Kapitel 7 Internationales Zivilverfahrensrecht (Überblick)...Kapitel 7 Internationales...

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Kapitel 7 Internationales Zivilverfahrensrecht (Überblick) PD Dr. Oliver Mörsdorf 1

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  • Kapitel 7 Internationales

    Zivilverfahrensrecht (Überblick)

    PD Dr. Oliver Mörsdorf 1

  • IZVR – Gegenstand und Bedeutung • Klärung prozessualer Fragen bei Rechtsstreitigkeiten

    mit Auslandsbezug • insbesondere

    Gerichtsbarkeit und Immunität Internationale Zuständigkeit Anerkennung und Vollstreckung ausländischer

    Entscheidungen Verfahren

    grds lex fori (zT unionsrechtlich überlagert) Ausnahmen: zB Zustellung (EuZustVO)

    • Verbindung zu IPR? Fragen des IZRR sind IPR vorgeschaltet IPR und Verfahrensrecht bestimmen Forumswahl bei

    alternativen Zuständigkeiten (forum shopping)

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  • Gerichtsbarkeit • Gerichtsbarkeit = Bestandteil der hoheitlichen

    Gewalt

    • Beschränkungen der Gerichtsbarkeit gegenüber fremden Staaten (Souveränitätsgedanke) Persönliche Immunität: völkervertragliche Regelung +

    (deklaratorische) Verweisung in §§ 18, 19 GVG • diplomatischer Verkehr: VÜD

    persönliche Immunität (Art. 29 ff. WÜD) räumlich-gegenständliche Immunität (Art. 22 ff. WÜD)

    • Konsularischer Verkehr: VÜK

    Staatenimmunität i.Ü. (Völkergewohnheitsrecht, Verweis in § 20 GVG); Theorie der relativen Immunität (heute ganz hM); unterscheide • hoheitliches Handeln → Immunität • nicht-hoheitliches Handeln → unbeschränkte Gerichtsbarkeit

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  • Internationale Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung

    (Rechtsquellen)

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    Unions-/Völkerrecht

    Brüssel Ia-VO/LugÜ Zivil- und Handelssachen

    Brüssel IIa-VO Ehesachen und elterliche

    Verantwortung

    EuUntVO Unterhaltssachen

    EurErbVO Erbsachen

    Nationales Recht

    §§ 12 ff. ZPO (doppelfunktional)

    §§ 328 ff. 722 ff. allg. privatrechtliche

    Streitigkeiten

    §§ 98-104, 107 ff. FamFG Familiensachen

  • Internationale Zuständigkeit Grundlagen

    • Arten von Zuständigkeiten konkurrierende Zuständigkeiten ausschließliche Zuständigkeiten

    • Internationale und örtliche Zuständigkeit zT einheitliche Regelung (zB §§ 12 ff. ZPO,

    Art. 7 Nr. 1-5, 7 Brüssel Ia-VO) zT nur internationale Zuständigkeit

    (zB Art. 4, 24 Brüssel Ia-VO)

    • Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen der internationalen Zuständigkeit grds: Zeitpunkt der Klageerhebung; bei nachträglichem

    Fortfall → Fortdauer der Zuständigkeit (perpetuatio fori) Ausnahme (Richterrecht): bei nachträglichem Eintreten der

    Voraussetzungen bis zum Schluss der letzten mündl Verhandlung → Zuständigwerden (h.M.)

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  • Internationale Zuständigkeit Brüssel Ia-VO

    • Anwendbarkeit gegenständlich: Zivil- und Handelssachen persönlich

    • Beklagten(wohn)sitz in einem MS (arg ex Artikel 5 I, 6 I) • Ausnahme: Artikel 18 I, 21 II, 24, 25

    • allgemeiner Gerichtsstand (Art. 4 I) Gerichte des Beklagtenwohnsitzes bzw Sitzes (vgl. Art. 63) örtliche Zuständigkeit → nationales Recht

    • konkurrierende besondere Gerichtsstände Vertragliche Ansprüche (Art. 7 Nr. 1) Deliktische Ansprüche (Art. 7 Nr. 2)

    • Schutz schwächerer Parteien (§§ 10 ff., 17 ff., 20 ff.)

