Keine sturen, sondern schlaue Tiere€¦ · Tierisch Beim 18. Eselfest in Malbun holte am Samstag...

1
MONTAG 11. AUGUST 2014 | Inland | 7 Keine sturen, sondern schlaue Tiere Tierisch Beim 18. Eselfest in Malbun holte am Samstag ein Esel aus Thurgau den ersten Preis. Esel seien – entgegen alter Vorurteile – schnell und sehr klug, sagen die Halter. VON PALINA MILLING* C indys Ohren sind gespitzt, neugierig schnüffelt sie he- rum. Hier in der warmen Stube mit vielen leckeren Gerüchen war sie noch nie, das ist Cindys erste Entdeckungstour in die Küche. Kein Wunder, denn Esel sind hier eher selten: Sie sitzen nie am Frühstückstisch oder helfen beim Abwasch. Als Conny Johler nach dem Arbeitstag ihren Esel in der Küche trifft, ist sie überrascht, aber nicht verwundert: «Esel sind extrem intel- ligent, sie verstehen Zusammenhän- ge. Wenn also im Schloss ein Schlüs- sel steckt, dann drehen sie ihn um, machen die Tür auf und gehen rein», sagt die Eselhalterin. Natürlich sei das von Tier zu Tier anders, aber viel im Köpfchen hätten sie alle. Zusammen mit ihrem Mann Stephan hält Conny Johler in Thurgau am Bi- chelsee elf Esel, zwei von ihnen - Mara und Cindy – brachten sie am Samstag nach Malbun. Zum ersten Mal nahmen sie am Eselfest teil – und die dreijährige Cindy holte gleich den Sieg. Mara landete beim Parcours eher im Mittelfeld. Vor drei Jahren kauften sich die Joh- lers die beiden Eselstuten, zwei Schwestern. Cindy ist dabei eine Draufgängerin, Mara sehr scheu und vorsichtig. «Wir Menschen erkunden die Umgebung auf vielerlei Weise, sogar Klettern oder Kriechen geht. Die Esel können nur tasten, sie brau- chen länger als wir, um etwas zu stu- dieren», erklärt Stephan. Deswegen sei die Geduld bei Eseln das Wich- tigste. Geduld öffnet Eselherzen Der Volksmund nennt die Esel stur, ihre Halter widersprechen entschie- den. «Esel reagieren auf Druck im- mer mit Gegendruck und lassen sich zu nichts zwingen. Mit Spass machen sie aber alles mit», erklärt Stephan Johler. Viel Lob hilft, bei starkem Zug oder Peitschenschlägen macht ein Esel dagegen keinen Schritt. Dass Geduld die Eselherzen öffnet, weiss auch Normann Bühler aus Triesenberg. Seit 18 Jahren ist er beim Eselfest in Malbun dabei und hat das diesjährige organisiert. Ins- gesamt gingen beim Wettbewerb 25 Esel an den Start, manche galop- pierten, manche nahmen sich rich- tig Zeit. «Jedes Pferd ist ein Flucht- tier, anders der Esel: Er ist ruhig, gemütlich. Er überlegt, bevor er was tut», erklärt Bühler. Der Landwirt züchtet die Tiere seit 22 Jahren und schätzt sehr, dass sie pflegeleicht sind: «Die Esel fressen auch schlech- teres Gras und weiden selbst auf steilen Hängen.» Heu oder Stroh rei- chen ihnen, stimmt auch Conny Joh- ler zu. «Esel stammen aus der Wüs- te, da kommen sie sogar mit kärge- rem Futter aus.» Wer Natur mag und oft ins Grüne möchte, für den sei ein pflegeleich- ter Esel das Richtige. «Früher fuh- ren wir mit dem Fahrrad in die Feri- en, jetzt gehen wir mit den Eseln wandern», sagen Conny und Ste- phan Johler. Esel «entschleunigen» den Lebensstil und werden mit ih- rem Halter ein Herz und eine Seele. «Der Esel kann ausserdem gut zuhö- ren. Dem kannst du alles erzählen. Er sagt bloss immer dasselbe – ‹Iii- aa›», fügt Normann Bühler lächelnd hinzu. «Esel widerspiegeln den Men- schen, der sie hält», sagt Stephan Johler. Vertrauen Tier und Mensch einander, sei auf den Esel immer Verlass. Das hat die quirlige Cindy auch hier in Malbun bewiesen: Trotz ungewohnter Gegend bewältigte sie die Strecke in einer Minute. «Sie liebt eben den Rummel, die Strubbe- li.» Da kann Cindy nur nicken und – wie immer – die Ohren spitzen. Über die Autorin Palina Milling, 26, kommt aus Minsk (Belarus) und ab- solviert derzeit die fünfte Internatio- nale Sommeraka- demie für Journa- lismus und PR an der Universität Liechtenstein. Stefan Johler und Esel- stute Cindy verbindet viel Vertrauen. (Foto: Palina Milling) Je länger der Wettbewerb andauerte, desto durstiger wurden die Esel. Zahlreiche Menschen schauten beim Eselfest vorbei. Etliche Hindernisse galt es samt Esel im Schlepptau zu bewältigen. Schwerpunkt Alle Zeichen auf Esel Stolze Sieger: Beim Hürdenlauf siegte Stefan Johler mit Esel «Cindy» (Mitte), den zweiten Platz holte Raphael Degen mit «Calimero» (rechts) und den dritten Rang sicherte sich Peter Beck mit «Atlas» (links). Benjamin (Mitte) holte sich mit Esel «Speedy» den grossen Preis von Malbun. Hier posiert er mit Beisitzerin Diane Beck und Präsident Normann Bühler. (Fotos: Vollmar)

