Karl Schmid als strategischer Denker - ETH Z

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Zürcher Beiträge zur Sicherheitspolitik und Konfliktforschung Heft Nr. 45 Kurt R. Spillmann und Hans Künzi (Hrsg.) Unter Mitarbeit von: Christoph Breitenmoser, Jon A. Fanzun, Patrick Lehmann und Andreas Wenger Karl Schmid als strategischer Denker Beurteilungen aus historischer und aktueller Perspektive Bericht und Auswertung der Tagung vom 1. Juli 1997 Forschungsstelle für Sicherheitspolitik und Konfliktanalyse Eidgenössische Technische Hochschule 8092 Zürich Zürich 1997

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Zürcher Beiträge

zur Sicherheitspolitik und Konfliktforschung

Heft Nr. 45

Kurt R. Spillmann und Hans Künzi (Hrsg.)

Unter Mitarbeit von:

Christoph Breitenmoser, Jon A. Fanzun,

Patrick Lehmann und Andreas Wenger

Karl Schmid als strategischer Denker Beurteilungen aus historischer

und aktueller Perspektive

Bericht und Auswertung der Tagung

vom 1. Juli 1997

Forschungsstelle für Sicherheitspolitik und Konfliktanalyse

Eidgenössische Technische Hochschule 8092 Zürich

Zürich 1997

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FSK auf dem Internet

Die "Zürcher Beiträge" sowie die anderen Publikationen der Forschungsstelle für Sicherheits-politik und Konfliktanalyse sind ebenfalls auf dem World Wide Web im Volltext verfügbar.

URL: http://www.fsk.ethz.ch/

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INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort 1

TEIL I: BERICHT DER TAGUNG

Begrüssungsworte von Hans Künzi, Präsident der Karl-Schmid-Stiftung 3

Einleitung von Kurt R. Spillmann, Leiter der FSK 5

Grussadresse von Bundesrat Adolf Ogi, Vorsteher des EMD 6

A. DER BERICHT DER KOMMISSION SCHMID

Fred Luchsinger Die sicherheitspolitische Lage 1969 und die Beurteilung durch Karl Schmid 10

Josef Feldmann Die Folgerungen der Kommission Schmid aus der strategischen Lagebeurteilung 1969 15

Gustav Däniker Der Einfluss der Kommission Schmid auf die Entwicklung der schweizerischen Sicherheitspolitik 21

Diskussion (1) 31

B. PANEL 1: Der Bericht Schmid aus heutiger Sicht

Einleitung zum 1. Panel von Kurt Eichenberger 33

Hans Wildbolz (=) Beurteilung des Berichts Schmid aus heutiger Sicht 33

Hans Senn Die Kommission Schmid und die Nuklearwaffenfrage 37

Walter Winkler Die wissenschaftlichen, technischen und finanziellen Möglich- keiten einer Atomwaffenproduktion 41

Kurt Eichenberger Schlussbemerkungen zum 1. Panel 44

Diskussion (2) 47

C. PANEL 2:

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Welche Voraussetzungen für die Schweizer Sicherheits-politik haben sich seit dem Bericht Schmid verändert?

Einleitung zum 2. Panel von Kurt R. Spillmann 51

Arthur Liener Veränderungen im Bereich der (Militär)-Strategie 53

Edouard Brunner Adaptation aux nouveaux risques 56

Peter Arbenz Die internationale Kooperation aus der Sicht des Berichts Schmid und von heute 59

Jean Abt Quelques changements intervenus dans les conditions-cadres de la politique de sécurité de la Suisse, depuis le Rapport Schmid jusqu’à aujourd’hui 62

Bruno Lezzi Welche Voraussetzungen haben sich im Bereich der Führung gegenüber dem Bericht Schmid verändert? 65

Otto Schoch Bedeutung der Neutralität für die Sicherheitspolitik einst und heute 69

Curt Gasteyger Welche Voraussetzungen für die Schweizer Sicherheitspolitik haben sich seit dem Bericht Schmid verändert? 73

Diskussion (3) 77

Schlusswort von Hans Künzi 81

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TEIL II: AUSWERTUNG DER TAGUNG Jon A. Fanzun

A. Historischer Teil

1. Karl Schmid: Person und Werk 83

2. Die Studienkommission für strategische Fragen (SSF) 84

2.1 Entstehung 85

2.2 Zusammensetzung der Kommission 86

3. Die Arbeit der SSF 87

3.1 Die Atomwaffenfrage 87

3.2 Strategisches Denken 90

3.3 Ausgreifende Strategiekomponente 91

4. Würdigung der SSF 93

B. Aktueller Teil

1. Verändertes Umfeld nach dem Ende des Kalten Krieges 96

2. Zwischen Isolation und internationaler Zusammenarbeit 97

3. Neudefinition der Neutralität 101

3.1 Neutralitätsrechtliche Aspekte 101

3.2 Sicherheitspolitische Aspekte der Neutralität 102

3.3 Neutralität zwischen Mythos und Mittel zum Zweck 104

4. Anpassung der Wehrstrukturen 105

4.1 Europäischer Trend zur Berufsarmee 106

4.2 Milizarmee unter Druck 107

4.3 Zukunft der Milizarmee 111

5.Schlussbetrachtung 111

Bibliographie 115

Anhang I: Curriculum vitae von Karl Schmid 119

Anhang II: Die Mitglieder der SSF 121

Anhang III: Referenten 122

Anhang IV: Teilnehmer 123

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Vorwort

Die Forschungsstelle für Sicherheitspolitik und Konfliktanalyse an der ETH Zürich und die Karl-Schmid-Stiftung haben sich am 1. Juli 1997 zusammengetan, um eine sicherheitspoliti-sche Tagung durchzuführen, die einerseits einen bisher etwas im Hintergrund stehenden As-pekt der Persönlichkeit von Karl Schmid in Erinnerung rufen sollte, den militärisch-sicherheitspolitischen, und andererseits die Reihe von sicherheitspolitischen Arbeitstagungen fortsetzen wollte, die seit zehn Jahren im Rahmen der Forschungsstelle durchgeführt werden. Der Zweck der Veranstaltung war somit, einerseits die sicherheitspolitischen Leistungen und Verdienste Karl Schmids und der nach ihm benannten strategischen Kommission zu würdi-gen, und andererseits aus dem Vergleich der sicherheitspolitischen Lageanalyse durch die Kommission Schmid im Jahre 1969 mit der veränderten aktuellen Situation Impulse für die gegenwärtige sicherheitspolitische Diskussion zu gewinnen. Das Resultat der äusserst anre-genden Tagung liegt hier nun in gedruckter Form vor.

Die Herausgeber möchten allen Referenten herzlich für ihre Bereitschaft danken, persönliche Erinnerungen und eigene Analysebeiträge zur Verfügung zu stellen. Sie möchten aber auch dem weiteren Kreis von Mitarbeitern, die für die Logistik und für die schriftliche Ausarbei-tung des Tagungsberichtes verantwortlich waren – Frau Erika Girod, Herr Patrick Lehmann, Herr Fritz Rigendinger, Herr Jon A. Fanzun, Herr Andreas Wenger und Herr Christoph Brei-tenmoser – herzlich für ihr Engagement danken. Die Herausgeber hoffen, dass dieser Bericht sowohl für den historisch an Karl Schmid Interessierten wie auch für den an der aktuellen sicherheitspolitischen Debatte Interessierten gleichermassen lesenswert sein wird.

Zürich, im Dezember 1997

Prof. Dr. Kurt R. Spillmann Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Künzi

Leiter der Forschungsstelle für Präsident der Karl-Schmid-Stiftung Sicherheitspolitik und Konfliktanalyse

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TEIL I: BERICHT DER TAGUNG

Begrüssungsworte von Hans Künzi, Präsident der Karl-Schmid-Stiftung

Hochverehrter Herr Bundesrat, sehr verehrte Herren alt Bundesräte, meine Damen und Herren National- und Ständeräte, sehr verehrte Damen und Herren Regierungsräte, meine geschätzten Herren Offiziere, Herr Rektor, sehr geschätzte Gäste, liebe Frau Elsie Attenhofer, lieber Christoph Schmid.

Wir heissen Sie zu unserer Tagung, organisiert durch die Karl-Schmid-Stiftung und die For-schungsstelle für Sicherheitspolitik und Konfliktanalyse, an der ETH Zürich herzlich will-kommen.

Die Karl-Schmid-Stiftung bezweckt: Die Durchführung von Kolloquien und weiteren Veran-staltungen, die zum besseren Verständnis grundlegender Fragen in Literatur, Geschichte und Gegenwart führen; zu diesen gehören Probleme der schweizerischen Identität und Integration, Grundfragen der Sicherheits- und Friedenspolitik.

Unsere heutige Tagung mit dem Thema zum Bericht Schmid und den Grundlagen einer stra-tegischen Konzeption der Schweiz aus historischer und aktueller Perspektive, liegt damit ganz im Rahmen der Statuten der Karl-Schmid-Stiftung und im Themenkreis der Forschungsstelle für Sicherheitspolitik und Konfliktanalyse.

Es lag uns bei der Themenwahl ganz allgemein daran, im diesjährigen Symposium Karl Schmid als Soldat zu würdigen und seine diesbezüglichen Leistungen nochmals hervorzuhe-ben.

Mit Fug und Recht darf an dieser Stelle behauptet werden: Karl Schmid war Soldat vom Scheitel bis zur Sohle, das geht schon aus einem Brief hervor, den der junge, 21jährige, frisch brevetierte Leutnant an einen Freund schrieb: „Der Galon sitzt also. Und die Sterne blinken. Und der Säbel funkelt. Und der hohe Sold klingelt. Und der Tango (so nannten ihn seine Freunde) strahlt natürlich – wie ein Gorilla, der eine Uhr gefunden hat. Aber im Ernst: Es zieht mich allerhand zum Militär. Ich habe mich manchmal gefragt, was es sei.“

Aber nicht nur als Soldat und als Generalstabsoffizier, sondern überall, wo er sich zur Verfü-gung stellte und dabei gefordert wurde, erbrachte Karl Schmid, und dies vor allem im Dienste der Eidgenossenschaft, höchste Leistungen.

Ein beinahe unvorstellbares Pensum erfüllte er als Hochschullehrer und Rektor der ETH, aber auch als Wissenschafter und als Wissenschaftspolitiker (Präsident des Wissenschaftsrates), als Germanist und Schriftsteller sowie als Staatsdenker; erinnern wir nur an seine visionären Schriften zum Thema Schweiz/Europa, mit denen er sich schon vor einem Vierteljahrhundert eingehend auseinander gesetzt hat.

Heute gilt die Würdigung Karl Schmids nochmals seinem engagierten und überzeugenden Denken und Wirken im militärischen Bereich. Karl Schmid war, wie schon erwähnt, aus Überzeugung und innerer Leidenschaft Soldat und gab viele seiner besten Kräfte der Landes-verteidigung.

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Der prägnante Germanist Karl Schmid gehört auch zu den bedeutenden Militärschriftstellern unseres Jahrhunderts, denken wir nur an seine tiefsinnigen Essays: „Zur seelischen Lage des Soldaten“ und „Der Soldat und der Tod“ sowie an seine Beiträge über: „Die Artillerie als Führungselement“, „Die Wandlungen im Geiste der Führung“, über: „Psychologische Aspek-te des totalen Krieges“ und seinen vielbeachteten Artikel: „Zum Tode des Generals“, um nur diese wenigen zu nennen.

Dazu kommen noch ungezählt viele Referate, die Karl Schmid im Auftrage der Sektion Heer und Haus während des Zweiten Weltkrieges gehalten hat. Zahlreiche dieser Vorträge werden in der im nächsten Jahr erscheinenden neuen Ausgabe von „Gesammelten Werken Karl Schmids“ abgedruckt sein.

In seiner Gedenkrede anlässlich der Trauerfeier für Karl Schmid am 5. November 1974 wür-digte sein früherer oberster Chef, Bundesrat Professor Hans Peter Tschudi, Karl Schmid mit den eindrücklichen Worten:

„Zu unserem schmerzlichen Bedauern muss die Schweiz künftig Rat und Tat Karl Schmids entbehren. Er hat in seinen Büchern und Vorträgen stets zu grundsätzlichen Problemen unse-res Staates Stellung genommen. In seinem Sinne handeln wir, wenn wir auch heute in die Zukunft blicken und dabei an seine mahnende Worte denken: Nicht von den Verträgen oder den Kanonen, sondern von den Büchern und den Schulstuben hängt es ab, wie Europa am Ende unseres Jahrhunderts aussehen wird.“

In Erinnerung an Karl Schmid wollen wir nun dieses Symposium durchführen und dabei dem grossen Staatsdenker und Lehrer an unserer ETH nochmals danken und gedenken.

Und damit übergebe ich das Wort an meinen Kollegen Prof. Dr. Kurt R. Spillmann, dem Lei-ter der Forschungsstelle für Sicherheitspolitik und Konfliktanalyse an der ETH Zürich, er wird Sie in die vorgesehene Thematik unserer Tagung näher einführen.

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Einleitung von Kurt R. Spillmann, Leiter der FSK

Herr Bundesrat, meine sehr verehrten Damen und Herren

Ich darf Sie nun auch im Namen der ETH Zürich und ihrer Forschungsstelle für Sicherheits-politik und Konfliktanalyse herzlich zu dieser gemeinsamen Veranstaltung mit der Karl-Schmid-Stiftung begrüssen. Wir setzen damit auch die Tradition der sicherheitspolitischen Arbeitstagungen fort, die im Gründungsjahr der Forschungsstelle 1986 begann und den An-fang bildete jener Zusammenarbeit zwischen Universität und ETH, die sich heute im neuen interuniversitären CIS, Center for International Studies / Zentrum für Internationale Studien kristallisiert hat.

„Karl Schmid als strategischer Denker: Beurteilungen aus historischer und aktueller Perspek-tive“ lautet der Titel unserer Veranstaltung. Sie will bewusst zugleich historisch und aktuell, personenbezogen und allgemein sicherheitspoli-tisch sein.

Historisch und personenbezogen ist sie im Hinblick auf die grosse Leistung von Karl Schmid als strategischer Denker und als Redaktor eines sicherheitspolitischen Grundlagendokumen-tes, in welchem er die Gedankenarbeit der besten strategischen Denker, die die Schweiz jener Zeit aufzuweisen hatte, in inhaltlich wie stilistisch grossartiger Weise zu integrieren verstand, so dass der „Bericht Schmid“ noch heute modellhaften Charakter beanspruchen kann.

Aktuell und allgemein sicherheitspolitisch ist die Tagung insofern, als sie im zweiten Teil (am Nachmittag) eine Evaluation der Gültigkeit der strategischen Leitlinien des Berichts von 1969 aus heutiger Sicht unternimmt und schliesslich – im letzten Panel – nach den grundsätzlichen Veränderungen fragt, die die heutige sicherheitspolitische Lage von derjenigen von 1969 un-terscheidet. Wir freuen uns besonders, dass auch Herr Botschafter Edouard Brunner, Vorsit-zender der gegenwärtig aktiven Kommission für strategische Fragen, an dieser Diskussion teilnimmt.

Ich möchte schon jetzt allen Referierenden für ihre spontane Bereitschaft danken, ohne Hono-rar – nur für ein spartanisches Mittagessen – an dieser Veranstaltung mitzuwirken. Zugleich bitte ich die Gäste um Verständnis dafür, dass wir Sie aus Platzgründen nicht alle zum Mit-tagessen einladen konnten. Wir mussten auf Ihre Befähigung zur Selbstsorge vertrauen und haben Ihnen zur Erleichterung wenigstens eine kleine Karte verteilt, auf der Sie die zahlrei-chen Verpflegungsmöglichkeiten im Umkreis der Hochschulen eingezeichnet finden.

Nun möchte ich die Tagung eröffnen mit meinem herzlichen Dank an den Chef des Eidgenös-sischen Militärdepartementes, Herrn Bundesrat Ogi, dass er auch heute wieder – wie bereits als Nationalrat – sein persönliches Engagement für die Schweizer Sicherheitspolitik durch die Teilnahme an einer sicherheitspolitischen Arbeitstagung in diesem Hause dokumentiert.

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Grussadresse von Bundesrat Adolf Ogi, Vorsteher des EMD

Meine sehr geehrten Herren Tagungsleiter, meine sehr geehrten Herren Bundesräte, meine Damen und Herren National- und Ständeräte, meine Damen und Herren Regierungsräte, Herr Rektor, meine sehr geehrten Vertreter der Armee, der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Verwaltung, sehr verehrte Gäste, meine Damen und Herren.

Ich danke den Organisatoren dieser Tagung für ihre Initiative. Professor Karl Schmid hat ent-scheidendes zur Entwicklung der sicherheitspolitischen Strategie der Schweiz beigetragen. Eine Würdigung seiner Verdienste um unsere Sicherheitspolitik war überfällig. Sie kommt auch gerade rechtzeitig, weil wir uns in einer Übergangsphase befinden, in der wir unsere sicherheitspolitische Konzeption gründlich überdenken müssen, in der konstruktive und inno-vative Anstösse wichtig und nötig sind und in der das Vorbild von Karl Schmid besonders wesentlich ist und weithin leuchten muss.

Karl Schmid verkörpert jenen Typ Schweizer, der dem Land neue Impulse gibt, der aber oft erst im Nachhinein anerkannt wird, der den Mut aufbringt, einen eigenen Standpunkt zu ver-treten, Aussergewöhnliches zu leisten, und aus dem Mittelmass herauszutreten. Letzteres wird bekanntlich in unserem Land nicht immer geschätzt.

An Karl Schmid beeindruckt auch sein wohlverstandener Patriotismus, der sich zum Beispiel in seinem Verzicht auf die nukleare Bewaffnung des Landes äussert. Karl Schmid erkannte die Bedrohungen der Zeit mit klarem Verstand. Er wusste um unsere Fähigkeiten, aber auch um unsere Grenzen. Er vereinte diese Einsichten zu einem trag-fähigen Ganzen.

Karl Schmid und die Mitglieder seiner Kommission haben grossen Anteil daran, dass die Schweiz den Kalten Krieg auf sicherem Kurs überstanden hat, und dass sowohl unsere sicher-heitspolitische und militärische Konzeption, als auch die Ausbildung und Ausrüstung der Ar-mee während drei Jahrzehnten auf der Höhe der Zeit blieben. Deshalb können wir heute die nötigen Anpassungen von einer soliden Grundlage aus in Angriff nehmen. Das ist eine grosse Leistung und ein wichtiger Beitrag an das Gemeinwohl. Darauf können alle, die daran mitge-arbeitet haben, stolz sein. Einige von ihnen sind heute unter uns. Ihnen gilt mein ganz speziel-ler Dank.

Frieden, Unabhängigkeit, Integrität des Territoriums und Schutz unserer Existenzgrundlagen: Das sind heute wie damals unsere sicherheitspolitischen Ziele. Sie haben sich nicht verändert. Verändert haben sich hingegen die internationalen, gesellschaftlichen und technologischen Rahmenbedingungen. Diese Veränderungen fordern uns heraus. Ihnen müssen wir uns vorur-teilsfrei stellen. So wie das Karl Schmid auch immer wieder getan hat.

Ich habe deshalb im letzten August die Studienkommission für strategische Fragen eingesetzt. Sie steht unter der Leitung von Herrn Botschafter Edouard Brunner. Er ist heute auch unter uns. Seine Kommission muss Gefahren und Chancen analysieren. Sie muss die sicherheitspo-litischen Orientierungsmarken für das nächste Jahrzehnt vorschlagen. Der Schlussbericht der Kommission liegt Ende 1997 oder anfangs 1998 vor.

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Ich will hier aber nicht den möglichen Ergebnissen vorgreifen, sondern mehr auf die Erkennt-nisse eingehen, die ich aus zahlreichen Gesprächen mit schweizerischen Meinungsträgern, ausländischen Amtskollegen und Vertretern der Nato gewonnen habe. Dies nicht deshalb, weil ich Abstand zur Kommission Brunner nehmen möchte, sondern weil die Studienkom-mission ihre Arbeit in Ruhe fortsetzen und beenden soll, weil Botschafter Brunner Sie nach eigenem Ermessen über den Stand der Arbeiten orientieren kann und weil ich glaube, dass die Erkenntnisse des EMD in diesem Zeitraum auch nicht stillstehen und gelegentlich gewogen werden müssen. Wir dürfen und müssen schon jetzt handeln. Wir dürfen und müssen schon jetzt in die Zukunft blicken.

Bevor ich das aber tue, will ich ein Bekenntnis ablegen, das mir sehr am Herzen liegt. Nicht nur als Chef des EMD. Sondern auch als Bürger und Soldat. Es betrifft den Verteidigungsauf-trag der Armee. Wenn ich seit einiger Zeit davon spreche, dass die relative Bedeutung anderer Aufträge zunimmt, wenn ich betone, dass unser internationales Engagement für Stabilität, Sicherheit und Frieden ausgebaut werden muss und wenn ich darüber nachdenke, wie Struk-tur, Ausbildung und Ausrüstung der Armee den Herausforderungen der Zukunft angepasst werden müssen, dann ist das keine Kritik an den sicherheitspolitischen Denkern, die zu unse-rer bisherigen Sicherheitspolitik so viel beigetragen haben, dann ist das auch keine Gering-schätzung der Leistungen, die Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten in unserer heutigen Armee erbringen. Es ist vielmehr Ausdruck meiner Überzeugung, dass unsere Sicherheitspoli-tik vermehrt auf die aktuellen Bedrohungen ausgerichtet sein muss, und dass sie sich in dem Masse verändern muss, wie sich auch die Risiken und Gefahren verändern und verschieben.

Seit meinem Amtsantritt im EMD habe ich die Verteidigungsminister von Frankreich, Deutschland, Österreich, Italien, Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland, Estland, Gross-britannien und den USA zu bilateralen Gesprächen getroffen. Ich habe am 13. Juni [1997] am Treffen der Verteidigungsminister der Nato- und der PfP-Staaten in Brüssel teilgenommen. Mit Generalsekretär Solana habe ich vor dem Nordatlantikrat unser individuelles PfP-Partnerschaftsprogramm besiegelt. Bei meinen Besuchen in Sarajevo habe ich auch mit Ver-tretern der IFOR und SFOR gesprochen. Diese Gespräche haben mein Weltbild nicht umge-stürzt und meine Wertvorstellungen nicht durcheinandergebracht. Sie haben meinen Blick für die Zukunft geschärft.

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Für die Weiterentwicklung unserer Sicherheitspolitik und des Armeeauftrags scheinen mir folgende drei Bausteine wesentlich:

Baustein Nr. 1: Wir müssen unser internationales sicherheitspolitisches Engagement ausbau-en. Es geht nicht um Mitmachen um jeden Preis. Es geht um die konsequente Verfolgung unserer eigenen Sicherheitsinteressen. Was heisst das im heutigen Umfeld?

Erstens: Sicherheit und Stabilität werden heute zunehmend durch internationale Zusammen-arbeit gewonnen. Die militärische Gefahr ist gesunken. Andere Gefahren lassen sich nicht im Alleingang bewältigen. Ich denke hier z.B. an Proliferation, Organisierte Kriminalität, Bür-gerkriege, Migrationsdruck und Umweltkatastrophen. Die Bekämpfung dieser Gefahren fängt nicht erst an der Landesgrenze an und hört auch nicht dort auf.

Zweitens: Vorbeugen ist besser als heilen. Es ist auch billiger. Wenn unser Engagement dazu beiträgt, die Wahrscheinlichkeit des Verteidigungsfalls noch weiter zu reduzieren, dann ist das eine gute Investition.

Drittens: Wir dürfen nicht nur Sicherheit konsumieren. Wir müssen auch Sicherheit mitpro-duzieren. Sonst gelten wir als Trittbrettfahrer. Das können wir uns immer weniger leisten. Ein Kleinstaat ist besonders auf Goodwill angewiesen. Wir haben das in der letzten Zeit zur Ge-nüge erfahren müssen.

Baustein Nr. 2: Engagement und Kooperation sind heute leichter möglich als früher, weil die politisch-militärische Konfrontation in Europa verschwunden ist und weil damit auch die neutralitätspolitische Zurückhaltung gegenüber solcher Kooperation weniger gefragt ist. Das Verschwinden der Ost-West-Konfrontation in Europa hat das multilaterale Krisenmanage-ment gefördert.

Uno und OSZE sind handlungsfähiger geworden. Gegner von einst arbeiten zusammen. Die Nato hat ihr Augenmerk von der Territorialverteidigung auf friedenserhaltende Operationen an der Peripherie des Bündnisgebiets verlagert. Man kann sich an solchen Aktionen beteili-gen, ohne der neutralitätswidrigen Parteinahme bezichtigt zu werden, weil es darum geht, den Frieden zu fördern, weil es darum geht, Solidarität zu demonstrieren, weil viele Einsätze Bür-gerkriegen gelten, weil auf diese das Neutralitätsrecht nicht anwendbar ist und weil die Ein-sätze in der Regel mit Zustimmung der beteiligten Parteien erfolgen.

Baustein Nr. 3: Die Anpassung unserer Wehrstrukturen darf kein Tabu sein. Sie ist nötig, wenn wir Chancen besser wahrnehmen und aktuelle Risiken besser abdecken wollen. Die Anpassung unserer Wehrstrukturen muss berücksichtigen, dass die Armee das gewichtigste Instrument unserer Sicherheitspolitik ist, dass sie die einzig glaubwürdige Rückversicherung gegen machtpolitische Gefahren ist, dass sie eine gewisse Kontinuität braucht und dass der bedrohungsgerechte Abbau die rasche Wiederaufwuchsfähigkeit nicht gefährden darf.

Die Anpassung der Wehrstrukturen muss aber auch berücksichtigen, dass der Rückhalt der Armee in der Bevölkerung und ihre Glaubwürdigkeit in hohem Masse davon abhängen, wie sie dem aktuellen Bedrohungsempfinden der Bürger Rechnung trägt und wie sie sich im Rahmen der Existenzsicherung, der subsidiären Einsätze und der Friedensförderung bewährt.

Wir befinden uns auf einer Gratwanderung. Diese geht noch lange weiter. Nicht nur für uns.

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Für alle anderen Staaten Europas auch. Auf dieser Gratwanderung ist die Routenwahl von höchster Bedeutung. Und es ist wichtig, dass Haken, Karabiner und Seil richtig verteilt sind. Vorschläge und Impulse erwarte ich nicht nur von der Kommission Brunner. Ich erwarte sie auch von Ihnen. Sie sind Mitglieder der „sicherheitspolitischen Gemeinde“ der Schweiz. Ihre Meinung ist uns wichtig. Wir brauchen Ihre Expertise. Wir wollen den Dialog. Ich will Ihre Meinung am Schluss der Tagung zur Kenntnis nehmen können.

Eine wertvolle Eigenschaft Karl Schmids kommt uns dabei sehr zustatten. Ich meine den Mut, frei zu denken. Ich meine die Fähigkeit, auf die Gedanken anderer einzugehen. Ich meine die Bereitschaft, zuzuhören. Wenn niemand für sich in Anspruch nimmt, zu wissen, wohin die Reise geht, wenn sich niemand als Alibi-vertreter eines anderen Standpunktes vorkommen muss, wenn niemand nur zuhört, um die Argumente des andern eilfertig zu entkräften, wenn sich alle Teilnehmer der Diskussion als Gesprächspartner wahrhaftig ernst nehmen, dann tref-fen wir auf dem Grat die richtige Routenwahl, dann kommen wir vorwärts.

Wenn sich die Tagung diesem Geist verpflichtet, dann trägt sie zurecht den Namen des gros-sen Schweizers, mit dem ich hier schliessen will, dann trägt sie zurecht den Namen Karl Schmids.

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A. DER BERICHT DER KOMMISSION SCHMID

Fred Luchsinger

Die sicherheitspolitische Lage 1969 und die Beurteilung durch Karl Schmid

Was hier zur Diskussion steht, ist ein schweizerisches Thema aus dem Kalten Krieg. Nichts ist jedoch seit dem Fall der Berliner Mauer dem öffentlichen Gedächtnis so rapid entfallen wie jene Ära, die Europa viereinhalb Jahrzehnte lang, 1945 bis 1990, unter politischem Druck und Spannung gehalten hat. Es müssen hier ein paar Stichworte genügen, um die damalige Wahrnehmung der Epoche notdürftig zu markieren:

• Die Szenerie des Eisernen Vorhangs zwischen Ost und West quer durch Deutschland und Europa, mit Stacheldraht und Schiessstellungen einer militärischen Frontlinie ähnlich, 360 Kilometer vor der schweizerischen Ostgrenze;

• zwei Welten, fast hermetisch voneinander getrennt, die eine im Zeichen eines rigiden tota-litären Herrschaftssystems, die andere politisch liberal verfasst, aber angesichts einer las-tenden militärischen Machtdrohung zu kollektiver Verteidigung und wirtschaftlichem Verbund gezwungen;

• ein ideologisch-psychologischer Krieg zwischen beiden, geführt mit allen Mitteln der Mas-senkommunikation und des Nervenkrieges mit periodischen Hochspannungen;

• der apokalyptische Aspekt der Nuklearwaffen schliesslich, der scheinbar unaufhaltsamen Hoch- und Höherrüstung im Zeichen mehrfacher „Overkill“-Kapazitäten und eines mögli-chen globalen Holocaust.

Das Jahrzehnt der sechziger Jahre innerhalb dieser Ära, mit der wir uns hier befassen, begann mit dem Bau der Berliner Mauer und seinen dramatischen Konfrontationen, kumulierte in der Pupillenprobe der beiden Weltmächte über der Stationierung von sowjetischen Nuklearwaffen auf Kuba, globalisierte sich in Schachzügen in Afrika, dem Nahen Osten und Vietnam, gipfel-te abermals in Europa 1968 in Prag mit dem Einmarsch der Warschau-Pakt-Armeen und mündete schliesslich in eine Art Entspannungsprozess, der in die zerbrechliche Formel von Helsinki für einen modus vivendi im gespaltenen Europa gefasst wurde. Es dauerte danach noch einmal 15 Jahre mit weiteren Höhepunkten von Spannungen und Hochrüstung, bis die ost-westliche Trennmauer in Berlin und Deutschland fiel, die Sowjetmacht sich kollabierend zurückzog, das Wettrüsten und mit ihm der Kalte Krieg sein Ende fand.

Die Schweiz hat diese Prüfung des Kalten Krieges abermals hinter den Fronten in relativem politischem Windschatten überstanden. Die Maxime der staatlichen Neutralität, mit der sie sich aus den europäischen Konflikten ihrer Nachbarn 1870, 1914-18 und 1939-45 hatte he-raushalten können, leitete ihre Politik auch in dieser neuen Konfrontation mit der Selbstver-ständlichkeit einer historisch bestätigten und sozusagen patentierten Tradition. Sie verbot einseitige staatliche Bindung an eine Allianz – auch wenn das schweizerische Interesse an der

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kollektiven Sicherheitspolitik der Nato-Partner zur Verteidigung – und möglichst „vorne“-Verteidigung – des Kontinents so wenig zu verleugnen war wie die Option der öffentlichen Meinung für demokratisch-freiheitliche Ordnung.

Was unter dieser aussenpolitischen Vorgabe der Neutralität nach 1945 in der Schweiz unter dem Therm Sicherheitspolitik zur Diskussion stand, war also Selbstverteidigung unter der Perspektive des totalen Krieges. Beides war nicht Neuland. Der Zweite Weltkrieg hatte mit seinen extensiven Zerstörungen von Bevölkerungszentren und Produktionsanlagen weit hinter den Fronten, mit Wirtschaftsblockaden, mit psychologischer Kriegführung und Subversions-operationen weitgehend totalen Charakter gehabt, und man hatte sich in der Schweiz bereits vor 1939 und in den ersten Kriegsmonaten darauf eingerichtet mit Luftschutz, Kriegswirt-schaft, Massnahmen gegen Subversion und zur geistigen Landesverteidigung, Sicherung der öffentlichen Information. Was nach 1945 dann wieder, unter dem Thema künftiger Kriegs-vorsorge, Gegenstand von Organisations- und Reorganisationskonzepten und koordinierten Verwaltungsmassnah-men war, stand durchwegs unter dem Titel von Gesamtverteidigung. Der Vielfalt möglicher Bedrohungen über die rein militärischen hinaus sollte Rechnung ge-tragen werden. Es dauerte nach Kriegsschluss ein Vierteljahrhundert, bis diese Strukturen unter Dach waren.

Die Atombombe, die am 6. August 1945 Hiroshima zerstörte, hat dem Bild des totalen Krie-ges und dem Konzept der Gesamtverteidigung jedoch abermals eine neue Dimension gege-ben. Sie hat die Drohung umfassender Zerstörung potenziert und die nichtnuklearen Staaten mit der Möglichkeit nuklearer Erpressung konfrontiert. Mit der Verbreitung dieser Waffe, die vorerst amerikanisches bzw. amerikanisch-britsiches Monopol war, dann der Sowjetunion, schliesslich Frankreich und China zugänglich wurde, entwickelte sich eine neue Art strategi-schen Denkens. Es stellte angesichts der Drohung prohibitiver wechselseitiger Zerstörung Konfliktverhinderung in den Mittelpunkt als eine gesamtpolitische und damit nicht mehr pri-mär militärische Aufgabe. Aber damit greifen wir in die sechziger Jahre vor.

1945 aber war Hiroshima in der Schweiz wie anderswo ein apokalyptisches Sig-nal, das so-fort Interpretationen einer nun alle Perspektiven von Krieg und Frieden radikal verändernden neuen Kondition der Menschheit hervorgerufen hat – von der Vision ihres Unterganges bis zu der des nun in Aussicht stehenden ewigen Friedens im Schatten der neuen Bombe. Es gibt im schriftlichen Nachlass von Karl Schmid, dem sich diese Ausführungen nun zuwenden sollen, ein vielsagendes Dokument dieser Epochenwende. Er gehörte zu einem intellektuellen Freun-deskreis, der sich aus der seinerzeitigen „Offiziersverschwörung“ von 1940 entwickelt hatte und sich „Eidgenössische Gemeinschaft“ nannte. Dort wurde über die Zukunft der Schweiz intensiv, kontrovers, aber mit konkreten Fragestellungen diskutiert. Walter Allgöwer, damals gegen das militärische Establishment eher kritisch gestimmter Berufsoffizier, hatte dort in einem Vortrag aus „Hiroshima“ den Schluss des nunmehr sozusagen garantierten ewigen Friedens und damit der Hinfälligkeit sowohl schweizerischer Neutralität wie militärischer Landesverteidigung gezogen, ähnlich wie das auch etwa der religiöse Sozialist Ragaz getan hatte.

Karl Schmid, durchaus beeindruckt von diesen Denkperspektiven, begann auf seine Weise das Problem nüchtern zu analysieren und trat Allgöwer in einer weiteren Diskussion im

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Herbst 1945 mit entgegengesetzter Argumentation gegenüber: Es werde nicht beim amerika-nischen Nuklearmonopol bleiben, der bereits sichtbare Grossmächtekonflikt lasse die Vision einer unabhängigen universalen Weltsicherheitsorganisation als Friedensgarant und Rechtsin-stitution nicht zu, Krieg bleibe eine Möglichkeit, damit aber für den Kleinstaat auch die Opti-on der Neutralität und die Pflicht zur eigenen Vorsorge und zu schweizerischer Selbstverteidigung.

Unmittelbar unter dem Eindruck von Hiroshima wird hier also die Vision eines durch die Atomwaffe gesicherten Weltfriedens skeptisch beurteilt und, auch unter der neuen Bedin-gung, ein Programm kleinstaatlicher „Selbstbehauptung“ vertreten, eine Bezeichnung, die Karl Schmid dem zu engen Begriff der Landesverteidigung vorzog. Er differenzierte ihn im Laufe der internationalen Entwicklung des nuklearstrategischen Denkens. Einmal, in einem Vortrag vor der Gesellschaft schweizerischer Sanitätsoffiziere, konfrontierte er sich 1966 sel-ber mit der „unvorstellbaren Vorstellung“ des ewigen Friedens bzw. eines Atomkrieges, in dem die Armee überhaupt nicht mehr zum Zuge käme, da ihr in der allgemeinen Vernichtung keine sinnvolle militärische Aufgabe herkömmlicher Art mehr gestellt werden könnte. Beide Szenarien, bewusst als Utopien diskutiert, münden in ein Plädoyer für die erzieherische Funk-tion der Armee als einen Selbstwert. Das ist jedoch nicht als Reduktion des Militärischen auf eine blosse „pädagogische Provinz“ zu lesen, sondern betont als Ausblick ins „Unvorstell-bare“ ausserhalb jener „richtigen Zone“, in der Vorsorge für das Reale und „Wahrscheinliche-re“ zu treffen ist.

Ein ceterum censeo seiner Vorträge und Publikationen zu militärischen Fragen galt vielmehr der gesamtheitlichen Denkweise in Verteidigungsfragen. Der Staat bzw. die Nation insge-samt, nicht nur die Armee, war hier gefordert, auch wenn sie, die „Spitze der Pyramide“ in der Selbstbehauptung in Krisenlagen blieb. Die „militärische Sache“ aber war res publica, öffentliche Angelegenheit, Bürgerverantwortung. Sie betraf das Ganze und involvierte das Ganze, und ohne Zusammenwirken aller Kräfte war eine Situation nach dem nun aktuellen Kriegsbild nicht mehr zu bestehen. Die gebotene strategische Denkweise musste von der In-terdependenz, der wechselseitigen Abhängigkeit aller Bereiche ausgehen. Sie entmythisierte damit weitgehend das spezifisch „Soldatische“, wenn auch die Armee ihre geistige Funktion als Stätte des selbstlosen Dienstes behalten sollte und behielt. Gegebenenfalls musste auch der Kleinstaat eine Option auf Nu-klearwaffen zur „Abhaltung“ von Angriffen bzw. Erpressun-gen beanspruchen. Eine „Atommacht“ aber sollte und konnte er damit nicht sein.

Soweit zusammengefasst, die grundsätzlichen Positionen, wie sie Karl Schmid in den Diskus-sionen der fünfziger und sechziger Jahre vertreten hat. Er hat sie meines Wissens nicht in ei-ner persönlichen Gesamtkonzeption zusammengefasst. Sie ging 1969 auf im kollektiven Entwurf der Studienkommission für strategische Fragen, die durchaus seine Hand erkennen lässt.

In der öffentlichen Kontroverse jener Jahre zwischen den Verfechtern einerseits einer hoch-mobilen Verteidigung mit starker Panzer- und Flugwaffe, andererseits einer eher statischen, tiefgegliederten und „eingegrabenen“ Abwehr ist Karl Schmid nicht als Wortführer in den Ring getreten. Seinen Standpunkt hat er aber doch deutlich markiert – z.B. in einem Vortrag vor Offizieren der Motorisierten Truppen, also sozusagen in der Höhle des Löwen, in dem er

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operative Beweglichkeit als ein „trügerisches Phantom“ apostrophierte, das mit seiner not-wendigen Riesenapparatur und Infrastruktur operative Führung „wie nie zuvor von Materie abhängig“ mache. Es fällt der Ausdruck „militärische Hochstapelei“. Hinter der Argumentati-on zur Sache ist aber spürbar, dass in Schmids Empfinden mit solcher Überproportionalität das schweizerische Mass verletzt würde.

In einem anderen Vortrag, diesmal vor der Konferenz der Kantonalen Militärdirektoren, hat er 1964 in der Frage einer schweizerischen Atomwaffe für eine Art „Kompromiss“ plädiert, d.h. entschieden gegen eine autonome nukleare „force de frappe“ nach französischem Vorbild Stellung genommen, aber eine „taktische“ schweizerische Atombewaffnung, sollte sie zur Normalrüstung in Europa werden, offen gelassen.

In beiden Äusserungen ist hinter der strategischen Argumentation eine Sorge zu spüren, dass die kleinstaatliche Dimension der Schweiz unter einem „militärischen Marxismus“ Schaden nehmen könnte. Die res militaria steht im Denken Karl Schmids in steter enger Beziehung zur res publica des Kleinstaates Schweiz als Hort einer überschaubaren, von den Bürgern getragenen menschlichen Ordnung. Diesem Kleinstaat, seinem Wesen, seinen Bedingungen, seinem Charakterbild hat ein Grossteil seines Denkens und Schreibens gegolten. Das Militäri-sche ist, als Bürgerpflicht, vom Bürgerlichen nicht zu trennen und viceversa.

Nicht von der Hand zu weisen ist wohl auch, dass die spezifische Art seines Militärdienstes mit besonderen schweizerischen Denkweisen wie Vorbehalten zu tun hat: Die weitaus meis-ten seiner 2300 registrierten Diensttage hat er, vom Artillerierekruten bis zum Regiments-kommandanten und vom Generalstabsoffizier der 9. Division bis zum Stabschef des 3. Korps „am Gotthard“, im Zentrum des Réduit und Symbol des eingegrabenen Widerstandes ver-bracht. Wiederholt hat er dann in Landesverteidigungsübungen der fünfziger und sechziger Jahre als Stabschef der Übungsleitung und als Leiter und Berater ziviler Expertengruppen an Stellen gewirkt, wo integrierendes Denken im Sinne von Gesamtverteidigung besonders ge-fragt war.

Während die Kontroversen um mobile oder stabile Konzepte militärischer Verteidigung über dem Finanzdebakel der Mirage-Vorlage mehr oder weniger gegenstandslos wurden bzw. in den Kompromiss der Landesverteidigungskon-zeption von 1966 mündeten, blieb die Frage eigener nuklearer Verteidigungs-mittel unentschieden. Das Volk verwarf 1962 und 1963 mit grossem Mehr zwei Initiativen, die auf ein Verbot bzw. auf eine verfassungsrechtliche Er-schwerung einer atomaren schweizerischen Rüstung angelegt waren, wollte also eine künftige Option in dieser Sache offenhalten. Andererseits verstärkte sich der internationale Druck in Richtung eines Atomsperrvertrages, der eine Weiterverbreitung von Nuklearwaffen unterbin-den sollte.

Nicht zuletzt diese politisch-strategische Problematik gab den Anstoss zur Bildung der Stu-dienkommission für strategische Fragen, die dem Generalstabschef einen Entwurf zu einer strategischen Gesamtkonzeption der Schweiz – und nebenbei zur Frage des Beitritts zum Atomsperrvertrag – ausarbeiten sollte. Sie umfasste 25 unabhängige Personen – im Zeichen der Zeit alles Männer – aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, Publizistik und einigen – weni-gen – Behördenvertretern aus den Kantonen. Dass das EMD Karl Schmid zum Präsidenten

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dieser Kommission berief, lag angesichts seiner umfassenden Kompetenz in militärischen wie politischen Grundfragen wie als wissenschaftlich denkender Intellektueller von Ruf und wei-ter Akzeptanz auf der Hand.

Über die Arbeit und Resultate dieser Kommission wird in den folgenden Referaten berichtet. Erlauben Sie mir als einstigem Mitglied hier nur eine subjektive Impression ihres Anfanges. Ihre erste Generaldebatte ist mir als ein Fall von kollektiver Orientierungslosigkeit in Erinne-rung geblieben. „Mit langen Stangen in dickem Nebel herumgestochert“ hatte ich mir danach notiert. Die Begriffe Landesverteidigung, Gesamtverteidigung, Strategie schienen auswech-selbar, die Vorstellungen von dem, was zu tun sei, unterschiedlich bis gegensätzlich. Karl Schmid stellte ein provisorisches Gerüst auf die ungeordnete Baustelle, ordnete versuchswei-se die Thematik und schlug eine vorläufige Arbeitsorganisation vor. In der zweiten Sitzung war Konsens über Thematik, Abgrenzungen, Arbeitsweise mühelos und fast mirakulös er-reicht. Die Hand eines meisterlichen Organisators war zu spüren, der in der Folge die Freiheit der Diskussion ebenso nachhaltig wahrte wie er als verantwortlicher Gestalter Resultate im Auge behielt und sie mit hohem Anspruch an differenzierende Formulierung eigenhändig mitprägte.

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Josef Feldmann

Die Folgerungen der Kommission Schmid aus der strategischen Lagebeur-teilung 1969

Die Studienkommission für strategische Fragen stand ganz am Anfang ihrer Tätigkeit, als sich unter ihren Mitgliedern eine animierte Diskussion um die Frage entfachte, wie der Terminus „Strategie“ zu definieren sei. Das war zu erwarten, und zu erwarten war auch, dass es nicht leichtfallen würde, einen Konsens zu finden. Nachdem der Disput geraume Zeit gedauert hat-te, brach ihn der Präsident ab mit der lapidaren Bemerkung: „Verschieben wir das auf später. Wir wissen ja alle, wovon wir reden.“

Es war nicht das einzige Mal, dass sich der subtile Denker Karl Schmid als gesunder Pragma-tiker erwies. Und er hatte recht. In der Fortsetzung ihrer Arbeit einigte sich die Kommission schliesslich auf die Definition: „Unter Strategie verstehen wir, von unserem Kleinstaat aus gesprochen, den umfassend konzipierten Einsatz aller Kräfte der Nation zur Verwirklichung der politischen Ziele des Staates gegenüber einer zum Machtgebrauch bereiten Umwelt.“1

Am Rande bleibt anzumerken, dass der Terminus „Strategie“ innerhalb der Stu-dienkommission nie auf Kritik oder Vorbehalte stiess. Erst später kam anscheinend die Mei-nung auf, er klinge zu martialisch und sei deshalb durch das sanftere Wort „Sicherheitspolitik“ zu ersetzen.

