Keraunia (Beiträge zu Mythos, Kult und Heiligtum in der Antike) || Marmorkugeln für Artemis....

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Marmorkugeln für Artemis. Überlegungen zu einem außergewöhnlichen Votivtypus aus dem Artemision von Sardeis Helga Bumke Am südwestlichen Rand der weitläufigen Stadt Sardeis liegt das Heiligtum der Artemis 1 , dessen Anfänge in das 6. Jh. v. Chr. zurückreichen (Taf. 19, 1). Zunächst gab es allerdings lediglich einen Altar 2 , bis dieser im 3. Jh. v. Chr. – wahr- scheinlich unter den Seleukiden (nach 281 v. Chr.) – erneuert und ein monu- mentaler Tempel errichtet wurde (Taf. 19, 2) 3 . Obwohl das Artemisheiligtum Abbildungsnachweis: Taf. 19, 1: nach DNP XI (2001) 55 f. s. v. Sardeis (H. Kaletsch). – Taf. 19, 2: nach G. M. A. Hanfmann – J. C. Waldbaum (Hrsg.), A Survey of Sardis and the Major Monuments Outside the City Walls (Cambridge, Mass. 1975) Abb. 124 c. – Taf. 19, 3: nach H. C. Butler, Architecture I: The Temple of Artemis, Atlas of Plates, Sardis 2 (Leyden 1925) Taf. 1. – Taf. 20, 1: nach W. H. Buckler – D. M. Robinson, Greek and Latin Inscriptions, Sardis 7 (Leyden 1932) Taf. 13, 86. 93. – Taf. 20, 2: nach H. C. Butler, The Excavations I: 1910–1914, Sardis 1 (Leyden 1922) 41 Abb. 26. – Taf. 20, 3: nach E. Künzl, Himmelsgloben & Sternkarten (Stuttgart 2005) 84 Abb. 7, 8 (Photo P. Liverani). – Taf. 21, 1: nach R. Fleischer, Artemis von Ephesos und verwandte Kultstatuen aus Anatolien und Syrien, EPRO 35 (Leiden 1973) Taf. 24. – Taf. 21, 2: nach S. Karwiese, Artemis Ephe- sia »Sebasteia«: Ein Entzifferungsbeitrag, in: P. Scherrer – H. Taeuber – H. Thür (Hrsg.), Steine und Wege. Festschrift für Dieter Knibbe (Wien 1999) 63 Abb. 2. – Taf. 21, 3: nach C. Reinsberg, Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben, ASR 1, 3 (Berlin 2006) Taf. 9, 3. – Taf. 22, 1: nach N. Fıratlı, Les stèles funéraires de Byzance gréco-romaine (Paris 1964) Taf. 8. – Taf. 22, 2: nach R. Amedick, Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben, ASR 1, 4 (Berlin 1991) Taf. 77, 1. 1 Vgl. den topographischen Übersichtsplan in: DNP XI (2001) 55 f. s. v. Sardeis (H. Kaletsch), hier Taf. 19, 1. 2 Zur Datierung in das Ende des 6. Jhs. v. Chr. vgl. G. M. A. Hanfmann – K. J. Frazer in: G. M. A Hanfmann – J. C. Waldbaum (Hrsg.), A Survey of Sardis and the Major Monuments Outside the City Walls (Cambridge, Mass. 1975) 94 f. 103 mit Abb. 124. 125. 181. 3 Die Datierung des Baubeginns stützt sich im Wesentlichen auf die stilistische Ein- ordnung der ältesten Kapitelle, die von G. Gruben, Beobachtungen zum Artemis- Tempel von Sardis, AM 76, 1961, 172. 179–181. 192 f. um 300 v. Chr. datiert werden, und Überlegungen zur historischen Situation von Sardeis, während strati- graphische Beobachtungen offenbar keine Bedeutung haben. Für die Eingrenzung der Bauzeit spielen darüber hinaus noch epigraphische Zeugnisse eine Rolle, vgl. P. R. Franke, Inschriftliche und numismatische Zeugnisse für die Chronologie des Artemis-Tempels zu Sardis, AM 76, 1961, 197–201. Brought to you by | Heinrich Heine Universität Düsseldorf Authenticated | 134.99.128.41 Download Date | 12/18/13 7:38 PM

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  • Marmorkugeln fr Artemis. berlegungen zu einem auergewhnlichen Votivtypus

    aus dem Artemision von Sardeis

    Helga Bumke

    Am sdwestlichen Rand der weitlufigen Stadt Sardeis liegt das Heiligtum der Artemis1, dessen Anfnge in das 6. Jh. v. Chr. zurckreichen (Taf. 19, 1). Zunchst gab es allerdings lediglich einen Altar2, bis dieser im 3. Jh. v. Chr. wahr-scheinlich unter den Seleukiden (nach 281 v. Chr.) erneuert und ein monu-mentaler Tempel errichtet wurde (Taf. 19, 2)3. Obwohl das Artemisheiligtum

    Abbildungsnachweis: Taf. 19, 1: nach DNP XI (2001) 55 f. s. v. Sardeis (H. Kaletsch). Taf. 19, 2: nach G. M. A. Hanfmann J. C. Waldbaum (Hrsg.), A Survey of Sardis and the Major Monuments Outside the City Walls (Cambridge, Mass. 1975) Abb. 124 c. Taf. 19, 3: nach H. C. Butler, Architecture I: The Temple of Artemis, Atlas of Plates, Sardis 2 (Leyden 1925) Taf. 1. Taf. 20, 1: nach W. H. Buckler D. M. Robinson, Greek and Latin Inscriptions, Sardis 7 (Leyden 1932) Taf. 13, 86. 93. Taf. 20, 2: nach H. C. Butler, The Excavations I: 19101914, Sardis 1 (Leyden 1922) 41 Abb. 26. Taf. 20, 3: nach E.Knzl, Himmelsgloben & Sternkar ten (Stuttgart 2005) 84 Abb. 7, 8 (Photo P. Liverani). Taf. 21, 1: nach R.Fleischer, Artemis von Ephesos und verwandte Kultstatuen aus Anatolien und Syrien, EPRO 35 (Leiden 1973) Taf. 24. Taf. 21, 2: nach S.Karwiese, Artemis Ephe-sia Sebasteia: Ein Entzifferungsbeitrag, in: P.Scherrer H.Taeuber H.Thr (Hrsg.), Steine und Wege. Festschrift fr Dieter Knibbe (Wien 1999) 63 Abb. 2. Taf. 21, 3: nach C.Reinsberg, Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben, ASR 1, 3 (Berlin 2006) Taf. 9, 3. Taf. 22, 1: nach N.Fratl, Les stles funraires de Byzance grco-romaine (Paris 1964) Taf. 8. Taf. 22, 2: nach R.Amedick, Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben, ASR 1, 4 (Berlin 1991) Taf. 77, 1.

