di concimazione e

le direttive troppo severe, nonché le

loro frequenti modifiche. I risultati del

sondaggio mostrano che i timori sono

fondati soltanto in parte. Pertanto si

devono incentivare maggiormente, e

in modo efficace, gli scambi tra agric-

oltori per favore l’estensione dell'agri-

coltura biologica.

Literatur b Lampkin N.H. & Padel S., 1994. Economics of Organic Farming. An International Perspective. CAB International, Wallingford, England.

b Padel S., 2001. Conversion to Organic Farming: A Typical Example of the Diffusion of an Innovation? Sociologia Ruralis 41 (1), S. 10–61.

b Rolker P., 2000. Öko-Obstbau in der Zukunft – Chancen und Risiken. In: Zander K. & Waibel H. (Hrsg.), 2000. Ökologischer Gartenbau. Arbeits-berichte zur Ökonomie im Gartenbau, 83, Ökonomisches Kolloquium Wintersemester 1999/2000, Hannover, S. 37–46.

b Szerencsits M., Ruppert J., Dahlmann C. & Hess J., 2009. Entwicklung von Strategien zur Ausdehnung des Ökologischen Landbaus in Luxemburg. 10. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau, Zürich, 11.–13. Februar 2009.

Page 32: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

244 Agrarforschung Schweiz 1 (6): 244–251, 2010

Fabio Mascher, Michel Habersaat und Stefan Kellenberger, Forschungsanstalt Agroscope

Changins-Wädenswil ACW, 1260 Nyon

Auskünfte: Fabio Mascher, E-Mail: [email protected], Tel. +41 22 363 47 33

Bedroht der Gelbrost den Weizenanbau in der Schweiz?

P f l a n z e n b a u

Die Epidemie griff schnell auf das ganze Land über. Das

Auftreten und die Ausbreitung der Epidemie wurden

wahrscheinlich durch günstige Wetterbedingungen

(Chen 2005) sowie das Auftreten eines neuen Pathogen-

stamms und Träger der bis anhin in der Schweiz noch

unbekannten Virulenz Yr17 ausgelöst (nicht veröffent-

lichte Daten).

Erreger des Gelbrosts ist der Pilz Puccinia striiformis

fsp. tritici. Bei der Besiedlung der Blätter bildet er ent-

lang der Blattadern gelbe, in Streifen angeordnete Pus-

E i n l e i t u n g

In der Schweiz tritt der Gelbrost, im Gegensatz zu den

anderen Krankheiten des Weizens nur sehr selten auf.

Bei einer Epidemie kann die Krankheit jedoch zu gro-

ssen Ertragsausfällen führen (Kobel 1961). Die letzte

Gelbrostepidemie in der Schweiz geht auf die Jahre

2000 - 2002 zurück und betraf nur eine geringe Anzahl

Weizensorten, insbesondere den Biskuitweizen Arbola

sowie den Triticale Prader (Michel 2001).

Abb. 1 | Weizenblätter mit einer starken Gelbrostinfektion. Eine grosse Menge an Uredosporen wird produziert.

Fot

o: A

CW

Page 33: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

245Agrarforschung Schweiz 1 (6): 244–251, 2010

Bedroht der Gelbrost den Weizenanbau in der Schweiz? | Pflanzenbau

Im Jahre 2008 wurden bei Sortenversuchen

in den Kantonen Aargau und Thurgau zwei

Gelbroststämme im Winterweizen entdeckt.

Nach Isolation und Reinigung wurde das

Virulenzspektrum der Stämme mit Hilfe von

Diffentialsorten bestimmt. Zwei bisher in der

Schweiz noch nie beschriebene Virulenzen

wurden dabei nachgewiesen, nämlich die

Virulenzen Yr4 und Yr32. In den 90er-Jahren

wurden diese bereits in Nordeuropa

beschrieben. Im Jahre 2007 erfolgte ihre

Ausbreitung Richtung Süden nach Frankreich

und 2008 wurde die Virulenz aufgrund die-

ser Arbeit in der Schweiz festgestellt. Resis-

tenztests im Gewächshaus mit den neuen

Stämmen ergaben, dass die Sorten, die in

der Schweiz angebaut werden eine gute

Resistenz gegen diese neuen Virulenzen

haben. Mittlerweile wurde das Vorkommen

von Gelbroststämmen mit anderen Virulenz-

genen in Europa gemeldet. Die Über-

wachung der Pathogene durch Agroscope

in Zusammenarbeit mit den kantonalen

Pflanzenschutzdiensten, der ETH, der

Getreide züchtung Peter Kunz und der

ganzen Getreidebranche muss weiterge -

führt werden.

Zusa

mm

enfa

ssu

ng

teln. Sind die Pusteln reif, platzen sie auf und setzen

eine Vielzahl goldgelber Sporen frei (Abb. 1). Eine sol-

che Infektion reduziert die nützliche Blattfläche erheb-

lich und führt daher zu einer deutlichen Ertragseinbusse

(Sharma et al. 1985).

Das Vorkommen physiologischer Rassen ist für den

Erfolg des Pilzes als Parasit sehr wichtig, denn dadurch

kann er die von den Züchtern in mühsamer Arbeit einge-

kreuzten Resistenzgene umgehen (Fossati und Brabant

2003; Johnson 1992). Jede physiologische Rasse ist im

Allgemeinen durch die Resistenzgene definiert, die sie

zu umgehen im Stande ist. Um diese Resistenzgene zu

testen, verwendet man Differentiallinien von Weizen

und verwandten Arten, die als Versuchsreferenz dienen

(McIntosh et al. 1995). Gemäss der «Gen für Gen» Theo-

rie gründet die Resistenz des Wirts sowie die Fähigkeit

des Parasits, den Wirt zu infizieren, auf der Wechselwir-

kung komplementärer Genpaare (Manners 1988). Im

Falle der Wirtspflanze spricht man von «Resistenzgen»

(R), beim Parasiten von «Avirulenzgen» (Avr). In der Pra-

xis bedeutet dies, dass ein pflanzlicher Wirt, der ein ge-

wisses Resistenzgen R exprimiert, gegenüber einem

Krankheitserreger, der das Avirulenzgen Avr exprimiert,

resistent ist. Durch die Anwesenheit des Avr kann die

Pflanze den Erreger erkennen. Durch eine Mutation

oder die Abwesenheit eines Avr-Gens kann das Patho-

gen daher die Resistenz der Pflanze umgehen. Differen-

tiallinien verfügen also über ein oder mehrere bekannte

R-Gene. In Europa werden die Gelbrostrassen auf der

Grundlage von verschiedenen Sortimenten europäi-

scher und weltweiter Weizendifferentialsorten anhand

eines Binärcodes benannt (Johnson et al. 1972).

