K9-1 Grundlagen der Thermodynamik 9. Grundlagen der ...epc/huber/PCIpdfs/Kapitel-9.pdf · Lit.: P....

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  • 9. Grundlagen der Thermodynamik- Einige Begriffe- Der 0. Hauptsatz und seine mikroskopische Interpretation- Der 1. Hauptsatz: System, Systemgrenzen, Zustands- und Transfergrssen- Der 2. Hauptsatz: spontane und reversible Prozesse, die freie Enthalpie G = H - TS- Der 3. Hauptsatz: Mikroskopische Interpretation der Entropie- Anwendungen

    Lit.: P. Atkins, J. de Paula, Atkins Physical Chemistry, Oxford Univ. Press, Oxford, 7th ed., 2002, Teile der Kapitel 1 bis 5.I. Tinoco, K. Sauer, J.C. Wang, J.D. Puglisi Physical Chemistry, Principles and applications in biological sciences, Prentice-Hall, New Jersey, 4th ed., 2002, Chapter 2 to 5H.D. Frsterling und H. Kuhn, Molekle und Moleklanhufungen. Ein Einfhrung in die physikalische Chemie, Springer-Verlag, Berlin, 1983, Teile der Kapitel 12 bis 14, S.163ff.

    Ergnzendes Material:Bltter: K9-1 bis K9-17

    Einige Begriffe:System: Ein von der Umgebung durch die Systemgrenzen abgegrenzter makroskopischer Raum enthlt normalerweise eine Menge Molekle in der Grssenordnung der Avogadroschen Konstanten. Ein System ist offen, wenn es eine permeable Wand hat, d.h. Materialaustausch mit der Umgebung mglich ist, geschlossen, wenn Materialaustausch mit der Umgebung unmglich, jedoch Energieaustausch mglich ist, abgeschlossen oder isoliert, wenn weder Material- noch Energieaustausch mit der Umgebung mglich ist. Eine adiabatische Wand verunmglicht, eine diatherme ermglicht Wrmeaustausch. Eine bewegliche Wand ermglicht mechanische Arbeitsleistung.

    Ein System befindet sich in irgendeinem Zustand, der mit den Zustandsvariablen, z.B. Druck P, Volumen V, Temperatur T, Molzahl n, beschrieben wird. Bei einer isobaren Zustandsnderung bleibt P, bei einer isochoren V und bei einer isothermen T konstant.

    Extensive Grssen haben einen zur Materialmenge proportionalen, intensive einen von der Materialmenge unabhngigen Wert.

    Ein System befindet sich im thermodynamischen Gleichgewicht, wenn keine makroskopische nderung mit der Zeit eintritt, auch nicht, wenn man den Kontakt mit der Umgebung unterbricht. Wenn zwar der erste, nicht aber der zweite Punkt erfllt ist, haben wir es mit einem Fliessgleichgewicht (steady state) zu tun. Wird ein Gleichgewicht nur wenig gestrt, kehrt es von selbst in den ursprnglichen Zustand zurck.

    E i n f h r u n g i n d i e P h y s i k a l i s c h e C h e m i e K9-1 Grundlagen der Thermodynamik

  • Der 0. Hauptsatz der Thermodynamik (Modell fr den Temperaturausgleich)

    Der Nullte Hauptsatz der Thermodynamik besagt, dass zwei Teilysteme verschiedener Temperatur, die im Wrmekontakt stehen, einem Gleichgewichtszustand zustreben, welcher durch eine einheitliche Temperatur charakterisiert ist. Es soll im folgenden mit einem statistischen Modell gezeigt werden, dass dieser Zustand einer maximalen Wahrscheinlichkeit entspricht.

    Die Temperatur lsst sich als kinetische Energie der Teilchen interpretieren. Wir betrachten deshalb zwei identische Systeme von je 6 Teilchen, welche je drei Energieniveaus aufweisen: E1 = 0, E2= a, E3 = 2a (vgl. das Modell im Kapitel Boltzmann-Statistik). Die gesamte fr beide Systeme verfgbare Energie betrage 6a; sie sei zunchst auf das heisse System beschrnkt:

    Niveau Heisses System (1) Kaltes System (2) Energie

    E3 2aE2 aE1 0

    Eheiss = 6a Ekalt = 0

    Jedes System fr sich ist im Gleichgewicht (sonst knnte man keine Temperatur definieren), deshalb sind die gezeigten Verteilungen einer Boltzmann-Verteilung mit hoher resp. tiefer Temperatur nach-gebildet.Wrmekontakt soll bedeuten, dass die Gesamtenergie sich nicht ndert, aber auf die zwei Systeme aufgeteilt werden kann. Die Teilsysteme seien geschlossen, d.h. sie bestehen auch im Kontakt aus je 6 Teilchen; ein Teilchenaustausch zwischen (1) und (2) sei nicht mglich (diatherme Wand). Wir wollen zeigen, dass statistisch eine gleichmssige Energieverteilung (je 3a in beiden Teilen) am wahrscheinlichsten ist.