    1 Vgl. den topographischen bersichtsplan in: DNP XI (2001) 55 f. s. v. Sardeis (H. Kaletsch), hier Taf. 19, 1.

    2 Zur Datierung in das Ende des 6. Jhs. v. Chr. vgl. G. M. A. Hanfmann K. J. Frazer in: G. M. A Hanfmann J. C. Waldbaum (Hrsg.), A Survey of Sardis and the Major Monuments Outside the City Walls (Cambridge, Mass. 1975) 94 f. 103 mit Abb. 124. 125. 181.

    3 Die Datierung des Baubeginns sttzt sich im Wesentlichen auf die stilistische Ein-ordnung der ltesten Kapitelle, die von G.Gruben, Beobachtungen zum Arte mis-Tempel von Sardis, AM 76, 1961, 172. 179181. 192 f. um 300 v. Chr. datiert werden, und berlegungen zur historischen Situation von Sardeis, whrend strati-graphische Beob achtungen offenbar keine Bedeutung haben. Fr die Eingrenzung der Bauzeit spielen darber hinaus noch epigraphische Zeugnisse eine Rolle, vgl. P. R. Franke, Inschriftliche und numismatische Zeugnisse fr die Chronologie des Artemis-Tempels zu Sardis, AM 76, 1961, 197201.

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    also seit frhhellenistischer Zeit mit einem Tempel ausgestattet war, der zu den grten Kultbauten Kleinasiens gehrte, wird man unsere Kenntnisse ber die besondere Ausprgung der Gttin und ihres Kultes nur als gering erachten drfen. Whrend sich von den Kultanlagen und ihrer zeitlichen Abfolge noch eine hinreichende Vorstellung gewinnen lsst, fehlen fast gnzlich Informatio-nen ber die der Gttin dargebrachten Votive und somit wichtige Anhaltspunkte fr eine Rekonstruktion ihrer speziellen Wirkungsbereiche. Angesichts dieser Ausgangslage ist man umso berraschter, dass zu den wenigen bekannten Wei-hungen ein Votivtypus gehrt, der bislang einzigartig ist und den modernen Interpreten vor nicht unerhebliche Deutungsschwierig keiten stellt.

    Es handelt sich hierbei um insgesamt fnf Marmorkugeln mit Durchmes-sern zwischen 32 und 36 cm, die zu Beginn des letzten Jahrhunderts im Kult-bezirk der Artemis zutage kamen (Taf. 20, 1)4. Sie tragen alle Inschriften, die einmal Stratonike, Tochter des Demetrios, und viermal jeweils eine Artemis-priesterin nennen. Im Einzelnen lauten sie folgendermaen: auf Kugel 1 (Taf. 20, 1: b)5: [] [][] [Weihge-schenk?] der Stratonike, Tochter des Demetrios, des Sohnes des Antigonos , auf Kugel 26: [] Demokratia, Tochter des Demetrios, Priesterin , auf Kugel 37: [] , [ (?) ] [] [] [ -- Als Sokrates Pardalas, Sohn des Polemaios, Priester war, (stif-tete) Patrophila (?), Tochter des Menodoros, des Sohnes des Apollonios, Pries-terin der Artemis , auf Kugel 48: [ ] [] [.] , T[- -] [] [- -] [ -- Als Polemaios Kerasis, Sohn des theos [Priester war], (stiftete) T---, Tochter des [Herak]lei-des, Sohn des ---, [Priesterin] der Artemis --- und auf Kugel 5 (Taf. 20, 1: a)9:

    4 Vgl. W. H. Buckler D. M. Robinson, Greek and Latin Inscriptions, Sardis 7 (Ley-den 1932) 9196 Nr. 86; 9093 mit Taf. 13. Nach freundlicher Auskunft von Craw-ford Greenewalt Jr., dem ehemaligen Leiter der amerikanischen Ausgrabungen in Sardeis, sind vier der Kugeln verschollen, whrend von Kugel 5 nur noch zwei Frag-mente existieren.

    5 Kugel aus blulichem Marmor (Dm 36 cm); die Inschrift wird von einem groen Olivenzweig eingefasst: Buckler Robinson a. O. (Anm. 4) 91 f. Nr. 86 mit Abb. 73 Taf. 13.

    6 Kugel aus blulichem Marmor (Dm 32 cm), auf der Oberseite Spuren eines ein ge ritz-ten Oliven(?)kranzes, auf der Unterseite quadratische, 3,53,5 cm groe Vertiefung von 4 cm, Datierung: 175 bis 150 v. Chr.: Buckler Robinson a. O. (Anm. 4) 94 Nr. 90 mit Abb. 77: The inscription seems complete.

    7 Kugel aus blulichem Marmor (Dm 35 cm), auf der Oberseite eingeritzter Kranz, auf der Unterseite rechteckige (2 3 cm), 3 cm tiefe Aussparung; ca. 98 v. Chr.: Buckler Robinson a. O. (Anm. 4) 94 f. Nr. 91 mit Abb. 78.

    8 Kugel aus blulichem Marmor (Dm 32 cm), Oberflche stark abgerieben, keine Spuren von einem Kranz oder einer Aussparung, Datierung: wahrscheinlich nach 133 v. Chr.: Buckler Robinson a. O. (Anm. 4) 95 Nr. 92 mit Abb. 79.

