K. Moser, O.R. Salvisberg Zwei Eingänge

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Zwei Eingänge ISBN 978-3-9523262-6-8 Heft 7 René Furer K. Moser, O.R. Salvisberg

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Zwei Eingänge

ISBN 978-3-9523262-6-8

Heft 7

René Furer

K. Moser, O.R. Salvisberg

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Heft 7

René Furer

Karl Moser, 1914Otto Rudolf Salvisberg, 1939

Zwei EingängeZwei JahrhunderteZwei Lebensalter – Zwei Zeitalter1915–1925–1935

Das Heft setzt sich mit dem schwierigen Weg vom 19.

ins 20.Jh. auseinander. Das beginnt mit der Gegen-

überstellung der Haupteingänge zu zwei öffentli-

chen Gebäuden in Zürich, und das geht dann mit den

weltweiten Wettbewerben für die Chicago Tribune

von 1922 und dem Völkerbund von 1926 weiter. Es

endet mit Gustave Eiffel und Ludwig Mies van der

Rohe, die mit ihrem Werk nacheinander eine ganze

Jahrhunderthälfte verkörpern.

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Der Eingang zur Universität von Karl Moser, 1914 Der Eingang zum Kinderspital von Otto Rudolf Salvisberg, 1939

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Bei der Annäherung an Gebäude gehört der Eingang

als Vordergrund mit zum ersten Eindruck. Und der

zählt. Deshalb ist er auch immer dabei, sobald auf

den Masstab 1:50 dann 1:20 folgt, sich die Sorgfalt

dem Ausprägen von Einzelheiten zuwendet.

Zürich verdankt den Architekten Karl Moser (1860–

1936) und Otto Rudolf Salvisberg (1882–1940) aller-

hand. Die Beiden haben den Abstand von einem Le-

bensalter mit dem Lehrer-Schüler Verhältnis und der

beständigen Freundschaft beispielhaft überbrückt.

Hier werden die Eingänge zur Universität (1911–14)

und dem Kinderspital (1937–39) miteinander vergli-

chen. Der Kanton Zürich als Bau- und Betriebsträger,

auch die Lage auf der Bildungsplatte, im Hochschul-

quartier der Stadt, sind übereinstimmende Merkmale.

Beide Stellungnahmen haben einen hohen baukünst-

lerischen Rang.

Für Karl Moser ging es beim Portal des Hauptgebäu-

des um die (Jugend-) Stilfrage, um die Vergegenwär-

tigung der dafür überlieferten bildnerischen Mittel.

So formuliert er beispielsweise die Pfeiler mit ihren

Zwei Eingänge von Karl Moser und Otto Rudolf Salvisberg

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Rillen erfrischend neu. Davor rückt er die Kandelaber

in ein vorteilhaftes Edison-Licht. Salvisberg, als Pro-

fessor seit 1930 sein Nachfolger an der ETH, macht

mit dem Kinderspital aus einem neuen Baustoff eine

entsprechend neue Architektur. Damit kommt vieles

in Bewegung. Selten wurde zwischen zwei Hausein-

gängen, bloss 25 Jahre und einen Weltkrieg später,

ein derart weiter Weg zurück gelegt.

Am Kinderspital hat Salvisberg die Pilzsäule für ein

öffentliches Gebäude verwendet. Das war lange

dreissig Jahre nach den Maillart-Patenten. Schon

um 1900 kam der bewehrte Beton zweckdienlich

und sichtscheu durch die Hintertür auf die Baustel-

len. Das Verbergen wird augenfällig, wenn man die

Stauffacherbrücke von 1899 über die Sihl unterwan-

dert. Sie war Robert Maillarts Erstling. Die erste Pilz-

decke, im Lagerhaus von 1910 beim Bahnhof Giess-

hübel, wurde ebenso verinnerlicht wie sein Beitrag

beim Bau der Universität.

Salvisberg hat die Pilzsäulen am Kinderspital von in-

nen nach aussen verschoben, sie in den Vordergrund

gerückt. Zum Haupteingang baute er damit die Vor-

halle, in der sie als Raumstützen wirkungsvoll zur

Geltung kommen. Das Hervortreten setzt eine ver-

änderte Empfindsamkeit voraus; denn das bautech-

nische Mittel muss als baukünstlerische Möglichkeit

gesehen werden, die neue Firmitas entsprechend als

Venustas. Sobald das vollbracht ist, scheint es leicht;

aber die Zeitspanne von einer Generation weist auf

den innewohnenden Schwierigkeitsgrad des Voll-

zugs hin. Die menschliche Empfindsamkeit ist zwar

wandlungsfähig, aber nicht ohne Trägheit. Wenn es

um die Anmut geht, ist sie für grosse Sprünge nicht

immer gleich zu haben und besteht auf der Fristen-

lösung, die Gewöhnungsbedürfnis heisst.

