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719 Kapitel 13 Audiobearbeitung Hans-Joachim Maempel, Stefan Weinzierl und Peter Kaminski 13.1 Editierung und Montage ....................................... 721 13.1.1 Historische Entwicklung ................................ 721 13.1.2 Praxis und Funktion .................................... 723 13.2 Klanggestaltung ............................................. 725 13.2.1 Fader und Mute ....................................... 725 13.2.2 Panoramaregler ....................................... 726 13.2.3 Stereo-Matrix ......................................... 729 13.2.4 Kompressor .......................................... 730 13.2.5 Expander ............................................ 739 13.2.6 Kombinierte Regelverstärker ............................. 743 13.2.7 Filter ................................................ 744 13.2.8 Verzerrer ............................................. 747 13.2.9 Enhancer ............................................ 748 13.2.10 Delayeffekte .......................................... 748 13.2.11 Nachhall ............................................. 751 13.2.12 Pitch Shifting ......................................... 755 13.2.13 Time Stretching ....................................... 756 13.2.14 Phaser ............................................... 756 13.2.15 Ringmodulator ........................................ 757 13.2.16 Tremolo und Vibrato ................................... 758 13.2.17 Leslie-Kabinett (rotary speaker) .......................... 758 13.2.18 Wah-Wah ............................................ 759 13.2.19 Vocoder ............................................. 760 13.2.20 Mehrfach-Bearbeitung und komplexe Algorithmen ........... 762 13.3 Klangrestauration ............................................ 763 13.3.1 Bearbeitungswerkzeuge ................................. 763 13.3.2 Klassifizierung von Störungen ............................ 764 13.3.3 Rauschen ............................................ 764 13.3.4 Scratches, Clicks und Crackles ........................... 766 13.3.5 Frequenzgangsbeschneidung ............................. 768 13.3.6 Pop-Geräusche ........................................ 769 13.3.7 Übersteuerungen und Verzerrungen ........................ 769 13.3.8 Netz-Störungen ....................................... 770

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Kapitel 13 AudiobearbeitungHans-Joachim Maempel, Stefan Weinzierl und Peter Kaminski

13.1EditierungundMontage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 721 13.1.1 HistorischeEntwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 721 13.1.2 PraxisundFunktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72313.2Klanggestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 725 13.2.1 FaderundMute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 725 13.2.2 Panoramaregler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 726 13.2.3 Stereo-Matrix. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 729 13.2.4 Kompressor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 730 13.2.5 Expander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 739 13.2.6 KombinierteRegelverstärker. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 743 13.2.7 Filter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 744 13.2.8 Verzerrer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 747 13.2.9 Enhancer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 748 13.2.10Delayeffekte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 748 13.2.11Nachhall. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 751 13.2.12PitchShifting. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 755 13.2.13TimeStretching. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 756 13.2.14Phaser. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 756 13.2.15Ringmodulator. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 757 13.2.16TremoloundVibrato . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 758 13.2.17Leslie-Kabinett(rotaryspeaker) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 758 13.2.18Wah-Wah. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 759 13.2.19Vocoder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 760 13.2.20Mehrfach-BearbeitungundkomplexeAlgorithmen . . . . . . . . . . . 76213.3Klangrestauration. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 763 13.3.1 Bearbeitungswerkzeuge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 763 13.3.2 KlassifizierungvonStörungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 764 13.3.3 Rauschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 764 13.3.4 Scratches,ClicksundCrackles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 766 13.3.5 Frequenzgangsbeschneidung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 768 13.3.6 Pop-Geräusche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 769 13.3.7 ÜbersteuerungenundVerzerrungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 769 13.3.8 Netz-Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 770

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13.3.9 Azimuthfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 771 13.3.10Drop-Outs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 772 13.3.11DigitaleStörungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 772 13.3.12Störgeräusche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 773 13.3.13Praxis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77413.4FunktionenundästhetischeZiele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 775 13.4.1 PhysikundPsychologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 776 13.4.2 GestaltenundInterpretation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 778 13.4.3 KlangästhetischeMaximen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 779 13.4.4 Aktivierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 780 13.4.5 Assoziation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 780 13.4.6 RobustheitundLautheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 781Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 781

AudioinhaltewerdenbeiderAufnahme,ÜbertragungundWiedergabeinderRegelauchbearbeitet,dasowohlkünstlicherzeugtealsauchinderNaturaufgenommeneKlängezunächstoftnurunzureichendfürdiemedialeVerbreitunggeeignetsind.Imwesentlichen gibt es dabei vier Zielsetzungen, die je nach Inhalten und Medienunterschiedlichstarkgewichtetsindundineinandergreifen:

• DieProduktioneinervorlagengetreuenundidealisiertenakustischenDarbietungoderSzene(z.B.dieEliminierungvonStörungenoderSpielfehlern)

• DieInterpretationderaufgenommenenInhaltedurchtechnischeMittel(z.B.dieGewichtungoderEffektbearbeitungvonMusikinstrumenten)

• DieAnpassung an die technischen Erfordernisse der Übertragungskette (z.B.korrekteAussteuerung)

• DieAnpassungandieRezeptionssituationen,-gewohnheitenund-erwartungenderZielgruppe(z.B.dieEinhaltungeinersinnvollenProgrammdynamik)

Entsprechend umfangreichwirdAudiobearbeitung heute eingesetzt: in allen elek-tronischenMedien,währendnahezuallerProduktionsschritteundbeiallenAudio-inhalten.Bisindie1970erJahrehineinfunktioniertenAudiobearbeitungsmittelaus-schließlichaufderBasisanalogerSignalverarbeitung.AlsErgebnisdertechnolo-gischen Entwicklung überwiegt heute die digitale Realisation, entweder alsStand-Alone-Gerät (Hardware),alsSoftware-Anwendung,als sogenanntesPlug-inoderalsHardware-Plug-in-Kombination.Plug-inssindspezialisierteSoftware-Kom-ponenten,dieüberstandardisierteSchnittstellen(z.B.AU,VST)inintegrierteAudio-produktionsumgebungen (digital audioworkstations, DAWs) eingebunden werdenkönnen.SiebestehenauseinemAlgorithmuszurBerechnungderAudiodatenundeinergrafischenBenutzeroberfläche.EinfacheBearbeitungsmittelwieEqualizerundRegelverstärkersowiezunehmendauchEffektewieDelaysoderNachhallsindhäu-figindieKanalzügeprofessionellerMischpulteintegriert.DurchdigitaleSignalver-arbeitung wurden bestehende Audiobearbeitungsmittel auf höherem qualitativemNiveaurealisierbar(insbesonderekünstlicherNachhall)sowieneueEffekteermög-licht,z.B.PitchShiftingundTimeStretchingmitFormantkorrektur.Gegenübertradi-

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tionellenVerfahrenderSignalbearbeitungdurchFiltermitsignalunabhängigfestge-legtenParameternhatdiedigitaleAudiosignalverarbeitunginjüngererZeitneueVer-fahrenerschlossendurchdenEinsatzvonFaltungsoperationeninEchtzeitundandererFrequenzbereichsverfahren,sowiedurchdiedynamischeParametrisierungvonBear-beitungsoperationenaufderBasisvonMerkmalsanalysen(featureextraction).

13.1 Editierung und Montage

ProfessionelleAudioproduktionen (Soundtracks zumFilm,Hörspiele,Musikauf-nahmen)sindinderRegeldasErgebniseinerMontagevoneinzelnenAufnahmen,derenEinspielungsichnichtnotwendigerweiseanderzeitlichenStrukturdesEnd-produktsorientiert.ImBereichderPopularmusik(außerJazz)wirdüberwiegendimsog. Overdubbing-Verfahren produziert. Einzelne Stimmen eines ArrangementswerdennacheinanderaufunterschiedlicheSpurenaufgenommen,Korrekturener-folgen durch destruktives oder nichtdestruktives Überschreiben von kurzen Se-quenzenaufdemmehrspurigenAudiomaterial(punchin–punchout).ImBereichderklassischenMusikebensowiebeiSprachaufnahmenwerdendagegen,ähnlichwiebeimFilm, zunächstmehrereVersionen (Takes) einesStücksoder einzelnerPassageneinesStücksaufgenommen.IneinemanschließendenEditierungsprozesswird das aufgenommeneTonmaterial zu einemorganischenAblaufmontiert. SoentstehtdieIllusioneinermusikalischenAufführung,dieindieserFormniestattge-fundenhatundvielleichtniestattfindenkönnte.

13.1.1  Historische Entwicklung

WährendderSchnittbeimFilm,derjanichtsanderesistalseineAneinanderreihungvonFotografien,keinespeziellenAnforderungenandenBildträgerstelltunddaherschonimmerTeildesProduktionsprozesseswar,warenbeimTonzunächstnurbe-stimmteAufzeichnungsmediengeeignet,eineAufzeichnungneuzumontierenunddabeiunhörbareÜbergängezuschaffen.WährendNadeltonträger(Zylinder,Wachs-undSchellackplatte)füreinesolcheMontageungeeignetsind,wurdebereitsEndeder 1920er Jahre das neu entwickelte Lichtton-Verfahren erstmals für Hörspiel-Montageneingesetzt.FürWeekend,eineakustischeMontagevonAlltagsgeräuscheneinerGroßstadt amWochenende, übertrug derKomponistWalterRuttmann, derauchdieFilmmusikzuBerlin – Sinfonie einer Großstadt(1927)komponierthatte,dasCollage-PrinzipaufdenTon.2000mFilmtonwurdenamSchneidetischauf250mgekürzt,umein11’20’’langesStückaus240Einzelsegmentenzuerhalten,das1930inderSendungHörspiele auf TonfilmzumerstenMalimRundfunkgesen-detwurde(Vowinckel1995).

Das Magnetband wurde in Deutschland seit Einführung der HF-Vormagneti-sierungimJahr1940fürMusikproduktionen,MitschnitteundfürdenSendebetrieb

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eingesetzt.AußerhalbDeutschlandshielt es erst nach1945Einzug. IndenUSAwurdenseit1948beimRundfunksenderABCundbeimDecca-LabelMagnetband-geräteeingesetzt(Gooch1999),seit1949wurdeinEnglandbeiDecca(Culshaw1981),ab1950auchbeiE.M.I.aufMagnetbandaufgezeichnet (Martland1997).DasMagnetbandkonnteundmusste,daeszunächstsehrrissanfälligwar,geklebtwerden.Dabeiwurdezunächst„nass“geklebt,d.h.beibeidenmiteinerunmagne-tischenScheregeschnittenenEndendesBandeswurdedieTrägerschichtdurcheinLösungsmittelleichtangelöst,dasBandeinigemmüberlapptunddurchanpressenverklebt.SeitAnfangder1950erJahrewarenKlebelehrenaufdemMarkt,mitde-nenderSchnittwinkelderBandendenexakteingestelltwerdenkonnte,sowieKlebe-streifen zum Hinterkleben des Bandmaterials. Bei Interpreten stieß die von denMusikproduzenteninden1960erJahrenbereitsintensivgenutzteMöglichkeitderMontage, wie das immer größere Repertoire anAudiobearbeitungsverfahren imAllgemeinen,aufambivalenteReaktionen.WährendInterpretenwiederkanadischePianistGlennGould (1932–1982)dieMontagealsErweiterungder interpretato-rischenGestaltungsmöglichkeitenverstandundsichzugunstenderStudioproduk-tionzunehmendausdemKonzerlebenzurückzog(Gould1966),erlaubtederrumä-nische Dirigent Sergiu Celebidache (1912–1996) nur noch Live-Übertragungenseiner Konzerte, wodurch die zeitliche Struktur unangetastet blieb (Celebidache1985).

Schnitt-undKlebelehrenfüranalogesMagnetbanderlaubteneinenwenigeMilli-meter langen Schrägschnitt, entsprechend einer Überblenddauer (crossfade) vonetwa10msbeieinerBandgeschwindigkeitvon38cm/s.Vereinzeltarbeitetemaninden1970er Jahrenmitbis zu20cm langenSchnitten, entsprechendeinerÜber-blendzeitvonüber500ms,wobeidasBandhäufigin„Schwalbenschwanz“-Formgeschnittenwurde,umdiebeimSchrägschnittaufgrundderSpurlageauftretenden,beikurzenSchnittenaberinderRegelunhörbarenStörungendesStereo-Panoramaszuvermeiden.BeiMehrspuraufnahmenwärederZeitversatzzwischendenSpurenbeisolchflachenSchnittwinkelnallerdingszugroßgewesen,weshalbmanbereitsbei8-Spuraufnahmenmit„Zickzackbrettern“arbeitete,dieparalleleSchrägschnitteindasBandstanzten.

Bereits das erste im kommerziellen Einsatz befindliche digitale Aufzeich-nungssystem (Soundstream, 1976), das mit Festplatten und Bandsystemen alsAufzeichnungsmediumarbeitete,übertrugdieEditiermöglichkeitendesanalogenTonbandesaufdieDigitaltechnik,wodurchFunktionenwieWellenformdarstel-lung,CrossfadesundCut,CopyundPasteeingeführtwurden.ZunächstsetztensichinderMusikproduktionbandgestützteSystemedurch,diemiteinemUmko-pierschnittarbeiteten.HierwurdenzweiZuspielersozueinandersynchronisiert,dass an einem definierten Schnittpunkt von einem zum anderen übergeblendetunddasErgebnisaufeinemdrittenGerätimAufnahmemodusaufgezeichnetwer-denkonnte.EinkleinerBereichumdieSchnittstellekonntedurchEditorenwiedas1980eingeführteModellDAE1100derFa.SonyimRAMvorgehörtwerden.Als Tonträger konnten verschiedene, timecode-fähige Bandformate eingesetztwerden.ImZweispur-BereichwarendieszunächstdiePseudo-Video-Aufzeich-nungaufU-maticundspäterDAT-Zuspielerund-Recorder,imMehrspur-Bereich

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DASH-Formate.Endeder1980erJahrekamenersteausschließlichfestplattenba-sierte Schnittsysteme (Sonic Solutions, 1988) auf den Markt, seither gehörenSchnitteundÜberblendungenvonbeliebigerDauerzudenGrundfunktionendigi-talerAudioworkstations.

13.1.2  Praxis und Funktion

BeimanalogenSchnittaufMagnetbandmusstedurchHin-undHerbewegendesBandesamTonkopf(scrubbing)zunächsteineidentifizierbareStelleaufdemBandlokalisiertwerden.SchnittewurdendaherüberwiegendinoderkurzvoreinemklardefiniertenToneinsatzdurchgeführt.

DigitaleSchnittsystemeerlaubeneinekontrolliertereSchnittbearbeitungdurchdieMöglichkeit,DauerundHüllkurvederÜberblendungfreizuwählenunddenSchnitt lediglichalsSprungbefehlbeimAbspielenderAudiodatenzudefinieren,ohnealsodasoriginaleAudiomaterialzuverändern(non-destructiveediting).DieHüllkurvederÜberblendungkanndabeisogewähltwerden,dassderbeieinemline-arencrossfade(wiebeianalogenBandschnitten)unvermeidlichePegeleinbruchinderMittederÜberblendungvermiedenwerdenkann.

BeieinerlinearenEin-undAusblendungderAmplitudefalleninderMitteeinessymmetrischencrossfadesdie–6dB-PunktederbeidenSegmentendenzusammen

Abb. 13.1 FensterzurSchnittbearbeitungmiteinerDarstellungvonQuell-undZielspur(source/destinationtrack)undeinerÜberblendungmitbeliebigerDauerundHüllkurve

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undaddierensichaufgrunddernicht-kohärentenSignalbeziehungzueinemSum-menpegelvon–3dB.DigitaleAudioworkstationsbietendaherunteranderemeineHüllkurvean,welchedieSignalenergiewährendderÜberblendungkonstanthält.SeitderEinführungdigitalerAudioworkstationskannauchdievisuelleDarstellungderWellenformalsOrientierungfürdieMontageverwendetwerden(Abb.13.1).AlsKonsequenzhatdieHäufigkeitvonSchnittenmitEinführungderDigitaltechnikimMitteletwaumeinenFaktor2bis3zugenommen(Weinzierlu.Franke2002)undmittlereSegmentlängenvon10bis20szwischenzweiSchnittendürftenbeiklassischenMusikproduktionenheutedieRegelsein.

HinsichtlichderFunktionvonEditierungsvorgängenkannunterschiedenwerdenzwischen einem Insert-Schnitt, der als kurzeKorrektur innerhalb eines längerenTakesdaszeitlicheGefügedeskorrigiertenAbschnittsimWesentlichenunangetas-tetlässt.DemgegenüberentsprichtdemAssemble-SchnitteineÜberblendungvoneinerAufführungdesWerks in eine andereAufführung,wobei zwangsläufigdieursprünglicheZeitstrukturder Interpretationersetztwirddurchdie Illusioneines(im besten Fall) organischen, musikalischenAblaufs. Die Begriffe stammen ur-sprünglichausdemUmkopierschnitt,wobeimInsert-SchnittdasdurcheinenaufdemBandvorhandenenTimecodevorgegebeneZeitrasternichtverändertwerdenkonnte,währendbeimAssemble-SchnittauchderTimecodegeschnittenwurde.SiebeschreibenimübertragenenSinnauchdiemodernePraxis,auchwennbeifestplat-tenbasierten, nicht-linearen Schnittsystemen keine Timecode- und Steuerspurenmehrgeschnittenwerden.EinendrittenTypusbildenzeitmanipulativeSchnitte,beidenen–ohneineinenanderenTakezuwechseln–dieZeitstrukturderAufnahme

Abb. 13.2 Schnittsegmenteund-zeitpunkteeinerProduktionderNeuntenSymphonie(Sätze1–4)vonL.v.BeethovenausdemJahr2000,veröffenlichtbeieinemMajor-Label.AufnahmeundSchnitterfolgtenaufdigitalem24-Spur-Magnetband.Insgesamtwurden267Schnitteausgeführt(Weinzierlu.Franke2002).

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verändert wird, etwa beim „Geradeschneiden“, wo der Einschwingvorgang beimehrstimmigenEinsätzensoweitverkürztwird,bisursprünglichvorhandeneUn-synchronitäten beimAkkordeinsatz nicht mehr hörbar sind. Zeitmanipulativ istauchdasVerkürzenoderVerlängernvonTonabständenundPausen,wodurchdieZeitgestaltungderaufgezeichnetenAufführungdirektbearbeitetwird.BeiAlgorith-menzurTimeCompressionoderzumTimeStretchinggeschiehtdiesaufGrundlageeiner vorangehenden Signalanalyse automatisch (Abschn. 13.2.13 und Kap.15.3.5).

13.2 Klanggestaltung

13.2.1  Fader und Mute

MitdemFader(Pegelsteller)wirddieAmplitudedesAudiosignalsfrequenzneutralverändert.DieSignalamplitudebestimmtinersterLiniedieLautstärkedesKlangs,beeinflusstaberauchdiewahrgenommeneEntfernungundGrößederSchallquellesowie–wegenderKurvengleicherLautstärke(Abb.2.5)undaufgrundvonVerde-ckungseffekten bei der Mischung– ihre Klangfarbe. Der Fader wird sowohl imHinblickaufeinekorrekteAussteuerung(Kap.10.1.1)alsauchmitdemZieleinerkünstlerisch-technischen Klangregie eingesetzt. Unter einer Vielzahl von tech-nischenAusführungenlassensichfolgendeRealisierungsformenunterscheiden:

• Dreh-oderSchieberegler(sowieweitere,v.a.historischeBauformen),• kontinuierlichoderstufenweiseveränderbar,

Abb. 13.3 Verteilung(Histogramm)derSegmentdauernausAbb.13.2.

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• linearoderlogarithmischskaliert,• AnalogeSchaltungsdesignsT,H,Loderπ(vgl.hierzuWebers1999,299–302),• passiv(dämpfend)oderaktiv(nichtdämpfend),• direkteoderspannungs-bzw.digitalgesteuerteSignalverarbeitung,• nurmanuellsteuerbaroderzusätzlichautomatisierbar,• nurmanuellbeweglichoderzusätzlichmotorisiert,• ohneodermitBerührungssensor,• physischodernurvisuelldurchSoftwarerepräsentiert.

InderprofessionellenTonstudiotechnikistheutederstufenlosveränderbare,auto-matisierbare,berührungsempfindlicheundmotorisierteSchiebereglerStandard,derSteuerdatenfüreinezumeistausgelagertedigitaleSignalverarbeitungliefert.Fra-genderSkalierungoderanalogerSchaltungsdesignsverlierendamit ihreBedeu-tung.NachwievorwichtigbleibenjedochergonomischeundfunktionaleAspekte,dennbeidemPegelstellerhandeltessichumdasamhäufigstenverwendeteAudio-bearbeitungsmittel.