    In jedem Teilsystem sind die folgenden Energien (max. 6a) und Realisierungsmglichkeiten denkbar:

    E= 0, (0) = 1 Alle 6 Teilchen in E1. 1a, (1a)= 6 5 Teilchen in E1, 1 Teilchen in E2; 6 Realisierungen.

    2a, (2a)= 21 5*E1, 1*E3 (6 Realis.) oder 5*E1, 2*E2 (15 Realis.)3a, (3a)= 50 etc.4a, (4a)= 905a, (5a)= 126 Zahl der Realisierungen (E):6a, (6a)= 141 Zahl der verschiedenen mglichen Anordnungen numerier-.... .... ter Teilchen ber die Energieniveaus mit Gesamtenergie E

    (Formeln der Kombinatorik).

    E i n f h r u n g i n d i e P h y s i k a l i s c h e C h e m i e K9-2 Grundlagen der Thermodynamik

  • Fortsetzung: Modell fr den Temperaturausgleich

    Eine Gesamtenergie von Etot = 6a, verteilt ber beide Teilsysteme, lsst sich wie folgt realisieren:

    (E(1) = 0) + (E(2) = 6a) tot = (1) * (2) = 1 * 141 = 141 (3%)(E(1) = 1a) + (E(2) = 5a) 6 * 126 = 756 (9%)(E(1) = 2a) + (E(2) = 4a) 21 * 90 = 1890 (23%)(E(1) = 3a) + (E(2) = 3a) 50 * 50 = 2500 (31%)(E(1) = 4a) + (E(2) = 2a) 90 * 21 = 1890 (23%) etc. ... ... .... .... ...... .......

    (Da ein Teilchenaustausch zwischen den beiden Teilen nicht erlaubt ist, errechnet sich die Zahl der Realisierungsmglichkeiten fr das gesamte System (1) + (2) als Produkt der Realisierungsmglich-keiten in den Teilsystemen).

    Der Energieverteilung 3a + 3a entspricht in der Tat die grsste Zahl der Realisierungen und damit die grsste Wahrscheinlichkeit.

    Solch kleine Modellsysteme wie das hier gezeigte sind natrlich sehr knstlich; sie werden verwendet, weil man die Zahl der Realisierungsmglichkeiten unschwer berechnen kann. Die Schlussfolgerung aber ist allgemeingltig:

    Die Situation des Temperaturausgleichs entspricht der grssten Zahl von Realisierungsmglichkeiten und ist somit statistisch am wahrscheinlichsten. Das Modell beschreibt einen Energietransport als Folge einer Temperaturdifferenz. Man nennt dies einen Wrmefluss, denn der Energietransport hat zu keiner makroskopischen Arbeitsleistung gefhrt (der Temperaturausgleich kann auch ablaufen, wenn beide Teilsysteme in ein Gefss mit starren Wnden eingeschlossen sind). Dies ist ein irreversibler Vorgang, denn seine Umkehrung wrde von einem Zustand hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Zustand niedrigerer Wahrscheinlichkeit fhren und deshalb nicht spontan ablaufen.

    Alle Systeme, die sich mit einem gegebenen System im thermischen Gleichgewicht befinden, stehen auch untereinander im thermischen Gleichgewicht. Diese Systeme haben eine gemeinsame Eigenschaft, die man Temperatur nennt.

    E i n f h r u n g i n d i e P h y s i k a l i s c h e C h e m i e K9-3 Grundlagen der Thermodynamik

  • Der 1. Hauptsatz der Thermodynamik (Erhaltungssatz der Energie)

    Der Erste Hauptsatz der Thermodynamik besagt, dass die Energie in einem System erhalten bleibt, wenn weder Wrme noch Arbeit zugefhrt wird, bzw. dass die Energie um die zugefhrte Wrme und Arbeit zunimmt. Er ist eng mit der Definition des Systems verbunden.