Mit der Formulierung „gegenüber einer zum Machtgebrauch bereiten Umwelt“ grenzte die Studienkommission das Feld ihrer Analyse und Reflexionen eindeutig von anderen politi-schen Handlungsbereichen ab. Dabei fiel besonders ins Gewicht, dass die „zum Macht-gebrauch bereite Umwelt“ von Mächten dominiert wurde, die über Waffen von praktisch unbegrenzter Zerstörungskraft und über ebenso starkes Erpressungspotential verfügten.

Die Einsicht, dass es deshalb gelte, vom traditionellen Landesverteidigungsdenken wegzu-kommen und als oberstes Ziel der Strategie die Kriegsverhinderung zu setzen, ist keine Erfin-dung der SSF (So wurde die Studienkommission für strategische Fragen geläufig genannt, weil unter dem Dach des EMD nichts unabgekürzt bleiben darf). Ihr wesentliches Verdienst liegt darin, dass sie es unternahm, die Mittel und Möglichkeiten einer schweizerischen Dissu-asions-Strategie systematisch zu erfassen und zu werten, und dass sie dabei an zahlreichen Stellen ihres Berichts nachdrücklich auf die Verflechtung und die Interdependenz aller Ele-mente hinwies, die zum Erfolg der Selbstbehauptung unserer Nation zusammenwirken müs-sen. „Totaler Krieg“ heisst es im Bericht, „macht umfassende Verteidigung notwendig. Äussere und innere Politik, moralisch-psycholo-gische Verfassung des Volkes, wirtschaftli-che und finanzielle Vorsorge und Bereitschaft für den Ernstfall, Verwaltungsorganisationen und Rechtsgrundlagen, Zivilschutz im weitesten Sinne können ebenso wichtig sein wie militä-

1 Studienkommission für strategische Fragen. Grundlagen einer strategischen Konzeption der Schweiz. Be-

richt der Studienkommission für strategische Fragen. Schriften des SAD Nr. 11. Stäfa 1971. S. 27 (Hervor-hebungen im Original).

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rische Operationen oder sogar ausschlaggebend.“2

Karl Schmid verschaffte diesem Gedanken besonderen Nachdruck mit der Strukturierung der SSF. Er gliederte sie für den ersten, analytischen Teil ihrer Arbeit in sechs sachbezogene Aus-schüsse, legte aber fest, dass jedes Mitglied in zwei Ausschüssen mitarbeiten musste. Die Voraussetzungen für dieses Vorgehen waren optimal, denn es darf füglich festgestellt werden, dass sämtliche Kommissionsmitglieder in wenigstens zwei strategisch relevanten Bereichen über profunde Sachkompetenz verfügten. In einem Zeitungskommentar war die Rede von einer „geballten Ladung von Professoren und Obersten.“

Die Kommission erkannte bei ihrer Beurteilung des aktuellen Zustandes rasch, dass im Appa-rat der Bundesverwaltung der Gedanke der strategischen Interdependenz noch wenig entwi-ckelt war. Folglich galt eine ihrer wichtigsten Forderungen der Überwindung des sektoriellen Denkens und Handelns aller beteiligten Verantwortungsträger. Ihr Befund lautete: „Das stra-tegische Denken verlangt sonst nicht übliche Formen der Kombination verschiedener Ge-sichtspunkte und die Bereitschaft, die Auswirkungen dessen, was auf den einzelnen Sektoren als wünschenswert erscheint, im Interesse der strategischen Gesamtaufgabe zu überlegen.“3

Von dieser Feststellung ausgehend gelangte die SSF folgerichtig zur Frage, ob unter den stra-tegischen Mitteln eine verbindliche Rangfolge zu bestimmen sei. In ihren Überlegungen do-minierte zwar der im Ingress zum Bericht formulierte Gedanke, dass „für die strategische Führung des Staates keiner [der wichtigen] Sektoren ungestraft zugunsten eines andern ver-nachlässigt werden“4 dürfe. Sie stellte aber gleichzeitig fest, dass unser strategisches Instru-mentarium Elemente enthalte, die mehr als nur eine Funktion erfüllten und deshalb geeignet wären, uns gegen verschiedene Risiken zu wappnen. Aus dieser Wertung zog sie den Schluss: „Unter den Mitteln, die zur Erörterung unserer Sicherheit beitragen, hat die Armee als einzi-ger Macht-Faktor das relativ grösste Gewicht, das sich zudem in verschiedenen Richtungen auswirken kann. [...] Hier lohnt sich eine grosse Investition und drängt sich eine Schwer-punktbildung auf.“5

Karl Schmid gebrauchte in dieser Diskussion mit Vorliebe das Bild von der Kette, die so stark ist wie ihr schwächstes Glied. Dabei dachte er aber weniger an die materielle oder organisato-rische Festigkeit der einzelnen Kettenglieder als an die politischen und psychologischen Kräf-te, welche sie zusammenhielten. Dem entspricht der folgende Satz im Bericht: „Wenn der Wille, sich zu behaupten, fehlt und die nationale Kohärenz brüchig ist, dann sind strategische Konzeptionen, besonders im Fall der akuten Krise, gegenstandslos.“6

Vor die Frage gestellt, ob eine solche Entwicklung zu befürchten sei, fand sich die Kommis-sion zu einer eher optimistischen Beurteilung. Sie äusserte zwar deutliche Skepsis gegenüber veralteten Vorstellungen einer „geistigen Landesverteidigung“, kam jedoch zum Schluss:

2 Ebd., S. 27 (Hervorhebungen im Original). 3 Ebd., S. 22. 4 Ebd., S. 21. 5 Ebd., S. 67 (Hervorhebungen im Original). 6 Ebd., S. 40.

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„Insgesamt sind die Voraussetzungen einer haltbaren Verteidigungsgesinnung günstig, nach wie vor günstiger als bei den meisten andern europäischen Nationen.“7 Bemerkenswert und aus aktueller Sicht bedenkenswert ist aber namentlich die folgende Sentenz: „Ein wichtiges Element des nationalen Zusammenhalts ist die Armee. [...] Die bindende Kraft der Armee liegt vor allem im Milizsystem, das auf der Wehrpflicht aller tauglichen männlichen Bürger beruht. Sollte aus ökonomischen oder militärischen Gründen eine Professionalisierung oder eine drastische Verkleinerung der Armee zur Diskussion gestellt werden, dann wird man die-sen geistig-psychologischen Faktor mit seinem ganzen grossen Gewicht in Rechnung stellen müssen.“8 Damit sprach die Kommission nicht einfach einem möglichst umfangreichen Mas-senheer das Wort. Aber sie betonte hier, in ihren Reflexionen über die militärische Verteidi-gung, genauso wie in den Ausführungen über den Zivilschutz oder über die Führungsprobleme auf Kantons- und Gemeindestufe immer wieder den Gedanken, dass es für das Durchhaltevermögen einer Nation entscheidend wichtig sei, einen möglichst grossen Teil der Bürgerschaft in die Mitverantwortung für die Krisenbewältigung und die Wahrung der staatlichen Unabhängigkeit einzubinden.

An den dominierenden Gedanken der Interdependenz aller strategisch relevanten Bereiche fügte sich folgerichtig die Feststellung: Strategie verlangt Voraussicht und Vorsorge in um-fassendem Sinne und in koordinierten Schritten. Dabei wies die Kommission aber auf ein Dilemma hin: Auf den Konflikt zwischen den Einschränkungen und Zwängen, die sich aus der Respektierung strategischer Anforderungen ergeben, und dem Anspruch der Bürger auf ein möglichst hohes Mass individueller Freiheit, wie es dem Wesen der Demokratie ent-spricht. Karl Schmid fokussierte dieses Problem auf die Frage: „Wie viele Freiheiten dürfen wir opfern, um die Freiheit zu wahren?“

In den Überlegungen der SSF dominierte ohne Vorbehalt der Gedanke, dass die konsequente Unterordnung des öffentlichen Lebens unter strategisch begründete Anforderungen zu den Merkmalen totalitärer Staaten gehöre, dass dagegen in einer Demokratie Regeln gelten, wie sie im folgenden Satz zum Ausruck kommen: „Politik [...] kann ihrem Wesen nach nicht ein-fach unter Strategie subsumiert oder ständig unter deren Diktat gesetzt, sie kann in ihren Op-tionen nicht ständig und zum vornherein gebunden werden. Ihre Entscheidungen sind grund-sätzlich frei, sie ist die Letztinstanz.“9

Die Kommission blieb indessen nicht bei der blossen Feststellung stehen, dass die Strategie in einem demokratischen Staatswesen keine Exklusivforderungen stellen dürfe. Sie befasste sich auch eingehend mit der Frage, wie der Handlungsspielraum der Strategie innerhalb politisch gesetzter Schranken optimal ausgenützt werden könne. Dabei trat sie sehr konkret auf den Stand und die Möglichkeiten zur Verbesserung der wirtschaftlichen Kriegsvorsorge ein und formulierte eine Vielzahl praktischer Empfehlungen. Analog gestaltete sie ihre Untersuchung und ihr Gutachten über den Zivilschutz. In beiden Fällen standen zwei Forderungen klar im Vordergrund: Die bestmögliche Ausnützung des menschlichen Potentials und die Optimie-

7 Ebd., S. 44 (Hervorhebungen im Original). 8 Ebd., S. 45 (Hervorhebungen im Original). 9 Ebd., S. 28.

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rung der Systeme im Verbund mit der Territorialorganisation der Armee.

Daraus ergeben sich wiederum zwei wichtige Postulate im strategischen Gesamt-rahmen. Sie betrafen die wissenschaftlichen Grundlagen und die strategische Schulung. „Ganz allgemein“, heisst es im Bericht, „ist die Studienkommission für strategische Fragen der Auffassung, dass die theoretische und wissenschaftliche Bearbeitung fast aller strategischen Belange noch nicht mit derjenigen Intensität geschieht, die man an die materielle Vorsorge und die Perfektionie-rung des Überlieferten wendet.“10 Die Kommission empfahl deshalb die Schaffung eines In-stituts für Sicherheitspolitik, das als primäre Aufgabe die strategischen Ent-scheidungsgrundlagen für die politische Führung zu erarbeiten hätte, zudem aber auch aus eigener Initiative strategische Studien durchführen könnte. Also eigentlich ein helvetisches Ebenhausen. Ein zweiter, etwas stärker zeit- und situationsgebundener Vorschlag betraf die Schaffung eines Instituts für Atomfragen.

Als weitere Konsequenz aus ihren Untersuchungen befand die Kommission sodann, „es müs-se [...] ein zusammenhängendes Konzept für die Ausbildung des interdisziplinären Denkens und Handelns im Sinne der umfassenden Landesverteidigung ausgearbeitet werden“11 und die Vorbereitung auf die höheren Führungsstufen in der Armee sei durch eine ergänzende strate-gische Schulung zu erweitern. Beide Postulate wurden seither erfüllt. Dabei gewann der 1974 geschaffene Posten des Stabschefs operative Schulung eine zentrale Bedeutung und entwi-ckelte sich – besonders unter dem Zepter von Gustav Däniker – zu einem strategischen Schu-lungszentrum, dessen didaktischen Zwängen sich unter dem Titel der Erwachsenenbildung zuweilen sogar Bundesräte unterzogen.

Die Kommission postulierte nicht nur ein gründlicheres Nachdenken über mögliche strategi-sche Szenarien; sie setzte sich damit selber intensiv auseinander. Es entsprach dem düsteren Bedrohungsbild jener Zeit, dass sie dabei zur Einsicht vordrang, der militärische Abwehr-kampf eines Kleinstaates könnte an Grenzen stossen und die Landesregierung könnte sich einmal vor die schwere Entscheidung gestellt sehen, „ob, in welchem Ausmass und unter welchen Umständen staatliche Selbständigkeit der Notwendigkeit des biologischen Überle-bens der Nation geopfert werden muss.“12

Während der Zeit des Zweiten Weltkrieges hatte der damalige Chef des Generalstabes, Jakob Huber, einmal erklärt: „Es kann für uns nur darum gehen, lange Widerstand zu leisten [...] in einer Art und Weise, die dem Angreifer derartige Opfer kostet, dass der Kriegsgewinn [...] nicht im Einklang mit den zu erwartenden Verlusten steht. Wir wollen ehrenvoll untergehen und dem Angreifer nur ein total verwüstetes Land ohne jegliche Ressourcen materieller oder personeller Art überlassen.“13

In der SSF sassen etliche Mitglieder, die unter Jakob Huber noch als junge Kommandanten

10 Ebd., S. 147 (Hervorhebungen im Original). 11 Ebd., S. 150 (Hervorhebungen im Original). 12 Ebd., S. 29 (Hervorhebungen im Original). 13 Ernst, Alfred. Die Konzeption der schweizerischen Landesverteidigung 1815-1966. Frauenfeld 1971. S.

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oder Stabsoffiziere gedient hatten. Ihnen konnte eine solche Denkart nicht fremd sein. Aber zwischen Hubers Wort und der Einsetzung der SSF stand das Phänomen der Kernwaffe, das ein strategisches Denken in anderen Dimensionen erforderte. Die Kernwaffenfrage nahm denn in den Überlegungen der Kommission auch einen beträchtlichen Raum ein. Wegleitend war dabei die folgende Aussage des Bundesrates im Bericht vom 6. 6. 1966 über die Konzep-tion der militärischen Landesverteidigung: „Solange die erwähnten Waffen vorhanden sind und auch gegen uns eingesetzt werden können, sind wir verpflichtet, die Vor- und Nachteile einer eigenen Nuklearbewaffnung mit allen ihren Auswirkungen zu prüfen. Dazu gehört [...] auch die Prüfung der Grundlagen, die eine Entschlussfassung über eine allfällige Ausrüstung mit Kernwaffen erst ermöglichen könn-ten.“14

In der SSF setzte sich rasch die Überzeugung durch, dass ein strategisches Kernwaffenpoten-tial nicht nur ausserhalb unserer wirtschaftlichen und technischen Möglichkeiten läge, son-dern dass auch seine abschreckende Wirkung gegenüber grösseren Nuklearmächten zweifelhaft wäre. Einer nuklearen Bewaff-nung zum operativ-taktischen Gebrauch sprach die Kommission zwar einen Gewinn an dissuasiver Wirkung und an Abwehrkraft zu. Sie bezog aber in ihre Betrachtungen auch Szenarien ein, in denen diese Waffen keine oder sogar ein kontraproduktive Wirkung erwarten liessen. Wichtigstes Ergebnis der gesamten Kernwaffen-debatte war die Feststellung, dass eine Ausstattung unserer Armee mit Kernwaffen keinesfalls mit einer Schwächung der konventionellen Abwehrkraft erkauft werden dürfe. Karl Schmid selber hätte sich – das geht aus einem persönlichen Schreiben hervor – konsequenter gegen schweizerische Kernwaffen ausgesprochen.

Erlauben Sie mir folgende Feststellungen zum Abschluss:

Nach dem Wortlaut ihres Auftrages war die Kommission „mit der Ausarbeitung eines für den Bundesrat bestimmten Entwurfs zu einer strategischen Konzeption“ betraut. Sie stellte das Visier etwas tiefer und legte lediglich Grundlagen für eine strategische Konzeption vor. Ihre Begründung lautete: „Der Entscheid über die strategische Konzeption der Schweiz kann nur die Sache der obersten Landesbehörde sein. Die SSF durfte ihrem Bericht nicht die Form von ‚Richtlinien‘ geben. Sie ist nicht kompetent, den politischen Willen von Parlament und Regie-rung zu formulieren, und sie darf ihm nicht vorgreifen.“15 Diesem Leitgedanken lebte die Kommission konsequent nach. Sie legte zwar eine Vielfalt von Emp-fehlungen zu organisato-rischen und materiellen Belangen vor. Aber in allen Fragen, welche die Verantwortung und die Führungskompetenz des Bundesrates berührten, übte sie strenge Zurückhaltung. Sie verstand sich als ein Kollegium von Beratern und Impulsgebern, und ihr Präsident verkörperte im besten Sinne die Rolle eines Stabschefs, der es verstand, das Wissen und Denken seiner Mitarbeiter zur Entfaltung zu bringen, der sich selber aber diszipliniert und bescheiden darauf beschränkte Entscheidungs-Grundlagen zu erarbeiten und Entscheide vorzubereiten.

14 Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Konzeption der militärischen Landesverteidi-

gung vom 6. Juni 1966. In: BBl 1966 I S. 853-877, hier S. 872. 15 Studienkommission, Grundlagen, S. 20 (Hervorhebungen im Original).

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Gustav Däniker

Der Einfluss der Kommission Schmid auf die Entwicklung der schweizeri-schen Sicherheitspolitik

Herr Stiftungspräsident, Herr Tagungsleiter, sehr geehrte Anwesende

Gestatten Sie mir zwei Vorbemerkungen. Die erste inhaltlicher, die zweite histographischer Natur.

Die erste Vorbemerkung betrifft unser Tagungsthema als Ganzes. Es steht für mich ausser jeder Frage, dass die Arbeiten der Kommission Schmid und vor allem die geistig-wissenschaftliche sowie die sozusagen soziologisch-psychologische Durchdringung des Stof-fes durch zahlreiche Kommissionsmitglieder das strategische Denken in der Schweiz zutiefst prägten und so den Grundstein für alle weiteren Bemühungen auf diesem Felde legten. Den grössten Beitrag zu diesem Ergebnis leistete einerseits das intellektuelle Format ihres Präsi-denten, andererseits aber auch seine Hingabe an das Werk, seine organisatorische Fähigkeit in der Orchestrierung der Arbeit und seine eigenhändige stilistisch perfekte Gesamtredaktion des Berichts.

Wohl gab es vor 1967 eine ganze Anzahl wichtiger nationaler und internationaler Einzelein-flüsse, Studien, Bücher und Schriften, sogar entsprechende Parteiprogramme, die sich mit Strategie im Atomzeitalter und sogar mit derjenigen eines Kleinstaats befassten, aber die Ver-tiefung der Lageanalyse, nicht zuletzt die Schilderung des Ineinandergreifens und der Ver-zahnung der inneren und äusseren Wirkkräfte mit Einfluss auf die Schweiz, schaffte erst die Kommission Schmid. Dieser hohen Wertschätzung tut auch kein Abbruch, dass weder die Zeit noch die strategische Diskussion stillstand, bis die Kommission ihre Arbeiten beendet hatte. Einzelne Zweige der damals sogenannten „Totalen Landesverteidigung“ wurden gleich-sam nebenher weiterentwickelt. Am 27. Juni 1969 wurde gar das Bundesgesetz über die Leis-tungsorganisation und den Rat für Gesamtverteidigung in Kraft gesetzt, ohne die Schmid’schen Empfehlungen betreffend Führung und Organisation abzuwarten.

Für die Wirkung der Kommission und für die nachfolgende Bearbeitung des ersten Regie-rungsberichts von 1973 über die Sicherheitspolitik der Schweiz war massgebend, dass im Bericht Schmid neben allen Vertiefungen in die praktische Problematik schweizerischer Selbstbehauptung ein neues weitgespanntes, übergeordnetes integratives Denken, eben ein strategischer Ansatz, sichtbar wurde, der die Notwendigkeit der Interdisziplinarität (später sprach man von Vernet-zung) erkannte und eine Gesamtschau von Zielen, von Planen und Handeln anstrebte. Dies alles nicht aus einer technokratischen Sicht der Dinge, nicht einmal im Streben nach maximaler physischer Sicherheit, sondern ganz klar zur Sicherstellung des-sen, was die Kommission als Hauptziel erachtete: Die Synthese zwischen „Erhaltung des Friedens“ und der „Erhaltung der Selbstbestimmung“, nämlich den „Frieden in Unabhängig-keit“. Die Koppelung an den Zweckartikel 2 der Bundesverfassung und die Differenzierung nach den weiteren Elementen: „Wahrung der Handlungsfreiheit, Schutz der Bevölkerung und Behauptung des Staatsgebietes“ wurde allerdings erst im Bericht 73 vorgenommen.

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Dieses umfassende und zugleich wertbestimmte Denken hat uns seither begleitet; es war für die Arbeit an den Berichten 73 und 90 ebenso bestimmend, wie für manche andere staatliche Tätigkeiten auch ausserhalb der sicherheitspolitischen Thematik.

Zweite Vorbemerkung: Dass mir aufgetragen wurde, den Einfluss der Kommis-sion Schmid auf die Entwicklung unserer Sicherheitspolitik darzustellen, birgt eine gewisse Gefahr. Der Sprechende war nicht nur Kommissionsmitglied, sondern auch an der Entstehung der beiden sicherheitspolitischen Berichte des Bundesrates von 1973 und 1990 (konzeptionell wie redak-tionell) beteiligt. Auch wenn es mir gelingen sollte, die Zusammenhänge kritisch-objektivierend darzustellen, wird die persönliche Optik nicht fehlen. Dies auch darum, weil es während der achtziger Jahre sozusagen meine Pflicht war, das Erbe der Kommission Schmid und dessen anschliessende Weiterentwicklung mit den höheren zivilen und militärischen Stä-ben der Gesamtverteidigung buchstäblich einzuexerzieren.

Glücklicherweise finden sich bereits eine ganze Anzahl von Autoren, die sich zum Teil sehr intensiv mit der Entwicklung unserer Sicherheitspolitik befasst haben. Ich nenne hier nur Thomas Köppel, Beat Näf und Hans Senn, welche die „Grundlagen einer strategischen Kon-zeption Schweiz“ (in der Folge Bericht Schmid genannt) mit dem „Bericht über die Sicher-heitspolitik der Schweiz“, der „Konzeption der Gesamtverteidigung“ von 1973 (in der Folge Bericht 73 genannt) zum Teil minutiös verglichen haben. Dazu kamen nicht nur kritische Ein-zelstimmen, sondern anlässlich von Seminaren der Forschungsstelle für Sicherheitspolitik und Konfliktanalyse in den Jahren 1987 und 1991 eine grosse Vielfalt kritischer Kommentare zum heutigen Thema. (Auch die Zentralstelle für Gesamtverteidigung (ZGV) hat die Entwick-lungsgeschichte, von der hier die Rede sein soll, mehrfach dargestellt.)

Mit der folgenden Diskussionen, an denen auch eine ganze Reihe kompetenter Zeitzeugen teilnehmen werden, ist sicher ebenfalls dafür gesorgt, dass die Gefahr einer Verklärung dama-liger Weisheiten gebannt bleibt.

Meine Damen und Herren

„Aus Absicht und Stoff entsteht die Form“, sagte Goethe. Lassen Sie mich dieses Wort als Ordnungsprinzip für meine Ausführungen benutzen. Schon eine Revue der verschiedenen Absichten kann zeigen, ob durchgehende Zielsetzungen zu verzeichnen sind; der Teil, der dem „Stoff“ gewidmet ist, wird schwergewichtig die unterschiedliche Beschäftigung mit Grundfragen der Selbstbehauptung, also mit den sicherheitspolitisch gleichsam „letzten Din-gen“ beleuchten. Die darauf gegebenen Antworten sind es schliesslich, die über unser Schick-sal entschieden hätten, wenn aus dem Kalten Krieg von damals ein Dritter Weltkrieg entstanden wäre. Ihre Beurteilung aus heutiger Sicht trägt ausserdem zur Klärung bei, wie wir auch im neuen strategischen Umfeld unsere Interessen wahren sollten. Schliesslich soll eini-ges zur Form und zur Semantik der sicherheitspolitischen Berichte gesagt werden. Nament-lich letztere stellte jedesmal eine Gratwanderung zwischen imperativ vorzutragenden Aussagen der Regierung und dem Streben nach politisch-psychologischer Akzeptanz dar.

Absichten

Die Absicht von Generalstabschef Paul Gygli war es, den strategischen Überbau zu schaffen, nachdem mit dem Bericht vom 6. 6. 1966 über die militärische Lan-desverteidigung und wei-

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teren Konzeptionen, z.B. des Zivilschutzes, der Unterbau bereits weitgehend definiert worden war. Der Anstoss kam vom damaligen Planungschef der Armee, dem späteren Korpskom-mandanten Hans Wildbolz. Seines Erachtens musste das EMD die aktuelle strategische Dis-kussion aufnehmen und die schweizerischen Selbstbehauptungsanstrengungen im Umfeld der verschiedenen gedanklichen Strömungen positionieren, womit er die Zeichen der Zeit zwei-fellos erkannt hatte.

Gygli sah die Sache pragmatischer, militärstrategischer, direkt auf die existentiellen Haupt-probleme der Eidgenossenschaft ausgerichtet. Die Grundsätze, die er anlässlich der ersten Plenarsitzung der Kommission Schmid vortrug, zeugen davon: Die Schweiz solle möglichst spät in einen Krieg eintreten und deshalb durch Massnahmen der „Totalen Landesverteidi-gung“ den „Eintrittspreis“ möglichst erhöhen. Sie dürfe sich nicht auf die „falsche“ Seite drängen lassen. Während des Krieges solle ein möglichst grosser Teil der Nation intakt blei-ben und bei seiner Beendigung müsse unsere Verhandlungsposition möglichst stark sein. Hierzu solle nun die Kommission Schmid eine Konzeption abliefern.

Die Absicht von Kommissionspräsident Karl Schmid war zugleich umfassender und detail-lierter. Einerseits ging es ihm darum, der strategischen Denkweise zum Durchbruch zu verhel-fen, andererseits sah er die Problematik einer autonomen kleinstaatlichen Verteidigung im Atomzeitalter, und schliesslich kannte er von seiner militärischen Tätigkeit her die Heteroge-nität der schweizerischen Selbstbehauptungsanstrengungen gut genug, um die Aufgabenstel-lung nicht auch organisatorisch-konstruktiv zu verstehen. Hier sah er gar den grössten Handlungsbedarf. Jemand müsse in die bisher eher zufällige „Überbauung der Region totale Landesverteidigung, wo Eigentümer und Architekten auf eigene Faust vorgingen“, einige Ordnung bringen. (Protokoll der ersten Plenarsitzung).

Entsprechend entstand der von Vielen als grosse „Auslegeordnung“ kritisierte und zum Teil sogar als Enttäuschung empfundene breitgefächerte Bericht. Er enthielt zwar eine Anleitung zum strategischen Denken, eine Klärung von Wesen und Zielen der schweizerischen Politik im strategischen Bereich, vertiefte Analysen des hierzu verfügbaren Instrumentariums sowie einer Methodologie zur wissenschaftlichen Abklärung wichtiger Einzelfragen; er enthielt aber lediglich Empfehlungen und nicht die geforderte Gesamtkonzeption.

Diese „Verweigerung des Auftrages“, einen eigentlichen Konzeptionsentwurf für den Bun-desrat zu verfassen, die vom Mitglied Fred Luchsinger und von Karl Schmid selbst ausging, muss im Nachhinein als richtig bezeichnet werden. Weniger aus Gründen politischer Inkom-petenz, die man damals vorbrachte (der Bundesrat redigiert ja kaum selbst), sondern weil sonst die zahlreichen wertvollen und akribischen Untersuchungen, auch zu wichtigen Sach-fragen, wie beispielsweise zum Verhältnis zwischen Regierung und Oberbefehlshaber, um nur einen Themenkreis zu nennen, zwangsläufig ausgeblieben wären.

So wurde denn die Zentralstelle für Gesamtverteidigung (ZGV) unter Direktor Hermann Wanner mit der Ausarbeitung des eigentlichen Regierungspapiers beauftragt, wodurch die Absicht ihres Redaktionsteams des Berichts 73, bestehend aus Dr. Hermann Stocker und dem Sprechenden, als Ghostwriters des Bundes- rates zum vornherein gegeben war: Es strebte nach einer Gesamtkonzeption, oder militärisch ausgedrückt, nach einer allgemein gültigen Führungsvorschrift für den gesamten schweizeri-

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schen Selbstbehauptungsapparat. Es ging um eine möglichst knappe und prägnante Anleitung für einheitliches strategisches Denken und Handeln, die ohne ein „Rezeptbuch“ zu sein, er-lauben würde, mit den ausgemachten Bedrohungen und Problemen fertig zu werden. Oder um es quantitativ auszudrücken: Die 150 eng beschriebenen Seiten Analysen und Empfehlungen des Berichts Schmid waren auf eine allgemein verbindliche staatliche Willensäusserung von 40 Seiten zurückzustutzen. Dass dies nicht möglich gewesen wäre, ohne sich auf die Gedan-kenarbeit und die prägnante Diktion der Grundlagen stützen zu können, ist auch im verglei-chenden Rückblick offensichtlich.

Dem Bericht 90 lag eine ähnliche Absicht zugrunde: Unter dem Eindruck der strategischen Wende von 1989/90 war es vordringlich, der schweizerischen Sicherheitspolitik eine neue Ausrichtung zu geben, um der um sich greifenden Unsicherheit möglichst klar und überzeu-gend zu steuern. Der interessante Unterschied bestand darin, dass sich der Bericht 73 weitge-hend auf die Arbeit der Kommission Schmid und damit auf die Gedankenwelt der Weltkriegsgeneration abstützte, obwohl er einige durchaus neue Akzente setzte, während der Bericht 90 bewusst von der „Befindlichkeit“, der Sorgen und Befürchtungen jener Generation ausging, für die der Kalte Krieg, aber auch neue gesellschaftliche und ökologische Konsense Erfahrungen und Massstäbe lieferte. Erst dieser Bericht hat die bei Schmid noch zaghaft an-gesprochene, im Bericht 73 erstmals verankerte „ausgreifende Komponente der Sicherheits-politik“ gleichgewichtig neben die traditionelle „bewahrende Komponente“ gestellt.

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Stoffe / Inhalte

Vom „Durchbruch zum strategischen Denken“ war eingangs bereits die Rede. Daraus leitete sich das Verdienst der Kommission Schmid ab, die seit dem Zweiten Weltkrieg im allgemei-nen Bewusstsein völlig dominierenden Streitkräfte in die Reihe der anderen Mittel der Selbst-behauptung gestellt zu haben. Wie er an anderer Stelle (im Vortrag vor Sanitätsoffizieren vom 4. 12. 1966) betonte, lag Karl Schmid eine Entmythologisierung der Armee, die damals noch weitgehend mit Landesverteidigung schlechthin gleichgesetzt wurde, am Herzen. Das sei, so Schmid, unter anderem eine Voraussetzung dafür, „dass von der Dienstleistung im Zivil-schutz, der Kriegswirtschaft, im Transportwesen, im ärztlichen Dienst, in der Presse, in der öffentlichen Verwaltung auf allen Stufen endlich der Schatten des Subsidiären und Zweitklas-sigen genommen“ werde. Er zeichnete ferner extreme, aber denkbare Bilder einer „Armee ohne Feindberührung“, während gleichzeitig die Nation unter Vernichtungsdrohung stünde. Eine beängstigende Grenzsituation, die bereites in der öffentlichen Diskussion über die Stra-tegie des Kleinstaates angeklungen war, und die im Bericht 73 unter der Bezeichnung „Scha-denminderung und Sicherstellung des Überlebens“ als einer strategischen Hauptaufgabe ihre Konsequenz fand; sie wurde ihrer existentiellen Bedeutung wegen in der strategischen Schu-lung auch später immer wieder zum Übungsgegenstand.

Damit tritt das zweite grosse Thema der Kommission Schmid, die Atomwaffe, in Erscheinung. Die Generation, die durch Hiroshima und Nagasaki unmittelbar erschüttert wurde, und die als Offiziere und Experten zur Kenntnis nehmen musste, dass Massenvernichtung in nie gekann-tem Ausmass nicht nur als Abschreckungsmittel politisch-psychologisch wirksam war oder gar (wie viele glaubten) zum ewigen Frieden führen würde, sondern bald als rationales In-strument der Kriegsführung militärische Bedeutung erlangte, kam nicht darum herum, sich mit den Auswirkungen atomarer Zerstörungskraft auf die Verteidigung des Kleinstaats ab-zugeben. Die Kommission behandelte den Gegenstand nicht nur in einem speziellen Unter-ausschuss vertieft, sondern schlug sogar ein wissenschaftliches Institut für Atomfragen vor; sie hatte zudem auf Wunsch des Generalstabschefs bereits zu Beginn ihrer Tätigkeit und zwar positiv zum Beitritt der Schweiz zum Atomsperrvertrag Stellung bezogen.

Es war diese richtige Einschätzung der Atomgefahr, welche die Kommission zu ihrer Fokus-sierung auf die „Kriegsverhinderung“, somit auf eine möglichst starke „Abhaltewirkung“ samt Übernahme des Begriffs „Dissuasion“, aber auch zur Aufwertung des Zivilschutzes führte.

Ihre nüchterne Einschätzung der geringen Chancen einer bloss konventionellen Armee ge-genüber einem zum Atomwaffengebrauch fähigen Angreifer rückte im weiteren den soge-nannten „Widerstand“ in den Vordergrund des Interesses der Kommission. Gegenüber dem Zweiten Weltkrieg habe dieser zusätzliche Bedeutung gewonnen. Würde nämlich die Schweiz mit Nuklearschlägen eingedeckt und eine zusammenhängende operative Verteidigung unmög-lich, müsse mit einem unbeugsamen zivilen und militärischen Widerstand signalisiert werden, dass sich die Nation auch jetzt nicht aufgegeben habe. Der Bericht 73 entwickelte dieses da-mals leider nicht unwahrscheinliche Szenario weiter; zu Recht wie der Inhalt seit 1989 geöff-neter östlicher Archive beweist! Der Bundesrat werde selbst unter einer Vernichtungsdrohung nicht kapitulieren; er werde aber, um eine Massenvernichtung der Bevölkerung zu vermeiden

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im Extremfall den operativen Kampf der Armee abbrechen und bei Einrücken des Gegners den „Besetzungsfall“ deklarieren, der unlösbar mit der Idee eines unbefristeten Wider-standes gekoppelt sei.

Während aber der Bericht Schmid bei einer eingehenden Beschreibung des „Widerstandes“ stehenblieb, waren die Redaktoren des Berichts 73 verpflichtet, eine strategische Lösung des damaligen Hauptproblems, nämlich der Konfrontation unserer sicherheitspolitischen Ziele mit den überwältigenden Machtmitteln, die mindestens theoretisch gegen die Schweiz eingesetzt werden konnten, zu präsentieren. Ihre Ansicht wurde der Regierung im Aussprachepapier zum Berichtsentwurf folgendermassen erläutert: Der blosse Hinweis auf die Unwahr-scheinlichkeit atomarer Angriffe könne nicht genügen, nachdem ein wachsender Teil der Be-völkerung zu Defaitismus und Apathie, aber auch zur Überschätzung sogenannt „absoluter Gegenmittel“ (Friedensforschung auf der einen, eigenständige nukleare Abschreckung auf der anderen Seite) neige.

„Wir glauben die Lösung in der Entwicklung eines umfassenden sicherheitspolitischen Sys-tems gefunden zu haben, das einen ernstzunehmenden Beitrag an die internationale Friedens-sicherung beinhaltet, die Kriegsverhinderung durch Verteidigungsbereitschaft (Dissuasion) als Kernstück enthält und die Zuflucht zum ‚Widerstand im besetzten Gebiet‘ der zeitlich unbefristet weitergehen kann, gleichsam als ‚ultima ratio‘ offenlässt. Das in der Konzeption 73 mit der Definition von Strategischen Fällen, also Bedrohungszuständen und Strategischen Hauptaufgaben als entsprechende Reaktionen ausführlich dargelegte System scheint uns für einen bündnisfreien, demokratischen Staat die einzige Lösung darzustellen, um auch in Zu-kunft den Selbstbehauptungswillen zu stärken und das Durchhaltevermögen in Krisen- und Kriegslagen zu gewährleisten. Demgegenüber würde eine Deklaration etwa im Sinne des ju-goslawischen Verbots jeglicher Kapitulation im heutigen Klima und angesichts der Kernwaf-fenbedrohung zweifellos heftig umstritten und zu einer eigentlichen Glaubensfrage, was schon darum vermieden werden sollte, um die Konzeption als Ganzes nicht zu beeinträchti-gen.“

Entsprechend stimmten Bundesrat und Parlament von 1973 der Idee des Widerstandes zu. Dass spätere Politiker der bizarren und unverhältnismässigen Kampagne gegen die General-stabschefs Senn und Zumstein und ihre Helfer, welche diesen Auftrag (als strategische Hauptaufgabe) tatkräftig umgesetzt hatten, nicht energischer entgegentraten, erscheint in die-sem Lichte noch unverständlicher und beschämender.

Das Thema zeigt aber auch den Unterschied zwischen dem Bericht Schmid und den beiden sicherheitspolitischen Berichten grundsätzlich auf: Während der erstere Grundfragen theore-tisch und empirisch vertieft analysierte und die strategischen Entschlüsse vorbereitete, waren die Berichte des Bundesrates auf konkretes Handeln ausgerichtet und gezwungen, nicht nur der aktuellen Bedrohungslage, sondern gleichzeitig ihrer Wahrnehmung seitens des Volkes sowie namentlich des Parlaments Rechnung zu tragen.

Weitere Impulse gab der Bericht Schmid mit der Aufwertung der bereits genannten übrigen Instrumente der Selbstbehauptung; sie führten zu deren Einbezug in das strategische System; so im engeren zivilen Bereich der Gesamtverteidigung auch zu den sogenannt „koordinierten Diensten“, die erst seit 1989 wieder an Gewicht verlieren, nachdem der sich selbst genügende

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„autarke Igel“ angesichts der veränderten strategischen Umwelt nicht mehr das Leitbild unse-res Sicherheitsdenkens bildet.

Für die Kommission Schmid stand jenes Bild allerdings noch im Vordergrund. Die Aussenpo-litik wurde zwar einbezogen, auch sie aber vorwiegend im defensiven Sinn. Selbst der ein-drückliche Abschnitt im Bericht über „Möglichkeiten der internationalen Präsenz“, der sich unter anderem mit dem moralischen Vorwurf befasste, „der auf den Neutralen lasten kann – und dessen Schwere wir in bestimmten Phasen unserer Geschichte deutlich genug gespürt haben [...] “sowie der Passus „Im Rahmen der umfassenden Strategie, die wir anstreben, darf ihr [der guten Dienste] sachlicher Wert so wenig unterschätzt werden, wie ihre symbolische Bedeutung“1, zeigen ihr Unvermögen, gänzlich aus dieser Optik auszubrechen.

Auch die wirtschaftliche Komponente blieb im Bericht Schmid im wesentlichen auf die Kriegswirtschaft reduziert, was den für uns heute interessanten Schluss zulässt, dass selbst dieses Gremium mehrheitlicher Zeitzeugen des Zweiten Weltkrieges keine genügende Vor-stellung vom strategischen Gewicht gerade jenes Faktors zu haben schien, der ihm zur Zeit im Rückblick auf den Zweiten Weltkrieg zugemessen werden muss.

Diese Fixierung auf praktisch reine Verteidigung im Bericht Schmid wurde nicht nur von seinen Kritikern, sondern auch den Redaktoren des Berichts 73 als Mangel empfunden. Be-reits in der Studie „Strategie des Kleinstaats“ von 1966 gab es ja Anfänge einer Doppelstrate-gie mit Hinweisen auf eine wünschbare Öffnung Richtung Uno und allenfalls Blauhelme sowie Mitwirkung bei der Rüstungskontrolle als zweitem Bein staatlicher Selbstbehauptung. Schon 1970 hatte Alois Riklin verschiedene Varianten einer Schweizer Beteiligung an internationalen Sicherheitsbe-mühungen zur Diskussion gestellt. So lag es gleichsam in der Luft, im Bericht 73 ausdrück-lich von zwei Komponenten der Sicherheitspolitik, einer bewahrenden und einer ausgreifenden zu sprechen. Letztere erhielt den Rang einer von sechs „Strategischen Haupt-aufgaben“ und die Bezeichnung „Beitrag zur Friedenssicherung und Krisenbewältigung“, dessen spätere Umsetzung allerdings unter den Erwartungen blieb. Im Bericht 90 wurde diese Komponente unter der Bezeichnung „Beitrag zur internationalen Stabilisierung, vornehmlich in Europa“ dennoch lagegerecht wieder aufgenommen, noch stärker betont und präzisiert.

Interessant an der Entwicklung dieses Denkens, das im Bericht Schmid erst zaghaft anklang, ist ferner die Tatsache, dass es nicht auf den Kreis der Kommissionsmitglieder und Redakto-ren und auch nicht auf das EMD beschränkt blieb. Es waren abgesehen von den erwähnten Anregungen unter anderem Kontakte von Hermann Stocker mit Bekannten, insbesondere mit Professor Franz Furger, ferner Hinweise von Kritikern, denen die ZGV einige Entwürfe vor-legte, sowie angeregte Diskussionen des Sprechenden mit Heinrich Buchbinder, der gleichzei-tig am sicherheitspolitischen Leitbild der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz von 1972 arbeitete. All das machte die Notwendigkeit deutlich, eine aktivere, ja offensivere Rolle der Schweiz in der Friedensförderung sichtbar werden zu lassen. Zwar wurden die Warnungen vor Überschätzung des Einflusses eines neutralen Kleinstaats auf diesem Gebiet im Bericht 73

1 Studienkommission für strategische Fragen. Grundlagen einer strategischen Konzeption der Schweiz. Be-

richt der Studienkommission für strategische Fragen. Schriften des SAD Nr. 11. Stäfa 1971. S. 47 und 48.

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ausdrücklich wiederholt, aber das Bekenntnis zu einer stärkeren Gewichtung wurde ebenfalls deutlich ausgesprochen.

Schon im vierten Entwurf (vom 30. 7. 1971), der insgesamt sieben Entwürfe wurde ausge-führt: Sicherheitspolitik auch der Kleinsten kann im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert nicht mehr in autonomer Abkapselung bestehen; sie muss – den wachsenden grenzüberschrei-tenden Gefahren und Risiken entsprechend – zumindest präventiv und kooperativ sein. Na-mentlich nach der Wende von 1989 wurde es möglich und im Bericht 90 entsprechend verankert, nicht mehr bloss einen fiktiven „worst case“ vorzubereiten, sondern dem „best ca-se“, wo immer es den Kleinstaat möglich sei, ebenfalls vorwärtszuhelfen.

Form / Semantik

Meine Damen und Herren, die Zeit erlaubt es nicht, auf weitere Inhaltsübereinstimmungen beziehungsweise Differenzen einzugehen. Die Unterschiede in Form und Semantik scheinen mir aber ebenfalls wesentlich; sie seien noch kurz angesprochen.

Der Bericht Schmid wurde als zu ausführlich, der Bericht 73 als zu kompliziert und der Be-richt 90 als zu weitschweifig kritisiert. Dabei ging der erstere absichtlich in die Breite und Tiefe, und folgten die beiden letzteren ebenso absichtlich demselben rigiden Ordnungsprin-zip: Im Bestreben, Klarheit im strategischen Denken und Sicherheit im strategischen Handeln zu schaffen, entstand bereits 1973 das von Beat Näf so genannte, von den einen gepriesene, von anderen geschmähte „geschlossene logische System maximaler Rationalität“, mit anderen Worten erstmals eine strategische Gesamtkonzeption. Und was dort als Möglichkeit dynami-scher Veränderung durch Verlagerung der Schwergewichte zwischen den beiden Komponen-ten und den verschiedenen Mitteln ebenfalls vorgesehen war, erhielt im Bericht 90 trotz eindeutiger Fixierung der geltenden Parameter mit der ausdrücklichen Diskussion noch offe-ner Fragen und dem Aufruf zur Mitwirkung aller Bürgerinnen und Bürger an der Weiterent-wicklung der Sicherheitspolitik einen weiteren Akzent. Er unterstrich die Tatsache, das zum Wesen strategischen Denkens nicht zuletzt auch die Offenheit für Neues, also Flexibilität ge-hört.

Immerhin stand der Bericht Schmid auch bei der straffen Gliederung des Berichts 73 indirekt Pate. Die sechs „Strategischen Fälle“, das wohl meist kritisierte Element im Bericht 73, wa-ren durchaus nicht allein von Hermann Kahn und General Beaufre übernommene Konstrukti-onen, wie behauptet wurde. Sie waren vielmehr die direkte Folge der Schwierigkeit der Kommission Schmid, mit den unterschiedlichen Bedrohungszuständen begrifflich fertig zu werden. Sie waren ferner Ausfluss des Willens zur Klarheit und zur Führbarkeit des strategi-schen Apparates. Auch die Bezeichnung von sechs „Strategischen Hauptaufgaben“, wi-derspiegeln, abgesehen von der erwähnten Ausnahme der „Friedenssicherung und Krisenbewältigung“, nur die im Bericht Schmid aufgeworfenen Grundsatzprobleme.