Mutes(Stummschaltungen)stelleneineneinfachenaberwirksamenEingriffimRahmeneinerAudioproduktiondar:Signalewerdenunhörbargemacht,indemihrPegelaufL=-∞reduziertwird.ZurVermeidungvonKnackgeräuschengeschiehtdiesentwederalsRegelvorgangineinemkurzenZeitintervallinderGrößenordnungvon10ms(meistbeizeitlinearenProduktionsweisen,etwaamMischpult)oderalsabrupter,jedochaufdennächstliegendenNulldurchgangdesAudiosignalsverscho-benerSchaltvorgang(meistbeinicht-zeitlinearenProduktionsweisen,z.B.ineinemHarddisc-Recording-System).JenachMöglichkeitundZielsetzungwirddasMuteperHandzeitlichfrei,durchSynchronisationzeitbezogenoderdurchMarkerpräzisesignalverlaufsbezogenausgelöst.DasMutekannnichtnurzurEntfernungvonStör-geräuscheneingesetztwerden,eskannauchmusikalisch-dramaturgischenZweckendienen:DurchdasStummschaltenbeliebiggroß-oderkleinteiligermusikalischerEinheitenkönnenBestandteileeinesMusikstücksentferntwerden,diedaskomposi-torische Gefüge maßgeblich konstituieren, was im allgemeinen eine gravierendeÄnderungdermusikalischenWirkungzurFolgehat.SchließlichkannesauchzurKlanggestaltung eingesetztwerden: In einemSignalabschnitt, der als zusammen-hängender Klang wahrgenommen wird, verursachen kurzzeitige Mutes als Hüll-kurvederSignalamplitudeeinen‚zerhackten‘Klangverlauf,wasz.B.beiderProduk-tionvonPopularmusikalsEffektgewünschtseinkann.

13.2.2  Panoramaregler

DerPanoramaregler(auchPanoramapotentiometeroderkurzPanpot)imKanalzugvonMischpultendientderFestlegungderLokalisationeinesKlangs indemvondenLautsprechernaufgespanntenStereo-Panorama(Abb.13.4).ErleitetdasSignalmiteinerdurchseineStellungdefiniertenPegeldifferenzaufdieAusgangswegedesMischpults,wodurcheinePhantomschallquellezwischendenWiedergabelautspre-

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chernentsteht(Kap.3.3.1).DerZusammenhangzwischen(zweikanal-stereofoner)PegeldifferenzundHörereignisrichtungaufderLautsprecherbasiswurdealsLoka-lisationskurvedurcheineReihevonHörversuchenermittelt(Abb.10.15oben).

Da die stereofone Lokalisation nicht nur durch Pegel-, sondern u.a. auch durchLaufzeitdifferenzen beeinflusst werden kann, könnten beim Panoramaregler imPrinzipbeideGesetzegenutztwerden.DerEinsatzvonLaufzeitdifferenzenverrin-gert jedochdieMonokompatibilität zweikanaligerSignale aufgrundvonKamm-filtereffekten(Abschn.13.2.10);daheristdieErzeugungvonPegeldifferenzendasüblichePanorama-Konzept.SiewirdinanalogenSystemendurchAufmischungdesNutzsignalsaufdieSammelschienenübergegensinnigvariableMischwiderständerealisiertoderdigitaldurcheineMultiplikationderAmplitudenwertedeszweikan-aligvervielfältigtenNutzsignalsmitgegensinnigdimensioniertenFaktoren.

DerZusammenhangzwischenReglerstellungundKanaldämpfungvariiertzwi-schenMischpultenverschiedenerModelleundHersteller(Abb.13.5,Maempel2001,S173,237).UnterderVoraussetzung,dasssichaufgrundderimweitgehenddiffusenSchallfeldvonRegieräumenunkorreliertenOhrsignalebeimHörerdieLeistungenundnichtdieSchalldrückederLautsprecheraddieren,müsstedieMittendämpfungdesPanoramareglers3dBbetragen.DiesistbeidenmeistenGerätenderFall,be-stimmteHerstellerimplementiereneineMittendämpfungvon4,5dB(Abb.13.5).

BeiAudioproduktionenfürMehrkanal-Abhörformate(z.B.5.x-Surround)sindmehrereLautsprecherbasenvorhanden, allerdings ist dieLokalisationvonPhan-

Abb. 13.4 HörereignisrichtunginderStandard-Stereoaufstellung(Kap.11.1)

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tomschallquellen imhinterenund insbesondere im seitlichenBereichwesentlichungenauerundinstabileralsimvorderenBereich(Kap.3.3.1).

Bei5.x-Surround-SoundbestimmtderPanoramareglerfürdieLinks-Rechts-Lo-kalisationimVergleichzurZweikanal-StereofonieauchdenSignalanteilfürdenCen-ter-Kanal.InwieweitmittigzulokalisierendeSignaletatsächlichdurchdenMitten-lautsprecheralsRealschallquelleodernachwievordurchdieSeitenlautsprecheralsPhantomschallquelledargestelltwerden,kannmitdemzusätzlichenParameterDiver-genz geregelt werden. Ergänzend ist ggf. die grundsätzliche Mittendämpfung desCenter-Kanalswählbar.FerneristeinweitererPanoramareglerfürdieLokalisations-richtungenvorne/hintenvorhanden.HäufigbestehtdieMöglichkeit,diePegelverhält-nissenichtnurüberDrehregler,sondernauchübereinenJoystickzukontrollieren.

NebenPanoramakonzepten,dieaufderErzeugungreinerPegeldifferenzenberu-hen, implementierenmancheHerstellerweitereVerfahren zurPanorama-Einord-nungaufnahmeseitigmonofonkodierterSignale:Zeitdifferenzen,Pegel-Zeit-Diffe-renz-Kombinationen,SpektraldifferenzenoderCrosstalk-Cancelling-Algorithmen.EinalsVirtualSurroundPanningbezeichnetesPanoramakonzeptfürSurroundbe-ziehtnebenLaufzeitdifferenzenauchfrüheReflexionenein,diejenachgewählterLokalisationmittelsDelaysoderderVerrechnungmitRaumimpulsantwortengene-riertwerden(Ledergerber2002).

SpeziellfürKopfhörerwiedergabestehenPlug-inszurVerfügung,dieeinedrei-dimensionalePanoramaregelungweitgehendreflexionsfreierAudiosignaleermög-

Abb. 13.5 CharakteristikenvonPanoramareglernverschiedenerMischpulte(Stagetec,Lawo:Herstellerangaben;SSL,Yamaha:Messungen,z.T.geglättet)

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lichen. Die binauralen Lokalisationscues werden dabei durch Verrechnung desNutzsignalsmitHRTFs(head-relatedtransferfunction)wählbarerKunstköpfeer-zeugt.ZusätzlichkönnenfrüheReflexionenundHallsowieeinDopplereffektbeiPositionsänderungengeneriertwerden(WaveArts2005).

Surround-PanoramakonzeptewerdenhäufiginFormeinerpunktförmigdarge-stelltenSchallquelleaufderdurchdieLautsprecherumstelltenFlächevisualisiert.Dabeiistallerdingszuberücksichtigen,dassdiePanningLaws(Gerzon1992)1.nurfür den Sweet Spot (diemittigeAbhörposition) gelten, 2. keine stabile seitlichePhantomschallquelleentstehenkannund3.LokalisationspositioneninnerhalbderumstelltenFlächeimSinneeinerHolophonienichtrealisierbarsind.ZurWeiterent-wicklungvonPanorama-Konzeptenvgl.Neoran(2000)undCraven(2003).

Aufnahmeseitig bereits zweikanal-stereofon kodierteAudiosignale müssen beieinerPositionierungauchzweikanaligverarbeitetwerden.DiesgeschiehteinerseitsmiteinemBalance-Regler,derdiePegelbeiderKanälegegensinnigvariiertundda-durchdieLokalisationdesGesamtklangbildsverschiebt,andererseitsmiteinemSte-reobreitenregler(width),dereineEinengungderStereobreitedurchdieZumischungdervertauschtenKanälebewirktodereineVerbreiterungderStereobreitedurchdieZumischungderphaseninvertiertenvertauschtenKanäle.InbeidenFällenwirdei-gentlichnurdasVerhältnisvonpositivbzw.negativkorreliertenundunkorreliertenSignalanteilenverändert,sodassesnebendergewünschtenWirkungzumeistauchzuGewichtungsverschiebungenimGesamtklangbildkommt(s.Abschn.13.2.3).

GrundsätzlichorientiertsichbeiklassischerMusikundbeibildbezogenenAudio-inhalten die Einordnung der Schallquellen weitgehend an den tatsächlichen bzw.gesehenenSchallquellenpositionen.BeiderProduktionvonPopmusikhingegenwer-denInstrumenteundGesangsstimmehäufignachdemKontrastprinzipgegenüber-gestellt:wichtigeMonosignalemittig,sonstigeSignaleaußen(vgl.Maempel2001,174–179)odergelegentlichsogarhinten.DengrößtenFreiraumbeiderPositionie-rungvonKlangquellenbietenHörspiel,Klangkunst und elektroakustischeMusik.GrundsätzlichsolltenjedochganzoderanteiliglaufzeitstereofonkodierteSignaleau-ßenpositioniertwerden,daeineEinengungmittelsPanorama-oderStereobreitenreg-ler(Mischung)ungewünschteKammfiltereffekte(vgl.13.2.10)verursachenkann.

13.2.3  Stereo-Matrix

Die Stereo-Matrix (auch Richtungsmischer oder Summen-Differenzübertrager)dientderUmkodierungeinesMS-Signals,dasz.B.durcheinentsprechendesMi-krofonierungsverfahren erzeugt wird (Kap. 10.3.1.2), in ein zweikanal-stereofonkodiertesSignal(XY).DabeiwirdeinAusgangssignaldurchSummenbildungundeinAusgangssignal durch Differenzbildung der Eingangssignale gewonnen, ggf.mitanschließenderDämpfungvon3dB.Diesesog.StereoumsetzungzwischenXYundMSistnachdemgleichenPrinzipreversibel.ReineStereo-Matrizensindge-mäßdieserAnwendungamhäufigstenalsKomponentenvonMischpultenanzutref-fen.EinstellbareParametersindAbbildungsrichtungundAbbildungsbreite.Heute

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weiter verbreitet ist ihr zweistufiger Einsatz als allgemeiner Stereobreiten- oderWidth-Regler für zweikanal-stereofone Signale inMischung undPre-Mastering:DurchdieMS-KodierungeinessolchenSignals,dieVerschiebungdesAmplituden-verhältnissesvonM-undS-SignalunddieanschließendeRückkodierungkanndasVerhältnisvongleich-undgegenphasigenAnteilenineinemStereosignalverändertwerden.DieseFormderBearbeitungwirdvorallemzurKorrelationskorrekturvonSignalen aus elektronischen Klangerzeugern, Effektgeräten oder fertigenAbmi-schungeneingesetzt.MitderKorrelationhängtdieEmpfindungderAbbildungs-breite zusammen, aufdiedieWertedesParametersWidthBezugnehmen (Abb.13.4):Unter derVoraussetzung eines dieLautsprecherbasis ausfüllendenKlang-bilds,daswenigstenspartielldekorreliertist,führtdanacheinWertvon0%(nurM-Signal) zu einemmonofonen undmittigenHöreindruck, einWert von 100%(gleiches Verhältnis von M- und S-Signal) zu einer unverändert vollständigenKlangbildausdehnungaufderLautsprecherbasisundeinWertvon200%(nurS-Signal)zueinemEindruckvonÜberbreiteundfehlenderMitte,meistunterVerlusteindeutigerLokalisation.BeiderBearbeitungvonAbmischungengehtmitderKor-relationsänderungeineÄnderungdesMischungsverhältnisseszwischenmittigpo-sitioniertenMonosignalenundgeringkorrelierendenaußenpositioniertenSignaleneinher.Da sichdadurchdieKlangbildbalanceundderRaumeindruckverändern,werdenKorrelationskorrektureneinergesamtenAbmischung,wennüberhaupt,nurgeringfügigvorgenommen.EineinsbesondereimPre-MasteringgenutzteVarianteistdieMS-KodierungderAbmischung,dieunterschiedlicheFilterungoderDyna-mikbearbeitungdesM-unddesS-KanalsunddieanschließendeRückwandlungineinXY-Signal,wodurchkorrelationsbezogeneBearbeitungenmöglichwerden.

13.2.4  Kompressor

AllgemeinbezeichnetmanVerstärker,dieinAbhängigkeitvonderSpannungdesEingangssignals ihrenVerstärkungsfaktorändern,alsRegelverstärker.DieÄnde-rungkanngegensinnigerfolgen(Kompressor)odergleichsinnig(Expander).Ein-stellbarsindnebenderAnsprechschwelleunddemVerhältnisderDynamikeinen-gungdieReaktionszeitunddieAbklingzeit (sowie seltendieHaltezeit).BeiderWahlextremerEinstellungenwerdenderKompressoralsLimiter(Begrenzer)undderExpanderalsNoiseGate(Tor)bezeichnet.KompressorendienenderVerringe-rung,ExpanderderVergrößerungder technischenDynamik (vgl. terminologischJakubowski1985),welchenichtmitdermusikalischenDynamikbzw.Spieldyna-mikzuverwechselnist.DieDynamikänderungwurdeimanalogenZeitalterkombi-niertinKompander-SystemenmitdemZielderRauschunterdrückungaufÜbertra-gungsstreckenoderSpeichermedieneingesetzt(vgl.Webers1989,S323ff).HeutedientsievorallemderAnpassungderDynamikandieErfordernissevonÜbertra-gungswegen und der Klanggestaltung. Regelverstärker sind als Peripheriegeräteausgelegt,alsBestandteilvonKanalzügenprofessionellerMischpulteoderalsPlug-insfürAudioworkstations.

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EinKompressor isteinVerstärker,dessenVerstärkungsfaktorsichbeiübereinerdefinierbaren Schwelle (threshold) liegenden Eingangssignalen in einem vorbe-stimmtfestenodervariablenVerhältnis(ratio)verringert.DazuwirdbeianalogerBauweiseeinVCA(voltagecontrolledamplifier)voneinemRegelkreis(sidechain)gesteuert, der sich meist aus dem gleichgerichteten und integrierten Nutzsignalspeist,wobeiverschiedeneSchaltungskonzeptemöglichsind,z.B.dieVerwendungdesungeregeltenNutzsignalsalsSteuersignal(Vorwärtsregelung)oderdesgeregel-ten(Rückwärtsregelung).DigitalwirddieKompressiondurcheineMultiplikationderAmplitudenwertemiteinemsignalabhängigenFaktorrealisiert.MitderOptionRMS/PeakkannbeivielenGerätenausgewähltwerden,obderKompressoraufdenEffektivwert oder den Spitzenwert des Signals reagiert. Generell lässt sich zwi-schendemstatischenunddemdynamischenVerhaltenunterscheiden.

13.2.4.1 Statisches Verhalten

AlsstatischesVerhaltenbezeichnetmandieArbeitsweisedesKompressorsinAb-hängigkeitvomPegel.InderRegelsindhierfürdreiParametereinstellbar,dieaberinderPraxisnichteinheitlichbenanntwerden:

• Threshold=–InputLevel=–InputGain• Ratio• OutputGain=OutputLevel=MakeUpGain=CompressionGain=Hub

Abb. 13.6 KennliniendesKompressors

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DienichtlineareKennlinieeinesKompressorssetztsichauszweiAbschnittenzu-sammen,einemneutralenundeinemflacheren,derenÜbergangbeiaktivierterOp-tionSoftKneegeglättetist(Abb.13.6).DieAbflachungderinderRegellogarith-mischindBdargestelltenKennlinieoberhalbderAnsprechschwellehatzurFolge,dasseinePegelerhöhungdesEingangssignalsnichtmehrdieselbe,sondernnureinegeringerePegelerhöhungdesAusgangssignalsbewirkt.SiewirddurchdenParame-terRatiobestimmt,deralsVerhältnisvonEingangspegeldifferenz∆LinundAus-gangspegeldifferenz∆LoutoberhalbdesSchwellwertsdefiniertist:

(13.1)

RwirdmeistnichtalsZahlenwert,sondernalsVerhältnisangegeben,z.B.R=6:1,undkannmit

(13.2)

auchausdemAbflachungswinkelαdesoberenKennlinienteilsberechnetwerden(Abb.13.6).

DerSchwellwertLT(alsodieEingangsspannung,oberhalbdererdieabgeflachteKennliniewirkt)wirdmitdemParameterThresholdbestimmt.BeiAnnahmeeinesbestehenden Aussteuerungsziels am Kompressoreinsatzpunkt LE gewinnt mandurchdasAbsenkenderSchwelle (Pfeilnach linksuntenundverschobene lang-gestrichelte Kennlinie) den Kompressionshub. Diesen sozusagen vergrößertenHeadroomkannmannutzen,indemmandaskomprimierteAusgangssignalmitdemParameterOutputGainimPegelanhebt(Pfeilnachobenundverschobenelangge-strichelteKennlinie).DadurchwirdbeigleichemMaximalpegel,alsobeiEinhal-tungdesAussteuerungsziels,dasSignalenergiehaltiger,dennauchdieunterhalbderSchwelleliegendenSignalabschnittehabenaufdieseWeiseeinenhöherenAus-gangspegel(verschobenedurchgezogeneLinie).Abb.13.7zeigtalsErgebniseinersolchenAudiobearbeitungeineZunahmedesmittlerenPegelsbzw.derakustischenLeistungundinfolgedessenderLautheit.

13.2.4.2 Dynamisches Verhalten

Als dynamisches Verhalten bezeichnet man die zeitabhängigeArbeitsweise desKompressors.SieistbedingtdurchdasVerstreicheneinerReaktionszeitnachÜber-undUnterschreitungdesSchwellwerts. In diesemZusammenhang sind folgendeParametereinstellbar,siewerdenebenfallsnichtimmereinheitlichbenannt:

• Attack• Release=Recovery=Decay• Hold(selten)

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DieZeitkonstanteAttackisteinMaßfürdieZeitspanne,diederKompressorfürdieReduktion des Verstärkungsfaktors benötigt, nachdem das Eingangssignal denSchwellwertüberschrittenhat(Ansprechzeit).ReleaseisteinMaßfürdieZeitspan-ne,diederKompressorfürdieRückführungderVerstärkungaufdenFaktor1nachdemSinkendesEingangssignalsunterdenSchwellwertbenötigt (Rückstellzeit).AlsAttack-Zeit∆tatt istdiejenigeZeitspannedefiniert,dienachplötzlicherÜber-schreitungdesSchwellwertsum10dBvergeht,bis63%(=1-1/e)derDifferenzzwischen der neuen Eingangsspannung Linund der neuen ratioabhängigenAus-gangsspannungLout(t2)ausgeregeltwurden(Abb.13.8).DieRelease-Zeit∆trelistdemgegenüberdieZeit,dienacheinemplötzlichenEingangssignalabfallvon10dBoberhalbderThreshold-SpannungaufdieThreshold-SpannungLTbiszudemZeit-punktvergeht,andemetwa63%derDifferenzzwischendernochratioabhängigenAusgangsspannungLout(t1)undderneuenAusgangsspannungLout(t2)ausgeregeltwurden(Abb.13.9).

Esistleichtersichtlich,dasseinKompressoraufgrunddesexponentiellenVer-laufsdesRegelvorgangsinjedemFallelängerfürdastatsächlicheAusregelnbenö-tigt,alsmitdenZeitkonstantenAttackundReleaseeingestelltwurde.Attack-ZeitenbewegensichmeistensimBereichzwischen50µsund50ms,Release-Zeitenzwi-schen10msund3s.

Abb. 13.7 ZweiWellenformdarstellungendesselbenMusikausschnitts.DaskomprimierteSignal(unten)besitztbeigleichemMaximalpegeleinehöhereakustischeLeistungundklingtlauter.