Im Jahre 2008 wurden in der Schweiz 3 Gelbrostherde

gefunden, in Zulassungsprüfungen von Agroscope in

Ellighausen (TG), in Sortenversuchen der Fenaco in Birr

(AG) sowie in Changins (VD). In Ellighausen waren die

Weizensorten Papageno und Cambrena betroffen. Das

Auftreten dieser unbekannten Stämme kann Auswir-

kungen auf die Weizenproduktion haben. Mit der vor-

liegenden Arbeit sollen in einem ersten Schritt die Viru-

lenzspektren der neuen Stämme mit jenen der bereits

angesiedelten Stämme verglichen werden. In einem

zweiten Schritt soll die Resistenz der angebauten Sorten

beziehungsweise jener Sorten, die in den nationalen

Sortenkatalog aufgenommen werden sollen, geprüft

werden.

M a t e r i a l u n d M e t h o d e n

Pilzisolate, Lagerung und Produktion von Infektions-

material

Eigenschaften und Herkunft der verwendeten Gelbrost-

isolate sind in Tabelle 1 beschrieben. Die Isolate werden

als lyophilisierte Uredosporen bei -80 °C in Eppendorf-

Reaktionsgefässen aufbewahrt (Eppendorf AG, Ham-

burg, Deutschland).

Name Jahr Herkunft auf der Sorte

Ps 1688 2008 Birr AG unbekannt

Ps 1689 2008 Ellighausen TG Cambrena

Ps 1690 2008 Ellighausen TG Papageno

Ps 1691 2008 Changins VD Fiorina

Ps 771 2001 Lindau ZH Prader (Triticale)

Ps 773 2001 Changins VD Prader (Triticale)

Ps 823 2001 Goumoëns VD unbekannt

Ps 824 2001 Grenchen SO unbekannt

Ps 866 2001 Lindau ZH Prader (Triticale)

Ps 868 2001 Changins VD Prader (Triticale)

Ps 869 2001 Goumoëns VD unbekannt

Ps 870 2001 Grenchen SO unbekannt

Ps 110 vor 1999 unbekannt unbekannt

Ps 111 vor 1999 unbekannt unbekannt

Tab. 1 | Name und Herkunft der in dieser Arbeit verwendeten Gelbroststämme

Page 34: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

246 Agrarforschung Schweiz 1 (6): 244–251, 2010

Pflanzenbau | Bedroht der Gelbrost den Weizenanbau in der Schweiz?

mischt und mit Hilfe eines 20µl Glaskapillars (IntraMARK,

Blaubrand, 97861 Wertheim, Deutschland) mit Druck-

luft gleichmässig auf den Blättern zerstäubt.

Nach der Infektion werden die Pflanzen bei 18 °C

und 100 % Luftfeuchtigkeit im Gewächshaus gehalten.

Zur Förderung des Infektionsprozesses herrscht wäh-

rend 24 Stunden ein natürliches Lichtregime. Anschlie-

ssend werden die Pflanzen bei 18 °C, 60 % Feuchtigkeit

und einem Lichtregime von 14/24 Stunden gehalten. Um

die Sporen zu ernten, werden die Blätter mit einem Plas-

tiksstab leicht geschüttelt, wodurch die Sporen auf ein

unter den Pflanzen liegendes Aluminiumpapier fallen.

Die Sporen werden unverzüglich durch einen Teefilter

aus Nylon gesiebt um Verunreinigungen zu entfernen.

Anschliessend werden sie zur Infektion von Pflanzen

verwendet oder gefriergetrocknet und bei – 80° C auf-

bewahrt.

Virulenzanalysen

Die in den Gelbroststämmen vorhandenen Virulenzen

wurden mit den Differentiallinien aus Tabelle 2 be-

stimmt. Die Versuche werden auf Anzuchtplatten

(HerkuPlast-Kubern GmbH, Ering am Inn, Deutschland)

mit 42 Bodenlöchern (2 × 2 cm breit, 3 cm tief) durchge-

führt. Die Bodenlöcher werden mit der oben beschrie-

benen Erde aufgefüllt, und diese wird an der Oberflä-

che leicht eingedrückt. In jede Vertiefung werden fünf

Samen gegeben und anschliessend mit einer Schicht

Erde bedeckt. Nach 14 Tagen werden die Keimlinge

gemäss vorgängig beschriebenem Protokoll mit Gelb-

rost infiziert.

Gelbrost ist ein obligat-biotroph Parasit, er entwickelt

sich also nur auf lebenden Pflanzen. Zur Vermehrung

wird eine Mischung der Weizensorten Coker und

Eridano (SPS Bologna), die gegen Gelbrost stark anfällig

sind, oder der Sorten Papageno und Cambrena für die

neuen Stämme, in Pflanztöpfen aus Plastik mit einem

Durchmesser von 8 cm gezogen. Die Becher werden mit

Erde gefüllt (Typisches Substrat 4, Brill, Zug, Schweiz),

die vorgängig durch ein 4 mm-Sieb körnig gemacht

wurde. Für die Infektion der Pflanzen werden 12 mg

Sporen mit 0,2 ml Flüssigpetroleum (Spezialpetroleum

185/240 °C, Districhimie AG, Ecublens, Schweiz) ver-

Differentiallinie Resistenzgene

Chinese 166 Yr 1

Kalyansona Yr 2

Bon fermier Yr 3

Vilmorin 23 Yr3

Triticum spelta album Yr 5

Reichersberg 42 Yr 7

Compair Yr 8

Riebesel 47 – 51 Yr 9

Kavkaz/4*Federation Yr 9

G 25 Yr15

VPM 1 Yr17

Audace Yr17

Prader Yr17

Carstens V Yr32, CV1, CV2, CV3

Heines Kolben Yr2, Yr6

Heines Peko Yr2, Yr6

Sonalika Yr2, YrA

Lely Yr2, Yr7

Clement Yr2, Yr9

Heines VII Yr2, Yr11, Yr25, HV

Spaldings Prolific Yr2, Yr11, SP

Hobbit Yr 3a+4a+14

Maris Huntsman Yr 3a+4a+13

Nord Desprez Yr3a, Yr4a, ND

Hybrid 46 Yr3b, Yr4b

Donata Yr7, Yr9

Lee Yr7, Yr22, Yr23

Moro A Yr10, Moro

Anza A Yr A

Suwon 92/Omar Yr S/O

Stubes Dickkopf SD

Fiorina resistente Kontrollsorte

Eridano anfällige Kontrollsorte

Tab. 2 | Die Differentiallinien und ihre Resistenzgene

Bezeichnung Resistenzniveau Symptome

0 Immun Keine sichtbaren Pusteln

; Sehr resistent Nekrotische Flecken

,N ResistentNekrotische Flecken ohne Sporenbildung

1 ResistentNekrotische Flecken mit wenig Sporenbildung

2 Mässig resistentMässige Sporenbildung mit Chlorosen und Nekrosen

3 Mässig anfällig Sporenbildung mit Chlorose

4 AnfälligSporenbildung ohne Chlorose

Tab. 3 | Boniturskala nach PBI (Plant Breeding Institute, Grossbri­tanien) der Differentialtests und der Resistenztests. Diese Skala wird für die Beurteilung des Resistenz der Pflanze verwendet

