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Kapitel 21 Haupts ¨ atze der Lebesgue–Integration 21.1 Die S¨ atze von Egoroff und Lusin 21.2 Konvergenzs¨ atze f¨ ur das Lebesgue–Integral 21.3 Vergleich mit dem Riemann–Integral 21.4 Die Lebesgue–R¨ aume L p (A) 21.1 Die S¨ atze von Egoroff und Lusin Das erste Hauptresultat dieses Abschnittes besagt im Wesentlichen, dass eine auf einer messbaren Menge (mit endlichem Lebesgue–Maß) punktweise gegen eine Grenzfunktion konvergente Folge messbarer Funktionen bereits fast ¨ uberall gleichm¨ aßig gegen die Grenz- funktion konvergiert. Satz 21.1 ( Satz von Egoroff ) Seien A R n messbar mit λ(A) < +und {f k } eine Folge von messbaren Funktionen, die ur fast alle t A punktweise gegen eine messbare Funktion f konvergiert. Dann existiert zu jedem ε> 0 eine messbare Menge B A mit λ(A \ B) derart, dass {f k } kN auf B gleichm¨aßiggegen f konvergiert. Beweis: ur alle m, k N definieren wir die Mengen S m,k := l=k t A f l (t) f (t) < 1 m . Wegen Lemma 19.26 sind alle die Mengen S m,k messbar. Ferner setzen wir H := t A | lim l→∞ f l (t)= f (t) . Nach Voraussetzung sowie der Additivit¨ at des Lebesgue–Maßes ist dann λ(A)= λ(H )+ λ(A \ H )= λ(H ). 199

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Kapitel 21

Hauptsatze der Lebesgue–Integration

21.1 Die Satze von Egoroff und Lusin21.2 Konvergenzsatze fur das Lebesgue–Integral21.3 Vergleich mit dem Riemann–Integral21.4 Die Lebesgue–Raume Lp(A)

21.1 Die Satze von Egoroff und Lusin

Das erste Hauptresultat dieses Abschnittes besagt im Wesentlichen, dass eine auf einermessbaren Menge (mit endlichem Lebesgue–Maß) punktweise gegen eine Grenzfunktionkonvergente Folge messbarer Funktionen bereits fast uberall gleichmaßig gegen die Grenz-funktion konvergiert.

Satz 21.1 ( Satz von Egoroff )Seien A ⊆ R

n messbar mit λ(A) < +∞ und {fk} eine Folge von messbaren Funktionen, diefur fast alle t ∈ A punktweise gegen eine messbare Funktion f konvergiert. Dann existiertzu jedem ε > 0 eine messbare Menge B ⊆ A mit λ(A \ B) < ε derart, dass {fk}k∈N auf Bgleichmaßig gegen f konvergiert.

Beweis: Fur alle m, k ∈ N definieren wir die Mengen

Sm,k :=

∞⋂

l=k

{

t ∈ A∣

∣fl(t) − f(t)∣

∣ <1

m

}

.

Wegen Lemma 19.26 sind alle die Mengen Sm,k messbar. Ferner setzen wir

H :={

t ∈ A | liml→∞

fl(t) = f(t)}

.

Nach Voraussetzung sowie der Additivitat des Lebesgue–Maßes ist dann

λ(A) = λ(H) + λ(A \ H) = λ(H).

199

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200 KAPITEL 21. HAUPTSATZE DER LEBESGUE–INTEGRATION

Außerdem gilt ganz offensichtlich

H ⊆∞⋃

k=1

Sm,k ∀m ∈ N. (21.1)

Fur jedes feste m ∈ N ist {Sm,k} offenbar eine monoton steigende Folge von Mengen, also

Sm,k ⊆ Sm,k+1 ⊆ . . . ⊆ A.

Aus dem Lemma 19.4 (Stetigkeit von unten des Lebesgue–Maßes, denn wegen Satz 19.15ist λ tatsachlich ein Maß) folgt daher

limk→∞

λ(Sm,k) = λ

( ∞⋃

k=1

Sm,k

)

(21.1)

≥ λ(H) = λ(A)

fur jedes feste m ∈ N. Folglich ist

limk→∞

λ(Sm,k) = λ(A) ∀m ∈ N.

Sei nun ε > 0 beliebig gegeben. Dann existiert zu jedem m ∈ N ein (im Allgemeinen vonε abhangiger) Index km ∈ N, so dass

λ(

A \ Sm,km

)

= λ(A) − λ(Sm,km) <

ε

2m

gilt, wobei wir erneut das Lemma 19.4 verwendet haben und dazu auch die Voraussetzungλ(A) < ∞ benotigen. Wir behaupten nun, dass die Menge

B :=∞⋂

m=1

Sm,km

die gewunschten Eigenschaften besitzt. Offensichtlich ist B messbar mit B ⊆ A sowie

λ(

A \ B)

= λ

(

A \∞⋂

m=1

Sm,km

)

= λ

( ∞⋃

m=1

(

A \ Sm,km

)

)

≤∞

m=1

λ(

A \ Sm,km

)

<

∞∑

m=1

ε

2m

= ε

Christian Kanzow, Universitat Wurzburg, WS 2011/12

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21.1. DIE SATZE VON EGOROFF UND LUSIN 201

aufgrund der Subadditivitat des Lebesgue–Maßes. Schließlich ist B ⊆ Sm,kmfur alle m ∈ N,

weshalb man fur jedes t ∈ B die Abschatzung

∣fl(t) − f(t)∣

∣ <1

m∀l ≥ km

erhalt. Also konvergiert die Funktionenfolge {fl} auf der Menge B gleichmaßig gegen f . 2

Das zweite Hauptresultat dieses Abschnittes besagt im Prinzip, dass eine auf einer endli-chen messbaren Menge messbare Funktion dort bereits fast uberall stetig ist.

Satz 21.2 ( Satz von Lusin )Seien A ⊆ R

n messbar und beschrankt (insbesondere also λ(A) < +∞) sowie f : A → R

messbar. Dann existiert zu jedem ε > 0 eine abgeschlossene (und damit kompakte) MengeF ⊆ A mit λ(A \ F ) < ε derart, dass f

Fstetig ist.

Beweis: Sei ε > 0 beliebig gegeben. Wir zerlegen den Beweis in drei Schritte, indemwir zunachst annehmen, dass die Abbildung f eine primitive Funktion ist, anschließend fals nichtnegativ voraussetzen und schließlich im dritten Teil eine allgemeine Funktion fzulassen, wobei das jeweils betrachtete f naturlich stets den Voraussetzungen des Satzesgenugen soll.

Schritt 1: In diesem Schritt wird f als primitive Funktion vorausgesetzt. Dann existierendisjunkte messbare Mengen Ai ⊆ A und skalare Großen αi ≥ 0 mit

f(t) =m

i=1

αiχAi(t).

Wegen des Satzes 19.23 existiert zu jedem i ∈ {1, . . . , m} eine abgeschlossene Menge Fi ⊆Ai mit

λ(Ai \ Fi) <ε

m + 1(i = 1, . . . , m).

Die Mengem⋃

i=1

Ai ⊆ A

ist ebenfalls messbar. Erneute Anwendung des Satzes 19.23 liefert daher eine weitere ab-geschlossene Menge

F0 ⊆ A \m⋃

i=1

Ai =: A0

mit der Eigenschaft

λ(

A0 \ F0

)

m + 1.

Christian Kanzow, Universitat Wurzburg, WS 2011/12

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202 KAPITEL 21. HAUPTSATZE DER LEBESGUE–INTEGRATION

Dann ist auch die endliche Vereinigung

F :=

m⋃

i=0

Fi

ebenfalls eine abgeschlossene Menge. Aufgrund der Definition von A0 gilt

A =m⋃

i=0

Ai,

und weil die Ai paarweise disjunkt sind, folgt hieraus die disjunkte Zerlegung

A \ F =

m⋃

i=0

(

Ai \ Fi

)

.

Die endliche Additivitat des Lebesgue–Maßes impliziert daher

λ(A \ F ) =

m∑

i=0

λ(

Ai \ Fi

)

< ε.

Da die Mengen Fi abgeschlossen und disjunkt und somit wegen der vorausgesetzten Be-schranktheit von A einen positiven Abstand voneinander haben sowie f auf jeder derMengen Fi konstant ist, handelt es sich bei f um eine stetige Funktion auf F .

