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2 Kapitel 2 Grundlagen der Elastizit¨ atstheorie

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2Kapitel 2

Grundlagen der Elastizitatstheorie

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2 Grundlagen derElastizitatstheorie

2.1 Spannungszustand .............................................. 71

2.1.1 Spannungsvektor, Spannungstensor, Indexschreibweise . 71

2.1.2 Koordinatentransformation.................................... 76

2.1.3 Hauptspannungen, Invarianten, Mohrsche Kreise ........ 79

2.1.4 Hydrostatischer Spannungszustand, Deviator ............. 85

2.1.5 Gleichgewichtsbedingungen ................................... 87

2.2 Deformation und Verzerrung ................................. 94

2.2.1 Allgemeines ...................................................... 94

2.2.2 Infinitesimaler Verzerrungstensor ............................ 97

2.2.3 Kompatibilitatsbedingungen .................................. 102

2.3 Elastizitatsgesetz................................................ 106

2.3.1 Hookesches Gesetz ............................................. 106

2.3.2 Isotropie .......................................................... 108

2.3.3 Formanderungsenergiedichte.................................. 112

2.3.4 Temperaturdehnungen ......................................... 116

2.4 Grundgleichungen ............................................... 118

2.5 Ebene Probleme ................................................ 119

2.5.1 Ebener Spannungszustand, ebener Verzerrungszustand 120

2.5.2 Spannungs-Differentialgleichungen, Spannungsfunktion 122

2.5.3 Anwendungsbeispiele ........................................... 126

2.5.4 Verschiebungs-Dgln., Rotationssymmetrie ................. 132

2.6 Torsion ............................................................ 135

2.6.1 Allgemeines ...................................................... 135

2.6.2 Grundgleichungen ............................................... 135

2.6.3 Verwolbungsfunktion und Torsionsfunktion ............... 137

2.7 Energieprinzipien ................................................ 146

2.7.1 Arbeitssatz ....................................................... 147

2.7.2 Satze von Clapeyron und von Betti ........................ 151

2.7.3 Prinzip der virtuellen Verruckungen ........................ 152

2.8 Weiterfuhrende Literatur ...................................... 158

D. Gross et al., Technische Mechanik 4, DOI 10.1007/978-3-642-16828-4_2,© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011

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2.1 Spannungszustand 71

EinleitungIn Band 2 haben wir uns schon mit Problemen der Elastostatik

befasst, wobei wir uns dort im wesentlichen auf die Untersuchung

von Staben und Balken beschrankt haben. Um weitergehende Fra-

gen behandeln zu konnen, sollen hier die Grundlagen der linearen

Elastizitatstheorie zusammengestellt werden. Das Beiwort”line-

ar“ deutet dabei an, dass sich diese Theorie auf das linear-elasti-

sche Stoffgesetz sowie auf kleine (infinitesimale) Verzerrungen be-

schrankt. Hinsichtlich der praktischen Anwendung wird hierdurch

ein großer Bereich von Ingenieurproblemen abgedeckt.

2.12.1 Spannungszustand

2.1.1 Spannungsvektor und Spannungstensor, Indexschreibweise

Den Spannungsvektor und den Spannungstensor haben wir in

Band 2, Abschnitt 2.1 schon kennengelernt. Der Spannungsvek-

tor im Punkt P eines Schnittes ist definiert als

t = limΔA→0

ΔF

ΔA=

dF

dA, (2.1)

wobei ΔF die Kraft ist, welche auf die Flache ΔA wirkt (Abb.

Abb. 2.1

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72 2 Grundlagen der Elastizitatstheorie

2.1a). Er hangt von der Orientierung des Schnittes durch P ab, die

durch den Normaleneinheitsvektor n charakterisiert ist: t = t(n).

Man kann t zerlegen in eine Komponente σ senkrecht (normal) zur

Schnittflache und in eine tangentiale Komponente τ , die in der

Schnittflache wirkt. Die erste heißt Normalspannung, die zweite

nennt man Schubspannung.

Der Spannungstensor σ ist durch die Spannungsvektoren in drei

senkrecht aufeinanderstehenden Schnitten festgelegt. Wahlen wir

nach Abb. 2.1b die Schnitte senkrecht zu den Achsen eines x,

y, z-Koordinatensystems und zerlegen wir die zugehorigen Span-

nungsvektoren in ihre kartesischen Komponenten, so kann er in

folgender Matrixform dargestellt werden:

σ =

⎡⎢⎢⎣σxx τxy τxz

τyx σyy τyz

τzx τzy σzz

⎤⎥⎥⎦ . (2.2)

Dabei werden die Normalspannungen σxx, σyy, σzz oft kurz mit

σx, σy, σz bezeichnet. Aufgrund des Momentengleichgewichts ist

der Spannungstensor symmetrisch: τxy = τyx, τyz = τzy, τzx =

τxz . Fur die Spannungskomponenten wollen wir dieselbe Vorzei-

chenkonvention wie bisher verwenden (Band 2, Abschn. 2.1).