Page 35: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

247Agrarforschung Schweiz 1 (6): 244–251, 2010

Bedroht der Gelbrost den Weizenanbau in der Schweiz? | Pflanzenbau

Der Krankheitsverlauf wurde einmal mit dem Me-

thode der PBI in Tabelle 3 bonitiert (McIntosh et al.

1985). Diese Methode beschreibt die Wechselwirkun-

gen zwischen Pflanze und Pilz.

Resistenztests im Gewächshaus und auf dem Feld

Um die Auswirkungen der neuen Gelbroststämme auf

den Weizenanbau in der Schweiz zu prüfen, wurden die

im nationalen Sortenkatalog eingetragenen Sorten so-

wie die zur Aufnahme gemeldeten Sorten und Zuchtli-

nien im Gewächshaus getestet. Zudem fanden Feldver-

suche mit den bereits in der Schweiz vorkommenden

Stämmen statt. Die verwendeten Weizensorten werden

in Tabelle 4 beschrieben.

Für die Gewächshausversuche wurde die gleiche Ver-

suchsanlage verwendet wie für die Virulenzanalysen.

Die zweiwöchigen Keimlinge wurden geimpft und der

Infektionsverlauf wurde mit der PBI Methode bonitiert.

Die Feldversuche fanden von 2007 bis 2009 auf dem Ver-

suchsbetrieb von ACW Changins statt. Die Kandidaten-

sorten wurden im Herbst in 1 Meter langen Linien mit

einer Präzisionssämaschine von Typ SeedMatic (Hege

Maschinen, Eging am See, Deutschland) ausgesät.

Im Frühling, nach der Vegetationsruhe, wurden die

Pflanzen mit Gelbrostsporen infiziert. Es handelt sich

um eine Mischung aus acht Gelbroststämmen, die in der

Schweiz während der letzten 15 Jahre isoliert wurden

und sämtliche Virulenzen aufweisen. Die Infektion

wurde mit Hilfe einer Skala von 1 (keine Infektion) bis 9

(blattdeckende Pusteldichte) (Tab. 5) bonitiert.

Versuchsaufbau und statistische AuswertungenDie Gewächshausversuche wurden in drei unabhängi-

gen Wiederholungen und vollständig randomisiert

durchgeführt. Die Tests wurden im Abstand von einer

Woche zwei Mal wiederholt. Eine Note bis 2 bedeutet

die Resistenz der Pflanze, während die Noten 3 und 4

bestätigen, dass sich die Infektion mit Erfolg entwickelt

hat. Um festzustellen, ob eine Sorte resistent oder anfäl-

lig ist, wurden die Daten mit einem Chi-Quadrat-Test

verglichen.

Die Feldversuche wurden in drei unabhängigen Wie-

derholungen und vollständig randomisiert während drei

aufeinanderfolgenden Jahren durchgeführt. Die erhal-

tenen Daten wurden für jedes Jahr getrennt ausgewer-

tet. Da die Residuen nicht normalverteilt sind wurde der

nichtparametrische Test von Wilcoxon verwendet. Die

Reaktionsunterschiede zwischen den Sorten wurden mit

dem multiplen Vergleichstest auf LSD nach Fisher erfasst.

Alle Unterschiede bei P < 0,02 wurden als signifikant be-

trachtet. Die statistischen Analysen wurden mit der Soft-

ware NCSS 97 (NCSS, Kaysville, Utah, USA) durchgeführt.

