Kein Grün ohne Umbau der Proteinimport-Maschinerie

2
TREFFPUNKT FORSCHUNG | Bei den Blütenpflanzen, zu denen auch die für unsere Ernährung wichtigen Kulturpflanzen gehö- ren, findet die Entwicklung der Chloroplasten nur im Licht statt. Keimlinge, die sich zunächst im Dunkeln entwickeln, enthalten anstelle der grünen Chloroplasten gelbgefärbte Etioplasten. Wenn ein solcher Keimling, der sich bei- spielsweise im Getreidefeld zu- nächst unter der Erdoberfläche entwickelt, schließlich ins Licht kommt, entstehen aus den Etio- plasten in nur wenigen Stunden grüne Chloroplasten. Das kann man auch im Labor an Gersten- keimlingen zeigen, die nach sechs Tagen Wachstum im Dun- keln ins Licht gestellt wurden (Abbildung 1). Während der Ergrünung der Keimlinge nimmt nicht nur das für die Photosyn- these notwendige Chlorophyll zu, es gelangen auch eine Vielzahl neuer Proteine in das Organell, die für die verschiedenen Schritte der Photosynthese benötigt werden. Chloroplasten besitzen 2000– 3000 verschiedene Proteine, die bis auf die weniger als 100 in den Chloroplasten selbst hergestellten Proteine (siehe auch „Plastiden und Zellkern im Zwiegespräch, Karin Krupinska, BIUZ 41, 2011, S. 298ff.) aus dem Cytoplasma in das Organell transportiert werden. Ein großer Teil der Proteine wird für die Funktionen im Chloroplas- ten benötigt und ist in Etioplasten nicht nachweisbar. Es stellt sich die Frage, wie sich das Proteinre- pertoire der Plastiden während der Ergrünung, die nur wenige Stun- den dauert, so dramatisch ändern kann. Eine spezielle Proteinimport- Maschinerie sorgt dafür, dass die im Cytoplasma hergestellten Pro- teine die beiden Hüllmembranen des Organells überwinden kön- nen. Der Grundaufbau dieses Im- portapparats im reifen Chloroplas- ten ist schon seit etwa 20 Jahren bekannt. Erst in jüngster Zeit zeigte sich jedoch, dass er in ver- schiedenen Typen der Plastiden unterschiedlich aufgebaut ist. Bei Chloroplasten besteht die Import- maschinerie in der äußeren Plasti- denmembran aus drei Proteinen, die man Toc159, Toc33 und Toc75 nennt. Dabei ist Toc die Abkür- zung für den englischen Begriff 74 | Biol. Unserer Zeit | 2/2013 (43) www.biuz.de © 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim BOTANIK Kein Grün ohne Umbau der Proteinimport-Maschinerie Chloroplasten sind die bekanntesten Vertreter der Plastiden, den cha- rakteristischen Organellen der Pflanzenzelle. Chloroplasten findet man in den grünen Geweben der Pflanzen, und Wachstum und Produktivi- tät von Pflanzen hängt von der Photosynthese in den Chloroplasten ab. Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass die für den Import von Photosynthese-Proteinen verantwortlichen „Türsteher“ in der Hüll- membran der Plastiden während des Ergrünens deutlich umstruktu- riert werden müssen. Stunden der Belichtung: 0 2 4 8 24 Die Keimlinge wurden nach sechs Tagen Anzucht im Dunkeln (0) für 2, 4, 8 oder 24 Stunden ins Licht gestellt. ABB. 1 ERGRÜNUNG VON GERSTENKEIMLINGEN hende Lehrkräfte ethisches Basis- wissen und naturwissenschaftli- ches Fachwissen zu ethischen Konfliktfeldern erwerben sowie Methoden zur Förderung und Di- agnose von Urteilsprozessen ken- nen- und anwenden lernen. Zu 2 und 3: Fortbildungsangebote, die den Zyklus von Entwicklung, Erprobung, Reflektion und Opti- mierung berücksichtigen, sind ge- eignet, um gemeinsam Unterrichts- materialien zu bioethischen Kon- fliktfeldern schrittweise in den Un- terricht zu integrieren. So kann es uns gelingen, Schü- ler und Lehrkräfte auf den Umgang mit ethischen Herausforderungen vorzubereiten und ein verantwor- tungsbewusstes und reflektiertes Urteilen hinsichtlich des Menschen und seiner Umwelt zu fördern. [1] N. Alfs, C. Hößle, T. Alfs, Eine Interven- tionsstudie zur Entwicklung der Bewer- tungskompetenz bei Schülerinnen und Schülern im Rahmen des Projektes HannoverGen. Oldenburger Vordrucke 594, 2011. [2] N. Alfs, Ethisches Bewerten fördern. Dis- sertation. Kovac Verlag, Hamburg, 2012. Corinna Hößle, Universität Oldenburg, corinna.hoessle@ uni-oldenburg.de