Sogar die bei Schmid noch nicht ausformulierten „Strategischen Aufträge“ an die einzelnen strategischen Mittel (Bereiche) übernehmen zu einem guten Teil Elemente, die in der Schmid‘schen Analyse angesprochen worden waren. Vollends der Teil „Führung im Rahmen der Gesamtverteidigung“ basiert fast vollständig auf den Erkenntnissen und Aussagen im Bericht Schmid. Grundsätzlich neu sind im Bericht 73 andererseits die einheitliche Darstel-

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lung der „Infrastruktur für Kampf und Überleben“; zum Teil auch inhaltlich neu sind schliess-lich die „Sicherheitspolitischen Leitsätze“, welche die Quintessenz der neuen Strategie zu-sammenfassten.

Als gleichsam semantischen Hauptunterschied muss nun aber auch der Ersatz des Begriffs „Strategie“ durch den Begriff „Sicherheitspolitik“ erwähnt werden. Er geht auf einem seither veröffentlichten Antrag des Sprechenden an den Direktor der ZGV zurück. Nicht „billiger Import“ war dafür die Ursache, nicht einmal der international zunehmend breitere Gebrauch des Begriffs, sondern die Erkenntnis, dass es sich bei der Strategie, wie ihn die Kommission Schmid verstand, um eine eigentliche Teilpolitik handelte, die gerade in einer direkten De-mokratie mit ihrem Primat der Politik eindeutig situiert gehört. Warum sie also nicht gleich so benennen? Darüber hinaus sprach für die neue Bezeichnung auch der Verzicht auf einen für die meisten Leser fremden und abstrakten Terminus zugunsten eines gegenständlicheren Ti-tels. Er würde die positive Aufnahme des Berichts bei der Öffentlichkeit erleichtern. Das Leitbild der Sozialdemokraten hatte in dieser Hinsicht bereits gepunktet. Dem Bericht 73 ge-lang es auf diese Weise, vom Verdacht einer blossen „Militärpolitik“ wegzukommen. (So sehr übrigens, dass sogar der Begriff „Militärstrategie“ unterging, die im Bericht 73 zwar implizit durchaus angesprochen war, aber noch vor kurzer Zeit ausgerechnet von sozialdemokratischer Seite als „Verlustsache“ moniert wurde.)

Ganz allgemein versuchte man in den Berichten 73 und 90 die schwierige Materie in konziser Form und in einer autoritativen Sprache zu präsentieren, die möglichst überzeugend und den-noch „politisch korrekt“ im besten Sinne des Wortes war. Die Wichtigkeit ihrer möglichst breiten Akzeptanz beim Bundesrat und in den eidgenössischen Räten war nicht nur den Re-daktoren, sondern insbesondere auch den Direktoren der ZGV stets gegenwärtig. Die Herren H. Wanner und H. Dahinden, beides ehemalige Regierungsräte, bemühten sich eingehend darum; beim Bericht 1990 nicht zuletzt aber auch der damalige Chef des federführenden EMD, Bundesrat Kaspar Villiger persönlich.

Das dies zumindest 1973 gelang, bewies die Zustimmung der eidgenössischen Räte von links bis rechts. Sogar der besonders kritische Publizist Oskar Reck verstieg sich zum folgenden Kommentar: „Sind wir ein einzig Volk von Sicherheitspolitikern? Wer die ausgedehnte Nati-onalratsdebatte verfolgt, könnte geneigt sein, diese Frage zu bejahen. Das Sicherheitskonzept als solches bewirkte einen rhetorischen Schulterschluss, wie man ihn auf diesem Gebiet sonst nur im Zustand nationaler Bedrohung erlebt.“2 Mehr Dissens erzeugte der Bericht 90. Die infolge der strategischen Wende vorgenommene Kurskorrektur war für Vorsichtige zu abrupt, für Euphorische zu zaghaft. Das ihm Experten aus dem Ausland neben kritischen Bemerkun-gen attestierten, er spiegle einen neuen Geist wider, er signalisiere Öffnung, ein weites Blick-feld und Initiative war aber wohl nicht falsch. Er ist noch immer eine taugliche Grundlage.

Schlussbemerkung

Den schweizerischen Durchbruch zur Strategie, darüber kann kein Zweifel bestehen, ist der Kommission Schmid, nicht zuletzt dank ihrem Präsidenten, gelungen. Strategisches Denken

2 Basler Nachrichten, 15. 6. 1974.

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blieb seither für unsere Sicherheitspolitik massge-bend. Dass viele ihrer wichtigen Erkennt-nisse nie oder nur zögernd umgesetzt wurden, weil noch so bedrohungsgerechte Sicherheits-bemühungen einen Volkscharakter nicht verändern, sondern höchstens allmählich beeinflussen, ist nicht ihr anzulasten. Strategieschöpfung ist ein Prozess, in dem sich Ziele, Bedrohungswahrnehmungen und eigene Gegenmassnahmen laufend neuen Beurteilungen anzupassen haben. Wir sollten ihn so leidenschaftlich und so klug, zugleich so rational und zweckorientiert wie damals die Kommission Schmid weiterführen.

Vielen Dank für Ihr Interesse.

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Diskussion (1)

Gasteyger weist auf die Wichtigkeit der Diskussion über die Sicherheitspolitik der Schweiz und ihrer Optionen für die Zukunft hin. Er bemerkt, dass es in der Kommission Schmid auch Westschweizer und Tessiner gehabt habe, deren Vorschläge es damals zu integrieren galt. Er bemängelt, dass die heutige Diskussion praktisch eine unter Deutschschweizern sei. Er zeigt sich denn auch bestürzt über den mangelnden Input aus der französischen und italienischen Schweiz.

Künzi bemerkt, dass viele Einladungen in die Westschweiz und in das Tessin gesandt worden seien und bedauert, dass nur wenige diesen Folge geleistet hätten.

Bauer demande comment la crise du pétrole de 1973 a été prévenue et préssentie au sein de la commission Schmid.

Feldmann déclare que la commission est arrivée trop tard pour s’occuper de la crise du pé-trole, puisqu’elle a terminé son rapport en novembre 1969. Il ajoute qu’on pourrait sans doute chercher dans le chapitre sur la préparation économique quelques commentaires concernant le risque qu’on présentait déjà à ce moment-là, mais que cela n’irait pas beaucoup plus loin.

Däniker erklärt, dass die Vorsorge, auch auf wirtschaftlichem Gebiet, eine Hauptsorge der Kommission Schmid gewesen sei. Die Pflichtlager seien auch bezüglich Erdöl sicherlich ge-füllt gewesen. Interessanterweise habe die SSF hier aber eine gewisse Lücke offen gelassen. Was die Debatte über die Bedeutung der Kollaboration während des Zweiten Weltkrieges angehe, müsse man sagen, dass davon ausser einem Hinweis auf die Neutralität nichts zu spü-ren gewesen sei. Die Kommission habe damals keinen Handlungsbedarf festgestellt.

Thalmann fragt Däniker, wieso der Bericht 90 eigentlich immer noch relativ frisch und vieles Taugliche dort noch vorhanden sei, obwohl die Vorbereitung dieses Berichts noch in der Zeit des Kalten Krieges stattgefunden habe.

Däniker glaubt, dass vieles vorgezeichnet gewesen sei, in dem Sinne, dass schon 1973 eine gewisse Öffnung, eine offensive Komponente impliziert gewesen sei, die man gerne weiter-verfolgt hätte. In der Folge sei man aber immer wieder von der Politik zurückgehalten wor-den. Mit dem Bericht 90 sei dann eine gewisse Gelegenheit da gewesen, diese Dinge stärker in den Vordergrund zu stellen, weil das Umfeld dazu eingeladen, es gar verlangt habe.

Auf der anderen Seite habe aber eben diese Druckstelle zu Diskussionen und zu Konflikten Anlass gegeben, denn es habe viele Leute gegeben, und es gebe sie nach wie vor, die diese Öffnung mit grosser Skepsis verfolgten, ablehnten und sich am liebsten – schematisiert for-muliert – auf den „Igel“ beschränken möchten. Da noch immer der Gedanke „des sich nicht in fremde Händel Einmischens“ im Raume stehe, scheue man sich nach wie vor, am strategi-schen Brennpunkt in Erscheinung zu treten. Er halte demgegenüber die ausgreifende Kompo-nente des Berichts 90 nach wie vor für richtig und verpflichtend.

Von Orelli weist darauf hin, dass die Kommission Schmid dem Generalstabschef direkt un-terstellt gewesen sei, die Kommission Brunner aber dem Chef des Departements unterstellt sei. Er fragt nach den Überlegungen, die diese unterschiedliche Zuweisung erklären könnten.

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Feldmann ist der Meinung, dass der Grund hierfür in der starken Persönlichkeit des damali-gen Generalstabschef Gygli zu suchen sei, dass aber der Text des Auftrages eine gewisse Dif-ferenzierung enthalten habe, indem er folgendes bestimmte: „Dem Generalstabschef wird für die Ausarbeitung eines für den Bundesrat bestimmten Entwurfs zu einer strategischen Kon-zeption der Schweiz eine Studienkommission für strategische Fragen beigegeben.“1 Der ei-gentliche fachliche Auftraggeber der Studie sei der Generalstabschef gewesen, der Empfänger der Bundesrat.

Däniker meint, dass die Armee oft fortschrittlicher sei als der Rest der Schweiz, obschon Presseberichte immer das Gegenteil behaupteten. Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhun-derts sei die Armee der Schweiz vorausgegangen.

Rapold gibt zu bedenken, dass die letzten Entwicklungen [bezüglich der Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg] alle überrascht hätten. Er fragt in diesem Zusammenhang Herrn Brun-ner, ob in Richtung einer Kommunikationsstrategie etwas unternommen werde, damit der Schweiz in Zukunft ein solches Debakel erspart bleibe.

Brunner répond qu’il est allé voir – avec quatre membres de la commission – le chef du dé-partement, pour attirer son attention sur le fait qu’on avait eu un débat au sein de la commis-sion sur ce qui a été nommé le „débâcle Suisse d’aujourd’hui“ et qui avait des points de rattachement avec le mandat de la commission. Dans le rapport final de la commission il y aura un chapitre consacré à ce thème.

Widmer möchte im Zusammenhang mit dem Kommunikationsbereich wissen, was man tun wolle, um das hier verarbeitete Gedankengut für die nachfolgenden Generationen zu erhalten.

Spillmann bemerkt, dass diese Veranstaltung selbst ein Stück „oral history“ darstelle, weil praktisch alle Mitwirkenden, mit Ausnahme von einigen Mitgliedern im zweiten Panel, sei-nerzeit Mitglieder der Kommission Schmid gewesen seien. Er betont, dass die FSK einerseits durch eine schriftliche Dokumentation und andererseits durch Einbezug der Materie in die Lehrveranstaltungen an der ETH Zürich die Kontinuität herzustellen und den sicherheitspoli-tischen Diskurs zu beleben versuche, was aber angesichts knapper Ressourcen schwierig sei.

1 Studienkommission für strategische Fragen. Grundlagen einer strategischen Konzeption der Schweiz. Be-

richt der Studienkommission für strategische Fragen. Schriften des SAD Nr. 11. Stäfa 1971. S. 17.

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B. PANEL 1: Der Bericht Schmid aus heutiger Sicht

Spillmann erinnert an die Leitfragen, die im Rahmen des Panels behandelt werden: Erstens geht es um die Stärken und Schwächen des Berichts bezogen auf die Lage von 1969. Zwei-tens soll der Frage nachgegangen werden, ob strategische Leitlinien des Berichts auch heute noch Gültigkeit beanspruchen können.

Einleitung zum 1. Panel von Kurt Eichenberger

Der Bericht Schmid ist das zusammenfassende Ergebnis einer vom EMD eingesetzten Stu-dienkommission. Diese hat von 1967 bis 1969 Grundlagen einer strategischen Konzeption der Schweiz erarbeitet. Professor Karl Schmid präsidierte diese Studienkommission. Seine Über-legungen sind auf weite Strecken im Bericht zum Ausdruck gekommen. Auch Form und Stil zeichnen den Bericht aus und verleihen ihm etwas Aussergewöhnliches und Unverlierbares. Von den amtlichen Dokumenten der Schweiz der letzten fünfzig Jahre dürfte dieser Bericht – neben der Antwort des Bundesrates auf den Generalsbericht von 1946 – der formvollendetste Sachbericht sein.

Zuerst wird Korpskommandant Dr. Hans Wildbolz, der zur Zeit der Arbeit der Kommission Schmid Unterstabschef Planung war, Rahmen und Übersicht zum Bericht verschaffen. Zum Problemkreis der Nuklearkriegsführung, die zu einer Nuklearpolitik zwang, wird Korpskom-mandant Dr. Hans Senn sprechen. Über dieses Thema war zwar einiges Wissen vorhanden, aber es war damals noch nicht durchschaubar, wie mit der Problematik auf die Dauer ange-messen umzugehen sei. Militärische und politische Führung steckten in mannigfachen Verle-genheiten und Differenzen, sofern sich die politische Seite überhaupt auf die Thematik einliess. Dieses dornenvolle Thema liefert ein Beispiel für komplizierte eidgenössische Pro-zeduren. Es liefert aber auch ein Beispiel für die Versuchung, mit plötzlichen Entscheidungen lästige Themata abzuschneiden, bevor die Problematik und die Lösungsmöglichkeiten ausge-reift sind, oder die Ausreifung so zu erstrecken, bis sich ein Thema von selbst verlaufen hat.

An einem Exempel soll schliesslich gezeigt werden, wie die Frage der Nuklearbewaffnung anfänglich vom technischen Bereich her angegangen wurde. 1963 wagte man sich an diese Frage heran und nutzte dafür das Milizsystem der Armee. Das Vorgehen wirft ein Licht auf die heikle Frage, ob und allenfalls wie wir beim militärischen Milizsystem vorgehen und wie wir die Milizmöglichkeiten ausschöpfen. Eine Frage, die in den sechziger Jahren und im Be-richt völlig unbestritten war, aber heute nun in das Feld der Zweifel gerät. Als Beteiligter der ersten Stunde und als Mitglied der Kommission Schmid berichtet Prof. Dr. Walter Winkler über diesen Themenbereich.1

Hans Wildbolz (=)

Beurteilung des Berichts Schmid aus heutiger Sicht 1 Prof. Dr. Walther Hofer, der als Referent dieses Panels vorgesehen war, konnte aus gesundheitlichen Grün-

den nicht an der Tagung teilnehmen.

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Neben dem Bericht der Studienkommission für strategische Fragen vom 14. 11. 1969, möchte ich auch den Vortrag von Prof. Schmid vom 16. 1. 1970 im LV Kurs 70 und die „Einleitenden Bemerkungen des EMD zum Bericht SSF“ samt einer Stellungnahme dazu von Prof. Schmid vom 15. 2. 1971 bzw. 4. 6.1971 einbe-ziehen. Dies erinnert uns daran, das der Bericht Schmid erst mehr als eineinhalb Jahre nach seiner Eingabe an das EMD veröffentlicht worden ist.

Zur ersten Frage: Stärken und Schwächen des Berichts Schmid bezogen auf die Lage 1969.

1. Der Hauptwert der souverän geleiteten Arbeit der SSF und ihres brillant gefassten Be-richts lag ohne Zweifel in der erstmaligen und grundlegenden strategischen Lagebeurtei-lung in jener Zeit des Ausbaues der umfassenden Landesverteidigung („Gesamtverteidigung“), mit konsequenter Neueinstufung der Armee in den Rahmen einer allgemeinen Sicherheitspolitik und mit klarer Stellungnahme gegen das „Sektorenden-ken“.

2. Im erwähnten Vortrag hebt Schmid selbst drei wichtige „Resultate“ hervor, die als „Stär-ken“ der Kommissionsarbeit ins Gewicht fallen:

• Die Erkenntnis der Gefahren einer Gewichtung der verschiedenen Sparten der umfas-senden Landesverteidigung unter Hinweis auf das Bild der „Kette“. Zitat: „Es schien uns wichtiger, auf die Interdependenz der Vorbereitungen und auf die Totalität der GV hinzuweisen.“

• Die Klärung des Verhältnisses von Abschreckungskraft und Abwehrkraft. Zitat: „Un-sere Arbeiten haben zum Ergebnis geführt, dass die theoretische Unterscheidung [...] im Falle des Kleinstaates nicht zu zwei verschiedenen Formen der Rüstung und Vor-bereitung führen könne. [...] Wir haben statt des Begriffs ‚Abschreckung‘ das Wort ‚Dissuasion‘ gebraucht.“

• Die Hervorhebung der Bedeutung der Führung im Verhältnis zur materiellen Vorsor-ge. Zitat: „Die Probleme der Führung sind kaum noch erkannt. Es ist [...] nicht damit getan, dass man materielle Vorkehrungen trifft; die Führungsprobleme sind wahrzu-nehmen.“ (Siehe Hilflosigkeit der politischen Führung in der Gegenwartskrise)

3. Als „Schwäche“ (besser „Eingrenzung“) des Berichts SSF könnte meines Erachtens die (zu) starke Ausrichtung auf die instrumentalen Aspekte der GV bezeichnet werden. Das wird allerdings im Vortrag Schmid relativiert, etwa mit der Aussage „Es ist so, [...] dass nun der Staat und die Nation als Ganzes im Mittelpunkte des strategischen Denkens ste-hen.“ Dennoch finden z.B. die zivilen Bereiche der GV im Bericht eine sehr detaillierte „Auslegeordnung“.

Das nach heutigem Empfinden zu enge Eingrenzen des Sicherheitsbegriffes nach Gefähr-dungs- und Schutzbereichen namentlich auch in internationalen Zusammenhängen ist dem Bericht SSF schon damals als Einwand nicht erspart geblieben.

Zur zweiten Frage: Gibt es strategische Leitlinien, die auch heute noch Gültigkeit beanspru-chen können?

Diese Frage kann allgemein bestimmt mit einem Ja beantwortet werden. Dabei gibt es aller-dings die sicherheitspolitischen Entwicklungen und den tiefgreifenden Wandel im internatio-

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nalen Umfeld der vergangenen 30 Jahr zu berücksichtigen, die selbst die weiten Vorstellun-gen der SSF überholt haben.

Der Wandel bedingt den auch einen Dauerprozess der strategischen Lagebeurteilungen wie auch der Schutzvorkehren. Dabei kann die Arbeitsmethode der Kommission Schmid als Vor-bild gelten, vorausgesetzt, dass die Schlüsse und Entscheidungen der Behörden zeitgerecht folgen. Zitat aus der Einführung des Generalstabschef zum Bericht Schmid: „Die SSF hat die Grundlagen für eine auf dem Gedanken der Dissuasion beruhende schweizerische strategische Konzeption geschaffen. Die strategischen Gegebenheiten wandeln sich aber dauernd und müssen ständig überprüft und neu bewertet werden. Die dazu erforderlichen Institutionen soll-ten möglichst bald geschaffen werden, damit die Konzeption nicht hinter der Fortentwicklung der Gegebenheiten nachhinkt.“2 Das ist, von Armee-seite v. a., auch weitgehend erfolgt.

Die nachhaltigen Impulse des SSF-Berichts samt der daraus erwachsenen Taten für heute und morgen betreffen:

• Das gesamtheitliche strategische Denken, auch im Bewusstsein, „dass die Sicherheit unse-res Landes in weit höherem Masse von den internationalen Konstellationen und von der Sicherheitspolitik unserer Umwelt auf globaler, regionaler und nationaler Eben abhängig ist [...] als von unseren eigenen Mitteln und Vorkehrungen.“3

2 Studienkommission für strategische Fragen. Grundlagen einer strategischen Konzeption der Schweiz. Be-

richt der Studienkommission für strategische Fragen. Schriften des SAD Nr. 11. Stäfa 1971. S. 16. 3 Ebd., S. 30.

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• Die Flexibilität der Führung in einer sich oft abrupt wandelnden Typologie der Gefähr-dungen und in plötzlichen, nie konkret voraussehbaren Krisenlagen.

• Dementsprechend auch die Ausgestaltung des Führungsinstrumentariums und die auf Können ausgerichtete Führungsschulung ohne Rücksicht auf die Prominenz der Teilneh-mer und ihre Befangenheit in Alltagsgeschäften. Dies betrifft besonders auch unsere poli-tischen, oft aus dem Nichts an Führungserfahrungen herausgewählten und zumeist unversehens in Spitzenverantwortungen hineingestellten Kader unseres Staates.

Ich denke in grosser Dankbarkeit an die Gunst der Mitarbeit in der Kommission Schmid zu-rück. Die Eindrücke und Erkenntnisse haben mich in der Folgezeit bereichernd begleitet und in Kontakten mit ausländischen Experten auch gestärkt.

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Hans Senn

Die Kommission Schmid und die Nuklearwaffenfrage

Eine wichtige Teilaufgabe der Studienkommission für strategische Fragen war es, die Ele-mente für eine Nuklearpolitik zu erarbeiten. Ich möchte die Frage aufwerfen: Erfüllte der Schlussbericht SSF diese Erwartungen? Ich muss dabei einen Vorbehalt machen: Als Mitak-teur stütze ich mich auf meine Erinnerung und einige wenige zusätzliche Dokumente, die mir erhalten geblieben sind. Für ein sicheres Urteil müssten natürlich alle vorhandenen, noch in den Archiven lagernden, Dokumente herangezogen werden.

Ich erinnere an den Ablauf des Geschehens: Im Frühjahr 1966, angeregt durch einen Aufsatz über die Nuklearpolitik Schwedens, beauftragte der Generalstabschef die Untergruppe Front Richtlinien für eine Nuklearpolitik der Schweiz zu entwerfen. Als Chef der Operationssektion fasste ich diesen Auftrag vom Unterstabschef Front, und gelangte meinerseits mit der Bitte an Oberst im Generalstab Freymond, die Federführung bei dieser Aufgabe zu übernehmen.

Inzwischen kam der Bericht über die Konzeption der militärischen Landesverteidigung her-aus. Dieser enthielt eigentlich bereits den Kern der Nuklearpolitik des Bundesrates. Ich zitie-re:

„Nach wie vor haben wir von der Voraussetzung auszugehen, dass unseren Streitkräften Kernwaffen oder andere gleichwertige Waffen fehlen. Allein schon aus diesem Grund, aber auch aus Überlegungen ethisch-weltanschaulicher Art, sind wir an allen Bestrebungen, die auf eine Eindämmung und Nichtanwendung solcher Waffen hinzielen und in dieser Beziehung Garantien schaffen, in höchstem Masse interessiert. [...] Solange aber die erwähnten Waffen vorhanden sind und auch gegen uns eingesetzt werden können, sind wir verpflichtet, die Vor- und Nachteile einer eigenen Nuklearbewaffnung mit allen ihren Auswirkungen zu prüfen. [...] Diese Abklärungen müssen die Frage einschliessen, wann der Punkt erreicht wäre, an dem die weitere Ausbreitung der Kernwaffen unser Land zu ihrer Beschaffung zwingen könnte.“1

Trotz dieser Aussage blockierte aber der Bundesrat von 1963 bis 1969 die Abklärungen, in-dem er die dazu notwendigen Kredite und Personaletats nicht bewilligte. Seine Zurückhaltung lässt sich vor allem durch den Vertrauensverlust erklären, der durch die Mirage-Angelegenheit verursacht wurde. 1966 erschien das Buch „Strategie des Kleinstaates“ von Gustav Däniker, der in diesem Buch ein schweizerisches atomares Abschreckungspotential verlangte und damit auch den Wünschen und Forderungen der Zürcher Offiziersgesellschaft entsprach. Dann kam im Herbst 1966 die erste Antwort von Oberst Freymond und zwar in einer „note en vue de la formulation d’une politique nucléaire de la Suisse“. Darin kam Oberst Freymond zu folgenden fünf Schlüssen:

1. Im jetzigen Zeitpunkt sei es weder notwendig noch opportun, Atomwaffen zu beschaffen.

1 Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Konzeption der militärischen Landesverteidi-

gung vom 6. Juni 1966. In: BBl 1966 I S. 853-877, hier S. 872.

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2. Gegen die Anwendung und Weiterverbreitung von Atomwaffen müsse der Kampf aufge-nommen werden.

3. Die Anstrengungen zum Schutze der Zivilbevölkerung gegen die Auswirkungen der Atomwaffen müssten verschärft werden.

4. Entwicklung und Einsatzkonzeption der Kernwaffen seien weiterzuverfolgen.

5. Ein schweizerisches Zentrum für umfassende strategische Studien sei ins Leben zu rufen.

Da aber der Bundesrat die Etatstellen für ein solches Zentrum nicht bewilligte, kamen der damalige Unterstabschef Wildbolz und ich auf die Idee, man sollte einen Ausschuss für stra-tegische Fragen bilden; dieser wäre weniger teuer als ein Zentrum. Oberst Wildbolz beantrag-te dem Generalstabschef die Bildung eines solchen Ausschusses. Dieser legte dann im Februar 1967 der Landesverteidigungskommission zwei Fragen vor:

Soll zur Erarbeitung der Elemente einer strategischen Konzeption eine aus unabhängigen Per-sönlichkeiten zusammengesetzte Studiengruppe beigezogen werden?

Soll die Nuklearpolitik als besonders wichtiger Teil unserer Gesamtstrategie und zur Zeit dringlichstes Anliegen in einer unabhängigen Studie verfolgt werden oder soll aufgrund des totalen Feindbildes zuerst eine strategische Gesamtkonzeption entworfen werden, durch die auch die brennenden Fragen unserer Nuklearpolitik beantwortet würden?

Der Generalstabschef veranschlagte die Zeitdauer für eine Studie über die Nuklearpolitik mit einem Jahr und die Gesamtstudie mit zwei bis drei Jahren. Der Generalstabschef stellte da-mals auch eine Disposition zur beabsichtigten Studie „Grundsätze einer schweizerischen Nuk-learpolitik“ zur Diskussion. In dieser Disposition wurden neben den militärischen, technischen und finanziellen auch die wirtschaftlichen sowie die innen- und aussenpolitischen Aspekte berücksichtigt. Die späteren Studien beschränken sich bloss auf die militärischen Aspekte.

Im Mai 1967 erfolgte dann die Verfügung der Studienkommission für strategische Fragen. In der ersten Plenarsitzung vom 7. Juli 1967 bezeichnete Korpskommandant Gygli die Prüfung unserer Einstellung zum vorgeschlagenen Proliferationsabkommen als vordringlichstes Prob-lem. Im Dezember wurde in der Folge die erste Meinungsäusserung – im positiven Sinne – dazu eingereicht. Inzwischen war auch die interdepartementale Arbeitsgruppe Nonproliferati-on unter Leitung von Botschafter Bindschedler gegründet worden. Das EVED war durch Prof. Hochstrasser, das EMD durch mich vertreten.

1968 unterbreitete ich einen ersten Entwurf zur Studie „Beurteilung des militärischen Nutzens einer Ausrüstung der Armee mit Kernwaffen“ der Studienkommission für strategische Fra-gen. Diese Studie war bearbeitet durch die Operationssektion in Zusammenarbeit mit Major Däniker. Für uns war es eine absolute Notwendigkeit den Zürcher Exponenten einer eigenen Atombewaffnung in das Ergebnis dieser Studie einzubinden.

Der Schlusssatz dieses ersten Entwurfes lautete: „Nur eine atomar und konventionell gerüste-te Armee vermag auch in Zukunft potentielle Angreifer davon zu überzeugen, dass ihr Einsatz und Risiko bei der Niederwerfung der Schweiz grös-ser sind als der unter besten Bedingun-gen zu erzielende Gewinn.“ Diese Folgerung veranlasste den Verfasser des historischen Ab-

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risses zur Frage einer schweizerischen Nuklearbewaffnung zur Aussage, ich sei, ohne wenn und aber für eine schweizerische Atombewaffnung eingetreten. Er fällte dieses Urteil ohne Berücksichtigung der nachfolgenden Tatsachen:

1. Es handelte sich bei diesem ersten Entwurf bloss um eine Diskussionsgrundlage und nicht um ein fertiges Konzept.

2. Es ging bei der Studie lediglich um die Beurteilung des militärischen Nutzens und nicht um eine Gesamtabwägung der Vor- und Nachteile einer Atombewaffnung.

3. Der zitierte Satz schloss die Warnung ein, dass eine atomare Rüstung nicht auf Kosten der konventionellen Erneuerung gehen dürfe. Es war aber Jedermann klar, dass die Fi-nanzen beides nicht erlaubt hätten. Damit war das Urteil über die Nuklearbewaffnung, im Grunde genommen, bereits gesprochen.

4. In Anbetracht der Verzögerung der versprochenen Abklärungen durch den Bundesrat, verfolgte eben die Studie den Zweck, die Argumente der Befürworter ernsthaft unter die Lupe zu nehmen, damit sie nicht sagen konnten, ihre Gründe seien überhaupt nie disku-tiert worden.

Der Arbeitsausschuss Nuklearpolitik der Studienkommission für strategische Fragen setzte sich dann sehr intensiv, aber ausschliesslich aus militärischer Sicht, mit der Problematik einer schweizerischen Nuklearbewaffnung auseinander. Ich war eigentlich der Meinung gewesen, dass meine Aufgabe darin bestand, nur die militärischen Aspekte darzulegen, und die Kom-mission als Ganzes müsste dann die übrigen Aspekte dazu beitragen. Dazu kam es aber nicht.

Einig war man sich, dass ein Nuklearkrieg mit seinen schlimmen Folgen unbedingt vermieden werden müsse. Der Kriegsverhütung kam damit entscheidende Bedeutung zu. Umstritten wa-ren vor allem die abhaltende Wirkung eigener Atomwaffen auf einen potentiellen Angreifer und die Glaubwürdigkeit ihres Einsatzes durch den Bundesrat. Befürworter und Skeptiker einer Atombewaffnung rauften sich auf einer mittleren Linie zusammen.

Im April 1969 erschien der zweite Entwurf dieser Studie und dazu nahm nun Oberst Karl Schmid Stellung. In einem persönlichen Brief schrieb er mir:

„Ihre Studie zeigt, dass es gar nicht möglich ist, den militärischen Aspekt der Kernwaffen für sich allein und gesondert zu betrachten. Ich halte die abhaltende Wirkung operativ-taktischer Atomwaffen für ebenso unglaubwürdig wie die ab-schreckende Wirkung strategischer Waf-fen und dies aus folgenden Gründen:

1. Ein sogenannt begrenzter Atomkrieg trägt die Gefahr der Eskalation in sich.

2. Der Ersteinsatz von Atomwaffen durch uns würde die Weltmeinung negativ beeinflussen.

3. Es gibt im Einsatzgebiet der Feldarmee keine wirkliche Möglichkeit eigene Atomwaffen selektiv auf militärische Ziele anzusetzen. Ihr Einsatz auf Ziele jenseits der Landesgrenze ist schlicht unsittlich.

4. Was wir an A-Waffen je besitzen könnten, fällt für die Nato als potentiellen Bündnispart-ner nicht ins Gewicht. Sie besitzt genügend Kernwaffen, um auch uns zu unterstützen. Mangelware sind bei ihr konventionelle Streitmittel.“

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Und er zog die Schlussfolgerung: „Wir müssen alle verfügbaren finanziellen Mittel zur Erhö-hung von Feuerkraft, Beweglichkeit und Schutz der Armee ein- setzen.“

Aus Zeitmangel konnte die Meinung des Vorsitzenden der SSF bei der Endredaktion nicht mehr voll berücksichtigt werden. Die zu Beginn vorgesehene Konfrontation der militärischen mit den aussen- und innenpolitischen Aspekten der Nuklearbewaffnung fand leider nicht statt. Sie wurde allerdings teilweise im Arbeitsausschuss Nonproliferationsvertrag behandelt.

Im Kapitel über die nukleare Bewaffnung des Schlussberichts der SSF wurde das Resultat wie folgt zusammengefasst: „Eine Nuklearbewaffnung zur strategischen Abschreckung eines Gegners auf weite Entfernung liegt für die Schweiz aus technischen, wirtschaftlichen und strategischen Gründen ausserhalb ihrer Möglichkeiten. Eine operativ-taktische Nuklearbe-waffnung würde die Verteidigungskraft und damit die kriegsverhütende Kraft unserer Lan-desverteidigung wesentlich verbessern. Sie würde aber auch die Gefahr erhöhen, dass ein bewaffneter Konflikt, in den wir hineingezogen werden, nicht auf der konventionellen Ebene bleibt, sondern zum Nuklearkrieg wird, der unabsehbare Gefahren für uns in sich birgt. Es wäre ein strategischer Fehler, eine Nuklearbewaffnung auf Kosten einer starken konventionel-len Landesverteidigung zu erwerben.“2

Mit dem Schlussbericht der SSF wurde dem Bundesrat auch der Teilbericht des Arbeitsaus-schusses Nuklearpolitik eingereicht. Der Arbeitsausschuss Nonproliferationsvertrag lieferte seinerseits Dokumente, welche die politischen, militärischen und wirtschaftlichen Auswir-kungen des Atomsperrvertrages erläuterten.

Fazit: Die Erwartungen auf dem Gebiet der Nuklearpolitik wurden von der Studienkommissi-on für strategische Fragen meiner Meinung nach nur teilweise erfüllt. Zwischen dem Vorsit-zenden und dem Arbeitsausschuss Nuklearbewaffnung fand aus Zeitmangel keine vertiefte Diskussion statt. Die Differenzen konnten nicht bereinigt werden. Diese waren aber in Wirk-lichkeit viel weniger gross, als es scheinen mag. Da das Geld für eine atomare Aufrüstung gar nicht zu Verfügung stand, wollten beide mit den verfügbaren Krediten die konventionelle Armee den Bedingungen des Atomkrieges anpassen.

Eine Gegenüberstellung der militärischen und der übrigen Aspekte fand nicht statt. Die drei Unterlagen, die dem Bundesrat zur Verfügung standen, genügten für den Entscheid, dem Nonproliferationsvertrag beizutreten und im Fall seines Scheiterns die Option einer schweize-rischen Atombewaffnung offenzuhalten. Um den Entschluss zu fassen, eine eigene Atombe-waffnung einzuleiten, und dazu die Zustimmung des Volkes zu erhalten, wären diese Unterlagen natürlich viel zu eng gewesen und hätten stark erweitert werden müssen.

2 Studienkommission für strategische Fragen. Grundlagen einer strategischen Konzeption der Schweiz. Be-

richt der Studienkommission für strategische Fragen. Schriften des SAD Nr. 11. Stäfa 1971. S. 108 (Her-vorhebungen im Original).

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Walter Winkler

Die wissenschaftlichen, technischen und finanziellen Möglichkeiten einer Atomwaffenproduktion

Meine Herren Bundesräte, liebe Frau Schmid-Attenhofer, meine Damen und Herren

1967 ersuchte mich der Generalstabschef, Mitglied der Studienkommission für strategische Fragen zu werden. Dies wohl deshalb, weil ich ihm als Mitverfasser des MAP-Berichts (Möglichkeiten einer eigenen Atomwaffen-Produktion) bekannt war.

Der MAP-Bericht stammt aus dem Jahre 1963. Damals wurden Prof. Dr. Urs Hochstrasser, Delegierter des Bundesrates für Fragen der Atomenergie, Dr. Paul Schmid und ich – wir beide waren seinerzeit Abteilungsleiter am Eidgenössischen Institut für Reaktorforschung – von der Generalstabsabteilung ersucht, die wissenschaftlich-technischen und finanziellen Möglichkei-ten einer eigenen Atom-waffenproduktion abzuklären. Dr. Schmid und mir war völlig klar, dass wir eine solche Arbeit nur ausserhalb unserer beruflichen Tätigkeit am EIR durchführen konnten; denn eine Verletzung der gebotenen Geheimhaltung hätte sowohl für das EIR wie auch für unsere eigene berufliche Entwicklung sehr nachteilige Folgen haben können. Der MAP-Bericht, der neben den damals nur spärlich vorhandenen Angaben aus der Literatur auf eigenen theoretischen Arbeiten basiert, entstand deshalb im Einvernehmen mit der General-stabsabteilung im Milizsystem, und zwar im strengsten Wortsinn.

Der MAP-Bericht enthält unter anderem den konkreten Antrag, es sei zur genaueren Abklä-rung der Möglichkeiten und der Kosten einer eigenen Atomwaffenproduktion durch den Bun-desrat für die Dauer von drei Jahren ein Kredit von 20 Mio. Fr. zu bewilligen, mit dem Ziel, folgende Fragen näher abzuklären:

1. Abbauwürdigkeit der in der Schweiz gefundenen Uranvorkommen: 5 Mio. Fr.

2. Entwicklung von Ultrazentrifugen zur Urananreicherung: 10 Mio. Fr.

3. Waffentechnische Grundlagenforschung: 5 Mio. Fr.

Die Verfasser des Berichts vertraten in ihrem Antrag die Auffassung, dass die Beantwortung der wichtigen Frage nach der Machbarkeit erst nach Vorliegen der Resultate dieser dreijähri-gen Abklärungsphase möglich werde, und dass aus-serdem die nötigen Arbeiten auch bei bes-tem Willen nicht mehr im Milizsystem zu bewältigen seien.

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Im Bericht wird konkret vorgeschlagen, gegebenenfalls den Weg über das Uran, das in Ultra-zentrifugen angereichert werden soll, und nicht jenen über den Einsatz von Plutonium zu wählen.

Die angegebenen Gründe sind:

• Es besteht die Möglichkeit, mit Hilfe von noch zu entwickelnden Ultrazentrifugen die Urananreicherung in einer relativ kleinen Anlage bewerkstelligen zu können.

• Die Beherrschung des Zündvorganges einer Uranwaffe wird gegenüber jenem einer Plu-toniumwaffe als einfacher beurteilt. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass es sich bei der Atombombe, die über Hiroshima zur Explosion gebracht wurde, um eine Uranwaffe gehandelt hat, die im Unterschied zur Plutoniumwaffe vor dem Einsatz nicht getestet wurde.

Anlässlich der Sitzung des Bundesrates vom 5. 6. 1964 bewilligte dieser den angeforderten Kredit von 20 Mio. Fr. Er beschloss aber gleichzeitig, dass zwar die Arbeiten auf den Gebie-ten der Uranprospektion und jene zur Entwicklung der Ultrazentrifugen aufgenommen wer-den dürften, dass jedoch auf das von den Berichtsverfassern vorgeschlagene, der ETH anzugliedernde Institut mit etwa 20 Fachleuten zur Abklärung der waffentechnischen Proble-me zu verzichten sei. Die waffentechnischen Abklärungen sollten nach den Vorstellungen des Bundesrates durch einen Fachmann der Generalstabsabteilung vorgenommen werden!

Dr. Schmid und mir war nach diesem Bundesratsentscheid eindeutig klar, dass auf diese Wei-se keine Möglichkeit mehr bestand, die für einen fundierten Entscheid notwendigen Grundla-gen zu erarbeiten. Wir bekundeten unsere Auf- fassung zu diesem Bundesratsentscheid am 23. 7. 1964 in einer gemeinsamen schriftlichen Erklärung zu Handen der Generalstabsabteilung. Dr. Schmid und ich zogen uns zurück und verliessen auch das Eidgenössische Institut für Reaktorforschung. Unsere damals schriftlich vertretene Auffassung übernahm zu unserer grossen Genugtuung auch Generalstabschef An-nasohn. Dieser schrieb in seinem Brief vom 23. 12. 1964 an den EMD-Chef Bundesrat Chau-det:

„Ein einzelner Wissenschafter, der isoliert in der Generalstabsabteilung die umfangreichen und komplexen waffentechnischen Probleme zu behandeln hätte, könnte auch im günstigsten Falle zu keinem für die Beurteilung der Möglichkeiten einer eigenen Atomwaffenherstellung befriedigenden Ergebnis gelangen.“

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Einzelne Erkenntnisse des MAP-Berichts dienten als Grundlage für den Bericht der Kommis-sion Schmid. Dort lautet der letzte Satz der diesbezüglichen Zusammenfassung: „Die bisheri-gen Bemühungen auf diesem Gebiet, die mit unzureichenden personellen und materiellen Mitteln und unzureichenden Aufträgen an die Verantwortlichen unternommen worden sind, haben einem Vorgehen auf breiter Front und mit Mitteln einer ganz neuen Grössenordnung Platz zu machen.“1 Dies geschah aber nicht!

Am 27. 11. 1969 unterzeichnete die Schweiz den Atomsperrvertrag. Die Frage einer eventuel-len Nuklearbewaffnung stellt sich also heute im Unterschied zu damals nicht mehr.

1 Studienkommission für strategische Fragen. Grundlagen einer strategischen Konzeption der Schweiz. Be-

richt der Studienkommission für strategische Fragen. Schriften des SAD Nr. 11. Stäfa 1971. S. 108.

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Kurt Eichenberger

Schlussbemerkungen zum 1. Panel

Wir haben nun einiges über die Leistungen der Kommission Schmid gehört. Zuerst hat uns Korpskommandant Wildbolz die positiven Aspekte des Berichts und die Lehren, die man dar-aus ziehen könnte, geschildert. Danach haben wir auch die Probleme beleuchtet, die sich im Bericht Schmid am Beispiel der Nuklearbewaffnung und der Nuklearpolitik aktualisierten. Diese Bedrohungen, die heute scheinbar ausser Traktanden gefallen sind, liefern uns aber ein Beispiel, wie wir mit neuartigen Problemen umgehen, von denen wir zuwenig Kenntnis haben und bei denen wir zuerst unser Verhalten bestimmen müssen.

Ich möchte an dieser Stelle kurz aufzeigen, wie der Bericht zentrale Begriffe einbringt, die damals noch aufgebaut werden mussten, aber ihre Schwächen schon in sich trugen. Heute sind diese scheinbar kein Thema mehr, bedürften meiner Meinung nach aber der sorgfältigen Überlegung.

Der Bericht Schmid legt grosses Gewicht auf saubere Begriffe, womit er bereits die Hälfte der Berichterstattung klarstellt. Zudem zeichnet er sich durch eine ungewöhnliche und substan-tielle Klarheit aus.

An erster Stelle ist hier der Begriff der „Dissuasion“ zu nennen. Der Ausdruck an sich ist schon fremd. Man wollte damals aber richtigerweise nicht das Wort „Abschreckung“ verwen-den. Was meinte man damals mit Dissuasion? Es waren vor allem vier Elemente, die den Be-richt wesentlich kennzeichneten:

Erstens verlangt der Bericht, dass man eine vorbeugende Verteidigungspolitik mit einer wehrhaften Neutralität betreiben solle. Diese bejaht Vorwirkungen, dergestalt, dass man schon vor einem Krieg generell neutral sein, die Einhaltung der Neutralität garantieren muss. Die Politik muss Vertrauen erweckend gestaltet sein und sie muss Solidarität mit dem Aus-land bekunden, damit man im Ausland „beliebt“ ist. Letzteres sagt der Bericht nicht, aber wir streben es heute an. Falls wir neutral – nach bisherigem Verständnis – bleiben wollen, ist aber eine glaubhafte Wehrhaftigkeit weiterhin das Entscheidende.

Hinter dieser Neutralitätsauffassung ist indessen im Bericht schon eine vorsichtig vorgebrach-te Bedenklichkeit angemeldet, dass man eventuell doch Bündnisse in Erwägung ziehen müs-se. Das sagt der Bericht in einem Nebensatz. Es ist Karl Schmid also bewusst, dass allenfalls Bündnisbedürfnisse aufkommen könnten.

Zweitens braucht die Schweiz eine wirksame und kampfkräftige Armee. Karl Schmid glaubte an die Armee und sah in ihr nicht nur ein Hilfsmittel für Katastrophensituationen. Damit dif-famiere ich die heutige Armeekonzeption nicht, aber ich will unterstreichen, dass die Armee auch Kampfaufgaben zu erfüllen hat, die mit gebührender Ernsthaftigkeit angegangen werden müssen.

In dritter Linie braucht es eine umsichtige Aussenpolitik, die bereit ist, diese Eidgenossen-schaft gegen aussen entsprechend darzustellen. Karl Schmid geht davon aus, dass diese Aus-

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senpolitik eines unabhängigen Staates auf eine Unabhängigkeitserhaltung gerichtet sein muss.

Viertens: Karl Schmid geht von der Annahme aus, die Schweiz sei eine integrierte, geschlos-sene Nation, die bereit ist zu überleben und dank sichtbaren Vor- kehren dies auch klar macht und sich nicht selber diffamiert, indem sie im Ausland ihre Des-integration gleichsam aktenkundig macht.

