Kasuistik P. (1) Wie Jugendliche zu Gewalttätern...

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Norbert Nedopil Abteilung für Forensische Psychiatrie Psychiatrische Klinik der Universität München Nußbaumstr. 7, D-80336 München, Germany email [email protected] www.forensik-muenchen.de Wie Jugendliche zu Gewalttätern werden Vortrag bei der Wochenendtagung der DVJJ Regionalgruppe Südbayern „Jugenddelinquenz - grundlos, grenzenlos, folgenlos“ in Fischbachau am 16. April 2010 Kasuistik P. (1) 1958 Geburt Vater Schriftsetzer, Alkoholiker, längere Haftstrafen u.a. wg. Gewalt gegen Ehefrau Mutter Putzfrau, Betreuung einer älteren Dame 3-7 Einzelgänger, retardiert, prügelt Schwächere, Zurückstellung von der Einschulung 7-12 Vater bricht bei betreuten Dame ein. Wegzug in randständiges Milieu, Vater Strafhaft, Mutter mit jüngerem Bruder überfordert, Sozialisierung auf der Straße, Fahrraddiebstähle, Raufereien, Körperliche Stärke, Furchtlosigkeit 12-16 Umzug, Streit mit Ausländern, Ladendiebstähle, Kämpfer für die Schlaueren, Schläger,Durchsetzungsfähigkeit und Unerschrockenheit ! Respekt, fehlender Anschluss an Mädchen, Partybreaker 15 erste Verurteilung ! Reiterhof Ausbildung; Alkoholmissbrauch Kasuistik P. (2) Auszug aus dem Bundeszentralregister: acht Einträge: 1974 gemeinschaftlicher versuchter Diebstahl;2 Wochen Jugendarrest, Erziehungsbeistandschaft. 1976, vorsätzliche Körperverletzung, Jugendstrafe zwischen1 und 3 Jahren 1978 Hausfriedensbruch, 35 Tagessätze zu je 25 DM. 1979 Unterschlagung, Körperverletzung, Sachbeschädigung, 4 Wochen Jugendarrest,. 1979, Betrug, Körperverletzung, 11 Monate Jugendstrafe, Strafaussetzung zur Bewährung, Bewährungswiderruf. Strafvollstreckung erledigt am 22.5.1982. 1979 Amtsgericht Düsseldorf, Nichterfüllung einer richterlichen Weisung, 2 Wochen Jugendarrest. 1980 Amtsgericht Hamm, unerlaubter Gebrauch eines Fahrzeuges, Fahren ohne Fahrerlaubnis, WKörperverletzung, Widerstand 4 Wochen Jugendarrest 1980, gemeinschaftlicher Diebstahl, Körperverletzung 6 Monate Freiheitsstrafe, Strafvollstreckung erledigt am 5.12.1980. Kasuistik P. (3) 16 – 23 ohne Arbeit, Kneipenbekanntschaften, Einbruchsserien mit Partner 23 Tankstellenüberfall mit Fleischermesser Beute DM 4000,-- Verurteilung zu 5 Jahren Gutachter: SV: Gericht keine SV 26 Haftverlängerung wg. Einbruch während eines Hafturlaubs Kasuistik P. (4) 16 – 23 ohne Arbeit, Kneipenbekanntschaften, Einbruchsserien mit Partner 21 (entdeckt 2002, Pb. 44) Wohnungseinbruch und Raubmord an 78 jähriger Pensionsinhaberin 23 Tankstellenüberfall mit Fleischermesser Beute DM 4000,-- Verurteilung zu 5 Jahren Gutachter: SV: Gericht keine SV 26 Haftverlängerung wg. Einbruch während eines Hafturlaubs Wie hat P. die Zeit zwischen seinem 28. und seinem 45. Lebensjahr verbracht ? Lee Robins (1966): Circa die Hälfte aller aggressiven Verhaltensstörungen bessern sich im Verlauf der Entwicklung bis zum Erwachsenenalter. Retrospektiv gesehen waren fast alle Erwachsenen, die wegen gehäuftem aggressivem Verhalten auffallen, auch schon in ihrer Kindheit in dieser Richtung auffällig. Lee Robins (1966):