Fur das weitere ist es zweckmaßig, die Indexnotation einzufuh-

ren. Sie ermoglicht eine kompakte Schreibweise vieler Formeln.

Hierbei werden die kartesischen Koordinaten an Stelle von x, y,

z durch x1, x2, x3 gekennzeichnet; d.h. die drei Richtungen sind

durch die Indizes 1, 2, 3 festgelegt (Abb. 2.1b,c). Entsprechendes

gilt fur die Komponenten eines Vektors. Zum Beispiel lauten die

Komponenten des Spannungsvektors t dann t1, t2, t3 oder allge-

mein ti mit i = 1, 2, 3. Damit gilt

t = t1e1 + t2e2 + t3e3 oder t = [ti] =

⎡⎢⎢⎣ t1t2t3

⎤⎥⎥⎦ . (2.3)

Da durch ti alle drei Komponenten reprasentiert werden, kann die-

se Große auch als Symbol fur den Vektor selbst verwendet werden.

Ahnlich lasst sich der Normaleneinheitsvektor n mit den Kompo-

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2.1 Spannungszustand 73

nenten n1 = cosα1, n2 = cosα2, n3 = cosα3 (Abb. 2.1c) kurz

durch ni beschreiben:

n = [ni] =

⎡⎢⎣n1

n2

n3

⎤⎥⎦ =

⎡⎢⎣ cosα1

cosα2

cosα3

⎤⎥⎦ . (2.4)

Analoges gilt fur den Spannungstensor. Seine Komponenten nen-

nen wir nun σ11, σ12, σ13 usw. (Abb. 2.1b) oder allgemein σij mit

i, j = 1, 2, 3:

σ = [σij ] =

⎡⎢⎢⎣σ11 σ12 σ13

σ21 σ22 σ23

σ31 σ32 σ33

⎤⎥⎥⎦ . (2.5)

Dabei zeigen jetzt allein die Indizes an, ob es sich um eine Nor-

malspannung oder um eine Schubspannung handelt. Gleiche In-

dizes kennzeichnen Normalspannungen, ungleiche Indizes Schub-

spannungen. Die Große σij reprasentiert wieder alle Spannungs-

komponenten und kann deshalb als Symbol fur den Spannungs-

tensor selbst angesehen werden. Mit Hilfe der Indexnotation lasst

sich die Symmetrie des Spannungstensors einfach durch

σij = σji (2.6)

ausdrucken.

Eine besondere Bedeutung gewinnt die Indexnotation im Zu-

sammenhang mit der Summationskonvention. Danach wollen wir

vereinbaren, dass zu summieren ist, wenn in einem Term der glei-

che Index doppelt auftritt. Der Index durchlauft dabei der Reihe

nach die Werte 1, 2, 3. Dementsprechend bedeutet zum Beispiel

σjinj wegen des doppelt vorkommenden Index”j“ ausgeschrieben

σjinj =3∑j=1

σji nj = σ1i n1 + σ2i n2 + σ3i n3 . (2.7)

Dabei kann der Summationsindex”j“ durch einen beliebigen an-

deren Index (zum Beispiel”k“) ausgetauscht werden: σkink =

σjinj . Andere Beispiele zur Anwendung der Summationskonven-

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74 2 Grundlagen der Elastizitatstheorie

tion sind

σii =3∑i=1

σii = σ11 + σ22 + σ33 ,

tk nk =3∑

k=1

tk nk = t1 n1 + t2 n2 + t3 n3 .

(2.8)

Letzteres stellt das Skalarprodukt der Vektoren tk und nk dar:

t · n = tk nk.

In Verbindung mit der Indexnotation benotigt man manchmal

das Kronecker-Symbol. Es ist definiert als

δij =

{1 fur i = j ,

0 fur i = j .(2.9)

Damit gelten zum Beispiel

δii = δ11 + δ22 + δ33 = 3 und δijnj = ni . (2.10)

Abb. 2.2

Wir wollen nun zeigen, dass bei Kenntnis des Spannungstensors

der Spannungsvektor fur jede beliebige Schnittrichtung ermittelt

werden kann. Hierzu betrachten wir das Gleichgewicht am infinite-

simalen Tetraeder nach Abb. 2.2, dessen Flache dA eine beliebige,

durch ni gegebene Orientierung hat. Fur die ubrigen Tetraeder-

flachen erhalt man mit (2.4) durch Projektion von dA auf die

Koordinatenebenen

dA1 = dAn1 , dA2 = dAn2 , dA3 = dAn3

oder allgemein

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2.1 Spannungszustand 75

dAi = dAni . (2.11)

