Keramische Membranen für die Filtration von Flüssigkeiten ... · negative Ionen / Molekülgruppen...

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1. Keramische Nanofiltrationsmembranen 1.1 Membranaufbau und Kenngrößen Wie bereits im ersten Teil dieses Beitrages beschrieben, liegt die Entwick- lung keramischer Mikro- und Ultrafiltra- tionsmembranen bereits mehrere Jahr- zehnte zurück, so dass die Verbesserungen und Optimierungen dieser Membranen primär in der Lösung von Detailfragen liegt, während der prinzipielle Her- stellungsprozess Stand der Technik ist. Mit Entwicklung und Markteinführung kera- mischer Nanofiltrationsmembranen mit einer Trenngrenze unter 1 kDa kam hingegen ein gänzlich neuer Produktzweig keramischer Membranen auf den Markt, der sich in mehreren Belangen von keramischen Mikro- und Ultrafiltrations- membranen unterscheidet. Keramische Nanofiltrationsmembranen sind – wie auch keramische Mikro- und Ultrafiltra- tionsmembranen – in Schichten aufgebaut, d.h. auf einen sehr porösen Träger (genannt „Support“) werden in mehreren Arbeitsschritten trennaktive Membran- schichten aufgebracht, wobei diese Schichten mit jedem Arbeitsschritt eine feinere Trenngrenze besitzen, so dass am Ende des Fertigungsprozesses die feinste Membranschicht die auch die Trenngrenze des keramischen Membran- rohres definiert – aufgebracht wird und diese auch jene Schicht darstellt, die im Betrieb vom Zulaufmedium angeströmt wird. Ein exemplarischer Aufbau wurde bereits in Abb. 6 des ersten Teils dieses Beitrages gezeigt. Es liegt auf der Hand, dass eine maximale Membranpermeabilität anzu- streben ist, ohne hierbei an Selektivität zu verlieren und ohne hierbei auf Fertigungs- verfahren zurückgreifen zu müssen, die aus Kostengründen einen Kommerziali- sierung unmöglich machen würden. Hinsichtlich der Membranpermeabilität L erhält man mit dem Gesetz von Hagen- Poiseuille für eine poröse Struktur: Darin sind p die Porosität der Membran, dp der Porendurchmesser, η die dynamische Viskosität des Mediums und x die Membrandicke. Bereits hier wird eine wesentliche Problematik sichtbar, mit der man bei zunehmend kleineren Poren- größen konfrontiert ist. Da die Porengröße quadratisch in die Permeabilität der Membran eingeht, bedeutet eine zu- nehmende Verkleinerung der Poren einen überproportionalen Verlust an Permea- bilität, dem man entgegenwirken muss: Als mögliche Stellgrößen bleiben hierbei die Porosität und die Dicke der Membran- schicht, d.h. es wird stets eine Membran- schicht anzustreben sein, die möglichst dünn ist und eine möglichst hohe Porosität besitzt. Leider geht mit zunehmender Porosität ein Verlust der chemischen Beständigkeit einher, da eine zunehmende Porosität eine Oberflächenvergrößerung bedeutet, welche entsprechenden Chemi- kalien eine größere Angriffsfläche bietet. Diesem Umstand wiederum kann nur durch möglichst reine Ausgangsmateria- lien und sauberste Fertigungsbedingungen entgegengewirkt werden. Neben dem Aufbringen zusätzlicher Membranschich- ten sind es jene Anforderungen an die Sauberkeit im Fertigungsprozess und die Reinheit der Ausgangsmaterialien, die auf die Kostenstruktur keramischer Nano- filtrationsmembranen den wesentlichen Einfluss darstellen. In der Praxis bedeutet das Gesetz von Hagen-Poiseuille zum Beispiel auch, dass die Membranschicht möglichst dünn sein sollte, aber immer noch mechanisch fest genug, um auf- tretenden Kräften – zum Beispiel durch Anströmung feststoffbelasteter Zulaufme- dien – zu widerstehen. Gleichzeitig lässt sich aus dem Gesetz von Hagen-Poiseuille auch erkennen, dass der hydraulische Widerstand des keramischen Supportes eine untergeordnete Rolle spielt, da dessen Porengröße in Abhängigkeit von Material und Herstellungsprozess üblicherweise im Bereich 3 – 5 μm liegt, während die Porengrößen keramischer Mikrofiltrationsmembranen in etwa im Bereich 100 – 800 nm liegen und die Porengrößen keramischer Nanofiltrations- membranen bis kleiner 1 nm sein können. 1.2 Fertigung keramischer Nanofiltrationsmembranen Die Supporte keramischer Nanofiltra- tionsmembranen werden – wie auch die Supporte keramischer Mikro- und Ultra- filtrationsmembranen – extrudiert, um die rohrförmige Geometrie zu realisieren. Als Material kommen hierbei verschiedene Oxidkeramiken zum Einsatz, welche jeweils aufgrund ihrer physikalischen und chemischen Eigenschaften für ent- sprechende Anwendungen von Vor- oder Nachteil sind. Typische Materialien sind zum Beispiel Aluminiumoxid (Al2O3), Titanoxid (TiO 2 ) und Zirkonoxid (ZrO 2 ), wobei Aluminiumoxid hier nahezu ausschließlich als α-Al 2 O 3 eingesetzt wird, da γ-Al2O3 bei den Temperaturen, bei denen die entsprechenden Membran- schichten eingebrannt werden, nicht stabil ist. Die Beeinflussung der Porengröße keramischer Supporte ist Gegenstand einer Vielzahl von Veröffentlichungen und soll daher an dieser Stelle nicht in der Tiefe Schwerpunktthemen 292 F & S Filtrieren und Separieren Jahrgang 27 (2013) Nr. 5 Keramische Membranen für die Filtration von Flüssigkeiten: Eine Bestandsaufnahme Teil 2: Stofftransport und Ausblicke St. Duscher * Durch die kontinuierliche Verbesserung keramischer Membranen und die Entwicklung keramischer Nanofiltrations- membranen konnte deren Anwendungsspektrum stetig erweitert werden. Insbesondere durch die Erfindung der keramischen Nanofiltrationsmembran musste auch ein Modell definiert werden, welches den Stofftransport in diesen Membranen beschreibt. Eine weitere Herausforderung, die auch zukünftig bestehen wird, ist neben der Fertigung von keramischen Nanofiltrationsmembranen mit Trenngrenzen ähnlich deren von polymeren Nanofiltrationsmembranen auch die optimale Konfiguration der keramischen Membran im Zusammenspiel mit anderen (Membran-)Trennverfahren. * Dipl.-Ing. Stefan Duscher Vertriebsleiter, Inopor GmbH Industriestrasse 1 98669 Veilsdorf

