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KAIROS Europa Deutschland e.V. RUNDBRIEF für Mitglieder & FreundInnen Juni 2012 Im Blickpunkt: Der Israel-Palästina-Konflikt „Kairos for Global Justice“ Bericht über eine Konferenz (Bethlehem 4.-10.12.2011) Eingeladen hatten die Verfasser des Kairos Palästina- Dokuments, die 2009 auf der Basis ihrer christlichen Grundüberzeugungen eine kritische Analyse des sich zuspitzenden Konfliktes um das besetzte Palästina vorgenommen hatten. Die Kirchen der Region waren zu entschiedenerem Eintreten für die Menschenrechte und das Völkerrecht aufgerufen worden und zum gewaltfreien Kampf gegen die israelische Besatzung. Von den Kirchen der Ökume- ne war unter Berufung auf das gemeinsame Bekenntnis konkrete Solidarität eingefordert wor- den. Diesmal ging es darum, diesen Ansatz fortzu- schreiben: ein Bewusstsein entwickeln und verbrei- ten, dass Palästina nicht einfach unter dem bösen Willen eines Nachbarn leidet, sondern dass die hier erfahrene Ungerechtigkeit zusammenhängt mit ungerechten Strukturen der Globalisierung und die gesamte Ökumene entsprechend herausgefordert ist. Dies sollte gemeinsam erörtert werden mit Vertretern von Kirchen und Aktionsgruppen in Nord und Süd. Regionale Kairos-Tagungen in Südafrika, den Niederlanden und Brasilien waren vorausgegan- gen. In Bethlehem versammelten sich dann rund 60 Teilnehmende aus 15 Ländern, Frauen und Männer aus Kirchen und Aktionsgruppen, welche die Impulse des Kairos Palästina-Dokuments positiv auf- genommen hatten. Sie kamen aus der Region (Palästina, Israel, Libanon, Jordanien) sowie aus den USA, Kanada, den Niederlanden, Norwegen, Schweden, Südafrika, Indien und den Philippinen. Aus Deutschland war Ulrich Duchrow (Kairos Europa) eingeladen; ich habe ihn vertreten. Außer mir nahm mit Wiltrud Rösch-Metzler (Pax Christi) nur noch eine weitere Person aus Deutschland an der gesamten Konferenz teil. Die regionale Realität Der Tagungsort sorgte dafür, dass das Thema nicht von einer Theorie der Globalisierung aus, sondern von der konkreten Wirklichkeit her angegangen wurde. Wichtiger Bestandteil des Programms waren nämlich so genannte „exposures“, von gut infor- mierten Palästinensern geführte Touren zu Brennpunkten der Auseinandersetzung zwischen der Bevölkerung Palästinas und der israelischen Besatzungsmacht. Bethlehem selbst, immer mehr INHALTSVERZEICHNIS Im Blickpunkt: Der Israel-Palästina-Konflikt Kairos for Global Justice – Bericht über eine Konferenz in Bethlehem 1 Der Aufruf von Bethlehem: Hier stehen wir – stellt Euch zu uns 7 Die Aktion „Besatzung schmeckt bitter“ 12 Gründung eines deutschen Kairos Palästina-Solidaritätsnetzes 13 Rezension: „Verhängnisvolle Scham. Israels Politik und das Schweigen der Christen“ 14 Aus der laufenden Arbeit Einladung zur Kairos Europa- Jahrestagung 2012 16 Impressum 16

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KAIROS Europa Deutschland e.V.

RUNDBRIEFfür Mitglieder & FreundInnen

Juni 2012

Im Blickpunkt: Der Israel-Palästina-Konflikt

„Kairos for Global Justice“

Bericht über eine Konferenz(Bethlehem 4.-10.12.2011)

Eingeladen hatten die Verfasser des Kairos Palästina-Dokuments, die 2009 auf der Basis ihrer christlichenGrundüberzeugungen eine kritische Analyse des sichzuspitzenden Konfliktes um das besetzte Palästinavorgenommen hatten. Die Kirchen der Regionwaren zu entschiedenerem Eintreten für dieMenschenrechte und das Völkerrecht aufgerufenworden und zum gewaltfreien Kampf gegen dieisraelische Besatzung. Von den Kirchen der Ökume-ne war unter Berufung auf das gemeinsameBekenntnis konkrete Solidarität eingefordert wor-den. Diesmal ging es darum, diesen Ansatz fortzu-schreiben: ein Bewusstsein entwickeln und verbrei-ten, dass Palästina nicht einfach unter dem bösenWillen eines Nachbarn leidet, sondern dass die hiererfahrene Ungerechtigkeit zusammenhängt mitungerechten Strukturen der Globalisierung und diegesamte Ökumene entsprechend herausgefordertist. Dies sollte gemeinsam erörtert werden mitVertretern von Kirchen und Aktionsgruppen in Nordund Süd. Regionale Kairos-Tagungen in Südafrika,den Niederlanden und Brasilien waren vorausgegan-gen. In Bethlehem versammelten sich dann rund 60Teilnehmende aus 15 Ländern, Frauen und Männeraus Kirchen und Aktionsgruppen, welche dieImpulse des Kairos Palästina-Dokuments positiv auf-genommen hatten. Sie kamen aus der Region(Palästina, Israel, Libanon, Jordanien) sowie aus denUSA, Kanada, den Niederlanden, Norwegen,Schweden, Südafrika, Indien und den Philippinen.

Aus Deutschland war Ulrich Duchrow (KairosEuropa) eingeladen; ich habe ihn vertreten. Außermir nahm mit Wiltrud Rösch-Metzler (Pax Christi)nur noch eine weitere Person aus Deutschland ander gesamten Konferenz teil.

Die regionale Realität

Der Tagungsort sorgte dafür, dass das Thema nichtvon einer Theorie der Globalisierung aus, sondernvon der konkreten Wirklichkeit her angegangenwurde. Wichtiger Bestandteil des Programms warennämlich so genannte „exposures“, von gut infor-mierten Palästinensern geführte Touren zuBrennpunkten der Auseinandersetzung zwischen derBevölkerung Palästinas und der israelischenBesatzungsmacht. Bethlehem selbst, immer mehr

INHALTSVERZEICHNISIm Blickpunkt: Der Israel-Palästina-Konflikt� Kairos for Global Justice – Bericht über eine

Konferenz in Bethlehem 1� Der Aufruf von Bethlehem:

Hier stehen wir – stellt Euch zu uns 7� Die Aktion „Besatzung schmeckt bitter“ 12� Gründung eines deutschen Kairos

Palästina-Solidaritätsnetzes 13� Rezension: „Verhängnisvolle Scham. Israels

Politik und das Schweigen der Christen“ 14Aus der laufenden Arbeit� Einladung zur Kairos Europa-

Jahrestagung 2012 16Impressum 16

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eingeschnürt von gewaltigen „Kreuzritterburgen“,den jüdischen Siedlungen auf den umgebendenHügeln, der mäandernden riesigen Mauer und denSiedlerstraßen, ist solch eine „exposure“, selbst inden Tagungspausen einem ständig vor Augen.Bedrückend Hebron, wo Lebensräume und dieMenschenrechte einer ganzen palästinensischenStadt dem Interesse von ein paar hundert jüdischenSiedlern untergeordnet werden. Eine radikale jüdi-sche Gruppe hat an eine Mauer geschrieben:„Araber in die Gaskammern!“. Zugegeben, der Satzstammt von Mitgliedern der Kach-Partei, die in Israelwegen ihres extremen und offenen Rassismus ver-boten ist; aber niemand hat den Schriftzug wegge-wischt.

In Ost-Jerusalem laufen wir vor allem durch dasGebiet von Silwan. Dort graben Israelis die – bis jetztsicher und bis auf alle Zeiten sehr wahrscheinlich –imaginäre „City of David“ aus und legen einen gro-ßen archäologischen Park an. Die einheimischepalästinensische Bevölkerung wird mit den bekann-ten rüden Methoden verdrängt. In einem Olivenhainin Crimesean bei Bethlehem nehmen wir an einerMesse teil, die jeden Freitag in der Nähe einesKlosters stattfindet und mittlerweile zu einem Fokusdes Protestes gegen weitere Enteignungen palästi-nensischen Landes geworden ist. Der Ring vonSiedlungen, die Bethlehem schon jetzt die Luft rau-ben und seine Wirtschaft strangulieren, soll hier umden Preis palästinensischer Rechte sowie derEntwurzelung zahlloser Olivenbäume und Wein-stöcke geschlossen werden. An einem Abend neh-men wir an einem Gottesdienst vor der Mauer teil.Ein Sprayer hat an die Mauer ein Wort vonTucholsky gesprüht: „Ein Volk wird nicht nur nachdem beurteilt, was es tut, sondern auch nach dem,was es unterlässt“.

Der globale Zusammenhang

Die meisten Deutschen werden wohl immer nochden Israel-Palästina-Konflikt als einen regionalenwahrnehmen. Mitri Raheb setzte in seinem Referatdagegen: Hätten wir nur ein Problem mit dem StaatIsrael, wir würden uns schon längst geeinigt haben.Unser Problem ist das Interesse des Westens am Ölund dem großen nahöstlichen Waffenmarkt, umdessentwillen der israelische Vorposten aufgebautwurde und massiv unterstützt wird. Mittlerweile istIsrael auch durch die Art und Weise stark, wie es indas System globaler Arbeitsteilung integriert ist. Aufmilitärischem Gebiet kooperiert es besonders mitIndien und Malaysia, liefert die Hardware und bildet

die Luftwaffe aus. Israelische Sicherheitstechnik wirdnach Südamerika exportiert. Brasilien war zwischen2005 und 2010 der viertgrößte Importeur israeli-scher Waffen. Die israelische Rüstungsindustrie hatsich in verschiedene brasilianische Firmen einge-kauft.