Die zweite Grundauffassung, die die Dissuasion fundiert, ist jene des „Abwehrkampfes“ zur Erhaltung von Volk und Staat. Ein selbständiger Abwehrkampf, der bis an die Grenze des biologischen Überlebens der Nation geht. Es geht hier darum, dass man selber kämpfen und sich nicht von Anfang an anderen überlassen will, die für uns im günstigen Fall die Sorge übernehmen und uns durch die Nöte hindurch tragen. Ein wenig schimmert hier Reminiszenz durch. Es ist die Fortführung des hochgemuten Pessimismus des Zweiten Weltkrieges, aber ohne Heroismus, in der Erwartung, dass diese Nation bereit sei, den Kampf aufzunehmen. Der Begriff des Abwehrkampfes wurde damals in die Mitte gestellt. Er löste möglicherweise schon gewisse Fragezeichen aus.

In dritter Linie ist der Begriff des „Widerstandes“ aufzugreifen, der Widerstand nach der Be-setzung des Landes. Es wurde sehr ausführlich dargelegt, wie und aus welchem Geiste diese Widersetzung zu leisten sei. Nicht ahnend, dass dieser Widerstand nach zwanzig Jahren auf enorme Ablehnung stossen würde, dass diese Kampfform gar verfemt und beinahe vom gan-zen Volke nicht verstanden werden würde. Allerdings wurde er dem Volke aber auch nicht erklärt, als es prekär wurde vor fünf oder sechs Jahren.

Ich will noch kurz einige Sonderheiten aus dem Bericht streifen, die diesen eben auch charak-terisieren und die zum Teil seine Probleme beleuchten. Der Bericht wurde in einer Phase des Planungsglaubens geschrieben. Im Militär konnte man in der Tat systematisch planen, aber es war wohl zuviel verlangt, die gesamte Staatstätigkeit planen zu wollen. Der Planungsglaube flachte dann auch etwa seit der Ölkrise ab. Heute kann man sich fragen, ob der Planungsidee noch hinreichend Beachtung geschenkt wird. Im Bericht Schmid war der Planungsglauben jedenfalls noch vorhanden.

Was der Bericht Schmid noch bejahen konnte, wir heute aber mit Fragezeichen versehen müssen, ist die Frage der Integrationsfähigkeit der Milizarmee. Ich frage mich, ob sie eine Integrationsfunktion noch wahrzunehmen vermag. Karl Schmid rechnete mit der Verteidi-gungsgesinnung des Volkes, meldete aber sogleich Vorbehalte an. Im weiteren nahm er auch einen ausgeglichenen Wohlstand und einen sozialen Frieden an, von dem aus die Schweiz in allfällige Auseinandersetzungen einzutreten hätte. Dies hat sich heute geändert. Die Pflege einer Staatsgesinnung können wir heute höchstens noch partiell in den Schulen erwarten, aber in den Medien wohl nur begrenzt.

Und nochmals kommt Karl Schmid in diesen Sonderheiten auf die Neutralität zu sprechen. Neutralität im Sinne einer autarken Instrumentierung, ohne Gefahr der Isolation, und einem Einfügen in die Solidarität mit anderen Staaten. Hier klingt die Bereitschaft der Aussenpolitik von Petitpierre an.

Karl Schmid hat freilich die innerstaatlichen Schwierigkeiten am Horizont aufsteigen sehen. Er hat sie mehr oder weniger deutlich – mitunter sehr zurückhaltend – signalisiert. So hat er

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vor allem klargestellt, dass neue Einstellungen entstehen, beim Bürger, bei sozialen Gruppie-rungen, bei staatlichen Institutionen. Heute würden wir dies unter den Begriff „Wertewandel“ subsumieren. Karl Schmid lebte in Wandlungserwartung. Er rechnete damit, dass die jetzige Lage die jetzige ist und dass diese laufend überdacht werden müsse. Karl Schmid hat auch die Abwendung des Einzelnen vom Staat signalisiert, quasi als Gegenbild zur sonst immer vor-ausgesetzten positiven Staatsgesinnung und gefestigten Integration. Im weiteren hat er, als Europäer der ersten Stunde, auf die zunehmende Europäisierung hingewiesen, die eine ent-sprechende politische und militärische Haltung herausfordert, die bisher nicht bekannt war.

Meine Damen und Herren, wir haben aus dem Bericht einige Elemente herausgehoben. Ich darf Sie nun bitten, Ihrerseits Bemerkungen anzubringen, Feststellungen zu machen und Wi-dersprüche anzumelden.

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Diskussion (2)

Woker fragt, warum ein ausgesprochener Widerwillen der Schweiz in den fünfziger und sechziger Jahren auszumachen sei, sich bei entscheidenden institutionellen Fragen vorzuwa-gen. Dabei schimmerte z.B. im Bericht von Jacques Freymond, aber auch in den Papieren von Karl Schmid, durch, dass auch eine internationale Seite der Sicherheitspolitik existiere. Die direkte Demokratie sei sicherlich ein Grund hierfür, aber zum Teil nur ein vorgeschobener, weil diese automatischen Mehrheiten gegen eine internationale Implikation auch eine Wech-selwirkung verursachten, indem von „oben“ immer gesagt werde, dass zuerst geprüft werden müsse, wie sich etwas bewähre.

Diese ausgesprochene Zurückhaltung bei eigentlichen institutionellen Bindungen, auch der politischen Führung, sei ein international völlig singuläres Vorgehen. Dabei sei z.B. Schwe-den 1945 mindestens genauso stark isoliert gewesen wie die Schweiz, sei aber 1946 der Uno beigetreten, während es der Schweiz erst 1986 zu einer Uno-Abstimmung gereicht habe. Die-se Zurückhaltung beschränke sich aber keineswegs nur auf die Uno, sondern habe sich an-fänglich bei der KSZE oder den Bretton-Woods Organisationen gezeigt.

Senn entgegnet, dass die Schweiz damals zur Gründung der Uno gar nicht eingeladen worden sei. Die Frage des Beitritts zur Nato sei zwar zurückhaltend diskutiert worden, sei aber im Bann der Blockbildung zwischen Ost und West gestanden, und man hätte geglaubt, dass die Neutralität in dieser Situation ein wichtigeres Instrument bilde als eine Zusammenarbeit mit dem Westblock. Man sei zwar nicht mehr ganz an der Front gewesen, aber dennoch nahe ge-nug an derselben, um bei einem sowjetischen Angriff auf Europa zwischen die Fronten zu geraten. Der Glaube, dass die Neutralität in einer solchen Situation von Vorteil sein würde, sei der Hauptgrund für die Zurückhaltung der Schweiz gewesen.

Wildbolz glaubt, dass es für die jüngere Generation ausserordentlich schwierig sei, sich in die damalige Zeit und strategische Lage zurückzudenken, in der es völlig ausgeschlossen gewe-sen sei, eine Einordnung in ein europäisches Sicherheitssystem, z.B. in die Nato, vorzuschla-gen. Solche Dinge brauchten in der Schweiz Zeit.

Im Laufe der Zeit seien die ausgreifenden Massnahmen der Sicherheitspolitik immer deutli-cher geworden. Man sei nicht nur der KSZE beigetreten, sondern man habe auch auf anderen Gebieten aktiv mitgearbeitet, so z.B. durch den Ausbau der guten Dienste und der Katastro-phenhilfe.

Die periodischen Planungsetappen erforderten eine völlige Offenheit allen Optionen gegen-über. Man müsse sich auch bei der heutigen Lagebeurteilung allen Möglichkeiten stellen und sie mit aller Offenheit und Objektivität beurteilen. So dürfe auch die Milizarmee kein Tabu sein. Diese Ideen, die vor allem von der jüngeren Generation in die Diskussion getragen wür-den, müssten mit aller Offenheit und möglicher Objektivität diskutiert werden.

Die Verschlossenheit damals sei irgendwie durch die Zeitumstände gegeben gewesen. Man habe sich bei der Planung immer auch mit Fragen befasst, wie es wäre, wenn man bei einer bestimmten Krisensituation Anlehnung an das Ausland suchen würde. Man habe sehr vorsich-tig sein müssen. Es sei im EMD ja streng verboten gewesen, mit Nato-Stellen Kontakt aufzu-

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nehmen. Man hätte mit dem Ausland Informationsaustausch bis in die Sphären der Geheim-haltung hinauf aufnehmen dürfen. Schweizer Instruktionsoffiziere seien seit der Nachkriegs-zeit ständig in ausländische Kurse gesandt worden und seien dort aufgenommen worden, als gehörte unser Land der Nato an.

Alle diese Dinge seien durch den Argwohn begrenzt gewesen, sich institutionell zu binden. Hier seien die Nachwirkungen des Aktivdienstes mit den Geheimabsprachen z.B. mit Frank-reich nicht ganz unschuldig an der vorsichtigen Haltung gewesen. Man konzentrierte sich auf die eigenen Möglichkeiten. Man sei der Meinung gewesen, dass man selbst in der Lage sein müsse, den eigenen Schutz zu gewährleisten.

Eichenberger bemerkt, dass Schweden einst eine Grossmacht gewesen sei, die während des Zweiten Weltkrieges nicht unter den existentiellen Bedrohungen gelitten habe wie die Schweiz. Diese leide noch heute an ihrer Geschichte. So sei die Schweiz mindestens seit Ma-rignano vorsichtig und lasse beim Einbinden in eine Paktsituation grosse Vorsicht walten, da es lange gedauert habe, bis sich die Schweiz vom Reiche gelöst habe. Die Schweiz sei seiner-zeit dem Völkerbund nur zögernd beigetreten. Im Unterschied zu den USA sei sie aber we-nigsten bereit gewesen, einen durch eine Volksabstimmung legitimierten Versuch mit dem Völkerbund zu wagen, der durch die Schweiz eine gute Stütze gehabt habe.

Spillmann bittet die zwei alt Bundesräte Furgler und Honegger ihre Gedanken zu der zentra-len Frage von Herrn Woker zu äussern.

Furgler ist der Meinung, dass die Schweiz trotz der bereits geschilderten Gründe für ihre Anfangspassivität im Laufe dieser Jahrzehnte nicht nur passiv gewesen sei. Der Weg vom Beobachter zum Vollmitglied des Europarats sei Ausdruck des Willens der Schweiz gewesen, Menschenrechte nicht nur zu predigen, sondern zu leben und Kontakte zu suchen und zu ver-wirklichen. Dies sei Ausdruck dafür, dass Europa nicht nur eine materielle, sondern auch eine geistige Komponente habe, für die zu leben es sich lohne. Dies verdiene vor allem auch im Hinblick auf das nächstjährige Jubiläum besondere Hervorhebung. Wenn wir im kommenden Jahrhundert bestehen wollen, sei die Verwirklichung der Menschenrechte die conditio sine qua non für eine dauerhafte Friedensordnung.

Furgler erinnert an die Bundesratssitzungen, wo man darüber diskutiert habe, ob man nach Helsinki gehe, ob es zum berühmten „Dritten Korb“ komme, der auch dem Ostblock naheleg-te, Menschenrechte zu praktizieren und sich nicht abzuschotten. Die Teilnahme am KSZE-Prozess sei Ausdruck der Regierung und des Parlaments gewesen, teilzunehmen um teilzuha-ben.

Auch was die Aussenhandelsbeziehungen angehe, sei nicht allein der Aspekt des Handels im Vordergrund gestanden. Man habe auch die von der Schweiz geforderte Partnerschaft einge-bracht. Dabei habe man versucht, die Einmaligkeit der Eidgenossenschaft darzustellen. Insbe-sondere die Vielsprachigkeit, die einerseits ein hervorragendes Integrationsinstrument sei, weil jede Gesellschaft letztlich vom Gespräch lebe, und andererseits auch die Kommunikation gegen aussen erleichtere. So habe man mit Rom, Paris und Bonn in der eigenen Landesspra-che kommunizieren können.

Obwohl verteidigungspolitisch sehr viele Fragen zurecht gestellt worden seien, so habe die

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Schweiz seit Ende des Zweiten Weltkrieges einiges mitgemacht. Heute sei gut zum Ausdruck gekommen, dass ein Kleinstaat, wenn er bereit sei, sich selber zu verteidigen, es verdiene, als Bannerträger der Freiheit verstanden zu werden, als die Frucht der Gerechtigkeit, Zeugnis abzulegen, obschon dies vom Einzelnen Opfer abverlange. Der Artikel 18 der Bundesverfas-sung, wie auch immer er in Zukunft gefärbt sein werde, enthalte die Bereitschaftserklärung eines jeden Einzelnen, als Eidgenosse eine Dienstleistung zu erbringen und somit auch eine europäische Aufgabe zu erfüllen.

Trotz des ablehnenden Entscheides von 1992, unter dem die Schweiz immer noch leide, habe man sich in diesem Europa sehr intensiv um Teilnahme zwecks Teilhabe bemüht. Ganz „out-sider of society“ sei die Schweiz nicht. Man könne sich von allem, was gefährlich sei, enthal-ten, aber von der Demokratie sollte man sich nie enthalten.

Honegger pflichtet Furgler bei.

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C. PANEL 2:

Welche Voraussetzungen für die Schweizer Sicherheitspolitik haben sich seit dem Bericht Schmid verändert?

Einleitung zum 2. Panel von Kurt R. Spillmann

Es sind noch nicht 24 Stunden her, seit die 6 Millionen britischen Bürgerinnen und Bürger von Hongkong zu Bürgern der Volksrepublik China geworden sind, ohne dass sie dazu be-fragt worden wären. Auch wenn sich dieser Übergang ohne Gewaltanwendung vollzogen hat, so stellt er doch ein dramatisches Beispiel dar für eine aufgezwungene politische Verände-rung. Genau das wollten die Schweizerinnen und Schweizer nie: Sich fremdbestimmen las-sen. „Frieden in Unabhängigkeit“ war immer Ziel der schweizerischen Politik, die in ihrem innersten Kern deshalb immer Sicherheitspolitik war. Die Frage, wie dieses Ziel unter den jeweils gegebenen zeitgeschichtlichen Umständen zu realisieren sei, bewegte die Gemüter zu allen Zeiten.

Ziel dieses Panels ist es nun, ausgehend von der sicherheitspolitischen Analyse des Berichts Schmid – mitten im Kalten Krieg verfasst – zu fragen, welche Voraussetzungen der schweize-rischen Sicherheitspolitik sich seither grundlegend verändert haben. In welcher Weise haben sich die geopolitischen Veränderungen seit dem Fall der Berliner Mauer im November 1989 auf die Schweiz ausgewirkt?

Im April 1996 hat die „Arbeitsgruppe Sicherheitspolitik“ die Debatte über diese Fragen mit einigen Hypothesen anzuregen versucht. Sie forderte eine kooperative anstelle einer autarken Sicherheitspolitik. Sie postulierte, dass der relevante Sicherheitsraum grösser sei als das Terri-torium innerhalb der nationalen Grenzen und leitete davon die Notwendigkeit einer schweize-rischen Bereitschaft zur Mitwirkung – auch militärischen Mitwirkung – im Rahmen einer europäischen Sicherheitspolitik ab. Davon wiederum wurde eine neue Konfiguration der Ar-mee – kleiner und stärker professionalisiert – abgeleitet.

Die Diskussion um diese grundsätzlichen Fragen ist noch nicht beendet. Die Studienkommis-sion für strategische Fragen, die von Bundesrat Ogi eingesetzt wurde, hat ihren Bericht noch nicht vorgelegt. Wir diskutieren heute also noch in aller Unbefangenheit die grundlegenden Veränderungen, die sich aus den grossen geopolitischen Veränderungen in unserem Umfeld seit 1969 für die Schweiz ergeben.

Das Vorgehen ist so, dass die Teilnehmer an unserem Panel gebeten wurden, 5 bis 7 Minuten über je einen Aspekt zu referieren, der ihnen in der Beurteilung der Situation heute grundle-gend anders erscheint als das zur Zeit der Kommission Schmid der Fall war. Danach wird die Möglichkeit gegeben sein, Fragen an das Panel zu stellen.

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Die Mitglieder des Panels sind Herr Botschafter Edouard Brunner, Botschafter im Ruhestand und zur Zeit Präsident der Kommission für strategische Fragen, deren Resultate wir alle mit grossem Interesse erwarten. Im weiteren Herr Korpskommandant Dr. Arthur Liener, General-stabschef der Armee, Herr Dr. Bruno Lezzi, sicherheitspolitischer Redaktor der Neuen Zür-cher Zeitung, Prof. Dr. Curt Gasteyger des Institut Universitaire de Hautes Etudes Internationales in Genf, Herr Peter Arbenz, aus seinen vielseitigen Funktionen uns allen be-kannt, und schliesslich Herr Ständerat Dr. Otto Schoch. Herr Korpskommandant Jean Abt ist leider nicht anwesend. Sein schriftliches Statement liegt aber vor. Ich werde es vortragen.

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Arthur Liener

Veränderungen im Bereich der (Militär)-Strategie

Meine Damen und Herren

Am offensichtlichsten ist die – schon fast triviale – Feststellung, dass der Kalte Krieg zu Ende ist. Mit dem strategischen Umbruch von 1989/90 wurde sozusagen das sicherheitspolitische Bild der Welt, insbesondere aber Europas völlig auf den Kopf gestellt. Obwohl sich langsam die sicherheitspolitischen Strukturen, insbesondere der euroatlantischen Welt für das 21. Jahr-hundert abzeichnen, muss doch betont werden, dass wir in einer Zeitwende leben. Es sind noch lange nicht alle Antworten gefunden worden. Die Globalisierung wird zum alles überra-genden Schlagwort. Sie hat zumindest das Paradigma des Kalten Krieges abgelöst.

Schon auf den ersten Seiten des Berichts Schmid wird als das überragende Ziel einer schwei-zerischen Strategie, die ihrem Wesen als rein defensiv beschrieben ist, die Erhaltung eines Friedens, der die freie Bestimmung über die Ordnung der staatlichen Gemeinschaft, d. h. Un-abhängigkeit und Handlungsfreiheit ermöglicht, genannt. Diese Ziele haben auch heute nach wie vor ihre Gültigkeit. Sie heissen etwas moderner formuliert: Friede in Unabhängigkeit und Freiheit.

Als strategisch primäre Aufgabe für eine schweizerische Strategie mit genanntem Ziel wird die Dissuasion – die Abhaltung – genannt. Dabei wird betont, dass die Strategie des Klein-staates weit über das militärische hinausgehen müsse. Die Armee wird als eines der zahlrei-chen Mittel innerhalb des Konzeptes der Gesamtverteidigung zur Verfolgung der genannten Ziele gesehen.

Die Anstrengungen – ständig hohe Bereitschaft, schnelle und umfassende Mobilmachung – mittels Dissuasion die genannten Ziele zu erreichen, drückten sich entsprechend in den Bud-getzahlen der militärischen Landesverteidigung aus. Diese wurde notabene auch nicht zur Diskussion gestellt. Hier hat mit dem Ende des Kalten Krieges sicher ein Umdenken einge-setzt. Die Konzeption der Armee 95 beruht darauf, dass die Bereitschaft der Armee doch er-heblich gesenkt werden konnte.

Das sicherheitspolitische Umfeld von heute hat sich geändert. Von der einstmaligen Super-macht, die eine Bedrohung gegenüber unserem Land darstellen konnte, sind nur Altlasten übrig geblieben. Europa hat sich seit dem Ende des Kalten Krieges durch verstärkte Integrati-onspolitik und die Erweiterung der EU nachhaltig gewandelt. Die Nato steht kurz vor der Er-weiterung nach Osten. Das strategische Vorgelände der Schweiz weitet sich massiv nach Osten aus. Die Distanz zu Russland wird grösser. Damit wird die Schweiz noch mehr ein si-cherheitspolitisches Binnenland. Wir sind umgeben von befreundeten Nachbarstaaten, die untereinander in verschiedenen multilateralen Organisationen zusammenwachsen. Es geht von ihnen keine Bedrohung gegenüber der Schweiz aus. Dissuasion funktioniert in dieser sicherheitspolitischen Konstellation nicht mehr.

Ist damit die Strategie der Dissuasion gestorben?

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Die Schweiz gehört weder der EU noch der Nato an. Wir versuchen zwar, mit diesen Organi-sationen unser Verhältnis zu normalisieren: Sei es mittels bilateralen Verhandlungen einer-seits, mit der Teilnahme an der Partnerschaft für den Frieden andererseits. Im Ernstfall – im „worst case“ – wäre aber beides nicht Garantie genug. Deshalb sind wir weiterhin auf eine eigene, starke und schlagkräftige Armee angewiesen. Wobei wir uns immer die Frage nach den Möglichkeiten des Kleinstaates zu stellen haben. Sind wir tatsächlich in der Lage, die autonome Verteidigung glaubhaft zu führen? Heute wissen wir, dass gewisse Grenzen der autonomen Verteidigung erreicht sind. Die Dissuasion des Kleinstaates ist sicher an ihre Grenzen gestossen. Dies hat innenpolitische, aber auch aussen-sicherheitspolitische Gründe.

Innenpolitisch

Über die Verantwortung des einzelnen Bürgers, die allein die Miliz, nicht nur die Milizarmee, mit Leben ausfüllen kann, nur soviel: Die gesellschaftspolitische Entwicklung der letzten Jah-re hat einen Erodierungsprozess des Individuums gegenüber der staatlichen Gemeinschaft gebracht. Die Globalisierung wird begleitet durch einen ungeheuren Egoismus. Es darf mit Fug und Recht bezweifelt werden, ob die heutige Gesellschaft noch milizwillig und -fähig ist. Die Bereitschaft des Einzelnen sich für die Gemeinschaft einzusetzen, hat massiv nachgelas-sen. Der latente Kadernachwuchs in der Armee ist nur ein Indiz dafür.

Die Finanzmittel für die Landesverteidigung stehen seit langem permanent unter Beschuss. Die Umverteilungsinitiative wird uns in den nächsten Jahren stark beschäftigen, obwohl das EMD seit der Wende 1990 massiv Geld eingespart hat.

Aussenpolitisch

Die Gefahren des Kalten Krieges sind überwunden. Russland als kritische Grösse der neuen Ordnung Europas wird noch auf Jahrzehnte kein Angriffs-potential mehr haben. Aber neue, sogenannte moderne Bedrohungen sind auf den Plan getreten: Ich nenne u.a. das organisierte Verbrechen, Migration, Proliferation. Diese Bedrohungen machen jedoch vor keiner Landesgrenze halt. Die Armee ist dagegen kein unmittelbares Mittel. Ebenfalls geht die Entwicklung im elektronischen Bereich der Kriegführung rasant voran. Die soge-nannte „revolution in military affairs“ muss uns Sorgen bereiten. Es fehlen dem Kleinstaat die finanziellen Mittel und technischen Möglichkeiten. Im Bereich von Fernwaffen und satelli-tengestützten Kriegsformen sind wir gänzlich machtlos. In all diesen genannten Bereichen kann die Dissuasion keine Rolle spielen.

Schliesslich hat sich in den letzten Jahren ein Trend weg von der Militär- und Verteidigungs-strategie (Gesamtverteidigung) hin zur aktiven, umfassenden Sicherheitspolitik durchgesetzt. Die Rolle der Armee muss im Rahmen eben dieser Politik mindestens ergänzend neu definiert werden.

Der strategische Umbruch von 1989 muss auch in der Strategie des Kleinstaates Schweiz Auswirkungen haben. Sosehr sich aber die aussen-sicherheitspolitischen Voraussetzungen seit 1989 gewandelt haben, sowenig haben es die innenpolitischen.

Nach wie vor grenzen wir unsere militärische Strategieentwicklung durch die Determinanten Neutralität, Miliz und Föderalismus ein. Noch ist nicht ab-schliessend zu beurteilen, ob uns

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diese drei Konstanten nützliche Wegweiser in einer globalisierten Welt einerseits, notwendige Pfeiler unserer nationalen Identität andererseits, sowie auch hilfreiche Elemente der Aussen- und Sicherheitspolitik der Zukunft sein können. Ob aber unter Beibehaltung all dieser drei Konstanten eine neue Strategie für heute und morgen möglich ist, wage ich zu bezweifeln.

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Edouard Brunner

Adaptation aux nouveaux risques1

Messieurs les conseillers fédéraux, Mesdames et Messieurs

Le conseiller fédéral Furgler a tout à l’heure, en répondant à une des vos questions, Monsieur le président Spillmann, répondu à peu près ainsi, je le résume: „Un état doit pouvoir se défen-dre, c’est une question de dignité et d’existence.“ Et bien, aujourd’hui c’est la question que nous devons nous poser, est-ce que la Suisse peut se défendre; est-ce qu’elle peut se défendre seule, et contre quoi doit-elle se défendre.

J’essayerai de répondre d’une façon tout-à-fait brève en vous donnant quelques éléments de ce que je crois qui ne peut pas encore être la version définitive du rapport que nous allons établir.

Ce qui a changé essentiellement entre la rédaction du rapport Schmid et aujourd’hui, c’est qu’en 1969, le „warning time“ pour une invasion de l’occident et de la Suisse était de 24 heu-res. Aujourd’hui, il est de dix ans. Alors nous devons nous adapter à cela. Le danger ne vient plus de l’est, le danger est bien partout. Le danger, c’est la bombe dans la poubelle, c’est la roquette envoyée à cinq cent où à mille kilomètres de distance. Les israéliens en ont reçu une ou deux sur leur tête pendant la guère d’Irak. Ce sont aussi des dangers d’un autre type. Je pense qu’aujourd’hui, nous la Suisse, nous avons été atteints par des fusées à longue portée. Et nous nous trouvons dans une crise, peut-être la crise la plus importante depuis la fin de la guerre mondiale. Nous n’avons pas trouvé une parade, ni même une organisation contre ce genre de danger. Ce genre de danger peut se répéter à l’avenir. Et nous devons veiller aussi à nous préparer et à tirer les leçons de ce que nous vivons aujourd’hui.

Je crois, en ce qui concerne les moyens de notre défense, que nous ne devons pas avoir de tabous. Pour moi, les tabous, c’est l’indépendance du pays et c’est la liberté de ses citoyens. Mais les moyens, nous pouvons toujours les discuter. La neutralité, l’armée de milice, le fédé-ralisme sont des moyens. Donc, tout ceci doit être remis sur la table. Je dirais même que si on met la neutralité sur la table, on peut aussi envisager un rapprochement institutionnel avec certaines organisations européennes, comme l’Otan et comme l’Union européenne. Il faut en parler, il faut que ce débat soit ouvert. Car je crois que nous devons réaliser une chose: Durant la guère froide, nous n’étions jamais seuls, nous savions très bien que personne n’allait enva-hir uniquement la Suisse, sans envahir le reste de l’occident, et que si on envahissait le reste de l’occident, automatiquement nous aurions des alliées dans les pays menacés par le même agresseur. Aujourd’hui en revanche, on peut très bien imaginer des opérations ciblées à l’encontre de la Suisse. Nous en vivons une maintenant. Nous n’avons pas d’alliés, nous n’avons personne qui vient à notre secours, nous devons nous défendre tout seuls. Au-jourd’hui nous devons donc véritablement penser en ces termes.

1 Bei diesem Text handelt es sich um einen freien Vortrag.

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Il y a une seconde chose qui est évidente entre 1969 et aujourd’hui: À l’époque, il y avait deux super-puissances. Aujourd’hui, il y en a une. L’important ce n’est pas celle qui a dispa-ru, car elle ne va pas renaître de si vite. L’important, c’est qu’il y a une super-puissance dans le monde qui fait exactement ce qu’elle veut; c’est ça le problème. Et nous devons nous situer par rapport à elle aussi.

Je dirais que si nous prenons la Suisse d’aujourd’hui – et je ne veux pas avoir l’air trop pessi-miste – nous devons quand même réaliser de quoi il s’agit sur le plan de la politique étran-gère: Nous sommes absents des deux organisations les plus importantes qui existent en Europe, de l’organisation de sécurité Otan – bien que nous nous rapprochions lentement par le PfP – et de l’Union européenne. En même temps – et cela ne nous est jamais arrivé dans notre histoire – nous sommes en mauvais termes avec la super-puissance qui reste, les Etats-Unis d’Amériques, et nous sommes en difficulté dans nos négociations avec l’Union européenne. En tout cas, nous avons battu un record en ce qui concerne le nombre d’adversaires que nous avons en même temps. Nous devons réagir à cette situation, car nous voulons vivre, nous vou-lons vivre dignement dans ce monde et dans cette Europe.

On nous dit aussi qu’à l’occasion de cette crise, on veut créer une fondation pour aider sur le plan intérieur et extérieur les victimes de désastres et d’autres choses. Je trouve que l’idée est non seulement bonne et généreuse, mais elle s’inscrit dans la tradition de la Suisse. Mais ce que je n’aime pas dans l’idée, c’est de distribuer de l’argent. La Suisse ne doit pas toujours être un banquier ou un pseudo-banquier. Ce n’est pas de ça qu’elle vit, et ce n’est pas comme ça qu’elle doit apparaître dans le monde. Ce que je voudrais, c’est que cette fondation se transforme en quelque chose financé par la Suisse, mais quelque chose qui soit significatif et dans la tradition de la Suisse, qui soit dans les possibilités de la Suisse, qui soit identifiable et reconnaissable à la Suisse. Quelque chose un peu comme l’idée de la Croix Rouge au siècle dernier. Et c’est pour ça que je plaide en faveur d’un corps suisse de solidarité („Swiss Solida-rity Corps“) qui devrait sur le terrain, et pas seulement par son argent, mais par sa présence – comme le fait le corps suisse en cas de catastrophe et comme le font d’autres éléments de l’armée aussi – montrer unifié sous un seul chapeau et d’une seule façon sa solidarité avec le monde. Et il y en a des problèmes sur le terrain, par exemple en Albanie, en Bosnie, dans le Caucase et dans d’autres pays outre-mer. Ce que l’on attend de la Suisse, c’est un engage-ment.

Quand j’ai vu récemment le directeur de l’Europe aux département d’états Américain – qui lui-même est d’origine juive – il m’a dit: „Ce que l’on attend de ton pays, ce n’est pas qu’il donne de l’argent, mais c’est un engagement humain et physique; un engagement visible.“ Et je trouve que c’est une excellente défense de notre pays aujourd’hui. Car c’est ainsi que nous pourrons nous défendre notre génération à nous, pour monter au reste du monde que malgré notre absence de l’Onu et de l’Europe, nous sommes solidaires avec le monde.

Je crois que ce que l’armée de demain devrait faire, c’est s’engager, c’est s’adapter. Je ne prends pas à dessein le mot allemand „Anpassung“ qui a des connotations difficiles, mais le mot français d’adaptation qui est un mot très noble. Troisièmement, l’armée devrait collabo-rer, car sans collaboration avec nos voisins ou avec certains pays, nous ne voyons même pas le danger, car nous n’avons pas de satellite.

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Voilà quelques repères.

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Peter Arbenz

Die internationale Kooperation aus der Sicht des Berichts Schmid und von heute

Im ersten Teil des Berichts Schmid finden sich einige markante Leitsätze zur Notwendigkeit und Bedeutung der internationalen Kooperation:

„Im übrigen werden wir uns, um die Proportionen zu wahren, bewusst bleiben müssen, dass die Sicherheit unseres Landes in weit höherem Mass von den internationalen Konstellationen und von der Sicherheitspolitik unserer Umwelt auf globaler, regionaler und nationaler Ebene abhängig ist [...] als von unseren eigenen Mitteln und Vorkehrungen.“1

Oder etwa:

„So stellt uns die Politik des europäischen Zusammenschlusses nicht nur vor die Frage des Mitmachens, sondern letztlich vor die Frage, ob der souveräne Kleinstaat schweizerischen Musters überhaupt eine Zukunftschance habe.“2

Und:

„Dabei wohnt einer strikten Neutralitätspolitik die Gefahr inne, dass sie den Hang zu selbstge-fälligem Abseitsstehen verstärkt und uns in eine gefährliche Isolation treibt.“3

Schliesslich:

„Mehr als früher müssen die Staaten in der Welt von heute ihre Daseinsberechtigung auch durch ihren Nutzen für andere und durch ihre Ausstrahlung belegen. Der moralische Vorwurf, der auf den Neutralen lasten kann [...], lässt sich nicht durch gelegentliche Solidaritätskund-gebungen, sondern nur durch eine mit der Neutralität vereinbare Politik der Mitwirkung und Mitverantwortung widerlegen.“4

Im Bericht Schmid werden dann eine Reihe von Möglichkeiten eines solchen internationalen Engagements der Schweiz genannt, wie etwa die guten Dienste, die Entwicklungszusammen-arbeit und die humanitäre Hilfe und vor allem die Tätigkeit des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz.

Grundsätzlich fällt bei der Lektüre des Schmid-Berichts auf, dass im Bereich der internationa-len Kooperation vieles in der „Kann-Formel“ erwähnt wird, jedoch nicht in eine formulierte Strategie ausmündet. Der Schmid-Bericht war aus heutiger Distanz betrachtet – aber aus der damaligen Zeit verständlich – eine Grundlage für eine Kriegs- beziehungsweise Kriegsver-hinderungsstrategie. Dies kommt nicht zuletzt in der verwendeten Terminologie zum Aus-

1 Studienkommission für strategische Fragen. Grundlagen einer strategischen Konzeption der Schweiz. Be-

richt der Studienkommission für strategische Fragen. Schriften des SAD Nr. 11. Stäfa 1971. S. 30. 2 Ebd., S. 41 (Hervorhebungen im Original). 3 Ebd., S. 47. 4 Ebd., S. 47 (Hervorhebungen im Original).

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druck. Er spricht zum Beispiel von „Kriegswirtschaft“ oder von der „Kriegsabteilung Presse und Funkspruch“ und so weiter.

Heute gilt es demgegenüber, eine Friedensstrategie zu entwickeln, das heisst eine Strategie für Freiheit, Wohlfahrt, Frieden und weltweite Stabilität, mithin vor allen eine Konfliktbewälti-gungs- und Demokratisierungsstrategie; denn aus historischer Erfahrung führen Demokratien weit weniger Krieg als totalitäre Staaten. Voraussetzung, dass solche Strategien Wirkung ent-falten, sind nationale Anstrengungen, internationale Arbeitsteilung und Zusammenarbeit. Ein Alleingang bringt hier nichts.

Sei den späten sechziger Jahren hat sich, wie wir alle wissen, vieles geändert, nicht nur das strategische Umfeld, sondern auch die offizielle schweizerische Haltung von Bundesrat und Parlament im Sinne einer vermehrten Öffnung und Bereitschaft zur Kooperation. Bei einem Teil unserer Bevölkerung allerdings stellt man eher eine gewisse Verhärtung fest, einen Hang zum Isolationismus und zu einem „fundamentalistischen“ Neutralitätsverständnis.

Die offizielle schweizerische Neutralitätspolitik hat sich indessen zaghaft gewandelt. Noch vor kurzem wäre es zum Beispiel undenkbar gewesen, dass wir einer IFOR oder SFOR Über-flugs- oder Durchmarschrechte durch unser Land gewährt hätten. Gewandelt hat sich aber auch die Nato, die sich mehr und mehr von einer Verteidigungsallianz zu einer umfassenden euroatlantischen Sicherheitsorganisation entwickelt hat. Dieselbe Nato hat unter anderem die Partnerschaft für den Frieden kreiert, in der unser Land ebenfalls mitwirkt.

Seit dem Schmid-Bericht formierte sich die Konferenz beziehungsweise Organisation für Si-cherheit und Zusammenarbeit in Europa, der heute 55 Staaten angehören. Die Schweiz führte in ihr bekanntlich im letzten Jahr den Vorsitz. Auch im Europarat trägt die Schweiz als Voll-mitglied zur freien Entfaltung der demokratischen Kräfte in Europa bei.

Einen Rückschlag erhielt die sicherheitspolitische Bereitschaft der Schweiz, an internationa-len friedenserhaltenden Operationen mitzuwirken, durch die negative Blauhelmabstimmung im Jahre 1994. Dennoch war es zwischenzeitlich möglich, Gelbmützen nach Bosnien-Herzegowina zu entsenden, die der OSZE in diesem Krisengebiet wertvolle logistische Unter-stützung leisten.

Weitergeführt haben wir bis zum heutigen Tag die Überwachungsmission in Korea, und seit vielen Jahren stellen wir der Uno Militärbeobachter und Blau- mützenkontingente zur Verfügung. Schliesslich haben wir auch einige internationale Abrüs-tungsabkommen unterzeichnet, wie zum Beispiel das Chemiewaffen-Abkommen, das kürz-lich in Kraft getreten ist. Mit der Bildung des Genfer Zentrums für Sicherheitspolitik wurde schliesslich ein attraktives Forum für sicherheitspolitische Ausbildung und Kooperation ge-schaffen.

Andererseits haben wir einstweilen weder die Mitgliedschaft bei den Vereinten Nationen noch in der Europäischen Union geschafft, obwohl dies der deklarierten bundesrätlichen Aus-senpolitik entspricht. Ein Beitritt zur Nato steht wohl kaum zur Diskussion, mindestens so lange nicht, als wir uns mittels der Neutralität mehr Sicherheit versprechen.

Insgesamt dürfen wir heute feststellen, dass unsere Sicherheitspolitik den Weg einer internati-

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onalen Kooperation und eines vermehrten Engagements beschreitet, dass diese Politik aber in der breiten Bevölkerung noch zu wenig verankert ist und immer noch einer gewissen Skepsis begegnet. Ohne die Unterstützung der Bürgerschaft geht in einer direkten Demokratie be-kanntlich aber wenig oder nichts. Wir haben also einerseits ein Mentalitätsproblem und ande-rerseits ein Kommunikationsdefizit. Es müsste uns demnach in nächster Zeit gelingen, überzeugend darzulegen, dass ein sicherheitspolitisches Engagement zur Konfliktprävention und -linderung mit den Mitteln der Diplomatie und auch mit Formationen unserer Armee kei-ne Einmischung in fremde Händel ist, sondern ein Akt der Solidarität mit Menschen in Kri-senlagen oder akuten Notsituationen. Eine solche Politik gewährleistet heute gleichzeitig auch am ehesten die Sicherheit unseres eigenen Landes.

Für die Implementierung einer solchen Friedensstrategie braucht es meines Erachtens zu-nächst noch eine etwas engere Zusammenarbeit zwischen dem EDA und dem EMD, und wenn wir an die Herausforderung der Migrationsproblematik oder des international organi-sierten Verbrechens denken, auch mit dem EJPD. Diese Zusammenarbeit müsste zunächst besser werden auf der Stufe des Bundesrates und ihrer Generalsekretäre sowie selbstverständ-lich auch den Mittelbau der Bundesverwaltung umfassen. Ohne diese interne Vernetzung und Koordination des strategischen Handelns werden wir auch in der internationalen Kooperation keine Wirkung entfalten.

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Jean Abt

Quelques changements intervenus dans les conditions-cadres de la politique de sécurité de la Suisse, depuis le Rapport Schmid jusqu’à aujourd’hui

Mesdames et Messieurs

Tout change, rapidement! Comme le Rapport Schmid l’indiquait déjà autrefois. A l’époque, entre le dépôt du Rapport en novembre 1969 et son exploitation au printemps 1971, on indi-quait déjà huit secteurs essentiels dans lesquels étaient intervenus des changements impor-tants. En une année et demie, seulement! Retenons-en l’enseignement que bien des conditions majeurs pourraient changer encore, prochainement, au rythme des chambardements récents.

Aujourd’hui, cependant, héritiers d’un ordre défait, mais face à d’énormes défis, nous interro-geons le passé pour y trouver similitudes et différences, repérer des enseignements, voire des recettes. Quelles sont donc les différences? Qu’est-ce qui a changé dans les conditions-cadres de notre politique de sécurité? Je suis tenté de répondre: „Tout et rien!“

Tout, parce que la situation stratégique est chambardée; parce que le risque de confit générali-sé s’est éloigné; parce que les menaces sur la sécurité et la paix ont changé, sont devenues plus complexes, plus subtiles, tout en restant violentes, brutales, cruelles; parce que les arme-ments du futur font penser déjà à des affrontements de science-fiction.

Rien, parce que l’insécurité demeure; parce que le phénomène permanent de la violence et de la guerre a causé plus de victimes en quelques conflits récents et locaux que durant toute la guerre froide; parce que la multiplication des foyers et des crises révèle l’insuffisance des instruments de paix; parce que les rapports entre les Etats sont, et seront toujours, des rapports de force. Rien, enfin, parce que notre communauté nationale, toujours attachée à l’idée d’une certaine indépendance, continue le choix de la paix dans la liberté.

„Tout et rien!“ Cela doit nous inciter à réfléchir, à débattre, dans le Pays, comme ici, au-jourd’hui. Cela nous encourage à repérer les changements passés et ceux à venir.

Au plan politique

Ce niveau prime! C’est lui qu’incombe la responsabilité de définir et de conduire la politique de sécurité du Pays. Il l’a fait clairement, à travers les messages de 1966 et de 1973. Il a pro-cédé depuis à la judicieuse mise à jour qu’illustre le message du 1er octobre 1990 ainsi que la loi sur l’armée et l’administration militaire votée au printemps 1995.

On y perçoit le fil conducteur da la neutralité armée, visant à la plus grande autonomie possi-ble, ceci malgré l’interdépendance croissante et le désir d’un engagement plus prononcé dans la politique internationale. S’il n’était pas question , à l’époque, de participer au programme de partenariat d’une alliance, c’est devenu possible et nécessaire aujourd’hui. La promotion de la paix tient lieu, dès lors, de mission explicite. Le partenariat pour la paix, maintenant conclu avec une alliance militaire, devient réalité, sans pour autant signifier adhésion à cette alliance ni renonciation à la neutralité. Exercice difficile, mais réaliste en dehors du temps de

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crise. C’est là un changement important.

Au plan stratégique

La Suisse, au temps du Rapport Schmid, se positionnait par rapport à un monde bipolaire et à ses alliances militaires: Otan – Pacte de Varsovie. La crainte était alors réelle d’un conflit généralisé, avec emploi d’armes de destructions massives.

Le contexte a bien changé. Une seule grande puissance influence dorénavant le cours des cho-ses. C’est par rapport à elle, partenaire ou tuteur, qu’il s’agira vraisemblablement de clarifier l’attitude et les choix stratégiques. Et l’Europe? Car l’Otan n’est pas l’Europe. Diverses orga-nisations s’intéressent à la sécurité européenne. C’est un changement crucial par rapport à la situation d’avant. Un changement, mais pas une simplification. Si l’on y trouve beaucoup de bonnes intentions, on n’y voit pas la ferme volonté de mettre rapidement en place un modèle durable et fiable de sécurité en Europe.

Pourtant, si notre choix stratégique vise d’abord l’intérêt de la Suisse, il profite aussi, de ma-nière significative, à la sécurité européenne. Au-delà du continent cependant, un nouveau contexte se développe qui nous concerne aussi et peut conduire à des catastrophes. En effet, à l’époque de la globalisation, force est de constater que „le monde est stratégiquement non plus global, mais éclaté.“ (Pascal Boniface, „La volonté d’impuissance“). La guerre en ex-Yougoslavie l’a démontré, comme en Somalie, au Tadjikistan, en Tchétchénie, dans plusieurs pays d’Afrique maintenant.

Certains pensaient, après la chute du mur, que la menace avait disparu et c’est la guerre qui est apparue. Loin d’ici, bien sûr, mais la guerre quand même. Avec ses malheurs, ses dévasta-tions et ses horreurs. Avec les effets dramatiques d’une militarisation sauvage, liée à la dissé-mination des armements.

Avec les conséquences déjà réelles en Occident, des migrations lentes, massives, inexorables, depuis les pays en guerre pauvres, vers les pays riches. Face à ces difficultés, des coordina-tions politiques et stratégiques sont nécessaires et urgentes, pour éviter des catastrophes. Qui en décidera? Quel sera notre rôle?

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Au plan militaire

Les développements techniques n’ont pas ralenti depuis le temps du Rapport Schmid et de-puis l’année du premier pas sur la lune. La domaine spacial, précisément, l’exploitation par satellites, les fusées balistiques et leur interception apportent une dimension nouvelle à notre appréciation.

Si l’on veut rester crédible en matière de sécurité, des coopérations sont devenues indispensa-bles. Le problème se posait autrefois par rapport au nucléaire, sujet très délicat; il existe au-jourd’hui dans le domaine spacial et de ses technologies, où nous sommes, c’est vrai, déjà présents.

Mais d’autres développements, d’autres activités, menacent la sécurité des communautés et des gens. Par leur ampleur, elles marquent aussi un changement et requièrent, en plus des po-lices, une préparation militaire. Il s’agit du terrorisme, des multiples activités clandestines, des trafics et de la violence infra-guerrière.

Le phénomène est nouveau par son importance et par ses liens avec d’autres facteurs d’insécurité. Il fait obligatoirement partie des appréciations et des dispositions nécessaires aujourd’hui.