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1. KeramischeNanofiltrationsmembranen

1.1 Membranaufbau undKenngrößen

Wie bereits im ersten Teil diesesBeitrages beschrieben, liegt die Ent wick -lung keramischer Mikro- und Ultrafiltra -tionsmembranen bereits mehrere Jahr -zehnte zurück, so dass die Verbesserungenund Optimierungen dieser Membranenprimär in der Lösung von Detailfragenliegt, während der prinzipielle Her -stellungs prozess Stand der Technik ist. MitEntwicklung und Markteinführung kera -mischer Nanofiltrationsmembranen miteiner Trenngrenze unter 1 kDa kamhingegen ein gänzlich neuer Produktzweigkeramischer Membranen auf den Markt,der sich in mehreren Belangen vonkeramischen Mikro- und Ultrafiltrations -membranen unterscheidet. KeramischeNanofiltrationsmembranen sind – wieauch keramische Mikro- und Ultra filtra -tions membranen – in Schichten aufgebaut,d.h. auf einen sehr porösen Träger(genannt „Support“) werden in mehrerenArbeitsschritten trennaktive Membran -schichten aufgebracht, wobei dieseSchich ten mit jedem Arbeitsschritt einefeinere Trenngrenze besitzen, so dass amEnde des Fertigungsprozesses die feinsteMembranschicht – die auch dieTrenngrenze des keramischen Mem bran -rohres definiert – aufgebracht wird unddiese auch jene Schicht darstellt, die imBetrieb vom Zulaufmedium angeströmtwird. Ein exemplarischer Aufbau wurdebereits in Abb. 6 des ersten Teils diesesBeitrages gezeigt.