Sorte Züchter Herkunftsland Eintragungsjahr

ARINA Agroscope/DSP Schweiz 1981

AROLLA Agroscope/DSP Schweiz 2003

CAMBRENA Agroscope/DSP Schweiz 2008

CAMEDO Agroscope/DSP Schweiz 2007

CH CLARO Agroscope/DSP Schweiz 2007

COMBIN Agroscope/DSP Schweiz 2007

FIORINA Agroscope/DSP Schweiz 2001

FOREL Agroscope/DSP Schweiz 2007

LEVIS Agroscope/DSP Schweiz 2004

MAYEN Agroscope/DSP Schweiz 2007

MOLINERA Agroscope/DSP Schweiz Aufnahme beantragt

MURETTO Agroscope/DSP Schweiz 2007

MUVERAN Agroscope/DSP Schweiz 2004

NARA Agroscope/DSP Schweiz 2007

ORZIVAL Agroscope/DSP Schweiz Aufnahme beantragt

RUNAL Agroscope/DSP Schweiz 1995

SCALETTA Agroscope/DSP Schweiz 2005

SEGOR Agroscope/DSP Schweiz 2003

SERTORI Agroscope/DSP Schweiz 2008

SIALA Agroscope/DSP Schweiz 2005

SURETTA Agroscope/DSP Schweiz 2008

TIRONE Agroscope/DSP Schweiz 2002

TITLIS Agroscope/DSP Schweiz 1996

ZINAL Agroscope/DSP Schweiz 2003

AKRATOS Dr. Hermann Strube Deutschland 2004

AZZURO Limagrain Verneuil Holding Grossbritanien 2006

BOCKRIS Dr. Hermann Strube Grossbritanien 2007

CAPHORN Ets Florimond Desprez Grossbritanien 2001

EPHOROS Dr. Hermann Strube Deutschland 2004

GALAXIE R 2n Frankreich 1991

HERMANN Limagrain GmbH Deutschland 2004

LUDWIG Probstdorfer Saatzucht Ges.m.b.H. & Co KG Österreich 1997

MANHATTAN Limagrain GmbH Deutschland 2002

MULAN Nordsaat Saatzuchtgesellschaft mbH Deutschland 2005

PAPAGENO Saatzucht Engelen Büchling OHG Deutschland 2007

POTENZIAL Deutsche Saatveredlung Lippstadt-Bremen GmbH Deutschland 2006

RAINER Saatzucht Donau Ges.m.b.H. & CoKG Österreich 2007

RUSTIC SA Momont Hennette et Fil Frankreich 2005

TAPIDOR Serasem Frankreich 2002

TOMMI Nordsaat Saatzuchtgesellschaft mb Deutschland 2002

WINNETOU Saatzucht Firlbeck GmbH & Co KG Deutschland 2002

Eridano Società produttori sementi Bologna spa Italien 1989

Cocker Coker's Pedigreed Seed Co. (Syngenta Seeds) USA < 1980

111.13726 Agroscope Schweiz nicht eingeschrieben

Tab. 4 | Im nationalen Sortenkatalog eingetragene Sorten sowie zur Aufnahme gemeldete Sorten. Die Sorten Eridano, Coker und die Zuchtlinie 111.13726 werden zur Kontrolle des Infektionsverlaufs verwendet

Page 36: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

248

Pflanzenbau | Bedroht der Gelbrost den Weizenanbau in der Schweiz?

Agrarforschung Schweiz 1 (6): 244–251, 2010

R e s u l t a t e

Virulenz der Gelbroststämme

Die Virulenzen der Gelbrostisolate wurden mit Hilfe der

Weizendifferentiallinien analysiert, welche ein oder

mehrere genau definierte Resistenzgene enthalten. Die

Resultate werden auf zwei Arten dargestellt, welche der

offiziellen Benennung der Stämme entsprechen. Zum

einen erlauben das Welt- und das europäische Differen-

tialliniensortiment (Tab. 6) die Zuordnung einer Viru-

lenzformel zu jedem Gelbroststamm (Johnson et al.

1972). Die Ergebnisse zeigen, dass jeder Stamm sich

durch ein spezifisches Virulenzspektrum auszeichnet. So

tragen beispielsweise nur die im Jahre 2008 isolierten

Gelbroststämme die Virulenz Yr32, die in der Lage ist,

die Resistenz der Differentiallinie Carstens V zu umge-

hen.

Zum anderen werden Gelbroststämme auch gemäss

der vereinfachten Methode von Hovmøller (2001) be-

schrieben, die sich auf die in letzter Zeit aufgekomme-

nen Virulenzen beschränkt, insbesondere auf Yr6, Yr9

und Yr17 (Tab. 7). Letztere Virulenz fehlt im Welt- und

im europäischen Sortiment. Tabelle 2 zeigt die Virulen-

zen sowie die Häufigkeit der Gelbroststämme, die in

den letzten 13 Jahren in der Schweiz isoliert wurden.

Die Virulenz Yr9, die seit den 90er-Jahren in Europa

Note % der infizierten Blattfläche Symptome

1 0,0 % Keine Pusteln auf dem Blatt

2 2,5v% Spuren von Pusteln auf dem Blatt

3 10,0 % 10% des Blattes sind von Pusteln belegt

4 25,0 % 25% des Blattes sind von Pusteln belegt

5 50,0 % Die Hälfte des Blattes sind von Pusteln belegt

6 75,0 % Dreiviertel des Blattes sind von Pusteln belegt

7 90,0 % 10% des Blattes ohne Pusteln

8 97,5 % Einige grüne Spuren auf dem Blatt

9 100,0 % Das ganze Blatt ist mit Pusteln übersät

Tab. 5 | Boniturskala für die Feldversuchen. Note 1 = keine Infek­tion, Note 9 = von Pilzpusteln vollständig bedeckte Blätter.

2008 2008 2008 2008 2001 2001 2001 2001 2001 2001 2001 2001 <1999 1969

Welt Differential­

sortiment

Resistenz­ gene Koeff. 1688 1689 1690 1691 771 773 823 824 866 868 869 870 110 111 rasse

Probus

Chinese 166 Yr1 2 1 1 0 0 0 1 0 0 0 1 0 0 1 1

Lee Yr7, Yr22, Yr23

4 0 0 0 1 1 0 1 1 1 1 1 1 0 0

Heines Kolben Yr2, Yr6 8 0 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1 1 0 0Vilmorin Yr3 16 1 1 1 0 0 1 0 0 0 1 0 0 1 1Moro Yr10, Moro 32 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0Strubes Dickkopf SD 64 0 1 1 0 0 1 0 0 0 1 1 0 1 1 1Suwon x Omar Yr S/O 128 1 1 1 0 1 1 0 1 1 1 1 0 1 1Clement Yr2, Yr9 256 1 1 0 1 0 1 1 1 1 0 1 1 1 1Triticum spelta Yr5 512 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0Europ. DifferentialeHybrid 46 Yr3b, Yr4b 2 1 1 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0Reichersberg 42 Yr7 4 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 0 0 0Heines Peko Yr2, Yr6 8 0 0 0 1 1 1 1 1 1 0 1 1 0 0Nord Desprez Yr3a, Yr4a,

ND16 1 1 1 0 0 1 0 0 0 0 0 0 1 1

Compair Yr8 32 0 0 0 0 1 0 1 1 1 1 1 1 1 1Carstens V Yr32, CV1,

CV2, CV364 1 1 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

Spaldings Prolific Yr2, Yr11, SP

128 1 1 1 0 0 1 0 0 0 1 0 0 1 1 1

Heines VII Yr2, Yr11, Yr25, HV

256 0 1 0 1 1 1 1 1 0 1 1 0 1 1 0

Virulenz- formel 402E82 466E82 208E86 268E12 140E44 474E28 268E44 396E44 396E44 222E36 460E44 268E44 466E48 466E48 64E0

Tab. 6 | Darstellung der Gelbrostvirulenzen auf der Grundlage der weltweiten und europäischen Sortimente. Nachweis der bisher in der Schweiz fehlenden Virulenz Yr32.