Demain

S’il importe de repérer les changements intervenus entre la fin des années 60 et aujourd’hui, il est tout aussi nécessaire d’imaginer les développements probables dans les années à venir. Plus difficiles, mais nécessaires.

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Bruno Lezzi

Welche Voraussetzungen haben sich im Bereich der Führung gegenüber dem Bericht Schmid verändert?

Einleitung

Meine Damen und Herren

Den äusseren Rahmen, in dem bis Ende der achtziger Jahre strategische Führung ausgeübt werden musste, bildete die durch das atomare Gleichgewicht in Schranken gehaltene Kon-frontation zwischen den beiden Supermächten. Die personellen, materiellen und organisatori-schen Vorbereitungen waren auf den Extremfall, auf einen mit nuklearen Mitteln ausgetragenen europäischen Grosskrieg, ausgerichtet. So hielt denn auch der Bericht Schmid in Ziffer 98 fest, dass es darum gehen müsse, „die ‚umfassende Abwehr‘ im Hinblick auf den totalen Krieg in die Wege zu leiten.“1 In diesem Zusammenhang ist übrigens interessant, dass sich die Autoren des Berichts fast ein Vierteljahrhundert nach Beendigung des Zweiten Welt-kriegs begrifflich – vielleicht auch nur unbewusst – immer noch am Titel von Erich Luden-dorffs letztem Buch aus dem Jahre 1935 orientierten. Dessen Idee, wonach der totale Krieg und die daraus abgeleitete Forderung nach der totalen Mobilmachung personeller und mate-rieller Ressourcen letztlich zu einer völligen Identität der staatlichen Friedens- und Kriegs-strukturen führen müssten, fand in analoger Weise Eingang in die Organisationsphilosophie der Gesamtverteidigung. Karl Schmid selber hat 1959 in einem Vortrag über das „Wesen der künftigen Kriegsführung“ den Begriff des totalen Krieges verschiedentlich explizit themati-siert.

Führungsorganisation

Es versteht sich fast von selbst, dass die Armee und damit auch ihre Führungs-prinzipien im Zentrum eines derartigen Selbstbehauptungsmodells standen, auch wenn in Grundlagenpapieren das ausgewogene Zusammenspiel aller Be-reiche der Gesamtverteidigung hervorgehoben wurde. Die Totalität eines mögli-chen Krieges mit seinen gravierenden Auswirkungen auf ein vielschichtiges gesellschaftliches und komplexes staatliches System wie die Schweiz fand ihr Spiegelbild in ebenso umfassenden wie komplex gebauten Führungsstrukturen. „Gigantische“, fein verzweigte Architekturen wurden konstruiert und – auf Grund von Übungserfahrungen notabene – kontinuierlich verbessert. Gleicher-massen total wie das Kriegsbild waren die Ansprüche an Organisation und Führung. Nichts sollte dem Zufall überlassen werden. Kriegsbücher und zahllose Ernstfall-Dossiers, die voll von Detailregelungen und vorbehaltenen Entschlüs-sen waren, sollten es erlauben, die adäquaten Massnahmen mit einem Griff in die Schublade auch in schwierigen Lagen zeitgerecht einzuleiten. Entsprechend gross war der Koordinationsbedarf. Die Eigenheiten des

1 Studienkommission für strategische Fragen. Grundlagen einer strategischen Konzeption der Schweiz. Be-

richt der Studienkommission für strategische Fragen. Schriften des SAD Nr. 11. Stäfa 1971. S. 77.

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schweizerischen Re-gierungssystems und der föderale Staatsaufbau verlangten eine feine Regu-lierung der Räderwerke zur Krisen- und Kriegsvorsorge. Die Abstimmung der sicherheitspolitischen Instrumente und ihrer Mechanik war deshalb aufwendig, weil in unserem Regierungssystem die Machtballung in Einzelbereichen prinzipiell argwöhnisch betrachtet wird. So führte etwa der feste Wille, Lage-beurteilung und Führung auf der Stufe des Kollegiums zu konzentrieren, zu (systembedingt) suboptimalen Lösungen.

Trotz ehrgeizigem Anspruch auf die zeitgerechte Versorgung mit Schlüsselinformationen und auf eine ebenso rasche strategische Gesamtanalyse gelang es nie, einen umfassenden Nach-richtenapparat auf Regierungsstufe anzusiedeln. Unter solchen Umständen musste auch der 1986 publizierte Schlussbericht der Expertengruppe Muheim Sisyphusarbeit bleiben.

Führung in einem neuen Umfeld

Heute, unter den veränderten weltpolitischen Rahmenbedingungen, sind die für den Extrem-fall des totalen Krieges konstruierten komplizierten Organisationsformen und Führungsme-chanismen nur noch bedingt tauglich. Zwar wurde die Gewichtsverlagerung von der hauptsächlich militärischen Bedrohung zu einem breiten Spektrum von neuen Risiken und Gefahren bereits in der Gesamtverteidigungsübung 1988 antizipiert und wenig später im si-cherheitspolitischen Bericht 90 analytisch verarbeitet. Krisenlagen, mit denen wir heute kon-frontiert sind, bildeten bis dahin, vor allem in Übungslagen, zumeist nur unwillkommene und deshalb nicht selten marginalisierte Störfaktoren bei der Bewältigung militärisch-operativer Probleme; jetzt stehen sie im Vordergrund.

Die Lösung aus den in vielen Jahren zementierten Strukturen bereitet Schwierigkeiten. Dies zeigt sich nicht zuletzt jetzt, wo die Schweiz in der „Schatten-Krise“ um noch nicht oder zu wenig ausgeleuchtete dunkle Vorfälle im Zweiten Weltkrieg unter Druck von aussen, eine in sich geschlossene, längerfristig angelegte Strategie formulieren und umsetzen müsste, wo mit anderen Worten Führung gefordert wäre. Die jahrelange Beschäftigung mit dem Grosskrieg unter den Laborbedingungen von Übungen hat den Blick für die Notwendigkeit flexibler Re-aktionen verstellt. Gegenwärtig geht es nicht mehr darum, die auf zwischenstaatliche Konflik-te ausgerichtete Maschinerie in Gang zu setzen, sondern es handelt sich darum, mit überzeugenden Handlungsmustern – unterstützt von massgeschneiderten Stäben – situations-gerecht zu agieren. In einer Welt, in der Nichtregierungsorganisationen (sogenannte NGO) Staaten verhältnismässig rasch aus dem Konzept bringen können und der Territorialstaat – wie Richard Rosencrance in einem in der Zeitschrift „Foreign Affairs“ abgedruckten Artikel mit dem Titel „The virtual State“ schreibt, nicht durch militärische Gewalt, sondern unter anderem durch das Spiel der Finanzmärkte und, nebenbei bemerkt, auch durch Umtriebe der organisierten Kriminalität herausgefordert wird, sind schlankere, effizientere Strukturen nötig. Der Normalfall ist zum Ernstfall geworden. Das ist die hauptsächlichste Änderung gegenüber der Zeit des Kalten Krieges. Wer hätte sich einst vorstellen können, dass sich der Neutralitäts-schutzfall einmal in der Form stellen würde, wie sie heute konstatiert werden muss? Nicht aus militärischen, sondern aus historischen und moralischen Gründen wird die Neutralität im Aus-land in Zweifel gezogen. Es ist ja eigentlich paradox: Während man gegenwärtig mit grossem Personalaufwand und allem nur erdenklichen Raffinement die Strategische Führungsübung 97

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für das sicherheitspolitische Training in virtuellen Lagen vorbereitet, wird in der Realität der aktuellen Situation eher hilflos agiert.

Schwergewichtsverschiebungen ergeben sich aber auch in anderer Hinsicht; dazu stichwortar-tig soviel: Das in Seminaren oft und eingehend behandelte Thema der vielschichtigen Bezie-hungen zwischen Landesregierung und Oberbefehlshaber bei der strategischen Führung im Kriegsfall hat an Bedeutung verloren. Fragen wie jene nach der Staatsführung im Nuklear-krieg sind marginal geworden. Das trifft nicht zuletzt auch auf die Führung des bewaffneten Widerstandes in feindbesetztem Gebiet zu. An deren Stelle treten andere Grundsatzfragen: Eine könnte etwa wie folgt lauten: Welche Voraussetzungen sind zu schaffen, damit Führung in krisenhaften Situationen im Normalfall wirkungsvoll zum Tragen kommen kann? Nicht die Optimierung des Alleingangs, sondern die bestmögliche Nutzung internationaler institutionel-ler Möglichkeiten zur Verfolgung unserer Interessen steht im Zentrum. Und schliesslich wird man meines Erachtens nur dann weiterkommen, wenn das Regierungssystem mit allen Kon-sequenzen für das gesamte politische Kräftespiel einer grundsätzliche Renovation unterzogen wird, wenn, präziser ausgedrückt, die Stellung des Bundespräsidenten entscheidend gestärkt wird. Mit Blick auf eine überzeugende strategische Führung könnten dann auch die Organe für strategische Lagebeurteilung und Führungs-unterstützung sachgerecht eingegliedert wer-den; unbefriedigende Behelfslösungen fielen dahin. Man könnte sich meines Erachtens sehr wohl einen für Nachrichtenwesen und Lageanalyse verantwortlichen Delegierten beim Bun-des-präsidenten vorstellen.

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Was bleibt? – Schlussbemerkungen

Lassen sie mich abschliessend nur noch folgendes festhalten: Während die führungsorganisa-torischen Schwerpunktbereiche im Bericht Schmid in mancher Hinsicht an Bedeutung einge-büsst haben, bleiben die grundsätzlichen Gedanken zur strategischen Führung, wie sie beispielsweise etwa im Kapitel 10.3 beschrieben sind, nach wie vor gültig. Eine richtig ver-standene, glaubwürdige strategische Führung, so wird unter anderem festgehalten, verlangt zeit- und lage-gerechte Entscheide. Diesem Ziel haben die Führungsstrukturen zu dienen. In diesem Sinne hat auch das Leitthema der Gesamtverteidigungsübung von 1988 „Maximierung der strategisch-operativen Flexibilität“ seinen Stellenwert auch über den rein militärischen Bereich hinaus behalten. Es geht, wie dies Gustav Däniker früher einmal formuliert hat, um Witterung und Nutzung von Chancen zur Wahrung der Landesinteressen. Strategische Füh-rung heisst also nicht Stabsmechanik, sondern sie ist je länger desto mehr, ein anspruchsvoller intellektueller Prozess.

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Otto Schoch

Bedeutung der Neutralität für die Sicherheitspolitik einst und heute

Meine Damen und Herren

Weil ich seinerzeit nicht das Privileg hatte, Mitglied der Kommission Schmid zu sein, bin ich darauf angewiesen, vieles in den Bericht dieser Kommission hinein zu interpolieren bzw. aus ihm heraus zu interpretieren. Im Zusammenhang mit dem mir vorgegebenen Thema, nämlich der „Bedeutung der Neutralität einst und heute“, ist dabei natürlich das von besonderem Inte-resse, was der Bericht zur Neutralität ausdrücklich sagt. Fündig wird man diesbezüglich in den Ziffern 47 und 48 des Berichts, wo Ausführungen nachzulesen sind über die Neutralitäts-politik im engeren Sinne und, daraus abgeleitet, über die „Möglichkeiten der internationalen Präsenz“. Indessen sucht man, bei allen hilfreichen Hinweisen, die der Text vermitteln mag, vergeblich nach einer Definition des Begriffes „Neutralität“. Wir haben heute Vormittag ge-hört, wie intensiv sich die Kommission Schmid um eine sachgerechte Definition des Begriffes „Strategie“ bemüht hatte. Demgegenüber ist im ganzen Bericht nicht der Ansatz eines Versu-ches zu finden, auch den Begriff „Neutralität“ zu definieren, zu sagen, was Neutralität eigent-lich ist.

Beim Versuch, wenigstens auf dem Weg der Interpretation zu einer Definition des Begriffs Neutralität zu gelangen, macht der heutige, unbefangene Leser des Berichts dann aber bald einmal eine sehr interessante Feststellung: Überall dort, wo von Neutralität die Rede ist, er-scheint stets auch das Wort Unabhängigkeit. Die beiden Begriffe Neutralität und Unabhän-gigkeit werden im ganzen Bericht immer als Paarbegriff verwendet; vgl. dazu als Beispiele die Ziffern 46, erster Satz und 47 mit folgenden Wortlauten:

„Der Aufbau und die Einsatzgrundsätze unserer Armee sind bestimmt durch ein doppeltes Ziel: Wir wollen mit ihr unsere Unabhängigkeit bewahren, aber auch den Status der Neutrali-tät sichern.“1

„Unsere Aussenpolitik und unsere Diplomatie müssen wie bisher, so auch in Zukunft, un-missverständlich unsere Entschlossenheit zum Ausdruck bringen, die Unabhängigkeit und die Neutralität allen fremden Mächten gegenüber, wenn nötig mit Waffengewalt, zu verteidi-gen.“2

Aus diesen beiden Zitaten geht ganz klar hervor, dass zu Zeiten der Niederschrift des Berichts Schmid nicht nur die Unabhängigkeit einen Selbstwert hatte, eine Zielsetzung war, sondern gleichwertig mit der Unabhängigkeit wurde auch die Neutralität als Selbstzweck, als Ziel und nicht als Mittel zum Zweck begriffen. Ich lege Wert darauf, hier zu betonen, dass ich damit den Bericht nicht kritisieren will, sondern ich interpretiere den Bericht aus heutiger Sicht her-

1 Studienkommission für strategische Fragen. Grundlagen einer strategischen Konzeption der Schweiz. Be-

richt der Studienkommission für strategische Fragen. Schriften des SAD Nr. 11. Stäfa 1971. S. 46. 2 Ebd., S. 46f.

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aus. Der Bericht ist naturgemäss im Sinne des Zeitgeistes geschrieben worden. Ich habe sei-nerzeit selbst so gedacht, und ich nehme an, dass alle, die sich damals mit diesem Thema aus-einandergesetzt haben, die Neutralität und nicht nur die Unabhängigkeit als Selbstzweck verstanden.

Mittlerweile hat sich aber die Betrachtungsweise doch grundlegend geändert, und ich meine, es sei gerade heute besonders wichtig, dass wir uns darüber volle Rechenschaft ablegen, da wir sonst Gefahr laufen, den Bericht Schmid falsch zu interpretieren, misszuverstehen und daraus Fehlschlüsse abzuleiten Wenn ich heute den Bericht Schmid und das, was dort zur Neutralität gesagt worden ist, mit der offiziellen Politik von Bundesrat und Parlament verglei-che, dann stelle ich fest, dass da gewaltige Entwicklungen zu verzeichnen sind. Neutralität ist heute ganz klar und indiskutabel nie Selbstzweck, sondern stets nur Mittel zum Zweck. Der Zweck aber, die Zielsetzung ist die Unabhängigkeit. Ich kann das anhand einer Fülle von Be-legen dartun:

Zunächst zitiere ich eine Passage aus dem offiziellen Bericht des Bundesrates zur Aussenpoli-tik der Schweiz in den 90er Jahren, einem Bericht, der auch durch das Parlament gutgeheissen worden ist und wo folgendes nachgelesen werden kann:

„Den vielfachen historischen Veränderungen, denen Inhalt und Tragweite der schweizeri-schen Neutralität unterworfen waren, sowie ihrer rein dienenden, instrumentalen Funktion müssen wir uns – ähnlich wie frühere Generationen – bei der Diskussion um unsere Aussen- und Sicherheitspolitik wieder bewusst werden. Die Neutralität darf nicht ein unantastbares Dogma sein. Die Änderungen in unserer Umgebung und im aussenpolitischen Verhalten an-derer Staaten haben – ob wir das wollen oder nicht – Rückwirkungen auf unsere aussenpoliti-schen Zielsetzungen und auf den Stellenwert der Neutralität. Je nach der aussenpolitischen Situation ist die schweizerische Neutralität mehr oder weniger relevant.“3

Dasselbe hat der Chef EMD, Bundesrat Ogi, gleich in mehreren Vorträgen gesagt, die er im Verlaufe des ersten Halbjahres 1997 bei der Offiziersgesellschaft der Stadt Bern, an einem Seminar der Nordatlantischen Versammlung in Genf oder kürzlich an der Jahresversammlung der Schweizerischen Offiziersgesellschaft in Winterthur gehalten hat. Aus der letzteren Rede kann die folgende Aus-sage zitiert werden:

„Wir müssen auch militärische Risiken im Auge behalten, die wir aus technologischen Grün-den nicht alleine bewältigen können. Im Rahmen des neutralitätsrechtlich Möglichen stellt sich daher die Frage nach vermehrter Zusammenarbeit mit unseren Nachbarstaaten.“4

Ich könnte mich aber auch auf Bruno Lezzi, den für sicherheitspolitische Fragen zuständigen NZZ-Redaktor, berufen, der folgendes geschrieben hat:

„Statt dessen wurde der Alleingang zum Prinzip erhoben. Die Doktrin der Abschottung ge-genüber Europa unter der Fahne der Wahrung der Unabhängigkeit wurzelt in einem verklär-

3 Bericht über die Aussenpolitik der Schweiz in den 90er Jahren. Anhang: Bericht zur Neutralität. vom 29.

November 1993. S. 61 (Sonderdruck). 4 Referat von Bundesrat Ogi anlässlich der Delegiertenversammlung der Schweizerischen Offiziersgesell-

schaft. Winterthur, 14. Juni 1997.

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ten Bild der Neutralität. Dabei hätte man hellhörig werden müssen.“5

Zu guter Letzt wäre an das jüngst im Hochschulverlag der ETH Zürich erschienene, dem Thema Neutralität gewidmete Werk von Prof. Jürg Martin Gabriel zu erinnern, bei dem allein schon der Titel provoziert: „Sackgasse Neutralität“6! Angesichts dieser klaren Aussage im Buchtitel selbst kann ich es mir wohl ersparen, Einzelpassagen aus diesem Buch vorzutragen.

Ich meine, damit dargetan und belegt zu haben, dass sich die Optik im Verlaufe des letzten Vierteljahrhunderts ganz grundlegend verändert hat. War es zur Zeit der Abfassung des Be-richts Schmid noch offizielle Lehrmeinung und unbestrittene Doktrin, es müsse Aufgabe der Sicherheitspolitik sein, die Erhaltung von Unabhängigkeit und Neutralität zu gewährleisten, so wissen wir heute, dass die Neutralität nur dienendes Instrument, nur Mittel zum Zweck ist. In der Zeit seit den späten sechziger-, frühen siebziger Jahren bis heute ist diesbezüglich eine elementare Veränderung eingetreten.

In diesem Zusammenhang ist nun aber auf einen hochinteressanten und aufschlussreichen Gesichtspunkt mit besonderem Nachdruck hinzuweisen: Das Neutralitätsverständnis gemäss Bericht Schmid ist nämlich keineswegs historisch überliefert und schon immer so begriffen worden. Es hat sich diesbezüglich vielmehr im Verlaufe der Jahrzehnte seit der Gründung unseres Bundesstaates im Jahre 1848 bis in die Mitte der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts eine zwar schleichende, aber deswegen nicht minder elementare Veränderung in der Betrach-tungsweise ergeben. Was heute offizielle Politik von Bundesrat und Parlament ist, entspricht in Tat und Wahrheit dem, was bereits unsere Gründerväter unter dem Begriff „Neutralität“ verstanden. Das ergibt sich aus einer Fussnote auf Seite 60 des bundesrätlichen Berichts zur Neutralitätspolitik, auf die ich hier verweisen möchte: Man hat sich nämlich an der eidgenös-sischen Tagsatzung von 1847 über die Frage unterhalten, ob die Aufrechterhaltung der Neut-ralität zum Bundeszweck zu erklären sei; dabei ist die Tagsatzung zur Auffassung gelangt die Neutralität sei ein Mittel zum Zweck; sie sei „eine dermalen angemessen erscheinende politi-sche Massregel, um die Unabhängigkeit der Schweiz zu sichern“; man könne aber nicht wis-sen, „ob die Neutralität einmal im Interesse der eigenen Selbständigkeit verlassen werden müsse.“7

Bereits 1847 ist also die Neutralität als Instrument und nicht als Selbstzweck verstanden wor-den. Offenkundig haben sich dann aber die Ansichten im Verlaufe der Jahrzehnte seit der Mitte des letzten Jahrhunderts geändert, und der Bericht Schmid dürfte wahrscheinlich so etwas wie die Kulmination dieser veränderten Optik wiedergeben. Heute stehen wir diesbe-züglich wieder auf einem anderen Boden, auf einem Boden aber, der uns weiterbringen wird, und der es uns auch erleichtern wird, uns früher oder später in eine sicherheitspolitische Ar-chitektur Europas einzugliedern.

5 Lezzi, Bruno. Brüchiges Selbstverständnis der Schweiz. In: Neue Zürcher Zeitung, 10. 5. 1997, Nr. 106, S.

17. 6 Gabriel, Jürg Martin. Sackgasse Neutralität. Zürich 1997. 7 Bericht über die Aussenpolitik der Schweiz in den 90er Jahren. Anhang: Bericht zur Neutralität vom 29.

November 1993. S. 60 (Sonderdruck).

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Curt Gasteyger

Welche Voraussetzungen für die Schweizer Sicherheitspolitik haben sich seit dem Bericht Schmid verändert?

Es besteht kein Zweifel: Der Bericht der „Studienkommission für strategische Fragen“ (SSF) wurde entscheidend geprägt vom Welt- der Umweltbild des „Kalten Krieges“ und der in ihm enthaltenen und von ihm ausgehenden Bedrohung. Wir empfinden uns, so heisst es ihm Schlussbericht, in einem „permanenten Existenzkampf, der [...] mit einer wesentlich breiteren Skala der Mittel als nur den militärischen geführt wird oder geführt werden muss.“ Der Klein-staat ist dieser globalen, nichtmilitärischen, ‚friedlichen‘ Kriegführung ausgesetzt. Er muss ihr „unter Einsatz der ihm zur Verfügung stehenden Mittel verschiedener Art begegnen [...].“1

Das sind ebenso deutliche wie mahnende Worte: Sie bilden, wenn man so will, einen Aufruf zu einer umfassend konzipierten „Strategie“. Eine einigermassen ausführliche Beschreibung oder Analyse dessen, wie denn dieses Umfeld gestaltet ist, welche Herausforderungen jenseits ständiger und glaubwürdiger Abwehrbereitschaft es an die Schweiz und ihre Aussen- und Sicherheitspolitik stellt und was dies konzeptuell und inhaltlich bedeutet – eine solche Analy-se findet sich kaum oder nur ansatz- oder andeutungsweise in späteren Teilen des Berichts.

Der Bericht stellt lediglich fest, dass „unsere Sicherheit Funktion der Sicherheitspolitik der Umwelt ist, auf die wir nur minimalen Einfluss haben.“2 Eine solche fast resignierende Schlussfolgerung hätte meines Erachtens doch selbst im Blick auf die scheinbar strategisch-politisch so eindeutig erstarrte Lage in Europa einer näheren Erklärung bedurft. Denn Exis-tenzsicherung umfasst mindestens zwei Dimensionen:

• Einmal die defensiv-minimalistische, das heisst: Die Rettung des nackten Überlebens. Wenn das das Ziel ist – und fraglos sein muss – dann ist nur natürlich, dass diese Aufgabe in erster Linie mit militärischen Mitteln, mit Androhung von Gegengewalt und Abwehr bis zum Äussersten geschehen muss. In einer Situation der militärischen Konfrontation und denkbarer militärischer Aggression (wie sie im Kalten Krieg bestand), ist eine solche Ak-zentsetzung sicher verständlich. Aber es bleibt zu fragen, ob sie auch dann ausreicht.

1 Studienkommission für strategische Fragen. Grundlagen einer strategischen Konzeption der Schweiz. Be-

richt der Studienkommission für strategische Fragen. Schriften des SAD Nr. 11. Stäfa 1971. S. 27. 2 Ebd., S. 30.

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• Inzwischen haben wir eingesehen, dass Existenzsicherung viel weiter ver-standen und praktiziert werden muss. Zur notwendigen Defensive muss die weitgespannte Offensive kommen: In allen Bereichen, die für unsere Existenz als Staat, als Gemeinschaft, ja für un-sere Selbstachtung, unentbehrlich sind. In genau dieser Situation befinden wir uns seit ei-niger Zeit.

Mir schien selbst damals, also am Ende der bewegten sechziger Jahre, die Verengung des Blickwinkels bei der Beurteilung der Umwelt und ihres möglichen Wandels sowie unsere Reaktion darauf, unzureichend. Denn mit ihr konnte eine Analyse der uns zur Verfügung ste-henden Möglichkeiten und Mittel nicht hinreichend fruchtbar gemacht werden. In einem Me-morandum vom Februar 1969 an Professor Schmid habe ich auf diesen mir wichtig erscheinenden Mangel hingewiesen. Ich darf einige kurze Passagen hieraus zitieren:

„Überraschend erscheint mir das insgesamt eher traditionelle oder konservative Herangehen an die Problematik moderner Strategie und ihrer Konsequenzen für die Schweiz. Trotz ver-schiedener Ansätze, die revolutionären Änderungen des Kriegsbildes im nuklearen Zeitalter zu berücksichtigen und sie in unsere eigenen Vorstellungen mit einzubeziehen, schimmert immer wieder das vom Zweiten Weltkrieg und den Vorstellungen über die konventionelle Kriegsführung geprägte Denken durch. [...]

Bei der Lektüre des Berichts kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass bei vielen Beurteilungen von den Gegebenheiten der Umwelt immer noch allzu stark abstrahiert wird. Der Tatsache der enorm gewachsenen Abhängigkeit unseres Landes von dieser Umwelt, der Wechselwirkung oder Interdependenz innen- und aussenpolitischen Geschehens wird nur gelegentlich Rücksicht getragen. Dabei ist die Verletzlichkeit der Schweiz durch Massnah-men von aus-sen [...] mindestens ebenso gross wie jene durch Aktionen, die auf eine physi-sche Zerstörung im Innern des Landes selbst gerichtet sind. [...]

Die Schweiz wird hierbei also noch in einer Art militärpolitischem Vakuum gesehen, bei dem man von dem „international environment“, den politischen, strategischen Veränderungen der Umwelt weitgehend abstrahieren zu können glaubt. [...] Dabei dürften gerade die siebziger Jahre auch für die Sicherheit und Politik unseres Landes bedeutsame Veränderungen mit sich bringen, auf die zumindest Bezug zu nehmen wäre. Es geht hier nicht so sehr um eine mehr oder weniger detaillierte Studie der verschiedenen möglichen politischen und militärischen Entwicklungen in der näheren oder weiteren Zukunft. Das würde über den uns gesetzten Auf-trag hinausgehen. [...]

Worauf es vielmehr ankommt, ist das Bewusstmachen einer sich verändernden Umwelt, ihrer gegenwärtigen und künftigen Strukturen, soweit sie auch die Sicherheit unseres Landes direkt oder indirekt betreffen – und damit der Tatsache, dass die Schweiz, ihre Politik und Strategie je länger je mehr in diese Umwelt eingebettet und von ihr beeinflusst sind. Das erscheint mir eine sowohl für die offizielle Formulierung unserer Strategie wie aus staatsbürgerlich-pädagogi-schen Gründen wichtige Aufgabe des Berichts.“

Ich tue, glaube ich, dem Verdienst der Kommission und ihres Präsidenten keinen Abbruch, wenn ich sage, dass diese Anmerkungen und Anregungen bestenfalls nur marginale Berück-sichtigung fanden. Ich entschloss mich deshalb damals, mich bei der Verabschiedung des Be-

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richts als einziger der Stimme zu enthalten. Als einzigem im Ausland lebenden und die Schweiz damit aus einer gewissen Distanz betrachtenden Mitglied fiel mir dieser Entschluss möglicherweise etwas weniger schwer. Präsident Schmid hat diese Enthaltung verständli-cherweise kaum geschätzt, sie aber souverän akzeptiert.

Nun zur Zukunft. Die Strategie der Schweiz, so die Definition des Berichts soll „den umfas-senden Einsatz aller Kräfte der Nation zur Verwirklichung der politischen Ziele des Staates gegenüber einer zum Machtgebrauch bereiten Umwelt [sein].“3 Die Natur dieses Umfeldes und seine Absichten – nämlich der Machtgebrauch – waren damit klar umschrieben.

Das hat sich spätestens nach dem Ende des Kalten Krieges vielfach und grundlegend geän-dert. Der Nachweis, dass das Umfeld stets und weiterhin zum Machtgebrauch bereit sei, lässt sich heute beim besten Willen nur noch schwer – oder schwerlich überzeugend – erbringen. Vielmehr erscheint das nähere und weitere Umfeld erstmals nicht nur freundlich, sondern zu Kooperation und Integration bereit.

Adressat unserer Sicherheitspolitik im engeren Sinn, Existenzsicherung im weiteren Sinn, ist deswegen ein Umfeld – Europa und darüber hinaus – in dem der Gedanke an einen Krieg zur Erreichung politischer Ziele als gewinnversprechende Option abhanden gekommen ist. Das ist grossartig an sich. Aber es stellt jede Überlegung zur Neuformulierung einer entsprechend angepassten Strategie vor eine schwierige Aufgabe. Denn sie muss Antwort darauf geben, welches die unseren Möglichkeiten angepasste Politik sein kann und soll und welches die Instrumente, die Partner und vor allem auch welches der Rahmen ist, in dem wir die Fortexis-tenz unseres Landes sichern wollen.

Eine neue, ungewohnte Dimension dieser Sicherheitspolitik findet sich darin, dass fast alle europäischen Länder sich mehr oder weniger denselben sicherheitspolitischen Gefährdungen konfrontiert sehen. Auch ihnen geht es nicht um Abwehr eines äusseren Feindes, sondern um die Bewältigung von Gefährdungen, die zum grossen Teil neu sind. Von hierher definieren sich Aufgaben, Umfang und Zielrichtung einer vorwärtsschauenden Existenzsicherung.

3 Ebd., S. 27 (Hervorhebungen durch C. G.).

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Das bedeutet zumindest dreierlei:

• Das bevorstehende Ende eines in seinem Rendement abnehmenden, von der Schweiz aber immer noch sorgfältig gepflegten Bilateralismus in vielen unserer Aussenbeziehungen;

• Zielvorgaben, die sich nicht von parteipolitischem Kalkül und erst recht nicht von persön-lichen Profilierungsbedürfnis, sondern vom Anspruch der Schweiz auf Glaubwürdigkeit und Kooperationsbereitschaft leiten lassen;

• eine Sicherheitspolitik, die die legitimen nationalen Interessen der Schweiz so formuliert, dass sie mit unseren Nachbarn wo immer möglich solidarisch geteilt werden können.

Wo die SSF mit ihrem Präsidenten Karl Schmid einen wichtigen Grundstein für strategisches Denken und Handeln gelegt hat, ist es jetzt an deren Nachfolger, hier weiter zu bauen. So anspruchsvoll die Aufgabe in einem viel komplexeren Umfeld geworden ist, es bleibt gar kei-ne Wahl als genau dies zu tun.

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Diskussion (3)

Arbenz geht auf das Votum von alt Bundesrat Furgler in der vorangegangenen Diskussion ein, der etwas sehr Wesentliches gesagt habe, was in diesem Panel nicht ausgeführt worden sei. Er habe die Frage gestellt, ob unsere Demokratie überhaupt noch willig und bereit sei, sich selbst zu verteidigen und sich für diesen Staat einzusetzen. Hier seien die grössten Defi-zite auszumachen, denen mit strategischem Denken allein nicht beizukommen sei. Die Schweiz riskiere nicht nur eine Zweidrittelsgesellschaft, sondern auch eine Zäsur zwischen den Führenden, die denken und vorausschauen, und denen, die nicht folgen wollen. Denn viele wollen nicht mehr nachvollziehen, was die Vordenker vordenken, und zögen es vor – ein wenig extrem formuliert – den Rattenfängern von Hameln nachzulaufen. Seine grösste Sorge sei, dass dadurch ein Wandel und eine zukunftsgerichtete Politik in unserem Staat min-destens im Moment kaum möglich sei.

Schoch pflichtet Arbenz bei, fragt aber zurück, gegen wen und gegen was die Schweiz sich denn heute zu verteidigen habe. Ohne eine zuverlässige Antwort auf diese Frage könne man auch nicht schlüssig beantworten, ob die Schweiz bereit sei, sich zu verteidigen.

Solange die Schweiz von demokratisch organisierten, die Grundrechte achtenden Rechtsstaa-ten umgeben sei, bestehe für die Schweiz keine existentielle Gefahr, angegriffen zu werden. Denn dies seien Staaten, die kein Aggressionspotential entwickelten. Aus diesen Gründen sei die obige Frage durchaus berechtigt, aber sie sei im falschen Kontext gestellt.

Arbenz entgegnet, dass er wahrscheinlich den falschen Begriff verwendet habe. Die Frage sei, ob die Bereitschaft, sich für die Gemeinschaft einzusetzen, vorhanden sei und nicht, ob die Verteidigungsbereitschaft gegen aussen vorhanden sei.

Schoch zeigt sich mit dieser korrigierten Fragestellung einverstanden.

Woker nimmt auf die Stellungnahmen von Ständerat Schoch und von Botschafter Brunner Bezug. Was von der Schweiz heute gefordert werde, sei die physische Präsenz und das insti-tutionelle Engagement und nicht in erster Linie ihr Geld. Dabei müsse man etwas offerieren, das auch auf eine internationale Nachfrage stosse. Der Einsatz von Gelbmützen sei zwar schön und gut, aber wenn die Schweiz wirklich etwas offerieren wolle, dann müsse sie nächs-tes Mal ein Bataillon bewaffneter Soldaten zur Verfügung stellen. Dies seien natürlich harte Entscheidungen, denen man aber nicht ausweichen könne und die Gesetzesänderungen und Abstimmungen bedingten, die auch gewonnen werden müssten.

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Lezzi pflichtet Woker bei. Er unterstreicht, dass die Gelbmützen in Bosnien hervorragende Arbeit leisteten, die nicht unter den Scheffel gestellt werden dürfe. Das Problem aber sei, dass die Gelbmützen nicht als Teil schweizerischer Anstrengungen im Rahmen der Armee wahr-genommen würden.

Auf die Dauer könne man es nicht begründen, eine Armee von 400'000 Mann aufrecht zu erhalten und gleichzeitig für den Auftrag „Friedensförderung“ nur 65 Gelbmützen und noch einige Blaumützen zu stellen. Diese Situation bringe die Schweiz in einen Argumentations-notstand, den die anderen Streitkräfte in Bosnien, wie z.B. Österreich oder Schweden, nicht hätten. Diese würden als Exponenten ihrer Streitkräfte wahrgenommen.

Fulda nimmt auf das Votum von Botschafter Brunner Bezug und stellt erstens fest, dass heute Krieg mit nur allen denkbaren Mitteln geführt werde. Zweitens sei das sicherheitspolitische Umfeld dadurch gekennzeichnet, dass es noch eine einzige Grossmacht gebe, was eine nicht unbedenkliche Situation sei. Zur Zeit stehe die Schweiz mit dieser Grossmacht in Konflikt. Drittens könne die Schweiz in diesem Konflikt nicht ohne weiteres mit der Hilfe der Nachbar-staaten rechnen. Mit dieser sicherheitspolitischen Situation müsse sich die Politik auseinan-dersetzen.

Spillmann fragt Fulda, ob er damit folgere, dass die Schweiz die Abgrenzung gegenüber die-sen nicht besonders freundlich gesinnten Einheiten konsolidieren, oder aber die Anstrengun-gen zur Kooperation vergrössern solle.

Fulda entgegnet, dass er natürlich keine abschliessende Beurteilung der Lage präsentieren könne, dass er aber den Schluss gezogen habe, dass der Einsatz von Geld keine Lösung dar-stelle. Gefragt sei vielmehr eine Demonstration der Schweiz aufgrund ihrer humanitären Tra-dition. Dies bedeute auch, dass es eine Demonstration der Allianz, des Zusammenwirkens mit anderen Staaten bedürfe.

Gasteyger ruft dazu auf, die Begriffe „Sicherheitspolitik“ und „Aussenpolitik“ auseinander-zuhalten und nicht zu vermischen. Er glaube nicht, dass es die von Fulda angesprochene Si-cherheitspolitik sei, die Botschafter Brunner bewege. Es gehe bei der derzeitigen Krise nicht um die Sicherheit der Schweiz, sondern um ihre Glaubwürdigkeit. Dies sei eine Frage der Aussenpolitik und nicht der Sicherheitspolitik, zwischen denen es sorgfältig zu unterscheiden gelte.

Werner widerspricht Lezzi, der ausgeführt habe, dass die Schweiz international zu wenig Anstrengungen unternehme. Auch die Schweiz entsende ein Bataillon, nämlich das Katastro-phenhilfekorps. Diese Leistungen würden aber viel zu wenig betont. Ausser in einem NZZ-Artikel, sei in der letzten Zeit in der Presse nichts über die Arbeit des Katastrophenhilfekorps zu lesen gewesen. Er ruft dazu auf, mehr Geld in dieses Korps zu investieren, denn hier hätte man es nicht mit Militär zu tun, welches bei internationalen Einsätzen sehr ungünstige Aus-wirkungen haben könne, wie Negativbeispiele zeigten.

Arbenz meint, dass man an dieser Stelle die Blauhelmdiskussion wieder aufrollen könnte und dass bei einer Abstimmung im Saal vielleicht dasselbe Ergebnis wie 1994 resultieren würde. Er sei aber anderer Meinung und glaube nicht, dass man aus Negativbeispielen bezüglich Blauhelmeinsätzen Schlüsse ziehen sollte. Seine persönlichen Erfahrungen stünden im völli-

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gen Kontrast zu diesen Negativbeispielen. Die Blauhelme in Bosnien hätten insgesamt her-vorragende Arbeit geleistet und das Leben von vielen Tausenden von Menschen gerettet. Sie hätten auch den Übergang vom Krieg in den kontrollierbaren Konflikt ermöglicht.

Wie man in der Schweiz den politischen Spielraum nutze, das bleibe natürlich weiterhin auf der Traktandenliste. Im Augenblick sei ein Gelbmützeneinsatz, wie er in Bosnien mit Erfolg praktiziert werde, eine mögliche Variante. Die Schlüsselfrage sei dabei die Bewaffnung. Die Möglichkeit des passiven Schutzes gegen direkte Angriffe sei dabei, in Ergänzung zum heute Praktizierten, die Minimalvariante. Ob man auf mittlere Sicht auf die Blauhelmkonzeption zurückkommen könne, sei letztlich eine Frage des politischen Mutes des Parlaments und des Bundesrates. Es gebe wahrscheinlich auch andere Formeln, aber es sei noch politischer Spiel-raum vorhanden, um wesentlich mehr zu leisten, als 65 Gelbmützen nach Sarajevo und Um-gebung zu entsenden.

Gasteyger teilt Lezzis Besorgnis über die Diskrepanz zwischen der grossen Armee von 400'000 Mann einerseits und dem ganz geringen – wenn auch sehr nützlichen – Kontingent der Gelbmützen andererseits. Er erwähnt in diesem Zusammenhang eine Aussage des frühe-ren Generalsekretärs der OSZE, Höynck, welcher der Meinung sei, dass die OSZE mehr von diesen Gelbmützen brauche. Die OSZE schätze diese Art von Leistungen sehr und würde es begrüssen, wenn die Schweiz sich bereit erklären könnte, noch mehr Gelbmützen für Krisen-fälle zur Verfügung zu stellen. Die von Arbenz vorgeschlagene Form des verbesserten Selbst-schutzes könnte dabei durchaus eine Möglichkeit darstellen.

Spillmann bemerkt, dass die Selbstwahrnehmung der Schweiz zur Zeit, als der Bericht Schmid entstanden sei, geschlossener gewesen sei. Man sei überzeugter gewesen von der Richtigkeit einer besonderen Rolle der Schweiz. Es habe noch nicht das gegeben, was Gene-ralstabschef Liener „Problem der Milizwilligkeit“ genannt habe, und es sei noch nicht an der Realisierbarkeit der Dissuasion gezweifelt worden. Die Opferbereitschaft sei vorhanden ge-wesen. Ob diese bis zur Selbstzerstörung, wie sie von Generalstabschef Jakob Huber gefor-dert worden sei, gegangen wäre, verdiene vielleicht ein Fragezeichen, aber die Stimmung sei jedenfalls sehr viel näher bei diesem Punkt gewesen.

Heute sei die Selbstwahrnehmung wesentlich weniger geschlossen. Einerseits sei man in der Defensive gegen Druckversuche und Diffamierungen von aussen, andererseits sei man aber bereit zur Selbstkritik, in jenen Punkten, in denen sich zum Teil erst vor kurzem – und zum Teil auch für Historiker überraschend – die Notwendigkeit der Aufarbeitung von unangeneh-men und zu lang verdrängten Aspekten der Schweizer Geschichte zeige. Heute sei Umgang und Leben mit Ambivalenz gefragt, was natürlich weitaus schwieriger sei, als in einem un-ambivalenten Geschichtsbild zu leben. Viele Anregungen, Hinterfragungen und Fragezeichen zu überlieferten Traditionen seien – wie Professor Eichenberger in seinen Ausführungen ge-zeigt habe – schon im Bericht Schmid enthalten gewesen.

Die beste Zusammenfassung dessen, was heute Not tut, habe Botschafter Brunner in seinem kurzen Statement geliefert. Ein Schweizer Engagement heute müsse „humain et physique“ sein. Er gab der Hoffnung Ausdruck, dass sich die Schweiz in diese Richtung bewege.

Er hoffe, die heutige Tagung habe nicht nur eine historische Pflicht erfüllt, sondern auch An-

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regungen zur Weiterarbeit in die Zukunft gegeben.

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Schlusswort von Hans Künzi

Liebe Anwesende

Im Namen der Karl-Schmid-Stiftung möchte ich den Referenten des heutigen Morgens und denjenigen der Panel-Gespräche nochmals ganz herzlich danken. Wir haben mit diesem Sym-posium versucht, die Bedeutung des Wirkens Karl Schmids für unser Land und für unsere Landesverteidigung darzustellen und die daraus resultierenden Früchte nochmals hervorzuhe-ben. Diese Aufgabe ist unseren Referenten in hervorragender Art und Weise gelungen.

Meine Damen und Herren. Sie gestatten mir, abschliessend noch in eigener Sache ein paar Worte zu verlieren. Was will die Karl-Schmid-Stiftung in Zukunft? Unsere Stiftung wurde 1992 – also genau vor fünf Jahren – mit der Absicht gegründet, das umfassende Werk des Zürcher Professors Karl Schmid einem grös-seren Teil von Personen und insbesondere auch der jüngeren Generation wieder zugänglich zu machen. Wie ich heute morgen erwähnt habe, sind alle seine Schriften, die vorwiegend im Artemis-Verlag erschienen sind, vergriffen. Der Artemis-Verlag ist nicht mehr bereit, diese wieder zu veröffentlichen. Wir waren der Mei-nung, dass die Gefahr dadurch besteht, dass das einmalige Wirken Karl Schmids in Verges-senheit geraten könnte. Und das darf nicht sein, vor allem, wenn ich an unsere jüngere Generation denke.

Nun haben wir uns entschlossen, seine Werke wiederum zu präsentieren. Dies in Form ge-sammelter Werke Karl Schmids in acht Bänden. Somit werden wir einen schönen Teil der vergriffenen Bände wieder drucken. Aus dem Nachlass Karl Schmids, der sich im Archiv für Zeitgeschichte befindet, möchten wir seine Aufsätze, Vorträge und Referate, auch solche, die den militärischen Sektor betreffen, erstmalig drucken. Für die Herausgabe ist vor allem Herr Dr. Thomas Sprecher, der Leiter des Thomas Mann Archivs, verantwortlich. Zu diesen sechs Bänden kommen noch zwei Briefbände. Diese Briefe sind noch nie in irgend einer Form im Druck erschienen. Es handelt sich um über tausend Briefe, die hier präsentiert werden. Diese sind sehr interessant, weil sie einen Teil des vielfältigen Wirkens Karl Schmids im militäri-schen, wissenschaftlichen, politischen und anderen Sektoren darstellen. Für diese beiden Bände wird Frau Silvia Rüdin verantwortlich zeichnen. Die acht Bände sollen im Herbst 1998 erscheinen, so dass sie an der Frankfurter Buchmesse, an der die Schweiz Ehrengast ist, prä-sentiert werden können. Die Werke erscheinen übrigens im Verlag der Neuen Zürcher Zei-tung.

Meine Damen und Herren, ich wollte Ihnen dies im Zusammenhang mit unserem heutigen Symposium mitteilen. Ich kann mir vorstellen, dass wir nächstes Jahr eine ähnliche Veranstal-tung durchführen, die wir sehr wahrscheinlich den acht Bänden widmen werden.