Es liegt auf der Hand, dass einemaximale Membranpermeabilität anzu -streben ist, ohne hierbei an Selektivität zuverlieren und ohne hierbei auf Fertigungs -verfahren zurückgreifen zu müssen, dieaus Kostengründen einen Kommerziali -sierung unmöglich machen würden.Hinsichtlich der Mem branpermea bilität Lerhält man mit dem Gesetz von Hagen-Poiseuille für eine poröse Struktur:

Darin sind ∈p die Porosität derMembran, dp der Porendurchmesser, η diedynamische Viskosität des Mediums und xdie Membrandicke. Bereits hier wird einewesentliche Problematik sichtbar, mit derman bei zunehmend kleineren Poren -größen konfrontiert ist. Da die Porengrößequadratisch in die Permeabilität derMembran eingeht, bedeutet eine zu -nehmende Verkleinerung der Poren einenüberproportionalen Verlust an Permea -bilität, dem man entgegenwirken muss:Als mögliche Stellgrößen bleiben hierbeidie Porosität und die Dicke der Mem bran -schicht, d.h. es wird stets eine Membran -schicht anzustreben sein, die möglichstdünn ist und eine möglichst hohe Porositätbesitzt. Leider geht mit zunehmenderPorosität ein Verlust der chemischenBeständigkeit einher, da eine zunehmendePorosität eine Oberflächenvergrößerungbedeutet, welche entsprechenden Chemi -kalien eine größere Angriffsfläche bietet.Diesem Umstand wiederum kann nurdurch möglichst reine Ausgangs materia -lien und sauberste Fertigungs bedingungenentgegengewirkt werden. Neben demAufbringen zusätzlicher Membran schich -ten sind es jene Anforderungen an dieSauberkeit im Fertigungsprozess und dieReinheit der Ausgangsmaterialien, die aufdie Kostenstruktur keramischer Nano -filtrations membranen den wesentlichen

Einfluss darstellen. In der Praxis bedeutetdas Gesetz von Hagen-Poiseuille zumBeispiel auch, dass die Membranschichtmöglichst dünn sein sollte, aber immernoch mechanisch fest genug, um auf -treten den Kräften – zum Beispiel durchAnströmung feststoffbelasteter Zulauf me -dien – zu widerstehen. Gleichzeitig lässtsich aus dem Gesetz von Hagen-Poiseuilleauch erkennen, dass der hydraulischeWiderstand des keramischen Supporteseine untergeordnete Rolle spielt, da dessenPorengröße – in Abhängigkeit vonMaterial und Herstellungsprozess –üblicherweise im Bereich 3 – 5 μm liegt,während die Porengrößen keramischerMikrofiltrationsmembranen in etwa imBereich 100 – 800 nm liegen und diePorengrößen keramischer Nanofiltrations -membranen bis kleiner 1 nm sein können.

1.2 Fertigung keramischerNanofiltrationsmembranen

Die Supporte keramischer Nano filtra -tions membranen werden – wie auch dieSupporte keramischer Mikro- und Ultra -filtrationsmembranen – extrudiert, um dierohrförmige Geometrie zu realisieren. AlsMaterial kommen hierbei verschiedeneOxidkeramiken zum Einsatz, welchejeweils aufgrund ihrer physikalischen undchemischen Eigenschaften für ent -sprechende Anwendungen von Vor- oderNachteil sind. Typische Materialien sindzum Beispiel Aluminiumoxid (Al2O3),Titanoxid (TiO2) und Zirkonoxid (ZrO2),wobei Aluminiumoxid hier nahezuausschließlich als α-Al2O3 eingesetzt wird,da γ-Al2O3 bei den Temperaturen, beidenen die entsprechenden Membran -schichten eingebrannt werden, nicht stabilist. Die Beeinflussung der Porengrößekeramischer Supporte ist Gegenstand einerVielzahl von Veröffentlichungen und solldaher an dieser Stelle nicht in der Tiefe

Schwerpunktthemen

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Keramische Membranen für die Filtration von Flüssigkeiten: Eine BestandsaufnahmeTeil 2: Stofftransport und AusblickeSt. Duscher*

Durch die kontinuierliche Verbesserung keramischer Membranen und die Entwicklung keramischer Nanofiltrations -membranen konnte deren Anwendungsspektrum stetig erweitert werden. Insbesondere durch die Erfindung derkeramischen Nanofiltrationsmembran musste auch ein Modell definiert werden, welches den Stofftransport in diesenMembranen beschreibt. Eine weitere Herausforderung, die auch zukünftig bestehen wird, ist neben der Fertigung vonkeramischen Nanofiltrationsmembranen mit Trenngrenzen ähnlich deren von polymeren Nanofiltrationsmembranenauch die optimale Konfiguration der keramischen Membran im Zusammenspiel mit anderen (Membran-)Trennverfahren.