Page 37: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

249

Bedroht der Gelbrost den Weizenanbau in der Schweiz? | Pflanzenbau

Agrarforschung Schweiz 1 (6): 244–251, 2010

Virulenzen, eine hohe Aggressivität und die Fähigkeit,

Pflanzen bei Temperaturen über 18 C zu befallen. Sie

stellen also für die Produktion ein gewisses Risiko dar,

auch wenn die in der Schweiz angebauten Sorten eine

gute Resistenz gegenüber Gelbrost aufweisen und die

sehr anfälligen Sorten kaum betroffen sind, was wahr-

scheinlich auf klimatisch ungünstige Bedingungen für

eine Infektion zurückzuführen ist. Um die Schweizer

Weizenproduktion vor Gelbrost zu schützen, führt

Agroscope zusammen mit Partnern in den Kantonen,

der ETH Zürich, Getreidezüchtung Peter Kunz und in-

nerhalb der Getreidebranche seit mehreren Jahren das

Überwachungsnetz der Weizen- und Triticalepatho-

gene (Agroscope Changins-Wädenswil, 2010) sowie ein

Sorten versuchsnetz. Diese in den wichtigsten Ge-

treideproduktionsgegenden der Schweiz angesiedel-

ten Versuchsstandorte erlauben es, die Krankheitserre-

ger zu sammeln und sie durch Agroscope ACW

untersuchen zu lassen. n

nachgewiesen wird, ist praktisch in allen Stämmen vor-

handen, ebenso die Virulenz Yr17 (seit 2001 in den Stäm-

men). Die im Jahre 2008 isolierten Stämme weisen aus-

serdem die Virulenzen Yr4 und Yr32 auf.

Resistenztests im Gewächshaus und auf dem Feld

Die in der Tabelle 8A dargestellten Ergebnisse der Ge-

wächshaustests zeigen, dass die neuen Gelbroststämme

imstande sind, die Resistenz bestimmter Weizensorten

zu überwinden. Diese Sorten sind jedoch gegenüber

den in der Schweiz vorkommenden Stämmen bereits

anfällig.

Die Anfälligkeit dieser Weizensorten wurde zwi-

schen 2007 und 2009 in Feldversuchen getestet (Tabelle

8B). Die Pflanzen wurden hier mit den Stämmen von vor

2008 künstlich infiziert. Während die meisten Sorten

eine gute Resistenz zeigen, sind Arina, Runal und Papa-

geno in jedem Versuchsjahr die anfälligsten. Wir stellen

fest, dass der Infektionsgrad der Sorten Forel, Orzival

und Bockris zwischen 2007 und 2009 zugenommen hat.

Die Tabelle zeigt ausserdem eine – statistisch nicht signi-

fikante - Zunahme der Empfindlichkeit der Sorten Com-

bin, Molinera, Mulan, Muveran, Rustic und Zinal.

D i s k u s s i o n

Die in den Kantonen Thurgau und Aargau im Jahre

2008 isolierten Gelbroststämme zeigen effektiv die bis-

her auf Schweizer Gebiet nicht erfassten Virulenzen Yr4

und Yr32. Der in Changins isolierte Stamm weist nur be-

reits bekannte Virulenzen auf. Dieser Befund stützt sich

auf die Untersuchung sämtlicher Isolate aus grossen In-

fektionsherden aus den letzten 20 Jahren. Auch der

Ende der 60er-Jahre beschriebe Stamm «Probus» wies

diese Virulenz nicht auf. Die Virulenz Yr32, die in Däne-

mark und Deutschland seit den 90er-Jahren präsent ist,

wurde in Frankreich im Jahre 2007 erfasst (Hovmøller

2001; Eurowheat 2010). Die Stämme mit dieser Virulenz

wanderten langsam, im starken Gegensatz zu den Trä-

gern der Virulenz Yr17, die sich ab dem Jahre 2000 in

ganz Europa schnell ausbreiteten. Die neuen Stämme

zeichnen sich ausserdem durch ihre Fähigkeit aus, sich

bei leicht erhöhten Temperaturen zu entwickeln und

durch ihre gegenüber anderen in dieser Arbeit er-

forschten Stämmen geringere Aggressivität (unveröf-

fentlichte Ergebnisse). Das Vordringen der Stämme

könnte somit durch ihre geringere physiologische Kon-

kurrenzfähigkeit und fehlende Wirtspflanzen verzö-

gert worden sein.

Kürzlich wurden in Dänemark, in den USA und in Aust-

ralien (Milus et al. 2009) mehrere Gelbroststämme ent-

deckt. All diese Stämme zeichnen sich aus durch neue

Häufigkeit Yr1 Yr2 Yr4 Yr6 Yr9 Yr17 Yr32

<1999 3/5 1 9

<1999 2/5 1 6 9

2001 1/19 1 9

2001 6/19 2 6 9 17

2001 9/19 2 6 9 17

2001 2/19 6 9 17

2001 1/19 6 9 17

2009 1/4 1 2 4 6 9 17 32

2009 1/4 1 2 4 9 17 32

2009 1/4 4 6 17 32

2009 1/4 2 6 9 17 32

Tab. 7 | Darstellung der Virulenzen und der Verteilung der Gelbrost­pathotypen gemäss vereinfachter Methode von Hovmøller (2001). Das Auftreten der Virulenz Yr17 zu Beginn des Jahrhunderts und das Aufkommen der Virulenzen Yr4 und Yr32 werden somit dokumentiert

Page 38: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

250 Agrarforschung Schweiz 1 (6): 244–251, 2010

Pflanzenbau | Bedroht der Gelbrost den Weizenanbau in der Schweiz?

Sorte

(A) Gewächshaustests (B) Feldversuche16

88

1689

1690

1691

866

111

2007 2008 2009

ARINA 9,4 6,9 29,6

AROLLA 0,0

CAMBRENA 0,0 0,0 0,0

CAMEDO 0,6 0,0 0,0

CH CLARO 0,0 0,7 0,0

COMBIN 0,0 0,0 5,6

FIORINA 0,0 0,0 1,9

FOREL 1,9 0,7 13,0

LEVIS 0,0 0,0 0,0

MAYEN 0,0 0,0

MOLINERA 0,0 0,0 9,3

MURETTO 1,9

MUVERAN 0,0 0,0 7,4

NARA 0,0 0,0

ORZIVAL 0,0 1,4 20,4

RUNAL 5,7 8,9 16,7

SCALETTA 0,0

SEGOR 8,2 20,4

SERTORI 0,0 0,0 16,7

SIALA 0,0 0,0 0,0

SURETTA 0,0 0,0 0,0

TIRONE 57,4

TITLIS 0,0 0,0 1,9

ZINAL 0,6 0,0 11,1

AKRATOS

AZZURO 0,0 1,9

BOCKRIS 0,0 6,9 25,9

CAPHORN 0,0 0,0 0,0

EPHOROS

GALAXIE 51,9

HERMANN

LUDWIG 25,9

MANHATTAN 0,0

MULAN 0,0 9,3

PAPAGENO 7,6 11,6 29,6

POTENZIAL 0,0 0,0

RAINER 0,0 0,0 0,0

RUSTIC 1,9 9,3

TAPIDOR 0,0 5,6

TOMMI 1,9

WINNETOU 24,1

ERIDANO 27,1 26,0 77,8

COCKER 23,3 24,7 72,2

111.13726 0,0 0,0 0,0

Tab. 8 | Anfälligkeit der im nationalen Sortenkatalog eingetragenen und der zur Aufnahme gemeldeten Weizensorten. (A) Interaktion mit den isolierten Stämmen; (B) Ergebnisse der Resistenz­Freilandversuche mit einer Mischung der Stämme