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13.2.4.3 Physikalische Signalveränderung

DieAuswirkungenverschiedenerAnsprechzeitenaufhoch-undtieffrequenteSignalezeigtAbb.13.10.DargestelltsindjeweilseinsinusförmigesSignal,dessenzunächstgeringeAmplitude plötzlich über den Schwellwert (gepunktete Linie) steigt unddurchden soverursachtenVerstärkungsrückgang (gestrichelteHüllkurve)kompri-miertwird,sowiezumVergleichdasunkomprimierteSignal(Strichpunkt).Demnachgilt fürdasAnsprecheneinesKompressors: Istein langesAttackgewählt,bleibenTransientenerhalten(obenlinks),undessindkurzzeitigeÜbersteuerungendernach-folgendenÜbertragungskettemöglich,sofernkeinHeadroommehrvorhandenist.IsteinkurzesAttackgewählt,werdenTransientenwirksamerabgefangen(obenrechts),eserfolgtabereinestarkeDeformationdesNutzsignals im tieffrequentenBereich(untenrechts).DurchdiesenichtlinearenVerzerrungenerhöhtsichderKlirrfaktor.BeideEinstellungenhabenalsobestimmteNachteile.FürdenRücklaufdesKom-pressorsgilt:IsteinlangesReleasegewählt,regelnkurzeSpitzenfürlängereZeitdasnachfolgendeSignalundbestimmendamitstarkdenmittlerenPegel.DieWahleineskurzenReleaseführthingegenzuhäufigenRegelvorgängen(Tabelle13.1).

Abb. 13.8 DynamischesVerhaltendesKompressors:Attack-Vorgang

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Abb. 13.9 DynamischesVerhaltendesKompressors:Release-Vorgang

Abb. 13.10 DynamischesVerhaltendesKompressors:SignaldeformationdurchAttack-Vorgang

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13.2.4.4 Perzeptive Wirkung

ImHinblickaufdieWahrnehmungderdurchdenKompressorbewirktenAmplitu-denänderungenundnichtlinearenVerzerrungenistdasstatischeVerhaltenfürdieNutz-unddasdynamischeVerhaltenüberwiegendfürdieStöreffekteverantwort-lich(Tabelle13.1).GenerellführenkleineZeitkonstantenzueinerwahrnehmbarenKlangverdichtung,diegestalterischbeabsichtigtseinkann(z.B.inderPopmusik-produktion),jedochauchdieLästigkeitdesGehörtenerhöhenkann(vgl.Wagner1997).SofernnichtmaximaleLautheit gefordert ist, lässt sich in derPraxis dasDilemmaderStör-undNutzeffektezufriedenstellendverringern,indemmanzweiKompressorenhintereinandereinsetzt:FürjedeszubearbeitendeEinzelsignaleinenKompressormitgeringerSchwelle,kleinerRatioundmittlerenodergroßenZeit-konstantenfüreineunauffälligeabereffektiveDynamikreduzierung;undeinennurseltenansprechendenKompressormithoherSchwelle,großerRatioundgeringenZeitkonstantenbeigemischtenSignalenfürdenreintechnischenÜbersteuerungs-schutz,etwaanSummenausgängen.EinePerfektionierungdiesesAnsatzesbietetdiesignalabhängigeDynamisierungvonParametern(Abschn.13.2.4.5).Zurklang-lichoptimalenWahlvonKompressionsparameternbeiverschiedenenAbhörbedin-gungenvgl.Wagenaars,Houtsma&vanLieshout(1986),zumEinsatzinderHör-geräteakustikvgl.Neumann(1998).

13.2.4.5 Varianten

VerschiedeneschaltungstechnischeAbwandlungendesreinenKompressorskönneneffektivere,artefaktreichere,artefaktärmere,kreativereoderzuverlässigereDyna-mikbearbeitungenermöglichen.

Stereo- und Mehrkanalverkopplung: Die Side Chains zweier Kompressorenkönnenelektrischverbundenwerden(stereolink).Diesführtdazu,dassRegelvor-gänge,gleichdurchwelchesNutzsignalausgelöst,vonbeidenKompressorenaus-geführtwerden,dieinderRegelidentischeingestelltsind.EineVerkopplungistfürdieKompressionvon aufnahmeseitig stereofonbzw.mehrkanaligkodiertenSig-nalenerforderlich,wennsichdieLautstärkebalanceundLokalisationimKlangbildnichtdurcheinkanaligeRegelvorgängeverschiebensoll.

Kompression verzögerter Signale: Das oben beschriebeneDilemma bei derWahlgeeigneterZeitkonstanten,dassichentweder inhörbarenArtefaktenoderdem nur unzuverlässigenAbfangen von Signalspitzen äußert, kann umgangenwerden,wennmandasNutzsignalgegenüberdemSteuersignalgeringfügigver-zögert.IstdieVerzögerungsogroßwiedieAttack-ZeitdesKompressors,weistdaskomprimierteSignalkeineTransientenundkaumreaktionszeitbedingteArte-faktemehr auf.DiesesPrinzipfindet sich bei sog.Transienten-Limitern sowieoptionalbeiMastering-Prozessoren.Laufzeitgliedersinddigitalleichtzurealisie-ren,undindigitalenKompressorenistdieFunktion(predict,lookahead)häufigvorgesehen.

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Tabelle 13.1 PhysikalischeundperzeptiveWirkungendesDynamikkompressors

Physikalische Wirkungen* Perzeptive Wirkungen* Nutzeffekt ( +)

Störeffekt ( – )

Attacklang(Δtatt≥3ms)

LangsamesAusregeln.

KurzeSpitzenwerdennichtabgeregelt.

UnauffälligeDynamikverminde-rung;LautheitserhöhungbeiNutzungdesKompressionshubsnichtmaximalmöglich.VerzerrungendurchÜbersteue-rungdernachfolgendenÜbertragungskettemöglich.

+

Attackkurz(Δtatt<3ms)

SchnellesAusregeln.

KurzeSpitzenwerdenabgere-gelt;geringereImpulshaftigkeit.

Signaldeformationimtieffre-quentenBereich;nichtlineareVerzerrung;erhöhterKlirrfaktor.

AuffälligeDynamikverminde-rung;SignalspitzenbestimmendieLautstärke;Klangverdichtung;LautheitserhöhungbeiNutzungdesKompressionshubsmaximalmöglich.UnterUmständengrößeresEmpfindenvonWeichheit(z.B.beiperkussivenKlängen).VerzerrungenbishinzuknackähnlichenStörungen.

–+(Gestaltungs-mittel)

+

Releaselang(Δtrel≥1s)

SeltenesRegeln.

GeringermittlererPegel;beikurzemAttackregelnkurzeSignalspitzennachhaltigdenPegel.

UnauffälligeDynamikverminde-rung;LautheitserhöhungbeiNutzungdesKompressionshubsnichtmaximalmöglich.GeringemittlereLautstärke;beikurzemAttacksindplötzlichenachhaltigeLautstärkeeinbrüchemöglich.

+

Releasekurz(Δtrel<1s)

DurchhäufigesRegelnModulationvonlangsamveränderlichenSignalanteilen.

ErhöhungvonRauhigkeitoderPumpen;Klangverdichtung;LautheitserhöhungbeiNutzungdesKompressionshubsmaximalmöglich.

–+(Gestaltungs-mittel)

*StärkeundHäufigkeitderWirkungenhängenaußerdemvondenEigenschaftendesNutzsignalsunddemgewähltenThreshold-Wertab.

FrequenzabhängigeKompression:DasSteuersignalkanngefiltertwerden,entwe-derdurcheinimKompressorvorhandenesFilteroderdasEinschleifeneinesexter-nen Filters. Am häufigsten wird diese Möglichkeit angewendet, indem mittelsEqualizer,HochpassfilteroderBandpasshochfrequenteSignalanteilerelativzudenrestlichenverstärktwerden.DieseSignalanteile,diez.B.beiSpracheArtikulations-undZischlautesind,bestimmensohauptsächlichdenRegelvorgangdesKompres-sors, der sich auf das gesamteNutzsignal auswirkt.Da bei Sprache dieseLautekaumgleichzeitigmitanderenauftreten,werdenvorallemersterevermindert,ohnedass das vorangehende oder nachfolgendeSignal komprimiertwürde.Auf dieseFunktionspezialisierteGeräte,diez.B.zurUnterdrückungvonS-Lauteneingesetztwerden,heißenDe-Esser.SieverfügenmeistübereinenBandpassmiteinervaria-

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blenEckfrequenz von 0,8 bis 8kHz.Man kann einen solchenVorgang so starkeinstellen,dassdiebearbeiteteStimmeregelrechtlispelt.

Fremdansteuerung:DurchSpeisungdesSideChainsmiteinemvölliganderen(meistkürzeren, repetitiven)Signalkannder imPop-undDance-Musik-BereichbeliebteDucking-Effekterzeugtwerden:Z.B.wirdeinstehenderKlangimRhyth-musdesSchlagzeugsimPegelvermindert,sodasseingezieltesPumpenentsteht.

Multibandkompression:DasNutzsignalwirdin(meistdreibisfünf)Bänderzer-legt.DieBänderwerdenzeitgleichinverschiedenenKompressoreinheitenkompri-miert und schließlich wieder zusammengemischt. Für verschiedene Frequenzbe-reichelassensichsounterschiedlicheKompressionsparametereinstellen,wasinderPraxismeistmitdemZielderLeistungs-unddamitauchLautheitsmaximierungeingesetztwird.DiesspieltinsbesondereimBereichdesRundfunkseinegroßeRol-le,woinderRegelvoneinemZusammenhangzwischenLautheitundSenderpräfe-renz ausgegangenwird, auchwenn es hierfür bislang keine empirischenBelegegibt.Mankannjedochvermuten,dassdiesebesonderseffektiveArtderKlangver-dichtung zumindes mittelfristig zu einer höheren Lästigkeit des Gehörten führt(Wagner1997).ZurückhaltendeingesetztkanneinMultibandkompressorhingegeneinerProduktiondenletztenSchliffverleihen.

ProgrammabhängigeParametersteuerung:DieKompressionsparameterkönnenunterBerücksichtigungpsychoakustischerZusammenhängedynamischandieSig-naleigenschaften angepasst werden (Hartwich et al. 1995). Speziell für Playout-Wege stehen hochwertige Dynamikprozessoren zur Verfügung, die Spitzenwert-und Effektivwertmessung, eine Analyse des Signalverlaufs mit dynamischerAnpassungderstatischenunddynamischenParameter,eineVerzögerungdesNutz-signals und seriell geschaltete Regelstufen (Multi-Loop-Architektur) funktionellverbinden.DadurchwirdeinekorrekteundzuverlässigeAussteuerungbeigleich-zeitigerperzeptiverUnauffälligkeitderRegelvorgängeundhoherklangfarblicherTreuemöglich.DieseMethodeistwenigerfürdieLautheitsmaximierungalsviel-mehrfüreinenormengerechteundklangqualitätserhaltendeModulationsaufberei-tungvonSendesummensignalengeeignet.

13.2.4.6 Einsatzgebiete

DynamikkompressorenkönneninallenProduktionsschritteneingesetztwerden:

• BeiderAufnahmesolleinKompressordieDynamikhochdynamischerSignale(z.B.Pop-undRockgesangoderBig-Band-Blechbläser)reduzieren,umsiezu-verlässigerundhöheraussteuerbarzumachen.De-EssersollenhochfrequenteSignalanteilegezieltreduzieren,umeinehoheAussteuerbarkeitdesaufzuneh-mendenSignalsaufanalogenMagnetbändernbeigeringenArtefaktenzuermög-lichen.

• InderAbmischungwerdeneinzelneSpurenmitdemZielderDynamikanpas-sung,derKlangverdichtungunddem„Hüllkurvendesign“(z.B.beiperkussivenSignalenwieTrommeln),alsoausgestalterisch-ästhetischenGründen,kompri-

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miert.AuchlässtsichmitdemMittelderFremdansteuerungkreativoderexperi-mentellarbeiten.

• DerGesamtmix(dasSummensignal)wirdteilweiseschonwährendderAbmi-schung komprimiert,mit demZiel derKlangverdichtung, eines ducking-ähn-lichenEffektsoderderLautheitserhöhung.

• Beim Pre-Mastering kommt v.a. Multibandkompression zum Einsatz, haupt-sächlichmitdemZielderLautheitserhöhung.

• ImRundfunkstudioistdieMultibandkompressionfesterBestandteildeswellen-typischenSoundprocessings,daseinkonstantes,wiedererkennbaresKlangprofilerzeugensoll.

• Ausspiel-bzw.SendewegewerdendurchKompressorenvortechnischenÜber-steuerungengeschützt,seiesdurcheinenBegrenzervordemPlattenschneidsti-chel,durcheinenTransientenlimitervorSende-Leistungsverstärkern(z.B.Sen-deröhren)oderUplink-Satelliten.

• SelbstinConsumer-GerätenkönnenKompressorenenthaltensein,dieoptionalfüreinesituationsgerechtegeringeProgrammdynamiksorgensollen,z.B.beimAutofahren.

DieAuflistungzeigt,dasselektronischeMedienheutefastausschließlichkompri-mierteTonsignaleübertragen.LediglichdigitaleTonträgermitklassischerMusikwerdennichtoder–beiProgramminhaltenmitsehrhoherDynamik(spätroman-tischeOrchestermusik,Orgelmusik)–nurgeringfügigkomprimiert.

13.2.5  Expander

EinExpanderisteinVerstärker,dessenVerstärkungsfaktorsichbeieinemuntereinerdefinierbaren Schwelle (Threshold) liegenden Bereich von Eingangssignalen ineinemvorbestimmtfestenodervariablenVerhältnis(Ratio)vergrößert.DasPrinzipder technischen Realisation entspricht dem eines umgekehrten Dynamikkompres-sors.DemnachwirdzwischenzubearbeitendemSignalundSteuersignalunterschie-den.DerSteuereingangwirdhierauchKeyInputgenannt.AuchbeimExpanderkannzwischenstatischemunddynamischemVerhaltenunterschiedenwerden.

13.2.5.1 Statisches Verhalten

AlsstatischesVerhaltenbezeichnetmandieArbeitsweisedesExpandersinAbhän-gigkeitvomPegel.MeistenssindhierfürdreiParametereinstellbar,dieinderPra-xisnichteinheitlichbenanntwerden:

• Threshold=–InputLevel=–InputGain• Ratio(entfälltbeieinigenModellen)• Range

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DieKennliniedesExpanderssetztsichausdreiAbschnittenzusammen,zweineu-tralenundeinemdazwischenliegendensteileren(Abb.13.11).DiehöhereSteigungderKennlinieunterhalbderAnsprechschwelleLThatzurFolge,dasseinePegelver-minderung des EingangssignalsΔLin nicht mehr dieselbe, sondern eine stärkerePegelverminderungdesAusgangssignalsΔLoutbewirkt.DieSteigungdiesesKenn-linienabschnittswirddurchdenParameterRatiobestimmt.AnalogzumKompres-soristdieRatioRdefiniertalsdasVerhältnisvonEingangs-undAusgangspegeldif-ferenz (Formel13.1)undkannüberdenAbflachungswinkelαberechnetwerden(Formel13.2,Abb.13.11).

DerSchwellwertoderExpandereinsatzpunkt (alsodieEingangsspannung,unterhalbdererdersteileKennlinienabschnittwirkt)wirdmitdemParameterThresholdbestimmt.DieDämpfungvonSignalen,derenPegelindenunterenKennlinienbereichfallen,wirdmitdemParameterRangeindBangegeben.Gehtmandavonaus,dassleiseSignaleStörsignalesind(z.B.ÜbersprechenbeiMikrofonaufnahmen,Hintergrundgeräusche),sokannmitihmderAbstanddesNutzsignalszudiesemStörsignaldosiertvergrößertwerden–eineNichtüberschneidungbeiderDynamikbereichevorausgesetzt.BeiderEinstellungdesExpandersalsNoiseGatebestehtdieKennlinienurauszweiAbschnit-ten,demoberenneutralenunddemsenkrechtverlaufendenmitderRatio0.IndiesemFallewerdenkeineSignaleunterhalbdesSchwellwertsübertragen.

Abb. 13.11 KennliniendesExpanders

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31.2.5.2 Dynamisches Verhalten

WiebeimKompressorbezeichnetmanauchbeimExpanderdiezeitabhängigeAr-beitsweisealsdynamischesVerhalten.SieistbedingtdurchdasVerstreicheneinerReaktionszeitnachÜber-undUnterschreitungdesSchwellwerts.IndiesemZusam-menhangsindfolgende,nichtimmereinheitlichbenannteParametereinstellbar:

• Attack• Release=Recovery=Decay• Hold

DieZeitkonstanteAttackisteinMaßfürdieZeitspanne,diederExpanderfürdasErreichen der neutralen Verstärkung benötigt, nachdem das Eingangssignal denSchwellwertüberschrittenhat(Ansprechzeit).ReleaseisteinMaßfürdieZeitspan-ne,diederExpanderfürdieDämpfungdesSignalsbenötigt,nachdemesunterdenSchwellwertgesunkenist(Rückstellzeit).HäufigkannanExpandernderRelease-Vorgangverzögertwerden,umeinungedämpftesAusklingendesNutzsignalszugewährleisten.DieseVerzögerungoderMindesthaltezeitwirdmitdemParameterHoldbestimmt.DasZeitverhalteneinesExpandersweistwiedaseinesKompres-sorseinenexponentiellenVerlaufauf,sodassdieeigentlichenRegelvorgängelän-gerdauern,alsdurchdieMaßeAttackundReleaseangegeben.Attack-Zeitenbewe-gen sichmeistens imBereichzwischen10µsund20ms,Hold-Werte zwischen0und10s,Release-Zeitenzwischen50msund10s.

13.2.5.3 Physikalische Signalveränderung

DieRegelvorgängedesExpanderserstreckensichübereinenweitenDynamikbe-reich.InsoweitkannesbeikurzenAttack-ZeitenzustarkenSignaldeformationenkommen.

13.2.5.4 Perzeptive Wirkung

ImGegensatz zumKompressor ist dieZielsetzungbeimEinsatz einesExpandersmeistens,dasSignaleinerakustischenQuellevonSignalenandererakustischenQuel-lenzutrennen,sodassnichtnurdieDynamikundLautstärkedesKlangsbeeinflusstwerden, sondernauchderEin-undAusklingvorgang.NebendemzumeistgroßenRegelbereichmachtdieseNähederRegelvorgängezudenwahrnehmungspsycholo-gischwichtigenOnset-undOffset-CueseineperzeptivunauffälligeEinstellungderExpander-Parameter schwierig.TypischeArtefakte sindKnackgeräuscheoderAn-undAbschnittedesNutzsignalsbzw.desStörsignals.AngemessenjustiertkanneinExpanderdenempfundenenStörgeräuschabstandvergrößern.IndenÜbertragungs-wegen verschiedener Schallquellen eingesetzt, kann so dieDurchhörbarkeit einesKlangbildsunddiePrägnanzdereinzelnenSchallquellenvergrößertwerden.Typi-scheBeispielesindDiskussionsrundenundSchlagzeugaufnahmen.

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13.2.5.5 Varianten

DiemöglichenodergebräuchlichenAbwandlungendesEinsatzesvonExpandernsindimGrundedieselbenwiebeiKompressoren.ZurBearbeitungvonaufnahme-seitigzweikanal-stereofonodermehrkanaligkodiertenSignalenmussderExpanderverkoppeltbetriebenwerden,indemdieSteuereingängezusammengeschaltetwer-den.ZurVermeidungvonAnschnittendesNutzsignalsdurchdieAttackzeitistdes-senVerzögerunggegenüberdemSteuersignalsinnvoll.InLive-Situationenistdiesnichtpraktikabel,sodassnachMöglichkeiteinvoreilendesSignalalsSteuersignalverwendetwird,z.B.vonKontaktmikrofonenbeiderÜbertragungvonTrommeln.PrinzipiellistnatürlichaucheinefrequenzabhängigeAnsteuerungeinesExpandersmöglich,wenngleichseltensinnvoll.HäufigangewandtwirdeineFremdansteue-rungdurchandere,insbesondereimpulshafteSignale.Solässtsichetwaeindurch-gängigerKlangdurchdenEinsatzeinesfremdgesteuertenNoiseGatesimRhyth-museinesperkussivenSoundszerhacken(Gater-Effekt).

13.2.5.6 Einsatzgebiete

ExpanderwerdenindenProduktionsschrittenAufnahme,Abmischung,Pre-Maste-ringundProgrammausspielungeingesetztunddienenjenachdemderStörgeräusch-verminderungoder derKlanggestaltung. InDynamikprozessoren fürSendewegeoderMasteringsystemekönnendieParametervonExpandernauchprogrammab-hängigsteuerbarseinmitdemZieleinermöglichsteffektiven,artefaktfreienundzuverlässigenStörgeräuschverminderung.

Abb. 13.12 KennlinieeineskombiniertenRegelverstärkers

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13.2.6  Kombinierte Regelverstärker

KompressorenundExpanderkönnenauchinSeriezueinemkombiniertenRegelver-stärkerverschaltetwerden,umdieHandhabungderDynamikzuvereinfachen.Dem-entsprechendwerdenkombinierteRegelverstärkerz.B.inweitgehendautomatischenÜbertragungs-oderBeschallungssystemeneingesetzt.IndergängigstenKombinati-onergebensichvierKennlinienabschnitteunddreiSchwellwertefürdenEinsatzvonExpander,KompressorundBegrenzer(Abb.13.12).