Erinnert sei daran, dass auch Deutschland nicht nurAtomwaffen-fähige U-Boote an Israel liefert, son-dern z.B. bei der Entwicklung der Drohnen-Technologie mit Israel zusammenarbeitet. Die inAfghanistan zum Einsatz kommende Heron/Eitan-Drohne wurde gemeinsam von der DüsseldorferRüstungsschmiede Rheinmetall und der israelischenFirma IAI entwickelt. Ein kontinuierlicher Zufluss vonKapital, so weiter Mitri Raheb, sorgt dafür, dassIsrael seine hegemoniale Rolle gegenüber denPalästinensern und der gesamten Region spielenkann. Das heißt, ihr im Westen seid Teil unseresProblems; werdet Teil der Lösung.

Ähnlich argumentierte auch Mark Braverman, US-amerikanischer Jude, dessen lesenswertes Buch zumIsrael-Palästina-Konflikt und der problematischenRolle, die westliche Theologie dabei spielt, jetzt auchauf Deutsch vorliegt (Fatale Scham, Gütersloh 2011;siehe hierzu die Besprechung des Buches in diesemRundbrief): Der Nahostkonflikt ist nur im Kontextglobaler amerikanischer „ökonomischer Hege-monie“ zu verstehen. Amerikanisches Geld undDiplomatie sichern die Funktionsfähigkeit des israeli-schen Apartheid-Systems.„Wir bauten sie, und dieseMauer ist unsere Mauer.“ Das bedeutet aber auch,dass am Beispiel Palästinas der breitere globaleKontext imperialer Macht besonders deutlicherkennbar wird.

Leider nur verlesenen wurde ein Text südafrikani-scher Muslime, der aber die Beratungen der

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Konferenz durchaus beeinflusste, mit dem Titel„Peace for life – An Islamic Response to KairosPalestine“. Die Autoren verpflichten sich darin nichtnur zur Solidarität mit Kairos Palästina auf der Basisdes vom Koran wie von der Bibel in gleicher Weisegeforderten Friedens, der in Solidarität mit denUnterdrückten gründet. Sie warnen auch davor, dassder Friedens-Impuls der Religion vom „Imperium“kooptiert wird, d.h. von der Gerechtigkeitsfrageabgekoppelt werden kann. Das Imperium will in sol-chem „Frieden“ sein Öl fördern und vermarkten.Auch muslimische Länder müssen sich vor-werfen lassen, einen solchen Friedengemacht und nur halbherzig die palästi-nensische Sache unterstützt zu haben. DieAufgabe ist noch lange nicht erledigt, dieGlaubensgenossen für ihren so verstande-nen globalen Auftrag zu sensibilisieren.Auch Juden werden in diesem Text als„Brüder und Schwestern“ angesprochen,dem Antisemitismus wird eine deutlicheAbsage erteilt; Beeinträchtigungen derJuden in islamischen Gesellschaften wer-den beim Namen genannt und verurteilt.Ausdrücklich wird erklärt, dass die Nazi-Gräuel, an Juden begangen, nicht verges-sen werden dürfen; aber Palästina mussnicht dafür büßen.

Das globale Problem inunterschiedlichen Kontexten

Dass im Leiden Palästinas sich das eigene Leidenspiegelt – und umgekehrt –, diesen besonderenAkzent setzte Antony Arulraj, Vertreter indischerDalits, in einem Podiumsbeitrag. Wir haben zwarkeine Mauern aus Stein, erklärte er, aber wir leidenunter den unsichtbaren, jedoch nicht weniger effek-tiv trennenden und sich als Mittel der Beherrschungerweisenden Mauern der Kaste. Hinter diesenMauern liegt auch das Land, das uns gehört, mit –im Falle Indiens – reichen Bodenschätzen, die imInteresse einer mächtigen Minderheit ausgebeutetwerden, die mit dem Weltmarkt verbunden ist.Unsere Menschenwürde wird wie eure täglich mitFüßen getreten, unsere Menschenrechte missachtet,im Namen von Entwicklung, aber auch im Namender Religion. Der Slogan hinduistischer Extremisten„Ein Hindustan für alle Hindus“ erinnert an dieRhetorik nationalreligöser Juden und christlicherZionisten.

Hier ergeben sich Anknüpfungspunkte für eine Süd-Süd-Partnerschaft der Solidarität, und die Schluss-

erklärung der Konferenz verweist zu Recht auf dasPotential des globalen Südens. In der Diskussionwurde allerdings darauf hingewiesen, dass zurEntwicklung solcher Partnerschaften noch viel Arbeitder jeweiligen Zivilgesellschaften nötig sein wird. Aufder politischen Ebene der Regierungen gilt oft: Manhebt in der UNO-Vollversammlung bei Abstim-mungen die Hand für Palästina, aber die politischeund gelegentlich auch militärische Zusammenarbeitzwischen Israel und Dritte Welt-Staaten funktionierttrotzdem problemlos. Auch die politischen Eliten des

globalen Südens geben ein ambivalentes Bild ab. Mitihrem Schweigen bzw. der oft leeren symbolischenSolidarität wirken sie häufig eher wie Komplizen desImperiums.

Interessant ein holländischer Beitrag zum Stellenwertdes Nahostkonflikts in einem europäischen Kontext!Die Niederlande hatten bis vor kurzem eineMinderheitsregierung, die auf die parlamentarischeDuldung durch die Partei des RechtspopulistenWilders angewiesen war. Wilders war 2011 Gast desReservegenerals der israelischen Armee Arieh Eldadin der Siedlung Kfar Adumim. Beide erklärten offenihre Ablehnung jeglicher palästinensischer Souverä-nität im Westjordanland. Wilders meint, dass nichtIsrael für die Probleme des Nahen Ostens verant-wortlich ist, sondern der Islam. Der damalige hollän-dische Außenminister,von einem liberalen Senator zueinem „rechten Likud-Politiker“ mutiert, hält allesReden von israelischen Menschenrechtsverstößenfür anti-israelische Propaganda. Dazu passt, dass erohne Hemmungen die Meinung vertritt, derMenschenrechtsdiskurs habe sich den holländischenAußenwirtschaftsinteressen unterzuordnen. DerStaat Israel wandelt sich in diesem Zusammenhangvon einem Zufluchtsort für verfolgte Juden zu einemBollwerk gegen einen die westliche Zivilisation

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bedrohenden Islam, der im Ganzen und nicht nurmit seinen islamistischen Rändern in die Nähe desFaschismus gerückt wird.

Es könnte sein, dass hier im holländischen Kontexteine ideologische Konstellation nur besonders deut-lich in Erscheinung tritt, die auch andernorts inEuropa die Wahrnehmung des Nahost-Konfliktsbestimmt. Bei uns ist das wohl im Moment ehergreifbar in dem Argument, in der gegenwärtigenKonfrontation mit dem Iran ginge es nicht nur umdie Sicherheit Israels; auch die unsrige sei genau sodurch einen aggressiven Iran bedroht. Dabei geht esder derart präsentierten Politik letztlich doch nurdarum, in der ressourcenreichen Region mit dem ira-nischen Regime einen relativ selbständigen Akteur,der sich nicht einfach westlichen Interessen fügt,auszuschalten.

Es war eindrucksvoll zu hören, was einzelne angel-sächsische Kirchen an Advocacy-Arbeit für Palästinaorganisieren, und zwar programmatisch als Aufgabevon Kirchen, nicht nur als Sache einzelnerInitiativgruppen. Der United Church of Canada wur-den Regierungsmittel für Entwicklungsprojektegestrichen, wohl wegen ihrer deutlichenParteinahme für die Anliegen des Kairos Palästina-Dokuments. Ein englischer Methodist berichtetedarüber, dass Mitglieder seiner Kirche regelmäßigvor einer Fabrik demonstrieren, in der Komponentenfür israelische Drohnen hergestellt werden. Wir hör-ten davon, dass kanadische Kirchen ihre Regierungkritisieren, weil sie sich aus den Verpflichtungen desKyoto-Protokolls herauswindet und sich weigert,ethische Gesichtspunkte bei der Behandlung kanadi-scher Bergbaugesellschaften zur Geltung zu bringen.In der Diskussion konnte man aus US-amerikani-schem Munde hören: Ja, es geht auch ums Öl imIsrael-Palästina-Konflikt! Die verschiedenen Kon-flikte in einem systemischen Zusammenhang imKontext von Globalisierung zu sehen, von der HenryKissinger sagt, sie sei ein anderes Wort für amerika-nische Vorherrschaft, das war bisher auch in denKirchen jedoch noch kein Thema.