Transcript of Keine sturen, sondern schlaue Tiere€¦ · Tierisch Beim 18. Eselfest in Malbun holte am Samstag...

Page 1: Keine sturen, sondern schlaue Tiere€¦ · Tierisch Beim 18. Eselfest in Malbun holte am Samstag ein Esel aus Thurgau den ersten ... «Der Esel kann ausserdem gut zuhö-ren. Dem

MONTAG11. AUGUST 2014�|� Inland�|�7

Keine sturen, sondern schlaue Tiere Tierisch Beim 18. Eselfest in Malbun holte am Samstag ein Esel aus Thurgau den ersten Preis. Esel seien – entgegen alter Vorurteile – schnell und sehr klug, sagen die Halter.

VON PALINA MILLING*

Cindys Ohren sind gespitzt, neugierig schnüff elt sie he-rum. Hier in der warmen Stube mit vielen leckeren

Gerüchen war sie noch nie, das ist Cindys erste Entdeckungstour in die Küche. Kein Wunder, denn Esel sind hier eher selten: Sie sitzen nie am Frühstückstisch oder helfen beim Abwasch. Als Conny Johler nach dem Arbeitstag ihren Esel in der Küche trifft, ist sie überrascht, aber nicht verwundert: «Esel sind extrem intel-ligent, sie verstehen Zusammenhän-ge. Wenn also im Schloss ein Schlüs-sel steckt, dann drehen sie ihn um, machen die Tür auf und gehen rein», sagt die Eselhalterin. Natürlich sei das von Tier zu Tier anders, aber viel im Köpfchen hätten sie alle.Zusammen mit ihrem Mann Stephan hält Conny Johler in Thurgau am Bi-chelsee elf Esel, zwei von ihnen - Mara und Cindy – brachten sie am Samstag nach Malbun. Zum ersten Mal nahmen sie am Eselfest teil – und die dreijährige Cindy holte gleich den Sieg. Mara landete beim Parcours eher im Mittelfeld. Vor drei Jahren kauften sich die Joh-lers die beiden Eselstuten, zwei Schwestern. Cindy ist dabei eine Draufgängerin, Mara sehr scheu und vorsichtig. «Wir Menschen erkunden die Umgebung auf vielerlei Weise, sogar Klettern oder Kriechen geht. Die Esel können nur tasten, sie brau-

chen länger als wir, um etwas zu stu-dieren», erklärt Stephan. Deswegen sei die Geduld bei Eseln das Wich-tigste.