Die Gleichgewichtsbedingungen in x1-, x2- und x3-Richtung

t1 dA = σ11 dA1 + σ21 dA2 + σ31 dA3 ,

t2 dA = σ12 dA1 + σ22 dA2 + σ32 dA3 ,

t3 dA = σ13 dA1 + σ23 dA2 + σ33 dA3

liefern damit

t1 = σ11 n1 + σ21 n2 + σ31 n3 ,

t2 = σ12 n1 + σ22 n2 + σ32 n3 ,

t3 = σ13 n1 + σ23 n2 + σ33 n3 .

(2.12a)

Diese Gleichungen lassen sich unter Verwendung der Indexschreib-

weise und der Summationskonvention kompakt in der Form

ti = σji nj (2.12b)

darstellen, wobei wegen (2.6) die Indizes von σji auch vertauscht

werden konnen: ti = σijnj . Diese Beziehung wird haufig als

Cauchysche Formel bezeichnet (A.L. Cauchy, 1789–1857). Danach

ist bei gegebenem Spannungstensor σij jedem Normalenvektor niein Spannungsvektor ti zugeordnet, d.h. der Spannungszustand ist

durch σij tatsachlich vollstandig bestimmt. Durch (2.12b) wird ei-

ne lineare Beziehung (Abbildung) zwischen den Vektoren nj und

tj beschrieben. Eine Große, welche eine solche Abbildung vermit-

telt, nennt man einen Tensor 2. Stufe. Die lineare Vektorfunktion

(2.12b) kennzeichnet σij dementsprechend als Tensor 2. Stufe. An-

gemerkt sei noch, dass die Cauchysche Formel mit (2.3) bis (2.5)

auch in der symbolischen Schreibweise

t = σTn (2.12c)

angegeben werden kann. Wegen der Symmetrie des Spannungsten-

sors (σT = σ) kann dabei σT durch σ ersetzt werden: t = σn.

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76 2 Grundlagen der Elastizitatstheorie

B2.1 Beispiel 2.1 Der Spannungszustand in einem Punkt eines Korpers

sei durch

[σij ] =

⎡⎢⎢⎣ 36 −27 0

−27 −36 0

0 0 18

⎤⎥⎥⎦ MPa

gegeben.

Fur einen Schnitt mit dem Normalenvektor [ni] = 13 [2,−2, 1]T

sollen der Spannungsvektor sowie seine normale bzw. tangentiale

Komponente bestimmt werden.

Losung Nach (2.12a) erhalt man fur die Komponenten des Span-

nungsvektors

t1 = σj1 nj = 36 · 23 + 27 · 2

3 = 24 + 18 = 42 MPa ,

t2 = σj2 nj = −27 · 23 + 36 · 2

3 = −18 + 24 = 6 MPa ,

t3 = σj3 nj = 18 · 13 = 6 MPa .

Sein Betrag ergibt sich daraus zu

t = |t| =√t21 + t22 + t23 = 42,8 MPa .

Die Normalspannung σ errechnet sich aus dem Skalarprodukt von

t und n:

σ = t · n = tini = 42 · 23 − 6 · 2

3 + 6 · 13 = 26 MPa .

Fur den Betrag der Schubspannung folgt damit

τ =√t2 − σ2 = 34,1 MPa .

2.1.2 Koordinatentransformation

Wie sich die Komponenten des Spannungstensors bei einer Dre-

hung des Koordinatensystems transformieren, wurde fur den zwei-

achsigen Fall in Band 2, Abschnitt 2.2.1 behandelt. Hier sollen nun

die entsprechenden Beziehungen fur den dreiachsigen Zustand her-

geleitet werden. Wir gehen davon aus, dass die Spannungskompo-

nenten σij bezuglich des Koordinatensystems x1, x2, x3 bekannt

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2.1 Spannungszustand 77

Abb. 2.3

sind. Aus ihnen sollen die Spannungskomponenten σ′kl bezuglich

des gedrehten Koordinatensystems x′1, x′2, x′3 ermittelt werden

(Abb. 2.3a). Die Richtungen der neuen Achsen werden durch die

Einheitsvektoren

e′1 =

⎡⎢⎣ a11

a12

a13

⎤⎥⎦, e′2 =

⎡⎢⎣a21

a22

a23

⎤⎥⎦, e′3 =

⎡⎢⎣a31

a32

a33

⎤⎥⎦ (2.13)

festgelegt, wobei die Transformationskoeffizienten akl = cos(x′k, xl)die Richtungskosinus (= Kosinus des Winkels zwischen den ent-

sprechenden Achsen) sind. Wir betrachten nun das Tetraeder nach

Abb. 2.3b, dessen geneigte Flache senkrecht zu x′1 steht. Ihr Nor-

malenvektor fallt mit e′1 zusammen: nk = a1′k. Damit liefert die

Cauchysche Formel fur die Komponenten des Spannungsvektors

(bzgl. des x1, x2, x3-Systems)

tl = σkl nk = σkl a1k .