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Norbert NedopilAbteilung für Forensische PsychiatriePsychiatrische Klinik der Universität MünchenNußbaumstr. 7, D-80336 München, Germanyemail [email protected]

Wie Jugendliche zu Gewalttätern werden

Vortragbei der Wochenendtagung

der DVJJ Regionalgruppe Südbayern„Jugenddelinquenz - grundlos, grenzenlos, folgenlos“

in Fischbachau am 16. April 2010

Kasuistik P. (1)

1958 Geburt Vater Schriftsetzer, Alkoholiker, längere Haftstrafen u.a. wg. Gewalt gegen EhefrauMutter Putzfrau, Betreuung einer älteren Dame

3-7 Einzelgänger, retardiert, prügelt Schwächere, Zurückstellung von der Einschulung

7-12 Vater bricht bei betreuten Dame ein. Wegzug in randständiges Milieu, Vater Strafhaft, Mutter mit jüngerem Bruder überfordert, Sozialisierung auf der Straße, Fahrraddiebstähle, Raufereien, Körperliche Stärke, Furchtlosigkeit

12-16 Umzug, Streit mit Ausländern, Ladendiebstähle, Kämpfer für die Schlaueren, Schläger,Durchsetzungsfähigkeit und Unerschrockenheit !!!! Respekt, fehlender Anschluss an Mädchen, Partybreaker

15 erste Verurteilung !!!! Reiterhof Ausbildung; Alkoholmissbrauch

Kasuistik P. (2)

Auszug aus dem Bundeszentralregister: acht Einträge:

• 1974 gemeinschaftlicher versuchter Diebstahl;2 Wochen Jugendarrest, Erziehungsbeistandschaft.

• 1976, vorsätzliche Körperverletzung, Jugendstrafe zwischen1 und 3 Jahren

• 1978 Hausfriedensbruch, 35 Tagessätze zu je 25 DM.• 1979 Unterschlagung, Körperverletzung, Sachbeschädigung, 4

Wochen Jugendarrest,.• 1979, Betrug, Körperverletzung, 11 Monate Jugendstrafe,

Strafaussetzung zur Bewährung, Bewährungswiderruf. Strafvollstreckung erledigt am 22.5.1982.

• 1979 Amtsgericht Düsseldorf, Nichterfüllung einer richterlichen Weisung, 2 Wochen Jugendarrest.

• 1980 Amtsgericht Hamm, unerlaubter Gebrauch eines Fahrzeuges, Fahren ohne Fahrerlaubnis, WKörperverletzung, Widerstand 4 Wochen Jugendarrest

• 1980, gemeinschaftlicher Diebstahl, Körperverletzung 6 Monate Freiheitsstrafe, Strafvollstreckung erledigt am 5.12.1980.

Kasuistik P. (3)

16 – 23 ohne Arbeit, Kneipenbekanntschaften, Einbruchsserien mit Partner23 Tankstellenüberfall mit Fleischermesser Beute DM 4000,--

Verurteilung zu 5 Jahren Gutachter: SV: Gericht keine SV26 Haftverlängerung wg. Einbruch während eines Hafturlaubs

Kasuistik P. (4)

16 – 23 ohne Arbeit, Kneipenbekanntschaften, Einbruchsserien mit Partner21 (entdeckt 2002, Pb. 44) Wohnungseinbruch und Raubmord an

78 jähriger Pensionsinhaberin 23 Tankstellenüberfall mit Fleischermesser Beute DM 4000,--

Verurteilung zu 5 Jahren Gutachter: SV: Gericht keine SV26 Haftverlängerung wg. Einbruch während eines Hafturlaubs

Wie hat P. die Zeit zwischen seinem 28. und seinem 45. Lebensjahr verbracht ?

Lee Robins (1966):

Circa die Hälfte aller aggressiven Verhaltensstörungen bessern sich im Verlauf der Entwicklung bis zum Erwachsenenalter.

Retrospektiv gesehen waren fast alle Erwachsenen, die wegen gehäuftem aggressivem Verhalten auffallen, auch schon in ihrer Kindheit in dieser Richtung auffällig.