Zwei Bücher

Vom Material zur ArchitekturLaszlo Moholy-Nagy, 1929 Bauhausbücher, Band 14

Beton als GestalterJulius Vischer, Ludwig HilberseimerStuttgart, 1928

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Der Pilz vermittelt die Last aus der Deckenplatte in die Stützen. Mit seiner

rahmenden Wirkung sorgt er auch für die Steifigkeit. Die Schalung prägt

als Muster die gegossene Form.

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Die Pfeiler, und die Kandelaber davor, beeindrucken mit dem Unterschied

der Grössenordnung. Mit Profilen, mit Entsprechungen bei den baukünst-

lerischen Mitteln des Ausprägens, wird das überbrückt. So kommt die ein-

heitliche Wirkung zustande, entsteht ein Werk aus einem Guss.

So hat Karl Moser nach 1900 die Pfeiler der überlieferten Kolossalordnung

vergegenwärtigt.

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Der gelungene Nebeneingang von der Künstlergasse teilt mit dem Haupt-

eingang von der Rämistrasse den hohen baukünstlerischen Rang.

Der talseitige Eingang von der Hochschulterrasse liegt nicht in der Mitte,

sondern in der Platzecke im randständigen Turm. Die Erklärung dafür ist

in der Entwurfsgeschichte enthalten, die mit einem umfangreichen Wett-

bewerbsprogramm und einem symmetrischen Palast begann. An dieser

Nahtstelle prallen verschiedene Teile aufeinander, von denen sich keiner

zu entfalten vermag.

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ins 20.Jh.

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Das ist verblüffend: Die

Universität Zürich und

das Fagus-Werk von Wal-

ter Gropius, südlich von

Hannover in Alfeld an der

Leine, sind Zeitgenossen.

Vor dem Grossen Krieg

wurde 1914 gleichzeitig

etwas abgeschlossen und

mit etwas Anderem neu

begonnen. In der Folge

richtet sich die Aufmerk-

samkeit auf diesen Neu-

beginn, der im Übergang

zum Vorschein kommt.

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Die verglaste Gebäu-

dekante der Schuhleis-

tenfabrik ist ein Inbe-

griff für Folgenreichtum

in der Architektur des 20.

Jh. Sie bereitet den Werk-

stättenflügel des Bauhau-

ses vor, mit dem 1926 die

erste Palastformulierung

der Moderne gelang.

Peter Behrens ging 1909

an der Turbinenhalle der

AEG in Berlin-Moabit für

die gleiche Stelle einen

anderen Weg, den Walter

Gropius als Mitarbeiter

von Peter Behrens kannte.

Sein Atelier war damals

auch als Treibhaus für

Begabungen wichtig.

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Der Einbau des 1928–32

entworfenen Arzt-Hauses

für Dr. Dalsace im Quar-

tier St. Germain in Paris

ist ein großartiger Voll-

zug des Bauens mit Stahl

und Glas. Pierre Chareau

wurde bei seiner Arbeit

von Bernard Bijvoet und

der Königlichen Glasma-

nifaktur Saint Gobain un-

terstützt.

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Zwei weltweite Wettbewerbe

Zu den beiden Großereignissen in Chicago und in

Genf, die nach den Weltausstellungen eine weitere

Ankündigung des beginnenden globalen Zeitalters

waren, gehört der zugespitzte Kulturkampf zwischen

der Überlieferung und der Moderne. Die Aufregung

von 1925 ist dann schon um 1950 der Gelassenheit

gewichen.

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Der Finne Eliel

Saarinen war dazu der

Nächstbeste.

John Mead Howells &

Raymund M. Hood

gewannen 1922 im

Wettbewerb der Chicago

Tribune den ersten Preis.

Bernard Bijvoet &

Johannes Duiker (A)

und Max Taut (B) vertra-

ten im Wettbewerb für

die Chicago Tribune die

kleine Minderheit der

noch sehr jungen euro-

päischen Moderne.

Hans Scharoun hat für

den Tribune Tower bloss

diese Skizze gemacht.

Aus Wien kam der

beeindruckende Entwurf

der Werkstatt für

Massenform.

B

A

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A

Die beiden Völkerbund-

Entwürfe, A von Hannes

Meyer & Hans Wittwer,

B von Le Corbusier &

Pierre Jenneret, in ihrer

parallelperspektivischen

Darstellung.

Deutlicher noch als in

Chicago prallten vier

Jahre später beim Völ-

kerbund Wettbewerb in

Genf zwei Welten auf-

einander. Es kam zum

Kulturkampf. Die Bilder

sprechen auch da für

sich.