Sind wir damit in Bethlehem weiter gekommen? DieTeilnehmenden haben sicher Impulse zu einem soorientierten Engagement mitbekommen und sich zueinem solchen Einsatz verpflichtet; im Schluss-dokument stehen dazu wichtige Merkposten. ImGanzen wird hier noch präzisierende theologischeArbeit zu leisten sein. Ohne Frage bedroht der StaatIsrael – die völkerrechtswidrige Drohung mit demPräventivkrieg, die Weigerung, seine Grenzen zudefinieren, als besonders aussagekräftige Symptome

genommen – mit seiner Politik als Vorposten westli-cher wirtschaftlicher und politischer Interessen nichtnur den Frieden in der Region, sondern denWeltfrieden. Allerdings geht es auch bei den Fragenvon Klima, Bankenmacht, Militarisierung der Außen-und Sicherheitspolitik, bei der Verteidigung derInteressen derer, die im globalen Norden unter dieRäder zu geraten drohen, um die Bearbeitung vonKonflikten, die ein globales Zerstörungspotentialenthalten. Zudem stehen wir auch hier überall dem-selben Gegner gegenüber, nämlich einer sich jegli-cher demokratischer Kontrolle entziehenden, priva-ten Interessen dienenden wirtschaftlichen Macht.Eine Formel, die konkreter – in der Schlusserklärungist lediglich einmal abstrakt davon die Rede, dassauch im globalen Norden die Macht des Imperiumszu bröckeln beginnt – die Akteure an allen diesenFronten wahr- und ernst nimmt, müsste gefundenwerden. Sie könnte es vielleicht allen leichtermachen zu verstehen, dass trotz der grundsätzlichenGleichberechtigung der genannten Konfliktfeldersich manchmal Schwerpunkte gemeinsamenWiderstandes ergeben und dass der Palästina-Konflikt ein solcher ist, dass er in der Tat einen„Kairos“ darstellt. So wäre auch dem Anliegen derPalästinenserinnen und Palästinenser besser gedientals allein mit der beschwörenden Wiederholung derbedrückenden und mehr denn je berechtigten Klage.

Palästina als Spiegel globalerGewaltverhältnisse

Gegenüber dem Kairos Palästina-Dokument von2009 ist die Stimmung radikaler geworden, und der„Bethlehem Call“ (siehe dessen Wortlaut in deut-scher Übersetzung in diesem Rundbrief) enthältdeutlichere politische Konkretionen. Das lässt sichz.B. daran fest machen, dass ausdrücklich erklärtwird: Bei dem Vorwurf, dass Israel ein Apartheid-Staat sei, geht es nicht um einen moralisierendenVergleich mit Südafrika; Israel wird vielmehr einesVerbrechens gegen die Menschlichkeit beschuldigt.Es gibt nämlich eine Anti-Apartheid-Konvention derUNO, die zu den völkerrechtlichen Texten gehört,die der Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofeszugrunde liegen. Daran muss die Politik des StaatesIsrael gemessen werden. Deswegen kann denn auchdas Verhalten der israelischen Regierung nicht nurals „Sünde“ bezeichnet werden – so noch das KairosPalästina-Dokument –, sondern ausdrücklich als„Verbrechen“. Israel wird im Schlussdokumentangeklagt, mit seiner repressiven Politik und denSchikanen gegenüber der palästinensischenBevölkerung auf eine schleichende ethnische

4 Juni 2012

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Säuberung aus zu sein. Palästinenser undPalästinenserinnen erleiden nicht nur als Einzelne, alsFamilien oder Gruppen isolierte Gewaltakte.Die Gewalt, die sie erleiden, ist systemisch, und ihrwird somit jedwede Rechtfertigung abgesprochenund jede Entschuldigung (das SicherheitsbedürfnisIsraels!) verweigert.

In den Diskussionen der Konferenz war natürlich vonder Zwei-Staaten-Lösung die Rede. Die Schluss-erklärung formuliert etwas offener „Zwei VölkerSeite an Seite in den Grenzen von 1967“, ein Endeder Siedlungen vorausgesetzt, das Rückkehrrechtder palästinensischen Flüchtlinge respektiert. Dennes waren auch skeptischere Töne zu hören ange-sichts der von Israel geschaffenen „facts on theground,“ die das israelische Bekenntnis zur Zwei-Staaten-Lösung unglaubwürdig erscheinen lassen.Hind Khoury, ehemals Botschafterin der palästinen-sischen Autonomiebehörde in Frankreich, meinteetwa: Wir können auch mit einer Ein-Staat-Lösungleben, aber es darf kein Apartheid-Staat sein. DerAppell Jeff Halpers, Direktor des IsraelischenKomitees gegen die Häuserzerstörung, war imDezember noch nicht veröffentlicht worden. Halperhatte dazu aufgerufen, die gesamte Struktur derPalästinensischen Autonomiebehörde zusammen-brechen zu lassen. Seiner Meinung nach, die vonvielen kritischen Beobachtern geteilt wird, hält sienämlich Enteignung und Erniedrigung derPalästinenser nicht auf. Ihre Existenz fördert aber dieIllusion, es gäbe so etwas wie einen Friedensprozessund eine zwischen Besatzern und Besetzten geteilteVerantwortung für jegliche Stagnation. Ein Ende derAutonomiebehörde würde sichtbar machen, soHalper, dass es de facto zwischen Mittelmeer undJordan nur einen einzigen Staat gibt, für dessenBevölkerung grundsätzlich zweierlei Recht gilt.Israelische Apartheid würde unverhüllter vor allerWelt sichtbar, und sie wäre in internationalerSolidarität zu bekämpfen wie ihr historischerVorgänger in Südafrika.

Auch in anderer Hinsicht sind die Dinge inzwischennoch klarer geworden. Die israelische Regierung hatdie vom so genannten „Quartett“, der von UNO,USA, EU und Russland gebildeten Arbeitsgruppe,gesetzte Frist (26.1.2012) zu einer Erklärung überihre essentiellen Forderungen für eine Friedens-lösung verstreichen lassen. Sie hat damit dokumen-tiert, dass sie letztlich keine Ziele verfolgt, die mitdem Völkerrecht vereinbar sind. Ich denke, vielederer, die den Kairos Palästina-Prozess angestoßenhaben und ihn tragen, werden zumindest Verständ-nis für Jeff Halpers Vorschlag haben. Kürzlich hatMitri Raheb in einem Interview mit dem SWR deut-lich gesagt, was Sache ist: „Ich meine, die Uhr tickt,es ist nicht mal mehr eine Minute vor Zwölf für eineZwei-Staaten-Lösung. ... Mehr und mehr muss manwahrscheinlich an eine Ein-Staat-Lösung denkenoder einen binationalen Staat“ (SWR 2 – Interview7.4.2012).

Auf der Basis dieser Bewertung der Situation wirdjetzt von den Geschwisterkirchen Solidarität einge-fordert.Die Forderung wird drängender erhoben, dieStimmung ist kritischer geworden: Das fortgesetzteSchweigen der Kirchen zu dem, was wirklich vor Ortgeschieht, macht sie zu Komplizen der Verbrechen.In einem der Referate fällt der Satz „Ihr schweigt,weil ihr von unserer Unterdrückung profitiert undviel zu verlieren habt.“ Die Schlusserklärung verur-teilt die herkömmliche Ausgewogenheit kirchlichenRedens: Es ist geboten, den Schrei der Unter-drückten aufzunehmen und Gerechtigkeit für sie zufordern. Der Unterschied zwischen Besatzer undBesetztem darf nicht verwischt werden. WieSolidarität konkret gelebt wird, das hängt vomjeweiligen Kontext ab, in dem die ökumenischenPartner handeln. Die Zeit des bloßen Redens ist aller-dings überall vorbei. Die Konferenz ruft erneut undnoch dringlicher die ökumenischen Geschwister auf,sich an Boykott-Aktionen gegen Israel zu beteiligen.

Denkanstöße für die deutsche Theologie

Von Deutschland hatten die Organisatoren derKonferenz keinen Bericht über Solidaritätsaktionenim Kontext von „Kairos for Global Justice“ erwartet.Der deutsche Teilnehmer war nur als Moderator desPodiums zu Berichten aus den Kirchen des globalenNordens eingeplant. Das scheint mir durchaus ver-ständlich zu sein. Zwar ändert sich die traditionelldeutsche Haltung, die Palästina-Frage nur eingeord-net in das Thema Juden und Christen zu behandeln.Eine Basis-Bewegung, die den Konflikt als Schlüssel-konflikt globaler Ungerechtigkeit wahrnimmt und

5Juni 2012

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sich entsprechend mit Palästinenserinnen undPalästinensern solidarisiert, gibt es noch nicht. Nichteinmal gut durchdachte und organisierte Advocacy-Programme, wie sie die US-amerikanischen Kirchenauf die Beine stellen, lassen sich vorweisen. Der letz-te Evangelische Kirchentag war da bezeichnend. DreiTage lang wurde das Thema Christen und Juden ver-handelt, darin ein- und untergeordnet gab es ledig-lich eine Alibiveranstaltung zur Kritik am KairosPalästina-Dokument.

Unsere unmittelbaren Nachbarn, die holländischenKirchen, sind da weiter. An der Konferenz nahm eineholländische Theologin teil, die für drei Jahre abge-ordnet wurde, um im Rahmen des befreiungstheolo-gisch ausgerichteten Sabeel-Netzwerks mitzuarbei-ten; sie soll dann anschließend ihre Erfahrungengezielt in die holländischen Kirchen einbringen. Vonihr kamen besonders bedenkenswerte Beiträge zurTheologie angesichts des Konfliktes um Palästina.Die holländischen Kirchen hatten nach 1945 miteinem ähnlichen Problem zu ringen wie wir. DerSchock des Holocausts, für dessen Vorlauf im jahr-hundertealten christlichen Antijudaismus man sichschuldig und für dessen Ablauf man sich mitschuldigfühlte, ergab den Kontext, in dem Theologie neuformuliert werden musste. Der neue zentrale theo-logische Begriff des „unbreakable bond with Israel“war kontextuell notwendig. Aber: „Context mor-phed into doctrine“. Es entwickelte sich eineDogmatik, welcher der gegenwärtige historischeKontext von Theologie einfach untergeordnetwurde. Das Leiden der Palästinenserinnen undPalästinenser, die Notwendigkeit des interreligiösenDialogs auch mit den Muslimen, die Auseinander-setzung mit entfremdeter Theologie im ideologi-schen Konstrukt einer „jüdisch-christlichen Kultur“,wie es sich in der Programmatik rechter Populistenfindet, wurde nicht wirklich ernst genommen.

