Kapitel 12 ntwicklung des Denkens - beltz.de · Piagets strukturgenetische Theorie der Entwicklung...

1
© Oerter Montada (Hrsg.): Entwicklungspsychologie. 6., vollst. überarb. Auflage. Weinheim: Beltz PVU, 2008 Kapitel 12 Entwicklung des Denkens Piagets strukturgenetische Theorie der Entwicklung des Denkens unterteilte die kognitive Entwicklung in vier Stadien, die durch grundlegende Unterschiede in der Art der Wissensrepräsentation und im logischen Denkvermögen gekennzeichnet sind. Die neuere Forschung hat gezeigt, dass Piaget die Konsistenz des kindlichen Denkens überschätzte und die kognitiven Fähigkeiten jüngerer Kinder gravierend unterschätzte. Informationsverarbeitungstheorien befassen sich mit den kognitiven Prozessen, die den Denkleistungen (und -fehlern) von Kindern zugrunde liegen. Die Erhöhung der Geschwindigkeit, mit der Basisprozesse ausgeführt werden, sowie die Verbesserung von Strategien und die Zunahme an Wissen sind die wichtigsten De- terminanten der kognitiven Entwicklung. Theorien der Entwicklung begrifflichen Wissens betrachten die Erschließung von Domänen von evolutionärer Bedeutung als grundlegend für die kognitive Entwicklung. Durch die Ergebnisse der neueren Säuglingsforschung haben nativistische Positionen an Einfluss gewonnen. Sie gehen davon aus, dass Säuglinge mit spezifischen kognitiven Fähigkeiten auf die Welt kommen, die es ihnen erlauben, domänenspezifische Kernwissenssysteme (physika- lisches Wissen, Zahlwissen, biologisches und psychologisches Wissen) auszubilden. Der weitere domänenspezifische Wissenserwerb ist sowohl durch die kontinuier- liche Bereicherung des Kernwissens als auch durch Restrukturierungsprozesse ge- kennzeichnet.

Transcript of Kapitel 12 ntwicklung des Denkens - beltz.de · Piagets strukturgenetische Theorie der Entwicklung...

Page 1: Kapitel 12 ntwicklung des Denkens - beltz.de · Piagets strukturgenetische Theorie der Entwicklung des Denkens unterteilte die kognitive Entwicklung in vier Stadien, die durch grundlegende

© Oerter⋅

Montada (Hrsg.): Entwicklungspsychologie. 6., vollst. überarb. Auflage. Weinheim: Beltz PVU, 2008

Kapitel 12Entwicklung des Denkens

Piagets strukturgenetische Theorie der Entwicklung des Denkens unterteilte die

kognitive Entwicklung in vier Stadien, die durch grundlegende Unterschiede in der

Art der Wissensrepräsentation und im logischen Denkvermögen gekennzeichnet

sind. Die neuere Forschung hat gezeigt, dass Piaget die Konsistenz des kindlichen

Denkens überschätzte und die kognitiven Fähigkeiten jüngerer Kinder gravierend

unterschätzte. Informationsverarbeitungstheorien befassen sich mit den kognitiven

Prozessen, die den Denkleistungen (und -fehlern) von Kindern zugrunde liegen. Die

Erhöhung der Geschwindigkeit, mit der Basisprozesse ausgeführt werden, sowie die

Verbesserung von Strategien und die Zunahme an Wissen sind die wichtigsten De-

terminanten der kognitiven Entwicklung. Theorien der Entwicklung begrifflichen

Wissens betrachten die Erschließung von Domänen von evolutionärer Bedeutung

als grundlegend für die kognitive Entwicklung. Durch die Ergebnisse der neueren

Säuglingsforschung haben nativistische Positionen an Einfluss gewonnen. Sie gehen

davon aus, dass Säuglinge mit spezifischen kognitiven Fähigkeiten auf die Welt

kommen, die es ihnen erlauben, domänenspezifische Kernwissenssysteme (physika-

lisches Wissen, Zahlwissen, biologisches und psychologisches Wissen) auszubilden.

Der weitere domänenspezifische Wissenserwerb ist sowohl durch die kontinuier-

liche Bereicherung des Kernwissens als auch durch Restrukturierungsprozesse ge-

kennzeichnet.