    9 Marmorkugel (Dm 33,4 cm), auf der Oberseite ist sechsblttrige Rosette eingeritzt,

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  • Marmorkugeln fr Artemis 63

    [ ] , [ ] [] . [][][] -, [] [] [] [ .] Als Alexarchos, Sohn des Stratippos, Priester der Roma war, (stiftete) die Priesterin der Arte-mis, Moschion, Tochter des Diophantos, des Sohnes des Diophantos, zehn . Als Alexarchos Stephanephoros war, (stiftete) die Priesterin der Arte-mis, Moschion, Tochter des Diophantos, [zehn] . Auf drei Kugeln werden die Inschriften der Beschreibung zufolge von einem Olivenzweig be-gleitet, der sich ber oder unter ihnen um die Kugeln herumzuziehen scheint10. Eine weitere Kugel weist dagegen auf der Oberseite eine sechsblttrige Rosette im Kreis auf (Taf. 20, 1: a)11. Gem den Beschreibungen und den Photos ha-ben sie ansonsten sorgfltig geglttete Oberflchen und in drei Fllen auf der Unterseite quadratische oder rechteckige Vertiefungen, was darauf hindeutet, dass sie ursprnglich auf einem Sockel, einem Pfeiler oder einer Sule befestigt waren. Eine erhhte Aufstellung ist auch fr die brigen beiden Kugeln zu er-warten, war sie doch notwendig, um deren Inschriften lesen zu knnen.

    Aufgrund der Inschriften wurden alle fnf Kugeln in den Zeitraum vom zweiten Viertel des 2. Jhs. bis etwa zum Anfang des 1. Jhs. v. Chr. datiert. Wh-rend fr die zeitliche Stellung der Priesterinnen-Inschriften teilweise auch die genannten Amtstrger Anhaltspunkte liefern, fhrte im Fall der Stratonike der Schriftcharakter zu der Auffassung, dass diese in der ersten Hlfte des 2. Jhs. v. Chr. entstanden sein msse12. Aus dieser zeitlichen Einordnung resultieren allerdings erhebliche Interpretationsprobleme der Inschrift selbst lsst sich

    auf der Unterseite findet sich oblonge (53 cm), 3 cm tiefe Aussparung, Datierung: ca. 98 v. Chr.: Buckler Robinson a. O. (Anm. 4) 95 f. Nr. 93 mit Abb. 80. Taf. 13.

    10 Es handelt sich hierbei um Kugel 1, s. Buckler Robinson a. O. (Anm. 4) 91 mit Abb. 73 (on top is the inscription encircled by a wreath, 0.09 wide, in low relief), Kugel 2, s.Buckler Robinson a. O. (Anm. 4) 94 (on top, traces of an incised wreath similar to that on [Kugel 1]; the text is immediately below it) und Kugel 3, s.Buckler Ro-binson a. O. (Anm. 4) 94 (on top, incised wreath). Den Beschreibungen und Abbil-dungen ist leider nicht zweifelsfrei zu entnehmen, ob sich diese Zweige um die Kugeln ganz herumziehen und somit tatschlich als Krnze bezeichnet werden knnen. Zur Interpretation als Olivenkranz bzw. -zweig s.Buckler Robinson a. O. (Anm. 4) 92.

    11 Zu Kugel 5 s.Buckler Robinson a. O. (Anm. 4) 95 mit Taf. 13,93: on top, a six-pointed rosette incised in a circle 0,135 in diameter.

    12 Zu Kugel 2 s.Buckler Robinson a. O. (Anm. 4) 94 (The lettering, which resemb-les that of [Kugel 1], suggests that the date of the monument is about 175 to 150 B.C.); Kugel 3 wird aufgrund des genannten Sokrates um 98 v. Chr. datiert, vgl. Buckler Robinson a. O. (Anm. 4) 95; im Fall von Kugel 4 hat man erwogen, dass der genannte Polemaios Kerasis mit dem gleichnamigen Priester einer anderen sardi-schen Inschrift identisch sei, die zwischen 133 und 1 v. Chr. datiert wird, vgl. Buckler Robinson a. O. (Anm. 4) 95. 111 zu Nr. 116, Kugel 5 wird nach 98 v. Chr. datiert, da der genannte Alexarchos sowohl als Priester der Roma als auch als Stephan ephoros bezeichnet wird und die Praxis der Doppeldatierung in sardischen Inschriften erst um 98 v. Chr. einsetzt, vgl. Buckler Robinson a. O. (Anm. 4) 96.

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  • 64 Helga Bumke

    doch eine solche Datierung kaum mit der Lebenszeit der Tochter des Demet-rios Poliorketes und spteren Gattin von SeleukosI. (seit ca. 299 v. Chr.) und seines Sohnes AntiochosI. (seit 294/93 v. Chr.) verbinden, an die eine Strato-nike, die sich als Tochter eines Demetrios und Enkelin eines Antigonos aus-gibt, natrlich sofort denken lsst. Will man die bereinstimmung der drei Namen nicht dem Zufall zuschreiben, kann die Inschrift nur nachtrglich ver-fasst worden sein. Dementsprechend wird zumeist vermutet, dass es sich hier-bei um eine spter entstandene Ersatzweihung bzw. -ehrung oder auch nur um ein Erinnerungsmal an eine Schenkung der berhmten Stratonike handelte13. Trifft diese Identifizierung das Richtige, muss die Stiftung allerdings in ihren Jugendjahren, vor 299 v. Chr., dargebracht worden sein, da ein Knigstitel nicht angefhrt wird14. So konstruiert einem diese Verbindungen auch er-scheinen mgen, darf nicht bersehen werden, dass die brigen Kugeln durch-weg von oder fr Priesterinnen dargebracht wurden, also gewissermaen mit einem exklusiven Personenkreis verbunden waren, in den sich eine herkmm-liche Stratonike nur schwerlich einreihen liee. Nimmt man dagegen an, dass es sich um die sptere Knigin handelt, knnte die Zugehrigkeit zu dieser Gruppe von Dedikantinnen auch ihren unverheirateten Status erklren, da Priesterinnen der Artemis in der Regel Parthenoi waren. Man wird demnach wohl doch mit einer gewissen Berechtigung davon ausgehen drfen, dass tat-schlich die noch jungfruliche Tochter des Demetrios Poliorketes gemeint ist, die mg licherweise selbst im Dienste der Artemis ttig war oder diese zumin-dest als ihre persnliche Schutzgottheit betrachtete.