Seine Komponenten bezuglich des x′1, x′2, x′3-Systems lauten

σ′11 = t · e′1 = t1 a11 + t2 a12 + t3 a13 = tl a1l = σkl a1k a1l ,

σ′12 = t · e′2 = t1 a21 + t2 a22 + t3 a23 = tl a2l = σkl a1k a2l ,

σ′13 = t · e′3 = t1 a31 + t2 a32 + t3 a33 = tl a3l = σkl a1k a3l .

Entsprechende Beziehungen ergeben sich fur die Schnittflachen

senkrecht zur x′2- bzw. zur x′3-Achse. Insgesamt erhalt man daher

die Transformationsbeziehungen

σ′ij = σkl aik ajl . (2.14)

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78 2 Grundlagen der Elastizitatstheorie

Da auf der rechten Seite k und l doppelt vorkommen, muss uber

beide Indizes summiert werden. Ausgeschrieben ergibt sich danach

zum Beispiel fur σ′22:

σ′22 = σ11 a221 + σ12 a21 a22 + σ13 a21 a23

+σ21 a22 a21 + σ22 a222 + σ23 a22 a23

+σ31 a23 a21 + σ32 a23 a22 + σ33 a223

= σ11 a221 + σ22 a

222 + σ33 a

223

+2σ12 a21 a22 + 2σ23 a22 a23 + 2σ31 a23 a21 .

Als Sonderfall sind in (2.14) die Transformationsbeziehungen

fur den ebenen Fall (vgl. Band 2, Gl. (2.5)) enthalten, bei dem

eine Drehung um die x3-Achse erfolgt (Abb. 2.4). Mit x′3 = x3

und dem Drehwinkel ϕ gelten

a11 = a22 = cosϕ , a12 = cos (π/2− ϕ) = sinϕ ,

a21 = cos (π/2 + ϕ) = − sinϕ , a13 = a31 = a23 = a32 = 0 ,

und man erhalt unter Verwendung der Achsenbezeichnungen

x′1 = ξ und x′2 = η

σξ = σ′11 = σ11 cos2 ϕ+ σ22 sin2 ϕ+ 2σ12 sinϕ cosϕ ,

ση = σ′22 = σ11 sin2 ϕ+ σ22 cos2 ϕ− 2σ12 sinϕ cosϕ , (2.15)

τξη = σ′12 = −(σ11 − σ22) sinϕ cosϕ+ σ12(cos2 ϕ− sin2 ϕ) .

Abb. 2.4

Angemerkt sei an dieser Stelle noch, dass die Transformations-

beziehung (2.14) lediglich die Anderung der kartesischen Kompo-

nenten des Spannungstensors infolge einer Koordinatendrehung

ausdruckt. Die Beziehung (2.14) gilt deshalb genauso fur alle ande-

ren Tensoren 2. Stufe (vgl. zum Beispiel Tragheitstensor, Band 3,

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2.1 Spannungszustand 79

Gl. (3.54)). Im Unterschied dazu transformiert sich ein Tensor 1.

Stufe tk (= Vektor) nach der Beziehung t′i = tk aik.

2.1.3 Hauptspannungen, Invarianten, Mohrsche Kreise

Der Spannungstensor kann nach (2.14) in Bezug auf beliebig viele

Achsensysteme angegeben werden. Unter ihnen gibt es ein aus-

gezeichnetes Koordinatensystem, das als Hauptachsensystem be-

zeichnet wird. In den zugehorigen Schnitten hat der Spannungs-

vektor die Richtung des Normalenvektors. Das heißt, es wirken

nur Normalspannungen – man nennt sie Hauptspannungen –, und

die Schubspannungen sind Null. Kennzeichnet der Normalenvek-

tor ni eine Hauptachsenrichtung (Hauptrichtung), so lasst sich der

Spannungsvektor durch ti = σ ni ausdrucken, wobei σ die entspre-

chende Hauptspannung ist. Nach der Cauchyschen Formel (2.12b)

gilt allgemein ti = σijnj . Durch Gleichsetzen erhalten wir

σijnj = σ ni bzw. σij nj − σ ni = 0 .

Mit ni = δijnj (vgl. (2.10)) ergibt sich daraus

(σij − σ δij)nj = 0 (2.16)

oder ausgeschrieben

(σ11 − σ)n1 + σ12 n2 + σ13 n3 = 0 ,

σ21 n1 + (σ22 − σ)n2 + σ23 n3 = 0 , (2.17)

σ31 n1 + σ32 n2 + (σ33 − σ)n3 = 0 .