Lee Robins (1966):

2

Antisoziale Entwicklung nach Moffit

Antisoziale Entwicklungnach Moffitt (1993)

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0 10 20 30 40 50 60 70Alter

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60

70

80Häufigkeit antisozialen Verhaltens

Persistierende Antisozialität0

5

10

15

20

25

30

12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23

FemalesMales

Elliott (1994)National Youth Survey

%

Alter

Prävalenz von gewalttätigem Verhalten

Verlaufstypen delinquenten Verhaltens nach Hodgins 1998

Verlaufstypen delinquenten Verhaltens(schematisch nach Hodgins 1998)

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0 10 20 30 40 50 60Alter

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10

20

30

40Relative Häufigkeit der Delinquenten

early onset stable antisocial adolescent limitedadult starters discontinuous offenders

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Verlauf aggressiven Verhaltens vom 2.-11. Lebensjahr

(Tremblayet al., 2002)

Moffit (1993, 2003) und Odgers et al. (2008)unterscheiden zwischen

• Life-Course-Persistent Antisocial Behavior• Childhood-Limited Antisocial Behavior• Adolescence-Limited Antisocial Behavior

(Adolescence-Onset Antisocial Behavior)

Konzeptualisierung von antisozialem Verhalten Verlauf antisozialen Verhaltens vom 7.-32. Lebensjahr

Alter

Antisoziales Verhalten

LCP

CL

AL

LOW

7 11 15 18 26

(Odgers et al., 2008)

3

• Beginn in der Pubertät

• Bis dahin nach außen unauffällige Entwicklung• Diskrepanz zwischen körperlicher Reifung und mangelnden

Partizipationsmöglichkeiten am Erwachsenenleben• Autonomiebestrebungen mit Anschluss an eine dissoziale Peer-

Gruppe

• Dissoziale Handlungen• Bei Erreichen des Erwachsenenstatus i.d.R. Beendigung der

dissozialen Verhaltensweisen, Rückkehr zu konventionellem Lebensstil

• Verzögerte Beendigung bei abgebrochener Schule / Ausbildung, Suchtentwicklung, Vorstrafen / Inhaftierung

Adoleszentenspezifisches antisoziales Verhalten

• Beginn in der frühen Kindheit• Kinder charakterisiert durch neuropsychologische Probleme,

schwieriges Temperament oder Hyperaktivität• Umgebung charakterisiert durch inadäquates Erziehungsverhalten,

zerbrochene Familienstrukturen und Armut• das früh zu beobachtende schwierige Verhalten wird verstärkt

durch die psychosozialen Belastungen• Im Entwicklungsverlauf suchen die Kinder aktiv problematische

Umwelten auf• In diesen Umgebungen haben sie keine ausreichende Möglichkeit,

prosoziales Verhalten zu lernen• Im Verlauf der ersten zwei Lebensjahrzehnte bildet sich eine

gestörte (antisoziale) Persönlichkeitsstruktur heraus

Persistierendes antisoziales Verhalten

Early starters(Hodgins 1998, 2000)

Genetisch bedingte Vulnerabilität für antisoziales Verhalten• Unfähigkeit aus Erfahrung zu lernen und Regeln einzuhalten • Vulnerabilität für Alkohol- und Drogenmissbrauch (Cravingverhalten)Perinatale Schädigungen• Krankheiten während der Schwangerschaft• Alkoholmissbrauch der Mutter während der Schwangerschaft• Nikotinmissbrauch der Mutter während der Schwangerschaft • Geburtskomplikationen

Auffälligkeiten während der Kindheit• Verhaltensstörungen <Conduct disorder>• Früher Zugang zu Suchtmitteln• Schlechte Schulleistungen• Verhaltensprobleme in der Schulzeit

Antisoziales Verhalten in der Adoleszenz• Merkmale der antisozialen Persönlichkeitsstörung• Substanzmissbrauch (Typ 2 Alkoholiker nach Cloninger)