Geduld öffnet EselherzenDer Volksmund nennt die Esel stur, ihre Halter widersprechen entschie-den. «Esel reagieren auf Druck im-mer mit Gegendruck und lassen sich zu nichts zwingen. Mit Spass machen sie aber alles mit», erklärt Stephan Johler. Viel Lob hilft, bei starkem Zug oder Peitschenschlägen macht ein Esel dagegen keinen Schritt. Dass Geduld die Eselherzen öffnet, weiss auch Normann Bühler aus Triesenberg. Seit 18 Jahren ist er

beim Eselfest in Malbun dabei und hat das diesjährige organisiert. Ins-gesamt gingen beim Wettbewerb 25 Esel an den Start, manche galop-pierten, manche nahmen sich rich-tig Zeit. «Jedes Pferd ist ein Flucht-tier, anders der Esel: Er ist ruhig, gemütlich. Er überlegt, bevor er was tut», erklärt Bühler. Der Landwirt züchtet die Tiere seit 22 Jahren und schätzt sehr, dass sie pf legeleicht sind: «Die Esel fressen auch schlech-teres Gras und weiden selbst auf steilen Hängen.» Heu oder Stroh rei-chen ihnen, stimmt auch Conny Joh-ler zu. «Esel stammen aus der Wüs-te, da kommen sie sogar mit kärge-rem Futter aus.»

Wer Natur mag und oft ins Grüne möchte, für den sei ein pflegeleich-ter Esel das Richtige. «Früher fuh-ren wir mit dem Fahrrad in die Feri-en, jetzt gehen wir mit den Eseln wandern», sagen Conny und Ste-phan Johler. Esel «entschleunigen» den Lebensstil und werden mit ih-rem Halter ein Herz und eine Seele. «Der Esel kann ausserdem gut zuhö-ren. Dem kannst du alles erzählen. Er sagt bloss immer dasselbe – ‹Iii-aa›», fügt Normann Bühler lächelnd hinzu. «Esel widerspiegeln den Men-schen, der sie hält», sagt Stephan Johler. Vertrauen Tier und Mensch einander, sei auf den Esel immer Verlass. Das hat die quirlige Cindy

auch hier in Malbun bewiesen: Trotz ungewohnter Gegend bewältigte sie die Strecke in einer Minute. «Sie liebt eben den Rummel, die Strubbe-li.» Da kann Cindy nur nicken und – wie immer – die Ohren spitzen.

Über die AutorinPalina Milling, 26,

kommt aus Minsk

(Belarus) und ab-

solviert derzeit die

fünfte Internatio-

nale Sommeraka-

demie für Journa-

lismus und PR an

der Universität

Liechtenstein.

Stefan Johler und Esel-stute Cindy verbindet viel Vertrauen. (Foto: Palina Milling)

Je länger der Wettbewerb andauerte, desto durstiger wurden die Esel. Zahlreiche Menschen schauten beim Eselfest vorbei.

Etliche Hindernisse galt es samt Esel im Schlepptau zu bewältigen.

Schwerpunkt Alle Zeichen auf Esel

Stolze Sieger: Beim Hürdenlauf siegte Stefan Johler mit Esel «Cindy» (Mitte), den zweiten Platz holte Raphael Degen mit «Calimero» (rechts) und den dritten Rang sicherte sich Peter Beck mit «Atlas» (links).

Benjamin (Mitte) holte sich mit Esel «Speedy» den grossen Preis von Malbun. Hier posiert er mit Beisitzerin Diane Beck und Präsident Normann Bühler. (Fotos: Vollmar)