Dieses homogene Gleichungssystem hat nur dann nichttriviale Lo-

sungen fur n1, n2, n3, wenn die Koeffizientendeterminante ver-

schwindet:∣∣∣∣∣∣∣∣σ11 − σ σ12 σ13

σ21 σ22 − σ σ23

σ31 σ32 σ33 − σ

∣∣∣∣∣∣∣∣ = 0 . (2.18)

Hieraus folgt die kubische Gleichung

σ3 − I1σ2 − I2 σ − I3 = 0 . (2.19)

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80 2 Grundlagen der Elastizitatstheorie

Darin sind

I1 = σii = σ11 + σ22 + σ33 ,

I2 = 12 (σijσij − σiiσjj)

= −(σ11σ22 + σ22σ33 + σ33σ11) + σ212 + σ2

23 + σ231 ,

I3 = det[σij ] =

∣∣∣∣∣∣∣∣σ11 σ12 σ13

σ21 σ22 σ23

σ31 σ32 σ33

∣∣∣∣∣∣∣∣ . (2.20)

Da die Losungen von (2.19) unabhangig von der Wahl des Koor-

dinatensystems sind, trifft dies auch auf I1, I2 und I3 zu. Man

bezeichnet diese Großen deshalb als Invarianten.

Man kann zeigen, dass (2.19) drei reelle Losungen σ1, σ2, σ3

fur die Hauptspannungen liefert. Diese sind Stationarwerte der

Normalspannung: eine Hauptspannung ist die maximale Normal-

spannung, eine andere ist die minimale Normalspannung, und

die dritte ist ein dazwischenliegender Stationarwert. Der zu ei-

ner Hauptspannung, zum Beispiel zu σ2, gehorige Normalenvektor

kann aus zwei beliebigen Gleichungen von (2.17) unter Beachtung

von n21 +n2

2 +n23 = 1 ermittelt werden. Entsprechendes gilt fur die

beiden anderen Hauptspannungen. Damit liegen die Richtungen

der Hauptachsen fest. Diese stehen senkrecht aufeinander. Die Be-

stimmung der Hauptachsenrichtungen sowie der Hauptspannun-

gen nennt man Hauptachsentransformation.

Im Hauptachsensystem nimmt der Spannungstensor die Dia-

gonalform

σ =

⎡⎢⎢⎣σ1 0 0

0 σ2 0

0 0 σ3

⎤⎥⎥⎦ (2.21)

an. Die Invarianten konnen dann durch die Hauptspannungen aus-

gedruckt werden:

I1 = σ1 + σ2 + σ3 ,

I2 = −(σ1σ2 + σ2σ3 + σ3σ1) , (2.22)

I3 = σ1σ2σ3 .

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2.1 Spannungszustand 81

Mit den Hauptachsen und den Hauptspannungen liegen gleich-

zeitig die extremalen Schubspannungen sowie die Schnittflachen,

in denen sie auftreten, fest. Man erhalt fur die sogenannten Haupt-

schubspannungen

τ1 = 12 |σ2 − σ3| , τ2 = 1

2 |σ3 − σ1| , τ3 = 12 |σ1 − σ2| . (2.23)

Sie wirken in Flachen, deren Normale jeweils senkrecht auf einer

Hauptachse steht und mit den beiden anderen einen Winkel von

45◦ einschließt. Die Normalspannung ist in diesen Schnitten nicht

Null. So gehort zur Hauptschubspannung τ1 die Normalspannung

σ(τ1) = (σ2 + σ3)/2. Entsprechendes gilt fur die anderen Haupt-

schubspannungen. Ordnet man die Hauptspannungen nach ihrer

Große und bezeichnet die großte mit σ1, die kleinste mit σ3 (d.h.

σ1 ≥ σ2 ≥ σ3), so ist die maximale Schubspannung

τmax = 12 (σ1 − σ3) . (2.24)

Ein zweiachsiger Spannungszustand kann grafisch in einem σ, τ -

Diagramm durch einen Mohrschen Spannungskreis dargestellt wer-

den (Band 2, Abschn. 2.2.2). Die grafische Veranschaulichung ei-

nes dreiachsigen Spannungszustandes erfolgt dagegen mit drei

Mohrschen Kreisen (Abb. 2.5). Es lasst sich zeigen, dass die Nor-

malspannung σ und die zugehorige Schubspannung τ in einem

beliebigen Schnitt nur im dunkel gekennzeichneten Gebiet liegen

kann, das von den Kreisen begrenzt wird. Letztere sind durch

die Hauptspannungen eindeutig bestimmt. Die Kreise selbst kenn-

zeichnen dabei Schnitte, deren Normale jeweils senkrecht auf einer

der drei Hauptachsen steht.