KombinierteRegelverstärker sindBestandteilmodernerDynamikprozessoren.Siewerden eingesetzt, umdieDynamik vonAudioprogrammen anmenschlicheDynamiktoleranzenanzupassen.NachLund(2006)lässtsichdertolerierbareDyna-mikbereichdurchdreiWertebeschreiben.EinenSchwerpunkt:denderbevorzugtenoderdefiniertenProgrammlautheitäquivalentenmittlerenAbhörschalldruckpegel;eine Obergrenze: den präferierten oder systemtechnisch gegebenen maximalenSchalldruckpegel(Spitzenwert);undeineUntergrenze:denderLautheitderStörge-räuscheäquivalentenmittlerenSchalldruckpegel.DiesofürverschiedeneWieder-gabesysteme bzw. -situationen ermittelten Ober- und Untergrenzen und die sichdarausergebendentolerierbarenDynamikbereichezeigtAbb.13.13.

Abb. 13.13 Ober-undUntergrenzentolerierbarerDynamikbereichevonAudio-KonsumenteninverschiedenenHörsituationen,dargestelltalsDifferenzzudenjeweilsdefiniertenoderempirischpräferiertenlautheitsäquvalentenWiedergabeschalldruckpegeln(z.B.Kino:83dBSPL),nach(Lund2006)

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13.2.7  Filter

Nach etablierterAudio-Terminologie dienenFilter der klangfarblichenKontrollevonAudiosignalendurchVeränderungdesFrequenzspektrumsvonSignalen.FürdieklangfarblicheWirkungistdabeiv.a.derAmplitudengangvonBedeutung,derPhasenganghingegenistinbestimmtenGrenzenvernachlässigbar.TechnischsindFilteranalogalspassiveoderaktiveRC-Schaltungenkonzipiert,inletzteremFallez.B.alsOperationsverstärkermitfrequenzabhängigerGegenkopplung.Inderdigi-talenSignalverarbeitungwerdengenerellAlgorithmenzurAdditionundMultipli-kation vonAbtastwerten als Filter bezeichnet, selbst wenn derAmplitudengangdabeinichtverändertwird(Kap.15.3.1).FiltersindalsMischpult-Komponenten,Stand-alone-HardwareoderPlug-insverfügbar.

ImeinfachstenFallbesitzteinFiltereinefesteFlankensteilheit,dieüblicherweiseindB/OktaveoderdB/Dekadeangegebenwird.TechnischwerdenFilterverschie-denerOrdnungunterschieden.JehöherdieOrdnungszahln,destohöherdieFlan-kensteilheit,diesichzun·20dB/Dekadebzw.n·6dB/Oktaveergibt.Jenachdem,obdieDämpfungmitsteigenderodersinkenderFrequenzzunimmt,handeltessichumeinTiefpass-odereinHochpassfilter(Abb.13.14).DieFrequenz,anderdieDämp-

Abb. 13.14 Tiefpassfilter(oben)undHochpassfilter(unten)verschiedenerOrdnungmiteinerGrenzfrequenzvonf1=500Hz

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fung3 dBbeträgt,wird alsGrenzfrequenz bezeichnet. Sie ist üblicherweise dereinzigejustierbareParametereineseinfachenFilters.

SchaltetmanbeideFiltertypenhintereinander,ergibtsich inAbhängigkeitderReihenfolgeihrerGrenzfrequenzeneinBandpassodereineBandsperre(Abb.13.15mitentsprechendenFiltern5.Ordnung).ZurEliminierungeinzelnerStörfrequenzen(z.B.Netzbrummen)werdenspezielle, schmaleBandsperrenmithoherFlanken-steilheiteingesetzt,diealsNotch-Filterbezeichnetwerden.

13.2.7.1 Equalizer

EineinderAudiotechnikspezielleundhäufigeingesetzteArtvonFilternsindEqua-lizer(Entzerrer).ModerneEqualizerbesitzeneinenAmplitudengang,dersichnacheinem Abschnitt frequenzabhängiger Verstärkung bzw. Dämpfung asymptotischeinemeinstellbarenZielpegelannähert,alsoeinenBereichweitgehendfrequenzun-abhängigdefinierbarerVerstärkungaufweist.ImUnterschiedzumeinfachenFilterkannnebenderGrenzfrequenzdaherauchderVerstärkungspegelimentsprechendenFrequenzbereichalsParameterverändertwerden (halbparametrischerEqualizer).LiegtdieserBereichzwischenzweidefiniertenGrenzfrequenzenf1undf2,alsoin-mittendesFrequenzbereichsdesNutzsignals,sosprichtmaninAnlehnungandieFormdesAmplitudengangsvoneinemGlockenfilter (bell)oderPeak-filter,dasdurcheineBandbreiteB=f2-f1,eineMittenfrequenzundeinenVerstär-kungspegelLbeschriebenwerdenkann (Abb.13.16). IstderBereichnacheinerSeiteoffen,liegteralsoamlinkenoderrechtenRanddesÜbertragungsbereichs,sowirdderEqualizeralsShelf-Filterbezeichnet.VollparametrischeEqualizerermög-lichennebenderEinstellungderMittenfrequenzauchdieEinstellungdesGütefak-tors Q (Abb. 13.16), wobei Q = f0/B. Manche Equalizer kompensieren die beiL≠0dBmiteinerÄnderungvonQeinhergehendeÄnderungderakustischenLeis-tung(unddamitLautstärke)desbearbeitetenSignals.FiltermitfestenMittenfre-

Abb. 13.15 Bandpass(links)undBandsperre(rechts)5.Ordnung

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quenzenundfesterGüte,meistenszuBatterienmit10oder30Bänderngruppiert,werdenalsgrafischeEqualizerbezeichnet.

DadieAusprägungdesHelligkeitseindrucks,aberauchderEindruckvonklang-farblicherInhomogenität(dröhnend,hohl),wiesiez.B.durchResonanzeffekteher-vorgerufenwerdenkann(Abgeschlossenheits-DimensionnachNitsche1978,S27,Abb.13.32),starkvomBetragsspektrumbestimmtwird,kannsiemitFilternverän-dertwerden(zuKlangfarbentheorienimÜberblickvgl.Muzzulini2006).EinfacheFilterwerdenhauptsächlichzurVerminderungvonNebengeräuschen (z.B.Tritt-schall)oderunerwünschtenNutzsignalanteilenindenspektralenAußenbereicheneingesetztundnurbedingtimkreativ-gestalterischenSinne.ImletzterenFallewirdaufdieklangfarblicheDimensionderHelligkeitEinflussgenommen.Mitparame-trischenEqualizernläßtsichdasFrequenzspektrumeffektivundzugleichdifferen-

Abb. 13.16 TypenundParametervonEqualizern:PeakfiltermitverschiedenenVerstärkungs-pegeln(obenlinks),Mittenfrequenzen(obenrechts)undGüten(untenlinks)sowietiefen-undhöhenwirksameShelf-FiltermitverschiedenenVerstärkungspegeln(untenrechts)

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ziertbeeinflussen,entsprechendumfassendauchderKlangfarbeneindruck.InderPraxisstellendieAbhörbedingungeneinenStörfaktorbeiderEqualisierungdar:IneinemExperimentvonBörja(1978)wiesendieDifferenzspektrenvoninverschie-denen Regieräumen angefertigten Musikmischungen Ähnlichkeiten mit der in-versenkombiniertenÜbertragungsfunktionvonLautsprecherundWiedergaberaumauf.DasErgebniseinerKlangeinstellungwirdaußerdemdurchdasursprünglicheSpektrumdes zu bearbeitendenSignals beeinflusst, daswie einAnkerreizwirkt(Letowski1992).EinegetrennteEinflussnahmeaufEinschwingvorgängeundqua-sistationäreAbschnitte, bzw. generell aufKlangfarbenverläufe istmit herkömm-lichenFilternbzw.Equalizernnichtmöglich,dieskannjedochdurchdigitalreali-siertedynamischeFiltergeschehen.

EinsatzgebietedesEqualizersreichenvonderEntfernungbestimmterStörsig-naleüberdieKompensationstörenderFormanten,dasinderpopulärenMusikver-breiteteAufhellenvonKlängenunddiepartielleBeeinflussungderTiefenlokalisa-tionbiszustarkenVerfremdungseffekten,etwademkontinuierlichenDurchstimmenschmalerEqualizer-Bänder über einen größerenFrequenzbereich (Filter-Sweep).GrafischeEqualizerwerdenhäufigfüreineFrequenzganganpassungvonBeschal-lungsanlagenanspezifischeräumlicheGegebenheiteneingesetzt.

13.2.8  Verzerrer

AlsVerzerrerkannmanalleAudiobearbeitungsmittelbezeichnen,dienichtlineareVerzerrungenverursachenmitdemZiel,deutlichwahrnehmbareArtefaktezupro-duzieren.EsexistierenvielfältigeBezeichnungenbzw.TypenwieDistortion,OverDrive,Crunch,Fuzzetc.DienichtlinearenVerzerrungenwerdeninVorverstärkern,EndstufenoderEffektgerätendurchdieÜbersteuerungvonVerstärkerstufenverur-sacht,indemRöhrenoderHalbleiterimnichtlinearenBereichihrerKennliniebe-triebenwerden.JenachAnsteuerungspegel,dermiteinemmeistalsGain,BoostoderDrivebezeichnetenReglereinstellbarist,wirddasSignalmehroderwenigerstarkdeformiertbzw.abgeschnitten(clipping),waseinerPegelbegrenzungundderAdditionzusätzlicherPartialtönegleichkommt(Kap.21.4).BeimusikalischenTö-nen(mehrerePartialtöne)verursachteinenichtlineareVerzerrunginfolgevonSum-men-undDifferenzfrequenzenSignalanteile,diegemeinsamalsrauundgeräusch-haftempfundenwerden.DieverschiedenenGeräteoderProgrammeunterscheidensichhauptsächlichinderFormdergenutztenKennlinie.SieistfürdieHärtedespegelabhängigenEffekteinsatzesund–infolgeunterschiedlichstarkerAusprägun-genverschiedenerObertonklassen, z.B.gerad-oderungeradzahligerObertöne–dieKlangfarbedesEffektsverantwortlich,diehäufigzusätzlichmitFilternverän-dert werden kann. Der hohe Obertongehalt und die hohe akustische Leistunginfolge der Begrenzungswirkung machen mit Verzerrern bearbeitete Signale imKlangbild auffällig und durchsetzungsstark. Entsprechende Effekte werden vorallemzurGestaltungvielfältigerE-Gitarren-Sounds eingesetzt.NebenderheuteüblichendigitalenRealisierungvonursprünglichanalogerzeugtenVerzerrungen

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etablierensichauchtypischeArtefaktederdigitalenAudioübertragungalsEffekte.Sobewirktz.B.derBitcrusherdurchdieVerringerungderWortbreitegezielteineVergrößerung desQuantisierungsfehlers und damit eine klirrende, störgeräusch-behafteteVerzerrung.

13.2.9  Enhancer

AuchEnhancerdienenderObertonerzeugung,imGegensatzzumVerzerrersolldieKlangbearbeitungabernichtalsdeutlichesArtefakt,sondernvielmehralsdezenteklangfarblicheAnreicherungwahrgenommenwerden.DazuwerdenObertöneaushoch-oderbandpassgefiltertenTeilendesAusgangssignalserzeugt.DieGrenzfre-quenzenderjeweiligenFiltersindmiteinemmeistalsTunebezeichnetenParameterwählbar, die Stärke der Obertonerzeugung mit dem Parameter Drive. Das unterUmständen starkobertonhaltigeSignalwirddemAusgangssignalnun in äußerstgeringerDosierungzugemischt(Parametermix).EinigeProzessorennehmenzu-sätzlicheineBearbeitungauchdertiefenFrequenzendurchKompressionund/oderVerzögerungvor.EnhancerwerdensowohlaufEinzelklängealsauchaufkompletteMischungenangewendetund sollendieHelligkeit undLebhaftigkeit desAudio-inhaltssowieggf.dieSprachverständlichkeiterhöhen.EinähnlichesPrinzipkommtinPlug-ins zurRöhren-bzw.Bandsättigungs-SimulationzurAnwendung,wobeigeradzahligebzw.ungeradzahligePartialtöneerzeugtwerden.

13.2.10  Delayeffekte

DieVerzögerungvonSignalenistdigitaleinfachzurealisierenundGrundlagever-schiedenerEffektgerätebzw.perzeptiverWirkungen.JenachKombinationverschie-denerVerzögerungszeiten,verschiedenerPegeldifferenzen,ein-undmehrmaligerSignalwiederholung, zeitlich regelmäßiger oder unregelmäßiger Signalwiederho-lung sowie räumlich identischer oder getrennter Wiedergabe von Original- undverzögertenSignalenkommenverschiedenepsychoakustischeEffektewieKlang-verfärbung,Raumeindruck,EchowahrnehmungundLokalisationswirkungen(Sum-menlokalisation,PräzedenzeffektoderHaas-Effekt)zumTragen.ZuLokalisations-effektens.Kap.3,fürdurchkomplexeReflexionsmusterverursachteRaumeindrückes.Abschn.13.2.11.

WerdeneinSignalunddasselbeum∆t verzögerteSignal summiert, resultierteinealsKammfiltereffektbezeichnetelineareVerzerrung,diebeidenFrequenzenfpeakn

=n/∆tjeweilseineÜberhöhungundbeifdipn=(2n-1)/2∆tjeweilseineAbsen-

kungaufweist.DierelativenPegeldieserPeaksundDipshängenvonderPegeldif-ferenzzwischenBezugssignalundverzögertemSignalab(Abb.13.17).

Auf perzeptiver Ebenewerdenmit steigenderVerzögerungszeit nacheinanderdie Wahrnehmungsqualitäten Klangfarbe, Räumlichkeit und Echo angesprochen

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bzw.inihrenAusprägungenverändert.BeibreitbandigenAudioinhaltenmitgerin-gerTonhaltigkeitkannesaufgrundderpartialtonähnlichenregelmäßigenLagederPeaksundDipsimFrequenzbereichnebendemEindruckklangfarblicherVerände-rungauchzurTonhöhenempfindungkommen.Manunterscheidetdabeieinkanaligeund meist einohrige Darbietung der zeitversetzten Signale (monaural repetitionpitch)undbeidohrigeDarbietungderinterauralzeitversetztenSignale(dichoticre-petition pitch); vgl. Hartmann (2005). Die genauenVerzögerungszeiten, die dieÜbergängederWahrnehmungsqualitätenmarkieren, unddieGrößederÜberlap-pungsbereichehängenvonvielenFaktorenab,insbesonderevonSignaleigenschaf-tenwieImpulshaftigkeit,TonhaltigkeitundSpektrum,derPegeldifferenzzwischenBezugssignal und verzögertem Signal und der Schulung des Gehörs (vgl. Kap.3.3.2).

Kammfiltereffekte können auch beiMikrofonaufnahmen durch ÜberlagerungdesDirektsignalsmitakustischenReflexionen,z.B.durcheinSprecherpult,verur-sachtsein.Brunner et al. (2007) zeigten, dass Expertenhörer bei Kammfiltereffek-Brunneretal.(2007) zeigten, dass Expertenhörer bei Kammfiltereffek-(2007)zeigten,dassExpertenhörerbeiKammfiltereffek-tendurchschnittlichnochPegeldifferenzenvon18dBzuverlässigentdeckenkön-nen, imEinzelfallsogarPegeldifferenzenvon27dB.DieVersuchspersonenrea-giertenbeiVerzögerungszeitenzwischen0,5und3msamempfindlichsten.DiesentsprichteinerSchallweglängevon0,17bis1m,diebeiderMischungvonMikro-fonsignalenvermiedenwerdensollte.

VerzögerungsgeräterealisierendenalsParameterDelayTimewählbarenZeit-versatzheutedurcheinedigitaleZwischenspeicherungdesSignals.DieVerzöge-rungszeitkannumihrenjustiertenWertherumvariiertwerden(modulation),wastechnischeinergeändertenAuslesegeschwindigkeitundperzeptiveinerTonhöhen-änderung gleichkommt. Die Modulation kann entweder periodisch durch einenTieffrequenzoszillator(Parameterspeed),signalverlaufsabhängigdurcheinenHül-kurvengenerator(envelope)oderzufällig(random)gesteuertwerden.DieModula-tionstiefe istmit demParameterDepth einstellbar.Das verzögerte und ggf. fre-quenzmodulierteSignalkannnundemOriginalsignaldosiertzugemischtwerden

Abb. 13.17 BetragsfrequenzgangeinesKammfilters,dassichdurchdieÜberlagerungzweieridentischerzeitversetzterSignaleergibt(links),undPegelderÜberhöhungen(peaks)undSenken(dips)derKammfilterfunktioninAbhängigkeitvonderDämpfungdesverzögertenSignals(rechts)

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(mix) und zugleich zum Eingang der Verzögerungsstufe rückgekoppelt werden(feedback).AufwändigeGeräte beinhaltenmehrere paralleleVerzögerungsstufenoderermöglichenzusätzlichDynamik-,Filter-undPanorama-Modulationen.

Tabelle 13.2 TypischeDelayeffekte

Effekt/Artefakt delaytime modulation feedback

Verzögerungsingledelay

>40ms nein nein

Verdopplungdoubletracking

20–40ms nein nein

Echo >100ms nein ja

multitapdelay mehrerediskretjustierbareVerzögerungszeiten

beliebig beliebig

Chorus 15–30ms ja nein

Flanger 1–10ms ja ja

DurchdieWahlbestimmterKombinationenvonParameternlassensichverschie-deneklassischeDelay-oderModulationseffekteerzeugen(Tabelle13.2).Eineein-facheVerzögerung(singledelay)miteinerDelayzeitbiszueinigenSekundenver-mitteltdenEindruckeinesRückwurfs,wieerähnlichinderNaturangroßenundmehroderwenigerweitentferntenreflektierendenFlächenauftritt(Stadion,Wald-rand,Felswand);ZeitenimBereichderEchoschwellewerdenhäufigzurVerdopp-lungvonGesangsstimmengewählt(doubletracking).Delayzeitenzwischen100msundeinigenSekundenergebeninVerbindungmitleichtemoderstarkemFeedbackdenklassischenEcho-Effekt.MehrereunabhängigvoneinanderinDelaytimeundMixeinstellbareVerzögerungseinheitenermöglichendieGenerierungauchnicht-periodischerWiederholungsmusterbzw.Rhythmen(multitapdelay).Chorus-undFlanger-EffektbasierenaufderMischungvonOriginal-undverzögertemSignal,wobeidieVerzögerungszeitperiodischvariiertwird,wasaufeinewaagerechteStre-ckungundStauchungderKammfilterkurveinAbb.13.17hinausläuft.DiebeidenEffekte unterscheiden sich in derWahl der Delayzeit und im Feedback-Einsatz.BeimFlanger-EffektdominiertperzeptivdieveränderlichekomplexeKlangverfär-bungmitTonhöhencharakter,derChorushingegenschafftnebeneinerdunkleren,wenigerauffälligenKlangfärbungeinenEindruckvonRäumlichkeitundverleihtdembearbeitetenSignalsomehrKlangfülle.DieEffektsignalemüssennichtmitdemOriginalsignal gemischt, sondern können auch auf anderenKanälen ausge-spieltwerden,umstereofoneingesetztwerdenzukönnen,wasz.B.typischfürdasDoubleTrackingist.DelayeffektewerdenhauptsächlichinderProduktionvonPo-pularmusikeingesetztundsindhäufigmusikstrukturellabgestimmt.DieDelayzeit,dieeinembestimmtenNotenwertbeieinembestimmtenTempoentspricht,berech-netsicheinfachdurchT=k·60/b[s]ausdemTempobinbpm(beatsperminute)undderNotenwert-KonstantekinBruchteilendesGrundschlag-Wertes,meistderVier-

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telnote(z.B.=0,25bzw.=2).BeiderÜbertragungklassischerMusikwerdenDelaysauchfürdieVerzögerungderSignalevonStützmikrofoneneingesetzt(Kap.10.5.3).