Beschreibung der Wirt-Pathogen Interaktion:

Resistent

Anfällig

Schwach resistent

Keine Daten erhoben

Page 39: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

251Agrarforschung Schweiz 1 (6): 244–251, 2010

Literatur b Agroscope Changins-Wädenswil, 2010. Virulenznetzwerk. Untersuchung der natürlich vorkommenden Braunrost, Gelbrost und Mehltaupopulatio-nen des Weizens 2009. Zugang: http://www.agroscope.admin.ch/amelio-ration-des-plantes/00717/01219/index.html?lang=fr [22.03.10].

b Chen X. M., 2005. Epidemiology and control of stripe rust (Puccinia strii-formis f.sp. tritici) on wheat. Canadian Journal Plant Pathology 27, 314 – 337.

b Corbaz R., 1966. Notes sur la rouille jaune du froment en Suisse romande (Puccinia glumarum (Schmidt) Eriksson et Henning). Phytopathologische Zeitschrift 56, 40 – 53.

b Eurowheat, 2010. Yellow rust, pathotypes and frequencies. Zugang: http://www.eurowheat.org [22.03.2010].

b Fossati D. & Brabant C., 2003. La sélection du blé en Suisse. Le program-me des stations fédérales. Revue suisse Agric. 35 (4), 169 – 180.

b Hovmøller M. S., 2001. Disease severity and pathotype dynamics of Puccinia striiformis f.sp. tritici in Denmark. Plant Pathology 50, 181 – 189.

b Johnson R., 1992. Past, present and future opportunities in breeding for disease resistance, with examples from wheat. Euphytica 63, 3 – 22.

b Johnson R., Stubbs R. W., Fuchs E. & Chamberlain N. H., 1972. Nomencla-ture for physiologic races of Puccinia striiformis infecting wheat. Trans-actions of the British Myocological Society 58, 475 – 480.

b Kobel F., 1961. Die Gelbrostepidemie 1961. Mitteilungen für die schwei-zerische Landwirtschaft 9 (7), 109 – 112

b Manners J. G., 1988. Puccinia striiformis, yellow rust (stripe rust) of cere-als and grasses. Advances in Plant Pathology 6, 373 – 387.

b McIntosh R. A., Wellings C. R. & Park R. F., 1995. Wheat rusts: an Atlas of Resistance Genes. Dordrecht. The Netherlands. Kluwer Academic Publis-hers.

b Michel V., 2001. La rouille jaune ... et alors?. Revue suisse Agric. 33(4), 107 – 107.

b Milus E. A., Kristensen K. & Hovmøller M. S., 2009. Evidence for increa-sed aggressiveness in a recent widespread strain of Puccinia striiformis f.sp. tritici causing stripe rust of wheat. Phytopathology 99, 89 – 94.

b Sharma Y. R., Kang M. S. & Aujla S. S., 1985. Influence of yellow rust on yield and its components in wheat. Journal of Research (Punjab Agricul-tural University) 22, 425 – 430.

Bedroht der Gelbrost den Weizenanbau in der Schweiz? | Pflanzenbau

Ria

ssu

nto

Sum

mar

y

Is yellow rust a danger for Swiss wheat

production?

In 2008, yellow rust of wheat was

observed in two experimental sites in

the cantons of Thurgau and Aargau.

After isolation and purification, the

virulence spectrum was determined

based on wheat differentials. By this,

both virulences Yr4 and Yr32 were

identified for the first time in Switzer-

land. These virulences have already

been described in the 90s in the North

of Europe and their migration towards

South was detected in 2007 in France

and in 2008 in Switzerland, as related

in the present work. Infection tests in

greenhouses with these new strains

showed that today’s wheat varieties

present a satisfactory resistance

against the new virulences. The

reporting of other virulences occurring

in Europe emphasizes the importance

to carry on with the pathogens moni-

toring organized by Agroscope, can-

tonal phytosanitary offices and the

cereal branch.

Key words: yellow rust, Puccinia strii-

formis, virulences, emerging disease,

wheat, triticale.

La ruggine gialla è una minaccia per le

colture svizzere di frumento?

Nel 2008 due focolai di ruggine gialla

sono stati scoperti nelle prove varietali

di frumento autunnale, condotte nei

cantoni Turgovia e Argovia. Dopo il

loro isolamento e purificazione, lo

spettro di virulenze è stato determi-

nato su variétà differenziali. Due tipi di

virulenza, Yr4 e Yr32, finora assenti sul

territorio svizzero, sono stati eviden-

ziati. La migrazione di questi due tipi

di virulenza, già catalogati negli anni

novanta nel nord dell’Europa, è stata

registrata nel 2007 in Francia e nel

2008 in Svizzera, grazie a questo

lavoro. Le prove di resistenza in serra

con questi nuovi ceppi hanno rivelato

che le attuali varietà di frumento colti-

vate in Svizzera hanno una buona resi-

stenza contro queste nuove virulenze.

In Europa l’annuncio della presenza di

ceppi con altri geni di virulenza esige

di proseguire il monitoraggio dei pato-

geni mediante il protocollo messo a

punto da Agroscope, dai servizi di pro-

tezione vegetale cantonali, dall’ETH di

Zurigo, dalla Getreidezüchtung Peter

Kunz e dall’interprofessione.

Page 40: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

252

P o r t r ä t

Agrarforschung Schweiz 1 (6): 252, 2010

Schlupfwespen, Marienkäfer und Raubmilben bekämp-

fen Schädlinge; Regenwürmer, Springschwänze und

gewisse Mikroorganismen fördern die Bodenfruchtbar-

keit. «Nützlinge zu schützen ist eine der Aufgaben der

Gruppe Ökotoxikologie», strahlt die achtunddreissigjäh-

rige Tessinerin Michela Gandolfi und betont: «Einzelne

Organismen hat man früher schon untersucht, aber eine

umfassende Risikoanalyse erfolgt erst seit der Jahrtau-

sendwende. Beurteilt werden nicht nur Nützlinge, son-

dern auch Fische, Wasser- und Bodenorganismen sowie

Vögel und Säugetiere.»