Abb. 2.5

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82 2 Grundlagen der Elastizitatstheorie

B2.2 Beispiel 2.2 Der Spannungszustand in einem Punkt sei im x1, x2,

x3-Koordinatensystem gegeben durch

[σij ] =

⎡⎢⎢⎣1 1 3

1 5 1

3 1 1

⎤⎥⎥⎦ · 102 MPa .

Man bestimme die Hauptspannungen, die maximale Schubspan-

nung, die Hauptrichtungen und zeichne die Mohrschen Kreise.

Losung Nach (2.19), (2.20) errechnen sich die Hauptspannungen

aus

σ3 − I1σ2 − I2σ − I3 = 0

mit den Invarianten

I1 = σ11 + σ22 + σ33 = 7 · 102 MPa ,

I2 = −(σ11σ22 + σ22σ33 + σ33σ11) + σ212 + σ2

23 + σ231

= [−(5 + 5 + 1) + 12 + 12 + 32] · 104 = 0 ,

I3 = det[σij ] = [(5 + 3 + 3)− (45 + 1 + 1)] · 106

= −36 · 106 MPa3 .

Als Losungen der kubischen Gleichung erhalt man (geordnet nach

der Große)

σ1 = 6 · 102 MPa , σ2 = 3 · 102 MPa , σ3 = −2 · 102 MPa .

Fur die maximale Schubspannung folgt daraus

τmax = 12 (σ1 − σ3) = 4 · 102 MPa .

Damit lasst sich der Spannungszustand durch die Mohrschen Krei-

se nach Abb. 2.6 darstellen.

Zur Bestimmung der Richtung der Hauptspannung σ1 verwen-

den wir zunachst die ersten beiden Gleichungen von (2.17):

(1 − 6)n1 + n2 + 3n3 = 0 ,

n1 + (5 − 6)n2 + n3 = 0 ,→ −5n1/n3 + n2/n3 = −3 ,

n1/n3 − n2/n3 = −1 .

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2.1 Spannungszustand 83

Abb. 2.6

Hieraus ergeben sich die Verhaltnisse n1/n3 = 1, n2/n3 = 2. Unter

Beachtung der Bedingung, dass der Richtungsvektor den Betrag

1 haben soll, folgt damit

n(σ1) = λ

⎡⎢⎢⎣n1/n3

n2/n3

n3/n3

⎤⎥⎥⎦ = λ

⎡⎢⎢⎣ 1

2

1

⎤⎥⎥⎦ → n(σ1) =1√6

⎡⎢⎢⎣1

2

1

⎤⎥⎥⎦ .Dabei wurde der Normierungsfaktor λ gerade so gewahlt, dass

sich (wie gefordert) ein Einheitsvektor ergibt. Analog erhalt man

fur die Richtungen von σ2 und σ3

n(σ2) =1√3

⎡⎢⎢⎣ 1

−1

1

⎤⎥⎥⎦ , n(σ3) =1√2

⎡⎢⎢⎣ 1

0

−1

⎤⎥⎥⎦ .Da die Hauptachsenrichtungen senkrecht aufeinander stehen, muss

das Skalarprodukt zweier verschiedener Richtungsvektoren ver-

schwinden. Zur Probe bilden wir

n(σ1) · n(σ2) =1√6

1√3

(1− 2 + 1) = 0 .

B2.3Beispiel 2.3 Die Scheibe (Dicke t) nach Abb. 2.7a ist durch eine

Einzelkraft F senkrecht zum Rand belastet. Hierdurch werden in

der Umgebung der Kraftangriffsstelle die Spannungen

σ11 = − 2F

πt

sinϕ cos2 ϕ

r, σ22 = − 2F

πt

sin3 ϕ

r,

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84 2 Grundlagen der Elastizitatstheorie

σ12 = − 2F

πt

sin2 ϕ cosϕ

r

hervorgerufen. Alle anderen Spannungskomponenten sind Null.

Man bestimme die Spannungskomponenten fur das Koordina-

tensystem ξ, η sowie die Hauptspannungen und deren Richtungen.