    Das System wird von der Umgebung durch die Systemgrenzen abgetrennt. Diese sind beliebig whlbar, aber dann verbindlich (dicke schwarze Linien):

    Grssen, die den Zustand des Systems im Gleichgewicht beschreiben, nennt man Zustandsgrssen. Die frei gewhlten Zustandsgrssen nennt man Zustandsvariabeln, die dadurch bestimmten, Zustandsfunktionen. Grundstzlich kann jede Zustandsgrsse als Variable gewhlt, oder durch solche bestimmt werden. Beispielsweise kann das Molvolumen durch die Temperatur und den Druck bestimmt werden, Vm(P,T), oder der Druck durch das Molvolumen und die Temperatur, P(Vm,T), etc. Weitere Beispiele von Zustandsgrssen sind U, H, F, G, S.Die Wrme Q und die Arbeit W sind keine Zustandsgrssen, sondern Transfergrssen. Sie werden ber die Systemgrenzen dem System zu- oder aus dem System weggefhrt. Man kann nicht sagen, das System enthlt soundsoviel Wrme oder Arbeit, sondern nur soundsoviel Energie. Die Transfergrssen sind nach dem Transfer, wenn sich das Gleichgewicht eingestellt hat, nicht mehr als solche erkennbar, sondern manifestieren sich als Energie.

    Fr kleine nderungen gilt:

    dU =q+w , wo q fr die Wrme und w fr die Arbeit stehtBeachten sie die unterschiedlichen Symbole: d = totales Differential (U ist eine Zustandsfunktion)

    = Transfergrsse (q und w sind keine Zustandsfkt.) = partielle Ableitung

    Die innere Energie U ist eine Zustandsgrsse

    E i n f h r u n g i n d i e P h y s i k a l i s c h e C h e m i e K9-4 Grundlagen der Thermodynamik

    TurbineGenerator

  • Spontane Prozesse

    Naturbeobachtung :Bei gegebenen Bedingungen gibt es Prozesse, die spontan, d.h. ohne unser Zutun ablaufen, whrend andere nur unter Zwang erfolgen.

    Bsp. 1 Ein heisser Krper khlt sich auf Umgebungstemperatur ab.

    Bsp. 2 Ein kalter Krper erwrmt sich auf Umgebungstemperatur.

    Bsp. 3 Die Molekle einer offenen Parfumflasche verteilen sich im ganzen Zimmer.

    Bsp. 4 1 dm3 Wasser und 1 dm3 thanol mischen sich, wenn sie nicht durch eine Trennwand separiert werden.

    Bsp. 5 Ein Gemisch von H2 und O2 reagiert zu H2O.

    - spontan sagt nichts aus ber die Geschwindigkeit, mit der der Prozess abluft ! Der Prozess in Bsp. 5 luft normalerweise sehr langsam ab; ein Zndfunke kann ihn jedoch gewaltig beschleunigen.

    - ein spontaner Prozess luft bei den gegebenen Bedingungen nie von selbst in der umgekehrten Richtung ab, d.h. er ist irreversibel.

    Gibt es eine Mglichkeit, die Richtung in welcher der Prozess spontan abluft vorauszusagen ?

    Hypothese : Wie in der Mechanik ein Krper bestrebt ist, sich in einer Lage mit mglichst kleiner potentieller Energie aufzuhalten, so wird ein chemischer Prozess so verlaufen, dass das System mglichst geringe Enthalpie besitzt, d.h. exotherm.

    berprfen Sie diese Hypothese kritisch an obigen Beispielen !

    E i n f h r u n g i n d i e P h y s i k a l i s c h e C h e m i e K9-5 Grundlagen der Thermodynamik

  • Prinzip von Thomsen und Berthelot

    1854 usserte Julius Thomsen (1826-1909) die Vermutung, dass alle spontanen Reaktionen exotherm seien. Er wurde 1867 von Marcellin Berthelot (1827-1907) untersttzt. Berthelot schrieb 1878 in seinem Essai de Mecanique chimique: Jede chemische Reaktion, die ohne Einfluss von usserer Energie abluft, ist bestrebt, den Krper oder das System von Krpern zu bilden, die am meisten Wrme freisetzen. Diese Ansicht wurde weitherum, besonders in Frankreich, bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts akzeptiert. Kritisieren Sie die Aussage anhand folgender Beispiele:

    rH (kJ/mol)Verbrennung von Rohrzucker :C12H22O11(s) + 12 O2(g) 11 H2O(l) + 12 CO2(g) -5646 (298 K)Verbrennung von Methan :CH4(g) + 2 O2(g) 2 H2O(l) + CO2(g) -891.0 (298 K)Zerfall von Wasserstoffsuperoxid :2 H2O2(l) 2 H2O(l) + O2(g) -196.1 (298 K)Lsen von Schwefelsure in Wasser :H2SO4(l) 2 H+(aq) + SO42-(aq) -95.28 (298 K)