Schritt 2: Sei nun f : A → R nichtnegativ und genuge ansonsten den Voraussetzungen desSatzes. Aufgrund des Satzes 20.9 existiert dann eine Folge {fk} von primitiven Funktionenmit f(t) = limk→∞ fk(t) fur alle t ∈ A. Nach dem schon bewiesenen Resultat fur primitiveFunktionen konnen wir zu dem gegebenen ε > 0 und zu jedem k ∈ N eine abgeschlosseneMenge Fk ⊆ A mit

λ(

A \ Fk

)

2k+1

finden, so dass fk auf Fk stetig ist. Aus dem Satz 21.1 von Egoroff ergibt sich wegenλ(A) < ∞ außerdem die Existenz einer abgeschlossenen Menge F0 ⊆ A mit

λ(

A \ F0

)

2und fk → f gleichmaßig auf F0.

Wir definieren nun

F := F0 ∩∞⋂

k=1

Fk =∞⋂

k=0

Fk.

Dann ist F eine abgeschlossene Menge. Mit der σ-Subadditivitat des Lebesgue–Maßes folgt

λ(

A \ F)

= λ

(

A \∞⋂

k=0

Fk

)

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21.2. KONVERGENZSATZE FUR DAS LEBESGUE–INTEGRAL 203

= λ

( ∞⋃

k=0

(

A \ Fk

)

)

≤∞

k=0

λ(

A \ Fk

)

= λ(

A \ F0

)

+

∞∑

k=1

λ(

A \ Fk

)

2+

∞∑

k=1

ε

2k+1

2+

ε

2= ε.

Da fk

Fstetig ist (wegen F ⊆ Fk fur alle k ≥ 1) und fk → f gleichmaßig auf F gilt (wegen

F ⊆ F0), ist die Grenzfunktion f auf F selbst stetig nach Satz 9.6.

Schritt 3: Sei f : A → R nun eine beliebige Funktion, die lediglich den Voraussetzungendes Satzes genugen soll. Dann gilt

f = f+ − f− mit f+(t) := max{0, t}, f−(t) := max{0,−t}. (21.2)

Die beiden Abbildungen f+, f− : A → R sind messbar (wegen Satz 19.27) und nichtne-gativ (per Konstruktion). Somit konnen wir die bereits im Schritt 2 bewiesene Aussagefur nichtnegative Abbildungen auf f+ und f− anwenden: Es gibt abgeschlossene MengenF+, F− ⊆ A mit λ(A\F+) < ε

2, λ(A\F−) < ε

2derart, dass f+ stetig auf F+ und f− stetig

auf F− ist. Dann ist f stetig auf der Menge F := F+ ∩ F−, und es gilt

λ(A \ F ) = λ(

A \ (F+ ∩ F−))

= λ(

(A \ F+) ∪ (A \ F−))

≤ λ(A \ F+) + λ(A \ F−) < ε

aufgrund der Subadditivitat des Lebesgue–Maßes. 2

Man beachte, dass wir die Abbildung f im Satz 21.2 von Lusin zur Vereinfachung alsreellwertig vorausgesetzt haben. Das Resultat gilt aber auch fur alle messbaren Funktionenf : A → R, sofern f fast uberall endlich ist (und damit beispielsweise fur alle integrierbarenFunktionen f : A → R, vergleiche Satz 20.25). Dazu wendet man den Satz 21.2 von Lusinauf die Menge A \ N an, wenn N := {t ∈ A | |f(t)| = ∞} bezeichnet, und erhalt so dasgewunschte Resultat, da N nach Voraussetzung nur eine Nullmenge ist.

21.2 Konvergenzsatze fur das Lebesgue–Integral

Ein großer Vorteil des Lebesgue–Integrals gegenuber dem Riemann–Integral besteht darin,dass man unter relativ schwachen Voraussetzungen Limes–Bildung und Integration mit-einander vertauschen kann. Dass dies allerdings auch beim Lebesgue–Integral nicht immerder Fall ist, sei an dem folgenden Beispiel illustriert.

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204 KAPITEL 21. HAUPTSATZE DER LEBESGUE–INTEGRATION

Beispiel 21.3 Fur jedes k ∈ N sei durch

fk(t) :=

{

k, falls 0 < t < 1/k,0, sonst

eine Funktion fk : [0, 1] → R definiert. Offenbar gilt fk(t) → 0 fur jedes feste t ∈ [0, 1],d.h., die Folge {fk} konvergiert punktweise gegen die Nullfunktion f ≡ 0. Es ist jedoch

∫ 1

0

limk→∞

fk(t)dt 6= limk→∞

∫ 1

0

fk(t)dt,

denn das linke Integral ist Null wegen limk→∞ fk(t) = 0 fur alle t ∈ [0, 1], wahrend der

Grenzwert auf der rechten Seite gleich Eins ist wegen∫ 1

0fk(t)dt = 1 fur alle k ∈ N,

wobei alle auftretenden Integrale naturlich Lebesgue–Integrale sind und das Integral vonfk in diesem Fall sehr einfach zu berechnen ist, da es sich bei fk um eine charakteristischeFunktion handelt. 3

Wir wollen im Folgenden Kriterien angeben, welche die Vertauschung von Integration undGrenzubergang erlauben. Das folgende Resultat liefert hierfur eine wichtige Hilfsaussage,die auch fur sich allein von großem Interesse ist. Zu diesem Zweck sei zunachst an das Ko-rollar 20.20 erinnert, wonach fur zwei und damit auch fur endlich viele paarweise disjunkte,messbare Mengen A1, . . . , Ar ⊆ R

n die Additivitat

Srk=1 Ak

f(t)dt =

r∑

k=1

Ak

f(t)dt

gilt. Das nachste Lemma besagt im Prinzip, dass sogar die σ-Additivitat erfullt ist.

Lemma 21.4 ( σ-Additivitat des L–Integrals als Funktion des Integrationsbereichs )Sei f : R

n → [0,∞] eine nichtnegative messbare Funktion. Dann ist die Abbildung

φ(A) :=

A

f(t)dt (21.3)

σ-additiv auf der Menge der messbaren Teilmengen des Rn.

Beweis: Sei {Ak} eine Folge von paarweise disjunkten messbaren Teilmengen des Rn. Zu

zeigen ist dann die Gultigkeit von

φ

( ∞⋃

k=1

Ak

)

=∞

k=1

φ(Ak).

Schreiben wir zur Abkurzung

A :=

∞⋃

k=1

Ak,

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21.2. KONVERGENZSATZE FUR DAS LEBESGUE–INTEGRAL 205

so haben wir also die Gleichheit

φ(A) =∞

k=1

φ(Ak).

zu verifizieren. Hierfur unterteilen wir den Beweis in drei Schritte.

Schritt 1: Hier betrachten wir zunachst den Fall, dass es sich bei f um eine charakteristischeFunktion handelt, etwa f = χE fur ein messbares E ⊆ R

n. Dann gilt definitionsgemaß∫

A

χE(t)dt = λ(A ∩ E),

und die Behauptung folgt daher aus der σ-Additivitat des Lebesgue–Maßes:∫

A

χE(t)dt = λ(

A ∩ E)

= λ

(( ∞⋃

k=1

Ak

)

∩ E

)

= λ

( ∞⋃

k=1

(

Ak ∩ E)

)

=∞

k=1

λ(

Ak ∩ E)

=∞

k=1

Ak

χE(t)dt.

Folglich gilt die Aussage des Lemmas fur charakteristische Funktionen.

Schritt 2: Sei nun f eine primitive Funktion, etwa f =∑m

i=1 αiχEimit paarweise dis-

junkten, messbaren Teilmengen Ei ⊆ Rn und nichtnegativen Skalaren αi ≥ 0. Aus der

Linearitat des Integrals und der im Schritt 1 schon bewiesenen Aussage fur charakteristi-sche Funktionen folgt dann

A

f(t)dt =

A

( m∑

i=1

αiχEi(t)

)

dt

=

m∑

i=1

αi

A

χEi(t)dt

=m

i=1

αi

∞∑

k=1

Ak

χEi(t)dt

=

∞∑

k=1

Ak

( m∑

i=1

αiχEi(t)

)

dt

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206 KAPITEL 21. HAUPTSATZE DER LEBESGUE–INTEGRATION

=

∞∑

k=1

Ak

f(t)dt,

also gerade die Behauptung in dem hier betrachteten Fall. Hierbei wurde noch benutzt,dass man wegen der Nichtnegativitat aller Terme die Reihenfolge der Summationen beliebigvertauschen darf, vergleiche hierzu die Bemerkung 19.6.