13.2.11  Nachhall

GerätezurErzeugungvonkünstlichemNachhallerfülleneineVielzahlvonFunk-tionen.BeiderProduktionklasssischerMusikwerdensieinderRegelzurVerlän-gerungderNachhalldauereingesetzt,wenndieAufnahmeineinerakustischnichtvollständigbefriedigendenUmgebungstattfindet. InderPopularmusik,womeistmitdichtmikrofoniertenSignalenmitgeringemräumlichenAnteilgearbeitetwird,entstehtdieräumlichePerspektive(Entfernung,Raumgröße,Halligkeit)erstdurchdieMischung des aufgenommenen Signalsmit künstlichemNachhall, häufig inKombinationmiteinzelnenReflexionen,wiesiedurchseparateDelayeffekte(Ab-schn.13.2.10)oderdurchdenNachhallalgorithmusselbstgeneriertwerden.AuchwennkünstlicherNachhallheutepraktischausschließlichdurchdigitaleEffektge-räteerzeugtwird,isteinkurzerRückgriffaufdieVorgeschichteanalogerVerfahrenalleindeshalbinteressant,weileinigedieserVerfahren(wiedieHallplatte)mitderihneneigenenKlangcharakteristik auchvondigitalenAlgorithmen simuliert undeingesetztwerden.

DasältesteWerkzeugzurErzeugungvonzusätzlichemNachhallwarenHallräu-me,wiesieunmittelbarnachAblösungdesmechanisch-akustischenAufnahmever-fahrensdurcheineelektroakustischeÜbertragungsketteum1925eingerichtetwur-den. Die Möglichkeit der elektrischen Mischung von an verschiedenen Ortenaufgenommenen,mikrofoniertenKlängenwurdegenutzt, umSignaleüberLaut-sprecherineinenRaummitstarkreflektierendenWändeneinzuspielen,überMikro-fonezurückzuführenunddemQuellsignalalsräumlichenAnteilzuzumischen.Inden1930erJahrenwardiesgängigePraxisindenAufnahmestudiosbeiRundfunkundSchallplatte,ebensowiebeimFilm(Rettinger1945).

NachEinführungdermagnetischenAufzeichnungstechnikwurdeninden1950erJahreneineReihevonNachhallerzeugernentwickelt,diemitmagnetischbeschich-tetenRädernarbeiteten,derenOberflächemiteinerReihevonAufnahme-undWie-dergabeköpfenbespieltundausgelesenwurdeundsoeineabklingendeFolgever-zögerterReflexionenproduzierte, derenzeitlicheStrukturdurchdiePositionderTonköpfevorgegebenwar.SolcheApparatekamensowohlimStudiobetriebzumEinsatz (Axonet al. 1957) als auchzurNachhallverlängerungvonKonzertsälen(Kap.5.5,Abb.5.46).

UniverselleVerbreitung fand die 1957 von der deutschen Firma EMT einge-führteHallplatte.Einerechteckige,anihrenEckpunkteneingespannteStahlplattevon1x2mKantenlängewurdedurcheinenelektrodynamischenWandlerzuBiege-schwingungenangeregt,diesichentlangderPlattenoberflächeausbreitetenundandenKanten reflektiertwurden.DiesesReflexionsmusterwurde an einer anderen

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StellederPlattepiezoelektrischabgenommenundineinelektrischesSignalzurück-gewandelt.DurcheineandieHallplatteangenäherteDämmplattekonntedieNach-hallzeitzwischen1und5seingestelltwerden(Kuhl1958).DieHallplatteEMT140lieferte zunächst nur einmonofonesSignal, seit 1961war siemit einem stereo-fonen, seit1973auchmiteinemquadrofonenAbnehmererhältlich (EMT1983).DasgleichePrinzipderNachhallerzeugungkamauchbeimNachfolgemodell,der1971eingeführtenHallfolieEMT240zuEinsatz.Dabeiwurdeeinenurnoch27x29cmgroßeFolieauseinerGold-LegierungpiezoelektrischzuSchwingungenange-regtundderenReflexionsmusterdurcheinendynamischenWandlerabgetastet.DerVorteilgegenüberderHallplattelagnebenderKompaktheitdesSystemsvoralleminderhöheren,einemnatürlichenRaumähnlicherenEigenfrequenzdichtederFo-lie.DiegeringeEigenfrequenzdichteisthauptverantwortlichfürdenmetallischenundtendenziellkleinräumigenKlangderHallplatte.

AlgorithmenzurErzeugungvonNachalldurchdigitaleSignalverarbeitungwur-den bereitsAnfang der 1960er Jahre vorgeschlagen (Schroeder 1961). Der sog.Schroeder-Algorithmus(Schroeder1962,Abb.13.18)verwendetevierparallelge-schalteteRückkopplungsschleifen(IIR-Filter,Kap.15.2.2),dieaufgrundihresFre-quenzgangsauchalsKammfilter(combfilter)bezeichnetwerden.DurchgeschickteWahlderVerzögerungenm1bism4kanndasFiltersoentworfenwerden,dasssichdieBergeundTälerdesFrequenzgangsgegenseitiginetwakompensieren.DurchzweinachgeschalteteAllpass-FiltermitlinearemFrequenzgang(Kap.15.2.2,Abb.15.18)wirddieAnzahlderReflexionenjeweilsnocheinmalverdreifacht.

Anfangder1960erJahrestandnochkeineRechnerarchitekturzurVerfügung,umAlgorithmendiesesTypsinEchtzeitauszuführen.InderComputermusik,fürdienichtnotwendigerweiseinEchtzeitrealisierteBerechnungvonKompositionen,fandenrekursiveNachhallalgorithmenjedochsehrfrühEingang,etwaindasMitte

Abb. 13.18 Schroeder-AlgorithmuszurNachhallsynthese

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der 1960er Jahre am Computer Center for Research in Music and Acoustics(CCRMA)inStanfordvonJohnChowningentwickelteProgrammzurräumlichenSteuerungvonSchallquellen(Chowning1971),daszumerstenMalbeiderKom-positionTurenas(1972)zumEinsatzkam.Mitteder1970erJahrewurdedieErzeu-gungvondigitalemNachhallinEchtzeitaufeinemindustriellenGroßrechnerde-monstriert(Baederu.Blesser1975),bevorwiederumderFirmaEMTmitdem1976vorgestellten digitalen Nachhallgerät EMT 250 die erste Implementierung einesrekursivenNachhallalgorithmusaufeinemtonstudiotauglichenDigitalrechnerge-lang. Es erlaubte einen viel weitergehenden Zugriff auf einzelne Parameter undKlangeigenschaftendesNachhallsalsdiesbeianalogenGerätenmöglichwar.InderFolgezeitstiegmitderRechenleistungvonMikroprozessorensowohldieÜber-tragungsqualitätderNachhallerzeuger(dasEMT250arbeitetemit24kHzAbtast-frequenzund12bitWortbreite)alsauchdieKomplexitätderimplementiertenAlgo-rithmen.Soerweiterte(Moorer1979)denSchroeder-Algorithmusumzweiweitere,parallelgeschalteteComb-FilterundeinenTiefpassersterOrdnunginjedemRück-koppelungszweigzurBedämpfunghoherFrequenzen,wiesieinderRealitätdurchdieLuftabsorptionunddasAbsorptionsverhaltenderWändegegebenist.AußerdemwerdenFlatterechos,wiesiebeikurzentransientenSignalehörbarwerdenkönnen,inihrerWirkungabgemildert.

Das von Jot u.Chaigne (1991) analysierteGeneral FeedbackDelayNetworkkannalsVerallgemeinerungderAlgorithmenvonSchroederundMoorerverstandenwerden.EserreichteinemaximaleDichteundeinemaximaleKomplexitätinderzeitlichenStrukturderReflexionsfolge, indemdieAusgängeparallelgeschalteterDelaylinesaufalleEingängerückgekoppeltundgemischtwerden.DieGewichtederRekursionwerdendurcheineFeedbackMatrixkontrolliert.Durcheinegeeig-neteWahl derKoeffizienten für das Feedback, für ein in jederRückkopplungs-schleifebefindlichesAbsorptionsfilterundfüreinamAusgangliegendesKorrektur-filterkann,imGegensatzzumSchroeder-Algorithmus,daszeitlicheundspektraleVerhaltendesNachhallsunabhängigvoneinanderkonfiguriertwerden.

Abb. 13.19 GeneralFeedbackDelayNetworkzurErzeugungvonnachhallähnlichenReflexions-musternmiteinerdurchdieFeedbackMatrixA=(aij)gewichtetenParallelschaltungvonRückkopplungsschleifen,Absorptionsfilternhi(z)zurSimulationderAbsorptionvonLuftundWändenundeinemKorrekturfiltert(z),nachJotu.Chaigne(1991)

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AuchwenndasgenaueDesignmodernerNachhallalgorithmenbeiallenHerstellerneinmehroderwenigerstrenggehütetesFirmengeheimnisist,darfmandavonaus-gehen,dasssieimPrinzipaufeineminAbb.13.19skizziertenAlgorithmusberu-hen.KomplexeImplementierungenwiedieProgrammederFa.Lexicon,diesichseitEndeder1970erJahremitdenModellen224L(1978),480L(1986)und960L(2000) als Marktführer etabliert hat, verwenden auch zeitvariante Elemente wieeinezufallsgesteuertezeitlicheundspektraleModulationfrüherReflexionen,wiesieinrealenRäumendurcheineBewegungderSchallquelleoderdesHörersunddurchdiefrequenzabhängigeRichtwirkungderQuellenentstehen.

GerätezurNachhallsynthesedurchIIR-FilterbietendemBenutzereinegroßePalette an Parametern zurKonfiguration des erzeugtenReflexionsmusters.Dazugehört zunächst eineAuswahl verschiedenerRaumtypen (church, hall, chamber,room),durchdieGrundparameterdesNachhallprogrammswieNachhallzeit, dieStrukturfrüherReflexionensowieReflexionsdichteundEigenfrequenzdichtevor-eingestelltwerden.AucheineSimulationdesVerhaltensderNachhallplatte(plate)gehörtzumRepertoirefastallerNachhallprogramme.JedesdieserProgrammebie-teteinenParameterfürdieRaumgröße(size),derhäufigalsMaster-ReglereineinsichkonsistenteEinstellungandererParameterbewirkt,fürdieNachhallzeit(reverbtime),einenFaktorfürdieÄnderungderNachhallzeitbeitiefenFrequenzen(bassmultiply),eineGrenzfrequenzfürdieDämpfunghoherFrequenzen(rolloff)unddieAbnahme der Nachhallzeit zu hohen Frequenzen (treble decay), Parameter zurSteuerung der Hüllkurve im Ein- undAusschwingvorgang (shape, spread), eineZeitverzögerungdesNachhallsgegenüberdemEingangssignal(predelay)undPa-rameter zurErzeugung einzelner früherReflexionenmit definierterZeitverzöge-rungunddefiniertemPegel.

SeitEndeder1990erJahreistdieRechenleistungvonProzessorenhochgenug,umkünstlichenNachhallnichtnurdurchrekursiveAlgorithmenzuerzeugen,son-dernauchsog.Faltungsalgorithmen inEchtzeitauszuführen.FaltungsalgorithmensindFIR-Filter,derenFilterkoeffizientendurchdieAbtastwertederImpulsantwortvonrealenRäumengebildetwerden.DurchdiesenProzess,derumeinVielfacheshöhereAnforderungenandieRechenleistungstelltalsrekursiveAlgorithmen(beieinerNachhallzeitvon2sund48kHzAbtastfrequenzsindbereits96.000Filterko-effizientenerforderlich),kannjedemEingangssignaleinNachhallverlaufaufgeprägtwerden,dersichzeitlichundspektralnichtvoneinemimrealenRaumaufgenom-menenNachhallunterscheidet.SeitderEinführungeineralgorithmischenLösung,diegleichzeitigdenAufwandunddieLatenzderBerechnungminimiert,d.h.dasErgebnis der Faltung amAusgang des Prozessors praktisch verzögerungsfrei zurVerfügungstellt(Gardner1995),wurdeauchdiesesVerfahrenzunächstaufexternenDSP-Architekturenrealisiert(SonyDRE-777,YamahaSREV1).SeiteinigenJahrenistesalsFunktiondigitalerAudioworkstationsoderinFormvonPlug-insauchaufHost-ProzessorenlauffähigundwirdmeistmiteinerBibliothekvonImpulsantwor-tenausgeliefert,dieeinbreitesSpektrumraumakustischerUmgebungenabdecken.

ImGegensatzzurekursivenNachhallalgorithmenbieteteinFaltungshallaller-dingsnurbegrenztenZugriffaufdieStrukturdesNachhalls.InderRegelistnureinPredelayverfügbar,umdenNachhallgegenüberdemDirektsignalzuverzögern,

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sowieeinParameterzurModifikationderNachhallzeit,derdasAusklingenderIm-pulsantwortverkürztoderverlängert.

ImHinblick auf eine Simulation desReflexionsverhaltens natürlicherRäumekanndieNachhallsynthesemitEinführungdieserFaltungsalgorithmenimGrund-satzalsgelöstangesehenwerden,auchwennzeitvarianteElemente,wiesieetwadurchdieBewegungvonQuelleundHörerentstehen,durcheineImpulsantwort,dienureineMomentaufnahmedesÜbertragungssystemsdarstellt,nichtabgebildetwerden.WeilzudemhäufignichtdieSimulationeinesnatürlichenRaumsimVor-dergrundsteht,sonderndasHinzufügenspezifischerräumlicherAnteilezueinembereitsraumbehaftetenSignal,sindauchrekursiveNachhhallalgorithmennachwievoreinunverzichtbaresWerkzeugderKlanggestaltung,dasiebeiderräumlichenEffektbearbeitungeinergrößerenGestaltungsspielraumermöglichen.

13.2.12  Pitch Shifting

DieFunktionvonPitch-Shifting-EffektenbestehtgemäßihrerBezeichnunginderVerschiebungderTonhöhevonAudiosignalen.DieentsprechendeSignalverarbei-tung beruht auf dem Prinzip des Phase-Vocoders, eines FFT-basiertenAnsatzes(Bernsee2005),oderderGranularsynthese,diemitkleinenAbschnittendesdigi-talenAudiomaterials (grains) im Zeitbereich operiert (Roads 2001). Man unter-scheidet zwischen einfachen Pitch Shiftern, bei denen Tonhöhenverschiebungenfestbzw. fürverschiedeneZeitabschnittevoreinstellbar sind,Harmonizern®,diedurchRückkopplungMehrklängeausgeschichtetenidentischenIntervallenerzeu-genkönnen,undGerätenzurautomatischenTonhöhenkorrektur,diedurcheinedy-namischeSteuerungderParameterinAbhängigkeitvondenErgebnisseneinerTon-höhenbestimmunggeschieht(vgl.z.B.AntaresAudioTechnologies2006).Zudenjustierbaren Parametern gehören dieTonhöhendifferenz (pitch, detune) bzw. dieStärkeeinerautomatischenKorrektur(amount),dieKorrekturgeschwindigkeit(at-tack, retune speed), dieTonhöhenunterschiedsschwelle, unter der eineKorrekturstattfindet(window),sowieTypundStimmungderBezugstonartbzw.-skala(scale).DarüberhinausbietenheutigeGeräteausführlicheAnalysefunktionenund-darstel-lungen, erweiterte Tonhöhenfunktionen (z.B. Vibratogestaltung) und integrierteDynamikfunktionen(z.B.De-Esser).WerdenTonhöhenverschiebungenvonweni-gen Cents gewählt, ergibt sich durch Mischung mit dem unbearbeiteten SignalaufgrundderentstehendenSchwebungeinchorus-ähnlicherEffekt.DurchTonhö-henverschiebungen in derGrößenordnungmusikalischer Intervallewird die ent-sprechendeStimmetransponiertundsoindasmusikalisch-strukturelleGefügeein-gegriffen. Durch mehrfache simultane Tonhöhenverschiebung können aus einerStimmeMehrklängegebildetwerden.SpeziellaufdieGenerierungvonOber-und/oderUnteroktavenausgelegteGerätewerdenalsOctaverbezeichnet.VieleGeräteermöglichen statt einer intervallstarren Transposition die Berücksichtigung vonTonartenoderinEinzeltönenvorgegebenenSkalen(intelligentpitchshift).Einper-zeptivmeistunerwünschterNebeneffektdeutlicherTonhöhenveränderungenistdie

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gleichzeitigeVerschiebungvonFormanten,wasz.B.denbekanntenMickey-Mouse-Effektbewirkt.ModerneAlgorithmenermöglichendurchdieAnwendungvonFre-quenzbereichsverfahren(vgl.15.3.5)dieunabhängigeVerschiebungvonTonhöheundFormantenbzw.dieVermeidungvonFormantverschiebungen(vgl.etwaHoe-nigundNeubäcker 2006).Auch ein solchesProcessingproduziert nochhörbareArtefakte(insbesonderebeiautomatischkorrigiertengebundenenTonhöhenwech-seln).Mittlerweile sinddiese allerdingsklangästhetisch etabliert undkönnen alseigeneKategorievonEffektenangesehenwerden(„Chersound“)..

13.2.13  Time Stretching

Time-Stretching-AlgorithmenermöglichendieVeränderungderLängeeinesAudio-signals bzw. seines Abspieltempos ohne Tonhöhenänderung und basieren aufdenselbenSignalverarbeitungsprinzipienwiedasPitchShifting(Abschn.13.2.12,Kap.15.3.5).Time-Stretching-AlgorithmensindsowohlalseigenständigeAnwen-dungen verfügbar als auch Bestandteil der gängigen integrierten Audiobearbei-tungssysteme.Wählbar sind der Zeitskalierungsfaktor und ggf. für verschiedeneAudioinhalte optimierteAnalysemodi zur Minimierung vonArtefakten. Erst derkombinierteEinsatzvonTimeStretching,PitchShiftingundSchnitterweitertdieMöglichkeiten des Samplings bzw. der nonlinearenAudioproduktionsweise be-trächtlich:AudiomaterialkannsonichtnurklangfarblichunddynamischinMedien-produktioneneingepasstwerden,sondernauchhinsichtlichZeitpunkt,Wiedergabe-ausschnitt,SpieldauerundTonhöhe.

13.2.14  Phaser

Der Phaser ist ein Modulationseffekt, der im klanglichen Ergebnis dem Flangerähnelt,daerebenfallsaufderÜberlagerungvonOriginal-undzeitverschobenemSignalberuht.AllerdingswirdbeimPhasernichtderZeitversatz,sonderndiePha-senlagederFrequenzkomponentenmoduliert,wasaufeinnichtmehrgleichabstän-digesAuftretenderPeaksundDipsderKammfilterfunktionhinausläuft(vgl.Abb.15.30rechts).TechnischwirdderPhaserdurcheineSerievonAllpass-Filternreali-siert(Hartmann1978,Abschn.15.3.3).NebenderstetseinstellbarenModulations-geschwindigkeit(rate,speed)sindjenachBauartauchdieParameterModulations-tiefe (depth, intensity, amount), Modulationsmittelpunkt (manual, sweep) undRückkopplung(feedback, regen, resonance) justierbar,sowieggf.einePhasenin-vertierungdesverschobenenSignals(phase,mode,colour)unddieAnzahlderFil-terstufen(stage)schaltbar.FüreineVeranschaulichungwesentlicherParametervgl.z.B.MoogMusic(2003a).Derinden1960erund70erJahrenbeliebteEffektwirdhäufigfürdieBearbeitungvonGitarren-undSynthesizersoundseingesetztundistdaheroftinBodeneffektgerätenanzutreffen.

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13.2.15  Ringmodulator

EinRingmodulatormultipliziert zweiWechselspannungenund erzeugt auf dieseWeisederenDifferenz-undSummenfrequenz(Zweiseitenbandmodulationmitun-terdrücktemTräger).DerNameRingmodulatorgehtaufseineanalogeKonstruk-tiondurchviergleichsinnigimRingangeordneteDiodenzurück.Einevereinfachte,zurVerarbeitungvonRechtecksignalengeeignetedigitaleRealisationläuftaufeinelogischeExklusiv-Oder-VerknüpfungderSignalehinaus.NachdemeinalsAudio-EffektgerätausgelegterRingmodulatorinderRegelnureinSignalverarbeitensoll,enthältermeistenseinenlokalenOszillatorzurErzeugungdesTrägersignals(vgl.z.B.MoogMusic2003b).DessenmittlereFrequenzist ineinemweitenBereich(z.B.0,1Hzbis5kHz)einstellbar(frequency)undoftzusätzlichdurcheinenTief-frequenz-Oszillator(LFO)modulierbar,derggf.verschiedeneWellenformenerzeu-genkann(waveform).DieLFO-ParametersindRateoderSpeedfürdieModula-tionsfrequenz und Amount, Intensity oder Depth für die Modulationstiefe derTrägerfrequenz.DieStärkedereigentlichenRingmodulationdurchdaseingespeisteAudiosignalwirdmitdemParameterDriveoderLevelunddieMischungvonring-moduliertemundoriginalemSignalmitdemParameterMixeingestellt.MancheGerätebeinhaltenzusätzlichFilterzurKlangfarbenbeeinflussung.Durchdieprodu-

Abb. 13.20 WirkungderRingmodulationzweierSinussignalemitdenFrequenzenfA=100Hz(obenlinks)undfT=1000Hz(obenrechts)imZeitbereich(untenlinks)undFrequenzbereich(untenrechts).DieEingangsfrequenzen(gestrichelt)sindimmoduliertenSignalnichtmehrenthalten.