    Zerfall von N2O5 :N2O5 (s) 2 NO2(g) + 1/2O2(g) 109.61 (298 K)Lsen von Ammoniumchlorid in Wasser :NH4Cl (s) NH4+(aq) + Cl-(aq) 15.16 (298 K)Verdampfen von Wasser aus einer offenen Schale :H2O(l) H2O(g) 44.05 (298 K)

    3/2H2(g) + 1/2N2(g) NH3(g) K = 770 -46.1 (298 K)3/2H2(g) + 1/2N2(g) NH3(g) K = 0.0065 -55.6 (723 K)

    E i n f h r u n g i n d i e P h y s i k a l i s c h e C h e m i e K9-6 Grundlagen der Thermodynamik

  • Eine Formulierung des 2. Hauptsatzes:

    Bei einem spontanen (irreversibeln) Prozess wird im System mehr Wrme erzeugt, als beim

    entsprechenden reversibeln Prozess. (Plausibilittsstichwort: Innere Reibung)

    Wir vergleichen als Beispiel folgende Prozesse:

    Ein Mol eines idealen Gases befinde sich bei 298 K in einem thermostatisierten Gefss mit einem

    Kolben. Bei einem Druck von 105 Pa nimmt es ein Volumen von 24.77 dm3 ein.

    Exotherm:

    a) Das Gas werde durch langsames Zufgen von kleinen Gewichten auf einen Zehntel seines

    Anfangsvolumens zusammengepresst. Dies ist ein isothermer, reversibler Vorgang, der gemss [1]

    zu einer Wrmeabgabe Qrev = -5705 J/mol aus dem System (Gas) ins Wrmebad fhrt.

    b) Es werde durch pltzliche Erhhung des Aussendrucks um einen Faktor 10 auf 106 Pa dieselbe

    Kompression bewirkt. Gemss [2] ist dann die Wrmeabgabe Qirr = -22293 J/mol.

    Es gilt Qirr < Qrev. Beim irreversiblen Prozess wird im System mehr Wrme produziert, die aus dem

    System weggefhrt wird (negatives Vorzeichen), um die Temperatur konstant zu halten!

    Endotherm:

    a) Das Gas werde durch langsames Wegnehmen von kleinen Gewichten auf das Zehnfache seines

    Anfangsvolumens expandiert. Dies ist ein isothermer, reversibler Vorgang, der gemss [1] zu einer

    Wrmeaufnahme Qrev = +5705 J/mol aus dem Wrmebad ins System (Gas) fhrt.

    b) Es werde durch pltzliche Erniedrigung des Aussendrucks um einen Faktor 10 auf 104 Pa dieselbe

    Expansion bewirkt. Gemss [2] ist dann die Wrmeaufnahme Qirr = +2292 J/mol.

    Es gilt Qirr < Qrev. Beim irreversiblen Prozess wird im System mehr Wrme produziert, sodass

    weniger zugefhrt werden muss (positives Vorzeichen), um die Temperatur konstant zu halten!

    An diesem Beispiel sehen wir, dass trotz verschiedener Vorzeichen allgemein gilt:

    Qirr < Qrev , bzw. Q Qrev , bei T konstant

    [1] Blatt Energetik idealer Gase Fall c): Q = nRT.ln(Ve/Va)

    [2] Blatt Energetik idealer Gase Fall a): Q = PoV

    E i n f h r u n g i n d i e P h y s i k a l i s c h e C h e m i e K9-7 Grundlagen der Thermodynamik

  • Verschiedene Formulierungen das 2. Hauptsatzes

    - Ein Prozess, bei dem lediglich Wrme aus einem Reservoir entnommen und vollstndig in Arbeit umgewandelt wird, ist unmglich. (Formulierung von Kelvin (William Thomson) gemss Atkins)

    - It is impossible to devise an engine which, working in a cycle, shall produce no effect other than the extraction of heat from a reservoir and the performance of an equal amount of work.(William Thomson gemss Walter J. Moore -> Es gibt kein Perpetuum Mobile 2. Art)