Schritt 3: Sei f nun eine beliebige messbare und nichtnegative Funktion. Fur jede primitiveFunktion s mit 0 ≤ s ≤ f gilt dann aufgrund der schon im Schritt 2 bewiesenen σ-Additivitat bei primitiven Funktionen sowie der Monotonie des Integrals

A

s(t)dt =∞

k=1

Ak

s(t)dt ≤∞

k=1

Ak

f(t)dt =∞

k=1

φ(Ak).

Wegen Korollar 20.14 impliziert dies

φ(A) ≤∞

k=1

φ(Ak). (21.4)

Gilt nun φ(Ak) = +∞ fur ein k ∈ N, so folgt wegen Ak ⊆ A aus Lemma 20.13 sofortφ(A) ≥ φ(Ak) und damit φ(A) =

∑∞k=1 φ(Ak), also die Behauptung. Sei im Folgenden

daher φ(Ak) < +∞ fur alle k ∈ N.Zu ε > 0 gibt es wegen Korollar 20.14 dann eine primitive Funktion s mit 0 ≤ s ≤ f

derart, dass

A1

s(t)dt ≥

A1

f(t)dt − ε und

A2

s(t)dt ≥

A2

f(t)dt − ε. (21.5)

Dies impliziert

φ(A1 ∪ A2) =

A1∪A2

f(t)dt

A1∪A2

s(t)dt

=

A1

s(t)dt +

A2

s(t)dt

≥ φ(A1) + φ(A2) − 2ε,

woraus sich

φ(A1 ∪ A2) ≥ φ(A1) + φ(A2)

ergibt, da ε > 0 beliebig gewahlt war. Induktiv folgt hieraus die Ungleichung

φ(A1 ∪ . . . ∪ Ak) ≥ φ(A1) + . . . + φ(Ak) (21.6)

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21.2. KONVERGENZSATZE FUR DAS LEBESGUE–INTEGRAL 207

fur alle k ∈ N. Wegen A1 ∪ . . . ∪ Ak ⊆ A folgt aus (21.6) wiederum

φ(A) ≥∞

k=1

φ(Ak), (21.7)

so dass die behauptete σ-Additivitat von φ unmittelbar aus (21.4) und (21.7) folgt. 2

Das Lemma 21.4 erlaubt folgende Interpretation: Die Abbildung φ aus (21.3) auf der σ-Algebra aller messbaren Teilmengen des R

n (man erinnere sich an den Satz 19.14) σ-additiv.Ferner gilt ganz offensichtlich φ(A) ≥ 0 fur alle messbaren Mengen A ⊆ R

n aufgrund derNichtnegativitat der gegebenen Funktion f ; schließlich ist auch φ(∅) = 0, etwa aufgrund desKorollars 20.22, denn die leere Menge ist insbesondere eine Nullmenge. Gemaß Definition19.3 ist φ damit ein Maß auf der σ-Algebra aller messbaren Mengen. Somit gelten fur φalle Eigenschaften eines Maßes, insbesondere konnen wir das Lemma 19.4 (e) anwenden(mit φ an Stelle von µ) und erhalten

S

k=1Ak

f(t)dt = φ

( ∞⋃

k=1

Ak

)

= limk→∞

φ(Ak) = limk→∞

Ak

f(t)dt (21.8)

fur jede Folge {Ak} messbarer Mengen mit A1 ⊆ A2 ⊆ A3 ⊆ . . .. Insbesondere geltendie Identitaten (21.8) dann fur jede primitive Funktion f = s. Diese Feststellung wird imBeweis des gleich folgenden Satzes verwendet.

Die nachsten drei Konvergenzsatze sind die (zumindest aus der Sicht der Funktional-analysis) wohl wichtigsten Konvergenzsatze fur das Lebesgue–Integral. Zwei dieser Konver-genzsatze geben insbesondere hinreichende Kriterien dafur an, dass man Integration undLimes–Bildung miteinander vertauschen kann.

Satz 21.5 ( Satz von Beppo Levi uber die monotone Konvergenz )

Seien A ⊆ Rn messbar, fk : A → R messbar fur alle k ∈ N mit 0 ≤ f1(t) ≤ f2(t) ≤ . . .

fur alle t ∈ A und f(t) := limk→∞ fk(t) die punktweise definierte Grenzfunktion f : A →[0,∞]. Dann ist

limk→∞

A

fk(t)dt =

A

(

limk→∞

fk(t))

dt(

=

A

f(t)dt)

.

Beweis: Die vorausgesetzte Monotonie der Folge {fk} auf A impliziert, dass die zugehorigeFolge der Integrale {

Afk(t)dt} ebenfalls monoton steigend ist. Also existiert eine Zahl

α ∈ [0,∞] mit∫

A

fk(t)dt → α. (21.9)

Wegen fk(t) ≤ f(t) fur alle t ∈ A ist außerdem∫

Afk(t)dt ≤

Af(t)dt fur alle k ∈ N und

daher

α ≤

A

f(t)dt. (21.10)

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208 KAPITEL 21. HAUPTSATZE DER LEBESGUE–INTEGRATION

Zum Nachweis der umgekehrten Ungleichung sei s : A → R zunachst eine beliebige pri-mitive Funktion mit 0 ≤ s ≤ f . Sei ferner c ∈ (0, 1) eine vorubergehend fest gewahlteKonstante und setze

Ak :={

t ∈ A∣

∣ fk(t) ≥ cs(t)}

fur alle k ∈ N.

Wegen 0 ≤ f1(t) ≤ f2(t) ≤ f3(t) ≤ . . . gilt dann

A1 ⊆ A2 ⊆ A3 ⊆ . . . ⊆ A.

Aus fk(t) → f(t) folgt außerdem

A =

∞⋃

k=1

Ak.

Die Inklusion⋃∞

k=1 Ak ⊆ A ist hierbei klar wegen Ak ⊆ A fur alle k ∈ N. Ist umgekehrtt ∈ A und wurde t zu keiner der Mengen Ak gehoren, so ware fk(t) < cs(t) fur alle k ∈ N

und daher f(t) = limk→∞ fk(t) ≤ cs(t) < s(t) (falls s(t) > 0, sonst ware nichts zu zeigen)im Widerspruch zu s(t) ≤ f(t). Die Nichtnegativitat der fk impliziert außerdem

α ≥

A

fk(t)dt ≥

Ak

fk(t)dt ≥ c

Ak

s(t)dt.

Mit k → ∞ folgt aus (21.8) daher

α ≥ c limk→∞

Ak

s(t)dt = c

S

k Ak

s(t)dt = c

A

s(t)dt.

Mit c → 1 ergibt sich hieraus

α ≥

A

s(t)dt

fur jede primitive Funktion s mit 0 ≤ s ≤ f . Das Korollar 20.14 liefert somit

α ≥

A

f(t)dt. (21.11)

Die Behauptung folgt nun aus (21.9), (21.10) und (21.11). 2

Man beachte, dass die im Satz 21.5 von Beppo Levi auftretenden Integrale durchaus denWert +∞ annehmen konnen. Bleibt die Folge der Integrale {

Afk(t)dt} hingegen endlich,

so ergibt sich aus dem Satz 21.5 unmittelbar die Integrierbarkeit der punktweisen Grenz-funktion f . Der Satz 21.5 ist ubrigens nicht auf das Beispiel 21.3 anwendbar, da die dortangegebene Funktionenfolge {fk} nicht monoton ist.

Satz 21.6 ( Lemma von Fatou )Seien A ⊆ R

n messbar und fk : A → R messbar und nichtnegativ. Dann ist∫

A

(

lim infk→∞

fk(t))

dt ≤ lim infk→∞

A

fk(t)dt.

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21.2. KONVERGENZSATZE FUR DAS LEBESGUE–INTEGRAL 209

Beweis: Wir setzen zur Abkurzung

f(t) := lim infk→∞

fk(t) ∀t ∈ A und

gN(t) := infk≥N

fk(t) ∀t ∈ A und alle N ∈ N.

Wegen Satz 19.27 sind f, gN : A → [0,∞] zumindest messbare Funktionen. Außerdemhaben die gN die Eigenschaft

0 ≤ g1(t) ≤ g2(t) ≤ . . . ∀t ∈ A.

Damit existiert der (eventuell uneigentliche) Grenzwert limN→∞ gN(t) fur alle t ∈ A. GemaßDefinition von gN und einer bekannten Charakterisierung des lim inf, vergleiche hierzu dieBemerkungen im Anschluss an den Satz 3.20, folgt

limN→∞

gN(t) = supN∈N

gN(t) = supN∈N

(

infk≥N

fk(t))

= lim infk→∞

fk(t) = f(t) ∀t ∈ A.