    Auf eine besondere Verbindung mit Artemis deuten nicht zuletzt auch die Fundorte der Kugeln, von denen vier nebeneinander aufgereiht im Sd-peristyl des Artemistempels, etwa 30 m von der Ostfront entfernt lagen15,

    13 Vgl. Buckler Robinson a. O. (Anm. 4) 91 f. Nr. 86 (But the script dates from about 175 to 150 B.C.; the ball engraved in her day was presumably destroyed and at some time in the 2nd century replaced by this stone); K.Bringmann H.von Steu-ben, Schenkungen hellenistischer Herrscher an griechische Stdte und Heiligtmer I. Zeugnisse und Kommentare (Berlin 1995) 296 f. KNr.: 259 [E]: Da die Schrift in die erste Hlfte des zweiten Jahrhunderts weist, []. Allein von Franke a. O. (Anm. 3) 200 f., wurde deswegen bezweifelt, dass es sich bei Stratonike tatschlich um die Tochter von Demetrios Poliorketes und sptere Gattin des SeleukosI. wie sei-nes Sohnes AntiochosI. handelte.

    14 Dass weder Stratonike einen Knigs- noch Demetrios und Antigonos einen Herr-schertitel tragen, wurde damit erklrt, dass diese Weihung bereits in ihren Jugendjah-ren erfolgt sein msse und die Inschrift spter lediglich kopiert worden sei, vgl. W.Orth, Kniglicher Machtanspruch und stdtische Freiheit (Mnchen 1977) 125 Anm. 6; Bringmann v.Steuben a. O. (Anm. 13) 297 weisen schlielich auch noch auf die Mglichkeit hin, dass es eine zweite Tochter des Demetrios mit diesem Na-men gegeben haben knnte, die nie einen Knigstitel trug.

    15 Vgl. Buckler Robinson a. O. (Anm. 4) 94 f. ([] found in June 1912 in the south peri style of the temple of Artemis about thirty metres from the east front). Wh-rend die Kugeln 24 nebeneinander lagen, fand man Kugel 5 etwas weiter westlich.

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  • Marmorkugeln fr Artemis 65

    whrend Stratonikes Kugel offenbar direkt an den Altarstufen gefunden wurde (Taf. 19, 2. 3)16. Mglicherweise wurde letztere innerhalb der sich um den Altar herumziehenden Reihe von Votiven aus dem 5. bis 3. Jh. v. Chr. prsentiert, deren letzte Positionierung den Ausgrbern zufolge in rmischer Zeit erfolgt sei17. Schlielich hat man sie whrend der Grabung zusammen mit kleineren Sandsteinkugeln auf eine Basis gelegt18, die unmittelbar sdlich der Altar-treppen aufgedeckt wurde und auf der Oberseite eine Arte Rinne aufweist (Taf. 20, 2)19. Zwar wurden die Kugeln sicherlich erst nachtrglich auf dieser Basis arrangiert20, aber es ist durchaus denkbar, dass die Ausgrber fr eine

    16 Buckler Robinson a. O. (Anm. 4) 91: [] found [] near the steps of the so-called Lydian building. Als sog. Lydisches Gebude identifizierten die ersten Aus-grber anfangs die Reste des lteren Altares im Inneren des hellenistischen, vgl. Hanfmann Frazer a. O. (Anm. 2) 88 f. und hier Taf. 19, 3.

    17 Dass smtliche Basen im Altarbereich in rmischer Zeit neu arrangiert wurden, ha-ben sptere Nachuntersuchungen ergeben. Ihre technische Zurichtung sowie Reste der zugehrigen Inschriftenstelen wrden aber darauf hindeuten, dass diese Monu-mente in der Zeit vom 5. bis 3. Jh. v. Chr. entstanden seien, vgl. Hanfmann Frazer a. O. (Anm. 2) 6873; G. M. A. Hanfmann N. H. Ramage, Sculpture from Sardis: The Finds Through 1975 (Cambridge, Mass. 1978) 34 f. Darber hinaus wurden im Altarbereich auch mehrere Ehrendekrete und Statuenbasen fr das Kultpersonal, insbesondere die Priesterinnen der Artemis gefunden, vgl. Buckler Robinson a. O. (Anm. 4) 1012 Nr. 4 (Ehrendekret fr einen um 155 v. Chr. wahrscheinlich von Eu-menesII. eingesetzten Neokoros); 93 f. Nr. 89 (ca. 175150 v. Chr.: Votiv dieses oder eines weiteren Neokoros); 6670 Nr. 5155 (Priesterinnen).

    18 s.H. C. Butler, The Excavations I: 19101914, Sardis 1 (Leyden 1922) 41 Abb. 26 (hier Taf. 20, 2). Whrend es sich bei den kleineren offenbar um die laut Grabungs-publikation in grerer Zahl im Altarbereich gefundenen Kugeln aus Sandstein mit einem mittleren Durchmesser von 2025 cm handelte, wird man die grere wohl als die Stratonike-Kugel identifizieren drfen. Zu den kleineren Kugeln vgl. Butler a. O. 42: The only objects found were spherical and ovoid balls of sandstone, from 20 to 25 cm. in diameter, which looked like ancient missiles. A few of these may be seen on a stele base in ill. 26 [hier Taf. 20, 2]. Da sich ansonsten weder in den lte-ren noch jngeren Sardeis-Publikationen weitere Hinweise auf diese Blle finden, ist kaum zu entscheiden, welche Funktion diese erfllten. Whrend Material und Durchmesser in diesem Fall eine Deutung als Schleuderkugeln favorisieren knnten, deutet der Fundort eher auf Votive hin. Gegen eine Deutung als Artilleriegeschosse wrde auch sprechen, wenn auerhalb des Kultbezirkes, in der Stadt, vergleichbare Kugeln nicht gefunden worden sein sollten.

    19 Vgl. Butler a. O. (Anm. 18) 4143; Hanfmann Frazer a. O. (Anm. 2) 71 Nr. 29 mit Abb. 112 und dem Lageplan Abb. 181. Diese Basis besteht aus drei Lagen, von denen wahrscheinlich nur die obersten beiden, insgesamt 83 cm hohen Blcke sichtbar wa-ren. uerst merkwrdig ist die Zurichtung ihrer Oberseite (1,060,645 m), weist sie doch keine Einlassungen auf, sondern eine in der Lngsachse 7 cm eingetiefte und den gesamten Block durchziehende 14,5 cm breite Rinne, deren westliche Sei tenwand abgeschrgt ist (vgl. auch die Seitenansicht dieser Basis in der Schnittzeichung durch den Altar bei Hanfmann Frazer a. O. [Anm. 2] 182 D-D).

    20 Das ergibt sich nicht zuletzt aus einem offensichtlich frher entstandenen Photo von der Basis bei Butler a. O. (Anm. 18) 43 Abb. 30.