    - Man kann nicht Wrme von einem kalten Krper auf einen warmen Krper bertragen, ohne Arbeit fr diese bertragung zu leisten.(Rudolf Clausius gemss Dickerson, Gray, Darensbourg, Darensbourg)

    - It is impossible to devise an engine which, working in a cycle, shall produce no effect other than the transfer of heat from a colder to a hotter body.(Rudolf Clausius gemss Walter J. Moore)

    - Bei einer freiwilligen Zustandsnderung nimmt die Entropie eines abgeschlossenen Systems zu, Sgesamt > 0. Dabei ist Sgesamt die Gesamtentropie des abgeschlossenen Systems, welches das betrachtete Teilsystem enthlt.(Atkins)

    - a) the entropy S is a function of stateb) the entropy of a system in an adiabatic enclosure can never decrease; it increases in a irreversible process and remains constant in a reversible one.(K. Denbigh)

    E i n f h r u n g i n d i e P h y s i k a l i s c h e C h e m i e K9-8 Grundlagen der Thermodynamik

  • Die Freie Enthalpie G = H - TS

    Sie wurde von Josiah Willard Gibbs (1839-1903) eingefhrt und wird deshalb auch Gibbssche freie Energie genannt. So wie eine Standardreaktionsenthalpie aus der stchiometrischen Summe der Standardbildungsenthalpien der Reaktanden erhalten wird, so kann eine freie Standardreaktionsenthalpie aus den freien Standardbildungsenthalpien berechnet werden. Sie entspricht der nderung der freien Enthalpie bei einem Formelumsatz der reinen ungemischten Edukte zu den reinen ungemischten Produkten bei Standardbedingungen. Bei 298 K findet man die freien Standardbildungsenthalpien vieler Stoffe tabelliert. Die freie Bildungsenthalpie kann bei gegebener Temperatur auch aus H und S berechnet werden:G = H-TS z.B. rG = rH-TrS, wo rS wieder als stchiometrische Summe tabellierter Standardentropien gebildet werden kann.

    rG (kJ/mol)Verbrennung von Rohrzucker :C12H22O11(s) + 12 O2(g) 11 H2O(l) + 12 CO2(g) -5796 (298 K)Verbrennung von Methan :CH4(g) + 2 O2(g) 2 H2O(l) + CO2(g) -817.9 (298 K)Zerfall von Wasserstoffsuperoxid :2 H2O2(l) 2 H2O(l) + O2(g) -233.6 (298 K)Lsen von Schwefelsure in Wasser :H2SO4(l) 2 H+(aq) + SO42-(aq) -54.5 (298 K)

    Zerfall von N2O5 :N2O5 (s) 2 NO2(g) + 1/2O2(g) -30.3 (298 K)Lsen von Ammoniumchlorid in Wasser :NH4Cl (s) NH4+(aq) + Cl-(aq) -6.8 (298 K)Verdampfen von Wasser aus einer offenen Schale :H2O(l) H2O(g) 8.6 (298 K)

    3/2H2(g) + 1/2N2(g) NH3(g) K = 770 -16.5 (298 K)3/2H2(g) + 1/2N2(g) NH3(g) K = 0.0065 30.3 (723 K)

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  • Die mikroskopische Interpretation der EntropieBeispiel : Ein Wasserkristall und ein Alkoholkristall aus je 2 Moleklen mischen sich

    Es wird angenommen, dass jede Anordnung gleich wahrscheinlich sei, da kein Grund zum Gegenteil vorhanden ist. Da es bei Entfernung der Wand 4 mgliche Anordnungen gibt, die im Vergleich zur vorgegebenen Wand als Mischungen bezeichnet werden mssen, ist der gemischte Zustand der wahrscheinlichere. Bei mehr Teilchen wird der Unterschied viel drastischer, und die Wahrscheinlichkeit, dass sich der ungemischte Zustand wieder einmal einstellt praktisch null! Die Unordnung steht also als treibende Kraft hinter der spontanen Durchmischung zweier Stoffe.

    Ludwig Boltzmann (1844 - 1906) hat in seiner berhmten Formel den Bezug zwischen Entropie und Unordnung mathematisch festgehalten:

    S = k ln W

    k = Boltzmannkonstante W = Anzahl Anordnungen

    Die Entropienderung in obigem Prozess betrgt also beispielsweise : S = k ln 6 - k ln 1 = k ln 6

    Die Entropie ist ein Mass fr die Unordnung. Die Natur strebt spontan zu immer grsserer Unordnung.