Predicting Future Antisocial Personality Disorder in Males from a Clinical Assessment in Childhood. Lahey et al., J. Cons. Clin. Psychol. 2005, Vol.73(3),389-399

• N=163, Alter 7-12 Jahre, klinische Stichprobe von Kindern mit disruptiven Verhaltensstörungen (Developmental Trends Study)

• ausführliche kinderpsychiatrische Diagnostik• 2fache Nachuntersuchung

(strukturierte Interviews) im 18. und 19. Lebensjahrzur Erfassung einer Antisozialen Persönlichkeitsstörung

Langzeitverlauf antisozialen Verhaltens

Peer-Gruppen v.a. von Bedeutung bei mittlerer Belastung mit Risikofaktoren

wenige Kontakte zu delinquenten Peer-Gruppenhäufig Remission der Störung

viele Kontakte zu delinquenten Peer-Gruppenhäufig später Beginn von Verhaltensstörungen

kontinuierlicher vs. diskontinuierlicher Verlauf

Frühe DelinquenzDiagnostische und prognostische Probleme

• ADHS

• Störung des Sozialverhaltens• Gefühlskälte und abgestumpfte Emotionalität

4

Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS)Diagnostische Kriterien nach Wender

• Motorische Überaktivität • Aufmerksamkeitsdefizite • Affektlabilität • Emotionale Übererregbarkeit • Desorganisation • Impulsivität

Störung des Sozialverhaltens

• Impulsivität, • Neigung zu Ärger und Wut• Geringe Verbalisationsfähigkeit• Aggression

- verbunden mit emotionaler Spannung - reaktiv auf tatsächliche oder vermeintliche Provokation

• Zeigen Kummer und Leid• Reagieren auf Belastung und negative emotionale Reize

Konkordanzrate bei eineiigen Zwillingen 0,30

Kombination:Störung des Sozialverhaltens Gefühlskalte und abgestumpfte Emotionalität

• Ernstere Verhaltensprobleme• Häufigeres gewalttätiges Verhalten• Frühere Gewaltdelikte• Vorliebe für riskantes Verhalten (Neuigkeit und Aufregung) • Geringe Reaktion auf Drohung und Belastung• Geringere Fähigkeit, Trauer bei anderen zu erkennen• Unfähigkeit, negative Folgen zu antizipieren• Keine Wirkung von Strafen

Konkordanzrate bei eineiigen Zwillingen 0,81

Frühe DelinquenzDiagnostische und prognostische Probleme

++++Kombination: Störung des Sozialverhalten und Gefühlskälte

+Gefühlskalte und abgestumpfte Emotionalität

++Störung des Sozialverhaltens?ADHS

DelinquenzrisikoDiagnose

Kriminalität und GenetikZwillingsstudien

73 %95 %JugendlicheGoldsmith&Gottesman(1996)

72 %87 %JugendlicheMcGuffin&Gottesman(1985)

Erwachsene

Erwachsene

Dizygote Zw.Monozygote Zw.

23 %52 %Goldsmith&Gottesman(1996)

12,535,2 %Christiansen (1977)

KonkordanzrateAutor (Jahr)

ACE-Pfaddiagramm für Zwillingenach Gottesman und Dilalla

Erster Zwilling Zweiter Zwilling

AGene-tischerEinfluss

AGene-tischerEinfluss

CSharedenviron-ment

Non sharedenviron-ment

Non sharedenviron-ment

Bei MZ: 1,0Bei DZ: 0,5

EE

5

Kriminalität und GenetikEinflussfaktoren auf den Phänotyp

Erster Zwilling Zweiter Zwilling

Gene-tischerEinfluss

Gene-tischerEinfluss

Sharedenviron-ment

Non sharedenviron-ment

Non sharedenviron-ment

Bei MZ: 1,0Bei DZ: 0,5

Weitere Einflussfaktoren, z.B.: • Gene suchen die Umwelt, in der sie sich ausprägen können• Assortative Mating

Kriminalität und GenetikVarianzeinteile der wesentlichen Einflussfaktoren

Bei Erwachsenen: • Erbanlagen erklären ca. 50 % der Varianz kriminellen

Verhaltens (und auch anderer Verhaltensweisen)• Shared environment erklärt ca 10 bis 15 % der Varianz • Non-shared environment erklärt ca 35 bis 40 % der Varianz