Abb. 2.7

Losung Es liegt ein ebener Spannungszustand vor, fur den die

Transformationsbeziehungen (2.15) zutreffen. Danach ergibt sich

σξ = σ11 cos2 ϕ+ σ22 sin2 ϕ+ 2σ12 sinϕ cosϕ

= − 2F

πtr(sinϕ cos4 ϕ+ sin5 ϕ+ 2 sin3 ϕ cos2 ϕ) = −2F

πt

sinϕ

r,

ση = σ11 sin2 ϕ+ σ22 cos2 ϕ− 2σ12 sinϕ cosϕ

= − 2F

πtr(sin3 ϕ cos2 ϕ+ sin3 ϕ cos2 ϕ− 2 sin3 ϕ cos2 ϕ) = 0 ,

τξη = −(σ11 − σ22) sinϕ cosϕ+ σ12(cos2 ϕ− sin2 ϕ)

= − 2F

πtr[−(sinϕ cos2 ϕ− sin3 ϕ) sinϕ cosϕ

+ sin2 ϕ cosϕ(cos2 ϕ− sin2 ϕ)] = 0 .

Da die Schubspannung τξη verschwindet, sind σξ und ση Haupt-

spannungen (Abb. 2.7b):

σ1 = ση = 0 , σ2 = σξ = − 2F

πt

sinϕ

r.

Hiernach sind die Hauptachsen an jeder Stelle radial vom Kraft-

angriffspunkt bzw. senkrecht dazu gerichtet. In radialen Schnitten

ist die Spannung Null, in Schnitten senkrecht dazu betragsmaßig

am großten. Fur r → 0 wachsen die Spannungen σξ unbeschrankt

an (Spannungssingularitat).

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2.1 Spannungszustand 85

2.1.4 Hydrostatischer Spannungszustand, Deviator

Einen Spannungszustand der Art

σ =

⎡⎢⎣σ0 0 0

0 σ0 0

0 0 σ0

⎤⎥⎦ = σ0

⎡⎢⎣1 0 0

0 1 0

0 0 1

⎤⎥⎦ = σ0 1 bzw. σkl = σ0 δkl (2.25)

mit dem Einheitstensor 1 nennt man hydrostatischen Spannungs-

zustand. In diesem Fall sind die drei Normalspannungen gleich

und zugleich Hauptspannungen. Aus (2.14) mit (2.13) erhalt man

dann

σ′ij = σkl aik ajl = σ0 δkl aik ajl

= σ0 ail ajl = σ0 e′i · e′j = σ0 δij .

Dies bedeutet, dass die Normalspannungen unabhangig von der

Achsenrichtung immer die gleiche Große σ0 haben, wahrend die

Schubspannungen in jedem Schnitt verschwinden. Demzufolge exis-

tiert hier kein ausgezeichnetes Achsensystem; vielmehr ist jedes

beliebige System ein Hauptachsensystem.

Im weiteren wollen wir einen beliebigen Spannungstensor σijadditiv zerlegen. Zu diesem Zweck fuhren wir mit

σm = 13 (σ11 + σ22 + σ33) = 1

3 σkk (2.26)

die mittlere Normalspannung ein. Damit lasst sich der Spannungs-

tensor folgendermaßen aufspalten:⎡⎢⎢⎣σ11 σ12 σ13

σ21 σ22 σ23

σ31 σ32 σ33

⎤⎥⎥⎦ =

⎡⎢⎢⎣σm 0 0

0 σm 0

0 0 σm

⎤⎥⎥⎦ +

⎡⎢⎢⎣σ11 − σm σ12 σ13

σ21 σ22 − σm σ23

σ31 σ32 σ33 − σm

⎤⎥⎥⎦

=

⎡⎢⎢⎣σm 0 0

0 σm 0

0 0 σm

⎤⎥⎥⎦ +

⎡⎢⎢⎣ s11 s12 s13

s21 s22 s23

s31 s32 s33

⎤⎥⎥⎦. (2.27)

Dies lasst sich mit (2.26) kurz schreiben als

σij =1

3σkk δij + sij . (2.28)

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86 2 Grundlagen der Elastizitatstheorie

Der erste Anteil beschreibt einen hydrostatischen Spannungszu-

stand infolge der mittleren Spannung σm, wahrend der zweite die

”Abweichung“ hiervon darstellt. Man nennt σmδij den Kugelten-

sor und sij = σij − σmδij den Spannungsdeviator.

Der Deviator sij ist wie der Spannungstensor σij ein symmetri-

scher Tensor 2. Stufe.Wir konnen deshalb alle Eigenschaften, die

wir bei σij kennengelernt haben, sinngemaß auf sij ubertragen. So

existiert fur den Deviator ein Hauptachsensystem. Dieses stimmt

mit demjenigen des Spannungstensors σij uberein, da der hydro-

statische Spannungszustand uber keine ausgezeichneten Richtun-

gen verfugt. Daneben hat der Deviator Invarianten, die wir mit

J1, J2, J3 bezeichnen. Man erhalt zum Beispiel fur die 1. und die

2. Invariante des Deviators (vgl. (2.20))

J1 = sii = (σ11 − σm) + (σ22 − σm) + (σ33 − σm) = 0 ,

J2 =1

2sij sij

=1

6

[(σ11 − σ22)2 + (σ22 − σ33)2 + (σ33 − σ11)2

](2.29)

+ σ212 + σ2

23 + σ231

=1

6

[(σ1 − σ2)2 + (σ2 − σ3)2 + (σ3 − σ1)2

].