Transcript of Kein Grün ohne Umbau der Proteinimport-Maschinerie

Page 1: Kein Grün ohne Umbau der Proteinimport-Maschinerie

T R E F F P U N K T FO R SC H U N G |

Bei den Blütenpflanzen, zu denenauch die für unsere Ernährungwichtigen Kulturpflanzen gehö-ren, findet die Entwicklung derChloroplasten nur im Licht statt.Keimlinge, die sich zunächst imDunkeln entwickeln, enthalten anstelle der grünen Chloroplastengelbgefärbte Etioplasten. Wenn ein solcher Keimling, der sich bei-spielsweise im Getreidefeld zu-

nächst unter der Erdoberflächeentwickelt, schließlich ins Lichtkommt, entstehen aus den Etio-plasten in nur wenigen Stundengrüne Chloroplasten. Das kannman auch im Labor an Gersten-keimlingen zeigen, die nach sechs Tagen Wachstum im Dun-keln ins Licht gestellt wurden (Abbildung 1). Während der Ergrünung der Keimlinge nimmt

nicht nur das für die Photosyn-these notwendige Chlorophyll zu,es gelangen auch eine Vielzahlneuer Proteine in das Organell, die für die verschiedenen Schritteder Photosynthese benötigt werden.

Chloroplasten besitzen 2000–3000 verschiedene Proteine, diebis auf die weniger als 100 in denChloroplasten selbst hergestelltenProteine (siehe auch „Plastidenund Zellkern im Zwiegespräch, Karin Krupinska, BIUZ 41, 2011, S. 298ff.) aus dem Cytoplasma indas Organell transportiert werden.Ein großer Teil der Proteine wirdfür die Funktionen im Chloroplas-ten benötigt und ist in Etioplastennicht nachweisbar. Es stellt sichdie Frage, wie sich das Proteinre-pertoire der Plastiden während derErgrünung, die nur wenige Stun-den dauert, so dramatisch ändernkann.

Eine spezielle Proteinimport-Maschinerie sorgt dafür, dass dieim Cytoplasma hergestellten Pro-teine die beiden Hüllmembranendes Organells überwinden kön-nen. Der Grundaufbau dieses Im-portapparats im reifen Chloroplas-ten ist schon seit etwa 20 Jahrenbekannt. Erst in jüngster Zeitzeigte sich jedoch, dass er in ver-schiedenen Typen der Plastidenunterschiedlich aufgebaut ist. BeiChloroplasten besteht die Import-maschinerie in der äußeren Plasti-denmembran aus drei Proteinen,die man Toc159, Toc33 und Toc75nennt. Dabei ist Toc die Abkür-zung für den englischen Begriff

74 | Biol. Unserer Zeit | 2/2013 (43) www.biuz.de © 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

B OTA N I K

Kein Grün ohne Umbau der Proteinimport-Maschinerie Chloroplasten sind die bekanntesten Vertreter der Plastiden, den cha-rakteristischen Organellen der Pflanzenzelle. Chloroplasten findet manin den grünen Geweben der Pflanzen, und Wachstum und Produktivi-tät von Pflanzen hängt von der Photosynthese in den Chloroplasten ab.Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass die für den Import vonPhotosynthese-Proteinen verantwortlichen „Türsteher“ in der Hüll-membran der Plastiden während des Ergrünens deutlich umstruktu-riert werden müssen.