Erfrischende theologische Impulse finden sich auchin einem philippinischen Vorbereitungstext für dieBethlehem-Konferenz (einige Texte sind auf derWebsite von Kairos Palästina nachzulesen). Die pro-vozierende Überschrift lautet „Reclaiming the goodnews of the Holy Land“. Bei christlichen Zionisten –aber auch manche deutsche theologische Aussageläuft auf dasselbe hinaus – ist die Landverheißungfür Juden eine gute Nachricht, aber eine schlechtefür Palästinenser. Warum das hier anders ist? Weilder philippinische Text daran festhält:„The holy landwas promised as a sanctuary of the poor and theoppressed“. Es geht also nicht um einen mythischenRechtsakt, der noch heute partikulare Privilegienbegründet unabhängig von der Frage nach der

Gerechtigkeit für alle Unterdrückten. MarkBraverman, der Jude, der den Nazarener für einenjüdischen Propheten hält, der die Menschheit darineinen entscheidenden Schritt vorangebracht hat,dass sie sich konkret und praktisch als Menschheitverstehen kann, erinnerte an Jesu Gleichnis vomWeltgericht (Matthäus 25, 36ff). Danach ist dieGerechtigkeit für die „geringsten Brüder“ Jesu dereinzige Maßstab, nach dem auch im Israel-Palästina-Konflikt geurteilt werden muss. Eine Theologie, diedaran vorbeigeht, nannte Braverman Häresie. ImBethlehem Call wird sie verurteilt als eine, diePalästinensern und allen Unterdrückten der Welteigentlich nur eine Perspektive des Todes bietet. Diedeutsche Theologie wird sich mit der Frage ausein-andersetzen müssen, ob sie hier nicht mitgemeint ist.

Freilich auch der Schlusston in einem der holländi-schen Beiträge wird von allen ernst zu nehmen sein.Es war einmal notwendig, den modernen säkularenMenschen als den mündigen Menschen theologischzu würdigen. Heute begegnet man ihm in Europamehr als dem hoffnungslosen, der orientierungslosund darum besonders leicht manipulierbar ist. DerHoffnungslosigkeit kann man nur widerstehen miteiner prophetischen Hoffnung, inspiriert durch dieBilder des Reiches Gottes.

Eine Vernetzung von Gruppen und Initiativen, dieder Analyse und der Perspektive eines „Kairos forGlobal Justice“ zustimmen, wurde in Bethlehembeschlossen. Die Kairos Palästina-Gruppe soll dabeials Koordinator fungieren. Eine „core group“ ausVertretern verschiedener Regionen der weltweitenÖkumene wurde gebildet. Wir hoffen und arbeitendaran, das auch die deutschen Kirchen undTheologen mit ins Boot kommen.

Dr. WilhelmWille ist evangelischer Pfarrer im Ruhe-stand und Mitglied des Beirates von Kairos Europa.

6 Juni 2012

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Deutsche Übersetzung des

„Bethlehem Call“:Here we stand – Stand with us.

Vorbemerkung zur deutschen Überset-zung: Kairos für weltweite Gerechtigkeit

Kairos ist ein griechisches Wort, es heißt soviel wie„Entscheidungsmoment“, „Stunde der Wahrheit“.Am 11. Dezember 2009 war das „Kairos Palästina-Dokument“ in Bethlehem veröffentlicht worden,Hilfeschrei und Protest gegen die jahrzehntelangeUnterdrückung Palästinas durch Israel.Palästinensische Christen hatten sich inspirieren las-sen von einem ähnlichen Text, der 1985 in einementscheidenden Moment der Geschichte desKampfes gegen die Apartheid in Südafrika veröffent-licht wurde.Das palästinensische Dokument hatte die KirchenPalästinas und der Welt aufgerufen, endlich wahrzu-nehmen, wie Palästinenser leiden, und für dieBefreiung Palästinas einzutreten – eine Frage derGerechtigkeit. Es wird immer deutlicher, dass welt-weit die Gerechtigkeit auf dem Spiel steht und ent-schiedenes Handeln angesagt ist – in Solidarität mitden Opfern. Die Kontexte sind unterschiedlich undgeben dem Kampf an jedem Ort sein besonderesProfil. Aber sie hängen in der einen Welt zusammen,und der Konflikt im Nahen Osten muss als einSchlüsselkonflikt im globalen Kampf um Gerechtig-keit angesehen werden.In einem solchen Kairos-Bewusstsein kamen dieTeilnehmer an der „Kairos for Global Justice-Konferenz“ im Dezember 2011 in Bethlehem, einerEinladung von Kairos Palästina folgend, zusammen.Vertreten waren Kirchen und Initiativen aus demNahen Osten, aus dem Südlichen Afrika, Asien,Nordamerika und Europa. Der „Bethlehem Call“wurde von ihnen am 10. Dezember 2011 inBethlehem beschlossen.

Präambel

Wie lange noch, oh Gott, werden sie uns das tägli-che Brot rauben? Unser Volk unterdrücken, gefan-gen halten und erniedrigen? Unsere Kinder um ihreKindheit bringen? Ja, wie lange noch, oh Gott, wer-den zahllose Christen in der Welt ihre Herzen ver-schließen vor dem Schmerz ihrer palästinensischenSchwestern und Brüder und aller Unterdrückten?

„Kommt und seht“ sagten die Christen Palästinas.„Kommt und seht die Olivenhaine, die Bulldozer, dieuralten Terrassen, die zerteilten Städte. Die Lagewird immer schlimmer.“

Mehr als 60 Teilnehmer aus 15 Ländern folgten derdringlichen Einladung von Kairos Palästina. Vom 4.bis 10. Dezember 2011 trafen sie sich mitPalästinensern und Palästinenserinnen zur Begeg-nungstagung „Kairos für weltweite Gerechtigkeit“.

Dabei ging es um folgende Anliegen und Ziele:• Das Bewusstsein eines Kairos, wie er von allen

teilnehmenden Gruppen wahrgenommen wird,klären und sich darüber austauschen;

• Verbindungen zwischen Kairos-Gruppen knüp-fen und festigen, sodass ein globales Netzwerkentsteht im Dienste der Gerechtigkeit;

• ausgehend von der palästinensischen Erfahrungdie Dringlichkeit einer Kairos-Solidaritätbegreifen und der Ungerechtigkeit ein Endesetzen durch konkrete Aktionen auf der nationa-len, regionalen und globalen Ebene.

Ein Meilenstein auf dem Weg zu dieser Begeg-nungstagung war der „Aufruf von Amman (2007)“,mit dem sechzig Jahre endeten, in denen dieChristen sich auf kein gemeinsames Wort gegen dieisraelische Besatzung Palästinas hatten verständigenkönnen. Die nächste Wegmarke war die „BernerPerspektive (2008)“, deren Ertrag man in die Wortefassen könnte: „Genug ist genug. Keine Worte mehrohne Taten, jetzt ist die Zeit, zu handeln.“ Ein ent-scheidender Moment, in dem der Schrei nachGerechtigkeit für Palästina vernehmbar wurde, kamim Dezember 2009, als palästinensische Christen das

7Juni 2012

Der Aufruf von Bethlehem:Hier stehen wir – stellt euch zu uns.

An den Leser: Diesen Text im Bewusstsein desgegenwärtigen KAIROS und mit dem Blickprophetischen Zorns lesen und interpretieren!

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8 Juni 2012

Kairos Palästina-Dokument auf den Weg brachten:„Ein Wort des Glaubens, der Hoffnung und derLiebe aus der Mitte des Leidens der Palästinenserin-nen und Palästinenser“.

Heute sagen wir: „Schluss mit der Ungerech-tigkeit. Hier stehen wir. Stellt euch zu uns.“

Der gegenwärtige Kontext

Das illegale Besatzungsregime, das Israel mit all sei-nen konkreten Rechtsbrüchen in Palästina errichtethat, nimmt gegenwärtig Formen systemischerUngerechtigkeit an. Das eigentlich Undenkbare undUnvorstellbare wird dabei weltweit hingenommenund unterstützt. Es wird zur Normalität. An diesemBeispiel kann man ablesen, wie imperiale globaleMacht sich auswirkt. Es geschieht in Palästina, abergenau so in vielen anderen Kontexten rund um dieErde. Dabei ist Palästina ohne Frage eine Angele-genheit von globaler Bedeutung. Die RegierungIsraels nimmt für sich einen Sonderstatus in An-spruch und genießt ihn tatsächlich in der internatio-nalen Gemeinschaft. Israel betrachtet sich selbst alsüber dem Gesetz stehend und wird so behandelt, alsob das Völkerrecht in seinem Falle nicht gälte. DieserStatus verleiht der israelischen Regierung dieFreiheit, Palästina ungestraft besetzt zu halten.