Also ist f(t) der punktweise Grenzwert der monoton steigenden und nichtnegativen Folge{gN}, so dass alle Voraussetzungen des Satzes 21.5 von Beppo Levi uber die monotoneKonvergenz erfullt sind. Daher folgt

limN→∞

A

gN(t)dt =

A

limN→∞

gN(t)dt

=

A

f(t)dt (21.12)

=

A

lim infk→∞

fk(t)dt.

Andererseits istgN(t) = inf

k≥Nfk(t) ≤ fk(t) ∀k ≥ N, ∀t ∈ A.

Die Monotonie des Integrals impliziert daher

A

gN(t)dt ≤

A

fk(t)dt ∀k ≥ N, ∀N ∈ N.

Dies liefert∫

A

gN(t)dt ≤ lim infk→∞

A

fk(t)dt ∀N ∈ N.

Hieraus folgt wiederum

limN→∞

gN(t)dt ≤ lim infk→∞

A

fk(t)dt.

Zusammen mit (21.12) folgt daher die Behauptung. 2

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210 KAPITEL 21. HAUPTSATZE DER LEBESGUE–INTEGRATION

Auch beim Lemma 21.6 ist die Endlichkeit aller auftretenden Integrale keineswegs gesichert.Die Endlichkeit des Integrals auf der rechten Seite impliziert allerdings die Endlichkeit desIntegrals auf der linken Seite und somit die Integrierbarkeit der wegen Satz 19.27 (c)messbaren Funktion f(t) := lim infk→∞ fk(t) fur t ∈ A. Das Beispiel 21.3 belegt ubrigens,dass die Ungleichung im Satz 21.6 durchaus strikt sein kann.

Das Lemma von Fatou wird oft benutzt, um den nachstehenden Satz von Lebesgue zubeweisen. Dieser Satz liefert ein zweites Kriterium fur die Vertauschbarkeit von Integrationund Limes–Bildung: Statt der Monotonie im Satz 21.5 von Beppo Levi taucht nun dieVoraussetzung auf, dass sich die Funktionenfolge {fk} gleichmaßig durch eine integrierbareFunktion beschranken lasst.

Satz 21.7 ( Satz von Lebesgue uber die dominierte Konvergenz )

Seien A ⊆ Rn messbar und fk : A → R messbar derart, dass die Folge {fk} punktweise

gegen eine Grenzfunktion f konvergiert. Existiert dann eine auf A integrierbare Funktiong mit |fk(t)| ≤ g(t) fur alle k ∈ N und alle t ∈ A, so ist f integrierbar, und es gilt

limk→∞

A

fk(t)dt =

A

(

limk→∞

fk(t))

dt(

=

A

f(t)dt)

.

Beweis: Nach Voraussetzung gilt

lim infk→∞

fk(t) = f(t) ∀t ∈ A

und

lim supk→∞

fk(t) = f(t) ∀t ∈ A.

Ferner ergibt sich aus der Voraussetzung sofort

g(t) + fk(t) ≥ 0 ∀t ∈ A, ∀k ∈ N

und

g(t) − fk(t) ≥ 0 ∀t ∈ A, ∀k ∈ N.

Nach dem Lemma 21.6 von Fatou ist daher einerseits∫

A

g(t)dt +

A

f(t)dt =

A

(g + f)(t)dt

=

A

lim infk→∞

(g + fk)(t)dt

≤ lim infk→∞

A

(g + fk)(t)dt

=

A

g(t)dt + lim infk→∞

A

fk(t)dt,

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21.3. VERGLEICH MIT DEM RIEMANN–INTEGRAL 211

also∫

A

f(t)dt ≤ lim infk→∞

A

fk(t)dt.

Andererseits folgt aber auch∫

A

g(t)dt−

A

f(t)dt =

A

(g − f)(t)dt

=

A

lim infk→∞

(g − fk)(t)dt

≤ lim infk→∞

A

(g − fk)(t)dt

=

A

g(t)dt− lim supk→∞

A

fk(t),

also∫

A

f(t)dt ≥ lim supk→∞

A

fk(t)dt.

Zusammen folgt daher

lim infk→∞

A

fk(t)dt ≥

A

f(t)dt ≥ lim supk→∞

A

fk(t)dt.

Daher existiert der Grenzwert limk→∞

Afk(t)dt und ist gleich dem Integral

Af(t)dt. Au-

ßerdem gilt |f(t)| ≤ g(t) fur alle t ∈ A, so dass wir aus der vorausgesetzten Integrierbarkeitvon g und dem Satz 20.17 sofort die Integrierbarkeit von f erhalten. 2

Die im Beispiel 21.3 auftretende Funktionenfolge {fk} ist zwar beschrankt durch die Funk-tion

g(t) :=

{

1/t, falls 0 < t ≤ 1,0, falls t = 0,

diese Funktion ist jedoch nicht integrierbar auf dem Intervall [0, 1].

21.3 Vergleich mit dem Riemann–Integral

Wir geben in diesem Abschnitt einen Vergleich zwischen dem Riemann– und dem Lebesgue–Integral. Zur besseren Unterscheidung schreiben wir im Folgenden daher

f(t)dt bzw. R −

f(t)dt

fur das Lebesgue–Integral bzw. das Riemann–Integral, wobei die Integrale im Allgemeinenuber gewisse Mengen genommen werden, die wir in der obigen Notation weggelassen ha-ben. Im Gegensatz zum Riemann–Integral wird beim Lebesgue–Integral also kein weitererBuchstabe vorangestellt, sondern die in diesem Kapitel ubliche Schreibweise weiterverwen-det.

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212 KAPITEL 21. HAUPTSATZE DER LEBESGUE–INTEGRATION

Satz 21.8 ( Gleichheit von Riemann– und Lebesgue–Integral auf Quadern )Seien Q ⊆ R

n ein abgeschlossener Quader und f : Q → R eine Riemann–integrierbareFunktion uber Q (insbesondere ist f daher beschrankt). Dann ist f auch (Lebesgue–) inte-grierbar, und es gilt

Q

f(t)dt = R −

Q

f(t)dt.

Beweis: Wir zerlegen den Beweis des Satzes in zwei Schritte.

Schritt 1: Hier sei die Funktion f zusatzlich als nichtnegativ vorausgesetzt. Wir konstru-ieren dann eine Folge {Pk} von Partitionen des Quaders Q auf die folgende Weise: SeiQ = [a1, b1] × . . . × [an, bn] der gegebene abgeschlossene Quader. Die Partition P1 bestehtaus den insgesamt 2n Teilquadern Qj

1 (j = 1, . . . , 2n), die sich dadurch ergeben, dass wirjedes Intervall [ai, bi] (i = 1, . . . , n) in zwei Teilintervalle gleicher Lange zerlegen. Die Parti-tion P2 hingegen zerlegt jedes Intervall [ai, bi] (i = 1, . . . , n) in 22 = 4 gleichlange Teilstuckeund liefert auf diese Weise insgesamt 22n

Teilquader Qj2. Allgemein entsteht die Partition

Pk durch Zerlegung von [ai, bi] in 2k gleichlange Teilintervalle (i = 1, . . . , n); die entstehen-den Quader heißen Qj

k (j = 1, . . . , 2kn). Dann ist Pk offenbar eine Verfeinerung von Pk−1,und es gilt δ(Pk) −→ 0 fur die Feinheit δ(Pk) der Partition Pk. Man beachte allerdings,dass die Teilquader Qj

k im Allgemeinen weder abgeschlossen noch offen sind.Anschließend definieren wir

αjk := inf

{

f(t) | t ∈ Qjk

}

, βjk := sup

{

f(t) | t ∈ Qjk

}

fur alle k, j. Mitgk, hk : Q −→ R (k ∈ N)

bezeichnen wir diejenigen primitiven Funktionen, deren Wert auf Qjk gleich αj

k bzw. βjk ist

(j = 1, . . . , 2nk). Dann ist {gk} monoton wachsend, {hk} monoton fallend (hierbei geht ein,dass Pk eine Verfeinerung von Pk−1 ist), gk ≤ f ≤ hk fur alle k ∈ N, und es sind

Uk :=

2kn∑

j=1

αjkλ(Qj

k) =

Q

gk(t)dt,

Ok :=

2kn∑

j=1

βjkλ(Qj

k) =

Q

hk(t)dt

fur jedes k ∈ N die zugehorigen Riemannschen Unter– und Obersummen zur Partition Pk.Nach Voraussetzung ist f aber Riemann–integrierbar auf Q, so dass

limk→∞

Uk = R −

Q

f(t)dt = limk→∞

Ok (21.13)

gilt. Betrachte nun die beiden (punktweisen) Grenzfunktionen

g(t) := limk→∞

gk(t) (t ∈ Q),

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21.3. VERGLEICH MIT DEM RIEMANN–INTEGRAL 213

h(t) := limk→∞

hk(t) (t ∈ Q).