Bei Jugendlichen: • Erbanlagen erklären ca. 20 bis 40 % der Varianz kriminellen

Verhaltens • Shared environment erklärt ca. 40 bis 45 % der Varianz • Non-shared environment erklärt ca. 10 bis 40 % der Varianz

Kriminalität und GenetikVon evolutionsbedingenten Erbanlagen zu individuellem Verhalten (nach Rushton 1988)

Evolutionsbiologie (Evolutionsgeschichte bis zum homo sapiens)

DNA-Struktur des Individuums

Genetisch vererbte Dispositionen

Umgebungsfaktoren in der Sozialentwicklung

Dauerhafte Persönlichkeitsakzentuierung

Situative Einflussfaktoren

Unbewusste Informationsverarbeitung und emotionale Reaktionen

Individuelle Erfahrung und Gedächtnis

Verhalten

Kriminalität und GenetikVon evolutionsbedingenten Erbanlagen zu individuellem Verhalten (nach heutiger Vorstellung)Evolutionsbiologie (Evolutionsgeschichte bis zum homo sapiens)

DNA-Struktur des Individuums

Genetisch vererbte Dispositionen

Umgebungsfaktoren in der Sozialentwicklung

Dauerhafte Persönlichkeitsakzentuierung

Situative Einflussfaktoren

Unbewusste Informationsverarbeitung und emotionale Reaktionen

Individuelle Erfahrung und Gedächtnis

Verhalten

Besonderheiten der Hirnentwicklung perinatale emotionale ErlebnisseBiologische Grundlage

der PersönlichkeitBindungsverhalten

Variants of theSerotonin Transporter Gene

5-HTTLPR

Lesch et al., Science 1996

(Mit Dank von Prof. P. Lesch (Würzburg))

Interaction between Early Rearing Environment,CSF 5-HIAA, rh5-HTT Genotypein Adult Rhesus Monkeys

Bennett et al. 2003

S l/s + s/s

n = 16

L l/l

n = 38

-1.0

-0.5

0

0.5

1.0

S l/s + s/s

n = 13

L l/l

n = 41

**Z sc

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5-H

IAA

(pm

ol/m

l)

Peer -reared

Mother - reared

(Mit Dank von Prof. P. Lesch (Würzburg))

6

Early Life Stress, Behavioral Deficits and5-HT Function in the Brain of Rhesus Macaques

Altered brain5-HT function:

5-HIAA

Behavioral deficits:Anxiety, aggressionand depression

Maternal separation

Adulthood

Peer-reared

Mother-reared

Adulthood

Family socialization

(Mit Dank von Prof. P. Lesch (Würzburg))

Genemultiple alleles

with small effects

response toenvironmental cues:‘endophenotypes’

Circuitchange

in levels orconformation

Protein Neuronsubtle structuraland functional

alterations

Lesch, Eur J Pharmacol 2005

How Do Genes Influence Behavior and Psychopathological Dimensions ?

complexfunctional

interactions

and

psycho-pathologicaldimensions

Behavior

Developmental and adult plasticityGene x environment interactionGene x gene interaction

(Mit Dank von Prof. P. Lesch (Würzburg))

Kriminalität und GenetikDiathese – Umwelt – Prozess

Vater:Genetische Belastung für Novelty Seeking, niedrige Persistence, Fehlen von Harm Avoidance Impulsivität, Alkoholmissbrauch (Typ 2 Alkoholiker nach Cloninger)

Soziale RandständigkeitAssortative MatingHohe Wahrscheinlichkeit ähnlicher Gene bei der Mutter

Höhere Rate fetaler Schädigungen durch mütterlichen Substanzkonsum, Nikotin, Fehlernährung!!!!Minor physical abnormalities (MPA)+ Gene beider Eltern