Wir haben es mit unseren eigenen Augen gesehen:Heimtückisch und vorsätzlich haben die israelischenBesatzer für die Palästinenser und ihr LandVerhältnisse geschaffen, die jetzt eine Dimensionvon kaum vorstellbarer ausgeklügelter Kriminalitätangenommen haben. Dazu gehört die langsame,aber wohl überlegte, systematische ethnischeSäuberung, der die Palästinenser ausgesetzt sind,der Geozid am Land Palästina und das Abwürgender palästinensischen Wirtschaft. Die Mitleidlosig-keit, die sich in einem „gewalttätigen Schweigen“äußert, verschafft der Regierung Israels internationaleinen nahezu undurchdringlichen Schutzschild, hin-ter dem sie unter unverhohlener Missachtung derMenschenrechte und des Völkerrechts ihre üblenPläne umsetzen kann. Schweigen ist auch eineMeinungsäußerung, Nicht-handeln ein Handeln.Wir sind Zeugen dessen, wie man feige und ängst-lich dabei versagt, der Regierung Israels zu widerste-hen; das gilt für die meisten Regierungen, die politi-schen Parteien, die Medien, die Unternehmen undeinen großen Bereich der organisierten Religion –das Christentum eingeschlossen und die schweigen-den Propheten weltweit. Auf diese Weise werden

wir mitschuldig an völkerrechtlich definiertenVerbrechen gegen die Menschlichkeit, wie zumBeispiel dem der Apartheid und der Verfolgung.1

Wir sind aber auch Zeugen der Entschlossenheit undder Widerstandskraft der Palästinenserinnen undPalästinenser, die das Ungleichgewicht an poli-tischer, wirtschaftlicher und militärischer Macht aus-gleichen mit einer unbeugsamen Standhaftigkeit imEintreten für ihre Freiheit und einen gerechtenFrieden.

Die Delegitimierung und Kriminalisierung der israeli-schen Regierung sowie ihres Netzwerks von lokalenund internationalen Unterstützern gewinnt unwider-ruflich an Fahrt. Das Aufkommen internationalerBoykott-, Investitionsstopp- und Sanktionskampag-nen (BDS) sowie anderer Formen gewaltfreienWiderstands ist eine unwiderrufliche Tatsache. DieRegierung und der Staat Israel werden heute als einApartheid-Regime im Sinne des Völkerrechts ange-sehen. Die exakten Bestimmungen der UN-Apartheid-Konvention und des Rom-Statuts desInternationalen Strafgerichtshofs lassen einen zu die-sem Schluss kommen. Angesichts der Zuspitzung derLage in Palästina erscheinen einfache Vergleiche mitder Apartheid in Südafrika als überflüssig und nahe-zu irrelevant. Der Bezugspunkt ist das Völkerrecht,nicht Südafrika.

Weltweit sehen wir, wie die Dinge in Bewegunggeraten und alles instabiler wird. In diesemZusammenhang beobachten wir mit großerBesorgnis, dass Regierungen und Gesellschaften desWestens, Kirchen und westlich dominierte ökumeni-sche Gremien immer exklusiver, machtorientierterund diktatorischer werden bei der Bewahrung einesungerechten Status quo. Die wachsende ökonomi-sche und politische Instabilität der Weltmächte inNordamerika und Europa schafft zudem ein Umfeldder Unsicherheit im Blick auf präzise Zeitachsen fürden Umgang mit der Situation in Israel-Palästina.Dadurch dass die Dinge in Fluss geraten, entstehtaber auch in Verbindung mit dem „ArabischenErwachen“ ein Potential an Hoffnung.

Der globale Süden, auch mitbelastet im Blick auf dieisraelisch-palästinensische Krise, stellt potentiell eineunausgeschöpfte Quelle der Hoffnung dar. DiesesPotential ist von Wert nicht nur für Palästinen-serinnen und Palästinenser, sondern auch für dieGesellschaften im globalen Norden, nahe denZentren imperialer Macht, die jetzt zu zerfallenbeginnen. Wir nehmen deutlich wahr, dass überallein Ringen um Gerechtigkeit eingesetzt hat, selbst in

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Israel. Wir sind zusammengekommen, um dasBewusstsein für einen besonderen Kairos zu wecken,zu fördern und weiter zu entwickeln, und zwar fürjeden unserer spezifischen Kontexte, die aber dochmit einander verbunden sind und in Wechsel-beziehung zu einander stehen. Wir empfangen voneinander Inspiration und Kraft, aber auch von denprogressiven Friedensaktivisten und den Menschen-rechtsgruppen in Israel.

Im tiefen Schmerz des palästinensischen Volkes inGaza, der Westbank und Ostjerusalem, der palästi-nensischen Flüchtlinge und der arabischen BürgerIsraels, werden wir der Tränen Gottes gewahr. Gottlässt die Flamme des Glaubens nicht verlöschen,wenngleich uns die Finsternis der Verzweiflung zuverschlingen droht. Gott lebt und atmet in der Klagederer, denen die Zukunft gestohlen wurde. In denSchreien der Enteigneten haben wir Gottes leiden-schaftliches Wollen verspürt, dass die Gerechtigkeitsiegt.

Gott ergreift Partei für die Gerechtigkeit und gegendie Ungerechtigkeit. Gott findet keinen Gefallen ander Ungerechtigkeit und an denen, die Unrecht tun.„Nun hebt er seinen gewaltigen Arm und fegt dieStolzen weg samt ihren Plänen. Nun stürzt er dieMächtigen vom Thron und richtet die Unterdrücktenauf.“ (Lukas 1,51f.). Eine Spiritualität, die das AntlitzGottes in jedem menschlichen Wesen erkennt, istfolglich dadurch gekennzeichnet, dass sie zuallererstGerechtigkeit für die Armen und Unterdrückten will.„Der Herr hat euch wissen lassen, was er von eucherwartet! Achtet auf das Recht, erweist einanderGutes, tut nichts ohne euren Gott.“ (Micha 6,8)Damit ist auch ausgedrückt, was im Kern den Inhaltbeider Testamente ausmacht. Und Christus weintnoch über Jerusalem!

Ein Kairos ist konstituiert durch beides, das Erkennendes Willens Gottes und die Dringlichkeit unsererAntwort. Er besteht im Gewahrwerden eines Gottesdes Jetzt, der sich tief in die konkrete mensch-liche Wirklichkeit hineinbegeben hat. Dieser Gottlässt uns standhaft durchhalten in Mut, Hoffnungund Liebe, indem wir unaufhörlich kämpfen undwiderstehen.

Wir beten und wir setzen uns ein für eine radikaleVeränderung der Herzen, der Politik und ihrer kon-kreten Umsetzung auf Seiten der israelischenRegierung und der Regierungen, die sie unterstüt-zen. Kommt es dazu nicht, so werden wir „mitFurcht und Zittern“ beten, dass – so Gott will – dieseRegierungen fallen.

Was nicht verhandelbar ist:Schluss mit dem Besatzungsregime

Im Lichte des zuvor Gesagten und angesichts unse-rer Überzeugung, dass die Krise um Palästina sichimmer weiter verschärft, ruft uns das KairosPalästina-Dokument mit Nachdruck dazu auf, kühnvoranzuschreiten und radikal zu handeln, indem wirmutig, leidenschaftlich und entschieden unsereStimme erheben. Die Zeit für bloße Worte und diplo-matische Feinheiten, die die Wirklichkeit verschlei-ern, ist freilich vorüber. Wir bekräftigen dieVerpflichtung, die die Kirchen mit dem „Amman-Aufruf“ eingegangen sind, und würdigen die ent-schiedenen Aktionen praktischen Engagements, dieseither erfolgt sind, auch alles, was seit derGründung des „Ökumenischen Forums fürIsrael/Palästina“ (PIEF) geleistet wurde. Dennochwollen wir unser Engagement vertiefen und auswei-ten.

Das bedeutet:� Wir protestieren gegen das Schweigen der

Kirchen, das uns zu Mitschuldigen bei Verbrechengegen die Menschlichkeit, wie Apartheid undVerfolgung, macht. Es ist ein Gebot der Stunde,klar und deutlich zu reden und den Schrei derUnterdrückten, die Gerechtigkeit einfordern, auf-zunehmen.

� Wir lehnen es ab, finanzielle Hilfe anzunehmen,wenn sie von irgendeiner Kirche oderOrganisation angeboten wird, die dasBesatzungsregime unterstützt.

� Wir konfrontieren jede Kirche, die direkt oderindirekt in Unternehmen investiert, welche dieBesatzung unterstützen. Als Glieder unsererKirchen werden wir wachsam die kirchliche Praxisbeobachten und unethische Investitionen sowieAusgaben kritisieren.

� Wir nennen die israelische Besatzung Palästinasein Verbrechen und eine Sünde. Wir verwerfenjede theologische oder politische Rechtfertigungder Besatzung. Solche Theologien widersprechenden Kernaussagen des Evangeliums.

� Wir weisen alle Behauptungen zurück, die diePalästinenser und die internationale Gemein-schaft davon überzeugen sollen, dass dieMuslime und nicht die Besatzung für unsereProbleme verantwortlich seien.

� Wir fordern, dass die Kirchen entschieden undmutig Postion beziehen im Eintreten für dieGerechtigkeit und gegen die Ungerechtigkeit.Wir sind entsetzt angesichts des spirituellen undinstitutionellen Kleinmuts, der sich weigert, kon-kret für die Gerechtigkeit einzutreten. Das heißt

9Juni 2012

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auch: Der Unterschied zwischen Opfer und Täterdarf nicht verwischt werden in dem Bemühen,einen Schein von Ausgewogenheit herzustellen.

� Wir bekräftigen unsere Verpflichtung, demBesatzungsregime zu widerstehen in Glaube,Hoffnung und Liebe. Wir weisen dieZumutungen zurück, dass wir aufhören sollten,BDS-Kampagnen zu befürworten und jedwedeandere Form gewaltfreien Widerstandes einzu-stellen, der ein Ende der Besatzung herbeiführenkönnte.