    Eine Formulierung des 2. Hauptsatzes :Die Entropie (dS = qrev/T) ist eine Zustandsfunktion. Die Entropie eines adiabatisch abgeschlossenen Systems kann niemals abnehmen; in einem irreversiblen Prozess nimmt sie zu, in einem reversiblen bleibt sie konstant.

    Eine Formulierung des 3. Hauptsatzes :Die Entropie eines idealen Kristalls am absoluten Nullpunkt besitzt den Wert null.( W = 1 S = k ln W = k ln 1 = 0 )

    E i n f h r u n g i n d i e P h y s i k a l i s c h e C h e m i e K9-10 Grundlagen der Thermodynamik

    Wand

    entfernen

    W

    W

    W

    W

    WW W

    W W W WW

    W WA

    A

    A

    A A A A

    A A A

    A

    A A

    A

    1 Anordnung 6 Anordnungen

  • E i n f h r u n g i n d i e P h y s i k a l i s c h e C h e m i e K9-11 Grundlagen der Thermodynamik

  • E i n f h r u n g i n d i e P h y s i k a l i s c h e C h e m i e K9-12 Grundlagen der Thermodynamik

  • Molare Entropie und physikalische Eigenschaften (J mol-1 K-1)

    A. Die Entropie erhht sich bei der Verdampfung oder Sublimation zu einem Gas:

    I2(s) I2(g) Br2(l) Br2(g) H2O(l) H2O(g) CH3OH(l) CH3OH(g)

    116.8 260.8 152.4 245.3 69.9 188.8 126.9 237.8

    B. Die Entropie erhht sich bei der Auflsung eines Festkrpers oder einer Flssigkeit in Wasser:

    HCOOH(l) HCOOH(aq) CH3OH(l) CH3OH(aq) NaCl(s) Na+(aq)+Cl-(aq)

    129.04 163.7 126.9 132.3 72.4 60.3 + 55.3

    C. Die Entropie nimmt ab bei der Auflsung eines Gases in Wasser:

    HCOOH(g) HCOOH(aq) CH3OH(g) CH3OH(aq) HCl(g) H+(aq)+Cl-(aq)

    251.2 163.7 237.8 132.3 186.7 0 + 55.3

    D. Die Entropie erhht sich mit der Masse:

    F2(g) Cl2(g) Br2(g) I2(g) O(g) O2(g) O3(g) P4(g) As4(g)

    203.5 223.2 245.3 260.8 161.2 205.2 237.8 280.1 288.9

    E. Die Entropie ist in Netzwerkfestkrpern niedriger als in metallischen Festkrpern:

    C(gr) C(dia) Sn (weiss, metallisch) Sn (grau, Diamant)

    5.69 2.43 51.5 44.8

    F. Die Entropie erhht sich mit der Schwche der Bindungen zwischen den Atomen:

    C(dia) W(s) SiO2(s) Pb(s) Hg(l) Hg(g)

    2.43 33.5 41.9 64.9 77.5 175.0

    G. Die Entropie erhht sich mit der chemischen Komplexitt einer Verbindung:

    Mg(s) NaCl(s) MgCl2(s) AlCl3(s) CuSO4(s) CuSO4.H2O(s) CuSO4.3H2O(s)

    32.7 72.4 89.6 167 113.5 149.9 225.2

    CuSO4.5H2O(s) CH4(g) C2H6(g) C3H8(g) n-C4H10(g) iso-C4H10(g)

    305.6 184.2 229.9 270.0 310.2 294.8

    E i n f h r u n g i n d i e P h y s i k a l i s c h e C h e m i e K9-13 Grundlagen der Thermodynamik

  • Energetik idealer GaseFormelsammlung fr idealisierte Zustandsnderungen mit idealem Gas (n Mole): Das Gas der Temperatur T = Ta expandiert vom Anfangsvolumen Va zum Endvolumen Ve (oder es wird kompri-miert). Angegeben sind Arbeitsleistung W, Wrmeaustausch Q, Endtemperatur Te und Entropie-nderung SS des Systems (Gases) sowie SU der Umgebung. Die gesamte Entropienderung ist die Summe STot = SS + SU. Ein Prozess mit STot > 0 kann spontan ablaufen. W und Q werden je nach Vorzeichen dem System zugefhrt ( > 0) oder vom System an die Umgebung abgegeben ( < 0):Das System ist die Bank. U = W + Q = 0 bei isothermen Prozessen mit idealem Gas (ist nicht allgemein gltig).