B

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Adriano Olivetti begann

1935 die Zusammenar-

beit mit den Architekten

Luigi Figini & Gino Pol-

lini. Hinter dem Bahn-

hof, an der Via G. Jervis,

sind die beeindrucken-

den Zeugnisse der sich

fortsetzenden Bautätig-

keit versammelt. Der An-

fang war zeitgenössisch

mit dem Zürcher Kinder-

spital, und der wurde mit

Kastenfenstern vollzogen,

was einer Doppelvergla-

sung im Abstand von

einem Meter entspricht.

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Der Sonnenschutz mit

verstellbaren Lamel-

len kam mit dem Weiter-

bauen nach dem Zwei-

ten Weltkrieg. Inzwischen

hatten Lucio Costa und

Oscar Niemeyer in Rio

das vorbildliche Verwal-

tungsgebäude für Ge-

sundheit und Erziehung

gebaut (unten). Le Corbu-

sier war dabei mit seinem

Rat der Mitwirkende.

Regierungsgebäude in Rio de Janeiro

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Gustave Eiffel undLudwig Mies van der Rohe

1875–1925

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Vichy eignet sich als

Ausgangspunkt zur Be-

sichtigung der Bahnbrü-

cken im französischen

Zentralmassiv. Auf der

Strecke zwischen Gannat

und Montluçon gibt es

von Eiffel eine Reihe von

Kunstbauten. 100 Jahre

später hat Christian Menn

am San Bernardino mit

Stahl- und Spannbeton

auf eine vergleichbare Art

gewirkt.

Gustave Eiffel:

Bellon-Viadukt, 1867–69

Gustave Eiffel:

Rouzat-Viadukt, 1867–69

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Gustave Eiffel:

Busseau-Viadukt, 1864

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J.G. Astruc: Nôtre-Dame-

du-Travail-de-Plaisance,

Paris, 1899–1901. Beim

genauen Hinsehen stellt

sich am Obergaden ein

Leichtbau-Verdacht ein.

Sonst gehen Draussen

und Drinnen, die senk-

rechten und die waag-

rechten Raumgrenzen,

ihren eigenen Weg.

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Die Kirche liegt östlich

vom Bahnhof Montpar-

nasse, an der Vercingéto-

rix-Strasse. Sie vermittelt

nicht nur zwischen zwei

Jahrhunderten, sondern

damit wird auch der Über-

gang vom Brückenbau

zum Hochbau mit Eisen

und Stahl vollzogen. Beim

Eintreten stellt sich hinter

der Kulisse des Baumeis-

ters die entsprechende

Überraschung ein.

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Eiffel sehen und dazu Scheerbart lesen

Paul Scheerbart; Glasarchitektur, 1914

Stahl & Glas

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L. Mies van der Rohe:

Ein Hochhaus aus Stahl

und Glas für Berlin,

1920–21

Die Wirkung der Vollver-

glasung wird am Modell

beobachtet, dann mit

Zeichnungen festgestellt.

L. Mies van der Rohe:

Wettbewerbs-Entwurf

für ein Hochhaus beim

Bahnhof Friedrichstrasse,

1921–22.

Die Entwürfe zu Büro-

gebäuden wirken auch

heute noch atemraubend.

Hier wird der Strassen-

raum des 19.Jh. als Rah-

men verwendet, der das

Neuartige darin zur Gel-

tung bringt.

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L. Mies van der Rohe:

Entwurf eines Büroge-

bäudes aus Stahlbeton,

1922

L. Mies van der Rohe:

Die beiden Grundrisse

und eine Skizze zu sei-

nen frühen Hochhaus-

Entwürfen für Berlin.

Der Kreis schliesst sich.

Es endet so, wie es mit

dem Eingang zum Kin-

derspital begann. Der Ti-

tel des Bauhaus-Buches

von L. Moholy-Nagy

bringt das wegleitende

Thema auf den Punkt.

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Ludwig Mies van der Rohe: Deutscher Pavillon an der Weltausstellung in

Barcelona, 1929. Das Jahr 1925 ist die Schwelle zwischen dem Anformu-

lieren und dem Ausformulieren in seinem Schaffen innerhalb von diesem

besonderen Jahrzehnt.

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K. Moser, O.R. Salvisberg

Impressum Heft 7

Zwei Eingänge

Heftübersichtwww.renefurer.ch

über den VerfasserRené Furer war von 1968–1994Dozent für Architekturtheoriean der ETH Zürich.

Text und BilderRené Furer

[email protected]é FurerBodenacherstraße 101CH-8121 Benglen

GestaltungGrafilu

DruckVögeli AG, Langnau

Copyright © 2008 René Furer, Benglen ZH

Alle Rechte vorbehalten, Nachdruck, Aufnahme

in elektronische Datenbanken, Mailboxen

sowie sonstige Vervielfältigungen, auch

auszugsweise und in Ausschnitten, nur mit

schriftlicher Genehmigung des Herausgebers.

ISBN 978-3-9523262-6-8

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