* Dipl.-Ing. Stefan DuscherVertriebsleiter, Inopor GmbHIndustriestrasse 198669 Veilsdorf

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erörtert werden. Typischerweise kann die Porengröße keramischerSupporte durch Beimengen von Hilfsstoffen beeinflusst werden,welche beim Brennvorgang verbrennen und dann entsprechendePoren in der Matrix zurücklassen. Ein typisches Hilfsmittel hierfürist Stärke, wobei auch hier in Abhängigkeit von der Stärke diePorengröße variiert: Während mit Kartoffelstärke Porengrößen bis50 μm erreicht werden können, liegen die Porengröße beim Einsatzvon Weizenstärke im Bereich von 20 μm und bei Reisstärke imBereich 15 μm. Darüber hinaus kommt auch der Brenntemperaturund Brenndauer eine entscheidende Rolle zu: Während zu kurzesBrennen oder Brennen bei zu niedriger Temperatur einemangelhafte Ausbildung der keramischen Struktur und somit einemangelhafte mechanische Festigkeit zur Folge hat, bewirkt einÜberzeiten oder Überhitzen den Verlust an Porosität und Anzahlder Poren.

Während keramische Mikro- und Ultrafiltrationsmembranenüblicherweise mit einem Schlickerverfahren schichtweiseaufgebracht und eingebrannt werden, können Porengrößen, wie siedie Nanofiltration erfordert, mit diesen Verfahren nicht mehrdargestellt werden. Hier greift man auf ein Sol-Gel-Verfahrenzurück, bei dem entweder ein grobporöser Träger oder einzunächst mit einer Ultrafiltrationsmembran vorbeschichtete Trägermit einem flüssigen Sol beschichtet wird. Dieses Verfahren – inVerbindung mit polymeren Solen – wurde besonders durchPuhlfürß et al. forciert und dahingehend optimiert, dass es überLabormaßstäbe hinaus eingesetzt werden kann /1/. DieBeschichtung des Trägers kann auf verschiedene Weise erfolgen,zum Beispiel mittels Spray-Coating (Aufsprühen) oder Dip-Coating (Eintauchen), wobei Spray-Coating primär für ebeneStrukturen geeignet ist und für den Einsatz bei einer rohrförmigenGeometrie daher entfällt. Das flüssige Gel wird bei Überschreitendes Gelpunktes in ein festes Gel überführt. Generell gibt es beidiesem Sol-Gel-Verfahren zwei verschiedene Methoden, die sichin der Art des Sols unterscheiden. Der überwiegende Teil der aufdem Markt erhältlichen keramischen Membranen, die mittels Sol-Gel-Verfahren hergestellt werden, werden mittels eines kolloidalenSols hergestellt, bei dem ein Metallalkoholat in einer Umgebungmit Wasserüberschuss hydrolysiert wird; es bilden sich hierbeidann nanodisperse Partikel, die sich mit entsprechendenElektrolyten peptisieren lassen. Diese wässrigen Suspensionen –welche entweder aus kolloidalen oder wässrigen Solen bestehen –werden mit entsprechenden Stoffen versetzt, die eine mechanischeBindung auf der Oberfläche realisieren und dann direkt auf einengrobporösen Träger aufgebracht werden. Die Einstellung derPorengröße erfolgt bei der Hydrolyse, indem man die Temperaturund Konzentration entsprechend variiert.