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ziertenSummen- undDifferenztöne führt eine kontinuierlicheFrequenzverände-rungdesEingangs-oderTrägersignalszueinemKlangeffekt,wieerähnlichbeimDurchstimmen eines Kurzwellenempfängers auftritt. Bei statischen Eingangsfre-quenzenähnelndiedurchdieRingmodulationerzeugtennichtharmonischenFre-quenzspektren(vgl.Abb.13.20)perzeptivdenenvonIdiophonen.JenachEinstel-lunglässtsichinsoweiteinebreitePalettevonKlangverfremdungenerzeugen,dievondezentenVibrato-undVerstimmungseffektenüberglockenähnlicheKlängebiszurstarkgeräuschhaften,völligenZerstörungderursprünglichenKlangstrukturrei-chen.Daperiodischebzw.tonhaltigeSignale,wiesieOszillatorenerzeugen,einemsolchendestruktivenEffektderRingmodulationwenigerschnellunterliegenalsge-räuschhafte,werdenRingmodulatorenvorzugsweisefürdieBearbeitungvonSyn-thesizer-Soundseingesetzt.

13.2.16  Tremolo und Vibrato

DerTremolo-undderVibrato-EffektsindeinemodellhafteNachbildungdergleich-namigenVorgängebeimInstrumentalspielbzwGesang.DerBegriffTremolobe-zeichnetspieltechnischeineperiodischeTonrepetition(z.B.beiderGitarre)oderLautstärkeänderung(z.B.beimAkkordeon),derBegriffVibratoeineperiodischeTonhöhenänderung (z.B. bei Streichinstrumenten oder Gesang), die sich auchklangfarblich auswirkt (Meyer1991).Spieltechnisch sindbeideVorgänge inderRegelnichtvölliggetrenntvoneinanderumsetzbar.InderAudiobearbeitungwirdein Tremolo erzeugt, indem dasAudiosignal durch einen Tieffrequenzoszillator(LFO)mitsinus-oderdreieckförmigerWellenformamplitudenmoduliertwird(ty-pischerweisemiteinerFrequenzvon3-10Hz),wasanalogdurcheinenspannungs-gesteuertenVerstärker(VCA)unddigitaldurcheineMultiplikationderAmplitu-denwertevonAudio-undModulationssignalerreichtwird (Abschn.15.3.2).ZurErzeugungeinesVibratoswirdstattderAmplitudedieFrequenzdesAudiosignalsmoduliert,imFalleanalogerTonerzeugungdurchdieVerwendungeinesspannungs-gesteuertenOszillators(VCO),imFallebeliebigerAudiosignaledigitaldurchdieÄnderungderAuslesegeschwindigkeitderAudiodaten,wieesbeieinigenDelayef-fektengeschieht (Abschn.13.2.10und15.3.2).FürbeideEffekte lassensichdieModulationsfrequenz(rateoderspeed)unddieModulationstiefe(depthoderinten-sity)einstellen.

13.2.17  Leslie-Kabinett (rotary speaker)

DievonDonaldJamesLeslieentwickeltenundseitden1940erJahreneingesetztenZwei-Wege-LautsprechermitrotierendenSchalltrichtern(Abb.13.21)verursachendurchdieperiodischvariierendeEntfernungderSchallquellezumHörerundzudenreflektierendenFlächendesWiedergaberaumszugleichÄnderungenderTonhöhe

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(aufgrund von Dopplereffekten), der Lautstärke, der Klangfarbe, des Raumein-drucksundgeringfügigderLokalisation.DurchdieseVariationvielerwesentlicherKlangmerkmalegewinntdasübertrageneSignalanKomplexität.Vorallemstati-scheKlänge lassensichsobereichern,weswegenLeslie-KabinettevorallemfürelektrischeOrgeln(typisch:Hammond-Orgel)eingesetztwerden.

EsexistierenzahlreicheModelle(vgl.dieDokumentationvonMikael2005).Schal-terbzw.ReglerermöglichendieZuschaltungdesGeräts,dieLautstärkeeinstellung,dieEinschaltungderRotationderSchalltrichter(diemitverschiedenenGeschwin-digkeitenerfolgt)sowiebeivielenModellendieWahlderRotationsgeschwindig-keitinzweiStufen(chorale/tremolo).ElektronischeNachbildungendesLeslie-Ka-binettsnutzenv.a.denDoppler-unddenTremolo-Effektaus.SiebietenimHinblickaufGrößeundGewichteinesoriginalenGerätsVorteile, allerdingsgehtdiehierbesonderswichtigeWirkungallseitigerSchallabstrahlungverloren,dienurinderLive-DarbietungzurGeltungkommenkann.EinedemLeslie-Kabinettverwandte,aufdieÜbertragungvonGitarrenklängenausgerichteteundmitnureinemRotorarbeitendeKonstruktionistdasFenderVibratone.

13.2.18  Wah-Wah

DasWah-WahisteinBandpassfilterhoherGüte(Resonanzfilter)mitvariablerMitten-frequenz.DamitdiesewährenddesInstrumentalspielsverändertwerdenkann,istsiezumeistdurcheinFußpedalsteuerbar,dasmechanischaneinPotentiometer,einenSpulenkernodereineBlendevoreinemFotowiderstandgekoppeltist.DerBereichderMittenfrequenzumfasstetwa250Hzbis2kHz.JenachGerätetypistdieEinstel-

Abb. 13.21 PrinzipschaltbilddesLeslie-Modells122mitVerstärkereinheit,Frequenzweiche,LautsprechernundRotoren

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lungdesRegelbereichs,derFiltergüteunddesMischungsverhältnisseszwischenOri-ginal-undEffektsignalmöglich.WährendderRuhestellungdesPedalswirddasEin-gangssignaldurchgeschliffen(bypass).VerschiebtmandieMittenfrequenznachobenundunten,ergibtsichbeibreitbandigenSignaleneinKlangeffekt,derdurchdieeng-lischeAussprachedesWortesWah-Wahanschaulichbeschriebenist.DieklanglicheVerwandtschaftmitdermenschlichenStimmeerklärtsichausdemähnlichenFre-quenzbereichvonEffekt-MittenfrequenzenunderstenFormantenderVokale.EinigeGeräteermöglicheneineSteuerungderMittenfrequenzdurchdieZeithüllkurvedeszubearbeitendenAudiosignals (Auto-Wah)oder eines anderenSteuersignals,wasz.B.einegenaueRhythmisierungdesEffektsermöglicht.DasWah-Wahistzwarseitden1960erJahreneintypischerGitarreneffekt,gehtaberaufeineimJazzpraktizierteSpieltechnikfürBlechblasinstrumentezurück,beidereinspeziellerWah-Wah-Dämp-ferwährenddesSpielsmitderHandauf-undabgedecktwird(vgl.Bertsch1994)unddieschoninden1930erJahrenpopulärwurde.

13.2.19  Vocoder

UnterdemEinflussdesBerlinerAkustikersKarlWillyWagnerwurdeinden1930erJahrenandenamerikanischenBellTelephoneLaboratoriesderVocoderentwickeltund1939vonHomerDudleyvorgestellt.Erdienteursprünglichdazu,Spracheko-diertzuübertragen,wurdeaberschoninden1940erJahrenfürdieErzeugungvonKlangeffekteninHörspielenundimTheatereingesetzt(vgl.UngeheuerundSupper1995).AmQuelle-Filter-ModellfürSpracheorientiert,nimmteinVocodernachei-nandereineSpektralanalyseundeineSpektralsynthesevor(Abb.13.22).

ImAnalyseteilwirddaseingespeisteNutzsignal (program input, analysis input,speechinput),typischerweiseSprache,nachoptionalerDynamikkompressiondurcheine Filterbank in (meist 8 bis 32) Frequenzbänder aufgeteilt.Aus den gefiltertenAudiosignalen werden durch Envelope-Follower, bestehend aus Gleichrichter undTiefpass,Zeithüllkurvensignaleerzeugt–Steuerspannungen,dieursprünglichfürdieÜbertragungbestimmtwaren.ZusätzlichwirddieSprachgrundfrequenzermitteltso-wieineinemVoiced-Unvoiced-Detector(VUD)bestimmt,obeinstimmhafterodereinstimmloserSprachlautvorliegt.EinigeModelleenthaltenzusätzlicheineSprach-pausenerkennung(speechdetector,nichtabgebildet).DieAnalyseergebnissewerdenebenfallsalsSteuerspannungenübertragen.DieDetektionderStimmhaftigkeiterfolgtmeistdurcheinenPegelvergleichzweierFrequenzbänder(f1>5kHz,f2<1kHz),fürdieGrundfrequenzbestimmungwerdenunterschiedlicheVerfahrenangewandt.

Im Syntheseteil wird zunächst ein Ersatzsignal generiert. Zur NachahmungstimmhafterLautewirdhierfürvoneinemTongenerator(VCO)einRechteck-oderzumeistSägezahnsignalerzeugt,dessenFrequenzderübertragenenSteuerspannungfolgtoderalternativübereinKeyboardspielbarist;zurErzeugungderstimmlosen,reingeräuschhaftenAnteilewirdaufeinenRauschgeneratorumgeschaltet.FürdieAnwendungdesVocodersalsAudioeffektistjedochdieEinspeisungeinesbelie-bigenexternenAudiosignals(carrierinput,synthesisinput,replacementsignal)ty-

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pisch,dasalternativalstonhaltigeKomponentedesErsatzsignalsfungiert.Beieini-genGeräten folgt derPegel desRauschgenerators demdes externen tonhaltigenSignals, oder es besteht zusätzlich dieMöglichkeit der alternativenEinspeisungeinesgeräuschhaftenSignals(nichtabgebildet).DasErsatzsignalwirddurchFilterin spektraleKomponentenzerlegt. JededieserKomponentenwirdmithilfeeinesspannungsgesteuertenVerstärkers(VCA)voneinemüberdieMatrixzugeordnetenZeithüllkurvensignal derAnalysestufe amplitudenmoduliert. Die Summation dermodulierten Komponenten ergibt das spektral modulierte Ersatzsignal (vocoderoutput),demalsPerzeptdiezeitlichenKlangfarbenverläufedesNutzsignalsaufge-prägtsind.DahierbeiauchderCharakterdesErsatzsignalsnochdurchgängiger-kennbarseinsoll,dürfendiebeimSprechenhäufigauftretendenPausennichtzurUnhörbarkeitdesErsatzsignalsführen.IneinigenGerätensorgtdahereineautoma-tische Pausenauffüllung (silence bridging) durch eineErhöhung der Steuerspan-

Abb. 13.22 BlockschaltbilddesVocoders

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nungendafür,dassdasErsatzsignalauchbeiSprechpausendenSyntheseteildesVocoderspassierenkann(nichtabgebildet).

AufgrundderVielfaltanVocoder-BauformensindsowohldieBedienungsmög-lichkeitenalsauchderenBezeichnungenuneinheitlich.EskönnenaberfolgendePa-rameter-Gruppen unterschieden werden (mit ggf. abweichenden Bezeichnungen):EingangspegelstellerjefürSprach-undErsatzsignal(inputlevel)sowieggf.Verhält-nisvonstimmlosemundstimmhaftemErsatzsignal(inputsignalbalance);Schwell-wertreglerfürVUD(VUDthreshold,sibilancelevel)undSprache-Pause-Erkennung(speechdetectorthreshold);ReglerfürFrequenz,Frequenzbereich,Wellenformundggf.ModulationdesVCO(tune,pitch,octaverange,waveform,vibratospeed,vibra-to depth);Ausgangspegel der einzelnenSpektralkanäle (channel level); Pegel desPausenfüllsignals,ggf.getrenntfüreinzelneSpektralkanalgruppen(silencebridgingadjust,pausefilling);dieMatrix fürdieZuordnungderSpektralkanäle (filterbankpatch,channelenvelope);Ausgangs-Mischfeldfürdieverarbeitetenbzw.anfallendenSignaltypen:Sprachsignal(microphone/analysissignallevel),ggf.analysegefiltertesSprachsignalspektralkanalweiseregelbar(speechaddition,multifilter),Ersatzsignal(external/synthesis/replacement signal level),Vocodersignal (vocoder level); ggf.ReglerfürFilterundnachgeschalteteEffekte(z.B.Chorus).

DieWirkungderKlangfarbenaufprägungermöglichtes,v.a.gleichmäßigeKlän-gewiez.B.Streicherakkorde,SynthesizertöneoderWindgeräuschezumSprechen(oderbeiTonhöhenänderungzumSingen)zubringen.DerklassischeVocoder-Ef-fektistdieRoboterstimme.DurchdiezahlreichenEinstellmöglichkeiten,dieWahldereingespeistenAudioinhalteunddieZuordnungderSteuerspannungenergebensichvielfältigeMöglichkeiten,KlängebiszurUnkenntlichkeitzuverfremden.FüreinenÜberblicküberTechnikundEinsatzgebietedesVocodersvgl.Buder(1978a,1978b). Moderne softwarebasierte Realisationen vonVocodern bieten zusätzlichVisualisierungen,erweiterteEinstellmöglichkeitenundFunktionen(z.B.spektraleModulation,Morphing,synthetischeKlangerzeugung)sowiespektraleAuflösungenvonbiszu1024Frequenzbändern(vgl.z.B.HaasundSippel2004).EineweiteresGerät,daseineAufprägungvonsprachlichenSpektralverläufenaufbeliebigesTon-materialermöglicht,istdieelektroakustischarbeitendeTalkbox.

13.2.20  Mehrfach-Bearbeitung und komplexe Algorithmen

ModerneStand-alone-GerätevereinenhäufigverschiedeneAudiobearbeitungsmit-telimHinblickaufbestimmteAnwendungsfälleoderbestimmteKlangquellen.Ty-pischeBeispielesindimAufnahmewegeinsetzbareKanalzüge(channelstrips),dieinderRegelVorverstärker,Filter,Equalizer,RegelverstärkerundAD-Wandlerbe-inhalten,fürRaumeffekteausgelegteMultieffektgerätemitDynamik-,Delay-undHallprogrammenoderVoice-Prozessoren,dieumfangreicheDynamik-,Tonhöhen-undKlangfarbenbearbeitungensowieDelay-undHalleffekteermöglichen.Innova-tiveVerfahrenergebensichnichtnurdurchdieKombinationtraditionellerAudio-bearbeitungsmittel,sondernauchdurchneueEffekte.Solassensichineinemsog.

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MultipleResonanceFilterArrayachtschmalbandigeFilterüberHüllkurvengenera-torenvoneinemPatterngeneratorsteuern,wodurcheinekomplexeklangfarblicheRhythmisierungmöglichwird.

InintegriertenAudioproduktionsumgebungenkönnenbeliebigePlug-inskombi-nierteingesetztwerden,diesichallerdingsdievorhandeneRechenkapazitätteilenmüssen.DahersindindiesemBereicheherklanglichspezialisierteEffektezufin-den.InsbesonderedieAnwendungvonFrequenzbereichsverfahrenermöglichtdieKreation innovativerKlangbearbeitungsmittel, etwa des SpektralDelay, das fre-quenzselektive Verzögerungseffekte ermöglicht (vgl. Haas, Clelland & Mandell(vgl. Haas, Clelland & Mandell2004).DieintegrierteAnalysepsychoakustischrelevanterSignalmerkmale,wiesiez.B.dieTonhöhenbestimmungfürdieautomatischeTonhöhenkorrekturdarstellt,wirdkünftigweitereGestaltungsmöglichkeiteneröffnen,etwadiegetrennteBear-beitungvontonhaltigenundgeräuschhaftenSignalanteilen.Miteinemsolchen„in-telligenten“Filterlässtsichz.B.beieinerFlötedasVerhältnisvonAnblasgeräuschundTonregeln.SchließlichgibteseigenständigeSoftware-Anwendungen, die ver-Anwendungen,diever-schiedeneFunktionalitäten(z.B.Synthesizer,Sampler,EffektgerätundSequenzer)integrieren,sowieToolsfürspezielleAnwendungsbereiche(z.B.SoundDesign).

13.3 Klangrestauration

AlsRestaurationbezeichnetmandieEntfernungoderMinderungvonmitStörungenbehaftetemAudiomaterial.HierbeikannessichsowohlumhistorischeAufnahmenalsauchumaktuellesTonmaterialhandeln.BeihistorischemMaterialsinddieUr-sachenfürStörungenhäufigbeschädigteMedienoderProblemedurchdiebeiderAufzeichnung verwendeten Aufnahmetechnologien. Die Restauration von altenAufnahmenisteinsehrkleinesBetätigungsfeldfürSpezialisten,aberauchimStu-dioalltaghatmanesoftmitStörungenzutun,diemitStandardwerkzeugenentferntwerdenkönnen.

13.3.1  Bearbeitungswerkzeuge

ZurBearbeitungkommenentwederexterne,DSP-basierteVerfahrenzumEinsatz,immerhäufigeraberSoftware-LösungenfürAudioWorkstations.DieAlgorithmendermeistenRestaurationswerkzeugebestehenauseinemFunktionsblock,mitdemdieStörungdetektiertwird, und einemBlock, derdiedetektierteStörungunter-drückt.EsgibtauchWerkzeuge,beidenendieLokalisationderStörungmanuellerfolgenmuss.RestaurationswerkzeugebenötigenaufGrundderkomplexenAlgo-rithmensehrvielProzessorleistung.HäufigverfügensieübereineAudition-Funk-tion,überdiemandenentferntenStöranteilabhörenkann.Solässtsichbeurteilen,inwelchemUmfangauchschonTeiledesNutzsignalsentferntwurden.EsgibtaberauchStörungen,fürdiebisheutekeineRestaurationsalgorithmenentwickeltwur-

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den.EntwedersinddieStörungenzukomplexoderesgibtnochkeinetheoretischenAnsatzfüreineRestaurierung.BeispielesindArtefaktedurchMehrfachkodierungoderdieKompensationvonGleichlaufschwankungenbeiBandgeräten.

13.3.2  Klassifizierung von Störungen

UmdasrichtigeWerkzeugfüreineStörunterdrückungauszuwählen,musszunächstderTypderStörunganalysiertwerden.EinUnterscheidungskriteriumistdieFre-quenzdesStörsignals.EsgibttonaleStörungenundStörungen,diesichübereinbreitesSpektrumverteilen.EinweiteresKriterium ist dieStördauer.Hier lassensichkurzeImpulsstörungenvonStörungenmitkontinuierlichemCharakterunter-scheiden.SogenannteBurstsoderClustersinddabeiimpulshafteStörungen,dieinsehrkurzenZeitabständenauftreten.EinweiteresKriteriumistdieUnterscheidungzwischenStörungen,dieinderanalogenoderinderdigitalenEbeneauftreten.UndschließlichkannmanunterscheidenzwischenStörungen,dietechnischbedingtsindoderStörungendurchandereäußereEinflüsse,wiez.B.HandyklingelnwährendeinerKonzertaufnahme.

13.3.3  Rauschen

EinederamhäufigstenauftretendenStörungenistdasRauschen.RauschenisteinspektralbreitbandigesStörsignalmit stochastischemZeitverlauf (Kap.1.2.3).EsentstehtbereitsimMikrofon,z.B.durchthermischeBewegungderLuftmoleküle.InderPraxishatmanesjedochinderRegelmitRauschenzutun,dasdurchelek-tronischeSchaltungenoderanalogeAufzeichnungsmedienverursachtwird.

BeianalogenSystemen,etwabeianalogenMagnetbandgeräten,setztemandy-namischeMultiband-Kompressor-Expander-Kombinationen, sog.KompanderzurRauschunterdrückungein(Abschn.13.2.6undDickreiter1990:36ff.).ImGegen-satzdazuarbeitenmoderneDe-NoiseroderDe-HissernachderMethodederspek-tralenSubtraktion.DabeiwirddasSpektrum inmehrereHundertBänderzerlegtundderBetragdesgeschätztenRauschspektrumsvomGesamtspektrumabgezogen(Boll1979).EinprinzipbedingtesProblemderspektralenSubtraktionsind„Musi-calTones“,diealsArtefaktedereingesetztenFilterkurzzeitigetonaleAnteile,eineArt„Klingeln“erzeugenkönnen.EsexistierenverschiedeneLösungsansätze,umdieseArtefaktezuunterdrücken(Varyu.Martin2006).BeiextremenEinstellungenwerdendieseMusicalTonesjedochhörbar.