Aus Monotoniegrunden existieren diese Grenzwerte und liefern wegen Satz 19.27 insbeson-dere messbare Abbildungen. Wegen g ≤ f ≤ h und der Beschranktheit von f sind g und haußerdem beschrankt. Aus λ(Q) < ∞ und dem Satz 20.18 folgt somit die Integrierbarkeitvon g und h. Mit dem Satz 21.5 von Beppo Levi ergibt sich außerdem

limk→∞

Uk = limk→∞

Q

gk(t)dt =

Q

limk→∞

gk(t)dt =

Q

g(t)dt sowie

limk→∞

Ok = limk→∞

Q

hk(t)dt =

Q

limk→∞

hk(t)dt =

Q

h(t)dt,

wobei die beiden rechts stehenden Integrale nach unserer Vorbetrachtung jeweils endlichsind (bei der Anwendung auf die Funktionenfolge hk muss man den Satz von Beppo Levigeeignet anpassen, denn {hk} ist monoton fallend und nicht monoton steigend).

Zusammen mit (21.13) erhalt man somit

Q

g(t)dt = R −

Q

f(t)dt =

Q

h(t)dt. (21.14)

Folglich ist∫

Q

(h − g)(t)dt = 0

aufgrund der Linearitat des Integrals. Der Satz 20.21 impliziert daher

h(t) = g(t) fur fast alle t ∈ Q.

Andererseits ist g ≤ f ≤ h und somit auch

f(t) = g(t) fur fast alle t ∈ Q.

Aber g war schon als integrierbar erkannt, so dass wir aus dem Satz 20.23 hieraus einerseitsdie Integrierbarkeit von f und andererseits

Q

f(t)dt =

Q

g(t)dt

erhalten. Im Hinblick auf (21.14) stimmen somit insbesondere das Riemann–Integral unddas Lebesgue–Integral von f auf Q uberein.

Schritt 2: Sei nun f eine beliebige (nicht notwendig nichtnegative) Riemann–integrierbareFunktion auf dem Quader Q. Wir zerlegen f wieder in f = f+−f−. Die beiden nichtnega-tiven Funktionen f+ und f− sind wegen Satz 15.16 ebenfalls Riemann–integrierbar. GemaßSchritt 1 konnen wir die Behauptung daher auf die beiden Abbildungen f+ und f− anwen-den. Aus der Linearitat des Riemann–Integrals einerseits (siehe erneut Satz 15.16) und der

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214 KAPITEL 21. HAUPTSATZE DER LEBESGUE–INTEGRATION

Definition des Lebesgue–Integrals fur beliebige Funktionen andererseits (siehe Definition20.15) ergibt sich daher

Q

f(t)dtDef. 20.15

=

Q

f+(t)dt −

Q

f−(t)dt

Schritt 1= R −

Q

f+(t)dt − R −

Q

f−(t)dt

Satz 15.16= R −

Q

[

f+(t) − f−(t)]

dt

= R −

Q

f(t)dt,

womit der Satz nun vollstandig bewiesen ware. 2

Das obige Resultat bleibt richtig, wenn man den Quader Q durch eine beliebige Jordan–messbare Menge ersetzt, vergleiche hierzu [15]. Damit gilt also folgende Aussage: Jede(eigentlich) Riemann–integrierbare Funktion ist auch (Lebesgue–) integrierbar und ihreIntegrale stimmen uberein.

Wir untersuchen als Nachstes den Zusammenhang zwischen uneigentlichen Riemann–Integralen und dem Lebesgue–Integral. Da wir uneigentliche Riemann–Integrale nur furFunktionen von einer Variablen betrachtet haben, soll das nachstehende Ergebnis auchnur fur diesen Fall formuliert werden.

Satz 21.9 ( Vergleich uneigentliches R–Integral und L–Integral auf Intervallen )Seien I ⊆ R ein beliebiges Intervall und f : I → R uber jedes kompakte Teilintervall vonI Riemann–integrierbar. Dann ist f genau dann Lebesgue–integrierbar uber I, wenn |f |uneigentlich Riemann–integrierbar uber I ist. In diesem Fall stimmen das uneigentlicheRiemann–Integral von f uber I mit dem Lebesgue–Integral von f uber I uberein.

Beweis: Wir betrachten hier nur den Fall I = (a, b) mit −∞ ≤ a < b ≤ +∞, in dembeide Grenzen kritisch sind. Anderenfalls ist I ein halboffenes Intervall und die Schlussweiselasst sich (leicht vereinfacht) analog durchfuhren.

Sei a < an < bn < b mit zwei Folgen an ↓ a, bn ↑ b. Dann ist f∣

[an,bn]= f · χ[an,bn]

nach Voraussetzung fur jedes n ∈ N Riemann–integrierbar und daher wegen Satz 21.8auch Lebesgue–integrierbar, insbesondere also (Lebesgue–) messbar. Folglich ist auch f =limn→∞ f ·χ[an,bn] eine messbare Funktion, vergleiche hierzu den Satz 19.27. Mit f ist auch|f | auf jedem kompakten Teilintervall [an, bn] ⊆ I Riemann–integrierbar, also erhalten wiraus dem Satz 21.8, dem Satz 21.5 von Beppo Levi und dem Lemma 20.19

limn→∞

R −

∫ bn

an

∣f(t)∣

∣dt = limn→∞

∫ bn

an

∣f(t)∣

∣dt

= limn→∞

I

|f | · χ[an,bn]dt

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21.3. VERGLEICH MIT DEM RIEMANN–INTEGRAL 215

=

I

limn→∞

|f | · χ[an,bn]dt

=

I

|f |dt.

Aus dieser Gleichungskette ergibt sich ein großer Teil der Behauptung: Ist |f | uneigent-lich Riemann–integrierbar, so ist die linke Seite dieser Gleichung endlich, also ist |f |Lebesgue–integrierbar. Aufgrund des Satzes 20.17 ist dies aber aquivalent zur Lebesgue–Integrierbarkeit von f selbst.

Sei umgekehrt f und damit auch |f | Lebesgue–integrierbar auf I. Dann ist die rechteSeite in der obigen Gleichungskette endlich, also auch der Limes auf der linken Seite.Folglich ist |f | uber I uneigentlich Riemann–integrierbar.

Ist nun |f | uber I uneigentlich Riemann–integrierbar uber das Intervall I, so folgt analogzur vorigen Gleichungskette mit dem Satz 21.7 von der dominierten Konvergenz auch

R −

∫ b

a

f(t)dt = limn→∞

R −

∫ bn

an

f(t)dt =

∫ b

a

f(t)dt.

Somit stimmen das uneigentliche Riemann–Integral von f auf I sowie das Lebesgue–Integral von f auf I uberein. 2

Im Zusammenhang mit dem vorigen Resultat sei an dieser Stelle betont, dass man in derTheorie des Lebesgue–Integrals nicht zwischen eigentlichen und uneigentlichen Integralenunterscheidet. Bei der Lebesgue–Integration werden von Beginn an unbeschrankte Mengenund Funktionen zugelassen, was beim (eigentlichen) Riemann–Integral nicht moglich war.

Anders als bei den eigentlichen Riemann–Integralen kann es bei den uneigentlichenRiemann–Integralen allerdings vorkommen, dass eine Funktion f uneigentlich Riemann–integrierbar ist, das entsprechende Lebesgue–Integral jedoch nicht existiert.

Beispiel 21.10 Betrachte das uneigentliche Riemann–Integral

R −

∫ ∞

0

sin t

tdt. (21.15)

Da der Integrand in t = 0 stetig fortgesetzt werden kann, ist nur die obere Grenze kritisch.Durch partielle Integration erhalt man fur 0 < a < b die Abschatzung

∫ b

a

sin t

tdt

=

[

− cos t

t

]b

a

∫ b

a

cos t

t2td

≤1

a+

1

b+

∫ b

a

1

t2dt =

2

a.