Natur oder Musik – kein leichter Entscheid

Seither gibt es die Gruppe Ökotoxikologie, zuerst an

der  Forschungsanstalt Reckenholz-Tänikon ART behei-

matet, heute mit Sitz an der Forschungsanstalt Agro-

scope Changins-Wädenswil ACW. Diese Gruppe schreibt

Expertisen im Rahmen der nationalen Zulassung von

Pflanzenschutzmitteln. Michela Gandolfi ist seit 2002

dabei. Doch diese Karriere war nicht von Anfang an auf-

gegleist, denn sie musste sich als Jugendliche entschei-

den: Musik- oder Naturwissenschaften. Schliesslich hat

sie sich für ein Studium der Biologie an der Universität

Zürich entschieden. Musik ist ihr als wichtiges Stecken-

pferd geblieben.

In ihrer Diplomarbeit hat sie den Effekt von Wald-

randstrukturen auf die Biodiversität von Nützlingen

untersucht. In Projekten am Forschungsinstitut für Wald,

Schnee und Landschaft WSL sowie an der Universität

Basel hat sie ihr Wissen vertieft. Ihre Dissertation an der

ETH über eine parasitische Schlupfwespe im Kampf

gegen den Apfelwickler war schliesslich ihr Sprungbrett

zur Ökotoxikologie.

Die Akzeptanz der Ökotoxikologie ist heute hoch

«Die Herausforderung am Anfang bestand darin, die

Ökotoxikologie als unverzichtbarer Bestandteil des

Zulassungsverfahrens von Pflanzenschutzmitteln zu ver-

ankern», erklärt Michela Gandolfi. «Das haben wir

heute geschafft», sagt sie und zählt zwei Highlights der

letzten Jahre auf. «Die Gruppe Ökotoxikologie ist in der

Wirkstoff-Reevaluation der Euro päischen Union betei-

ligt. In den Experten-Meetings lernen wir viel», betont

sie, «das hilft uns, die alten Wirkstoffe in der Schweiz

neu zu beurteilen.» Letzteres nennt sie als zweites High-

light und erklärt, warum es so wichtig ist: «Früher hat

man bei der Zulassung keine Umwelteffekte beurteilt.

Daher ist es wichtig, die alten Wirkstoffe diesbezüglich

anzuschauen.»

Als harte Knochenarbeit bezeichnet sie die Abschät-

zung der Exposition diverser Organismen zu den Pflan-

zenschutzmitteln. «Je nach Kultur, Zeitpunkt, Menge

und Eigenschaften des Wirkstoffes rechnet man mit

anderen Konzentrationen, die in Gewässer, an Feldrän-

der, in den Boden, auf die Kulturen selber und auf die

Nahrung von Vögeln oder Wirbeltieren gelangt.» Am

Schluss erfolgt die Beurteilung des Risikos. Michela Gan-

dolfi ist begeistert von dieser Arbeit. Ihr Motto lautet:

«Pflanzenschutzmittel braucht es, aber sie müssen

gezielt wirken und möglichst umweltschonend sein.»

Carole Enz, Agroscope Changins-Wädenswil ACW

Michela Gandolfi: Im Einsatz für umweltschonende Pflanzenschutzmittel

Page 41: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

253

A k t u e l l

Agrarforschung Schweiz 1 (6): 253–255, 2010

N e u e P u b l i k a t i o n e n

Neues Nachschlage werk für die Kräuter praxis

Der Anbau von Kräu tern stellt in der Schweiz eine

Nische dar. Dennoch zeigen die aktuellen Ent-

wicklungen: Schweizer Kräuter – richtig produziert

und vermarktet – sind gefragt! Die neuen Datenblät-

ter Heil- und Gewürzkräuter bieten dazu das notwen-

dige Fachwissen.

Viele kleine Betriebe produzieren heute Kräuter als

alternative Erwerbsmöglichkeit und setzen diese als

Tees, über die Direktvermarktung oder als Rohware für

die verarbeitende Industrie ab. Dabei zeigt sich immer

mehr die Tendenz zu grösseren und spezialisierten Be-

trieben, welche voll und ganz auf den Anbau und die

Vermarktung von Kräutern setzen. Dazu braucht es

entsprechendes Know-how in geeigneter Form. Genau

hier setzt das von AGRIDEA entwickelte Datenblatt-

Konzept im Abo-System an!

Aktualisierungen im Abo

Die Datenblätter Heil- und Gewürzkräuter werden

von  AGRIDEA zusammen mit der ArGe Bergkräuter,

Agroscope Changins-Wädenswil ACW, Ricola und weite-

ren Partnern herausgegeben. In acht Kapiteln wird das

Markt- und Absatzpotenzial, die Produktions- und

Qualitätsanforderungen sowie eine Auswahl der bedeu-

tendsten Arten beschrieben. Zahlreiche Bilder runden

diesen rund 150 Seiten umfassenden Ordner ab. Der

Vertrieb der Datenblätter im Abonnementsystem bietet

laufende Aktualisierungen.

Fachliche Begleitung durch ständige Arbeitsgruppe

Der in Deutsch und Französisch vorliegende Ordner

bündelt aktuelles Wissen aus Praxis, Beratung und For-

schung und bildet somit die ideale Grundlage, um die

Freude und das Verständnis am und für den Kräuteran-

bau zu fördern. Die fachliche Abstützung und laufende

Weiterentwicklung erfolgt im Rahmen der Schweizeri-

schen Begleitgruppe Kräuter / Groupe Plantes aroma-

tiques et médicinales. Bestellung und weitere

Informationen zum  Kräuteranbau im Internet unter

www.agrigate.ch > Kräuter oder direkt bei AGRIDEA,

Eschikon 28, 8315 Lindau, Tel. 052 354 97 00, Fax 052 354

97 97, Preis Einzelexemplar Fr. 60. – (exkl. Versand), Abo,

jährlich, Preis je nach Umfang.

Page 42: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

254

Aktuell

M e d i e n m i t t e i l u n g e n

Agrarforschung Schweiz 1 (6): 253–255, 2010

www.agroscope.ch

11.05.2010 / ACWFeuerbrand-Erbgut ist entschlüsseltDer genetische Bauplan des Feuerbrand-Erregers Erwinia

amylovora, der weltweit berüchtigsten Obstkrankheit, ist

entschlüsselt. Dieser Durchbruch von Wissenschaftern der

Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW

beflügelt die Feuerbrand-Forschung weltweit. Bereits

haben ACW-Forscher Gene gefunden, die das Überleben

des Bakteriums und die krankmachende Wirkung, die Viru-

lenz, beeinflussen könnten. Dort Schwachstellen zu finden

könnte möglicherweise helfen, innovative Strategien

gegen Feuerbrand zu entwickeln sowie feuerbrand-

tolerante Kernobstsorten zu züchten.