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  • 66 Helga Bumke

    solche Rekonstruktion Anhaltspunkte hatten, was sich mangels Dokumen-tation jedoch leider nicht mehr nachvollziehen lsst. In jedem Fall entsprche die Beschaffenheit der Kugel, die kein Dbelloch aufweist, der eigen artigen Zurichtung des Weihgeschenktrgers, die ebenfalls keine zustz liche Befesti-gung vorsah und aufgrund ihrer abgeschrgten Kante eine Stele nicht auf-genommen haben kann21. Merkwrdig bliebe natrlich, dass sich die Rille ber die ganze Basislnge erstreckt, was sich in diesem Falle zwar mit der Auf-nahme mehrerer Kugeln erklren liee, aber dennoch eigenartig wre. Auch wenn sicherlich nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Fundorte der Kugeln ihrer ursprnglichen Plazierung entsprachen, wird man zumindest je-doch annehmen drfen, dass sie alle im Kultbezirk aufgestellt waren.

    Aufgrund der lediglich in der Inschrift von Kugel 5 angefhrten Stiftung von , in denen man Marmorquader vermutet hat22, wurde angenom-men, dass nicht nur die unvollstndigen Inschriften von Kugel 3 und 4, son-dern auch die brigen in entsprechender Weise an solche, mglicherweise speziell auf den Tempelbau bezogene Wohltaten erinnern sollten23, wobei die Krnze darauf hinweisen wrden, dass es sich um Ehreninschriften handelte24. Danach htten also die Kugeln primr die Funktion gehabt, speziell an Stiftun-gen fr den Tempelbau zu erinnern. Erstaunlicherweise hat man sich bisher je-doch lediglich mit den Inschriften beschftigt, ohne deren auergewhn lichen Trgern irgendeine konkrete inhaltliche Aussage beizumessen. Bercksichtigt man jedoch, dass zumindest Stratonike und Demokratia lediglich die Kugeln dargebracht haben, wird man ihre Bedeutung kaum auf die bloer Inschriften-trger reduzieren drfen, zumal ihre Beschaffenheit sie fr eine solche Funk-tion alles andere als besonders geeignet erscheinen lsst. Dass die Olivenkrnze oder vielmehr -zweige allein kein ausschlaggebendes Argument fr Ehrenin-schriften sind, sondern ebensogut Insigne des Priesterinnen-Amtes sein kn-nen, verdeutlicht das fr die Priesterin Menophila errichtete Grabrelief aus Sardeis. Denn auf ihm ist ein vergleichbarer Oliven zweig dargestellt, den die Grabinschrift selbst als Hinweis auf die Ausbung eines ffentlichen Amtes er-klrt25.

    21 Fr eine Verbindung mit der Basis knnte sprechen, dass diese keine Weihinschrift trgt, eine solche also das hier aufgestellte Objekt getragen haben muss, und dass sie zumindest in rmischer Zeit innerhalb der dichten Reihe von Votivtrgern einen exponierten Standort direkt neben der Altartreppe hatte.

    22 Vgl. Buckler Robinson a. O. (Anm. 4) 96 zu Nr. 93: The [] are doubtless blocks of marble suitable for masonry which Moschion had contributed to the con-struction of the temple; the form , in lieu of , is noteworthy.

    23 So Buckler Robinson a. O. (Anm. 4) 91 f.: memorials of gifts made to the temple.24 s.Buckler Robinson a. O. (Anm. 4) 92. Dagegen lassen Bringmann Steuben a. O.

    (Anm. 13) 296 die Definition des Inschriftentyps offen (unspezifiziert). 25 Istanbul, Arch. Mus. Inv.-Nr. 4033: Hanfmann Ramage a. O. (Anm. 17) 164 Nr. 245

    Abb. 425; J. B. Connelly, Portrait of a Priestess (Princeton 2007) 251253 mit Abb. 8.23.

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  • Marmorkugeln fr Artemis 67

    Vorausgesetzt die Identifizierung von Stratonike als die sptere seleukidi-sche Knigin ist richtig, stellten die Kugeln offenbar Weihungen dar, die als adquate Reprsentationsobjekte der Priesterinnen darber hinaus einen spe-zifischen Bezug zum sardischen Artemiskult gehabt zu haben scheinen. Denn nicht zuletzt liee sich damit auch erklren, warum man nach vergleichbaren Votiv-Kugeln dieser Art in anderen Heiligtmern vergeblich sucht. Trifft diese Vermutung zu, dann ist damit zu rechnen, dass die Kugeln mit einem zumin-dest in der hellenistischen Zeit geltenden Wirkungsbereich der Gttin ver-bunden waren, der insbesondere fr ihre Kultdienerinnen und vielleicht auch andere privilegierte Parthenoi von groer Bedeutung war. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang schlielich auch, dass die Stiftung einer solchen Ku-gel mit einer Auflistung verrichteter Wohltaten verbunden gewesen sein konnte, vermutlich um die fromme Gesinnung der Dedikantin herauszustel-len. Aber worum handelt es sich bei diesem auergewhnlichen Votivgegen-stand? Welche inhaltlichen Aussagen waren mit ihm verbunden?

    Da die Inschriften in dieser Hinsicht wenig aufschlussreich sind, bleiben nur die Kugeln selbst, um zu einem Verstndnis dieser Stiftungen vorzudrin-gen. Angesichts des Fehlens vergleichbarer Votivgegenstnde wird man sich ihrem inhaltlichen Gehalt jedoch lediglich im Ausschlussverfahren nhern kn-nen, so dass die folgenden berlegungen zwangslufig hypothetisch bleiben mssen.

    Sucht man unter Gegenstnden hellenistischer Zeit nach Steinkugeln, fin-den sich nur zwei vergleichbare Objekte, und zwar Katapultkugeln und Him-melsgloben. Die Frage, welches der beiden sich besser mit den sardischen Ex-emplaren und ihrem Kontext vereinbaren lassen wrde, ist wohl eindeutig zugunsten der Globen zu beantworten. Abgesehen davon, dass solche Artille-riegeschosse offenbar nur selten als Votive dargebracht wurden26, drften sie kaum adquate Weihungen fr Priesterinnen dargestellt haben. Auch sprechen Material und Gre der sardischen Kugeln gegen eine Interprtation als Schleu-dergeschosse27. Allerdings lassen sich diese auch nicht so ohne weiteres zwei-fels frei als Astralgloben identifizieren, da ihnen eindeutige Charakte ristika

    26 Schleuderkugeln mit Weihinschriften sind m. E. nicht erhalten. Allerdings werden unter Waffenweihungen fr Athena in den athenischen Inventarlisten auch Katapult-geschoe ( ) angefhrt, vgl. W. H. D. Rouse, Greek Votive Offerings (Cambridge 1902) 110. Inschriftlich berliefert ist fr das 4. Jh. v. Chr. schlielich auch die Weihung von Katapultbolzen, vgl. P. J. Cole, The Catapult Bolts of IG 22 1422, Phoenix 35, 1981, 216219.