Fur a → +∞ wird die rechte Seite beliebig klein, nach dem Cauchy–Kriterium aus demSatz 8.15 existiert das Integral (21.15) daher. Andererseits haben wir bereits im Bei-spiel 8.16 gesehen, dass die Abbildung

sin tt

∣ uber [0,∞) nicht (uneigentlich) Riemann–integrierbar ist. Aufgrund des Satzes 21.9 ist sin t

tdaher auch nicht Lebesgue–integrierbar

auf [0,∞). 3

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216 KAPITEL 21. HAUPTSATZE DER LEBESGUE–INTEGRATION

21.4 Die Lebesgue–Raume Lp(A)

In diesem Abschnitt werden wir die so genannten Lebesgue–Raume Lp(A) einfuhren unduntersuchen, wobei p ein Index mit 1 ≤ p ≤ ∞ ist und A ⊆ R

n eine messbare Mengedarstellt. Bei diesen Lebesgue–Raumen handelt es sich um gewisse Mengen von (Lebesgue–) integrierbaren Funktionen, die mit Hilfe einer geeigneten Norm zu vollstandigen Raumengemacht werden konnen (im Gegensatz zum Riemann–Integral).

Wir beginnen zunachst mit einer kurzen Diskussion, die fur das weitere Verstandnisvon einer gewissen Bedeutung ist. Dazu wahlen wir uns eine beliebige messbare MengeA ⊆ R

n und bezeichnen mit

L1(A) :={

f : A → R | f integrierbar}

={

f : A → R | f messbar und

A

∣f(t)∣

∣dt < ∞}

die Menge aller auf A integrierbaren Funktionen, wobei ausdrucklich darauf hingewiesensei, dass f Werte in R haben darf, die also eventuell nicht endlich sind. Nun soll die MengeL1(A) aber zu einem Banach–Raum gemacht werden, wozu sie insbesondere einen Vek-torraum bilden musste. Genau dies ist aber nicht der Fall, denn mit f, g ∈ L1(A) ist dieSumme f + g nicht zwangslaufig ein Element aus L1(A), weil bei der Addition zweierFunktionen der Fall

”∞−∞“ auftreten konnte und diese Summe daher gar nicht wohlde-

finiert ware. Diese Problematik ließe sich vermeiden, wenn wir in der Definition von L1(A)von vornherein nur reellwertige Abbildungen f zulassen wurden. Wir wollen dennoch mitder obigen Definiton von L1(A) arbeiten. Zu diesem Zweck erinnern wir zunachst an denSatz 20.25, wonach eine integrierbare Funktion fast uberall endlich ist. Sehen wir nun zweiFunktionen als gleich an, die sich lediglich auf einer Nullmenge voneinander unterscheiden(was wir gleich sowieso tun werden, allerdings mit einer ganz anderen Motivation), dannist die Summe (oder Differenz) zweier Funktionen f, g ∈ L1(A) definiert, denn diese Sum-me (oder Differenz) lasst sich mit Ausnahme einer Nullmenge (sowohl f als auch g sindfast uberall reellwertig) dann bilden, so dass wir diese somit doch mit einer auf ganz Adefinierten Funktion identifizieren konnen.

Nach dieser einfuhrenden Diskussion sei A ⊆ Rn weiterhin eine gegebene messbare

Menge. Fur 1 ≤ p < ∞ betrachten wir etwas allgemeiner die Menge

Lp(A) :={

f : A → R∣

∣ f messbar,

A

|f |pdt < ∞}

.

Fur p = ∞ und f : A → R hingegen sei

‖f‖∞ := supt∈A

∣f(t)∣

die ubliche Supremumsnorm. Weiterhin setzen wir

‖f‖L∞(A) := esssupA(f) := infλ(N)=0

supt∈A\N

∣f(t)∣

∣ = infλ(N)=0

‖f∣

A\N‖∞; (21.16)

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21.4. DIE LEBESGUE–RAUME LP (A) 217

dies ist das so genannte wesentliche Supremum (engl.: essential supremum) von f . Hiermitdefinieren wir

L∞(A) :={

f : A → R∣

∣ f messbar, ‖f‖L∞(A) < +∞}

.

Im Folgenden werden wir, wie weiter oben schon angedeutet, zwei Funktionen f, g ∈ Lp(A)als gleich ansehen, wenn sie fast uberall auf A ubereinstimmen. Von daher handelt essich bei Lp(A) eigentlich um keine Menge von Funktionen, sondern um eine Menge vonRestklassen, und zwei Elemente sind genau dann in ein und derselben Restklasse, wenn siefast uberall auf A identisch sind. Wir werden im Folgenden aber weiterhin von Funktionensprechen, mussen uns aber stets im Klaren daruber sein, dass diese dann nur bis auf eineNullmenge eindeutig bestimmt sind. Formal bedeutet dies, dass wir von dem Raum Lp(A)zu dem Quotientenraum Lp(A)/Np ubergehen, wobei Np := {f | f = 0 fast uberall} dieMenge aller fast uberall verschwindenden Funktionen bezeichnet (die gar nicht vom Indexp abhangt).

Wir wollen nun zeigen, dass es sich bei den Raumen Lp(A) um Vektorraume handelt,die mittels einer geeigneten Norm zu vollstandigen Raumen gemacht werden konnen. Dazubeginnen wir unsere Untersuchungen mit der Menge L∞(A). Als Hilfsresultat benotigenwir hierzu zunachst das nachstehende Lemma.

Lemma 21.11 ( Darstellung des wesentlichen Supremums )

Sei f ∈ L∞(A). Dann existiert eine Nullmenge N = N(f) mit ‖f‖L∞(A) = ‖f∣

A\N‖∞.

Beweis: Fur k ∈ N wahle eine Nullmenge Nk mit

‖f∣

A\Nk‖∞ ≤ ‖f‖L∞(A) +

1

k.

Dann ist auch N :=⋃∞

k=1 Nk eine Nullmenge, und es gilt

‖f‖L∞(A) ≤ ‖f∣

A\N‖∞ ≤ ‖f

A\Nk‖∞ ≤ ‖f‖L∞(A) +

1

k

fur alle k ∈ N. Mit k → ∞ folgt die Behauptung. 2

Mit Hilfe des obigen Lemmas sind wir nun in der Lage, die Menge L∞(A) als einen nor-mierten Vektorraum zu identifizieren.

Lemma 21.12 ( L∞(A) ist ein normierter Raum )

L∞(A), versehen mit der Vorschrift (21.16), ist ein normierter Vektorraum.

Beweis: Seien f1, f2 ∈ L∞(A), also f1, f2 messbar mit ‖f1‖L∞(A) < +∞ und ‖f2‖L∞(A) <+∞. Nach dem vorigen Lemma konnen wir Nullmengen N1, N2 finden mit

‖f1‖L∞(A) = ‖f1

A\N1‖∞ und ‖f2‖L∞(A) = ‖f2

A\N2‖∞.

Damit folgt

‖f1 + f2‖L∞(A) ≤ ‖(f1 + f2)∣

A\(N1∪N2)‖∞

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218 KAPITEL 21. HAUPTSATZE DER LEBESGUE–INTEGRATION

≤ ‖f1

A\(N1∪N2)‖∞ + ‖f2

A\(N1∪N2)‖∞

≤ ‖f1

A\N1‖∞ + ‖f2

A\N2‖∞

= ‖f1‖L∞(A) + ‖f2‖L∞(A).

Dies beweist zum einen, dass ‖f1 +f2‖L∞(A) < +∞ gilt, also f1 +f2 ∈ L∞(A) ist, und zumanderen, dass ‖ · ‖L∞(A) der Dreiecksungleichung genugt. Die anderen Normaxiome sindklar:

‖f‖L∞(A) ≥ 0 ∀f ∈ L∞(A),

‖f‖L∞(A)Lem. 21.11⇐⇒ ∃ Nullmenge N mit ‖f

A\N‖∞ = 0

⇐⇒ f(t) = 0 ∀t ∈ A \ N

⇐⇒ f ≡ 0 gemaß Identifikation,

‖αf‖L∞(A) = infµ(N)=0

‖(αf)∣

A\N‖∞

= |α| infµ(N)=0

‖f∣

A\N‖∞

= |α| · ‖f‖L∞(A),

insbesondere also αf ∈ L∞(A) fur alle f ∈ L∞(A) und alle α ∈ R. Somit ist L∞(A) einnormierter Vektorraum. 2

Die Vollstandigkeit des Raums L∞(A) werden wir spater gemeinsam mit der Vollstandigkeitder Raume Lp(A) (1 ≤ p < ∞) beweisen. Damit kommen wir auch schon zu der Betrach-tung der letztgenannten Raume und verifizieren zunachst die Vektorraum–Eigenschaft furLp(A).

Lemma 21.13 ( Lp(A) ist ein Vektorraum )

Lp(A) ist ein Vektorraum fur jedes 1 ≤ p < ∞.