Da mit einem kolloidalen Sol keine Poren kleiner als 2 nmdargestellt werden können, werden diese Porengrößen mittelseinem Sol-Gel-Verfahren mit einem polymeren Sol realisiert.Hierbei können Porengrößen bis hinab zu 0,9 nm dargestelltwerden. Das Verfahren zeichnet sich dadurch aus, dass mit eineralkoholischen Lösung gearbeitet wird, bei der durch Zugabe vonWasser eine partielle Hydrolyse der Metallalkoholate ausgelöstwird, wobei die Metallalkoholate dann in der Lösungpolykondensieren. Ist die Verdünnung entsprechend, bleiben diesich bildenden Oligomere in Lösung und gelieren erst beimAufbringen auf den Membranträger, da es hier durchKapillarkräfte zu einer Saugwirkung kommt. Mit diesem Verfahrenkönnen keramische Nanofiltrationsmembranen aus Titandioxidhergestellt werden, deren Trenngrenze in wässrigen Medien bei450 Dalton liegt.

Neben keramischen Nanofiltrationsmembranen aus TiO2

wurden von van Gestel /2/ keramische Nanofiltrationsmembranenauf Basis ZrO2 / TiO2 mit einer Trenngrenze von ca. 300 Daltonrealisiert; hierzu wurde das tetragonale Zirkonoxid mit Yttrium

stabilisiert. Agoudil et al. /3/ haben keramische Nano filtrations -membranen aus einer Mischung von ZrO2 und SiO2 realisiert,indem Tetraethoxysilane (Si(C2H5O)4) und Zirkon-Tetrapropoxide(Zr(C3H7O)4) verwendet wurden; durch Zugabe von SiO2 konntedie Umwandlungstemperatur von Zirkonoxid aus der tetragonalenin die monokline Phase zu höheren Temperaturen hin verschobenwerden.

Generell sind derzeit auf dem Markt verschiedene Material- undFertigungsansätze bei keramischen Nanofiltrationsmembranen zufinden, bei denen sich entsprechende Vor- und Nachteile ergeben;so erlaubt das System SiO2 eine gute Kontrolle der Porengröße imFertigungsprozess, besitzt aber bei neutralen und alkalischen pH-Werten nachteilige Eigenschaften in der Beständigkeit. DasSystem γ-Aluminiumoxid hingegen ist bei niedrigen pH-Werten(pH < 2) nur bedingt stabil, während die Systeme ZrO2 und TiO2

über den ganzen pH-Wert-Bereich eine gute bis akzeptableBeständigkeit besitzen.

2. Oberflächenladung bei keramischen Membranen

Neben der Porengröße spielt die Oberflächenladung beikeramischen Membranen eine wichtige Rolle. Generell kann sichdie Oberflächenladung bei keramischen Membranen aufgrundverschiedener Mechanismen ausbilden:- Herauslösen / Aufnahme von Ionen in die / aus der umgebenden

Flüssigkeit- Dissoziation von Molekülgruppen an der Oberfläche- Adsorption von Ionen / Elektrolyten an der Oberfläche

Da keramische Membranen in der Regel amphoteres Verhaltenbesitzen, können sie in Abhängigkeit vom pH-Wert positive oder

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FILTECH, Halle 5, Stand P3-1

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negative Ionen / Molekülgruppen auf -nehmen bzw. abgeben. Während kera -mische Membranen bei niedrigen pH-Werten ein positives elektrisches Potentialaufweisen, ist es bei hohen pH-Wertennegativ. Dieses elektrische Potential wird„Zeta-Potential“ genannt und kann mittelsentsprechender Messzellen und Elektro -den gemessen werden. Der Punkt, bei demdas elektrische Potential gleich Null ist,wird isoelektrischer Punkt ge nannt.Typische Werte für Oxidkeramiken hierzusind in Tabelle 1 aufgeführt.

In Abhängigkeit vom pH-Wert des zufiltrierenden Mediums und des iso elek -trischen Punktes des verwendeten Mem -branmaterials wird auch der Rückhalt derMembran beeinflusst, wobei generell zusagen ist, dass der Rückhalt in der Nähedes isoelektrischen Punktes schlechter ist,da sich die Abstoßungs- oder Anziehungs -effekte, welche sonst den Trennprozesspositiv beeinflussen können, aufheben.Abb. 1 zeigt, wie sich der Rückhalt einerkeramischen Nanofiltrationsmembran miteiner Porengröße von 0,9 nm aus TiO2 inAbhängigkeit von Druck und pH-Wertverändern.