Letztere spielt eine besondere Rolle bei der Formulierung von

Stoffgesetzen in der Plastomechanik.

B2.4 Beispiel 2.4 Fur den Spannungszustand des Beispiels 2.2 bestimme

man den Spannungsdeviator und dessen 2. Invariante.

Losung Mit der mittleren Spannung

σm =σ11 + σ22 + σ33

3=

1 + 5 + 1

3· 102 =

7

3· 102 MPa

ergibt sich fur den Spannungsdeviator

[sij ]=

⎡⎢⎢⎣σ11 − σm σ12 σ13

σ21 σ22 − σm σ23

σ31 σ32 σ33 − σm

⎤⎥⎥⎦=

⎡⎢⎢⎣−4/3 1 3

1 8/3 1

3 1 −4/3

⎤⎥⎥⎦· 102 MPa.

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2.1 Spannungszustand 87

Die Invariante J2 berechnen wir nach (2.29) zweckmaßig mit Hilfe

der in Beispiel 2.2 ermittelten Hauptspannungen:

J2 =1

6

[(σ1 − σ2)2 + (σ2 − σ3)2 + (σ3 − σ1)2

]=

1

6

[(6− 3)2 + (3 + 2)2 + (−2− 6)2

] · 104 =49

3· 104 MPa2.

2.1.5 Gleichgewichtsbedingungen

Die Gleichgewichtsbedingungen wurden fur einen raumlichen Span-

nungszustand schon in Band 2, Abschnitt 2.3 angegeben, wo-

bei dort auf eine Herleitung verzichtet wurde. Diese kann auf

unterschiedliche Weise erfolgen. Eine Moglichkeit besteht in der

Gleichgewichtsbetrachtung an einem infinitesimalen Element (vgl.

Band 2, Abschn. 2.3). Ein anderer moglicher Ausgangspunkt ist

die Formulierung der Gleichgewichtsbedingungen fur ein beliebi-

ges, aus dem Korper geschnittenes endliches Teilvolumen V mit

der Oberflache A (Abb. 2.8a). Dieses ist durch eine Volumenkraft

fi und eine Oberflachenbelastung (Spannungsvektor) ti belastet.

Damit der Korper im Gleichgewicht ist, muss die Summe der auße-

ren Krafte verschwinden:∫A

ti dA+

∫V

fi dV = 0 .

Mit der Cauchyschen Formel (2.12b) folgt daraus zunachst∫A

σjinj dA+

∫V

fi dV = 0 .

Abb. 2.8

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88 2 Grundlagen der Elastizitatstheorie

Das Oberflachenintegral konnen wir mit dem Gaußschen Satz in

ein Volumenintegral umformen. Dabei wollen wir von nun an die

partielle Ableitung einer Funktion, z.B. g(x1, x2, x3), nach xi sym-

bolisch durch den Index”i“ hinter einem Komma kennzeichnen:

∂g/∂xi = g,i. Damit gilt∫A

σjinj dA =

∫V

∂σji∂xj

dV bzw.

∫A

σjinj dA =

∫V

σji,j dV .

Fassen wir noch die Volumenintegrale zusammen, so erhalten wir

schließlich∫V

(σji,j + fi) dV = 0 .

Diese Beziehung kann fur ein beliebiges Volumen V nur dann

erfullt sein, wenn der Integrand verschwindet:

σji,j + fi = 0 . (2.30a)

Dies sind die Gleichgewichtsbedingungen; ausgeschrieben lauten

sie

∂σ11

∂x1+∂σ21

∂x2+∂σ31

∂x3+ f1 = 0 ,

∂σ12

∂x1+∂σ22

∂x2+∂σ32

∂x3+ f2 = 0 ,

∂σ13

∂x1+∂σ23

∂x2+∂σ33

∂x3+ f3 = 0 .

(2.30b)

Mit (2.30) stehen drei Gleichungen zur Verfugung, aus denen die

sechs unabhangigen Spannungskomponenten σij im allgemeinen

nicht bestimmt werden konnen: das Problem ist statisch unbe-

stimmt.

Die Gleichgewichtsbedingungen gelten fur jeden Punkt im In-

nern des Korpers. Entlang der Oberflache (Rand) ist haufig die

außere Belastung durch eine gegebene Flachenlast t∗i vorgeschrie-

ben. Dort muss die Randbedingung ti = t∗i erfullt sein. Mit der

Cauchyschen Formel (2.12b) erhalt man daraus