Beweis: Offenbar ist mit f ∈ Lp(A) auch αf ∈ Lp(A). Seien nun f, g ∈ Lp(A). Dann istf + g insbesondere messbar. Ferner folgt

A

∣f + g∣

pdt ≤

A

(

|f | + |g|)p

dt

A

(

2 max{|f(t)|, |g(t)|})p

dt

= 2p

A

max{

|f(t)|p, |g(t)|p}

dt

≤ 2p

A

(

|f(t)|p + |g(t)|p)

dt

= 2p

(∫

A

|f |pdt +

A

|g|pdt

)

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21.4. DIE LEBESGUE–RAUME LP (A) 219

< ∞,

also f + g ∈ Lp(A). Somit ist Lp(A) ein R–Vektorraum (als Unterraum aller Funktionenvon A in R). 2

Wir wollen Lp(A) jetzt zu einem normierten Raum machen und fuhren hierzu

‖f‖Lp(A) :=

(∫

A

|f |pdt

)1/p

(1 ≤ p < ∞)

ein. Zum Nachweis der Normaxiome benotigen wir einige Vorbereitungen.

Lemma 21.14 ( Lemma von Young )Seien p, q ∈ (1,∞) mit 1/p + 1/q = 1 gegeben. Dann gilt

ab ≤ap

p+

bq

q

fur alle a, b ≥ 0.

Beweis: Fur a = 0 oder b = 0 ist die Behauptung klar. Seien daher a, b > 0. DurchAnwendung geeigneter Additionstheoreme sowie der Konvexitat der Exponentialfunktionfolgt dann

ab = exp(

ln(a))

· exp(

ln(b))

= exp(

ln(a) + ln(b))

= exp(1

pln

(

ap)

+1

qln

(

bq)

)

≤1

pexp

(

ln(ap))

+1

qexp

(

ln(bq))

=ap

p+

bq

q,

was zu zeigen war (die Ungleichung ergibt sich dabei aus der Konvexitat von x 7→ exp x,da es sich wegen 1/p + 1/q = 1 um eine Konvexkombination handelt). 2

Wir verwenden das Lemma 21.14 zum Beweis der nachfolgenden Ungleichung, durch welcheein entsprechendes Resultat fur (eindimensionale) Riemann–Integrale verallgemeinert wird,man vergleiche hierzu den Satz 7.44.

Lemma 21.15 ( Holdersche Ungleichung fur Integrale )Seien p, q ∈ [1,∞] mit 1/p+1/q = 1, A ⊆ R

n messbar sowie u ∈ Lp(A), v ∈ Lq(A) gegeben.Dann ist u · v ∈ L1(A), und es gilt

(

‖u · v‖L1(A) =)

A

∣u(t)v(t)∣

∣dt ≤ ‖u‖Lp(A) · ‖v‖Lq(A).

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220 KAPITEL 21. HAUPTSATZE DER LEBESGUE–INTEGRATION

Beweis: Wir zerlegen den Beweis in drei Teile.

Teil 1: Fur p = 1 (also q = ∞) gilt offenbar

∣u(t)v(t)∣

∣ =∣

∣u(t)∣

∣ ·∣

∣v(t)∣

∣ ≤∣

∣u(t)∣

∣ · ‖v‖L∞(A)

fur fast alle t ∈ A, vergleiche Lemma 21.11. Die Behauptung ergibt sich daher aus derMonotonie des Integrals. Aus Symmetriegrunden folgt die Behauptung analog fur den Fallp = ∞ (also q = 1).

Teil 2: Sei jetzt p ∈ (1,∞) und ‖u‖Lp(A) = 1, ‖v‖Lq(A) = 1. Aus der Ungleichung 21.14 vonYoung folgt zunachst

∣u(t)v(t)∣

∣ ≤

∣u(t)∣

p

p+

∣v(t)∣

q

q∀t ∈ A.

Die Monotonie des Integrals liefert daher∫

A

|uv|dt ≤1

p

A

|u|pdt +1

q

A

|v|qdt

=1

p‖u‖p

Lp(A) +1

q‖v‖q

Lq(A)

=1

p+

1

q= 1

= ‖u‖Lp(A) · ‖v‖Lq(A).

Teil 3: Sei weiterhin p ∈ (1,∞) und ‖u‖Lp(A) 6= 0, ‖v‖Lq(A) 6= 0 (ist einer dieser Wertegleich Null, so ist nichts zu zeigen). Setze

u :=u

‖u‖Lp(A), v :=

v

‖v‖Lq(A).

Dann ist ‖u‖Lp(A) = 1, ‖v‖Lq(A) = 1. Also folgt

A

|uv|dt ≤ 1

aus Teil 2. Einsetzen von u, v ergibt

1

‖u‖Lp(A)

1

‖v‖Lq(A)

A

|uv|dt ≤ 1,

woraus man die gewunschte Behauptung erhalt. 2

Aus der Holderschen Ungleichung 21.15 ergibt sich nun die Minkowskische Ungleichung furdas Lebesgue–Integral.

Christian Kanzow, Universitat Wurzburg, WS 2011/12

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21.4. DIE LEBESGUE–RAUME LP (A) 221

Lemma 21.16 ( Minkowskische Ungleichung fur Integrale )Seien p ∈ [1,∞), A ⊆ R

n messbar sowie u, v ∈ Lp(A) gegeben. Dann ist

‖u + v‖Lp(A) ≤ ‖u‖Lp(A) + ‖v‖Lp(A).

Beweis: Durch Anwendung der Holderschen Ungleichung aus dem Lemma 21.15 folgt(wegen 1/p + 1/q = 1 ⇐⇒ q(p − 1) = p und daher |u + v|p−1 ∈ Lq(A))

‖u + v‖pLp(A) =

A

|u + v|pdt

=

A

|u + v|p−1|u + v|dt

A

|u + v|p−1(

|u| + |v|)

dt

=

A

|u + v|p−1|u|dt +

A

|u + v|p−1|v|dt

Lem. 21.15≤ ‖u‖Lp(A)

∥|u + v|p−1∥

Lq(A)+ ‖v‖Lp(A)

∥|u + v|p−1∥

Lq(A)

=∥

∥|u + v|p−1∥

Lq(A)

(

‖u‖Lp(A) + ‖v‖Lp(A)

)

=

(∫

A

|u + v|q(p−1)dt

)1/q(

‖u‖Lp(A) + ‖v‖Lp(A)

)

=

[

(∫

A

|u + v|pdt

)1/p]p−1

(

‖u‖Lp(A) + ‖v‖Lp(A)

)

= ‖u + v‖p−1Lp(A)

(

‖u‖Lp(A) + ‖v‖Lp(A)

)

.

Division durch ‖u + v‖p−1Lp(A) liefert unmittelbar die Behauptung, sofern dieser Ausdruck

positiv ist (anderenfalls ist die Aussage trivial). 2

Die Gultigkeit des im Lemma 21.16 ausgeschlossenen Grenzfalls p = ∞ wurde bereits imLemma 21.12 gezeigt. — Nach diesen Vorbereitungen sind wir zumindest in der Lage, dasfolgende vorlaufige Ergebnis festzuhalten.

Satz 21.17 ( Lp(A) ist ein normierter Raum )(

Lp(A), ‖ · ‖Lp(A)

)

ist ein normierter Raum fur alle 1 ≤ p < ∞.

Beweis: Wir haben lediglich zu zeigen, dass ‖ · ‖Lp(A) eine Norm ist. Offenbar gilt

‖u‖Lp(A) ≥ 0 ∀u ∈ Lp(A).

Ferner ist (da wir auf Nullmengen verschiedene Funktionen als gleich ansehen)

‖u‖Lp(A) = 0 ⇐⇒ ‖u‖pLp(A) = 0

Christian Kanzow, Universitat Wurzburg, WS 2011/12

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222 KAPITEL 21. HAUPTSATZE DER LEBESGUE–INTEGRATION

⇐⇒

A

|u|pdt = 0

Satz 20.21⇐⇒ |u(t)|p = 0 fur fast alle t ∈ A

⇐⇒ u(t) = 0 fur fast alle t ∈ A

⇐⇒ u ≡ 0.

Außerdem folgt

‖αu‖Lp(A) =

(∫

A

|αu|pdt

)1/p

=

(∫

A

|α|p|u|pdt

)1/p

=

(

|α|p∫

A

|u|pdt

)1/p

= |α|

(∫

A

|u|pdt

)1/p

= |α| ‖u‖Lp(A)

fur alle u ∈ Lp(A) und alle α ∈ R. Da ‖·‖Lp(A) wegen der Ungleichung 21.16 von Minkowskiauch der Dreiecksungleichung fur Normen genugt, folgt die Behauptung. 2

Wir zeigen jetzt, dass die normierten Raume Lp(A) sogar Banach–Raume sind. Der Beweiserfolgt einheitlich fur alle 1 ≤ p ≤ ∞.