� Wir lehnen es ab, mit einer Kirche oder kirchli-chen Organisation zusammen zu arbeiten, dieReisen ins Heilige Land anbieten, bei denen keineBegegnung mit den Palästinensern vor Ort vor-gesehen ist, und sagen ausdrücklich, dass wir sol-chen Initiativen entgegenarbeiten werden. Es gibtInitiativen eines alternativen Tourismus, derenDienste Christen und andere in Anspruch neh-men können.

� Wir fordern, dass das Recht auf Rückkehr für allepalästinensischen Flüchtlinge durchgesetzt wird.

� Wir sind immer noch davon überzeugt, dass auchder Unterdrücker unser Mitgefühl verdient.Wir wissen um seine eigenen Erfahrungen vonUnterdrückung und verstehen seine Ängsteund Unsicherheiten. Aber gerade unsereForderungen schaffen auch die bestenVoraussetzungen für eine menschenwürdigeZukunft aller Beteiligten.

Aus Liebe sind wir zornig angesichts derUngerechtigkeit, aber wir weigern uns, von unseremZorn zerstört zu werden.

Unsere Vision: Ein Ruf, jetzt zu handeln

Eine gemeinsame Vision von Frieden undGerechtigkeit spornt uns an, in diesem kritischenMoment der Geschichte engagiert zu handeln. DieseVision muss gekräftigt werden durch Beiträge ausjüdischen, muslimischen und anderenGlaubenstraditionen, die die Hoffnung zumAusdruck bringen, dass eine pluralistische, demokra-tische Gesellschaft unter uns entstehen kann.

Das Blatt wendet sich. Das Leid wird bald überwun-den sein, wenn wir jetzt handeln.

Theologie: Eine Stimme für dieGerechtigkeit

Wir verpflichten uns, kontextuelle biblischeTheologien sowie Strategien des Widerstandes und

der Befreiung zu entwickeln. Wir wollen jeneTheologien unter uns entlarven, die Palästinensernund allen Unterdrückten der Welt eigentlich nur einePerspektive des Todes bieten. Wir wollen so die tra-ditionellen Weisen theologischer Arbeit herausfor-dern.

Israelische Apartheid demontieren

Wir unterstützen die Forderung – und verpflichtenuns selbst dazu –, die israelische Apartheid zu besei-tigen. Wir bestehen darauf, dass das Völkerrechtdurchgesetzt wird und sichergestellt bleibt, dass dielegitimen Forderungen der Palästinenser erfüllt wer-den. Zu diesen Forderungen gehört:� Zwei Völker Seite an Seite in Gerechtigkeit und

Frieden innerhalb der Grenzen von 1967;� ein gemeinsames Jerusalem bei offenem Zugang

zu allen heiligen Stätten;� das Rückkehrrecht für palästinensische Flücht-

linge;� ein völliges Ende des Ausbaus der Siedlungen und

die Beseitigung des Siedlungssystems;� freier Zugang zu Wasser und sanitären

Einrichtungen;� der Abbruch der Apartheid-Mauer.

Wir sollten uns dabei nicht von der Behauptungbeeindrucken lassen, dass die Furcht vor künftigeninneren Unruhen im jetzt noch besetzten Palästinaunter Beteiligung von israelischen Siedlern undPalästinensern ausreichen werde, die BefreiungPalästinas zu verhindern.

Prophetische Gemeinschaften,die Palästina unterstützen

Wir verpflichten uns,� anzuerkennen, dass Menschen an der Basis unse-

rer Gemeinschaften befähigt sind, die vorrangi-gen Theologen eines Kairos-Bewusstseins zu sein;

� wirksame Süd-Nord- und Süd-Süd-Koalitionenfür prophetische Aktionen zu entwickeln;

� Kairos Palästina zu beauftragen, eine Arbeits-gruppe einzusetzen, die die Bildung und Arbeitsolcher Koalitionen unterstützt.

Boykott-Investitionsstopp-Sanktionen(BDS): Kreativ, gewaltfrei, jetzt!

� Wir verpflichten uns zu kreativem, gewaltfreiemWiderstand – BDS eingeschlossen – als Antwort

10 Juni 2012

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auf den entsprechenden Ruf unserer palästinensi-schen Schwestern und Brüder.

� Wir wollen damit auch dem gewaltfreienWiderstand des Volkes in Palästina, Israel undinternational, einschließlich BDS, Glaubwürdig-keit verleihen, und seine Wirksamkeit verstärken.

� Wir wollen mit angemessenen Mitteln politischenHandlungen unserer Regierungen entgegentre-ten, mit denen sie die Besatzung unterstützen.

Heilig-Land-Tourismus und Pilgerfahrten

Was wir anstreben:� Alternativen Tourismus und Kairos-Pilgerfahrten

ins Heilige Land zum Zwecke spirituellerEntwicklung, der Bewusstseinsbildung und derAnwaltschaft fördern und daran teilnehmen.

� Darauf bestehen, dass solche Touren von oder inPartnerschaft mit palästinensischen Reisever-anstaltern durchgeführt werden.

� Die Dienste der Reisebüros in Anspruch nehmen,die den Prinzipien von „Kommt und seht. EinAufruf palästinensischer Christen zu einem ethi-schen Tourismus“2 folgen, und diejenigen kriti-sieren und boykottieren, die sich nicht daranhalten.

� Uns intensiv darum bemühen, besonderenZielgruppen eine Reise nach Israel-Palästina zuermöglichen.

Schlussbemerkung

Die Reise unter dem Motto „Ruf aus Bethlehem –Hier stehen wir. Stellt euch zu uns!“ wird jede undjeden von uns segnen und ehren, wenngleich siebeschwerlich sein mag. Wir nutzen diesen günstigenMoment, einen Kairos, überzeugt und hoffnungs-voll.

Palästinenser und Repräsentanten einer globalenGemeinschaft sind hier zusammengekommen. Wirhaben dabei Barrieren zwischen Regionen undKulturen überwunden, Brücken der Freundschaftund der Solidarität gebaut, weil uns der gemeinsameTraum verbindet: ein Palästina und eine Welt freivon allen Formen der Ungerechtigkeit. Wir glauben,dass jede und jeder von uns nach Bethlehem gerufenwurde, um einen Auftrag zu erhalten.

„Wir sind diejenigen, auf die wir gewartet haben.“(Alice Walker)

Ein franziskanischer Segen

Gott segne uns mit Unbehagen bei einfachenAntworten, Halbwahrheiten und oberflächlichenBeziehungen, dass wir lebendig bleiben in der Tiefeunserer Herzen. Gott segne uns mit Zorn angesichtsvon Ungerechtigkeit, Unterdrückung undAusbeutung. Gott segne uns mit Tränen, die wirweinen für die, die unter Schmerzen,Zurückweisung, Hunger und Krieg leiden, damit wirunsere Händen ausstrecken können, sie zu tröstenund ihren Schmerz in Freude zu verwandeln.Gottsegne uns mit reichlicher Einfalt, zu glauben, dasswir etwas bewirken können in dieser Welt, und daszu tun, von dem andere sagen, es sei unmöglich.Und der Segen des Gottes von Abraham und Sara,der Segen Jesu, in Bethlehem von unserer SchwesterMaria geboren, der Segen des Heiligen Geistes, derüber die Welt wacht, wie eine Mutter über ihreKinder, sei mit uns und bleibe bei uns allezeit.Amen

Veröffentlicht von: Kairos Europa, Heidelberg; Übersetzung: Wilhelm Wille

1 Zu den in Frage kommenden Völkerrechtstexten gehören etwa die UN-Apartheid-Konvention (1973 verabschiedet, 1976 in Kraft getreten) unddas Rom-Statut des Internationalen Strafgerichtshofs von 1998, Artikel 7(1) (h) und (j).

2 Come and See: A Call from Palestinian Christians. A Journey for Peace withJustice. Guidelines for Christians Contemplating a Pilgrimage to the HolyLand.

11Juni 2012

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12 Juni 2012

Aktion „Besatzung schmeckt bitter“startet

pax christi fordert eindeutige Kenn-zeichnung der Waren aus israelischenSiedlungen. Angesichts der derzeitigenunklaren Deklarierung empfiehlt dieNahostkommission Kaufverzicht.

Die pax christi-Nahostkommission hat eine bundes-weite Aktion für die Kennzeichnung von Waren ausden völkerrechtswidrigen israelischen Siedlungen aufbesetztem palästinensischem Gebiet gestartet. Mitfarbig bedruckten Papiertüten macht sie Verbrau-cher/innen darauf aufmerksam, dass Obst undGemüse mit der Ursprungsangabe „Israel“ vielfachaus völkerrechtswidrigen Siedlungen stammen, undfordert sie dazu auf, sich für eine eindeutige Kenn-zeichnungspflicht einzusetzen. „In Großbritannienbesteht längst Kennzeichnungspflicht: Waren ausvölkerrechtswidrigen Siedlungen werden dort seiteinigen Jahren eindeutig deklariert“, informiertKommissionssprecher Dr. Manfred Budzinski undbetont: „Das stillschweigende Hinnehmen vonVölkerrechtsbruch kommt uns nicht länger in dieTüte. Angesichts der derzeitigen unklaren Kenn-zeichnung empfehlen wir Kaufverzicht, wenn dieWaren aus Siedlungen stammen können. DennBesatzung schmeckt bitter.“Die pax christi-Kommission lädt ein, sich überdas bundesweite Verbraucherportal www.lebens-mittelklarheit.de für eine klare Kennzeichnungdieser Waren einzusetzen und bis zur Umsetzungder Kennzeichnungspflicht auf Produkte mit derunklaren Ursprungsangabe „Israel“ zu verzichten,weil es sich dabei um Siedlungsprodukte handelnkönnte. Der Europäische Gerichtshof hat 2010 geur-teilt, dass Siedlungen nicht zum Staatsgebiet Israelszählen. Auch die Bundesregierung erklärt unmissver-ständlich, dass sie Israels Siedlungen für völker-rechtswidrig hält und unterscheidet strikt zwischendem Gebiet des Staates Israel und den besetztenGebieten. Schon seit 2005 sind israelische Unter-nehmen verpflichtet, bei Exporten in die EuropäischeUnion Zusatzangaben zu machen, anhand derer diehiesigen Zollbehörden Siedlungsprodukte erkennenkönnen. Die Verbraucher/innen werden hingegenim Unklaren gelassen.Im Rahmen der Aktion „Besatzung schmeckt bit-ter“ können Verbraucher/innen nun deutlichmachen, dass ihnen die stillschweigende Hinnahmevon Völkerrechtsbruch nicht länger „in die Tütekommt.“ Die pax-christi-Nahostkommission ruft da-zu auf, im Dialog mit Einzelhändlern, Handelsketten,Verbraucherzentralen und dem Bundesministerium