    Isotherm bedeutet im Wrmekontakt mit einem Wrmebad der Temperatur Ta (Umgebung). Adiaba-tisch meint eine Zustandsnderung, bei welcher der Wrmeaustausch mit der Umgebung nicht mg-lich ist. Reversibel heisst eine Zustandsnderung, wenn sie ber lauter Gleichgewichte durchgefhrt wurde; andernfalls handelt es sich um eine irreversible Zustandsnderung.

    Resultate, die unabhngig sind von der Annahme eines idealen Gases, werden unterstrichen.

    W Q Te SS, SU 1)

    a) Isotherm, -PoV +PoV Ta = T +nR.ln(Ve/Va)Po = const. - Q / T

    b) Isotherm -nRT.ln(Ve/Va) +nRT.ln(Ve/Va) Ta = T +nR.ln(Ve/Va)reversibel -nR.ln(Ve/Va)

    c) Isotherm 0 0 Ta = T +nR.ln(Ve/Va)irreversibel 0

    d) Adiabatisch n.CV(Te - Ta) 0 Ta.(Va/Ve)R/CV 0reversibel 0

    e) Adiabatisch 0 0 Ta +nR.ln(Ve/Va)irreversibel 0

    1) Obere Zeile SS, untere Zeile SU; SS + SU = 0 bei reversiblen Prozessen.Zu a) Expansion oder Kompression bei konstantem usserem Druck Po. V > 0 bei Expansion,

    V < 0 bei Kompression. c,e) irreversibel:Hier Ausstrmen ins Vakuum ohne Arbeitsleistung. d) S = 0 als exakte Kompensation von S (Temperaturnderung) durch S (Drucknderung). e) keine Abkhlung des idealen Gases, wenn keine Arbeit geleistet wurde.

    E i n f h r u n g i n d i e P h y s i k a l i s c h e C h e m i e K9-14 Grundlagen der Thermodynamik

  • Isotherme Expansion eines idealen Gases

    1 mol eines ideales Gases werde bei 293 K von 6 auf 24 dm3 expandiert.a) reversibel b) in Stufen (s.Bild) c) in einem Schritt spontan

    P1=4 atm P2=3 atm P3=2 atm P4=1 atm 1 atm 105 PaV1=6 dm3 V2=8 dm3 V3=12 dm3 V4=24 dm3

    a) -WSystem,rev = nRT ln(V4/V1) = 8.314 . 293 . ln(24/6) J = 3377 J

    Da T = konstant und U eines idealen Gases nur von T abhngig : U = 01. Hauptsatz : U = W+Q = 0 QSystem,rev = -WSystem,rev = 3377 J

    SSystem = Qrev/T = 3377/293 J/K = 11.5 J/KIm reversiblen Prozess ndert die Totalentropie nicht SUmgebung = -11.5 J/KStotal = 0 J/K

    c) Das System befindet sich am Anfang und am Schluss im selben Zustand wie bei a) und da S eine Zustandsfunktion ist folgt SSystem = 11.5 J/K

    -WSystem = P V = 105 Pa . 18 10-3 m3 = 1800 J = QSystem = -QUmgebung

    Die Umgebung liefert bei konstanter Temperatur Q ins System. Die Umgebung ist im thermodynamischen Gleichgewicht, d.h. in der Umgebung luft der Vorgang reversibel ab:

    SUmgebung = QUmgebung /T = -1800/293 J/K = -6.1 J/KStotal = 5.4 J/K

    b) wie c) aber in Stufen : SSystem = 11.5 J/K

    -WSystem = PV = (3.2+2.4+1.12).100 J = 2600 J = QSystem = -QUmgebungSUmgebung = QUmgebung /T = -2600/293 J/K = -8.9 J/K

    Stotal = 2.6 J/K

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  • Adiabatische Zustandsnderung idealer GaseKompression eines wrmeisolierten Sytems:Die aufgewendete Kompressions-Energie bleibt im System und erhht dessen Temperatur. Formal:Setze die differentielle Kompressionsarbeit dA = - P.dV und die Erhhung der inneren Energie dU=n.CV,m.dT (fr n Mole Gas) einander gleich (weil dU =

    Q - P.dV und

    Q =0 angenommen); dann P = nRT/V ersetzen, Variablen trennen und umformen:

    dT - R dVn.CV,m.dT = - nRT.dV/V ___ = _____ . ___

    T CV,m V

    Integriere vom Anfangszustand Ta, Va, (Pa) bis zum Endzustand Te, Ve, (Pe);CV,m konstant fr ideales Gas. Ferner ln(Ve / Va)= - ln(Va / Ve).