InderPraxisistdieFrequenzverteilungdesRauschensniegleichmäßig.UmdasRauschenausdemSignalzuentfernenistdahereineindividuelleErmittlungderspektralenVerteilungdessogenanntenRauschteppichsoderRauschbodenserfor-derlich.Dieserfolgtentwederautomatischoderdurcheinen„Fingerabdruck“,wennimgestörtemAudiomaterialeineStelleverfügbarist,inderausschließlichdasRau-

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schen vorkommt. Wenn die vomAlgorithmus erwartete Länge des zu analysie-rendenBereichsnichtausreicht,setztmaninderPraxiseineSchleifeumdieStellemitdemRauschstörsignal.DieAnalyseeinesFingerabdrucksliefertimRegelfallbessereErgebnissealseineautomatischeAbschätzungdesRauschbodens.DiesgiltinsbesonderefürMaterialmitgroßerDynamik.FürmoduliertesRauschen,wieesbeialtenMagnetbandaufzeichnungenvorkommt,sindspezielleWerkzeugeverfüg-barundauchnotwendig.

DieAusführungderDe-Noiserfälltimmersehrähnlichaus.ÜberdenParameterThresholdsetztmandieSchwellefürdenRauschpegel,abderdasRestaurations-werkzeugeingreift.DieStärkederRauschunterdrückunglässtsichmitdemPara-meterReduction,Depth,manchmalauchalsRatiobezeichnet,einstellen.Professi-onelleDe-NoisergestattenhäufigauchnochdiemanuelleKorrekturdesermitteltenRauschbodensübereinenEqualizer.DurchdieRauschunterdrückungwirdinmehroderwenigergroßemUmfangimmerauchdasNutzsignalbeeinträchtigt,insbeson-dere imHinblick auf denwahrgenommenenRaumanteil oder dieHelligkeit desTonmaterials. Um den Raumanteil von der Bearbeitung auszuschließen, gibt esmeistenseinenAmbience-Parameter,mitdemmanbestimmenkann,wiegroßdie-serAnteilseinsoll.AuchdieBrillianzbeiSprachekanndurchdenEntrauschpro-zess gemindert werden. Einige De-Noiser bieten auch hier Parameter, um dieseSprachkomponentenvonderBearbeitungmehroderwenigerauszuschließen.

Ein typisches Problem bei historischem Material ist der scheinbareVerlust anhochfrequentenAnteilennachderRauschunterdrückungimVergleichzumOriginal-material.Auch wenn das Originalmaterial in den hohen Frequenzbereichen meistkaumodergarkeinNutzsignalenthält,istoffensichtlichinderEmpfindungeineklareTrennungzwischenNutz-undStörsignalkaummöglich,sodasseineEntfernungdesRauschen im oberen Frequenzbereich als Frequenzbeschneidung wahrgenommen

Abb. 13.23 TypischerDe-NoisermitDarstellungderFrequenzverteilungdesNutzsignalsunddesRauschbodens

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wird.DaderEinsatz einesFilters lediglichdasRauschenwieder anhebenwürde,bietetsichderEinsatzeinesWerkzeugszurGenerierungvonharmonischenObertö-nenan(Enhancer,vgl.Abschn.13.2.9).DieGrenzfrequenz,abderdieOberwellenerzeugtwerden, istvomMaterialabhängigund liegt inderRegeloberhalbvon3kHz.

13.3.4  Sratches, Clicks und Crackles

BeiImpulsstörungenisteineKlassifikationderStörungbesonderswichtig,umdasrichtigeRestaurationswerkzeugauszuwählen.Auchwennsiesichanalogeunddigi-taleStörungenhäufigmitdengleichenWerkzeugenbearbeitenlassen,weisendigi-taleArtefaktebestimmteBesonderheitenaufundsollendaherinAbschn.13.3.11separatbehandeltwerden.

Mechanische Beschädigungen oder Staubeinschlüsse beiAufzeichnungs- undWiedergabemedienwieWalzen,Schellack-PlattenoderVinyl-Platten sind inderRegeldieUrsachefürImpulsstörungeninderanalogenEbene.BeiSchallplattenlassensichdurchdasNassabspielenProblemedurchStaubeinschlüsseindenRillenwirkungsvollmindern.HierbeiwirdübereinenmitFlüssigkeit(Alkoholunddestil-liertesWasser)getränktenSchwammeinFlüssigkeitsfilmaufdieSchallplatteauf-getragen.HäufigsindhistorischeMedienaberbereitsüberspielt,dieOriginalezustarkbeschädigt,oderdieMediensindnichtmehrverfügbar,sodassRestaurations-werkzeugeeingesetztwerdenmüssen.

ImpulsstörungeninderanalogenEbenelassensichnachHäufigkeit,DauerundPegelklassifizieren,dieBezeichnungenfürdieunterschiedlichenStörungensindnicht einheitlich. Lange Impulsstörungen von einigenMillisekunden mit hohenAmplitudennenntmanScratches.MitClicksbezeichnetmandagegenStörungenmittlerenPegels undmittlererDauer.KurzeStörungenmit geringenPegelnundeinersehrhohenHäufigkeitvonmehralseinigenTausendEreignissenproSekundebezeichnetmanalsCrackles.DieAnzahlderStörereignisseisthiersohoch,dasszumTeilkeineEinzelstörungenmehrwahrgenommenwerden,sonderndieStörungeinentonalenCharakterbekommt.BeiSchallplattenentstehenScratchesundClicksdurchKratzeraufderOberfläche.CracklesdagegenrührenimWesentlichemvondenbereitserwähntenStaubeinschlüssenher.EsgibtRestaurationswerkzeuge,diealle drei Störtypen abdecken, aber auchWerkzeuge, die für einen der Störtypenoptimiertsind.

EntsprechenddesStörtypswerdendieWerkzeugeinderRegelalsDe-Scratcher,De-Clicker oder De-Crackler bezeichnet. Die Restaurationswerkzeuge entfernendieImpulsstörung,dieentstehendeLückewirdübereineInterpolationaufgefüllt.BeiClicksundScratcheskannnachderBearbeitungeinetieffrequenteStörungalsArtefaktauftreten.VieleWerkzeugeverfügendaherübereineFunktion,diediesen„Plop“mindert.NebendemEinsatzschwellwert(Threshold)undderHöhederStö-rungminderung (Reduction)verfügendieWerkzeugeüberweitereOptionen,wiespezielleBetriebsartenfürbestimmteStörcharakteristika(z.B.fürSchellack-Plat-

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Abb. 13.24 A:TonsignalvoneinerVinylschallplattemitstarkenSratches.B:SignalmiteinemdeutlichwahrnehmbarenClick.C:SignalnachderBearbeitungdurchdenDe-Clicker.D:CrackleszusammenmiteinigenClicks

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ten).MancheDe-ScratcherbietenzudemauchdieMöglichkeiteinenFingerabdruckderStörungzunehmen.

BeiSchallplattentreteninderRegelCrackles,ClicksundScratchesgemeinsamauf.EsmüssenalsoentwedermehrereBearbeitungsdurchgängeerfolgenodermanschaltetdieWerkzeugehintereinander.AlserstessolltendieStörungenmitgroßenAmplitudenundgroßerDauerentferntwerden;esempfiehltsichdieReihenfolgeDe-Scratcher,De-ClickerundamEndederBearbeitungskettedenDe-Crackler.

13.3.5  Frequenzgangsbeschneidung

EinweitereshäufigesProblembeihistorischemTonmaterialsindFrequenzgangs-beschneidungen,dieeinerseitsdurchtechnischeGrenzenderAufzeichnungsmedienbedingtsind,aberauchalsResultateinerbewussteingesetztenEntzerrungauftretenkönnen.SotretenbeihistorischemKlangmaterialhäufigBeschneidungenauf,dienichtalleindurchdietechnischenBedingungenerklärbarsind.DaeineKompensa-tionmitFilternnurdasRauschenanhebenwürde,wäreauchhiernurderEinsatzvonEnhancer-WerkzeugenzurErzeugungdiskreterObertöne sinnvoll. ImSinneeinerErhaltungdesursprünglichenKlangs, insbesonderebei historischenDoku-menten,wirdallerdingshäufigdaraufverzichtet,denKlang„aufzufrischen“undesbleibtbeiderEntfernungvonStörungen.

Abb. 13.25 Links:De-CracklermiteinerAnzeigederstatistischenVerteilungderStörlängeninFormeinesBalkendiagramms.Rechts:De-ScratchermitgrafischerAusgabederZeitfunktiondesentferntenSignals

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13.3.6  Pop-Geräusche

Pop-GeräuschesindtieffrequenteStörungen,diemeistensdurchImpulslautebeimSprechen oder beim Gesang bei kurzen Mikrofonabständen verursacht werden.WennMaßnahmenzumPopschutz(Kap.7.7.2)nichteingesetztwurden,könnensienachträglichdurcheinHochpassfilterunterdrücktwerden.Eswirdbevorzugtmitdynamischer Kontrolle eingesetzt, um nur die Passagen mit entsprechend hoherAmplitudezubearbeiten.DabeidemDe-Click-ProzessähnlicheStörungenentste-henkönnen,gibtesauchDe-Clicker,dieüberHochpassfilterzurEntfernungvonPop-Geräuschen verfügen. Ein weiteres Pop-Geräusch tritt in Form von tieffre-quentenRauschimpulsenbeiderAbtastungvonLichttonfilmauf.Auchhierwirdeinspezielles,alsDe-PopbezeichnetesWerkzeugangeboten.

13.3.7  Übersteuerungen und Verzerrungen

Übersteuerungen(engl.:Clips)könneneinevollständigeMischungbetreffen(Abb.13.26),oderaber,insbesonderebeiMehrspuraufnahmen,bereitsvorderMischungineinemderEingangskanäleaufgetretensein.ImerstenFallkönnensiewirkungs-vollbeseitigtwerden,indemderPegelabgesenktundderdurchdieÜbersteuerungbeeinträchtigteBereichdurch eine Interpolation restauriertwird.EinDe-ClipperkannsolchePassagenimSignalleichtdetektierenundkorrigieren.FüreineÜber-steuerung von einzelnen Instrumenten in einerMischung kann ein übersteuertesMikrofon,einübersteuertesAufnahmegerätoderProblemebeimÜbertragungsweg

Abb. 13.26 SignalmitClipsaufderoberenSpur.UntendasdurchInterpolationrestaurierteSignal

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(z.B.Drahtlosstrecke)verantwortlichsein.InsolchenFällenbleibteinDe-Clipperweitgehendwirkungslos,eineMinderungderStörungkannallerdingsdurchHinter-einanderschaltung von zwei oder drei De-Cracklern erzielt werden, die in ihrenSchwellwertenundStörreduzierungengestufteingestelltwerden.

13.3.8  Netz-Störungen

DieWechselstromversorgung kann zwei unterschiedliche Störtypen hervorrufen.DiesistzumEineneinBrummen,z.B.verursachtdurchMasseschleifenoderfeh-lerhafteSchirmung,sowieeinBuzz,eineperiodische,obertonreicheImpulsstörung,wiesiedurchDimmer(Phasenanschnittsteuerungen)oderLichtmischerverursachtwird.DieGrundwellederStörung,diejenachWechselspannungsversorgungbei50oder60Hzliegt,isthäufigschwächeralsdieOberwellen.

DernaheliegendeLösungsansatzeinessehrsteilflankigenKammfiltersistproble-matisch,weildieeinzelnenHarmonischenunterschiedlichstarkvertretensindunddieFrequenzderWechselspannung,etwabedingtdurchGleichlaufschwankungendesAufzeichnungsmediums,geringfügigdriftenkann.DarüberhinausüberlagernsichNutz-undStörsignalimSpektrum.ModerneAlgorithmenbearbeitendieHar-monischenunabhängigundindividuellumsoaucheineBeeinträchtigungdesNutz-signalszuvermeiden.

Abb. 13.27 De-BuzzerzumEntfernenvonBrumm-undDimmer-Störungen

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13.3.9  Azimuthfehler

Azimuthfehler bei Bandaufnahmen können durch unterschiedlich justierte Ton-köpfebeiderAufnahmeundderWiedergabeentstehen.EshandeltsichumeinekleinezeitlicheVerschiebung,meistnurvonwenigenSampleszwischendenAudio-kanälen, begleitet von einemHöhenverlust.Ähnliche Laufzeit- bzw. Phasenver-schiebungenkönnenauchdurchandereMechanismeninderanalogenEbeneent-stehen.Durch die Phasenverschiebungwird das Stereobild hörbar beeinträchtigtundeskannbeiderAdditionderKanälezuKammfiltereffektenkommen.

MiteinemDe-Azimuth-WerkzeugkanndieLaufzeit-bzw.Phasenverschiebunger-kanntundkompensiertwerden.DieKompensationkannentwederautomatischodermanuell erfolgen.ModerneRestaurationsverfahren sind in derLage, Phasenver-

Abb. 13.28 AzimuthfehlereinerBandaufnahme

Abb. 13.29 De-AzimuthRestaurationswerkzeug

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schiebungen bis zu einem hundertstel Sample zu erkennen und durch internesOversamplingauszugleichen.

13.3.10  Drop-Outs

AlsDrop-OutswerdenkurzzeitigePegeleinbrüchebezeichnet,diehäufigvoneinemmehroderwenigerstarkenHöhenverlustbegleitetwerden.UrsachekanneinelokaleAblösungderMagnetschichtbeiälterenMagnetbändernsein,einschlechterBand/KopfkontaktdurchlokaleBandverschmutzung,sowieKnickeoderschlechteKlebe-stellenaufdemBand.AutomatischeRestaurationswerkzeugesindfürdiesesProblemnichtverfügbar,allerdingskönnenDrop-Outshäufigsehrgutmanuellbearbeitetwer-den,indemderPegelimDrop-Out-BereichineinemAudioeditorlokalangehobenwird,ggf.auchmiteinerlokalenBearbeitungdeshochfrequentenAnteils.

13.3.11  Digitale Störungen

NichtnurhistorischeAufnahmenkönnenmitStörungenbehaftetsein.AuchinderdigitalenEbenekönnenStörungenauftreten,dieinderRegelimpulsartigsindodergebündelt in sog. Clustern auftreten. Einer der häufigstenUrsachen sindWord-clock-,bzw.Synchron-Störungen,diealssporadischeClicksauftretenundsichmiteinemStandard-De-Clickermeistgutunterdrückenlassen.BurstsoderCluster-Stö-rungentretenu.a.beiProblemenmitdendigitalenAudio-Schnittstellenauf,undkönnendurchFehlanpassung,ungeeigneteKabel,JitteroderfalscheSignalamplitu-denbedingtsein(Kap.18).AufgrundihrerlangenStördauerlassensiesichmeistnurabmildern.AlsWerkzeugekommenjenachStöramplitudeRestaurationswerk-zeugefürImpulsstörungenwieDe-ClickerzumEinsatz,aberauchWerkzeuge,dieinderspektralenEbenearbeiten.

StörungenkönnenauchdurchdieEditierungdesAudiomaterialsverursachtwer-den,soz.B.beiAudioschnitten,dienichtimNulldurchgangdurchgeführtwurdenoderbeidenenaufeinCrossfadegänzlichverzichtetwurde.Hiertretenebenfallsmehr oder weniger starke Clicks auf, die sich mit einem De-Clicker reduzierenlassen.InprofessionellenAudioeditorensindhäufigauchmanuelleDe-Clickerin-tegriert,beideneneinBereichumdieStörungvonHandselektiertwerdenmuss.DerselektierteBereichmusshiergroßgenuggewähltwerden,umeineeffektiveInterpolationzuermöglichen.GeradeimdigitalenBereichgibtesjedocheineganzeReihevonseltenauftretendenStörungenwieBlock-Wiederholungen,Interpolati-onendurchFehlerkorrekturenoderArtefaktedurchAudio-Codecs,fürdieeskeineDetektions-undBearbeitungslösungengibt.

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13.3.12  Störgeräusche

NebendiesenelektronischenStörungengibtesauchakustischeStörungen,dieun-gewollt in eine Aufnahme geraten, wie Husten, Räuspern, Handyklingeln, Ge-räuschedurchUmblätternderPartitur,KnarrendesBühnenholzbodensundvielesandere.HierfürbieteneinigeHerstellerBearbeitungswerkzeugean,dieinderLagesind,StörungendurchBearbeitung imSpektrumzuentfernen.DieStördetektionerfolgtmanuellineinemSpektrogramm.DasSpektrogramm(inderPhonetikauchalsSonagrammbezeichnet),isteinegleitendeKurzzeit-FFT,diemitBlockgrößenin derGrößenordnungvon1024Samples über dieDauer des zu analysierendenAudiosignalsdurchgeführtwird.DasErgebniswirdmeistmitvertikalerFrequenz-achseundhorizontalerZeitachsedargestellt,dieAmplitudederjeweiligenFrequenzwird durch verschiedene Farben oder verschiedene Helligkeitswerte dargestellt.DurchVeränderungderBlockgrößelässtsichentwederdieFrequenzauflösungaufKostenderZeitauflösungoderdieZeitauflösungaufKostenderFrequenzauflösungverändern,wodurchStörkomponentenoptischdeutlichersichtbargemachtwerdenkönnen. In einem solchenDiagramm lässt sichmit einigerÜbung eine Störungleichterkennen.TonaleStörungenzeichnensichalshorizontaleLinienab,Breit-bandstörungennehmeneinengrößerenvertikalenBereichein.

DieStörbereicheimSpektrumwerdenmitderMausmarkiert,mitHilfedesSpek-trumsumdieentferntenBereicheherumerfolgteineInterpolationdesSpektrumsim Störbereich. Häufig sind mehrere Bearbeitungsvorgänge nötig.Als Bearbei-tungsartefaktkönnen„Löcher“(ähnlichwieDrop-Outs)odertonaleKomponentehörbarwerden.IndiesemFallhilfteinegeringereStörunterdrückungoderdieBe-arbeitungeineskleinerenspektralenBereichs.

FürbestimmtetechnischeGeräuschegibtesspezielleRestaurationswerkzeuge,z.B.fürdassUnterdrückenvonKamera-Transport-undZoom-Geräuschen.Siear-beitenähnlichwieeinDe-Noiser,allerdingsmiteinerandenveränderlichenStör-pegelangepassten,dynamischenUnterdrückung.

Abb. 13.30 SpektrogrammmitRascheln,verursachtvomUmblätterneinerPartitur

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13.3.13  Praxis

DieRestaurationvonAudiomaterialistimmereineSuchenachdembestemKom-promiss,denndieBearbeitungistfastimmervonArtefakten,alsovonungewolltenNebenerscheinungenbegleitet.DieseArtefaktekönnensichsowohlalsneueStö-rungenbemerkbarmachenoderalsBeeinträchtigungdesOriginalmaterials,etwadurchFrequenzgangsbeschneidung.AusdiesemGrundmüssenRestaurationswerk-zeuge so eingesetztwerdendassStörungenausreichendunterdrücktwerdenundArtefaktedabeimöglichstunhörbarbleiben.

EinwichtigesAnliegenbeihistorischemMaterialkannessein,denKlangcha-rakterderZeit,inderdasAudiomaterialaufgezeichnetwurde,unddamitdenEin-druckvonAuthentizitätnichtzubeeinträchtigen.BeiAudiomaterialausdemletztenDritteldes20.JahrhundertüberwiegtdagegenderWunschnacheinemKlangnachheutigenMaßstäben.DieseAdaptiondesKlangcharaktersbezeichnetmanimallge-meinenalsRe-Mastering.

DieAlgorithmeninRestaurations-WerkzeugensindvonHerstellerzuHerstellerunterschiedlich,auchwennFunktionalitätundBedienungaufdenerstenBlickhäu-figähnlicherscheinen.SomitkönnenverschiedeneAlgorithmenbeidergleichenStörungsehrunterschiedlicheWirkungenerzielen.Restaurations-Expertenverfü-gendaherübereinegroßeAuswahlanWerkzeugen,diealternativausprobiertwer-denkönnen.GelegentlichlassensichauchdurcheineHintereinanderschaltungvonWerkzeugendieResultateverbessern.