für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher-schutz (BMELV) die Korrektur der irreführendenKennzeichnung von Siedlungsprodukten zu fordern.Israelische Siedlungen in der Westbank und in Ost-jerusalem sind ein Haupthindernis auf dem Weg zueinem gerechten Frieden in Nahost. Firmen habendie Wahl, wo sie investieren und produzieren wollen.Bislang ist es für sie profitabel, sich für Standorte invölkerrechtswidrigen Siedlungen zu entscheiden,zumal sie dafür staatliche Vergünstigungen erhalten.Für diese Firmen hat ihre Beteiligung an einerVölkerrechtsverletzung keine praktischen Konse-quenzen. An diesem Punkt können kritische Konsu-menten/innen ansetzen und ihre Kaufentscheidungim Sinne eines gerechten Friedens in Palästina undIsrael treffen. Der Aktion „Besatzung schmecktbitter“ geht es um die Achtung geltenderMenschen- und Völkerrechtsstandards. Wer imLaden vor Waren steht, die möglicherweise aus denvölkerrechtswidrigen Siedlungen kommen, ohnedass dies kenntlich wäre, hat die Wahl, dieseProdukte zu kaufen oder auf ihren Kauf zu verzich-ten. Der Verzicht auf den Kauf von Siedlungs-produkten ist für uns eine Form von kritischemKonsum: Es geht uns darum, die individuelleKaufentscheidung im Einklang mit geltendenMenschen- und Völkerrechtsstandards zu treffen.

Die Aktion „Besatzung schmeckt bitter“ wirdüber pax christi hinaus unterstützt von Prof. Dr.Andreas Buro (Friedenspolitischer Sprecher desKomitees für Grundrechte und Demokratie), Prof.Dr. Ulrich Duchrow (Professor für systematischeTheologie, Universität Heidelberg), Iris Hefets(Kritische Juden und Israelis), Shir Hever(Wirtschaftswissenschaftler, Alternative InformationCenter/Jerusalem), Matthias Jochheim (VorsitzenderIPPNW Deutschland), Dr. Rupert Neudeck(Vorsitzender Grünhelme e.V., Gründer von CapAnamur), Prof. Dr. Fanny-Michaela Reisin(Präsidentin der Internationalen Liga für Menschen-rechte, deutsche Sektion), Dr. Albrecht Schröter(Oberbürgermeister in Jena) und Prof. Dr. RolfVerleger (Mitglied im Direktorium des Zentralrats derJuden in Deutschland 2006-2009).

Alle Materialien zur Obsttüten-Aktion „Besatzungschmeckt bitter“ können kostenlos bestellt wer-den unter: pax christi, Hedwigskirchgasse 3, 10117Berlin, [email protected] der Materialsammlung „Keine Waren ausisraelischen Siedlungen in den Einkaufskorb:Konsequenzen aus den Urteilen des EuGH und IGH(pax christi Impulse 22)“ und weitere Informationenunter www.paxchristi.de.

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Gründung eines deutschen KairosPalästina-Solidaritätsnetzes

Kairos Europa hatte bereits unmittelbar nach derVeröffentlichung des Kairos Palästina-Dokuments„A moment of truth: A word of faith, hope and lovefrom the heart of the Palestinian suffering” imJanuar 2010 einen Solidaritätsbrief gesandt. Darinheißt es u.a.: „Kairos Europa will do everything tomake your document known. We also will call uponour members to respond to your call to boycotteverything produced by the occupation of thePalestinian territories. From our experience in theanti-apartheid struggle we know that by engagingfor the liberation of the oppressed we also contribu-te to the liberation of the oppressors, i.e. of thedehumanizing effects of their victimizing role.”

Als einen der weiteren Schritte haben wir im Märzeine Vortragsreise von Mark Braverman zu seinemBuch „Verhängnisvolle Scham“ durch Deutschlandorganisiert. Viele örtliche Gruppen haben sich daranbeteiligt und jetzt beschlossen, gemeinsam einSolidaritätsnetzwerk zu Kairos Palästina aufzubauen.Das Gründungstreffen dazu soll am 9. Juli in Frank-furt am Main stattfinden. Hier dieTagesordnung:1. Begrüßung und Einführung2. Vorstellungsrunde der Teilnehmenden und der

Gruppen3. Vorstellung und Ergänzung der Tagesordnung4. Kurze Diskussionsrunde mit Blick auf unser

Vorhaben zur Einschätzung der aktuellen israeli-schen Politik, der deutschen und EU-Nah-Ost-Politik, von Positionen in Kirche undGesellschaft und der Haltung zu BDS im deut-schen Kontext

5. Wo besteht Handlungsbedarf, wo gibt esAnsatzpunkte?

6. Allgemeine Zielsetzung für das Netzwerk7. Handlungsfelder: Wer tut schon was, wo kön-

nen wir uns gegenseitig unterstützen?8. Vorliegende Vorschläge zu Aktionsmöglich-

keiten:(a) Taschenbuch-Ausgabe des Braverman-Buches

(Initiative Richtung Gütersloher Verlagshaus),neue Lese-/Vortragsreise von Mark Bravermanim Jahr 2013?

(b)Erstellung einer Argumentationshilfe zu israeli-scher Politik und den Gegenargumenten gegendas Kairos Palästina-Dokument für die Basis

(c) Analyse der unterschiedlichen Reaktionen zuKairos Palästina in Deutschland, Zusammen-stellung und Kommentierung (Bitte von MitriRaheb)

9. Festlegung von Etappenzielen/Aktions-Schwer-punkten

10. Organisatorisches: Aufgaben eines Netzwerkes:Wie kann/soll die Vernetzung funktionieren,was soll/kann sie leisten? Verhältnis zu bereitsbestehenden Palästina Netzwerken in Deutsch-land (z.B. KOPI, EAPPI) und Kairos auf europäi-scher Ebene, wer kann welche Aufgaben über-nehmen?

11. Verschiedenes

Wir würden uns freuen, wenn sich weitere Gruppen,die zu Palästina arbeiten (wollen), dem entstehen-den Netzwerk anschließen. Das Gründungstreffenfindet statt am Montag, den 9.Juli 2012, 11.00 bis17.00Uhr in Frankfurt/M. im SeniorentreffGutleutstr. 131.Weitere Auskünfte kann die Koordinatorin HildegardLenz geben ([email protected]). Sie nimmtauch Anmeldungen für das Treffen entgegen. Überdie Ergebnisse des Treffens werden wir auf unsererWebseite berichten.

13Juni 2012

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14 Juni 2012

BUCHBESPRECHUNG

Von Ulrich Duchrow

Braverman, Mark: Verhängnisvolle Scham.Israels Politik und das Schweigender Christen.Mit einem Geleitwort von Mitri Raheb und einemNachwort von Walter Brueggemann, Gütersloh:Gütersloher Verlagshaus, 2011, 335 S., 29,99 EUR.

Ein besonders in Deutschland dringend notwendigesBuch. Seit dem Holocaust haben Kirchen und Theo-logie versucht, eine neue biblische Basis zu finden fürdie Überwindung des fast zweitausendjährigenchristlichen Antijudaismus, der in diesen Völkermordeinmündete. Nun zeigt sich, dass das gewonneneneue Verhältnis zwischen Juden und Christenbenutzt wird, um ein neues großes Unrecht zu recht-fertigen und Widerstand dagegen zu diffamieren:die ethnische Säuberung Palästinas, systemischeVerletzungen der Menschenrechte und des Völker-rechts durch den Staat Israel. Hier einen theologi-schen und politischen Ausweg zu finden, ist das Zielvon Mark Braverman, einem Psychotherapeutenjüdischer Abstammung aus den USA, der zionistischerzogen wurde, aber durch die Erfahrung desLeidens der Palästinenser unter israelischerBesatzung sein Damaskus erlebte.

Im 1. Teil beschreibt er die Diskussionslage in denUSA angesichts der Sackgasse, in welcher der zionis-tische Staat Israel den Friedensprozess benutzt, umdie ethnische Säuberung Palästinas fortzusetzen,indem er die Juden als ewige Opfer darstellt. Seineeigene Erfahrung des Leidens der Palästinenser öff-nete ihm 2006 die Augen. Die jüdischen und paläs-tinensischen Befreiungstheologen Marc Ellis undNaim Ateek halfen ihm, die Erfahrungen theologischzu verstehen: die Verwandlung des auf universaleGerechtigkeit zielenden Judentums in ein imperialesIsrael nach dem Modell des konstantinischenChristentums. Der Hintergrund dafür: Zionismus alsAntwort auf den Antisemitismus. Das Ziel desBuches ist deshalb zu beweisen, dass Antizionismuskein Antisemitismus ist, sondern das Gegenteil: dieRettung des prophetischen Judentums aus derPerversion des konstantinischen Staates Israel. Dabeigeht es vor allem um die Klärung der Bedeutung desLandes im alten und heutigen Israel, wozu beson-ders der Alttestamentler Walter Brueggemannwesentlich beigetragen hat.