    27 Zu hellenistischen Geschosskugeln vgl. I.Shatzman, Stone-Balls from Tel Dor and the Artillery of the Hellenistic World, ScrClIsr 14, 1995, 5263. In der Regel er-reichen diese nur selten Durchmesser von 30 cm, whrend die der Marmorkugeln 3236 cm betragen. Zudem sind Geschokugeln zuweilen mit Gewichtsangaben versehen, was gelegentlich auch schon dazu verleitet hat, sie als Gewichte zu deuten.

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  • 68 Helga Bumke

    fehlen28. Zwar treten vor allem in der Flchenkunst immer wieder auch Globen auf, die lediglich als bloe Kugeln wiedergegeben werden29, aber zumeist sind auf den bisher bekannten dreidimensionalen Astralgloben aus Stein30 Sphren als einfache Linien bzw. Bnder und bildlich gestaltete Tierkreiszeichen oder Sterne angegeben (Taf. 20, 3)31. Nicht zuletzt ist nur ein Globus erhalten bzw. identifizierbar, der primr als Votiv geweiht und mit einer Stifter inschrift ver-sehen wurde32; diese nennt allerdings ebenfalls eine Priesterin als Dedikantin. Trotz der geringen Anhaltspunkte gibt es im Falle der sardischen Kugeln durchaus Indizien, die eine Deutung als Himmelsgloben sttzen knnen.

    Verschiedene Schriftquellen bezeugen, dass in Sardeis die Artemis Ephesia verehrt wurde und in dem bekannten Artemisheiligtum ein Filialkult des ephesischen Kultes eingerichtet war33. Vor diesem Hintergrund gewinnt

    28 Es ist jedoch nicht auszuschlieen, dass die Kugeln Bnder oder Linien zeigten, die von den Ausgrbern nicht fr wesentlich erachtet wurden, da die Inschriften im Zentrum des Interesses standen. Ferner knnte die sechsblttrige Rosette auf Kugel 5 durchaus einen Stern dargestellt haben; in vergleichbarer Weise ist ein solcher auf einem in Sardeis gefundenen Altar gestaltet, der unter Vorbehalt in das 2. Jh. n. Chr. datiert wird. Dass in diesem Fall ein Stern gemeint ist, wird durch seine Kombination mit einem Halbmond deutlich, vgl. Hanfmann Ramage a. O. (Anm. 17) 128 Nr. 160 Abb. 307.

    29 s. dazu die Beispiele im Folgenden. Wenn es sich um unverzierte Kugeln handelt, ist nur durch den Verwendungskontext zu entscheiden, ob Himmels- oder Erdgloben gemeint sind, vgl. H. G. Gundel, Zodiakos (Mainz 1992) 60; zur Unterscheidung der beiden Globentypen und zur Symbolik des Erdglobus in rmischer Zeit T.Hlscher, Victoria Romana (Mainz 1967) 4147. Da die Erdkugel aber in erster Linie ein Herrschaftszeichen war, wird sie als Deutungsmglichkeit fr die sardischen Kugeln kaum in Betracht kommen.

    30 Vgl. die Beispiele bei Gundel a. O. (Anm. 29) 203 f. Kat.-Nr. 1. 2. 9. 10 und E.Knzl, Him melsgloben & Sternkarten (Stuttgart 2005) 8084, die allesamt in die rmische Kaiserzeit datiert werden.

    31 Sptestens Eudoxos von Knidos gestaltete um 375 v. Chr. einen Globus nach den da-mals verbreiteten Vorstellungen mit Himmelsbahnen, Sternen und vielleicht auch schon mit Zodiakos, vgl. Gundel a. O. (Anm. 29) 53. 59; Knzl a. O. (Anm. 30) 57 f. Die Erfindung desselben ist allerdings lter und wurde oft mit Thales von Milet ver-bunden, vgl. Cic. rep. 1, 2122. Inwieweit die einfachen Linien bzw. Bnder oder Kreuzbnder Himmelssphren oder den Zodiakos andeuten, ist hufig nur aus dem Kontext zu erschlieen, vgl. Gundel a. O. (Anm. 29) 60 f.

    32 Es handelt sich hierbei um einen Marmorglobus (Dm 53 cm) mit Weihinschrift aus dem 2. Jh. v. Chr., der in Prosymna gefunden wurde, wahrscheinlich aus dem Heraion von Argos stammt (Nafplio, Arch. Mus.) und offenbar auch die Funktion einer Sonnen-uhr erfllte, vgl. C. W. Blegen, Prosymna: Remains of Post-Mycenaen Date, AJA 43, 1931, 443 f. Abb. 31; S. L. Gibbs, Greek and Roman Sundials (London 1976) 2730. 376378 Nr. 7002G Abb. 6264. Der Weihinschrift zufolge wurde er von einer Priesterin der Hera geweiht: . Der schriftlichen berlieferung zufolge weihte zumindest sekun-dr Marcellus den 212 v. Chr. aus Syrakus nach Rom gebrachten Globus des Archi-medes in den Tempel der Virtus, s. Cic. rep. 1, 2122.