Satz 21.18 ( Satz von Fischer–Riesz )Seien A ⊆ R

n messbar und 1 ≤ p ≤ ∞ gegeben. Dann sind die normierten Raume(

Lp(A), ‖ · ‖Lp(A)

)

vollstandig.

Beweis: Sei 1 ≤ p ≤ ∞ fest gewahlt und sei {fk} eine Cauchy–Folge in Lp(A). Dannexistiert ein k1 ∈ N mit

‖fk − fk1‖Lp(A) ≤

1

2∀k ≥ k1.

Erneut aufgrund der Cauchy–Folgen–Eigenschaft existiert auch ein k2 ∈ N mit

‖fk − fk2‖Lp(A) ≤

1

22∀k ≥ k2,

wobei wir o.B.d.A. davon ausgehen konnen, dass k2 > k1 gewahlt wird, so dass insbesondere‖fk2

− fk1‖Lp(A) ≤

12

gilt. So fortfahrend, erhalten wir eine Teilfolge {fkl} von {fk} mit

‖fkl+1− fkl

‖Lp(A) ≤1

2l∀l = 1, 2, . . .

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21.4. DIE LEBESGUE–RAUME LP (A) 223

Dann gilt∞

l=1

‖fkl+1− fkl

‖Lp(A) ≤∞

l=1

1

2l= 1 < ∞.

Die durch

gj(t) :=∣

∣fk1(t)

∣ +

j∑

l=1

∣fkl+1(t) − fkl

(t)∣

∣ fur t ∈ A

definierten Funktionen gj : A → R (j ∈ N) sind dann messbar, monoton steigend undgenugen der Ungleichung

‖gj‖Lp(A) ≤ ‖fk1‖Lp(A) + 1 < ∞.

Aufgrund der Monotonie der Folge {gj} konnen wir fur jedes t ∈ A den Grenzwert

g(t) := limj→∞

gj(t)

bilden, was uns eine messbare Funktion g : A → R liefert, die allerdings in gewissenPunkten t ∈ A durchaus den Wert +∞ annehmen kann. Aus dem Lemma 21.6 von Fatoufolgt allerdings

A

∣g(t)∣

pdt ≤ lim inf

j→∞

A

∣gj(t)∣

pdt < ∞,

also g ∈ Lp(A) und daher g(t) < ∞ fur fast alle t ∈ A aufgrund des Satzes 20.25 (zunachstangewandt auf die Funktion |g|p). Gemaß Definition von gj bedeutet dies, dass die Reihe

∣fk1(t)

∣ +

∞∑

l=1

∣fkl+1(t) − fkl

(t)∣

fur fast alle t ∈ A konvergiert. Wegen Satz 3.32 folgt hieraus insbesondere die Konvergenzder Reihe

fk1(t) +

∞∑

l=1

fkl+1(t) − fkl

(t)

fur fast alle t ∈ A. Wegen

fkj+1(t) = fk1

(t) +

j∑

l=1

fkl+1(t) − fkl

(t)

bedeutet dies, dass die Folge {fkl(t)} fur fast alle t ∈ A konvergiert. Also existiert der

punktweise Grenzwert

f(t) := liml→∞

fkl(t) fur fast alle t ∈ A. (21.17)

Wir wollen nun zeigen, dass f in Lp(A) liegt und die gesamte Folge {fk} bezuglich derNorm ‖ · ‖Lp(A) gegen f konvergiert. Dazu beachten wir zunachst, dass f als punktweiserGrenzwert von messbaren Funktionen selbst zumindest messbar ist.

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224 KAPITEL 21. HAUPTSATZE DER LEBESGUE–INTEGRATION

Fur den weiteren Beweis setzen wir erst einmal 1 ≤ p < ∞ voraus. Sei dann ε > 0beliebig gegeben. Da {fk} eine Cauchy–Folge in Lp(A) ist, existiert ein k0 ∈ N mit

‖fk − fm‖Lp(A) < ε ∀k, m ≥ k0. (21.18)

Fur jedes vorubergehend feste m ≥ k0 ergibt sich aus dem Lemma von Fatou (Satz 21.6),angewandt auf die Folge nichtnegativer Funktionen

{

|fkl− fm|

p}

l∈Nmit fkl

aus (21.17),dann

A

∣f(t) − fm(t)∣

pdt =

A

(

lim infl→∞

∣fkl(t) − fm(t)

p)

dt

≤ lim infl→∞

A

∣fkl(t) − fm(t)

pdt

= lim infl→∞

∥fkl− fm

p

Lp(A)

≤ εp,

wobei sich die letzte Ungleichung aus (21.18) ergibt. Dies impliziert f − fm ∈ Lp(A) unddaher auch f ∈ Lp(A) wegen der Vektorraum–Eigenschaft von Lp(A). Außerdem zeigtdiese Ungleichung, dass ‖f −fm‖Lp(A) ≤ ε fur alle m ≥ k0 gilt, woraus sich unmittelbar dieKonvergenz der Folge {fk} gegen die Grenzfunktion f im Sinne der Lp(A)–Norm ergibt.

Wir betrachten abschließend noch den Fall p = ∞. Sei wieder {fk} eine Cauchy–Folgein L∞(A) und definiere die Mengen

Nk :={

t ∈ A | |fk(t)| > ‖fk‖L∞(A)

}

,

Nkm :={

t ∈ A | |fk(t) − fm(t)| > ‖fk − fm‖L∞(A)

}

.

Gemaß Definition des wesentlichen Supremums handelt es sich bei den Mengen Nk undNkm um (Lebesgue–) Nullmengen, also ist die Vereinigung N aller dieser (abzahlbar vielen)Nullmengen weiterhin eine Nullmenge. Fur alle t ∈ A \ N gilt dann

∣fk(t) − fm(t)∣

∣ ≤ ‖fk − fm‖∞ ∀k, m ∈ N

mit der ublichen Supremumsnorm ‖ · ‖∞ auf A \ N , d.h. die Folge {fk} konvergiertauf A \ N gleichmaßig gegen die Grenzfunktion f . Hieraus folgt aber f ∈ L∞(A) und∥

∥f − fk

L∞(A)→ 0 fur k → ∞, vergleiche hierzu das Korollar 9.5. Damit ist der Satz nun

auch im Fall p = ∞ bewiesen. 2

Es sei an dieser Stelle explizit vermerkt, dass jede Cauchy–Folge in Lp(A) eine Teilfolgebesitzt, die fast uberall auf A punktweise gegen ein Element aus Lp(A) konvergiert. Dieswurde im Beweis des Satzes 21.18 von Fischer–Riesz quasi mitgezeigt. Hingegen folgt ausder Konvergenz im Sinne der Lp–Norm im Allgemeinen nicht die (fast uberall) punktweiseKonvergenz der gesamten Folge.

Wir wollen noch eine einfache Konsequenz des Satzes 21.18 von Fischer–Riesz notieren,benotigen hierzu allerdings noch ein paar weitere Begriffe. Zunachst sei V ein Vektorraum,

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21.4. DIE LEBESGUE–RAUME LP (A) 225

auf dem ein Skalarprodukt 〈·, ·〉 definiert sei. Man nennt V in diesem Zusammenhang aucheinen Skalarprodukt– oder Pra–Hilbert–Raum. Aus den Eigenschaften eines Skalarproduk-tes ergibt sich sofort, dass jeder solche Raum mittels der Vorschrift

‖v‖V :=√

〈v, v〉 fur v ∈ V (21.19)

zu einem normierten Raum wird. Ist dieser Raum bezuglich der durch das Skalarproduktinduzierten Norm (21.19) dann vollstandig, so bezeichnet man V als einen Hilbert–Raum.Damit konnen wir nun das nachstehende Resultat formulieren.

Korollar 21.19 ( L2(A) ist ein Hilbert–Raum )

Sei A ⊆ Rn eine messbare Menge. Dann ist L2(A) ein Hilbert–Raum mit dem Skalarprodukt

〈f, g〉 :=

A

f(t)g(t)dt

fur f, g ∈ L2(A).

Beweis: Die Behauptung ergibt sich sofort aus dem Satz 21.18 von Fischer–Riesz, denndas angegebene Skalarprodukt induziert offenbar gerade die Norm ‖·‖L2(A) im Raum L2(A).

2

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