Damit möchte ich schliessen. Ich möchte auch Ihnen als Teilnehmern danken, dass sie durch Ihr Erscheinen, die Sympathie zu Karl Schmid und unserer Stiftung bekundet haben. Ich möchte insbesondere Frau Elsie Attenhofer recht herzlich danken, dass Sie uns die Ehre Ihres Besuches erwiesen hat. Liebe Frau Attenhofer, wir wünschen Ihnen auch weiterhin nur das Beste.

Das Symposium ist geschlossen.

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TEIL II: AUSWERTUNG DER TAGUNG Jon A. Fanzun

Die vorliegende Auswertung soll keine Zusammenfassung der Referate und Diskussionen sein, sondern sie geht an verschiedenen Stellen über die an der Tagung angesprochenen The-men hinaus. Ausgehend vom Titel der Tagung „Karl Schmid als strategischer Denker: Beur-teilungen aus historischer und aktueller Perspektive“ gliedert sich die Auswertung in einen ersten historischen sowie in einen zweiten, die aktuelle sicherheitspolitische Diskussion be-handelnden Teil, der den von Bundesrat Ogi in seiner Grussadresse gesetzten Themenschwer-punkten folgt.

A. Historischer Teil

In diesem ersten Teil steht einerseits die Person Karl Schmid und sein Werk und andererseits die Arbeit der Kommission für strategische Fragen im Vordergrund.

1. Karl Schmid: Person und Werk1

Karl Schmid war eine sehr vielseitige Persönlichkeit. Es ist kaum möglich, sein Lebenswerk zu segmentieren. Er zeichnete sich durch ein umfassendes Denken aus, so dass der Versuch, ihn ausschliesslich als Wissenschaftler, als Offizier oder als Staatsbürger zu würdigen, ihm nicht gerecht werden würde. Auf all diesen Gebieten hat Karl Schmid in den drei Jahrzehnten seit dem Zweiten Weltkrieg richtungweisend gewirkt.

Geboren wurde Karl Schmid am 31. März 1907 in Zürich. Nach der Maturität am Kantonalen Gymnasium in Zürich studierte er ab 1926 an den Universitäten Zürich und Berlin Germanis-tik und Geschichte sowie Kunstgeschichte, Psychologie und Philosophie. Er promovierte 1934 bei Prof. Dr. Emil Ermatinger mit der Dissertation „Schillers Gestaltungsweise“.

Nach Lehrtätigkeiten an diversen Mittelschulen hielt Karl Schmid 1943/44 seine erste Vorle-sung an der ETH Zürich als ausserordentlicher Professor für deutsche Sprache und Literatur. 1947 wurde er zum Ordinarius gewählt. Von 1953 bis 1957 stand Karl Schmid der ETH Zü-rich als Rektor vor. Am 4. August 1974 verstarb er völlig unerwartet an den Folgen einer Lungenentzündung.

Seine militärische Laufbahn begann Karl Schmid 1927 als Rekrut in der Schw Mot Kan RS. Während seiner Aktivdienstzeit im Zweiten Weltkrieg bekleidete er den Rang eines Haupt-

1 Vgl. auch das Curriculum vitae Karl Schmids im Anhang I. Für weitergehende biographische Angaben und

für eine detaillierte Übersicht über das Werk Karl Schmids siehe: Nachlass Prof. Dr. Karl Schmid 1907-1974. Archiv für Zeitgeschichte ETHZ (Hrsg.). Bearbeitet von: Däniker, Marie-Claire/Urner, Klaus. Zürich 1983. Für weitere Aspekte zur Person und zum Werk Karl Schmids siehe: Beiträge zum ersten Karl-Schmid-Symposium. Karl-Schmid-Stiftung (Hrsg.). Zürich 1993; Beiträge zum zweiten Karl-Schmid-Symposium. Karl-Schmid-Stiftung (Hrsg.). Zürich 1994.

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manns und später den eines Majors. Danach war er unter anderem stellvertretender Stabschef der 9. Division und schliesslich Stabschef des 3. Armeekorps, im Range eines Obersten. Die meisten seiner rund 2300 Diensttage verbrachte Karl Schmid „am Gotthard“, im Zentrum des Réduits und Symbols des eingegrabenen Widerstandes. Ende 1970 wurde er aus der Wehr-pflicht entlassen.

Karl Schmid war in verschiedenen Akademien, Instituten, Stiftungen und Expertengruppen aktiv. Er war unter anderem Präsident der Schweizer Auslandhilfe (1959 bis 1965). Dem Schweizerischen Wissenschaftsrat stand er von 1969 bis 1972 vor. Im weiteren wurde ihm 1967 der Ehrendoktortitel der Hochschule St. Gallen verliehen. 1972 erhielt er den Goethepreis für Kunst und Wissenschaft und den Kulturpreis der Stadt Zürich.

Karl Schmid bekleidete nie ein politisches Amt, weder in einer Exekutive noch in einer Legis-lative. Aber er hat politische Aufgaben keineswegs gescheut: Seine Tätigkeit als Rektor der ETH, sein Engagement für die Wissenschaftspolitik sowie seine Leistung als Präsident der Studienkommission für strategische Fragen beweisen, dass ihm der Dienst an der Gemein-schaft etwas Wichtiges und Selbstverständliches war.2

Bei der Arbeit der Kommission für strategische Fragen begnügte sich Karl Schmid keines-wegs mit der Leitung und der Organisation. Sein Verdienst bestand vor allem in der Ausarbei-tung der spezifisch strategischen Fragestellungen und in der wissenschaftlichen Vertiefung aller relevanten Aspekte.3

Karl Schmids Werk zeichnet sich durch eine beeindruckende Breite aus: Das Spektrum reicht von Arbeiten über C. G. Jung oder Goethe, über militärische Themen, bis hin zu Gedanken zur Schweiz, insbesondere zu deren Verhältnis zu Europa.4 Die meisten seiner Arbeiten sind vergriffen. Die Karl-Schmid-Stiftung ist aber im Begriff, das Schaffen Karl Schmids einer breiteren Öffentlichkeit wieder zugänglich zu machen. In Form gesammelter Werke in acht Bänden (zwei Brief- und sechs Werkbände) sollen neben einem Teil der vergriffenen Bücher auch Aufsätze, Referate und Briefe Karl Schmids erstmals veröffentlicht werden. Diese acht Bände sollen im Herbst 1998 erscheinen.

2. Die Studienkommission für strategische Fragen

An dieser Stelle sei der Weg, der 1967 zur Bildung der Studienkommission für strategische

2 Künzi, Hans. Vorstellung der Karl-Schmid-Stiftung. In: Beiträge zum ersten Karl-Schmid-Symposium.

Zürich 1993. S. 11-14, hier S. 12. 3 Däniker, Gustav. Karl Schmid als Soldat und Stratege. In: Beiträge zum zweiten Karl-Schmid-Symposium.

Zürich 1994. S 15-18, hier S. 16. 4 Auswahl aus Karl Schmids Werk: Schillers Gestaltungsweise. Diss. Frauenfeld 1935; Unser Tell. Zürich

1939; Gottfried Keller 1819-1890. Zürich 1940; Der Soldat und der Tod. Zürich 1942; Das Lebensrecht des Kleinstaates. Bern 1944; Hermann Hesse und Thomas Mann. Olten 1950; Aufsätze und Reden. Zürich-Stuttgart 1957; Hochmut und Angst. Zürich 1958; Unbehagen im Kleinstaat. Zürich 1963; Europa zwischen Ideologie und Verwirklichung. Schaffhausen-Stäfa 1990 (Neuauflage); Die Schweiz zwischen Tradition und Zukunft. Schaffhausen-Stäfa 1991(Neuauflage).

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Fragen (SSF) führte, nachgezeichnet.5 Anschliessend soll kurz auf die personelle Zusammen-setzung der Kommission eingegangen werden.

2.1 Entstehung

Der Schock über die Unzulänglichkeiten der militärischen Selbstbehauptung des Kleinstaates stand am Anfang der Arbeiten der Kommission Schmid. Die durch die Atombombe veränder-te politisch-strategische Lage war denn auch – wie Luchsinger in seinem Beitrag erwähnte – ein wichtiger Anstoss für die Bildung der SSF. Die Atombombe hatte das Kriegsbild nach dem Zweiten Weltkrieg grundlegend verändert und stellte die Welt vor neue Sicherheitsprob-leme. Als Antwort darauf wurden ausgreifende Gesamtstrategien unter Einbezug von Wirt-schaft, Aussenpolitik und psychologischen Mitteln entwickelt.6

In der Schweiz brachte u. a. Gustav Däniker mit seinen Beiträgen die sicher-heitspolitische Diskussion von der operativen auf die strategische Ebene.7 Das Eidgenössische Militärdepar-tement reagierte rasch: Gemäss den Referaten von Däniker und Senn kam der Anstoss vom damaligen Planungschef der Armee, Hans Wildbolz, und vom damaligen Chef der Operati-onssektion, Hans Senn. Ersterer beantragte in einem Brief an Generalstabschef Paul Gygli, einen Ausschuss für stra-tegische Fragen zu bilden.

Im Oktober 1966 legte Korpskommandant Alfred Ernst dem Generalstabschef eine Vorstudie zur Frage der schweizerischen Strategie unter dem Titel „Elemente einer strategischen Kon-zeption“8 vor, die auf die fehlende strategische Gesamtkonzeption hinwies und schon etliche Elemente enthielt, welche die SSF erarbeiten sollte.

Neben den offensichtlichen Veränderungen des strategischen Umfeldes weckten auch die Erfahrungen der Landesverteidigungsübungen, in denen die Teilnehmer mit komplexen Ge-fahrenszenarien konfrontiert wurden, das Bedürfnis, die einzelnen Elemente der Landesver-teidigung institutionell besser aufeinander abzustimmen. Insbesondere die Landesverteidigungsübung aus dem Jahre 1967 deckte das Fehlen einer strategischen Denk-weise drastisch auf und bot den unmittelbaren Anlass zur Bildung einer Studienkommission

5 Siehe zur Entstehung und zu den Arbeiten der SSF: Senn, Hans. Friede in Unabhängigkeit: Von der totalen

Landesverteidigung zur Sicherheitspolitik. Frauenfeld 1983; Näf, Beat. Anfang und erste Entwicklung einer schweizerischen Strategie (Sicherheitspolitik) 1969-1973. In: SAMS-Informationen (8. Jg.) 1/1984. S. 51-146; Köppel, Thomas. Auf dem Weg zur Doppelstrategie: Die Entstehung der schweizerischen Sicherheits-politik 1945-1973. Liz. Zürich 1994 (unveröffentlicht). Die Entwicklung des strategischen Denkens in der Schweiz ist Gegenstand eines laufenden Dissertationsprojektes von Christoph Breitenmoser an der For-schungsstelle für Sicherheitspolitik und Konfliktanalyse (FSK) der ETH Zürich.

6 Beispiele für ausländische Strategieüberlegungen sind u.a.: Aron, Raymond. Paix et guerre entre les nati-ons. Paris 1962; Beaufre, André. Dissuasion et stratégie. Paris 1964; Kahn, Hermann. On Escalation. New York 1965.

7 Däniker, Gustav. Zurück zur Strategie. In: Si vis pacem: Militärische Betrachtungen von Schweizern. Fest-schrift für Georg Züblin zum 60. Geburtstag. Frauenfeld 1964. S. 84-101; ders. Strategie des Kleinstaates. Frauenfeld-Stuttgart 1966.

8 Archiv für Zeitgeschichte. Depositum Däniker. Alfred Ernst. Elemente einer strategischen Konzeption, 7. Oktober 1966; Senn, Friede in Unabhängigkeit, S. 109-112.

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für strategische Fragen.9

Am 13. Februar 1967 reichte Generalstabschef Gygli bei der Landesverteidigungskommission ein Gesuch zur Bildung einer aus unabhängigen Persönlichkeiten zusammengesetzten Stu-diengruppe ein. Nachdem die Landesverteidi-gungskommission diesem Gesuch zugestimmt hatte, erliess das EMD am 12. Mai 1967 die Verfügung, welche die Studienkommission für strategische Fragen ins Leben rief.

Die Studienkommission für strategische Fragen wurde so aus dem Zusammenspiel zwischen Analyse des – vor allem durch die Atombombe – veränderten Bedrohungsbildes und der Wahrnehmung institutioneller Mängel (Koordinations-bedürfnis) aus der Taufe gehoben. Die Kommission sollte dem Generalstabschef einen Entwurf für eine strategische Gesamtkonzep-tion der Schweiz liefern und nebenbei zur damals aktuellen Frage eines Schweizer Beitritts zum Atomsperrvertrag Stellung beziehen.

2.2 Zusammensetzung der Kommission

Die SSF umfasste 25 ausserhalb der Bundesverwaltung stehende Personen. Darin waren namhafte Persönlichkeiten aus Armee, Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Medien vertre-ten. Die Kommission war sehr breit abgestützt, indem Vertreter aller Elemente der schweize-rischen Strategie in der SSF Einsitz hatten. Es gab sowohl Vertreter der „Mobile Defense“ (mobile Verteidigung) als auch solche einer „Area Defense“ (statische Verteidigung). Im wei-teren waren Befürworter und Gegner einer schweizerischen Atombewaffnung vertreten.

Allerdings muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass Vertreter der Friedensbewegung und der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SPS) nicht berücksichtigt wurden. Zudem wa-ren auch keine Exponenten der schweizerischen Aussenpolitik vertreten. Ersteres ist bemer-kenswert, weil die SPS sich seit ihrem militärpolitischen Leitbild von 1947 mit strategischen Fragen befasste und in der Person von Heinrich Buchbinder einen Kenner der Materie in ihren Reihen hatte.10 Letzteres ist auf den Umstand zurückzuführen, dass kein Berufsdiplomat in der SSF vertreten war und dass das Bewusstsein für den strategischen Wert der Aussenpolitik klein war.11

Das Medienecho auf die Einsetzung dieses „Obersten- und Professorengremiums“ war zu jener Zeit relativ gering und die Kommission Schmid wurde – neben allgemein begrüssenden Äusserungen – vor allem unter dem Aspekt des Vertrages über die Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen gesehen.

9 Däniker, Gustav/Spillmann, Kurt R. Die Konzeption der schweizerischen Sicherheitspolitik. In: Riklin,

Alois/Haug, Hans/Probst, Raymond (Hrsg.). Neues Handbuch der schweizerischen Aussenpolitik. Bern-Stuttgart-Wien 1992. S. 591-605, hier S. 596f.

10 Im gleichen Jahr wie Dänikers Buch „Strategie des Kleinstaates“ erschien, veröffentlichte Buchbinder seine Überlegungen zur schweizerischen Strategie: Buchbinder, Heinrich. Landesverteidigung im Atomzeitalter. Hrsg. von der Schweizerischen Bewegung gegen atomare Aufrüstung. Zürich 1966.

11 Vgl. Köppel, Auf dem Weg zur Doppelstrategie, S. 92.

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3. Die Arbeit der SSF

Die Arbeit der SSF soll anhand von drei Themenkomplexen beleuchtet werden: Die zu jener Zeit stark im Vordergrund stehende Atomwaffenfrage, das strategische Denken als bleibender Wert der Arbeit der Kommission sowie die vernachlässigte ausgreifende Komponente der Strategie.

3.1 Die Atomwaffenfrage12

Die Atomwaffe löste nach dem Zweiten Weltkrieg auch in der Schweiz Diskussionen über das Pro und Kontra einer eigenen Nuklearbewaffnung aus. In den frühen fünfziger Jahren erhielt die öffentliche Diskussion durch die Einführung taktischer Nuklearwaffen einen neuen Impuls. Viele Offiziere sahen in der taktischen Nuklearwaffe ein Mittel, das sich auch für kleinstaatliche Verhältnisse eignete. In der „Allgemeinen Schweizerischen Militärzeitschrift“ (ASMZ) erschienen in der Folge einige Artikel, welche die taktische Nuklearbewaffnung der Schweiz befürworteten. Die Grundsatzerklärung des Bundesrates vom 11. Juli 1958, in der festgehalten wurde, dass die Schweiz nicht von vornherein auf Atomwaffen verzichten dür-fe13, trug denn auch nicht zur Beruhigung der Diskussion bei, sondern führte zu zwei Volks-initiativen, welche die Beschaffung von Atomwaffen verbieten beziehungsweise von einem obligatorischen Referendum abhängig machen wollten. Beide Volksinitiativen wurden im Jahr 1962 verworfen.

Nachdem die Schweiz 1963 dem Limited Test Ban Treaty beigetreten war, kühlte sich die öffentliche Diskussion wieder ab. Das Thema blieb aber verwaltungsintern weiterhin aktuell. Die Konzeption der militärischen Landesverteidigung von 1966 war bezüglich der Atomwaf-fenfrage weit zurückhaltender als die Grundsatzerklärung von 1958. Als vordringlich wurde nicht die Beschaffung, sondern die Eindämmung und Nichtanwendung von Atomwaffen be-trachtet.14 Allerdings wurde die Option auf eigene Nuklearsprengköpfe offengelassen. Die Konzeption gab im weiteren aber noch keine Antwort auf die Frage, wie auf die Bedrohung durch Kernwaffen reagiert werden sollte.

Die Aufgabe der Studienkommission für strategische Fragen war es nun, der Gefahr der Atomwaffe, welche die Vernichtung einer ganzen Nation bedeuten konnte, mit einer geeigne-ten Strategie zu begegnen. Die Atomwaffenfrage nahm denn auch in den Arbeiten der Kom-

12 Vgl. zur Atomwaffenfrage: Stüssi-Lauterburg, Jürg. Historischer Abriss zur Frage einer Schweizer Nukle-

arbewaffnung. Bern 1995. Winkler, Theodor. Kernenergie und Aussenpolitik in der Schweiz: Die internati-onalen Bemühungen um die Nichtverbreitung von Kernwaffen und die friedliche Nutzung von Kernenergie in der Schweiz. Diss. Genf-Berlin 1981; Metzler, Dominique. Die Option einer Nuklearbewaffnung für die Schweizer Armee (1945-1969). Liz. Basel 1995 (unveröffentlicht).

13 Der Kernsatz dieser Erklärung lautete: „In Übereinstimmung mit unserer jahrhundertealten Tradition der Wehrhaftigkeit ist der Bundesrat deshalb der Ansicht, dass der Armee zur Bewahrung unserer Unabhän-gigkeit und zum Schutze der Neutralität die wirksamsten Waffen gegeben werden müssen. Dazu gehören die Atomwaffen.“ Neue Zürcher Zeitung, 12. 7. 1958, Nr. 2042, Blatt 1. Zitiert bei: Metzler, Die Option ei-ner Nuklearbewaffnung, S. 53.

14 Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Konzeption der militärischen Landesverteidi-gung vom 6. Juni 1966. In: BBl 1966 I S. 853-877, hier S. 872.

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mission einen prominenten Platz ein. Mit der Nuklearpolitik befasste sich der Arbeitsaus-schuss 1. Von diesem wurden rasche Ergebnisse erwartet, weil Generalstabschef Gygli eine Stellungnahme zum Nonpro-liferationsabkommen verlangt hatte. Im Dezember 1967 lieferte der Arbeitsausschuss seinen Bericht ab, der inhaltlich weitgehend deckungsgleich mit den Ansichten im Schlussbericht der SSF war.15

Der Arbeitsausschuss 1 rang sich zwar zu einem Ja betreffend der Frage eines schweizeri-schen Beitritts zum Nonproliferationsabkommen durch, aber der Schlussbericht betonte, dass der Verzicht auf eine nukleare Bewaffnung der Schweiz eine Einschränkung der Handlungs-freiheit sei, die nur dann gerechtfertigt werden könne, wenn die Möglichkeit der Nuklearbe-waffnung nicht geeignet sei, die Sicherheit der Schweiz zu erhöhen.16 Somit wurde die Option einer taktischen Bombe – zumindest theoretisch – offengelassen. Die Schweiz tat sich schwer, durch den Verzicht auf eigene Kernwaffen – der aber nach der Unterzeichnung des Nonproli-ferationsabkommens und nach dem Debakel der Mirage-Beschaffung praktisch feststand – eine Beschränkung der autonomen Verteidigungsfähigkeit innerlich zu akzeptieren.17 In die-sem Zusammenhang ist anzumerken, dass der endgültige Schlussstrich unter das Thema der Nuklearwaffen erst 1988 durch die offizielle Auflösung des Arbeitsausschusses für Atomfra-gen gezogen wurde.18

Kommissionspräsident Schmid selber nahm – wie dies Senn und Feldmann in ihren Referaten ausführten – gegenüber einer Bewaffnung der Schweiz mit Nuklearwaffen auf strategischer und taktischer Ebene eine ablehnende Haltung ein, weil er die dissuasive Wirkung solcher Waffen für unglaubwürdig hielt. Demgegenüber erwähnte Luchsinger, dass Schmid in einem Vortrag im Jahre 1964 die Frage einer taktischen schweizerischen Nuklearbewaffnung offen liess. Die ablehnende Meinung des Präsidenten ging allerdings kaum in den Schlussbericht der SSF ein, da zwischen Schmid und dem Arbeitsausschuss Nuklearbewaffnung aus Zeit-mangel keine vertiefte Diskussion stattfand.

Neben der Frage einer eigenen Atombewaffnung führte die intensive Beschäftigung mit der Atomwaffenfrage einerseits zur Fokussierung der Arbeiten der Kommission Schmid auf die Kriegsverhinderung. Den „totalen Krieg“ vor Augen suchte man nach Möglichkeiten, diesen zu verhindern. Die Antwort wurde in der strategischen Denkweise, die alle Mittel der Ge-samtverteidigung zu integrieren suchte, gefunden.

Andererseits war das schweizerische strategische Denken geradezu von der nuklearen Bedro-hung gebannt.19 Die Beschäftigung mit dieser neuen Gefahr, der die Schweiz ausgeliefert war, erwies sich als allgegenwärtig und verstellte wohl auch zum Teil den Blick für andere Aspek- 15 Winkler, Kernenergie und Aussenpolitik, S. 189. 16 Studienkommission für strategische Fragen. Grundlagen einer strategischen Konzeption der Schweiz. Be-

richt der Studienkommission für strategische Fragen. Schriften des SAD Nr. 11. Stäfa 1971. S. 101. 17 Winkler, Theodor. Zur Geschichte der schweizerischen Sicherheitspolitik seit 1945. In: Rhinow, René

(Hrsg.). Die schweizerische Sicherheitspolitik im internationalen Umfeld. Basel-Frankfurt a. M. 1995. S. 27-35, hier S. 33.

18 Vgl. Stüssi-Lauterburg, Historischer Abriss, S. 97. 19 Vgl. Näf, Beat. Zur Entwicklung des schweizerischen strategischen Denkens. In: ASMZ 11/1982. S. 595-

602, hier S. 596.

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te der schweizerischen Gesamtverteidigung. So wurde der offensiven, gestaltenden Kompo-nente der Strategie kaum grosse Bedeutung zugemessen.

Im folgenden sollen nun das von der Kommission Schmid propagierte strategische Denken als einer der bleibenden Werte ihrer Arbeit sowie die im Schlussbericht der Kommission nur an-getönte offensive Komponente der Strategie thema-tisiert werden.

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3.2 Strategisches Denken

Wie Däniker in seinem Vortrag betonte, musste die Kommission Schmid versuchen, in die bisher eher zufällige „Überbauung der Region der totalen Landesverteidigung, wo Eigentü-mer und Architekten auf eigene Faust vorgingen“, Ord-nung zu bringen.20 Es galt, das sekto-rielle Denken zu überwinden und gleichsam politisch-strategische Grundprinzipien zu erarbeiten, die der Organisation der totalen Landesverteidigung zugrunde gelegt werden konnten.

Die Kommission war in die sechs thematischen Arbeitsausschüsse Nuklearpolitik, Politik und Strategie, zum Bild des totalen Krieges, Rechtsfragen, ideologisch-psychologische Abwehr und wirtschaftliche Probleme gegliedert. Diese Arbeitsaufteilung war Ausdruck der Überwin-dung des Sektordenkens und entsprach Karl Schmids Ziel, dem strategischen Denken zum Durchbruch zu verhelfen, da jedes Mitglied der Kommission in zwei Ausschüssen tätig zu sein hatte. Wie an der Tagung zum Ausdruck kam, einigten sich die Kommissionsmitglieder recht schnell auf eine Strategiedefinition, die in ihrer endgültigen Fassung folgendermassen lautete:

„Unter Strategie verstehen wir, von unserem Kleinstaat aus gesprochen, den umfassend konzipier-ten Einsatz aller Kräfte der Nation zur Verwirklichung der politischen Ziele des Staates gegenüber einer zum Machtgebrauch bereiten Umwelt.“21

Gleichzeitig mit der Strategie definierte die Kommission auch deren Verhältnis zur Politik. Um dem Vorwurf der Militarisierung der Politik zu entgehen, betonte die Kommission Schmid ausdrücklich den Primat der Politik, indem sie ausführte, dass die strategische Denk-weise nicht die Militarisierung der Politik bedeute, sondern dass im Gegenteil das Militäri-sche in den Gesamtzusammenhang der Politik eingeordnet werde.22

Die Kommission verzichtete darauf, eine Wertung der verschiedenen strategischen Mittel in geeignetere und ungeeignetere vorzunehmen, was auf der strategischen Einsicht beruhte, dass kein Sektor zu Lasten eines anderen vernach-lässigt werden dürfe23, dass also, bildlich ge-sprochen, die Kette nur so stark sei wie ihr schwächstes Glied. Namentlich die Armee sollte in eine Reihe mit den anderen Mitteln gestellt werden. Allerdings heisst es an anderer Stelle im Bericht, dass die Armee als Machtfaktor das relativ grösste Gewicht habe, das sich zudem in verschiedene Richtungen auswirken könne. Darum lohne sich hier eine grosse Investition.24 Die SSF zeigte zudem auch die Grenzen jeglicher strategischen Konzepte auf, indem sie – wie Feldmann anmerkte – feststellte, dass jede strategische Konzeption gegenstandslos sei, wenn die nationale Kohäsion fehle.25

20 Vgl. Referat Däniker, oben S. 23. 21 Studienkommission, Grundlagen, S. 27 (Hervorhebungen im Original). 22 Ebd., S. 28. 23 Ebd., S. 21. 24 Ebd., S. 67. 25 Ebd., S. 40.

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Die Entwicklung des strategischen Denkens ist das wesentlichste Verdienst und der bleibende Wert der Arbeit der Kommission Schmid und insbesondere ihres Präsidenten Karl Schmid, der nicht umsonst als „Vater der schweizerischen Strategie“26 bezeichnet wird.

Die Kommission Schmid legte mit diesem breiten Verständnis von Strategie, das sämtliche Sektoren der Landesverteidigung zum Gegenstand einer einheitlichen Betrachtung machte, einen wichtigen Grundstein für die sicherheitspolitische Konzeption von 1973. Sie hat – wie dies Däniker in seinem Vortrag betonte – neben einer Anleitung zum strategischen Denken erstmals eine Klärung von Wesen und Zielen der schweizerischen Politik im strategischen Bereich und eine Analyse des verfügbaren Instrumentariums geliefert.

Wie Bundesrat Ogi in seinen einführenden Worten bemerkte, war damit der entscheidende Impuls für die Entwicklung der schweizerischen Sicherheitspolitik gegeben und die Idee der Gesamtstrategie geboren.

3.3 Ausgreifende Strategiekomponente

Die Kommission Schmid positionierte die Schweiz bedeutend stärker als zuvor in einem weltweiten System. Sie ging davon aus, dass die eigenen Einflussmöglichkeiten auf dieses System sehr gering seien, so dass die eigene Sicherheit eine Funktion derjenigen der Umwelt sei.27 Gasteyger sprach in diesem Zusammenhang von Resignation gegenüber einer scheinbar erstarrten Lage in Europa, die auf die Interdependenz innen- und aussenpolitischen Gesche-hens nur gelegentlich Rücksicht nehme und die strategische Lage als gegeben annehme.

Dieser Gedanke der Einbettung in ein weltweites System mündete aber nicht in eine aktive, gestaltende Aussenpolitik, sondern verharrte weitgehend in einer defensiven Rolle. Arbenz betonte diesbezüglich, dass der Bericht Schmid vieles bezüglich internationaler Kooperation in der „Kann-Formel“ antöne, aber in diesem Bereich keine eigentliche Friedensstrategie, sondern eine Kriegsverhinderungsstrategie formuliere. Näf schreibt hierzu:

„Die Selbstbehauptungsmassnahmen in den ‚Grundlagen‘ tendieren dazu, in der Defensive zu er-starren. Sie rechnen zu stark mit dem schlimmsten Fall des nuklearen Krieges. Noch ist der Redu-itgedanken vorhanden.“28

26 Archiv für Zeitgeschichte. Nachlass Schmid. Brief Vischer an Schmid, 27. Februar 1972. 27 Studienkommission, Grundlagen, S. 30. 28 Näf, Anfang und erste Entwicklung, S. 135.

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Dass einer aktiveren Aussenpolitik kein Durchbruch beschieden war, hatte wohl vor allem mit den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges, mit der aus der strikten Neutralitätsauffassung folgenden allgemeinen Geringschätzung der Wirkung schweizerischer Aussenpolitik und der angetönten Zusammensetzung der Kommission (unter anderem keine Berufsdiplomaten) zu tun.29 Das folgende Zitat von Rudolf Bindschedler (ehemaliger a. o. Prof. für Völkerrecht an der Universität Bern, Rechtsberater des Eidg. Politischen Departements, Botschafter) soll als Beispiel für die negative Einschätzung der Möglichkeiten schweizerischer Aus-senpolitik dienen:

„Die Schweiz ist ein Kleinstaat. Sie verfügt über geringe Macht und geringen Einfluss. Daraus er-gibt sich schon, dass der von mir so bezeichnete Weg, nämlich Anstreben einer allgemeinen Frie-dens- und Sicherheitsordnung, nur in sehr beschränk-tem Ausmass gangbar ist. Der Beitrag unseres Landes hierzu fällt kaum ins Gewicht und wird es auch in Zukunft kaum tun. [...] Das Hauptziel der schweizerischen Aus-senpolitik muss sich aus den Gegebenheiten heraus auf die Bewahrung der eigenen Freiheit und Unabhängigkeit beschränken. Die Schweiz hat auf eine ex-pansive Politik verzichtet, und das ist wohl der grösste Beitrag, den sie an eine Friedenspolitik ge-leistet hat und leistet. Im übrigen beschränkt sie sich im allgemeinen auf die direkte Wahrung ihrer Interessen.“30

Dieses Verharren in der Defensive war zwar eine weitverbreitete Meinung, wurde aber schon damals – wie Däniker und Gasteyger betonten – auch innerhalb der Kommission bemängelt, denn die Idee einer aktiveren Aussenpolitik war nicht neu. So forderte bereits Däniker in sei-nem 1966 erschienen Buch „Strategie des Kleinstaates“ eine vermehrte internationale Zu-sammenarbeit sowie den Uno-Beitritt. Die damals immer zentraler werdende Uno-Frage nahm im Bericht Schmid nur gerade zwölf Zeilen ein, was als Hinweis dafür zu werten ist, dass internationalen Organisationen kein übermässiges Vertrauen geschenkt wurde.31 Ein alternatives Modell einer schweizerischen Aussenpolitik, das der ausgreifenden Kompo-nente mehr Gewicht verliehen hätte, wurde damals unter anderem vom St. Galler Politologen Alois Riklin und – wie schon erwähnt – von Heinrich Buchbinder vertreten.32 Solche Gedan-ken gingen aber kaum in den Bericht der Studienkommission ein.

An verschiedenen Stellen des Berichts schimmert das Spannungsfeld zwischen der nach innen gerichteten, traditionellen Sichtweise und der auf vermehrtes internationales Engagement ausgerichteten Meinung durch:

„Die guten Dienste, welche ein neutraler Staat leisten kann, können selbstverständlich nicht an die Stelle der militärischen Anstrengungen zur Erhaltung unserer Unabhängigkeit und zum Schutz un-seres Territoriums treten. Aber sie ergänzen sie. Im Rahmen einer umfassenden Strategie, die wir anstreben, darf ihr sachlicher Wert so wenig unterschätzt werden wie ihre symbolische Bedeutung. Es muss unser Bestreben sein, nach aussen wie nach innen das Bild einer Nation zur Geltung zu bringen, welche nicht nur für sich allein leben, sondern auch für die anderen da sein will.“33

Oder an anderer Stelle heisst es unter dem Titel „Verflechtung mit der Umwelt“:

29 Köppel, Auf dem Weg zur Doppelstrategie, S. 92 und 104. 30 Bindschedler, Rudolf. Die Aussenpolitik. In: SAMS-Informationen (7. Jg.) 1/1983. S. 7-11, hier S. 9. 31 Studienkommission, Grundlagen, S. 41. 32 Vgl. Riklin, Alois. Modell einer schweizerischen Aussenpolitik: Ein Diskussionsbeitrag. SAD-Arbeitsheft

W 6. Zürich 1970; Buchbinder, Landesverteidigung im Atomzeitalter. 33 Studienkommission, Grundlagen, S. 48.

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„Eine Abkapselung gegen diese äusseren Einflüsse ist nicht möglich. [...] Die schweizerische Ei-genart, die keineswegs gegenstandslos geworden ist, muss sich heute in der offenen Auseinander-setzung mit der Umwelt und im Wettbewerb mit ihr legitimieren.“34

Dieses Spannungsfeld zwischen der nach innen gerichteten und der auf verstärkter Öffnung bedachten Sichtweise kam auch bei verschiedenen Voten an der Tagung zum Ausdruck. Auf die Frage, wieso die Schweiz aussenpolitisch so extrem zurückhaltend war, betonte alt Bun-desrat Furgler, dass die Schweiz im Rahmen ihrer Möglichkeiten z.B. im Europarat und im KSZE-Prozess eine aktive Rolle gespielt habe. Wildbolz erwähnte die Bedeutung der guten Dienste und der schweizerischen Katastrophenhilfe. Gleichzeitig verwiesen beide auf die Zu-rückhaltung der Schweiz in ihren Aussenbeziehungen.

Die beiden obigen Zitate aus dem Bericht Schmid zeigen, dass man sich der internationalen Verflechtung der Schweiz und der Notwendigkeit einer gewissen Solidarität durchaus be-wusst war. Allerdings wurde diese Verflechtung als problematisch und als notwendiges Übel angesehen. Die Kommission warnte vor einer „Igelmentalität“, verfiel ihr aber teilweise sel-ber.35

Der Bericht vollzieht dennoch einen ersten vorsichtigen Schritt weg von der rein abwehren-den Betrachtungsweise der Gesamtverteidigung. Die spätere Doppelstrategie der schweizeri-schen Sicherheitspolitik wird zaghaft angetönt. So heisst es im Bericht der SSF:

„Es geht somit für die politische Führung des Landes darum, einerseits unsere strategischen Mittel dort einzusetzen, wo wir allgemeine, für unsere Sicherheit günstige Tendenzen verstärken können, was vor allem in Zeiten relativ geringer Spannung unsere Hauptaufgabe sein dürfte, und anderer-seits diese Mittel direkt und gezielt dort einzusetzen, wo nur sie den Schutz unserer lebenswichti-gen Interessen gewährleisten können, was vor allem für Zeiten zunehmender Spannung oder gar offener Konflikte gilt.“ 36

Dies war zwar noch keine eigentliche ausgreifende Komponente der Sicherheitspolitik, aber ein erster vorsichtiger Schritt in diese Richtung war gemacht.

4. Würdigung der SSF

Die Arbeit und Leistung der Kommission Schmid wurde seinerzeit wenig anerkannt. Es blieb lange Zeit sehr still um die „Grundlagen einer strategischen Konzeption der Schweiz“. Ob-wohl der Bericht von Anfang an für ein breites Pu-blikum gedacht war, wurde das Papier erst im Frühjahr 1971 veröffentlicht, nachdem die Bedenken des Stabes für Gesamtverteidigung und der Widerstand seitens des Zivilschutzes hatten überwunden werden können.37 Dies ist ein Indiz dafür, dass der Arbeit der Kommission Schmid das Verdienst zukommt, recht offen

34 Ebd., S. 41. 35 Köppel, Auf dem Weg zur Doppelstrategie, S. 98; kritisch hierzu auch: Danzmayr, Heinz. Kleinstaat auf

der Suche nach Sicherheit: Eine Analyse sicherheitspolitischer Konzepte Österreichs und der Schweiz. Wien 1991. S. 24.

36 Studienkommission, Grundlagen, S. 66 (Hervorhebungen im Original); vgl. auch: Senn, Friede in Unab-hängigkeit, S. 123.

37 Näf, Anfang und erste Entwicklung, S. 61.

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Lücken und Koordinationsmängel der verschiedenen Bereiche der Gesamtverteidigung aufge-zeigt zu haben.38

Vor allem weil die Kommission der Meinung war, dass sie das falsche Gremium für den Ent-wurf einer eigentlichen strategischen Konzeption sei, begnügte sie sich damit, nur Grundla-gen für eine spätere Konzeption auszuarbeiten. Durch die – wie es Däniker nannte – „Verweigerung“ des eigentlichen Auftrages betonte die Kommission Schmid den Primat der Politik, weil sie es ablehnte, einen politischen Akt vorwegzunehmen, der ihrer Auffassung nach durch die Behörden vollzogen werden musste.39

Zudem darf bei der Würdigung der Kommissionsarbeit nicht vergessen werden, dass die Stu-die nicht aus einem Guss sein konnte, weil nicht nur das Problemfeld zu weit und zu komplex war, sondern auch weil die Kommission viel zu heterogen zusammengesetzt war. Das folgen-de Zitat aus einem Brief von Karl Schmid an Gustav Däniker verdeutlicht diesen Sachverhalt:

„Denn indem man die Kommission zusammensetzte wie es geschah, wollte man offenbar einen Text provozieren, der die dialektischen Möglichkeiten darstellen und die Alternati-ven aufzeigen sollte.“40

Es war für die Hauptredaktoren Karl Schmid und Fred Luchsinger ein schwieriges Unterfan-gen, die Studien der Arbeitsausschüsse zusammenzufassen. Sie mussten sich denn auch für ihre Auffassung wehren, dass das Endresultat entgegen den ursprünglichen Absichten keine fertige strategische Konzeption sein durfte und konnte.

Im Rückblick kann festgehalten werden, dass mit der Arbeit der SSF der Grundstein zu einer umfassend formulierten schweizerischen Sicherheitspolitik gelegt war. Den Schritt zur in sich geschlossenen Konzeption vollzog dann der Bericht 73 über die Sicherheitspolitik der Schweiz.41 Ohne die hervorragende Arbeit der Kommission Schmid, die fast alle gedankli-chen Elemente enthält, wäre dieser nicht denkbar gewesen.42 Durch die strategische, integrale Sichtweise wurde der Herausforderung des Nuklearzeitalters begegnet, ohne in Resignation zu ver- fallen. Zudem wurde auch den zivilen Bereichen der Gesamtverteidigung eine vollwertige Stellung zuerkannt. Damit bezog die Kommission – wie Wildbolz betonte – gegen das Sekto-rendenken klar Stellung.

38 Köppel, Auf dem Weg zur Doppelstrategie, S. 101. 39 Senn, Friede in Unabhängigkeit, S. 120. 40 Archiv für Zeitgeschichte. Nachlass Schmid. Brief an Däniker, 18. August 1968. S. 2 (Hervorhebung im

Original). 41 Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Sicherheitspolitik der Schweiz (Konzeption

der Gesamtverteidigung) vom 27. Juni 1973. In: BBl 1973 II S. 112-153. 42 Däniker, Karl Schmid als Soldat und Stratege, S. 17.

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Die Arbeit der Kommission stand stark unter dem Eindruck der durch die Atomwaffe verän-derten strategischen Lage. Die Strategiedefinition der Kommission Schmid trug dieser verän-derten Lage Rechnung, indem sie die Wichtigkeit nichtmilitärischer Mittel im Atomzeitalter betonte.43

Im Gegensatz dazu stand das militärische Moment dennoch weiterhin im Vordergrund. Dies zeigt sich an der Abgrenzung, die bei der Strategiedefinition vorgenommen wurde: Man ging davon aus, dass ein zum Machtgebrauch bereites Umfeld abgehalten werden müsse, weil Macht in verschiedensten Formen ein Mittel zur Erreichung politischer Ziele sei und bleibe. Die Konkretisierung dieser Strategie in Form der Dissuasion, die ihren Extrempunkt im Ge-danken des Widerstands im feindbesetzten Gebiet findet, ist definitionsgemäss defensiver Natur. Aus dieser Schwerpunktsetzung, die mit der negativen Einschätzung der Möglichkei-ten eines Kleinstaates im internationalen System einherging, folgte zwangsläufig der relativ geringe Stellenwert der Aussenpolitik als Mittel der schweizerischen Sicherheitspolitik.

43 Studienkommission, Grundlagen, S. 27.

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B. Aktueller Teil

In seiner Grussadresse hat Bundesrat Adolf Ogi zu einer Weiterentwicklung der Sicherheits-politik und des Wehrauftrages aufgerufen. Dabei hat er drei „Bausteine“ genannt, die bei die-ser Weiterentwicklung seiner Meinung nach im Zentrum stehen: Die internationale Zusammenarbeit, die zukünftige Rolle der Neutralität und die Anpassung der Wehrstrukturen. Diese drei Aspekte sollen in diesem aktuell-sicherheitspolitischen Teil behandelt werden. Da diese an der Tagung unterschiedlich vertieft wurden, geht die vorliegende Auswertung ver-schiedentlich über den Inhalt der Referate und der Diskussionen hinaus. Dies geschieht be-wusst, weil es sich um Themen handelt, die in der gegenwärtigen aussen- und sicherheitspolitischen Diskussion von Bedeutung sind.

1. Verändertes Umfeld nach dem Ende des Kalten Krieges44

Mit dem Ende des Kalten Krieges hat sich auch das sicherheitspolitische Umfeld der Schweiz strukturell radikal gewandelt. Die Schweiz liegt erstmals seit dem Ende des 15. Jahrhunderts nicht mehr in der Nähe einer potentiellen Front. Sie befindet sich in einer sicherheitspoliti-schen Binnenlage, inmitten der Europäischen Union (EU).

Überdies zeigt sich das nähere und weitere Umfeld nicht nur freundlich, sondern zu Koopera-tion und Integration bereit. Europa ist heute an einem weiteren Wendepunkt seiner Geschichte angelangt: Nach dem Europa des Gleichgewichts und jenem der Polarisierung befinden wir uns nun im Europa der Integration, welches das anarchische Selbsthilfeprinzip überwindet. Die EU und die Nato stehen vor einer Erweiterung gegen Osten, die noch vor wenigen Jahren unvorstellbar gewesen wäre. Zudem schickt sich die EU an, am 1. Januar 1999 eine gemein-same Währung einzuführen, womit deren Bürger erstmals ein konkretes Symbol ihrer Zuge-hörigkeit zu einer neuen Gemeinschaft in Händen halten werden.45

Die Schweiz ist von Staaten umgeben, welche dieselben Werte teilen und die Demokratie und die Rechtstaatlichkeit achten. Für die Schweiz besteht heute keine existentielle Gefahr, ange-griffen zu werden. Was das weitere Umfeld angeht, so ist heute – wie Botschafter Brunner hervorhob – im Hinblick auf die ehemalige Sowjetunion zudem mit einer Vorwarnzeit von 10 Jahren für einen Angriff zu rechnen.

Diese veränderte Lage hat Folgen für die Schweiz: Adressat ihrer Sicherheitspolitik ist heute ein Europa, in dem Krieg für praktisch alle Staaten keine gewinnversprechende Option zur

44 Vgl. Gasteyger, Curt. Das internationale Umfeld: Eine aktuelle Beurteilung von Chancen und Risiken. In:

Rhinow, Die schweizerische Sicherheitspolitik, S. 19-26; Gabriel, Jürg Martin. Sackgasse Neutralität. Zü-rich 1997; Spillmann, Kurt R. Von der bewaffneten Neutralität zur kooperativen Sicherheit. In: Bulletin zur schweizerischen Sicherheitspolitik 5. Jg. 1995. S. 2-16.

45 Barre, Raymond/Delors, Jacques. Au delà de l’euro. In: Le Monde, 2. 10. 1997, S. 14. Am 1. Jan. 1999 werden u.a. die Umrechnungskurse des Euros unwiderruflich festgesetzt. Zudem beginnt dann die Umstellung des Banken- und Finanzsektors auf den Euro. Spätestens am 1. Jan. 2002 werden Eu-ro-Banknoten und Euro-Münzen im Umlauf gebracht. Spätestens am 1. Juli desselben Jahres werden ge-mäss Zeitplan der EU die nationalen Währun-gen ihre Gültigkeit als gesetzliche Zahlungsmittel verlieren.