    33 Wichtigstes Indiz ist hierfr sicherlich die sog. Sakrileg-Inschrift, vgl. dazu F.Soko-lowski, A New Testimony on the Cult of Artemis of Ephesus, HarvTheolRev 58, 1965,

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  • Marmorkugeln fr Artemis 69

    schlielich die durch rmische Wiederholungen berlieferte hellenistische Version der Artemis Ephesia an Bedeutung, da zu ihren aufflligsten Er schei-nungsmerkma len die Ausstattung mit astralen Zeichen gehrte (Taf. 21, 1. 2)34. So erscheinen zumeist im oberen Brustbereich der Kultbild-Kopien ber-wiegend im Halbkreis angeordnete Tierkreiszeichen, wobei nie der vollstn-dige Zodiakos mit seinen zwlf Bildern, sondern nur eine stark variierende Auswahl wiedergegeben wird35. Daneben tragen einige Statuen noch einen Anhnger in Form einer Mondsichel, die in einigen Fllen auch mit einer Rundscheibe kombiniert ist36. Auch wenn die konkrete Bedeutung dieser Iko-nographie noch keineswegs hinreichend erklrt zu werden vermochte, kann davon ausgegangen werden, dass seit hellenistischer Zeit ganz offenkundig astrale Aspekte im Artemiskult eine groe Rolle spielten37. Bercksichtigt man, dass zu den prgnantesten Eigenschaften der ephesischen Artemis ihre gleichermaen Tod und Verderben, aber auch Schutz und Heilung bringende Wirkung gehrte38, stand eine spezifische Bedeutung des Zodiakos sicherlich im Vordergrund, nmlich der mit ihm verbundene Einfluss auf das mensch-liche Schicksal39, das er auch symbolisch verkrpern konnte und ber das ja

    427431 und zuletzt H. Engelmann, Inschriften und Heiligtum, in: U. Muss (Hrsg.), Der Kosmos der Artemis, sterreichisches Archologisches Institut Sonderschrif-ten 37 (Wien 2001) 43 f. Fr eine Verbindung mit Heiligtum und Tempel sprechen schriftliche Zeugnisse und Beobachtungen zum Baubefund, die an anderer Stelle vorgelegt werden sollen.

    34 R. Fleischer, Artemis von Ephesos und verwandte Kultstatuen aus Anatolien und Syrien, EPRO 35 (Leiden 1973) 70 f.; Gundel a. O. (Anm. 29) 150152.

    35 berwiegend sind fnf (s.Gundel a. O. [Anm. 29] 272274 Nr. 221. 223. 225. 229), zuweilen aber auch noch mehr, maximal neun Tierkreiszeichen wiedergegeben (s.Gundel a. O. [Anm. 29] 213 Nr. 29; 272274 Nr. 219. 220. 228), seltener ist dage-gen die Kombination von drei (Gundel a. O. [Anm. 29] Nr. 224. 226. 227. 230). Da-neben gibt es auch eine Reihe von Artemis-Ephesia-Darstellungen, auf denen nur der Krebs erscheint (s.Gundel a. O. [Anm. 29] 274 Nr. 233241).

    36 s.Fleischer a. O. (Anm. 34) 7274 mit Auflistung der Beispiele. Zwei Wiederholun-gen der Artemis Ephesia tragen auch auf der Rckseite jeweils eine Mondsichel, vgl. Fleischer a. O. (Anm. 34) 59.

    37 R.Fleischer, Artemis Ephesia und Aphrodite von Aphrodisias, in: M. J. Vermaseren (Hrsg.), Die orientalischen Religionen im Rmerreich, EPRO93 (Leiden 1981) 305.

    38 Auf die verschiedenen Wirkungsbereiche oder Aspekte der Artemis Ephesia wird an anderer Stelle ausfhrlicher eingegangen werden.

    39 Vgl. zu diesen astralreligisen Vorstellungen und den schriftlichen Quellen Gundel a. O. (Anm. 29) 31. 3739. 166; 31: Ganz besonders wichtig war aber zweifellos die astrologische Bedeutung des Zodiakos als des fr das Menschenschicksal ent-scheidenden Himmelsortes. Im Falle des ephesischen Kultbildes, das fr die be-rhmte Asylfunktion des Heiligtums von groer Bedeutung war, knnte hierbei die mit dem Schicksalsaspekt verknpfte apotropische Funktion, also der Schutzge-danke des Zodiakos im Vordergrund gestanden haben. Vereinzelt ist auch angenom-men worden, dass die Tierkreiszeichen verschiedene Festmonate veranschaulicht htten (S. Karwiese, Artemis Ephesia Sebasteia: Ein Entzifferungsbeitrag, in: P.Scherrer H.Taeuber H.Thr [Hrsg.], Steine und Wege. Festschrift fr Dieter

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  • 70 Helga Bumke

    gewissermaen ebenso die ephesische Gttin waltete. Sptestens in der rmi-schen Kaiserzeit lsst sich in der Bildkunst auch der Himmelsglobus mit einer solchen Bedeutung eindeutig nachweisen. So treten auf einigen rmischen Sar-kophagen in sogenannten Kinderpflegeszenen oder Darstellungen von der Er-schaffung des Menschen durch Prometheus zumeist auf Sulen gesockelte Himmelsgloben als Attribute der Moiren bzw. Parzen auf (Taf. 21, 3)40. Ge-zeigt wird, wie nach der Geburt eines Kindes oder der Menschenbildung eine der Gttinnen auf dem jeweiligen Globus das individuelle menschliche Schick-sal verzeichnet, indem sie das jeweilige Horoskop erstellt. Dem liegt die Vor-stellung zugrunde, dass das Schicksal und somit auch der Todeszeitpunkt jedes einzelnen Menschen durch die Sternen- und Planetenkonstellation whrend der Geburtsstunde genau festgelegt, gewissermaen von den Gttern vorbe-stimmt sei. Den Lauf des Lebens versinnbildlicht schlielich auch die Sonnen-uhr, die ebenfalls immer wieder in diesem Zusammenhang auftritt und zuwei-len sogar mit dem Himmelsglobus kombiniert ist41. Es stellt sich freilich die Frage, ob ein solcher inhaltlicher Aspekt nicht bereits auch schon frher mit den Himmelsgloben verbunden gewesen sein knnte. Denn insbesondere bei den im sepulkralen Kontext auftretenden Darstellungen auf hellenistischen Totenmahlreliefs wre eine solche Lesart durchaus in Betracht zu ziehen. Be-kannt sind bislang allerdings nur zwei Beispiele, von denen das eine nur frag-mentarisch erhalten ist42. Das vollstndige Exemplar aus der ersten Hlfte des 1. Jhs. v. Chr., fr einen gewissen Theodotos errichtet43, zeigt den Globus auf

    Knibbe [Wien 1999] 61 f.), was angesichts der Vielfalt von Variationen jedoch kaum zu berzeugen vermag.