    • ausschließliche Gerichtsstände Besonders enge Beziehungen zu einem Mitgliedstaat (Art. 24) Prorogation (Art. 25)

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  • insbes. Vertragsgerichtsstand (Art. 7 Nr. 1)

    • Vertrag = unionsautonome Auslegung (vgl. EuGH, Rs. C-334/00, Slg. 2002, I-7357, Tz. 25 – Tacconi)

    • (internationale und örtliche) Zuständigkeit am Erfüllungsort Auffangregel (Nr. 1 a) = alte Grundregel (EuGVÜ)

    • Erfüllungsort der streitigen Verpflichtung • Bestimmung im Vorgriff auf die lex causae (vgl. EuGH,

    Rs. 12/76, Slg. 1976, 1473, Tz. 13 ff. – Tessili/Dunlop)

    Sonderregel für Kauf- und Dienstverträge (Nr. 1 b) • einheitliche Zuständigkeit am Erfüllungsort der

    vertragscharakteristischen Leistung • Bestimmung unionsautonom

    Vereinbarkeit des Erfüllungsortes (vgl. Art. 7 b „sofern nicht…“); aber: bei „irrealen“ Vereinbarungen → Art. 25 I 2 (EuGH, Rs. C-106/95, Slg. 1997, I-911, Tz. 31, 35 – Les Graviéres)

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  • Deliktsgerichtsstand (Art. 7 Nr. 2)

    • Unerlaubte oder gleichgestellte Handlung außervertragliche Verschuldenshaftung, auch c.i.c.

    (EuGH, Rs. C-334/00, Slg. 2002, I-7357, Tz. 25 – Tacconi)

    Gefährdungshaftung

    • (internationale und örtliche) Zuständigkeit am Tatort (Eintritt des schädigenden Ereignisses) Distanzdelikte: Wahlrecht zwischen Handlungs- und Erfolgsort

    (Ubiquität)

    Streudelikte: Entscheidungsbefugnis des Erfolgsortsgerichts nur für Teilschaden im Forumsstaat (Mosaiktheorie, EuGH, Rs. C-68/93, Slg. 1988, I-415 – Shevill)

    Internetdelikte: einheitl Klägergerichtsstand am Mittelpunkt der Lebensinteressen (EuGH, Rs. C-509/09, Slg. 2011, I-10269, Tz. 52 – eDate Advertising)

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  • Verbrauchergerichtsstand (Art. 17-19)

    • Anwendungsbereich (Art. 17) Vertrag eines Verbrauchers (Abs. 1) weitere Voraussetzungen (alternativ)

    • Vertragstyp: Teilzahlungskauf beweglicher Sache, Ratenkredit (a, b) • Gewerbliche Tätigkeit in oder Ausrichten der Tätigkeit auf den

    Wohnsitzstaat des Verbrauchers (c)

    • Zuständigkeit (Art. 18) Aktivprozesse des Verbrauchers (Abs. 1): alternativ

    • Gerichte im (Wohn)Sitzstaat des Vertragspartners • Gerichte im Wohnsitzstaat des Verbrauchers

    Passivprozesse des Verbrauchers (Abs. 2): nur Gerichte im Wohnsitzstaat des Verbrauchers

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  • Anerkennung und Vollstreckung Grundlagen

    • Grundsatz: Gerichtliche Akte entfalten Wirkung nur im Erlassstaat (Territorialitätsprinzip)

    • Ausnahme: Wirkung in einem anderen Staat Anerkennung (Feststellungs- und Gestaltungurteile)

    ggf. Vollstreckung (Leistungsurteile)

    • Rechtsquellen für Anerkennung und Vollstreckung Unionsrecht (Brüssel Ia-VO u.a.)

    völkerrechtl Verträge (zB LugÜ)

    nationales Recht • §§ 328 ff. ZPO, 107 ff. FamFG

    • §§ 722 ff. ZPO, § 110 FamFG

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  • Anerkennung (Zivil-, Handelssachen)