Passive Fehlen der intakten Familie als protektiver FaktorInteraktion: Aggressive, dissoziale Vorbilder in der Familie, Substanzkonsum

der Eltern, Ablehnung u. Gleichgültigkeit gegenüber dem Kind

!!!! Soziales Fehlverhalten des Kindes z.B. Aggression, Verweigerung

Kriminalität und GenetikDiathese – Umwelt – Prozess

Vater:Genetische Belastung für Novelty Seeking, niedrige Persistence, Fehlen von Harm Avoidance Impulsivität, Alkoholmissbrauch (Typ 2 Alkoholiker nach Cloninger)

Soziale RandständigkeitAssortative MatingHohe Wahrscheinlichkeit ähnlicher Gene bei der Mutter

Höhere Rate fetaler Schädigungen durch mütterlichen Substanzkonsum, Nikotin, Fehlernährung!Minor physical abnormalities (MPA)+ Gene beider Eltern

Passive Fehlen der intakten Familie als protektiver FaktorInteraktion: Aggressive, dissoziale Vorbilder in der Familie, Substanzkonsum der Eltern, Ablehnung

u. Gleichgültigkeit gegenüber dem Kind! Soziales Fehlverhalten des Kindes, z.B. Aggression, Verweigerung

Evokative Genetisch bedingte und erworbene Aggressivität undInteraktion: Ablehnung ruft feindselige und zurückweisende Reaktionen von

Eltern und Umgebungspersonen hervor!!!! Unfähigkeit, emotionalen Beziehungsfähigkeit und Loyalität

aufzubauen, Verstärkung des störenden und abweisenden Fehlverhaltens

Kriminalität und GenetikDiathese – Umwelt – Prozess

Vater:Genetische Belastung für Novelty Seeking, niedrige Persistence, Fehlen von Harm Avoidance Impulsivität, Alkoholmissbrauch (Typ 2 Alkoholiker nach Cloninger)

Soziale RandständigkeitAssortative MatingHohe Wahrscheinlichkeit ähnlicher Gene bei der Mutter

Höhere Rate fetaler Schädigungen durch mütterlichen Substanzkonsum, Nikotin, Fehlernährung!Minor physical abnormalities (MPA)+ Gene beider Eltern

Passive Fehlen der intakten Familie als protektiver FaktorInteraktion: Aggressive, dissoziale Vorbilder in der Familie, Substanzkonsum der Eltern, Ablehnung u. Gleichgültigkeit gegenüber dem

Kind ! Soziales Fehlverhalten des Kindes, z.B. Aggression, Verweigerung

Evokative Genetisch bedingte und erworbene Aggressivität undInteraktion: Ablehnung ruft feindselige und zurückweisende Reaktionen von Eltern und

Umgebungspersonen hervor

! Unfähigkeit, emotionalen Beziehungsfähigkeit und Loyalität aufzubauen, Verstärkung des störenden und abweisenden Fehlverhaltens

Aktive Erfahrungssuche, welches der genetisch bedingtenInteraktion: Disposition zum Novelty seeking entspricht und nicht durch

andere Dispositionen (z.B. harm avoidance) gehemmt wird

!!!! Abenteuerlust; Mutproben, Suche nach Kick, Vermeiden von Langeweile durch Fehlverhalten

Kriminalität und GenetikDiathese – Umwelt – Prozess

Vater:Genetische Belastung für Novelty Seeking, niedrige Persistence, Fehlen von Harm Avoidance Impulsivität, Alkoholmissbrauch (Typ 2 Alkoholiker nach Cloninger)

Soziale RandständigkeitAssortative MatingHohe Wahrscheinlichkeit ähnlicher Gene bei der Mutter

Höhere Rate fetaler Schädigungen durch mütterlichen Substanzkonsum, Nikotin, Fehlernährung!Minor physical abnormalities (MPA)+ Gene beider Eltern

Passive Fehlen der intakten Familie als protektiver FaktorInteraktion: Aggressive, dissoziale Vorbilder in der Familie, Substanzkonsum der Eltern, Ablehnung u. Gleichgültigkeit gegenüber dem