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Erreichung politischer Ziele mehr ist. In einem solchen Szenario, in dem die zum Macht-gebrauch bereite Umwelt abhanden gekommen ist, wird die Dissuasion wirkungslos46 oder stösst – wie es Liener vorsichtiger formulierte – an ihre Grenzen.

Das Statement von Abt zeugte, was die Beurteilung der neuen Lage angeht, von grösserer Skepsis. Einerseits habe sich das strategische Umfeld derart verändert, dass das Risiko eines grösseren Konfliktes kleiner geworden sei. Andererseits sei aber vieles beim alten geblieben, insbesondere seien die zwischenstaatlichen Beziehungen nach wie vor „rapports de force.“47

Neben diesen strukturellen Änderungen ist die heutige sicherheitspolitische Lage durch neuar-tige – der Bericht 90 nennt sie „nicht machtpolitisch bedingte“ – Gefahren gekennzeichnet. Als nicht machtpolitisch bedingte Gefahren erwähnt der Bericht gesellschaftliche, wirtschaft-liche, demographische und ökologische Entwicklungen sowie natur- und zivilisationsbedingte Katastrophen.48 Diese Gefahren zeichnen sich durch eine hohe Komplexität aus und sind oft vielfach miteinander verbunden. Als Beispiele für solche neue Gefahren werden genannt: Migrationsdruck, organisiertes Verbrechen, Proliferation und ökologische Risiken. Diese Ge-fahren machen vor keiner Grenze halt, vielmehr sehen sich alle europäischen Staaten densel-ben Gefahren gegenüber.

Aus den strukturellen Veränderungen und aus der Neuartigkeit der Gefahren ergibt sich, wie von den Referenten verschiedentlich betont wurde, dass sich viele der sicherheitspolitischen Probleme kaum mehr auf nationalstaatlicher Ebene lösen lassen und deshalb der internationa-len Kooperation bedürfen. Die Grenzen des klassischen Nationalstaates sind nicht mehr die Grenzen der heute relevanten Sicherheitsräume. Bezüglich der Notwendigkeit einer verstärk-ten internationalen Kooperation schien, trotz zum Teil unterschiedlicher Einschätzung der aktuellen Lage, eine gewisse Meinungsübereinstimmung seitens der Tagungsteilnehmer vor-handen zu sein.

2. Zwischen Isolation und internationaler Zusammenarbeit

Das Ende des Kalten Krieges macht es der Schweiz immer schwieriger, sich einer aktiveren internationalen Zusammenarbeit zu entziehen. Die Konfrontation hat der Kooperation Platz gemacht, was ein Abseitsstehen der Schweiz immer weniger rechtfertigt. Dem trägt der Be-richt 90 zumindest auf der Zielebene Rechnung: Neben den traditionellen Zielsetzungen schweizerischer Sicherheitspolitik (Friede in Freiheit, Wahrung der Handlungsfreiheit, Schutz der Bevölkerung, Behauptung des Staatsgebietes), werden der „Schutz der Lebensgrundla-

46 Däniker schreibt hierzu: „Im geostrategischen Umfeld von heute gibt es niemanden mehr, den wir von

einem Angriff abhalten müssen, indem wir ihm mit einem übersetzten Eintrittspreis drohen.“ Däniker, Gus-tav. Schweizerische Selbstbehauptungsstrategien im Kalten Krieg. Frauenfeld 1996. S. 375. Goetschel meint hierzu: „Dissuasion im herkömmlichen Sinn macht gegenüber den geschilderten neuen Bedingungen europäischer Stabilität keinen Sinn.“ Goetschel, Laurent. Europäische Herausforderung an die Vermittlung der schweizerischen Sicherheitspolitik. Cahiers de l’IDHEAP 111. Lausanne 1993. S. 9.

47 Vgl für eine pessimistische Einschätzung der politischen Entwicklungen in Europa: Bachofner, Hans. Die Schweiz an der Schwelle zum 21. Jahrhundert. „Schweizerzeit“ Schriftenreihe Nr. 23. Flaach 1996.

48 Schweizerische Sicherheitspolitik im Wandel. Bericht 90 des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Sicherheitspolitik der Schweiz vom 1. Oktober 1990. S. 13-19 (Sonderdruck).

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gen“ und ein „Beitrag an die internationale Stabilität, vornehmlich in Europa“, als neue si-cherheitspolitische Ziele genannt. Insbesondere wurde somit erstmals die ausgreifende Strate-giekomponente gleichgewichtig neben die bewahrende, defensive Komponente gestellt.49

Seit 1945 und verstärkt seit dem Ende des Kalten Krieges wird es immer schwieriger, diese selbstgewählte Isolierung der Schweiz rational nachzuvollziehen.50 Brunner wies auf diese Situation hin, als er ausführte, dass die Schweiz seit dem Zweiten Weltkrieg noch nie so iso-liert gewesen sei wie heute, weil sie anders als zu Zeiten des Kalten Krieges nicht auf Unter-stützung von aussen zählen könne. Die – zumindest institutionelle – Isolation der Schweiz ist die eine Seite. Die andere ist die aufgrund der zunehmenden internationalen Interdependenz und der Untrennbarkeit von Aussen- und Innenpolitik faktische Abhängigkeit der Schweiz, insbesondere von Entscheiden der EU oder der Uno. Die Schweiz sieht sich hier der Gefahr gegenüber, zum scheinsouveränen, scheinautonomen Nachvollzugsland zu verkommen.51 Die – von alt Bundesrat Furgler im Zusammenhang mit der KSZE angesprochene – Logik der „Teilnahme zwecks Teilhabe“ ist in der heutigen innenpolitischen Diskussion noch nicht zum Durchbruch gekommen.

49 Allerdings gibt es Stimmen, die diesen neuen Aspekt als „aufgesetzt“ empfinden: Goetschel, Europäische

Herausforderung, S. 9; oder aber der Meinung sind, dass dieser kooperative Dimension faktisch nicht das gleiche Gewicht zukommt wie der defensiven Komponente: Gabriel, Jürg Martin. Die Überwindung der Schweizer Neutralität. In: Ders., Sackgasse, S. 159-182, hier S. 172.

50 Riklin, Alois. Isolierte Schweiz. In: Schweizerische Zeitschrift für Politische Wissenschaft. Vol. 1, Nr. 2-3/1995. S. 11-34, hier S. 22.

51 Ebd., S. 25.

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Bezüglich des internationalen Engagements wiesen verschiedene Referenten auf die Wichtig-keit eines physischen und nicht nur eines finanziellen Beitrags der Schweiz zugunsten der Staatengemeinschaft hin. Hierbei müsse die Schweiz etwas bieten, was auf eine internationale Nachfrage stosse. Hiermit sind die guten Dienste angesprochen. Diese sind heute nicht mehr das alleinige Privileg der Neutralen und werden nicht durch die Tradition, sondern durch das Übereinstimmen von Angebot und Nachfrage bestimmt. Brunner forderte in diesem Zusammenhang einen physischen und sichtbaren Bei-trag der Schweiz, die damit ein Zeichen ihrer Solidarität mit der Welt setzen müsse.

Als solches, nach aussen und innen sichtbares Zeichen, kann die im letzten Jahr übernomme-ne OSZE-Präsidentschaft gesehen werden. Im Rückblick wird diese grundsätzlich positiv beurteilt.52 Ob vom Vorsitz der OSZE Impulse für eine engagiertere Aussen- und Sicherheits-politik ausgehen werden, oder ob dieses Engagement nur ein Strohfeuer war, muss die Zu-kunft zeigen.

Im militärischen Bereich hat die Schweiz mit dem Einsatz von Gelbmützen in Sarajevo der OSZE wertvolle logistische Unterstützung gewährt. Diese Arbeit wurde von verschiedenen Tagungsteilnehmern als zwar sehr nützlich, aber als zu wenig weitreichend bezeichnet. Diese Meinung blieb nicht unwidersprochen: So wurde verschiedentlich auf die Leistungen der Schweiz, insbesondere des Katastrophenhilfekorps, aufmerksam gemacht. Zum Gelbmützen-einsatz meinte Lezzi, dass es auf die Dauer nicht vertretbar sei, ein 400'000 Mann-Heer auf-recht zu halten und gleichzeitig für den Auftrag der Friedensförderung nur 65 Gelbmützen zur Verfügung zu stellen, die nicht einmal als Teil ihrer Armee wahrgenommen würden. Dies könnte aussen- und innenpolitisch der Legitimation der Schweizer Armee abträglich sein.

Die Nachfrage nach logistischer Unterstützung für internationale Einsätze dürfte in Zukunft zunehmen. Hier könnte sich eine Nische für schweizerische Dienstleistungen auftun, die es zu nutzen gilt. Dies setzt aber voraus, dass die Schweiz gewillt ist, nachgefragte Dienstleistungen (namentlich im militärischen Bereich) zu erbringen. Einen originellen Vorschlag bezüglich dem Ausfüllen solcher Nischen machte Brunner. Er regte die Schaffung eines „Swiss Solidarity Corps“ an, das im Sinne der Idee des Roten Kreuzes Präsenz an den Brennpunkten der Welt und Solida-rität demonstrieren solle.

Bezüglich der Notwendigkeit eines vermehrten internationalen Engagements der Schweiz war an der Tagung ein gewisser Grundkonsens auszumachen. Mit der Befürwortung einer ver-stärkten internationalen Kooperation ist allerdings die Frage eines institutionellen Engage-ments noch nicht beantwortet.

Woker führte aus, dass die Abneigung der Schweiz, nach dem Zweiten Weltkrieg institutio-nelle Bindungen einzugehen, ein im internationalen Vergleich völlig singuläres Vorgehen gewesen sei. Ob die Schweiz im Jahre 1945 die Weichen falsch gestellt hat und den aussenpo-

52 Siehe hierzu den kürzlich erschienenen Sammelband zur Schweizer OSZE-Präsidentschaft: Goetschel,

Laurent (Hrsg.). Vom Statisten zum Hauptdarsteller: Die Schweiz und ihre OSZE-Präsidentschaft. Bern-Stuttgart-Wien 1997; vgl. auch: Wenger, Andreas/Breitenmoser, Christoph/Borchert, Heiko. Das schweize-rische OSZE-Präsidialjahr 1996. In: Bulletin zur schweizerischen Sicherheitspolitik 6. Jg. 1996/97. S. 4-46.

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litischen Spielraum, insbesondere im Hinblick auf einen Uno-Beitritt, nicht zu nutzen wusste, ist zur Zeit Gegenstand eines Historikerstreits53, der hier nicht weiter ausgeführt werden soll.

Trotz der – von verschiedenen Tagungsteilnehmern hervorgehobenen – aktiven Teilnahme der Schweiz im Europarat und beim KSZE/OSZE-Prozess bleibt festzustellen, dass die Schweiz den wichtigsten internationalen Organisationen, die wesentlichen Einfluss auf die Friedenssicherung in Europa haben (Uno, EU, WEU, Nato), nicht angehört und in nächster Zukunft wohl auch nicht angehören wird.54

Lezzi betonte, dass es heute nicht mehr darum gehen könne, den Alleingang zu optimieren. Im Vordergrund sollte die bestmögliche Nutzung internationaler institutioneller Möglichkei-ten zur Wahrung der eigenen Interessen stehen. In ähnlicher Weise äusserte sich auch Brun-ner, der eine institutionelle Annäherung an die Nato und an die EU zur Diskussion stellte.

Die schweizerische Sicherheitspolitik befindet sich in einer Phase des Umbruchs. Ansätze, einen Beitrag zur internationalen Stabilität zu leisten (fünftes sicherheitspolitisches Ziel), sind vorhanden. Ob sich die Schweiz – wie Schoch meinte – in die europäische Sicherheitsarchi-tektur eingliedern wird, oder ob sie weiterhin in erster Linie auf eine weitgehend schlagkräfti-ge und autarke Armee vertrauen wird, ist eine offene Frage, die im politischen Prozess zu beantworten ist. Hierbei geht es natürlich nicht um ein Entweder-oder, sondern um eine Ge-wichtung der autonomen und der multilateral-kooperativen sicherheitspolitischen Anstren-gungen. Die offizielle Schweizer Haltung von Bundesrat und Parlament hat sich seit den späten sechziger Jahren in Richtung einer grösseren Bereitschaft zu vermehrter Öffnung und Kooperation doch etwas bewegt.

53 Vgl. für einen Überblick über die verschiedenen Positionen: Die Schweiz im internationalen System der

Nachkriegszeit 1943-1950: Referate des Historiker-Tages 1995. Hrsg. von der Allgemeinen Geschichtfor-schenden Gesellschaft Schweiz (AGGS). Itinera Bd. 18. Basel 1996.

54 Hoffmann hält hierzu fest, dass die Schweiz einerseits im Bericht über die Aussenpolitik in den 90er Jahren am Beitrittsziel (Uno, EU) festhält, andererseits dieses aber kein Legislaturziel für die Jahre 1995-1999 sei. Die Frage werde so auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, was von einer gewissen Resignation und Ängstlichkeit zeuge, aussenpolitische Probleme auszudiskutieren. Hoffmann, Hansrudolf. Die Schweiz und die Uno. In: Rhinow, Die schweizerische Sicherheitspolitik, S. 57-72, hier S. 71.

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3. Neudefinition der Neutralität

Die Neutralität und ihre zukünftige Rolle kam in den Vorträgen und Diskussionen verschie-dentlich zur Sprache. Sie ist in der aussen- und sicherheitspolitischen Diskussion ein fast all-gegenwärtiges Thema. Hierbei lassen sich neutralitätsrechtliche, sicherheitspolitische und innenpolitisch-identitätsstiften-de Aspekte auseinanderhalten.55

3.1 Neutralitätsrechtliche Aspekte56

Neutralität im Sinne des Völkerrechts bedeutet Nichtteilnahme eines Staates an einem Krieg anderer Staaten. Das Neutralitätsrecht regelt die diesbezüglichen Rechte und Pflichten neutra-ler Staaten.57 Demgegenüber werden mit dem Begriff der Neutralitätspolitik all jene Mass-nahmen bezeichnet, die der Neutrale im Krieg und der dauernd Neutrale bereits im Frieden ausserhalb seiner neutralitätsrechtlichen Verpflichtungen ergreift, um die Glaubwürdigkeit seiner Neutralität zu sichern.

Das Neutralitätsrecht stammt aus einer Zeit, als das Völkerrecht noch ganz im Zeichen des Koexistenzrechts und des Gedankens des jus ad bellum stand. In diesem System hatte die Neutralität ihren berechtigten Platz und wurde von den europäischen Mächten als nicht unbe-deutender Gleichgewichtsfaktor geschätzt. So wurde die Neutralität der Schweiz 1815 anläss-lich des Wiener Kongresses als ein im Interesse ganz Europas liegendes Konzept der nationalen Sicherheit bezeichnet.58

Diese Situation hat sich – wie verschiedene Referenten andeuteten – gewandelt: Einerseits hat das Völkerrecht eine Entwicklung vom Koexistenz- zum Kooperationsrecht vollzogen.59 Was die Frage von Krieg und Frieden angeht, gibt es im Zeichen des allgemeinen Gewaltverbots kein Recht auf Krieg mehr, vielmehr treten im Rechtsverständnis der kollektiven Sicherheit die Vereinten Nationen einem Rechtsbrecher (Aggressor) gegenüber. Andererseits ist auf-

55 In Anlehnung an: Thürer, Daniel. Sicherheitspolitik und Neutralität. In: Rhinow, Die schweizerische Si-

cherheitspolitik, S. 121-136. 56 Vgl. zum folgenden: Riklin, Alois. Neutralität der Schweiz. In: Ders./Haug/Probst. Neues Handbuch, S.

191-209; ders. Die dauernde Neutralität der Schweiz. Beiträge und Berichte des Instituts für Politikwissen-schaft der Hochschule St. Gallen 221. St. Gallen 1994; Stu- diengruppe zu Fragen der schweizerischen Neutralität. Schweizerische Neutralität auf dem Prüfstand – Schweizerische Aussenpolitik zwischen Kontinuität und Wandel. Bern 1992.

57 Die Pflichten des Neutralen umfassen Enthaltungs-, Abwehr-, Duldungs- und Unparteilichkeitspflichten. Rechte des Neutralen: Erstens sind der Land-, See- und Luftraum des Neutralen unverletzlich. Zweitens kommen dem Neutralen eine Reihe humanitärer Rechte zu (z.B. Asylgewährung an zivile Flüchtlinge und Truppenteile fremder Heere). Drittens ist der Neutrale weder zur wirtschaftlichen Neutralität noch zur Ge-sinnungsneutralität verpflichtet. Das allgemeine Neutralitätsrecht wurde an der II. Haager Friedenskonferenz von 1907 in Form des V. Ab-kommens betreffend die Rechte und Pflichten der neutralen Mächte und Personen im Fall eines Landkrie-ges (SR 0.515.21) und des XIII. Abkommens betreffend die Rechte und Pflichten der neutralen Mächte im Falle eines Seekrieges (SR 0.515.22) kodifiziert.

58 Thürer, Sicherheitspolitik und Neutralität, S. 128. 59 Vgl. Saxer, Urs W. Die Zukunft des Nationalstaates. Schriften zur europäischen Integration 6. Basel 1994.

S. 19.

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grund dieser veränderten Konstellation die neutralitätspolitische Zurückhaltung nicht mehr gefragt, denn wo der Antagonismus zwischen Ost und West durch Integration und Zusam-menarbeit abgelöst wird, büssen auch die herkömmlichen Stabilisierungs-, Vermittlungs- und Friedensfunktionen des Neutralen an Gewicht ein.

Diese Krise60 des Neutralitätsrechts bleibt natürlich nicht ohne Auswirkungen auf die Neutra-lität der Schweiz, denn die völkerrechtliche Begründbarkeit der Neutralität stellt eine grund-legende Bedingung jeglicher Neutralitätspolitik dar. Diese Begründbarkeit ist aber heute in Frage gestellt, weil die Neutralität der politischen Logik einer heute weitgehend versunkenen internationalen Ordnung entspricht.61

3.2 Sicherheitspolitische Aspekte der Neutralität

Während Jahrhunderten war die Neutralität eine Überlebensstrategie, die der Schweiz ihre Unabhängigkeit garantierte. Sie stand auch nach dem Zweiten Weltkrieg nicht zur Diskussi-on, bis 1990 eine Neubeurteilung der Neutralität einsetzte. Als Anlass hierfür können drei fast gleichzeitig eintretende Ereignisse genannt werden: Die unerwartete Wende des Projektes des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR), die bald zur Erkenntnis führte, dass der EWR nur ein Übergangsstadium zur vollen Mitgliedschaft werden könnte. Ein EU-Beitritt rückte damit in den Bereich des Möglichen. Hinzu kam das Ende des Ost-West-Gegensatzes, das die stra-tegische Lage völlig auf den Kopf stellte. Schliesslich fasste der Bundesrat am 7. August 1990 den überraschenden Entschluss, an den vom Sicherheitsrat der Uno gegen den Irak verhäng-ten Wirtschaftssanktionen teilzunehmen.62

Unter dem Aspekt der Sicherheitspolitik stellt sich heute die Frage, ob die Neutralität als Mit-tel noch geeignet ist, einen Beitrag zur Sicherheit der Schweiz zu leisten. Der Bericht 90 reih-te die bewaffnete Neutralität denn auch nicht zufällig unter die „offenen Fragen“ ein.63 Bezüglich des Schutzes vor militärischen Bedrohungen ist festzustellen, dass nicht erst seit dem Ende des Kalten Krieges eine Verschiebung von internationalen zu nicht-internationalen Konflikten stattgefunden hat. Für letztere ist das Neutralitätsrecht höchstens noch für den Fall von Interventionen Dritter von Bedeutung.

Bewaffnete zwischenstaatliche Konflikte im EU-Raum sind sehr unwahrscheinlich geworden. Selbst im Fall einer militärischen Bedrohung der Schweiz dürfte die Schutzfunktion der Neut-ralität fraglich sein, da zumindest die indirekten Wirkungen grossräumiger moderner Konflik-

60 Manche Politologen und Völkerrechtler sprechen vom Ende oder von der Erosion des Neutralitätsrechts.

Siehe z.B.: Barz, Andreas. Das Ende der Neutralität. In: Aus Politik und Zeitgeschichte B 47-48/1992. S. 3-11; Torrelli, Maurice. La neutralité en question. In: Revue Générale de Droit International Public. Vol. 96, No. 1/1992. S. 5-43.

61 Vgl. Thürer, Daniel. Neue Sinnstrukturen schaffen. In: Neue Zürcher Zeitung, 6. 9. 1997, Nr. 206, S. 68. 62 Schindler, Dietrich. Die Relevanz der Neutralität für die künftige Sicherheitspolitik der Schweiz. In: Stra-

tegie: Beiträge zur Sicherheitspolitik, Unternehmensführung und Kommunikation. Hrsg. von Heller, Daniel et. al. Festgabe für Gustav Däniker. Zürich 2. Aufl. 1993. S. 131-145, hier S. 131.

63 Bericht 90, S. 56 (Sonderdruck).

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te kaum an neutralen Staatsgrenzen halt machen.64

Bedrohungen von ost- oder aussereuropäischen Konflikten werden demgegenüber vorwie-gend nicht-militärischer Natur sein.65 Gegenüber diesen Gefahren kann die Neutralität keinen Schutz bieten, weil sie auf den klassischen machtpolitisch-militärischen Konflikt zugeschnit-ten ist. Dieser wird aber immer seltener; die Grenze zwischen Krieg und Frieden ist ver-wischt.

An der Tagung wurde verschiedentlich darauf hingewiesen, dass die Schweiz aufgrund der waffentechnischen Entwicklung an die Grenzen ihrer autonomen Verteidigungsfähigkeit stösst. Eine allfällige Bedrohung durch Distanzwaffen würde Raketenabwehrsysteme und/oder Satellitenaufklärung nötig machen. Beides würde die nationalen Mittel aber bei wei-tem übersteigen. Diese allfälligen Bedrohungen würden eine Kooperation mit dem Ausland bedingen.66

Es bleibt festzuhalten, dass die Neutralität als Sicherheitsstrategie zweifellos an Stellenwert eingebüsst hat. Die traditionelle Formel „Sicherheit durch Neutralität“, die bis in die Zeiten des Kalten Krieges im Vordergrund stand, muss heute vermehrt durch die Formel „Sicherheit durch Kooperation“ ersetzt werden, denn „die Neutralität soll die Sicherheit des Landes för-dern, nicht die Verteidigungsfähigkeit schmälern.“67 In diesem Zusammenhang wiesen meh-rere Referenten auf die Grenzen schweizerischer Neutralitätspolitik und auf die Notwendigkeit einer verstärkten Kooperation hin. Es ist eine Gewichtsverschiebung festzu-stellen, indem den Elementen einer offensiveren Aussenpolitik mehr Bedeutung verliehen wird. Schindler hat das Problem „Neutralität und Sicherheit“ treffend formuliert:

„Die verbreitete Meinung, Neutralität sei für die Sicherheit notwendig, solange es irgendwo in Eu-ropa oder in der Welt Kriege gebe, beruht auf einem gefährlichen Irrtum. Die Neutralität ist sinn-voll, wenn es darum geht, sich aus dem Kräftefeld rivalisierender Mächte herauszuhalten. Sie hat jedoch keine Rechtfertigung, ja kann der Sicherheit abträglich sein, wenn Gefahren abgewehrt werden müssen, die – oft mit anderen als militärischen Mitteln – die Ordnung und die Sicherheit ganz Europas oder eines grossen Teils desselben bedrohen.“68

Somit hat die Neutralität also nicht nur als sicherheitspolitische Strategie an Bedeutung ein-gebüsst, sondern die internationale Funktion der Neutralität ist angesichts der veränderten internationalen Konstellation auch nicht mehr gefragt wie in vergangenen Zeiten.

3.3 Neutralität zwischen Mythos und Mittel zum Zweck

Die Neutralität hat, wie oben dargelegt, als sicherheitspolitisches Instrument an Bedeutung

64 Riklin, Die dauernde Neutralität der Schweiz, S. 40. 65 Schindler, Die Relevanz der Neutralität, S. 138. 66 Bericht über die Aussenpolitik der Schweiz in den 90er Jahren. Anhang: Bericht zur Neutralität vom 29.

November 1993. S. 71 (Sonderdruck). 67 Ebd., S. 71 und 72. Die Studiengruppe zu Fragen der schweizerischen Neutralität formulierte dies noch

direkter, indem sie festhielt, dass „das relevante Kriterium für den Entscheid über Beibehaltung oder Auf-gabe der Neutralität der Sicherheitsgewinn sein [müsse].“ Stu- diengruppe, Schweizerische Neutralität, S. 17.

68 Schindler, Die Relevanz der Neutralität, S. 138.

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eingebüsst. Dies gilt aber nicht für den innenpolitischen Bereich: Hier haben sich die Voraus-setzungen – wie Liener zu bedenken gab – nicht im gleichen Masse wie die aussenpolitischen gewandelt. So hat die schweizerische Neutralität in den Augen der Durchschnittsbevölkerung in den letzten Jahren nur wenig an Attraktivität eingebüsst. 1997 sind rund 80 Prozent der Befragten der Meinung, dass die Neutralität beibehalten werden sollte (1996: 81 Prozent).69 Dabei spielen traditionelle und identifikatorische Gesichtspunkte offensichtlich eine grössere Rolle als instrumentelle Nutzenüberlegungen. Für die Bevölkerungsmehrheit ist die Neutrali-tät eine Maxime mit Zielcharakter, an der auch dann festgehalten werden soll, wenn deren Funktionalität sich im Zuge der internationalen Entwicklung zu entwerten scheint. Allerdings wird sie heute „flexi-bler“ interpretiert als in der Vergangenheit.

Die Neutralität ist für weite Kreise eng mit dem Selbstverständnis des Landes verknüpft und wurde zu einem Bestandteil der nationalen Identität emporstilisiert. Die Neutralität ist so zum Mythos und zum Garant trotziger Selbstbehaup-tung geworden. Dieser Neutralitätsmythos ist in seiner absoluten Form jüngeren Datums. Er entstand als Abwehrreflex kurz vor dem Zwei-ten Weltkrieg und wurde – wie es Luchsinger formulierte – mit der Selbstverständlichkeit einer „patentierten Tradition“ praktisch nahtlos in die Nachkriegszeit übernommen.

„Im Blick zurück auf die Geschichte glaubten die Schweizer zu sehen, wie ihr Land schon immer durch die Neutralität vor den Konflikten der grösseren und mächtigeren Nachbarn gerettet worden war. Also bestand auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kein Grund, dieses Konzept zu än-dern.“70

Ihren Anteil an dieser Entwicklung hatten dabei auch die oftmals fälschlicherweise als offi-zielle Schweizer Konzeption der Neutralität bezeichneten, restriktiven Leitsätze des Eidge-nössischen Politischen Departements von 195471, welche die Mitgliedschaft in einer nichtuniversellen politischen Gemeinschaft oder in einer Zoll- und Wirtschaftsunion als neut-ralitätswidrig qualifizierten. Der Mythos der Neutralität ist nicht von unten nach oben, son-dern von oben nach unten gewachsen.72

Wie Schoch betonte, ist die rein dienende Funktion der Neutralität aber eine historische Tat-sache. Die Neutralität ist schon von den Gründervätern von 1848 als ein flexibel gehandhab-tes Mittel zur Erreichung zentraler Ziele verstanden worden, das bei Bedarf abgeändert oder fallengelassen werden müsse. Dies sei im Bericht Schmid nicht so zum Ausdruck gekommen. Däniker schrieb zu diesem Punkt:

„Für ihre Mitglieder [der SSF] war diese Neutralität eben das durchaus Bekannte, Unangefochtene und Bestimmende.“73

In dieses Bild passt gemäss Schoch auch die Tatsache, dass der Bericht Schmid es nicht für nötig erachtete, die Neutralität zu definieren. Zudem wurde die Neutralität auf die Zielebene

69 Haltiner, Karl W./Bertossa, Luca/Spillmann, Kurt R. Sicherheit ‘97. Zürcher Beiträge zur Sicherheitspolitik

und Konfliktforschung Nr. 42. Zürich 1997. S. 14 und 32. 70 Spillmann, Von der bewaffneten Neutralität, S. 7. 71 Die Leitsätze des Politischen Departements sind abgedruckt in: Schindler, Dietrich. Dokumente zur schwei-

zerischen Neutralität seit 1945. Bern-Stuttgart 1984. S. 15-19. 72 Riklin, Isolierte Schweiz, S. 31. 73 Däniker, Schweizerische Selbstbehauptungsstrategien, S. 140.

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gehievt. Zusammen mit der Unabhängigkeit wurde deren Erhaltung zur Aufgabe der Sicher-heitspolitik erklärt. Die Bedeutung der Neutralität wurde auf diese Weise überhöht und zu einem grundlegenden Wesenszug schweizerischer Eigenart stilisiert. Aus dem Instrument „Neutralität“ wurde ein eigenständiges Ziel schweizerischer Aussenpolitik, was deren Spiel-raum stark einschränkte.74

Vordringliche Aufgabe der Politik dürfte es wohl sein, den instrumentellen Charakter der Neutralität, der unseren Verfassungsvätern selbstverständlich war, der breiten Bevölkerung wieder bewusst zu machen. Ohne einen Bewusstseinswandel droht – wie dies verschiedent-lich bemerkt wurde – die Gefahr der Blockierung der Aussen- und Sicherheitspolitik durch die Innenpolitik. Arbenz konstatierte in diesem Zusammenhang eine gewisse Verhärtung der Diskussion, einen Hang zu Isolationismus und ein „fundamentalistisches“ Neutralitäts-verständnis in Teilen der Bevölkerung. Gelingt die Versachlichung der innen-politischen Dis-kussion nicht, könnte sich die Neutralität, einst ein Faktor mit starker Integrationswirkung, in einen Desintegrationsfaktor verwandeln, indem die einen in der Neutralität ein unverzichtba-res, sinnstiftendes Element schweizerischer Eigenart erblicken, andere diese aber umgekehrt als Ausdruck überkommener, realitätsfremder Isolation empfinden.75

Parallel zum Konsens über die zu verstärkende internationale Kooperation der Schweiz, war in den meisten Voten auch bezüglich dem veränderten Stellenwert der Neutralität ein grund-sätzliches Einverständnis festzustellen. Es bestand Einigkeit, dass die Neutralität nicht zur Isolation führen dürfe und dass sie an die veränderten internationalen Rahmenbedingungen anzupassen sei.

4. Anpassung der Wehrstrukturen

Die Wehrstrukturen und die Milizarmee kamen an der Tagung mehrmals zur Sprache, aller-dings ohne in eine grundsätzliche Diskussion über das Für und Wider des Milizprinzips zu münden. Verschiedentlich wurde ausgeführt, dass sich die Armee den gewandelten Verhält-nissen anpassen müsse, um den Herausforderungen der Zukunft gewachsen zu sein. Neben einer kurzen Darstellung des festzustellenden europäischen Trends Richtung Berufsarmee sollen an dieser Stelle kurz die Hauptlinien der derzeitigen Diskussion über die Schweizer Miliz-armee nachgezeichnet werden.

4.1 Europäischer Trend zur Berufsarmee

Das Milizprinzip ist neben der direkten Demokratie, der Neutralität und dem Föderalismus eine schweizerische Eigenart. In den letzten Jahren ist jedoch eine intensivierte Diskussion

74 Die Neutralität war kürzlich bei der derzeitigen Verfassungsdiskussion ein Thema als die Verfassungs-

kommission des Nationalrates es ablehnte, die Neutralität als Ziel der schweizerischen Aussenpolitik in der Bundesverfassung zu verankern. Neue Zürcher Zeitung, 18. 9. 1997, Nr. 216, S. 14.

75 Vgl. Kux, Stephan. Gründe und Scheingründe für die Neutralität der Schweiz. In: Ders. (Hrsg.). Zukunft Neutralität? Die schweizerische Aussen- und Sicherheitspolitik im Umbruch. Bern-Stuttgart-Wien 1994. S. 61-86, hier S. 65.

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über die Zukunft der Milizarmee festzustellen.76 Diese sieht sich einer stetig grösser werden-den Kritik gegenüber. So steigt die Zustimmung zu einer Berufsarmee seit einigen Jahren tendenziell. 1997 sprachen sich 36 Prozent der Befragten für eine Berufsarmee aus (54 Pro-zent waren für die Beibehaltung der Milizarmee). Bei der Altersgruppe der 18-29jährigen war sogar eine relative Mehrheit von Befürwortern einer Berufsarmee festzustellen (48 Prozent gegenüber 43 Prozent für die Miliz).77

Diese Entwicklung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass sich immer mehr Länder in Europa vom Wehrpflichtmodell verabschieden und zu Freiwilligen- armeen übergehen. Frankreich, das Ursprungsland der levée en masse, hat die Abschaffung der Wehrpflicht beschlossen.78 Vier weitere Länder sind schon früher dem angelsächsischen Vorbild gefolgt und haben die Aufhebung der Wehrpflicht vollzogen (Belgien, Niederlande) oder de facto beschlossen (Portugal, Spanien).79

Die Zeit der infanteristisch geprägten Massenheere scheint in Europa ihrem Ende entgegen-zugehen, weil die veränderte Bedrohungslage die territoriale Verteidigung durch Massenheere in den Hintergrund treten lässt. Die heutigen Konfliktszenarien verlangen nach flexibleren, kleineren und mobileren Streitkräften, die im Zusammenspiel mit diplomatischen Bemühun-gen Konflikte an Ort und Stelle unter Kontrolle zu bringen versuchen. All dies bedeutet zwar nicht eine automatische Abkehr vom Milizprinzip, aber es ist unverkennbar, dass eine Ver-kleinerung der Militärapparate in Europa im Gange ist und dass diese überwiegend durch den Abbau von Wehrpflichtigen geschieht.80

4.2 Milizarmee unter Druck

Die allgemeine Wehrpflicht – und damit das Milizprinzip – gerät aus verschiedenen Gründen unter Druck. Neben der erwähnten veränderten Bedrohungslage und dem europäischen Trend zur Berufsarmee stehen gesellschaftspolitische, ökonomische und militärische Argumente im Vordergrund der Diskussion.81

76 Neben den beiden Berichten der Arbeitsgruppe Sicherheitspolitik (Gruppe Schoch) von 1994 und 1996

sowie den darauffolgenden Reaktionen sei hier auf die von Bundesrat Ogi geäus-serten Überlegungen betreffend einer Teilprofessionalisierung für internationale Einsätze verwiesen. Neue Zürcher Zeitung, 19. 8. 1997, Nr. 190, S. 12.

77 Haltiner/Bertossa/Spillmann, Sicherheit ‘97, S. 58f. 78 Am 21. Oktober 1997 wurde das Gesetz zur Armeereform von der Nationalversammlung Frankreichs ver-

abschiedet. Dieses Gesetz sieht die Schaffung einer Berufsarmee bis zum Jahr 2002 vor. Die Wehrpflicht wird abgeschafft, alle junge Franzosen sollen aber gemustert werden. Neue Zürcher Zeitung, 22. 10. 1997, Nr. 245, S. 1.

79 Vgl. Haltiner, Karl W. Europas Wehrsysteme im Umbruch. In: Neue Zürcher Zeitung, 26. 8. 1997, Nr. 196, S. 13.

80 Ebd., S. 13. 81 Vgl. für einen Überblick über die aktuelle Diskussion: Mantovani, Mauro. Milizarmee oder Freiwilligen-

armee? Vor dem Wendepunkt der öffentlichen Diskussion. In: Bulletin zur schweizerischen Sicherheitspo-litik 6. Jg. 1996/97. S. 47-68; Privatwirtschaft und Milizkarriere. Beilage zur AMSZ 10/1997; Miliz in der Schweiz. SAMS-Informationen (17. Jg.) 1-2/1993; Brunner, Dominique et. al. Armee 95 – Chance für die Milizarmee? Zürich 1994.

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Auf der gesellschaftspolitischen Ebene wird als eines der Hauptargumente für die Milizarmee angeführt, dass diese tief im Volksbewusstsein verwurzelt sei, das politische und gesellschaft-liche Leben durchziehe und deshalb ein wichtiges Element der nationalen Kohäsion darstelle. Oder in den Worten Otts:

„Der innere Zusammenhalt zwischen den verschiedenen Gesellschafts- und Sprachgruppen in der Schweiz wird fast nur noch durch die Armee bewusst und unbewusst gefördert.“82

Die integrative Wirkung der Armee betonte – wie Feldmann und Eichenberger bemerkten – auch die Kommission Schmid, indem sie in ihrem Bericht ausführte:

„Ein wichtiges Element des nationalen Zusammenhalts ist sodann die Armee. [...] Die bindende Kraft der Armee liegt vor allem im Milizsystem, das auf der Wehrpflicht aller tauglichen männli-chen Bürger beruht. Sollte aus ökonomischen oder militärischen Gründen eine Professionalisie-rung oder eine drastische Verkleinerung der Armee zur Diskussion gestellt werden, dann wird man diesen geistig-psychologischen Faktor mit seinem ganzen Gewicht in Rechnung stellen müssen.“83

Die Armee ist gemäss dieser Sicht nicht nur eine Organisationsform, sondern eine öffentliche Sache (res publica), welche die Gemeinschaft als Ganzes betrifft. Eine Berufsarmee würde demgegenüber nicht in die politische Tradition der Schweiz passen und die staatliche Identität und damit die weitere Zukunft der Schweiz in Frage stellen.84

Während die Integrationsfähigkeit der Milizarmee zu Zeiten Karl Schmids noch bejaht wer-den konnte, ist es heute – wie Eichenberger bemerkte – fraglich, ob die Armee diese Funktion noch wahrzunehmen vermag. Die Gründe hierfür sind im veränderten gesellschaftspolitischen Umfeld zu suchen. Die gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklungen, die auch in an-deren pluralistischen Gesellschaften zu beobachten sind, gehen weder an der Schweiz noch an ihrer Miliz- armee spurlos vorbei.

Ohne die Integrationswirkung der Milizarmee unterschätzen zu wollen, dürfte die Reichweite derselben in einer sich immer weiter ausdifferenzierenden Zivilgesellschaft im Abnehmen begriffen sein.85 Der vielzitierte Wertewandel und die Individualisierung der Gesellschaft erodiert die Bereitschaft, sich für die Gemeinschaft zu engagieren. Gerade das Milizprinzip ist aber auf ein gewisses Mass an Opferbereitschaft der Bürger angewiesen. Liener hat in diesem Zusammenhang bemerkt, dass es fraglich sei, ob die Gesellschaft überhaupt noch milizwillig und -fähig sei. Unter diesen Prämissen scheint es zumindest problematisch, den Zusammen-halt der „Willensnation Schweiz“ ausgerechnet durch ein militärisches Element garantieren zu wollen.86

82 Ott, Charles. Credo für die Miliz. In: Brunner, Armee 95, S. 178-182, hier S. 180. 83 Studienkommission, Grundlagen, S. 45 (Hervorhebungen im Original). 84 Vgl. Stahel, Albert A. Zukunft der Wehrhaftigkeit und der Milizarmee in der Schweiz. In: Brunner, Armee

95, S. 183-185, hier S. 184. 85 Haltiner stellt hierzu fest: „Im Zuge der Globalisierung und des Wertewandels haben traditionell der Wehr-

pflicht zugeschriebene Funktionen, nämlich nationale Identität zu stiften und beim Bürger ein Gefühl der demokratischen Mitverantwortung für die Erhaltung des Kollektivs zu wecken, erheblich an Bedeutung eingebüsst.“ Haltiner, Karl W. Miliz – das zeitlos ideale Wehrmodell? In: Neue Zürcher Zeitung, 23. 5. 1996, Nr. 118, S. 15.

86 Bezüglich der Integrationswirkung bemerken Kritiker, dass die Armee diese durch Zwang entfalte. Eine

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Zu den ökonomischen Argumenten:87 Im Armeeleitbild 95 heisst es zu den Kosten einer Mi-liz- im Vergleich zu einer Berufsarmee lediglich:

„Eine Milizarmee ist überdies weitaus kostengünstiger als eine vergleichbare Berufsarmee.“88

Diese Aussage bleibt in der Diskussion über die Milizarmee nicht unwidersprochen. Denn diese Argumentation berücksichtigt nur die im Militärbudget ausgewiesenen Kosten, die je-doch nicht den wahren, den volkswirtschaftlichen Kosten der Armee entsprechen. Diese sind bedeutend höher, da der Staat die Arbeit der Wehrpflichtigen nicht marktgerecht entlohnen muss. Die Kosten der Armee werden auf diese Weise teilweise externalisiert. Aufgrund dieser Tatsache wird aus ökonomischer Sicht argumentiert, dass das Freiwilligenmodell den Vorteil hat, Kostentransparenz zu schaffen. Somit werde der Verteidigungsbereich als Element staat-lichen Handelns einer demokratischen Kontrolle zugänglich gemacht.89

Weiter wird von Kritikern argumentiert, dass das Freiwilligenmodell dem Wehrpflichtmodell an allokativer Effizienz der Einsatzfaktoren überlegen ist.90 Zudem entspreche eine Professio-nalisierung einer sozioökonomischen Entwicklungslogik hochindustrialisierter Gesellschaften mit einem hohen Grad an funktionaler Arbeitsteilung.91

Die Kostenfrage ist die eine Seite der ökonomischen Dimension. Die andere betrifft den zu-nehmenden Druck, unter den die Milizarmee von Seiten der Wirtschaft gerät. Die Befürworter des Milizprinzips argumentieren hierbei, dass die militärische Führungserfahrung auch im Beruf und somit auch für den Arbeitgeber von Nutzen sei.92 Dem unbestreitbaren Nutzen von Führungserfahrung steht allerdings die Tatsache gegenüber, dass die Armee mit einem zu-nehmenden Kadernachwuchsproblem konfrontiert ist. Die Bereitschaft der Wirtschaft, die Offizierskarrieren ihrer Mitarbeiter zu fördern, scheint rückläufig zu sein. Im gleichen Masse nimmt auch das Interesse qualifizierter Bewerber an einer militärischen Karriere ab. Als Fol-ge hiervon entsteht die Gefahr, dass sich die Kaderqualität nach unten nivelliert, weil die Ar-mee nicht mehr in der Lage ist, qualifizierte Bewerber für sich zu gewinnen, was wiederum

freiwillige Integration würde demgegenüber eine ungleich höhere Qualität aufweisen. Die Integrationswir-kung erstreckt sich gemäss dieser Meinung auf nur wenige Prozent der Schweizer. Ausländer, die aller-meisten Frauen, Männer die keinen Militärdienst leisten und unfreiwillig Militärdienstleistende würden durch die Armee nicht in das Staatswesen integriert. Es würden somit nur diejenigen über die Armee in das Staatswesen integriert, die sich ohnehin als Träger des Systems verstünden. Vgl. Mantovani, Milizarmee, S. 52.

87 Vgl. für eine fundierte ökonomische Analyse der Wehrmodelle den Sammelband von: Schleicher, Micha-el/Straubhaar, Thomas. Wehrpflicht oder Berufsarmee? Bern-Stuttgart-Wien 1996.

88 Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Konzeption der Armee in den neunziger Jahren (Armeeleitbild 95) vom 27. Januar 1992. S. 53 (Sonderdruck).

89 Schleicher, Michael. Die ökonomischen Lasten der Wehrpflicht. In: Schleicher/Straubhaar, Wehrpflicht oder Berufsarmee? S. 23-40, hier S. 38.

90 Dies ist darum der Fall, weil durch den Wegfall der künstlichen Verbilligung des Faktors „Arbeit“ ein An-reiz besteht, diesen Faktor effizient einzusetzen. Dies würde zu einer Substitution von „Arbeit“ durch „Ka-pital“ (z.B. moderne Waffensysteme) führen und eine ökonomisch optimale Allokation dieser Faktoren ermöglichen.