10.05.2010 / ACWInvasive Neophyten – uneingeladene GästeDie Vereinten Nationen haben 2010 zum Jahr der Biodiver-

sität erklärt. Doch die biologische Vielfalt erleidet Jahr für

Jahr markante Verluste. Die Ausbreitung von gebietsfrem-

den Pflanzen, den so genannten invasiven Neophyten, ist

ein Grund dafür. Sie verdrängen die einheimische Flora

und Fauna. Die Forschungsanstalt Agroscope Changins-

Wädenswil ACW widmet sich daher der Erforschung von

invasiven Neophyten mit dem Ziel, eine für die Biodiversi-

tät nachteilige Ausbreitung zu verhindern.

Dieses 130 Seiten umfassende Werk in Farbe, bereichert

durch zahlreiche exklusive Abbildungen gemäss inter-

nationalem Beschreibungsstandard (OIV), stellt 57 in

der Schweiz angebaute Rebsorten vor. Es enthält ein Glos-

sar zur Erklärung des Vokabulars sowie Zusammenfassun-

gen über die Rebsorten und Klone. Diese Publikation rich-

tet sich an alle Fachleute im Rebbau sowie an alle Liebhaber

von Reben und Weinen. Das Buch ist ein Gemeinschafts-

werk der Ingenieurschule Changins und der Forschungs-

anstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW. Heraus-

geberin ist AMTRA, Postfach 1006, 1260 Nyon.

Die Preise verstehen sich in Schweizer Franken,

ohne Versandkosten:

0 bis 9 Exemplare Ab 10 Exemplare

Buch Rebsorten & Glossar CHF 57.– * CHF 50.–*

Glossar allein CHF 10.–** CHF 8.–**

* Preise für Schulen: CHF 45.– für Buch und Glossar** CHF 6.– nur für das Glossar.

Dieses Werk ist in drei Sprachen erhältlich: Deutsch,

Französisch und Italienisch.

Bestellungen an folgende Adresse:

Cathy Platiau, Agroscope

Changins-Wädenswil ACW, 1260 Nyon 1

Tel. +41 22 363 41 51 oder Fax +41 22 363 41 55

E-Mail : [email protected]

Die wichtigsten in der Schweiz ange bauten Rebsorten

Ing

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SORTEN

Die

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Sch

wei

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aute

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Autoren

Philippe Dupraz EIC und Jean-Laurent Spring ACW

Fotografen

Giorgio Skory und David Quattrocchi

REBSORTENDie wichtigsten in der Schweiz angebauten Rebsorten

Rebsorten

Page 43: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

V e r a n s t a l t u n g e n

255

Aktuell

N e u e I n t e r n e t l i n k s

Agrarforschung Schweiz 1 (6): 253–255, 2010

Juli-August / Heft 7 – 8

•• Stationäre RFID-Antennensysteme zur Identifikation

von Schweinen, F. Burose et al. ART und Universität

Hohenheim

•• Mikrowellentechnologie zur Bekämpfung des Stumpf-

blättrigen Ampfers, R. Latsch und J. Sauter ART

•• 29 Neuzüchtungen von Italienischem Raigras geprüft,

D. Suter et al. ART und ACW

•• Phänologischer Rückblick ins Jahr 2009,

C. Defila Meteoschweiz

•• Ambrosiakontrolle – nicht nur in der Landwirtschaft!

Ch. Bohren ACW

•• Liste der empfohlenen Getreidesorten für die Ernte 2011

V o r s c h a u

Jedes Jahr prüft Agroscope zahl­reiche Getreidesorten im Feld­versuch auf ihre Anbaueigen­schaften für die Praxis. In der «Liste der empfohlenen Getrei­desorten» werden die Daten der am besten an die Anbaubedin­gungen in der Schweiz ange­passten Sorten publiziert.

Juni 2010

16.06. – 17.06.2010Tänikoner AgrartechniktageAgroscope Reckenholz-Tänikon ART Tänikon, Ettenhausen

18.06. – 20.06.2010Tage der offenen Tür 2010Agroscope Changins-Wädenswil ACWChangins, Nyon

August 2010

12.08. – 12.08.2010 AGFF-FutterbautagungAGFF, Landwirtschaftliches Zentrum SG, ARTNeu St. Johann (SG)

13.08.2010Info-Tag Medizinal- und GewürzkräuterAgroscope Changins-Wädenswil ACW, Forschungs-zentrum ContheyBei Fam. Theiler, Hergiswil bei Willisau

14.08.2010Güttingertagung 2010Agroscope Changins-Wädenswil ACW und BBZ Arenenberg Versuchsbetrieb Güttingen, Güttingen TG

September 2010

08.09.2010AGFF-FutterbautagungAGFF, Inforama, ARTFlugplatz Meiringen, Unterbach (BE)

16.09.2010Agrarökonomie InformationstagungAgroscope Reckenholz-Tänikon ART Tänikon, Ettenhausen

Oktober 2010

01.10.2010ALP-Tagung 2010Agroscope Liebefeld-Posieux ALP + Agridea LindauPosieux

Verbundprojekt AlpFUTUR

www.alpfutur.ch

Die übergeordnete Zielsetzung des Verbundprojektes

AlpFUTUR ist es, für einen mittleren Zeithorizont (10 bis

40 Jahre) Perspektiven für die zukünftige Nutzung des

Schweizer Sömmerungsgebietes aufzuzeigen.

Die Alp- oder Sömmerungsweiden sind ein heraus-

ragendes Element der Kulturlandschaft der Schweiz und

prägen grosse Teile der Alpen, der Voralpen und des Jura.

Das Sömmerungsgebiet umfasst im Alpenraum und im

Jura ca. 500 000 ha oder 1/8 der Landesfläche der Schweiz.

Es zeichnet sich durch eine hohe Biodiversität und eine

charakteristische Landschaft aus.

Neuere Erhebungen zeigen, dass sich die Schweizer

Landwirtschaft zunehmend aus der Bewirtschaftung von

Teilen der Sömmerungsweiden zurückziehen könnte. Aus-

löser dafür ist ein sinkendes wirtschaftliches Interesse der

(Berg-)Landwirtschaft an einer Alpung der Tiere.

Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen

Page 44: Juni 2010, Heft 6, Agrarforschung Schweiz

Ag

rosc

op

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