    • Entscheidung ipso iure, d.h. kein gerichtliches Verfahren (Inzidentfeststellung) Art. 45 Brüssel Ia-VO: Verfahren auf Versagung der Anerkennung

    (negative Feststellungsklage)

    • Wirkungserstreckung Brüssel Ia-VO (vgl zum EuGVÜ EuGH, Rs. 145/86, Slg. 1988, 645,

    Tz. 11 – Hoffmann; arg ex Art. 54 I 2 Brüssel Ia-VO); hM zur ZPO) mat. Rechtskraft, auch ggü Dritten; nicht: Entscheidungsgründe!

    • Versagungsgründe nicht: sachliche Richtigkeit = Keine revision au fond

    (Art. 52 Brüssel Ia-VO, arg ex § 723 I ZPO) keine int Zuständigkeit (nur § 328 I Nr. 1 ZPO – Spiegelbildprinzip) fehlende Gegenseitigkeit (nur § 328 I Nr. 5 ZPO) kein rechtl. Gehör bei Verfahrenseinleitung

    (Art. 45 I lit b Brüssel Ia-VO, § 328 I Nr. 2 ZPO) konkurrierendes Urteil (Art. 45 I lit c, d

    Brüssel Ia-VO, § 328 I Nr. 3 ZPO) nationaler ordre public (Art. 45 I lit a

    Brüssel Ia-VO, § 328 I Nr. 4 ZPO

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  • Vollstreckung Zivil-, Handelssachen)

    • Brüssel Ia-VO ipso iure Vollstreckbarkeit; kein Verfahren auf

    Vollstreckbarerklärung (Exequatur) erforderlich (Art. 39 Brüssel Ia-VO

    ggf. Antrag des Schuldners auf Versagung der Vollstreckung (Art. 46 iVm Art. 45 Brüssel Ia-VO)

    • §§ 722 ff. ZPO: Vollstreckbarerklärung (Exequatur) auf Vollstreckungsklage des Gläubigers (§ 722 ZPO) Keine Prüfung auf sachl Richtigkeit (revision au fond)

    Unbegründetheit bei Vorliegen der Versagungsgründe des § 328 I ZPO (§ § 723 II 2 ZPO)

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  • Fall • Fall 19 (nach EuGH, Rs. C-533/07, Slg. 2009, I-3327 – Falco

    Privatstiftung): Die in Köln ansässige K-GmbH (K) ist Inhaberin aller Rechte der Karnevalsgruppe „Flönz“. K erlaubt der in Maastricht (Niederlande) ansässigen M BV (M) gegen Entgelt das Inverkehrbringen von Tonträgern eines Konzerts der Gruppe. Als M nicht zahlt, verklagt K diese vor dem Landgericht Köln auf Zahlung des vereinbarten Entgelts iHv 12.000 Euro. Wie wird das Gericht entscheiden?

    • Abwandlung 1: K verkauft M 1.000 Tonträger des Konzerts zum Preis von 12.000 Euro, die ein Mitarbeiter der M im Lager der K abholen soll, was auch passiert. Entscheidung des LG Köln auf die Zahlungsklage der K?

    • Abwandlung 2: Wie Abwandlung 1, nur dass K und M vertraglich als Erfüllungsort Köln vereinbart haben, K die Tonträger aber gleichwohl auf seine Kosten nach Maastricht versenden soll.

    • Abwandlung 3: Über den Rechtsstreit ist der Geschäftsführer der M (G) so erbost, dass er über seinen Twitter-Account die ebenso brisante wie unwahre Tatsache verbreitet, der Sänger S der Karnevalsgruppe komme aus Düsseldorf. Hierdurch bedingt wenden sich Fans der Gruppe enttäuscht von dieser ab, wodurch K Einnahmen iHv 50.000 Euro entgehen. Wird die Schadensersatz-klage der K gegen M vor dem LG Köln erfolgreich sein?

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