91 Haltiner, Miliz, S. 15. 92 Vgl. Brunner, Dominique. Hat die Milizarmee eine Zukunft? In: Neue Zürcher Zeitung, 10. 1. 1996, Nr. 7,

S. 15; Ott, Credo für die Miliz, S. 179.

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den Anreiz zum „Weitermachen“ schmälert. Das gesellschaftliche Prestige der Miliz wird auf diese Weise erodiert, so dass die Kadernachwuchsfrage zur Gretchenfrage der Überlebensfä-higkeit der Miliz wird.93

Bei der militärischen Dimension geht es in erster Linie um die Frage, ob die Armee ihren Aufgaben gewachsen ist. Dabei stehen die spezifisch militärischen Aufgaben (Verteidigung, Friedenssicherung) im Vordergrund. Der Einsatz hochkomplexer Waffensysteme verlangt ein hohes Mass an Professionalität. Die Anforderungen an die Truppe und insbesondere an die Kader sind dadurch gestiegen. Darum stellt sich die Frage, ob Miliztruppen und Milizkader bezüglich Fachkompetenz mit Berufssoldaten noch mitzuhalten vermögen. Der hohe Grad der Verfügbarkeit sowie die Aus- und Weiterbildung, die sich dadurch kennzeichnet, dass der technische Standard kontinuierlich und flexibel verbessert werden kann, spricht für eine Be-rufsarmee.94 Dem steht die These gegenüber, dass einerseits die heutigen Waffensysteme be-dienungsfreundlicher seien und dass andererseits angesichts der vielen „low intensity“-Konflikte heute einfachere Systeme gefragt seien.95 Die tatsächlich feststellbare Professionali-sierung der Schlüsselpositionen in den Bereichen Kampfflugzeuge, Übermittlung, Fliegerab-wehr oder Überwachung spricht hierbei für sich.96

Für den Auftrag der Friedensförderung durch Einsätze im Ausland dürfte im weiteren wohl nur ein Freiwilligenmodell in Frage kommen. Erstens ist es kaum denkbar, Armeeangehörige für einen Auslandeinsatz zwangsweise zu verpflichten. Zweitens spricht auch das Erfordernis, auf eine internationale Anfrage rasch reagieren zu können, für eine Berufsformation oder ein Modell mit Zeitsoldaten, da diese rasch verfügbar sind. Drittens muss auch die begrenzte Einsatztauglichkeit von Milizsoldaten und -kadern bei internationalen Operationen berück-sichtigt werden.

93 Haltiner, Miliz, S. 15. Die Armee ist sich dieses Problems bewusst und versucht unter anderem mit einer

Art „Goodwilltour“ bei der Wirtschaft Verständnis für die Kaderprobleme zu wecken. Siehe: Neue Zürcher Zeitung, 5. 9. 1997, Nr. 205, S. 17.

94 Mantovani, Milizarmee, S. 59. 95 Ott, Charles. Fata Morgana einer Berufsarmee. In: ASMZ 4/1996. S. 3. 96 Liener, Arthur. Ist eine moderne Armee noch miliztauglich? In: SAMS-Informationen (17. Jg.) 1-2/1993. S.

45-50, hier S. 50.

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4.3 Zukunft der Milizarmee

Das Milizprinzip gerät durch die geschilderten gesellschaftspolitischen, ökonomischen und militärischen Entwicklungen unter Druck. Trotzdem steht die Abschaffung des heutigen Wehrpflichtmodells zur Zeit kaum zur Debatte. Allerdings dürfte die Armee weitere Professi-onalisierungsschritte erfahren. Dabei ist zu beachten, dass die Schweizer Armee schon heute kein reines Milizheer mehr darstellt. Allein in den letzten Jahren ist die Gesamtzahl des pro-fessionellen Armeepersonals von wenigen Tausend auf 15'000 gestiegen (Instruktoren, Fes-tungswächter, Piloten, Militärbetriebsangehörige).97 Dies macht deutlich, dass zwischen einem reinen (gezwungenen) Miliz- und einem reinen Berufsheer Mischformen denkbar sind. Die Zukunft wird sehr wahrscheinlich in einem solchen Mischmodell liegen, wobei die Ge-wichtung der Elemente im politischen Prozess entschieden werden muss.98

Damit dieser politische Prozess in Gang kommt, ist eine – von Däniker in seinem Vortrag erwähnte – schon von Karl Schmid geforderte Entmythologisierung der Armee notwendig.99 Die Infragestellung des Milizprinzips darf dabei – wie an der Tagung gefordert – kein Tabu sein. Die Armee ist nicht Zweck, sondern lediglich Mittel zum Zweck. Die Hinterfragung des Milizprinzips ist deshalb auch kein Angriff auf die schweizerische Identität.

Die Armee muss sich – wie auch an der Tagung erwähnt wurde – in einer pluralistischen, der direkten Demokratie verpflichteten Gesellschaft legitimieren. Dies wird ihr um so leichter fallen, je mehr sie eine Antwort auf die tatsächlichen Bedrohungen liefert. Auf die Dauer lässt sich die Armee nicht mit fiktiven Risiken begründen, sie muss sich an veränderte Bedingun-gen anpassen. Tut die Armee dies nicht, kann das in der direkten Demokratie ihre Existenz kosten.100 Letztlich hängt das Milizsystem nämlich von der Bereitschaft der Gesellschaft ab, dessen Kosten zu tragen.

97 Haltiner, Karl W. Nicht die Professionalisierung, die Milizfähigkeit ist das Problem! In: Aog-Mitteilungen

2/1996. S. 13-19, hier S. 14. 98 Bezüglich der Diskussion um die Armee sei auf die von der SPS am 26. März 1997 eingereichte Umvertei-

lungsinitiative, die u. a. die Halbierung der Kredite für die Landesverteidigung beabsichtigt sowie auf die von Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) am 23. 11. 1997 beschlossene Lancierung von zwei neuen Initiativen („Sicherheit statt Verteidigung: Für eine Schweiz ohne Armee verwiesen“ und „Solidari-tät schafft Sicherheit: Für einen freiwilligen zivilen Friedensdienst“) verwiesen.

99 Archiv für Zeitgeschichte. Nachlass Schmid. Vortrag vom 16. Jan. 1970 „Das strategische Konzept der Gesamtverteidigung“. S. 15.

100 Vgl. Villiger, Kaspar. Rede anlässlich des Armeerapports vom 2. 12. 1994 in Olten. S. 4.

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In der ganzen Diskussion über Vor- und Nachteile der verschiedenen Wehrformen ist nicht zu vergessen, dass der eigentliche Ausgangspunkt der Diskussion in der Gesamtausrichtung der schweizerischen Aussen- und Sicherheitspolitik zu suchen ist. Daraus leitet sich der Auftrag und die darauf abgestimmte Struktur der Armee ab. Erst aufgrund dieser kann hernach das entsprechende Wehrmodell bestimmt werden.

5. Schlussbetrachtung

Die Referate und Diskussionen der Tagung beleuchteten historische und aktuelle Aspekte der schweizerischen Aussen- und Sicherheitspolitik. Sie deckten damit einen Zeitraum von gut 30 Jahren ab, in dem grosse Veränderungen und Umwälzungen stattgefunden haben.

Eine Umwälzung war auch Ausgangspunkt der Arbeit der Kommission Schmid. Diese hatte sich der strategischen Problematik der Atombombe zu stellen und eine Antwort auf den von ihr abgeleiteten Bedrohungsschock zu geben. Die Kommission nahm die Herausforderung an und meisterte sie, indem sie die Grundlagen zu einer umfassenden schweizerischen Sicher-heitspolitik legte. Die Kommission Schmid beschäftigte sich auch mit dem europäischen Zu-sammenschluss, mit der Uno und ganz allgemein mit den Problemen der internationalen Interdependenz und ihren Auswirkungen auf unser Land. Diese Themen waren aber damals von peripherer Bedeutung. Sie standen klar im Schatten des Kalten Krieges und wurden als sekundär befunden.

Heute steht die Schweiz ebenfalls vor einer Herausforderung, die der Bewältigung harrt: Es geht darum, unser Verhältnis zur Welt und zu Europa zu definieren. Diese Thematik ist heute – anders als zur Zeit der Kommission Schmid – zentral. Im Unterschied zu früher, kann die Schweiz auch nicht oder nur beschränkt auf bewährte Konzepte ihrer Aussen- und Sicher-heitspolitik zurückgreifen. Insbesondere das über Jahrzehnte bewährte Konzept der Neutrali-täts-politik, auf das die Kommission Schmid bei der Frage der internationalen Kooperation verweisen konnte, greift heute eindeutig zu kurz.101

Die Schweiz muss sich, wie damals die Kommission Schmid, den Herausforderungen stellen. Sie darf sich nicht scheuen, neue Wege zu beschreiten, die durch die Veränderungen in unse-rem Umfeld unausweichlich geworden sind. Die Umwälzungen, die in den letzten Jahren stattgefunden haben, lassen dabei tiefgreifendere Änderungen der schweizerischen Aussen- und Sicherheitspolitik dringli-cher erscheinen, als dies zu Zeiten Karl Schmids der Fall war. Dass solche Änderungen unabdingbar sind, wurde an der Tagung im Grundsatz nicht bezwei-felt. Es herrschte ein weitgehender Konsens über die Stossrichtung, welche die schweizeri-sche Aussen- und Sicherheitspolitik einzuschlagen hat. Diese Übereinstimmung erstreckte sich über alle drei von Bundesrat Ogi in seinen Einführungsworten angesprochenen Grundsatzfragen: Sowohl die Notwendigkeit eines verstärkten internationalen Engagements

101 Gasteyger hat zur Neutralität kürzlich bemerkt, dass diese „dort zur Belastung [wird], wo sie Land und

Regierung den Vorwand bietet, bei entscheidenden Wegmarken internationaler Politik im Abseits zu ver-harren und sogar, was noch schwerer wiegt, sich vom Nachdenken über aussenpolitische Optionen zu dis-pensieren.“ Gasteyger, Curt. Schweizerische Aussenpolitik auf dem Prüfstand. In: Neue Zürcher Zeitung, 3. 9. 1997, Nr. 203, S. 17.

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der Schweiz wie auch die Verminderung des Stellenwertes der Neutralität und die Notwen-digkeit der Anpassung der Wehrstrukturen wurden grundsätzlich anerkannt.

Probleme ergeben sich aber in der Umsetzung dieser mit dem Bericht 90 eingeleiteten Neu-ausrichtung der Schweizer Aussen- und Sicherheitspolitik. Hier wurden an der Tagung so-wohl innen- als auch aussenpolitische Schwierigkeiten und Defizite geortet.

Ein erstes Defizit wurde im Bereich der Führung ausgemacht, indem verschiedentlich auf die Führungsprobleme des schweizerischen Regierungssystems hingewiesen wurde, die durch die Krise, in der sich die Schweiz im Zusammenhang mit ihrer Rolle während des Zweiten Welt-krieges befindet, offen zutage getreten sind. Das Unvermögen der Regierung, auf die Krisen-lage angemessen zu reagieren, vermittelt den Eindruck von Führungsschwäche und verstärkt die Orientierungslosigkeit, in der sich die Schweiz seit einiger Zeit befindet.

Neben strukturellen Schwächen des schweizerischen Regierungssystems scheinen die auf zwischenstaatliche Beziehungen und Konflikte ausgerichteten aus-sen- und sicherheitspoliti-schen Instrumente nicht mehr in allen Teilen zu genügen. Heute gelte es – wie Lezzi betonte – mit überzeugenden Handlungsmustern, unterstützt durch massgeschneiderte Stäbe, situations-gerecht und flexibel zu reagieren.

Ein zweites Defizit kann in der Abstinenz von internationalen Organisationen geortet werden. Leistungsstarke Führungsstrukturen sind für eine voraus-schauende und entscheidungsstarke Aussen- und Sicherheitspolitik zwar notwendig, aber nicht hinreichend. Neben den Strukturen braucht es auch aussenpolitische Erfahrung und Kultur. In beiden Punkten weist die Schweiz erhebliche Mängel auf. In diesem Zusammenhang zeitigt die Nichtmitgliedschaft der Schweiz bei internationalen Organisationen schmerzliche Wirkungen. Internationale Organisationen sind Orte täglicher Konsultationen, wo Informationen und Erfahrungen ausgetauscht werden, zu denen Nichtmitglieder nicht oder nur schwerlich Zugang haben. Ständige Präsenz und Kommunikationsfähigkeit sind hier erforderlich. Nicht zuletzt deshalb sind internationale Organisationen hervorragende Lernfelder für ein wirksames Krisenmanagement. Zudem sind solche Organisationen auch geeignete Foren, um eigene Standpunkte zu erläutern und somit das politische Selbstverständnis nach aussen zu tragen.102

Gasteyger sprach in diesem Zusammenhang vom bevorstehenden Ende des von der Schweiz in vielen Aussenbeziehungen gepflegten Bilateralismus. Das letzt-jährige OSZE-Präsidialjahr dürfte dies der Schweiz vor Augen geführt haben und ihr die Wichtigkeit und die Möglichkei-ten multilateraler Kooperation bewusst gemacht haben. Eine weitere Möglichkeit, einen Schritt von der bi- zur multilateralen Zusammenarbeit zu tun, bietet das PfP-Programm der Nato. Dies sind ermutigende Ansätze, die aber die mangelnde institutionelle, multilaterale Einbindung der Schweiz in internationale Strukturen nicht kaschieren können.

Als drittes Defizit wurde an der Tagung die mangelhafte innenpolitische Ab- stützung der Aussen- und Sicherheitspolitik hervorgehoben. Eine breite innenpolitische Ver-ankerung derselben ist aber in einer direkten Demokratie unabdingbar. Die Schweiz befindet

102 Ebd., S. 17; Kley, Roland. Der Schweiz fehlt es an Krisenerfahrung. In: Tages Anzeiger, 30. 6. 1997, Nr.

148, S. 2.

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sich nicht erst seit der Diskussion um ihre Rolle im Zweiten Weltkrieg in einer fast permanen-ten Orientierungslosigkeit bezüglich ihrer Stellung in der Welt und letztlich ihres Selbstver-ständnisses. Es droht eine innenpolitische Blockierung der Aussenpolitik. Die Chance für die Schweiz besteht darin, dass durch den katalytischen Effekt der derzeitigen Krise eine Neuori-entierung leichter werden könnte. Denn durch diese Diskussion hat unser Land einerseits den Nimbus der Unfehlbarkeit verloren, andererseits aber die Freiheit gewonnen, nicht mehr Son-derfall sein zu müssen.103

Auf diese Weise könnte der Druck von aussen helfen, den Weg zu einem realistischeren Selbstbild zu ebnen. Ein solches ist im Hinblick auf die derzeitige aus-sen- und sicherheitspo-litische Diskussion nötig. Die langfristige Aufgabe der Politik muss es sein, dieses Selbstbild zu vermitteln. Hierbei kommt einer offenen Kommunikation eine Schlüsselrolle zu. Die Auf-gabe einer zu entwickelnden Vermittlungsstrategie muss es sein, darzulegen, dass die Schweiz ihr Umfeld stärker als bisher mitgestalten und ihr internationales – auch institutionel-les – Engagement erhöhen kann, ohne ihr Selbstverständnis zu gefährden.

103 Steiner, Jörg. Heimlich und unheimlich. In: Neue Zürcher Zeitung, 6. 9. 1997, Nr. 206, S. 69.

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Senn, Hans. Friede in Unabhängigkeit: Von der totalen Landesverteidigung zur Sicherheits-politik. Frauenfeld 1983.

Spillmann, Kurt R. Von der bewaffneten Neutralität zur kooperativen Sicherheit. In: Bulletin zur schweizerischen Sicherheitspolitik 5. Jg. 1995. S. 2-16.

Stahel, Albert A. Zukunft der Wehrhaftigkeit und der Milizarmee in der Schweiz. In: Brun-

Page 124: Karl Schmid als strategischer Denker - ETH Z

- 118 -

ner, Dominique et. al. Armee 95 – Chance für die Milizarmee? Zürich 1994. S. 183-185.

Steiner, Jörg. Heimlich und unheimlich. In: Neue Zürcher Zeitung, 6. 9. 1997, Nr. 206, S. 69.

Stüssi-Lauterburg, Jürg. Historischer Abriss zur Frage einer Schweizer Nuklearbewaffnung. Bern 1995.

Thürer, Daniel. Sicherheitspolitik und Neutralität. In: Rhinow, René (Hrsg.). Die schweizeri-sche Sicherheitspolitik im internationalen Umfeld. Basel-Frankfurt a. M. 1995. S. 121-136.

Ders. Neue Sinnstrukturen schaffen. In: Neue Zürcher Zeitung, 6. 9. 1997, Nr. 206, S. 68.

Torrelli, Maurice. La neutralité en question. In: Revue Générale de Droit International Pub-lic. Vol. 96, No. 1/1992. S. 5-43.

Wenger, Andreas/Breitenmoser, Christoph/Borchert, Heiko. Das schweizerische OSZE-Präsidialjahr 1996. In: Bulletin zur schweizerischen Sicherheitspolitik 6. Jg. 1996/97. S. 4-46.

Winkler, Theodor. Kernenergie und Aussenpolitik in der Schweiz: Die internationalen Bemü-hungen um die Nichtverbreitung von Kernwaffen und die friedliche Nutzung von Kern-energie in der Schweiz. Diss. Genf-Berlin 1981.

Ders. Zur Geschichte der schweizerischen Sicherheitspolitik seit 1945. In: Rhinow, René (Hrsg.). Die schweizerische Sicherheitspolitik im internationalen Umfeld. Basel-Frankfurt a. M. 1995. S. 27-35.

Page 125: Karl Schmid als strategischer Denker - ETH Z

- 119 -

Anhang I: Curriculum vitae von Karl Schmid

PERSÖNLICHE DATEN UND EHRUNGEN

31. März 1907 Karl Schmid wird in Zürich geboren

10. Juni 1940 Heirat mit der Schauspielerin Elsie Attenhofer

27. Sept. 1942 Geburt des Sohnes Christoph

15. August 1943 Geburt der Tochter Regine

20. Mai 1967 Doctor honoris causa der Hochschule St. Gallen

1972 Goethepreis für Kunst und Wissenschaft sowie Kulturpreis der Stadt

Zürich

1974 Ernennung zum ständigen Ehrengast der Universität Zürich

4. August 1974 Gestorben in Zürich

SCHULISCHE UND BERUFLICHE LAUFBAHN

1913 bis 1920 Primarschule in Wollishofen

1920 bis 1926 Kantonales Gymnasium Zürich

1926 bis 1934 Studium der Germanistik und Geschichte an den Universitäten Zürich und Berlin

1934 Promotion bei Prof. Dr. Emil Ermatinger mit der Dissertation „Schillers Gestaltungs-

weise“

1931 bis 1938 Lehrtätigkeit an diversen Mittelschulen

1938 bis 1947 Lehrer für Deutsch und Geschichte am kantonalen Gymnasium Zürich

1943/1944 (WS) Erste Vorlesung an der ETH Zürich

1. April 1944 Wahl zum a. o. Professor für deutsche Sprache und Literatur an der ETH Zürich

15. Oktober 1947 Wahl zum Ordinarius für deutsche Sprache und Literatur an der

ETH Zürich

1953 bis 1957 Rektor der ETH Zürich

1974 (SS) Letzte Vorlesung an der ETH Zürich

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- 120 -

MILITÄRISCHE LAUFBAHN

1927 Rekrutenschule Schw Mot Kan RS und Motorf UOS

1928 Artillerie OS, Leutnant der Artillerie, Einteilung: Motor-Haubitz Bat 94

31. Dez. 1932 Oberleutnant der Artillerie

31. Dez. 1936 Hauptmann und Batteriekommandant: Kdt Motor-Haubitz Bttr 92 (1937) und Kdt Mo-

tor-Haubitz Bttr 153 (1938)

1939 bis 1943 Abkommandierung zur Sektion Heer und Haus

1940 Generalstabskurs I, Einteilung: Stab 9. Div

1942 Stellvertretender Stabschef 9. Div

1943 Generalstabskurs II, Major im Generalstab

1945 bis 1946 Kdt Schw Mot Kan Abt 10

1946 bis 1950 Stabschef Festung Sargans

31. Dez. 1948 Oberstleutnant im Generalstab

1950 Zentralschule III, Einteilung: Art Chef Geb Br 12

1950 bis 1953 Kdt Art Rgt 2

16. Dez. 1951 Oberst im Generalstab

1952 bis 1953 Stabschef 3. AK

1954 bis 1966 Operationssektion A Stab 111

1966 bis 1970 Zur Verfügung Generalstabschef

31. Dez. 1970 Entlassung aus der Wehrpflicht

MITARBEIT BEI AKADEMIEN, STIFTUNGEN, ARBEITSGRUPPEN

1944 bis 1973 Eidgenössische Gemeinschaft

Ab 1947 PEN Club, Akademische Gesellschaft schweizerischer Germanisten

1954 bis 1973 Sekretär des Charles Veillon-Preis

Ab 1956 Schweizerischer Schriftstellerverein (ab 1968 Vorstandsmitglied)

1959 bis 1965 Präsident der Schweizerischen Auslandhilfe

1959 bis 1967 Literaturkommission des Kantons Zürich

1962 bis 1972 Vizepräsident der Jubiläumsstiftung der SBG

1966 bis 1970 Studienkommission des EJPD für Zivilschutz

1967 bis 1970 Präsident der Studienkommission für strategische Fragen (SSF)

1969 bis 1972 Präsident des Schweizerischen Wissenschaftsrates

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- 121 -

Anhang II: Die Mitglieder der SSF

PRÄSIDENT:

Prof. Dr. phil. Karl Schmid Bassersdorf

MITGLIEDER:

Jean-Jacques Chouet Redaktor Genève

Dr. ing. Paul Chrétien Ingenieur Arlesheim

Dr. phil. Gustav Däniker Direktor Kilchberg, ZH

Prof. Dr. phil. Paul Dinichert Neuchâtel

Léo Du Pasquier Direktor Neuchâtel (bis 30.6.1968)

Prof. Dr. iur. Kurt Eichenberger Basel

Prof. Dr. phil. Jacques Freymond Genthod

Dr. iur. Curt Gasteyger Paris

Dr. iur. Max Gressly Fürsprecher Solothurn (ab 31.7.1967)

Dr. iur. Louis Guisan Conseiller aux Etats Lausanne (ab 1.7.1968)

Prof. Dr. phil. Walther Hofer Nationalrat Stettlen

Dr. iur. Harald Huber Bundesrichter Lutry (bis 31.7.1967)

Dr. iur. Hans Hürlimann Ständerat und Regierungs-

rat

Zug (ab 31.7.1967)

Prof. Dr. iur. Max Kummer Zollikofen

Dr. iur. Robert Lang Bankdirektor Zürich

Dr. phil. Fred Luchsinger Chefredaktor Zürich

Prof. Dr. iur. Hans Merz Muri, BE

Dr. iur. Ferruccio Pelli Sindaco di Lugano Lugano

Prof. Dr. iur. Rudolf Probst Bern

Dr. phil. Ernst Schuler Dir. der Abt. für Militärwis-

senschaften ETH

Forch

Prof. Dr. iur. Urs Schwarz Zürich

Dr. sc. nat. Peter Stoll Direktor BKW Bern

Philippe de Weck Bankdirektor Zürich (ab 31.7.1967)

Prof. Dr. phil. nat. Walter Winkler Direktor HTL Brugg-Windisch

Dr. iur. Eduard Zellweger alt Ständerat Zürich (ab 10.8.1967)

AN DEN PLENARSITZUNGEN NAHMEN MIT BERATENDER STIMMTE TEIL:

Oberstdivisionär Robert Stucki Unterstabschef Front

Oberstdivisionär Hans Wildbolz Unterstabschef Planung

Oberst i Gst Hans Senn Chef der Operationssektion

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- 122 -

Anhang III: Referenten

Bundesrat Adolf Ogi: Vorsteher des Eidgenössischen Militärdepartements

Jean Abt: Korpskommandant, Kommandant Feldarmeekorps 1

Peter Arbenz: Brigadier, Berater für Strategieentwicklung und Unternehmensführung, ehe-maliger Präsident der Schweizerischen Offiziersgesellschaft

Edouard Brunner: Alt Botschafter, Vorsitzender der von Bundesrat Ogi eingesetzten Stu-dienkommission für strategische Fragen

Dr. Gustav Däniker: Divisionär aD, Militär-Publizist, ehemaliges Mitglied der Kommission Schmid, früherer Stabschef Operative Schulung

Prof. Dr. Kurt Eichenberger: Emeritierter Professor für Staats- u. Verwaltungsrecht, ehema-liges Mitglied der Kommission Schmid

Dr. Josef Feldmann: Korpskommandant aD, Titularprofessor an der Universität St. Gallen

Prof. Dr. Curt Gasteyger: Ancien Professeur à l’Institut Universitaire de Hautes Etudes In-ternationales, Directeur du programme d’études stratégiques internationales, ehemali-ges Mitglied der Kommission Schmid

Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Künzi: Alt Regierungs- und Nationalrat, Präsident der Karl-Schmid-Stiftung

Dr. Bruno Lezzi: Inlandredaktor der NZZ, verantwortlich für Sicherheits- und Militärpolitik

Dr. Arthur Liener: Korpskommandant, Generalstabschef

Dr. Fred Luchsinger: Alt Chefredaktor der NZZ, ehemaliges Mitglied der Kommission Schmid

Dr. Otto Schoch: Rechtsanwalt, alt Ständerat und Mitglied der Sicherheitspolitischen Kom-mission des Ständerates, Präsident der schweizerischen OSZE-Delegation

Dr. Hans Senn: Korpskommandant aD, Historiker, Dozent an der Universität Bern für Mili-tärwissenschaft und Militärgeschichte, ehemaliges Konsultativmitglied der Kommissi-on Schmid, früherer Generalstabschef der Armee

Prof. Dr. Kurt R. Spillmann: Professor an der ETH Zürich, Leiter der Forschungsstelle für Sicherheitspolitik und Konfliktanalyse

Dr. Hans Wildbolz (=): Korpskommandant aD, ehemaliges Konsultativmitglied der Kom-mission Schmid, früherer Ausbildungschef der Armee

Prof. Dr. Walter Winkler: Früherer Leiter der Höheren Technischen Lehranstalt Windisch, ehemaliges Mitglied der Kommission Schmid, Mitverfasser des MAP-Berichts (Mög-lichkeiten einer eigenen Atomwaffen-Produktion)

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- 123 -

Anhang IV: Teilnehmer (Gemäss Verzeichnis der Anmeldungen)

Nationalrat Fredi Alder, Rorschach

Prof. Dr. Martin Allgöwer, Basel

Dr.h.c. Pierre Arnold, Feusisberg

Doris Attenhofer, Zürich

Dr.h.c. Ernst Basler, Zollikon

Dr.med. Giovanni Bass, Zürich

Gérard F. Bauer, Hauterive

Ernst Baumann, Zürich

Adrian Baumgartner, Bern

Rudolf Berger, Pfaffhausen

Prof. Dr. Thomas Bernauer, Zürich

Dr. h.c. Arthur Bill, Gerzensee

Prof. Dr. Urs Bitterli, Gränichen

Anne-Marie Blanc, Zürich

Emmi Blaser, Zürich

Prof. Dr. Peter André Bloch, Olten

Divisionär aD H. Rudolf Blumer, Auslikon

Prof. Dr. Hans Böhni, Zürich

Jean E. Bollier, Zürich

Korpskommandant Kurt Bolliger, Boll

Nationalrat Roland Borer, Kestenholz

Willy J. Borer, Zürich

Dr. Herbert Braun, Bern

Christoph Breitenmoser, Zürich

Hans Breitenmoser, Rapperswil

Dr. Hans J. Briner, Basel

Martin Bühler, Bern

Giancarlo Buletti, Bern

Dr. Lukas Burckhardt, Bern

Ruth Buser, Kirchberg BE

Prof. Dr. Fritz Büsser, Zürich

Dr. Bruno Capelli, Bern

Dr. med. FMH Ulrich Castelberg, Aarberg

Dr. Felix Christ, Bern

Oberst i Gst Hugo Christen, Buochs

Korpskommandant Jean-Rodolphe Christen, Zolli-

kofen

Hansheiri Dahinden, Altdorf

Dr. Marie-Claire Däniker, Kilchberg

Adolf Deucher, Zürich

Josef Doswald, Bern

Prof. Dr. Jens Drolshammer, Zürich

Nationalrat Max Dünki, Oberrieden

Jean-Claude Dutoit, Bern

Anja Ebnöther, Bern

Bernard Ecoffey, Bern

Oberst i Gst Urs Ehrbar, Zihlschlacht

Jon A. Fanzun, Tarasp

Bruno Fillinger, Zürich

Oberst i Gst Oswald Fischer, Hergiswil

Heinz Werner Frech, Feldbrunnen

Nationalrat Jakob Freund, Bühler

Jean Freymond, Genève

Prof. Dr. Bruno Fritsch, Locarno

Colonel Maurice G. Froitier, Bern

Regierungsrätin Rita Fuhrer, Zürich

Dr. Johannes Fulda, Zürich

Alt Bundesrat Dr. Dr. h.c. Kurt Furgler,

St. Gallen

Prof. Dr. Jürg Martin Gabriel, Zürich

Brigadier Bruno Gähwiler, Mels

Divisionär Hans Gall, Zürich

Divisionär Jean-Pierre Gass, Luzern

Marcel Gerber, Zürich

Erika Girod, Zürich

Evelyne Gmünder, Gonten

François Godet, Bern

Dr. Jürgen Goldschmidt, Zürich

Prof. Dr. Hans Grob, Winterthur

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- 124 -

Prof. Dr. Jakob Gut, Zürich

Prof. Dr. Georg Gyarmathy, Zürich

Dr. Karl W. Haltiner, Unterbözberg

Alfed A. Häsler, Zürich

Alt Generalstabschef Heinz Häsler,

Gsteigwyler

Dr. Ueli Haudenschild, Bern

Prof. Dr. Hans Hauri, Gockhausen

René Häusler, Zürich

Grossrat Dr. Daniel Heller, Aarau

Dr. Hans R. Herdener, Uitikon

Prof. Dr. Jeanne Hersch, Genève

Prof. Dr. Carl Hidber, Zürich

Regierungsrat Hans Hofmann, Zürich

Ernst Honegger, Gümlingen BE

Alt Bundesrat Fritz Honegger, Rüschlikon

Bruno Hostettler, Bern

Markus Huber, Schaffhausen

Dr. Rudolf W. Hug, Zürich

Dr. Werner C. Hug, Bern

Josef Irniger, Dietlikon

Oberst i Gst Franz Jäggi, Bern

Roman Jäggi, Bern

Prof. Dr. Riccardo Jagmetti, Zürich

Prof. Dr. Martin Janssen, Zürich

Prof. Dr. Rolf Jeltsch, Zürich

Divisionär Dominique Juilland, Bern

Dr. Hans Jung, Zürich

Oberst Ulrich Kägi, Bern

Helen Kaiser-Frey, Zürich

Hansjürg Knaus, Zürich

Dr. Martin Koenig, Zürich

Prof. Dr. Barbara König, Zürich

Thomas Köppel, Bern

Ruedi Krops, Bern

Oberst i Gst Paul Krüger, Bern

Korpskommandant Simon Küchler, Zug

Joel Lanfranconi, Bern

Prof. Dr. Jürg Lang, Zürich

Dr. Hans-Ulrich Lappert, Zürich

Brigadier Rudolf Läubli, Luzen

Peter Lauffer, Au

Patrick Lehmann, Zürich

Sebastian Leicht, Stäfa

Dr. Fritz Lendenmann, Zürich

Prof. Dr. Martin Lendi, Zürich

Oberstleutnant i Gst Dirk Lenweit, Bern

Nationalrat Josef Leu, Luzern

Carola Lepping, Hückeswagen, (D)

Dr. Urs Leuthardt, Bern

Heinz Liechti, Bern

Prof. Dr. Willy Linder, Egg

Valeska Lindtberg, Zürich

Prof. Dr. Heinz Lippuner, Grüt

Ueli Looser, Zürich

Rolet Loretan, Bern

Prof. Dr. Simon Löw, Zürich

Dr. Walter Lüem, Herrliberg

Richard Lüthi, Bern

Prof. Dr. Franz Georg Maier, Küsnacht ZH

Herbert Maissen, Zürich

Dr. Bruno Mariacher, Rüschlikon

Dr. h. c. Wilfried Martel, Bern

Heinz Marti, Bern

Peter Marti, Bern

Prof. Dr. Peter Marti, Zürich

Dr. Verena Marty, Zürich

Dr. Richard Merz, Zürich

Alt Ständerat Carl Méville, Basel

Alice Moneda, Zürich

Alt Regierungs-/Nationalrat Albert

Mossdorf, Bülach

Alt Ständerat Franz Muheim, Altdorf

Dr. med. Hans-Rudolf Müller, Zürich

Page 131: Karl Schmid als strategischer Denker - ETH Z

- 125 -

Prof. Dr. med. Markus Müntener, Zürich

Hans Mürset, Bubikon

Prof. Dr. Beat Näf, Birmenstorf

Dr. Martin Neuenschwander, Zürich

Judith Niederberger, Rapperswil

Bernard Niquille, Bern

Prof. Dr. Daniel Nüesch, Zürich

Roland Nydegger, Bern

Johannes Oehler, Liestal

Hans Jörg Oettli, Erlen

Divisionär Hansruedi Ostertag, Zürich

Oberst i Gst Charles Ott, Frauenfeld

Dr. Gerd Padel, Küsnacht ZH

Georg Pártos, Zürich

Dieter Paur, Kilchberg

Dr. Igor Perrig, Bern

Dr. Andreas Peter, Erlenbach

Dr. Franz Peter, Sursse

Oberst i Gst Max Peter Bern

Dr. Rolf Peter, Zürich

Jürg Pfaehler, Murzelen

Prof. Dr. Zdenko Puhan, Zürich

Dr. med. Friedrich Pupato-Glogg, Zürich

Dr. Hans Rapold, Brunnen

Dr. Max Rapold, Schaffhausen

Dr. Markus Redli, Basel

Korpskommandant Paul Rickert, Aarau

Fritz Rigendinger, Zürich

Conseiller aux Etats Eric Rochat, St. Légier-La-

Chiesaz

Lorenza Rossi, Au

Paul Rothenhäusler, Stäfa

Divisionär Alfred Roulier, Luzern

Dr. Sylvia Rüdin, Zürich

Annette Rüedi, Basel

Oberst i Gst aD Fritz Sauser, Innerberg

Prof. Dr. med. Christian und Elisabeth

Sauter, Zürich

Andreas Schaer, Bern

Brigadier Josef Schärli, Bern

Daniel Schaubacher, Bern

Prof. Dr. Walter Schaufelberger, Neerach

Divisionär Hans-Ulrich Scherrer, St. Gallen

Prof. Dr. Dietrich Schindler, Zollikon

Oberst Peter Schlatter, Münchringen

Dr. med. vet. Siegfried Schneebeli, Meilen

Dr. Carl Schneiter, Zürich

Oberst i Gst Urban Siegenthaler, Bern

Prof. Dr. Peter Stadler, Zürich

Urs Peter Stebler, Bern

Trudy Stehrenberger, Rickenbach bei Wil

Prof. Dr. Rudolf Steiger, Herrliberg

Dr. Rico Steinbrüchel, Erlenbach

Prof. Dr. Hans Sticher, Schlieren

Dr. Jürg Stüssi-Lauterburg, Bern

Dr. Walter Stutzer, Herrliberg

Dr. Rolf Tanner, St. Gallen

Botschafter Dr. Anton Thalmann, Bern

Irène Thomann-Baur, Winterthur

Prof. Dr. Daniel Thürer, Zürich

Dr. Alfred Tinner, Reinach BL

Beatrice Tschudi, Zürich

Dr. Lilian Uchtenhagen, Zürich

Prof. Dr. Klaus Urner, Zürich

Alt Staatssekretär Heinrich Ursprung, Würenlos

Prof. Dr. Martin Usteri, Zürich

Prof. Dr. Adolf Max Vogt, Zürich

Oberst i Gst Fritz Vollenweider, Zollikofen

Dr. Peter von Deschwanden, Adelboden

Prof. Dr. Hans von Gunten, Zollikon

Walter von Ins, Rüschlikon

Divisionär Martin von Orelli, Bern

Page 132: Karl Schmid als strategischer Denker - ETH Z

- 126 -

Georgette Wachter-Pittet, Küsnacht ZH

Oberst i Gst Ulrich Wäfler, Au

Emil Walder, Zollikon

Edmund Wehrli, Zollikon

Dr. Branco Weiss, Zürich

Dr. Andreas Wenger, Zürich

Dr. Hugo Wermelinger, Bern

Dr. Kurt Werner, Schwerzenbach

Dr. Walter Werner, Reinach

Toni J. Wicki, Bern

Andreas Widmer, Wil

Dr. Kurt Widmer, Zürich

Dr. Sigmund Widmer, St. German

Dr. Theodor H. Winkler, Bern

Heinrich L. Wirz, Bremgarten

Botschafter Daniel Woker, Genève

Dr. Herbert Wolfer, Winterthur

Christian Wyss, Winkel-Rüti

Dr. Egon Zehnder, Zürich

Dr. René Zeller, Zürich

Prof. Dr. Josef Zeyer, Schlieren

Korpskommandant Rudolf Zoller, Kriens

Prof. Dr. Heinrich Zollinger, Küsnacht ZH

Dr. Martin Zollinger, Zürich

Page 133: Karl Schmid als strategischer Denker - ETH Z

Bisher sind folgende Hefte erschienen:

Nr. 1 Kurt R. Spillmann: Konfliktforschung und Friedenssicherung (1987) vergriffen

Nr. 2 Kurt R. Spillmann: Beyond Soldiers and Arms: The Swiss Model of Comprehensive Security Policy (1987)

Nr. 3 Kurt R. Spillmann: Die Kubakrise von 1962: geschichtliche, politische und strategische Hintergründe (1987)

Nr. 4 Beat Näf / Kurt R. Spillmann: Die ETH-Arbeitstagung zur schweizerischen Sicherheitspolitik vom 29. Juni 1987 – Bericht und Auswertung (1987)

Nr. 5 Beat Näf /, Kurt R. Spillmann: Die ETH-Arbeitstagung zur schweizerischen Sicherheitspolitik vom 7. Dezember 1987 – Bericht und Auswertung (1988)

Nr. 6 Jacques Freymond: La menace et son évolution dans les domaines militaires et civils dans l'optique de la recherche scientifique et universitaire (1988)

Nr. 7 Christian Kind: Extended Deterrence – Amerikas Nukleargarantie für Europa (1989)

Nr. 8 Franz Martin Aebi: Der Weg zum Weiterleben – Morphologische Studie zu einer zeitgemässen Planung einer Strategie der staatlichen und gesellschaftlichen Selbstbehauptung (1989)

Nr. 9 Madeleine Hösli / Kurt R. Spillmann: Demographie und Sicherheitspolitik: Nationale Aspekte – Bericht und Auswertung der ETH-Arbeitstagung vom 5. Dezember 1988 (1989)

Nr. 10 Richard D. Challener: John Foster Dulles: The Certainty/Uncertainty Principle (1989)

Nr. 11 Dominique Wisler: Vers une nouvelle politique de sécurité (1989) vergriffen

Nr. 12 Kurt R. Spillmann und Kati Spillmann: Feindbilder: Entstehung, Funktion und Möglichkeiten ihres Abbaus (1989)

Nr. 13 Madeleine Hösli / Kurt R. Spillmann: Demographie und Sicherheitspolitik: Rückwirkungen internatio-naler Entwicklungen auf die Schweiz – Bericht und Auswertung der ETH-Arbeitstagung vom 8. Juni 1989 (1989)

Nr. 14 Fred Tanner: Die Schweiz und Rüstungskontrolle: Grenzen und Möglichkeiten eines Kleinstaates (1990)

Nr. 15 Jacques Hürlimann / Kurt R. Spillmann: Der Bericht 90 zur schweizerischen Sicherheitspolitik im Ur-teil ausländischer Expertinnen und Experten – Bericht und Auswertung der ETH-Arbeitstagung vom 6. Dez. 1990 (1991)

Nr. 16 Urs Roemer: Die Strategie der "Flexible Response" und die Formulierung der amerikanischen Viet-nampolitik unter Präsident Kennedy (1991)

Nr. 17 Michael Fajnor: Die europäische Integration und ihre sicherheitspolitischen Folgen für die Schweiz (1991)

Nr. 18 Christof Buri / Karl W. Haltiner / Kurt R. Spillmann: Sicherheit 1991 – Ergebnisse einer Repräsentativ-befragung (1991)

Nr. 19 Andreas Wenger: Kontinuität und Wandel in der amerikanischen Nuklearstrategie – Präsident Eisen-howers Strategie der massiven Vergeltung und die nuklearstrategische Neuevaluation der Administrati-on Kennedy (1991)

Nr. 20 Kurt R. Spillmann (Hrsg.): Zeitgeschichtliche Hintergründe aktueller Konflikte I – Vorlesung für Hörer aller Abteilungen – Sommersemester 1991 (1991) vergriffen

Nr. 21 Stephan Kux: Decline and Reemergence of Soviet Federalism (1991) vergriffen

Nr. 22 Kurt R. Spillmann (Hrsg.): Europäische Integration und Schweizerische Sicherheitspolitik – Bericht und Auswertung der ETH-Arbeitstagung vom 25./26. Oktober 1991 (1992)

Nr. 23 Anton Bebler: The Yugoslav Crisis and the "Yugoslav People's Army" (1992) vergriffen

Nr. 24 Sabina Ann Fischer: Namibia Becomes Independent – The U.S. contribution to regional peace (1992)

Nr. 25 Dominique Wisler: La violence politique en Suisse et les mouvements sociaux: 1969-1990 (1992)

Nr. 26 Mauro Mantovani: Stand und Perspektiven der Sicherheitspolitik in Europa (1992)

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(Fortsetzung nächste Seite)

Nr. 27 Kurt R. Spillmann (Hrsg.): Zeitgeschichtliche Hintergründe aktueller Konflikte II – Vorlesung für Hö-rer aller Abteilungen – Sommersemester 1992 (1992)

Nr. 28 Kurt R. Spillmann und Mauro Mantovani (Hrsg.): Die sicherheitspolitische Integration in Europa als Herausforderung für die Schweiz – Bericht und Auswertung der ETH-Arbeitstagung vom 26. Oktober 1992 (1993)

Nr. 29 Günther Bächler: Bosnien-Herzegowina – Friedliche Streitbeilegung zwischen Realität und konkreter Utopie (1993) vergriffen

Nr. 30 Ilja Kremer: Die Sowjetunion und Russland nach 1985: Von der Oktoberrevolution zur Oktoberkrise (1993)

Nr. 31 Kurt R. Spillmann (Hrsg.): Zeitgeschichtliche Hintergründe aktueller Konflikte III – Vorlesung für Hörer aller Abteilungen – Sommersemester 1993 (1994)

Nr. 32 Karl W. Haltiner / Kurt R. Spillmann: Öffnung oder Isolation der Schweiz? Aussen- und sicherheitspo-litische Meinungsbildung im Trend (1994)

Nr. 33 Mauro Mantovani: Nato-Mitglied Schweiz? Voraussetzungen und Folgen einer sicherheitspolitischen Integration der Schweiz (1994)

Nr. 34 Michael Fajnor: Multilaterale Anstrengungen zur Kontrolle konventioneller Rüstungstransfers und die Schweiz (1994)

Nr. 35 Kurt R. Spillmann (Hrsg.): Zeitgeschichtliche Hintergründe aktueller Konflikte IV – Vorlesung für Hörer aller Abteilungen – Sommersemester 1994 (1994)

Nr. 36 Andreas Wenger / Jeronim Perovic: Das schweizerische Engagement im ehemaligen Jugoslawien (1995)

Nr. 37 Kurt R. Spillmann (Hrsg.): Zeitgeschichtliche Hintergründe aktueller Konflikte V – Vorlesung für Hö-rer aller Abteilungen – Sommersemester 1995 (1995)

Nr. 38 Karl W. Haltiner / Luca Bertossa / Kurt R. Spillmann: Internationale Kooperationsbereitschaft und Neutralität: Aussen- und sicherheitspolitische Meinungsbildung im Trend (1996)

Nr. 39 Ulrich Gerster / Regine Helbling: Krieg und Frieden in der bildenden Kunst (1996)

Ulrich Gerster / Regine Helbling: Krieg und Frieden in der bildenden Kunst (1996) (Bildteil)

Nr. 40 Christoph Breitenmoser: Sicherheit für Europa: Die KSZE-Politik der Schweiz bis zur Unterzeichnung der Helsinki-Schlussakte zwischen Skepsis und aktiven Engagement (1996)

Nr. 41 Laurent F. Carrel / Otto Pick / Stefan Sarvas / Andreas Schaer / Stanislav Stach: Demokratische und zivile Kontrolle von Sicherheitspolitik und Streitkräften (1997)

Nr. 42 Karl W. Haltiner / Luca Bertossa / Kurt R. Spillmann: Sicherheit ‘97 (1997)

Nr. 43 Andreas Wenger / Jeronim Perovic: Russland und die Osterweiterung der Nato: Herausforderung für die russische Aussen- und Sicherheitspolitik (1997)

Nr. 44 Kurt R. Spillmann (Hrsg.): Zeitgeschichtliche Hintergründe aktueller Konflikte VI – Vorlesung für Hörer aller Abteilungen – Sommersemester 1997 (1997)

Die Hefte können bei der Forschungsstelle für Sicherheitspolitik und Konfliktanalyse FSK, ETH-Zentrum SEI, CH-8092 Zürich, Tel. 01/632 40 25, Fax: 01/632 19 41 bezogen werden.