Stunden der Belichtung:

0 2 4 8 24

Die Keimlinge wurden nach sechs Tagen Anzucht im Dunkeln (0) für 2, 4, 8oder 24 Stunden ins Licht gestellt.

ABB. 1 E RG R Ü N U N G VO N G E R S T E N K E I M L I N G E N

hende Lehrkräfte ethisches Basis-wissen und naturwissenschaftli-ches Fachwissen zu ethischenKonfliktfeldern erwerben sowieMethoden zur Förderung und Di-agnose von Urteilsprozessen ken-nen- und anwenden lernen. Zu 2 und 3: Fortbildungsangebote,die den Zyklus von Entwicklung,Erprobung, Reflektion und Opti-mierung berücksichtigen, sind ge-

eignet, um gemeinsam Unterrichts-materialien zu bioethischen Kon-fliktfeldern schrittweise in den Un-terricht zu integrieren.

So kann es uns gelingen, Schü-ler und Lehrkräfte auf den Umgangmit ethischen Herausforderungenvorzubereiten und ein verantwor-tungsbewusstes und reflektiertesUrteilen hinsichtlich des Menschenund seiner Umwelt zu fördern.

[1] N. Alfs, C. Hößle, T. Alfs, Eine Interven -tionsstudie zur Entwicklung der Bewer-tungskompetenz bei Schülerinnen undSchülern im Rahmen des Projektes HannoverGen. Oldenburger Vordrucke594, 2011.

[2] N. Alfs, Ethisches Bewerten fördern. Dis-sertation. Kovac Verlag, Hamburg, 2012.

Corinna Hößle, Universität Oldenburg, corinna.hoessle@

uni-oldenburg.de

Page 2: Kein Grün ohne Umbau der Proteinimport-Maschinerie

| T R E F F P U N K T FO R SC H U N G

„translocon outer chloroplast en-velope“. Die Proteine, die in derinneren Hüllmembran am Protein-import beteiligt sind, nennt manentsprechend Tic („translocon in-ner chloroplast envelope“). Toc75ist ein Kanalprotein, währendToc159 und Toc33 Rezeptorensind. Die meisten Plastidenpro-teine entstehen als Vorstufenpro-teine an den 80S-Ribosomen imCytoplasma. Im Unterschied zuden reifen Proteinen in den Plasti-den besitzen die Vorstufenproteineein N-terminales Peptid, das für dieErkennung an der Oberfläche derPlastiden und den nachfolgendenImport in das Organell erforderlichist. Ein Plastidenprotein, das anden 80S-Ribosomen im Cytosolentsteht, gelangt in entfalteterForm zum Importapparat, bindetdort an Toc159 und Toc33 undwird dann zum Tic-Komplex in derinneren Hüllmembran weitergelei-tet. Eine Peptidase im Stroma derPlastiden spaltet das für den Im-port wichtige Peptid am vorderenEnde des Proteins ab. Das nun-mehr reife Protein faltet sich undkann beispielsweise eine Funktion

im Photosyntheseapparat überneh-men.