3. Stofftransport durchkeramische Nanofiltrations -membranenEin wesentlicher Unterschied zwischen

keramischen und polymeren Nano filtra -tions membranen ist, dass selbst diekeramische Nanofiltrationsmembran – wieauch die Mikro- und Ultrafiltra tions -membranen – eine Porenmembran ist,während es sich bei Polymermembranenum dichte Membranen handelt. Somitkann das Lösungs-Diffusions-Modell, dasbei dichten Diffusionsmembranen zumEinsatz kommt, nicht auf keramischeNanofiltrationsmembranen übertragenwerden. Nach dem Lösungs-Diffusions-Modell ergibt sich unter anderem, dass mitsteigendem Wasserfluss bzw. Druck, derRückhalt steigt und sich theoretisch einemWert von 100% nähert. Dies liegt daran,dass der rückdiffusive Anteil mit steigen -dem Wasserfluss zunehmend wenigerEinfluss auf die Verschlechterung des

Permeats hat; folglich ist es nicht ratsam,Anlagen mit polymeren Wickelmodulenbei zu niedrigem Druck zu betreiben, dadie Permeatqualität merklich zurückgeht.Je höher der Anteil der abzutrennendenInhaltsstoffe, desto deutlicher ist dieserEffekt zu erkennen.

Bei keramischen Nanofiltrations mem -branen kann der Stofftransport hingegenmit der erweiterten Nernst-Planck-Gleichung nach Dresner für die Praxishinreichend gut beschrieben werden. DieErweiterung der Nernst-Planck-Gleichungdurch Dresner besteht darin, dass er nebenden gelösten Stoffen und dem Lösungs -mittel auch die Membran und derenMaterial in die thermodynamischeBetrachtung mit einbezog. Hierzu führteDresner einen Wechselwirkungsparameterβ ein /4/. Der flächenbezogene molareTransport einer Komponente j setzt sichnach Dresner aus folgenden Termenzusammen:Konvektiver Transport:

Diffusiver Transport:

Elektromigrativer Transport:

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Abb. 1: Rückhalt einer keramischen NF-Membran in Abhängigkeit von Druck und pH-Wert

Abb. 3: Bornitrit-Schwämme beim Aufsaugenvon Öl aus Wasser

Abb. 2: Rückhalt einer verbesserten NF-Membran Fa. Inopor GmbH

Tabelle 1: Isoelektrische Punkteverschiedener Oxidkeramiken

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Somit ergibt sich für den flächen be zogenen molaren Transporteiner Kom ponente die folgende Gleichung:

.Hierbei ist c(j,M) die Konzentration der Komponente j in derMembran, vW ist die Geschwindigkeit des Wassers, D(j,M) ist derDiffusionskoeffizient der Komponente j in der Membran, zj ist dieIonenwertigkeit der Komponente j, F ist die Faraday-Konstanteund ist die wegabhängige Änderung des Membranpotentials.

Die Einführung des Wechselwirkungsparameters β verändert den konvektiven Term dahingehend, dass Wechselwirkungen mit denFestionen in der Matrix der Membran berücksichtigt werdenkönnen, vergleichbar mit den Wechselwirkungen von Festionen inder Matrix einer Ionenaustauschermembran. Insbesondere wirdmit diesem Parameter berücksichtigt, dass der konvektiveIonentransport nicht zwingend mit der Geschwindigkeit deskonvektiven Transportes des Wassers erfolgt. Dresner sieht denParameter β sowie den Diffusionskoeffizienten des Wassers alsunabhängig von der Konzentration an. Versuche bei höherenDrücken und Konzentrationen haben gezeigt, dass dieUnabhängigkeit von der Konzentration dann nicht mehr gänzlichgegeben ist, für niedrige und mittlere Konzentrationen hat sich dieGleichung noch Dresner jedoch als sehr zutreffend erwiesen.Insbesondere gilt auch bei keramischen Nanofiltrations mem -branen, dass ein zu niedriger Druck und somit ein zu niedrigerWasserfluss sich negativ auf die Permeatqualität auswirken.

4. Die Zukunft keramischer Nanofiltrationsmembranen

Wie bereits beschrieben, können keramische Nanofiltrations -membranen mit einer Trenngrenze von 450 Dalton prozesssicherhergestellt werden; in Labor- und Prototypenmaßstäben konntenauch bereits Membranen mit deutlich niedrigerer Trenngrenzerealisiert werden. Eine wesentliche Herausforderung wird in naherZukunft darin liegen, auch diese Membranen mit einerTrenngrenze von 300 Dalton oder geringer prozesssicher und inRohrgeometrie darzustellen.