Abb. 13.31 De-Motorizer–einspeziellesWerkzeugzumEntfernenvontypischenFilm-undVideo-Kamerageräuschen

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Kapitel13 Audiobearbeitung 775

13.4 Funktionen und ästhetische Ziele

WerdenakustischeDarbietungen,insbesondereMusik,technischbzw.medialüber-tragen,werdensieinmehrfacherWeisetransformiert:

• akustisch(Original-undreproduziertesSchallfeldsindnichtidentisch)• klanglich(dasauditivePerzeptisteinanderes)• interpretatorisch(indieelektroakustischeÜbertragungfließenkünstlerische,äs-

thetischeundtechnischeEntscheidungenDritterein)• räumlich(dieWiedergabeerfolgtineinemanderenRaum)• zeitlich(meistwerdenAufzeichnungengehört)• kontextuell(akustische,optische,motivationale,emotionale,kognitiveundsozi-

aleBedingungenderRezeptionsindverändert)

DassdiemedialeTransformationdasErlebenvonMusikbeeinflusst,zeigteschonReinecke (1978).DieAudiobearbeitung ist dabei insoweit einewesentlicheEin-flussgröße,alssiesich–imGegensatzzuanderenTransformationsfaktoren–aufdentechnischmanifestenAudioinhaltauswirktunddaherfürseineweitereÜbertra-gungweitgehendBestandhat,währendhingegenÜbertragungs-undRezeptions-dingungenvariierenkönnen.

DieWirkungbestimmterklanggestalterischerMaßnahmenoderProzesseisterstseiteinigenJahrenGegenstandwissenschaftlicherUntersuchungen.DasssichPro-duktions-undAudiobearbeitungsmaßnahmen,diesprachinhaltliche,musikalisch-strukturelle oder aufführungs-interpretatorische Eigenschaften verändern (z.B.AufnahmeleitungoderTonmontage)aufdieWahrnehmungebendieserEigenschaf-tenauswirken,magselbstverständichsein.IrrtümerderMusikkritik–eineaufge-zeichneteAufführungwirdnacheinemRemasteringfüreineanderegehalten(vgl.Stolla2004:11)–undexperimentelleUntersuchungenzeigenjedoch,dassdieEin-schätzungsubstanziellerEigenschaften(wenigstensbeiMusikinhalten)alleindurchklanglicheBearbeitungsmaßnahmenbeeinflusstwerdenkann.SobeurteiltenMusik-professorenund-studentenineinemExperimentvonBoss(1995)zweiverschiedenmikrofonierte und nachbearbeitete Aufnahmen derselben kammermusikalischenDarbietung hinsichtlich interpretatorischer Merkmale wie Tempo, Artikulation,AgogikoderPhrasierungdeutlichunterschiedlich,wassichauchinderPräferenzderVersionenniederschlug.VerschiedeneAbmischungenundklanglicheNachbear-beitungen eines unbekannten Popmusik-Titels beeinflussten ebenfalls nicht nurklangbeschreibende, sondern auch ästhetische, emotionale und strukturbeschrei-bendeBeurteilungsmerkmalesowiedieKaufpräferenzinmusikwirtschaftlichrele-vanter Größenordnung (Maempel 2001). Unter wirkungsästhetischen Gesichts-punktenstelltdieKlanggestaltungdurchAudiobearbeitungsmittelalsoeinenbedeut-samenAspektderMedienproduktiondar,dieauchaufdieBeurteilungderKünstlerzurückwirkenkann.WiedergabeseitigeklanggestalterischeEingriffedurchdenRe-zipientenzeigtenebenfallsWirkungen,dieweitüberdieKlangwahrnehmunghi-nausgehen.SobeeinflusstenimAuto-FahrsimulatorLautstärkeundEqualisierungdesgehörtenMusikprogrammsReaktionszeitundGeschwindigkeitswahldesFah-rers(Haack1990).

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13.4.1  Physik und Psychologie

FüreineingehendesVerständnisderMöglichkeitenundGrenzenderAudiobearbei-tung istphänomenologischgrundsätzlichzwischenphysikalischerundpsycholo-gischer Ebene zu unterscheiden. Durch die Audiobearbeitungsvorgänge werdenzunächstnurphysikalischeMaßedesAudiosignalszuverlässigverändert:Amplitu-den-undZeitwerteoderanderehierauskonstruierteSignalmaßewieFrequenzundPhasenlage, und zwar zumeist inAbhängigkeit voneinander. Der Klang und diestrukturelleErkennungeinesAudiosignalshingegensindalsreinerWahrnehmungs-inhalt(Perzept)ausschließlichpsychologischrepräsentiert,undzwarindengrund-legenden(jedochnichtunabhängigen)MerkmalenLautstärke,Klangfarbe,Tonhö-he,räumlichePosition,RaumeindruckundzeitlicheLage(Abb.13.32).InmittlerenundhöherenpsychischenVerarbeitungsstufenergebensichzahlreicheweitereIn-halte,MerkmaleoderVorgänge:vonAufmerksamkeitüberGestalt-undObjekter-kennungbishinzuBedeutung,Bewertung,Erinnerung,GefühlundHandlungsmo-tivation.ObwohlphysikalischeundpsychologischeMerkmalealsounterschiedlichePhänomenebeschreibenundstrukturellinkongruentsind,istdieVorstellungeinerweitgehendunvermitteltenAbbildbarkeitdereinenMerkmalsstrukturaufdieande-reweitverbreitet.Schon1978versuchteNitsche,physikalischeMaßevonAudiosig-nalenzukonstruieren,diezuverlässigmitKlangfarbeneindrückenkorrelieren,wasjedochkaumgelang.Furmann,Hojan,Niewiarowicz&Perz(1990)fanden,dassnureinesvonfünferhobenenperzeptivenMerkmalen(Schärfe)signifikantmitphy-

Abb. 13.32 GrundlegendeMerkmalederKlangwahrnehmung

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sikalischenMerkmalengetesteterLautsprecherkorrelierte.EinebessereVorhersag-barkeiteinfacherperzeptiverBeurteilungendurchz.T.expostkonstruiertephysika-lischeMaßefandenLehmann&Wilkens(1980)ineinerUntersuchungzurAkustikvonKonzertsälen, jedochaucheine starkeBeeinflussungdurchdieverwendetenMusikstückeunddenpersönlichenGeschmack.

Imwesentlichenerschwerenbzw.verhindernzweiGründedieIntegrationderphysikalischenundderpsychologischenEbene:ZumeinensinddieBeziehungenzwischendenjeweiligenMerkmalenkomplex.SokanndieVeränderungeinestech-nischen Parameters (z.B. Frequenzspektrum) die Veränderung der AusprägungmehrererKlangmerkmalezurFolgehaben(z.B.Klangfarbe,Lautheit,Entfernungs-eindruck),oderzurVeränderungderAusprägungeinesKlangmerkmals(z.B.Ent-fernungseindruck)müssenmehreretechnischeParameterverändertwerden(Pegel,Frequenzspektrum,VerhältnisvonDirekt-undDiffusschall).ZumanderenistderMenschdaseinzigegültigeMessinstrumentzurBestimmungvonWahrnehmungs-inhalten,erliefertaberinter-wieintraindividuellnichtsozuverlässigeDatenwieeine physikalische Messung, was durch individuelle Konstruktionsvorgänge alsTeildesWahrnehmungsprozessesbedingtist.PhysikalischeundperzeptiveMess-verfahrenunterscheidensichvorallemhinsichtlichderErfüllungderklassischenTestgütekriterienValidität(GültigkeitimSinnevonEignungderverwendetenVari-ablenfürdieinteressierendenMerkmalesowievoneindeutigerInterpretierbarkeitundGeneralisierbarkeit derMessung) undReliabilität (Zuverlässigkeit imSinnevonGenauigkeitundReproduzierbarkeitderMessergebnisse).DieErzielungeinerhohenObjektivität(NachprüfbarkeitundVermeidungvonVersuchsleiter-Subjekti-vität)hingegenist,sofernmitstandardisiertenInstrumentenundtransparentgear-beitetwird,beibeidenAnsätzenweitgehendunproblematisch,weswegenderBe-griffsubjektivfürdieBeschreibungvonMehr-Probanden-HörversuchenirreführendistundderenwissenschaftlicheQualitätunnötignegativattribuiert.Aufgrunddergenannten Umstände können prinzipiell keine deterministischen, sondern aus-schließlichprobabilistischeZusammenhängezwischenphysikalischerundpsycho-logischerEbeneermitteltwerden.WeitgehendeindeutigeBeziehungenkönnennurfür wenige grundlegende Merkmale hergestellt werden (Zwicker u. Feldtkeller1967:1,Fastl1997).ZudemwurdendiesezumeistunterLaborbedingungen(z.B.unbeweglicherKopf)undfürkünstlicheAudio-Inhalte(z.B.Sinustöne)empirischermittelt.Mit derHerstellung solcher – gemessen an derLeistungsfähigkeit desHörsinnsundderauditivenVerarbeitungeinfachen–Zusammenhängebefasstsichdie klassische Psychoakustik. Produkte höherer psychischerVerarbeitungsstufenwiekomplexeKlangmerkmale(z.B.Transparenz),ästhetischeEindrückeoderSinn-erkennung hingegen können bislang überhaupt nicht allgemeingültig auf spezi-fischephysikalischeEigenschaftendesakustischenReizeszurückgeführtwerden.GeradedieBeeinflussungdieserhöherenmenschlichenWahrnehmungsinhalte istaberüberwiegenddasZielderAudiobearbeitung.DerAudio-ProduzentkannsichhierbeialsokaumaufwissenschaftlichbelegteZusammenhängestützen,sondernnuraufindividuelleKonzepte,VersuchundIrrtum,dieeigeneWahrnehmung,Er-fahrungundkünstlerisch-ästhetischeEntscheidung.DochauchhierfürlassensicheinigeallgemeineWirkungsprinzipien,ZieleundFunktionenformulieren,dennfür

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grundlegendeWahrnehmungsvorgängewieEmpfindungs-,Aufmerksamkeits-undErkennungsprozesse können typische, interindividuell ähnliche Funktionsweisenvorausgesetztwerden.Hierzuzählen

• psychoakustischeMechanismen,insbesondereMaskierungundLokalisation,• Gestaltgesetze,z.B.GesetzederNähe,derÄhnlichkeit,derEinfachheit, (vgl.

Goldstein2002:190–204)sowie• ZusammenhängeimSinnederneuenexperimentellenÄsthetik(Berlyne1971,

1974)zwischenreizbezogenenkollativenVariablen(z.B.Neuartigkeit,Komple-xität)undReaktionsdimensionen(z.B.Aufmerksamkeit,Bewertung).

Viele in der Produktionspraxis berücksichtigte funktionale und ästhetische Ge-sichtspunkteinsbesonderederKlanggestaltunglassensichaufdiegenanntenZu-sammenhängezurückführen.SietretenallerdingszumeistmitinhaltlichenBedeu-tungen in Wechselwirkung. Dies gilt insbesondere für Musik, sofern man dieErkennungmusikalischerStrukturalseineVoraussetzungfürdasEntstehenmusi-kalischerBedeutung ansieht.DerWahrnehmungmusikalischer StruktureinheitenliegenPrinzipienderGestalterkennungzugrunde(Motte-Haber2005),undderBot-tom-up-Prozess(reizgeleiteteInformationsverarbeitung)alsTeilderGestalterken-nunghängtvonklanglichenEigenschaftenab:Grundsätzlicherhöhenähnlichephy-sikalischeundperzeptiveEigenschaften(cues)vonSchall-bzw.HörereignissendieWahrscheinlichkeit ihrerFusionzueinemAuditoryStream(Bregman1990).ZurKonturierung musikalischer Gestalten tragen auch Spektraldifferenzen bei (Ter-hardt1986).Sofördertz.B.KlangfarbenhomogenitätdieWahrnehmbarkeiteinergeschlossenen Melodielinie (Wessel 1979). Nachdem Klang der musikalischenStruktur insoweit inhärent ist (Maempel 2001:21–24), beeinflusst eine selektiveKlangbearbeitungimmerauchdieWahrnehmungmusikalischerBedeutung.

13.4.2  Gestalten und Interpretation

Einesinnvolle,d.h.aninhaltlicherBedeutungorientierteAudiobearbeitungsorgtfürdieErkennbarkeit,Schärfung,Trennung,ZusammenfassungundGewichtungmusikalischerGestaltenoderandererinhaltlicherEinheiten.HierzukannaufalleauditivenMerkmale(vgl.Abb.13.32)Einflussgenommenwerden.SowohldieEr-mittlungdermusikalischenbzw.inhaltlichenIntentionalsauchdiekonkreteFestle-gungvonKlangeigenschaften–dasselbeZielkannmitverschiedenenMittelner-reicht werden – ist jeweils ein klarer interpretatorischer Vorgang (neben derAufführungs-Interpretationdie sogenannte zweite Interpretation).Audiobearbei-tungistimRahmenderMusikübertragungdahernichtnureintechnischer,sondernauch und gerade ein musikalischer Prozess (Schlemm 1997, Maempel 2001).Gleichwohl lassen sich nach Dickreiter (1997:336) räumliche Ausgewogenheit(„Symmetrie“)desKlangbildsundKlarheit als übergeordnetgültigeklangästhe-tischePrinzipienausmachen.

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13.4.3  Klangästhetische Maximen

DerMusikübertragungkönnengrundsätzlichdreidivergierendeZielsetzungenzu-grundeliegen(TerminologienachStolla2004):

• die Reproduktion des physikalischen Schallfelds des Aufführungsorts durchmöglichstunverfälschteSignalübertragung(positivistischesKlangideal),

• dieErzeugungeinesderAufführungähnlichenMusikerlebnissesdurchklang-licheBeeinflussungen,dieeineentsprechendeIllusionfördern(illusionistischesKlangideal),

• die interpretatorisch freie Realisation der Partitur ohne zwingenden Auffüh-rungsbezug(medial-autonomesKlangideal).

DiesefundamentaleEinteilungistaufdieÜbertragungallerauditivenInhaltean-wendbar.

13.4.3.1 Kunstmusik

Nach Stolla (2004) folgen Übertragungen von konzertanter Kunstmusik seit den1970erJahreneinerillusionistischenÄsthetik:AufnahmenorientierensichklanglichamAufführungsoriginalundzielenaufNatürlichkeit ab,die es jedochwegendeskomplexenTransformationsprozessesmedialnichtgebenkann(vgl.hierzuauchBi-ckel1992undSchlemm1997),zumal siedurchdiegleichzeitigeForderungnachspieltechnischerPerfektionuntergrabenwird.AudiobearbeitungwirdimRahmendesillusionistischenKonzeptsmitBlickaufdieEbenedespsychischenErlebensnichtgemäß dem puristischenAnsatz minimiert, sondern gezielt und ggf. deutlich zurÜberhöhungklanglicherEigenschafteneingesetzt.DurchdiesoverbessertePlastizi-tätauditivermusikalischerGestaltenundBedeutungensollentransformationsbedingtfehlende(z.B.visuelle)MerkmalederAufführungkompensiertwerden.

13.4.3.2 Populäre Musik

PopularmusikalischeGenres,RadiokunstundinderRegelHörspielfolgenhinge-gen einem medial-autonomen Klangideal. Ein kreativer und innovativer EinsatzvonAudiobearbeitungsmittelnisthiernichtnurzulässig,sonderngeradezuerfor-derlich.SonimmtpopuläreMusikzumeistnichtaufvorbestehendeoderklanglichklardefinierbareAufführungssituationenBezug.Sieentstehtnichtvor,sondernindemtechnischenMedium,dashiernebendervermittelndenaucheineProduktions-funktionbesitzt.UngeachtetderFrage,wasunterdiesenUmständenalsOriginalbezeichnetwerdenkann,erlaubtdieFreiheit,nichteinemIdealaufführungsbezo-generNatürlichkeitgenügenzumüssen,einebesonderswirksameUnterstützungder Wahrnehmung musikalischer Strukturen. So wird in der Regel mit starkenklanglichenKontrastengearbeitet,umden(häufigstrukturellstereotypen)musika-lischenGestaltenhohePrägnanzzuverleihen(Maempel2001).

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13.4.4  Aktivierung

DaAudioinhaltehäufigwerbendeoderselbstwerbendeFunktionenerfüllensollen(z.B.Werbespots,KennmelodienoderPopularmusik),wirdinderRegelversucht,ein Mindestmaß aktivierender Eigenschaften sicherzustellen mit dem Ziel, beimHörerAufmerksamkeitundHinwendungzuerzeugen.DieAktivierungdesHörerskannaufklanglicherEbenedurcheineErhöhungderReizenergie(z.B.durchHel-ligkeitundLautheit)odereineErhöhungderReizkomplexität(z.B.durchdenEin-satz von Effekten und unbekannten Sounds sowie durch schnelle Wechsel vonKlangeigenschaften)gefördertwerden.InVerbindungmiteinemästhetischhoch-komplexenBewegtbild(z.B.Videoclip)werdeninderTendenzvornehmlichener-giehaltige,ohneBildhingegeneherkomplexeklanglicheGestaltungenbevorzugt(Maempel2001).Grundsätzlich trägt aucheingeeignetesVerhältnisvonNeuemundVertrautembeiderSoundauswahlund-bearbeitungzueinerpositivenHinwen-dungdesHörersbei.DasPrinzipistunterdemKürzelMAYA(mostadvancedyetacceptable)bekannt.ObdasausderWerbepsychologieentlehnteAktivierungskon-zept imheutigenUmfeldderReizüberflutunguneingeschränkt aufgeht, ist aller-dingsfraglich:InsbesonderedieenergetischenMerkmalescheinenweitgehendaus-gereizt zu sein. Sie sind zudem in den meisten Fällen durch den Rezipientenbeeinflussbar(z.B.Lautstärkewahl),alsonichtnachhaltigwirksam.MitdemZiel,denBewegungsdrangdesHörersanzusprechenundihndamitumfassenderzuakti-vieren,wirdauchaufeinefeinemikrorhythmischeGestaltungWertgelegt.Durchfein abgestimmtePegel- und spektraleVerhältnisse und denEinsatz vonDelay-effekten wenigstens innerhalb der Rhythmus-Sektion kann ein schon strukturellangelegterGrooveeinesMusikstücksbefördertwerden.

13.4.5  Assoziation

AudiobearbeitungsmaßnahmenkönnenwieAudioinhalteauchklareeigeneBedeu-tungentragen,alsoselbstInhaltsein,oderwenigstenseinbestimmtesAssoziations-potenzial besitzen. So lassen sich durch Filterung und Verzerrung Telefon- undMegafonstimmennachahmen,derCharaktereinerGroßveranstaltung,eineClubat-mosphäreodereinesakraleStimmungkönnendurchdenEinsatzentsprechenderHalleffektehergestelltoderverstärktwerden,unddieVerwendungoderSimulationhistorischerAudiotechnik(z.B.UnterlegenvonSchellack-oderVinylplatten-Geräu-schen,Filterung)verweistaufeinevergangeneEpoche,einenbestimmtenZeitgeistodereinbestimmtesLebensgefühl.

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13.4.6  Robustheit und Lautheit

FürvielemassenmedialeInhaltegewinnteinweiteresKriteriumzunehmendanBe-deutung.DasKlangbildsolltemöglichenUnzulänglichkeitendermedialenÜber-tragungsketteindemSinneRechnungtragen,dassdasinhaltlichodermusikalischWesentlichedeutlicherkennbarübertragenwird.VordemHintergrundderzuneh-mendenDiversifikationundPortabilitätvonWiedergabegeräten (z.B.Autoradio,Laptop,Handy,MP3-Player),mussheutenichtnurvoneinerVerletzungderopti-malenAbhörbedingungen(z.B.Standard-Stereoaufstellung,vgl.Abb.13.4),son-dern auch grundsätzlich von zunehmend ungünstigen Abhörbedingungen (z.B.schmalbandiger Frequenzgang, hoher Klirrfaktor, laute Umgebung) und Hörge-wohnheiten (z.B.Nebenbeihören)ausgegangenwerden.DiesenUmständenwirdoftdurcheinestärkereMonokompatibilität,vereinfachteLokalisationsverteilung,geringereDynamikbzw.höhereLautheit,klangfarblicheAggressivitätundVermei-dungderNutzungderAußenoktavenfürmusikalischwesentlicheInformationbe-gegnet.SowohldieseRobustheit des KlangbildsalsauchderLautheitswettlaufsindBeispielefürdieEinengungpotenziellerklangästhetischerVielfaltaufmedialfunk-tionaleVarianten(Maempel2007).

DieklangästhetischenÜberlegungenlegenoftgegensinnigeBearbeitungsmaß-nahmennahe,sodasshierPrioritätengesetztundKompromisseeingegangenwer-denmüssen.DiesistauchbeiderklangästhetischenBeurteilungzuberücksichti-gen,diedahernichtqualitativpunktuellerfolgen,sondernstetsdieGesamtheitderpotenziellrelevantenAspekteimBlickhabensollte.

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H.-J.Maempel,S.Weinzierl,P.Kaminski784

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