    Te dT - R Ve dV Te R Va ___ = _____ __ ln __ = _____ . ln __

    Ta T CV,m Va V Ta CV,m Ve

    Definition:Poisson-Zahl CP/CV. Wegen R=CP,m - CV,m (gltig fr ideale Gase) folgt

    R CP,m - CV,m _____=___________ = - 1 CV,m CV,m

    Exponentieren (damit ln verschwindet) fhrt zur Adiabatengleichung

    TeTa

    =VaVe

    1

    resp.

    T V 1 = const. (T-V-Form)

    PePa

    =VaVe

    resp.

    P V = const. (P-V-Form)

    TeTa

    =PePa

    1( )

    resp.

    P 1( )

    T = const. (P-T-Form)

    Alle drei Formen sind quivalent. Die zweite resp. dritte Form folgt aus der ersten, wenn man ersetzt T=PV/nR resp. V=nRT/P (ideales Gasgesetz).

    Bemerke:Die Adiabatengleichung ersetzt die Zustandsgleichung idealer Gase nicht, sondern ergnzt sie. Die Zustandsgleichung gilt in jedem Fall; eine einfache Behandlung ist jedoch nur fr ideale Gase mglich.

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  • Lernziele Kapitel 9

    - Was ist ein offenes, was ein geschlossenes und was ein abgeschlossenes oder isoliertes System?

    - Was ist eine permeable, was eine adiabatische Wand?

    - Was ist isobar, isochor bzw. isotherm?

    - Was sind extensive, was intensive Grssen?

    - Wann befindet sich ein System im thermodynamischen Gleichgewicht bzw. Fliessgleichgewicht?

    - Wodurch unterscheiden sich Zustands- von Transfergrssen? Beispiele?

    - Was sind Systemgrenzen? Welche Bedeutung haben sie in Bezug auf die obigen Grssen?

    - Wozu benutzen wir die folgenden Symbole:

    ,d, und ?

    - Warum ist folgende Aussage falsch: Das System enthlt 50 kJ Wrme.?

    - Was ist ein reversibler Prozess?

    - Wie lautete der 0. Hauptsatz? Was wird damit definiert?

    - Mit welchem Modell kann er mikroskopisch interpretiert werden?

    - Wie lautet die Formel fr die Volumenarbeit?

    - Wie gross ist W (bzw. Q, SS, SU) in den Fllen a) - e) auf dem Blatt Energetik idealer Gase?

    - Wie lautet die Boltzmann-Formel fr die Entropie? Wie lautet der 3. Hauptsatz? Zusammenhang?

    - Was ist ein spontaner Prozess?

    - Welcher Prozess auf dem Blatt Spontane Prozesse ist nicht exotherm?

    - Was ist das Prinzip von Thomsen und Berthelot? Gltigkeit?

    - Warum braucht man fr die Ammoniaksynthese einen Katalysator?

    - Wie berechnet man die Entropie als Funktion der Temperatur? Welche Grssen bentigen Sie dazu?

    - Wie verndert sich (qualitativ) die Entropie eines idealen Gases mit dem Druck?

    - Wie lautet der 2. Hauptsatz in der Formulierung mit der inneren Reibung?

    - Was ergibt sich daraus fr eine Beziehung zwischen spontanem und reversiblem Wrmetransfer?

    - Welche Bedingung fr einen spontan ablaufenden Prozess erhlt man daraus (mit H und S)?

    - Definition der freien Enthalpie? Bei welchen Bedingungen ist sie die wichtige Grsse?

    - Wie verhlt sie sich im Gleichgewicht bzw. im spontanen Prozess?

    - Diskutieren Sie das Isomerisierungsgleichgewicht von n- zu iso-Butan mit Enthalpie und Entropie!

    - Warum kann warme Luft mehr Wasserdampf aufnehmen?

    - Wie ndert sich die Entropie bei a) Verdampfung?

    b) der Auflsung eines Festkrpers in Wasser?

    c) der Auflsung eines Gases in Wasser?

    - Wie ndert sich S mit der a) Masse? b) Strke der Bindung? Komplexitt der Verbindung?

    E i n f h r u n g i n d i e P h y s i k a l i s c h e C h e m i e K9-17 Grundlagen der Thermodynamik