Abb. 2 zeigt exemplarisch die Rückhaltecharakteristik einesMembranprototypen der Firma Inopor GmbH, bei dem gezielt dasMembranpotential verändert wurde, indem versucht wurde,elektrochemische Mechanismen aus Ionentauschern mit modi -fizierten keramischen Membranen abzubilden. Hierbei konnte beigleichbleibender Porosität und gleichbleibendem Fluss eine Trenn -grenze von kleiner 300 Dalton realisiert werden, wobei derzeit dieLangzeitstabilität dieser Membran noch nicht gegeben ist.

Alternativ zur Optimierung keramischer Membranen wird derVerbund von keramischen und polymeren Membranen sicherlichbereits in naher Zukunft an Bedeutung gewinnen, da hier dieVorteile beider Membrantypen in einem Produkt kombiniertwerden können. Im Idealfall wäre eine keramische Nano -filtrationsmembran denkbar, auf der sich fest verbunden einepolymere Umkehrosmosemembran befindet. Trotz intensiverForschungen auf diesem Gebiet – insbesondere in den USA – sindhierzu derzeit nur Prototypen im Labormaßstab verfügbar.

Neben der Optimierung und Verbesserung der keramischenMembranen als isoliert betrachtetes Produkt wird auch immermehr die möglichst optimale Platzierung und Kombinationentsprechender Produkte in immer komplexer werdenden Prozess-und Produktionsketten an Bedeutung gewinnen. Dies setzt bei derAuslegung und Umsetzung eines Prozesses voraus, dassKenntnisse über verschiedenste Verfahren und Produkte vorhandensind, um daraus das optimale Verfahren mit den bestmöglichgeeigneten Membranen auszuwählen. Exemplarisch sei hierzuerwähnt, dass die Inopor GmbH bei einer fermentativ erzeugtenEssigsäure mehrere Verfahren so kombinieren konnte, dass die

Essigsäure zunächst aufgereinigt und dann mittels eines speziellenMembranprozesses auf eine Konzentration von 30-32% auf -konzen triert werden konnte.

Ein weiteres Beispiel für produktübergreifende Verfahrens -kombination ist die Kombination von keramischen Membranen inder Öl-Wasser-Trennung und der anschließenden Behandlung desPermeates auf eventuelle Restölgehalte. Eines der derzeitinnovativsten Verfahren hierzu ist die Kombination von kera mi -schen Nanofiltrationsmembranen und Bornitrit-Schwämmen,welches derzeit für Anwendungen aus dem Bereich der Pharmazieintensiv untersucht wird. Abb. 3 zeigt, wie Bornitrit-Schwämmeaufgrund ihrer ausgeprägten Hydrophobie Öl in Wasser regelrechtaufsaugen. In Abhängigkeit vom Prozess können die mit Ölbefüllten Bornitrit-Schwämme thermisch freigebrannt werden oderdas Öl chemisch aus dem Schwamm herausgelöst werden.

Literaturangaben:/1/ P. Puhlfürß, A. Voigt, R. Weber, M. Morbé: Microporous TiO2 membranes with a cut-off< 500 Da. Journal of Membrane Science 174 (2000), Nr. 1, Seite 123 – 133/2/ T. van Gestel, H. Kruidhof, D. H.A. Blank, H. J.M. Bouwmeester: ZrO2 and TiO2membranes for nanofiltration and pervaporation: Part 1. Preparation and characterization of acorrosion-resistant ZrO2 nanofiltration membrane with a MWCO < 300. Journal ofMembrane Science 284 (2006) , Nr. 1–2, Seite 128-136/3/N. Agoudjil, N. Benmouhoub, A. Larbot: Synthesis and characterization of inorganicmembranes and applications. Desalination 184 (2005), Nr. 1-2, Seite 65 - 69/4/ L. Dresner: Some remarks on the integration of the extended Nernst-Planck-Equations inthe hyperfiltration of multicomponent solutions. Desalination 10 (1972), Nr. 1, Seite 27 - 46

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