Kind ! Soziales Fehlverhalten des Kindes, z.B. Aggression, Verweigerung

Evokative Genetisch bedingte und erworbene Aggressivität undInteraktion: Ablehnung ruft feindselige und zurückweisende Reaktionen von Eltern und Umgebungspersonen hervor! Unfähigkeit, emotionalen Beziehungsfähigkeit und Loyalität aufzubauen, Verstärkung des störenden und abweisenden

Fehlverhaltens

Aktive Erfahrungssuche, welches der genetisch bedingten Disposition zum Novelty seekingInteraktion: entspricht und nicht durch andere Dispositionen (z.B. harm avoidance) gehemmt wird! Abenteuerlust; Mutproben, Suche nach Kick, Vermeiden von Langeweile durch

Fehlverhalten

Erwerb eingeschliffener dissozialer Reaktionsmuster, die den genetischen bedingten Bedürfnissen entspricht und durch die Struktur der genetisch festgelegten Temperamentzüge begünstigt wird.

7

Genetik und Entwicklungsmöglichkeiten

Welche Aspekte der Persönlichkeit sind änderbar ?

Welche bleiben stabil ?

In welchem Zeitabschnitt und welchem Zeitraum sind Änderungen möglich?

Frühzeitiges Erkennen von Dissozialität und KriminalitätsbereitschaftVorläufer von Delinquenz und Gewalt im Kindes- und Jugendalterz.B. D.Farrington (Cambridge Study)

• Kriminalität und Verurteilungen eines Elternteils• Eltern mit dissozialen Persönlichkeitsakzentuierungen• Eltern mit Alkohol- oder Substanzkonsum• Große Familien• Zerbrochene oder konfliktreiche Familien • Junge, allein erziehende Mütter• Niedriges Familieneinkommen• Inkonsistenter und unberechenbarer Erziehungsstil• Unzureichende elterliche Kontrolle• Missbrauch der Kinder• Niedrige Intelligenz und schlechte Schulleistung• Impulsivität • Dissoziale Bezugspersonen• Dissoziale Nachbarschaften• Schulen mit hoher Kriminalitätsbelastung

Kreislauf der GewaltSubstanzmissbrauch

Vernachlässigung sozialer Verpflichtungen

Gewalt in der Familie

Kindsmissbrauch,Verwahrlosung der Kinder

Substanzmissbrauch bei den Kindern

Gewalttätigkeiten im sozialen Nahfeld

Genetische Faktoren

Criminal lifestyle

Spezifische Peergroup

Fetale Schädigung

Medien und Videospiele

Eltern (assortative mating)

Gewaltdelinquenz Predictors of Antisocial Personality –Continuities from Childhood to Adult Life. Simonoff et al., Br J Psychiat. 2004, 184:118-124

• 107 Zwillingspaare (MZ + DZ), Alter bei T0 < 16J.Alter by Follow-up 38.2 J. (range 28-59J.)

• ausführliche psychiatrische Diagnostik in Kindheit und Jugend• Follow-up: Adult Personality Functioning Assessment

Prädiktoren antisozialen Verhaltens

Prädiktoren antisozialen Verhaltens Kreislauf der GewaltSubstanzmissbrauch

Vernachlässigung sozialer Verpflichtungen

Gewalt in der Familie

Kindsmissbrauch,Verwahrlosung der Kinder

Substanzmissbrauch bei den Kindern

Gewalttätigkeiten im sozialen Nahfeld

Genetische Faktoren

Criminal lifestyle

Spezifische Peergroup

Fetale Schädigung

Medien und Videospiele

Eltern (assortative mating)

Gewaltdelinquenz

Hier greift die Justiz ein

Wo sollten wir wirklich eingreifen??

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Kreislauf der GewaltSubstanzmissbrauch

Vernachlässigung sozialer Verpflichtungen

Gewalt in der Familie

Kindsmissbrauch,Verwahrlosung der Kinder

Substanzmissbrauch bei den Kindern

Gewalttätigkeiten im sozialen Nahfeld

Genetische Faktoren

Criminal lifestyle

Spezifische Peergroup

Fetale Schädigung

Medien und Videospiele

Eltern (assortative mating)

Gewaltdelinquenz

Was zeichnet jene aus, die den Teufelskreis verlassen können?