Im 2. Teil behandelt Braverman die Bemühungenchristlicher Theologen, die Ablösungstheologie zu

überwinden, die das Christentum als neuen Bundversteht, der nicht nur den alten mit Israel ersetzt,sondern ihm entgegengesetzt ist – mit allen schlim-men Folgen der Feindschaft gegen die Juden bis zumHolocaust. Das Problem dieser notwendigenBemühungen ist aber, dass sie die VerheißungenGottes an Abraham und seine Nachkommen, inklu-sive die Verheißung des Landes, direkt mit den zio-nistischen Landansprüchen des heutigen StaatesIsrael identifizieren. Darüber hinaus wird die Erwäh-lung Israels zum Eigentumsvolk Gottes implizit oderexplizit dazu benutzt, Israel als über dem Recht ste-hend darzustellen oder immerhin zu akzeptieren,dass sich der Staat Israel über das Recht stellt – ähn-lich den USA oder den ehemaligen Apartheids-christen in Südafrika, die sich als erwähltes Volkeinen Sonderstatus genehmigen. Die Christen wer-den aufgefordert, sich stattdessen auf die ProphetenJesus und Paulus zu besinnen, für die Gerechtigkeituniversale Bedeutung hatte. Walter BrueggemannsUnterscheidung von prophetischem und „Königs“-Bewusstsein bietet den Schlüssel für das Verständnisder Bibel: Das Land darf im Sinn des bibli-schen Gottes nicht als Besitzanspruch verstandenwerden, sondern als Ort der Verwirklichung von

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Gerechtigkeit im Bund mit Gott. Die Torah ist dieKraft, „die sich der ungezügelten Machtausübungund dem 'Königsbewusstsein' entgegenstellt: 'ImAlten Testament selbst wird dieser Aspekt derGewalttätigkeit, der dem Thema Land innewohnt,relativ im Zaum gehalten, indem das Land mit derTorah verknüpft wird'“. Selbst VertreterInnen desprogressiven Christentums versäumen es dagegen,bei ihrem Eintreten für Gerechtigkeit in Israel/Palästina den zionistischen Anspruch auf einen Staatmit exklusiv „jüdischem“ Charakter, der einen Teilseiner BewohnerInnen diskriminieren und dasVölkerrecht brechen darf, infrage zu stellen.

Im 3. Teil geht es um theologisch-politische Lösungs-perspektiven. Sie liegen nicht in der Humanisierungdes Zionismus. Die Antwort kann nur „Gemein-schaft“ heißen. Es geht um einen „wirklich 'neuen'Bund, an dem alle Anteil haben können und der uni-versal ist, also alle theologischen und religiösenKategorien übersteigt.“ Dabei können die Theolo-gInnen helfen, die wie Norman Gottwald oderRichard Horsley herausgearbeitet haben, dass diealtisraelitischen Anfänge nach dem Exodus ausÄgypten und den Stadtkönigtümern anti-imperialen,alternativen Charakter haben und dass die Reich-Gottes-Botschaft Jesu ebenso wie die aus Juden undVölkern, Männern und Frauen, Herren und Sklavensich von unten aufbauenden messianischenGemeinschaften des Paulus antirömisch und anti-hierarchisch akzentuiert sind. Das erfordert einParteiergreifen der Kirchen und die Bündnisbildungaller Freunde des jüdischen und palästinensischenVolkes unter den Angehörigen aller, aber insbeson-dere der abrahamischen Religionen (Juden, Christenund Muslime), für Gerechtigkeit, das heißt auchkonkret: für ein gemeinsames Staatswesen mit glei-chen Rechten für alle. Denn die Zweistaatenlösungwird durch die Siedlungspolitik Israels zunehmendunmöglich gemacht. Ein Aufruf zum konkretenHandeln mit vielen praktischen Beispielen von exis-tierenden Organisationen und Bewegungen fürGerechtigkeit schließt das Buch ab.

Die Argumentation des Buches könnte noch präzi-siert und verstärkt werden, wenn gerade die bibli-sche Vorstellung von „Erwählung“ nicht auf ihreexklusivistische Fehlinterpretation reduziert, sondernin ihrer universalen Zuspitzung wahrgenommenwürde, die Braverman und seine exegetischenGewährsleute selbst im Auge haben. Schon dieVerheißung an Abraham zielt auf den Segen für dieVölker, ebenso die Befreiung der Sklaven aus Ägyp-ten und der Bund des „Namens“ mit dem Volk unterNehemia auf den Aufbau einer exemplarischen

Kontrastgesellschaft in Autonomie und Egalität(Veerkamp), die paulinischen messianischenGemeinden aus gleichberechtigten Juden undGojim, Sklaven und Freien, Männern und Frauen(Gal 3, 26-28), erwählt aus den „Nichtsen“ (1 Kor1,26-29), auf die Revolution des römischen Reichesund die Bergpredigtgemeinschaften Jesu, auf einneues Israel als Salz der Erde. So interpretiert ist dieErwählung die schärfste Infragestellung eines kon-stantinischen Staates Israel, der die Gerechtigkeitsystematisch mit Füßen tritt. Das Buch von MarkBraverman fordert eine Neubesinnung im notwendi-gen jüdisch-christlichen Dialog auch und gerade inDeutschland.

Prof. Dr. Ulrich Duchrow ist 1. Vorsitzender vonKairos Europa.

15Juni 2012

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HERZLICHE EINLADUNG ZUR KAIROSEUROPA-JAHRESTAGUNG 2012

Thema: „Öko-soziale Transformationkonkret“

Datum: 19.-21. Oktober 2012

Ort: Ökumenisches Bildungs-zentrum sanctclara, Mannheim

Programm:

Freitag 19.10.201215.45 Uhr: Begrüßung,

Einführung ins Thema16.00-18.00 Uhr: Sektorale Transformation

konkret (1): Kurz-, mittel- undlangfristige Strategien/Maß-nahmen zum Umbau derFinanzwirtschaftSahra Wagenknecht, MdB

18.00-19.30 Uhr: Abendessen19.30-21.30 Uhr: Sektorale Transformation kon-

kret (2): Die Euro-Krise alsChance zur Überwindung desFinanzmarktkapitalismusChristian Felber, Buchautorund Aktivist (u.a. bei attacÖsterreich)

Samstag 20.10.201209.00-10.30 Uhr: Regionale Transformation kon-

kret: Kurz-, mittel- und langfris-tige Strategien/Maßnahmenzum Umbau der „Metropol-region Rhein-Neckar“Prof. Dr. Hans Diefenbacher,Forschungsstätte der Evang.Studiengemeinschaft(FEST)/Universität Heidelberg

10.30-11.00 Uhr: Kaffee- bzw. Teepause11.00-12.30 Uhr: Betriebliche Transformation

konkret: Kurz-, mittel- undlangfristige Strategien/Maß-nahmen zum Umbau vonWirtschaftsunternehmen zurGemeinwohlökonomieChristian Felber, Wien

Unkostenbeteiligung:

Tagungsbeitrag: 20,- EUR pro TeilnehmerInKost & Logis (die Unterbringung erfolgt im HotelBalladins, Mannheim):• Verpflegung plus Unterbringung im

Einzelzimmer: 110,- EUR• Verpflegung plus Unterbringung im

Doppelzimmer: 90,- EUR• Verpflegung ohne Hotelunterbringung: 20,- EUR

Anmeldungen bitte an das Heidelberger Büro richten.Die Unkostenbeteiligung ist während der Tagung inbar zu entrichten.

Fortsetzung Samstag

12.30-14.00 Uhr: Mittagspause14.00-15.30 Uhr: Arbeitsgruppen zur Frage „Wie

lassen sich die vorgestelltenTransformationsstrategien und -maßnahmen wirkmächtig inzivilgesellschaftlichesEngagement einbinden?“

15.30-16.00 Uhr: Kaffee- bzw. Teepause16.00-17.30 Uhr: Transformation konkret: Wie

werden die Kirchen „Agentendes Wandels“ – spirituell, theo-logisch und praktisch?Prof. Dr. Fulbert Steffensky,St. Gallen

Sonntag 21.10.201209.00-10.00 Uhr: AGAPE-Feier zum Thema

„transformative justice“10.00-11.30 Uhr: Die Transformation als zentrale

Herausforderung für die Öku-mene auf dem Weg zur ÖRK-Vollversammlung in Busan2013, N.N., Ökumenischer Ratder Kirchen, Genf

11.30-12.30 Uhr: Schlussplenum/gemeinsameVerabredungen

16 Juni 2012

IMPRESSUMDer Rundbrief wird herausgegeben von KAIROS Europa Deutschland e.V.,Hegenichstraße 22, 69124 Heidelberg, Tel.: 06221 716005, Fax: 06221 716006,[email protected], www.kairoseuropa.deBankverbindung: KAIROS Europa Deutschland e.V., GLS Bank, Konto-Nummer: 8040242000, BLZ 430 609 67Der Rundbrief erscheint unregelmäßig und wendet sich vor allem an die Mitglieder und FreundInnen von KAIROS Europa.Auflage: 400 Exemplare · Redaktion: Martin Gück · Druck u. Layout: Druckerei Maulbetsch GmbH, 74939 Zuzenhausen