Paul Jarvis und Kollegen be-richteten in einer 1998 in Scienceerschienen Arbeit, dass Pflanzenohne Toc33 keine Chloroplastenbilden können [1]. Damit wurdezum ersten Mal gezeigt, dass zumImport der Photosyntheseproteinespezielle Rezeptoren nötig sind.Auf der Suche nach Faktoren, dieden Import von Proteinen in diePlastiden regulieren, fand Jarvismit seinen Mitarbeitern nun einProtein, das zu den E3-Ligasen des

Ubiquitin-Proteasom-Systems(UPS) gehört. Das Proteasom istein großer Proteinkomplex im Cy-tosol, in dem nicht mehr benötigteProteine abgebaut werden. Diezum Abbau bestimmten Proteineerkennt man an einem Ubiquitin-rest. An der Übertragung des Ubi-quitins ist u.a. die Proteingruppeder E3-Ligasen beteiligt, von denenPflanzen ca. 1500 besitzen.

Die von Paul Jarvis und seinenMitarbeitern entdeckte E3-Ligasebefindet sich in der äußeren Hüll-membran der Plastiden und über-trägt Ubiquitin auf die Toc-Rezep-toren des Importapparates, mar-kiert also die Rezeptoren zumAbbau durch die „zelluläre Müllab-fuhr“. Der Abbau schafft Platz fürneue und effizientere Rezeptoren,mit denen in kurzer Zeit großeMengen von Photosynthese-Prote -inen importiert werden können.Dadurch kann das plastidäre Pro-teinrepertoire während der Ergrü-nung von Keimlingen im Lichtschnell geändert werden. Die imLicht importierten Proteine bauenden Photosyntheseapparat auf, derEnergie und Bausteine zum Wachs-tum der Pflanze liefert.

[1] P. Jarvis, L.J. Chen, H. M. Li, C. A. Pete, C. Frankhauser, J. Chory, Science 1998,282, 100–103.

[2] Q. Ling, W. Huang, A. Baldwin, P. Jarvis,Science 2012, 338, 655–659.

Karin Krupinska, Universität zuKiel, [email protected]

© 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.biuz.de 2/2013 (43) | Biol. Unserer Zeit | 75

M O M E N T M A L !

Artgerechte EntlohnungBiologen klagen, dass sie unterdurchschnittlich bezahltwerden. Gleichzeitig beteuert die große Mehrheit derBiologen, dass sie die Berufswahl nicht bereuen, weil sieInteresse und Spaß an der Arbeit haben. Der „Spaßfaktor“ ist ein großes Privileg, das man in Geldwert umrechnen könnte. Bezieht man das in die Gehaltsberechnung ein, könnte die Entlohnung von Biowissenschaft-lern weiter drastisch gesenkt werden. Gleichzeitig ist jedoch zu fordern, dass andere Berufsgruppen (z.B. Banker, Anwälte, EU-Politiker) glaubhaft nachweisen,dass ihnen ihre Arbeit keinen Spaß macht und sie daran auch kein Interesse haben – das würde durchaus eine höhere Entlohnung rechtfertigen.

Herzlichst, Ihr Wolfgang Nellen, Universität Kassel

Haben auch Sie inder letzten Zeit„Moment mal!“gedacht? Hat sichein Gedanke bei Ihnen festgesetzt?Dann schicken Sieihn uns: RedaktionBIUZ, [email protected]

Bild

: Pet

e Pa

hham

– F

otol

ia.c

om.

TIC

TOC

UPS34 134

TOCEtioplast

33 159

TOCChloroplast

Photosynthese

E3

34 134

TOCEtioplast

Während der Umwandlung der Etioplasten in Chloroplasten werden dieProteinimport-Rezeptoren Toc34 und Toc134 durch Toc33 und Toc159 aus-getauscht. Die alten Rezeptoren werden mit Ubiquitin (rote Rauten) mar-kiert und im Proteasom abgebaut. Die Markierung zum Abbau erfolgtdurch eine E3-Ligase in der Hüllmembran. Die neu eingebauten Rezepto-ren Toc33 und Toc159 erkennen die Vorstufenproteine für die Photosyn-these und bewerkstelligen ihren Transport über die Hüllmembran.

ABB. 2 UMBAU DES IMPORTAPPARATES WÄHREND DER ERGRÜNUNG