Kreislauf der Gewalt Aussteiger

Resilience (Standhaftigkeit und Flexibilität)

1. Eine unkomplizierte, positive Lebenseinstellung, die positive Reaktionen des Umfelds hervorruft

2. Die Fähigkeit zur Distanzierung von negativen Einflüssen, z.B. coping-Verhalten und Fähigkeit zur Distanzierung von affektiv belastenden Ereignissen

3. Die Fähigkeit zur Herstellung von sinnhaften Bezügen zwischen dem eigenen Verhalten und der eigenen Lebensperspektive

4. Die Fähigkeit zu Empathie und das damit verbundene Aufrechterhalten von sozialen Beziehungen

5. Die realistische Einschätzung der Anforderungen durch die Umwelt und der eigenen Chancen

6. Die Fähigkeit, soziale Probleme zu lösen 7. Intellektuelle Fähigkeiten

Protektive Faktoren (Lösel 1999)- Eine sichere Bindung an eine Bezugsperson innerhalb

oder außerhalb der Familie- Emotionale Zuwendung- Kontrolle und Konsistenz im familiären, schulischen oder

beruflichen Bereich- Vorbilder, die auch unter widrigen Umständen Stabilität

und Festigkeit (“resilience”) gezeigt haben - Aktives Bewältigungsverhalten- Soziale Unterstützung durch nicht delinquente Freunde

oder Partner- Erfolg in Schule oder Beruf und damit verbundene

Bindung an dort vermittelte Werte und Normen- Soziale Beziehungen zu nicht delinquenten Gruppen- Erfahrungen der Selbstverwirklichung in nicht

delinquenten Aktivitäten- Kognitive Schemata, Überzeugungen und soziale

Informationsprozesse, die nicht aggressionsfördernd sind - Erfahrungen von Struktur und Sinnhaftigkeit im eigenen

Leben

Früh beginnende DelinquenzBeurteilung und Prävention

Das Wissen um die Entstehung gewalttätigen und delinquenten Verhaltens bei Jugendlichen ist enorm gewachsen.

Wichtig ist eine sorgfältige Differenzierung, bei der • Biologische Grundlagen (Familienanamnese)• Soziale Verstärker• Psychopathologische Auffälligkeit (Reaktion auf Stress,

emotionale Ansprechbarkeit)• Lernverhalten und Lernfähigkeitsorgfältig analysiert werden

Behandlungs- und Präventionsmöglichkeiten müssen die Differenzierung berücksichtigen (z.B. differenziertes Reagieren auf Belohnung und Bestrafung)

Schlussfolgerungen:

Deutlich erhöhtes Risiko für kriminelle Entwicklung, wenn• Störungen des Sozialverhaltens früh beginnen (<10.J.)• enger Kontakt zu delinquenten Peers• Ausgeprägte Psychopathologie in Kindheit u. Jugend

(Komorbidität von Sozialverhaltensstörungen / Suchtstörungen und emotionalen Störungen)

• Persönlichkeit charakterisiert durch hohes Ausmaß an Gefühllosigkeit / Psychopathy

Erhöhtes Risiko für chronisch delinquentes Verhalten Kasuistik P. (5)

23 – 29 Strafhaft Lehre zum Maschinenbauer29 Sozialwohnung, LKW-Führerschein, LKW Fahrer, Schlägereien30 Subunternehmer als LKW-Fahrer mit eigenem Transporter31 Eheschließung, Geburt der eigenen Tochter, Adoption der Tochter

der Ehefrau32 Umzug in Reiheneckhaus auf dem Land33 Erwerb eines zweiten LKW, Beginn der Steuernachzahlung (90 000

DM) insg. 120.000 DM Schulden35 Geburt der zweiten Tochter, Belieferung stummer Zeitungsverkäufer38 Geburt des Sohnes39 Schuldenfreiheit, Kindergartenbeirat44 Wiederverhaftung wg. Mord mit 18 Jahren

Verurteilung zu 12 Jahren Strafhaft52 Nach guter Führung entlassen nach 2/3 der Strafe