    40 Vgl. dazu O. Brendel, Symbolik der Kugel, RM 51, 1936, bes. 8995. Die sog. Kinderpflegeszenen mit Globen beschreibenden Moiren erscheinen sowohl auf den Curriculum-vitae-Sarkophagen von Kindern als auch den frhen Feldherren/Hochzeits-Sarkophagen vgl. R. Amedick, Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben, ASR I 4 (Berlin 1991) 121 Nr. 2 Taf. 53, 3; 140 Nr. 115 Taf. 56, 1, und C.Reinsberg, Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben, ASR I 3 (Berlin 2006) 194 f. Nr. 12 Taf. 9, 3; 200 f. Nr. 29 Taf. 9, 2. Zu den Pro me-theus sarkophagen s. G. Koch H. Sichtermann, Rmische Sarkophage, HdArch (Mnchen 1982) 183 f. Taf. 215.

    41 So wahrscheinlich auf einem sptantoninischen Sarkophag in Rom, Villa Doria Pamphilj, vgl. Amedick a. O. (Anm. 40) 159 Nr. 236 Taf. 55, 2; vgl. zum inhaltlichen Bezug auch Brendel a. O. (Anm. 40) 9092.

    42 Fragment eines Totenmahlreliefs in Istanbul, Arch. Mus. Inv.-Nr. 5511, vgl. N.Fratl, Les stles funraires de Byzance grco-romaine (Paris 1964) 116 Nr. 194a Taf. 62. Erhalten ist nur die linke untere Ecke des Reliefs, auf dem noch eine kleine Dienerin neben einer Basis (?) mit Globus zu erkennen ist. berdies erscheint der Himmels-globus auch noch auf einer ostgriechischen Grabstele aus Beyazt, die in das 1. Jh. v. Chr. datiert wird (Istanbul, Arch. Mus. Inv.-Nr. 4206), vgl. Fratl a. O. 113 Nr. 188 Taf. 46; E. Pfuhl H.Mbius, Die ostgriechischen Grabreliefs II (Mainz 1979) 547 Nr. 2271 Taf. 320.

    43 Stele des Theodotos, Istanbul, Arch. Mus. Inv.-Nr. 4845, vgl. Fratl a. O. (Anm. 42) 34 f. 54 f. Nr. 33 Taf. 8; Pfuhl Mbius a. O. (Anm. 42) 489 Nr. 2034 Taf. 294.

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  • Marmorkugeln fr Artemis 71

    einer niedrigen Basis im Zentrum der Darstellung vor der Kline des Verstorbe-nen (Taf. 22, 1). Whrend der gelagerte Mann mit der linken Hand seinen Kopf sttzt, zeigt er mit einem Stab in seiner rechten auf den Globus. Man kann durchaus den Eindruck gewinnen, dass er in dieser nachdenklichen Pose ber sein eigenes, von der Himmelskugel verkrpertes Lebenslos sinniert. Da jedoch auf zwei kaiserzeitlichen Mosaiken, die auf ein hellenistisches Gemlde zurckgefhrt werden, in ganz hnlicher Art einer der Sieben Weisen den Himmelsglobus betrachtet44, wird dieser sowohl hier als auch im Kontext der Totenmahlreliefs fast ausnahmslos als Chiffre fr Bildung interpretiert45. Der-art erklrt man schlielich auch die Sonnenuhr, die nicht nur auf den beiden Mosaikdarstellungen, sondern als akroterartige Bekrnung des linken Naiskos-pfeilers auch auf dem Totenmahlrelief erscheint (Taf. 22, 1)46. Eine von der Bildtradition der Sieben Weisen-Mosaiken ausgehende Deutung des Him-melsglobus als rein wissenschaftliches Objekt lsst allerdings unbercksichtigt, dass dieses ikonographische Motiv in einem Fall auch in der Darstellung der Moiren wiederkehrt. So sind die drei Schicksalsgttinnen auf einem hadriani-schen Sarkophag (?) in entsprechender Weise um einen auf flacher Basis ruhen-den Globus gruppiert (Taf. 22, 2)47. Whrend Klotho den Lebensfaden spinnt und wahrscheinlich Lachesis in eine geffnete Buchrolle blickt, zeigt die auf einem Hocker sitzende dritte Moira, vermutlich Atropos, mit einem Stab auf

    44 Es handelt sich hierbei um ein modern berarbeitetes Mosaik aus Sarsina (Rom, Villa Albani Inv.-Nr. 668) und ein Mosaik aus Torre Annunziata (Neapel, Mus. Naz. Inv.-Nr. 124545): s.zuletzt B.Andreae, Das Mosaik der Sieben Weisen aus Sarsina in der Villa Albani in Rom und sein Verhltnis zum Philosophenmosaik aus Pompeji im Nationalmuseum von Neapel, in: Th.Ganschow M.Steinhart (Hrsg.), Otium. Festschrift fr Volker Michael Strocka (Remshalden 2005) 914 Abb. 1. 2. Zur spe-kulativen und ungesicherten Deutung als Wiedergabe der septem sapientes vgl. B. Chr. Ewald, Der Philosoph als Leitbild. Ikonographische Untersuchungen an rmi-schen Sarkophagreliefs, RM Ergh. 34 (Mainz 1999) 97, der sich der Interpretation als eine idealisierende Darstellung einer philosophischen Konversation anschliet.

    45 Vgl. z. B. Fratl a. O. (Anm. 42) 27; St. Schmidt, Hellenistische Grabreliefs (Kln 1991) 146; J. Fabricius, Die hellenistischen Totenmahlreliefs (Mnchen 1999) 249 f.: Kaum ein anderes Bild als das des Hobbyastronomen und Privatgelehrten [auf diesem Relief ] zeigt deutlicher, wie sehr sich fr den Hellenismus in Bildung vorbildhafte Qualitten manifestierten [].

    46 s.Fratl a. O. (Anm. 42) 35; Gibbs a. O. (Anm. 32) 164 Nr. 1051G; Fabricius a. O. (Anm. 45) 250: So knnten z. B. der erwhnte Globus und die Sonnenuhr am Ge-blk von F33 [dem Totenmahlrelief ] auf ein Interesse am Studium von Himmels- und Naturerscheinungen hinweisen, die aber Anm. 139 einrumt, dass man bei der Sonnenuhr auch an einen allgemeinen symbolischen Hinweis auf die Vergnglich-keit des Lebens denken knnte, da sie in der Bildkunst verschiedentlich mit Her-mes Psychopompos verbunden sei.

    47 Paris, Slg. Dresnay: Brendel a. O. (Anm. 40) 7680 Taf. 10; Amedick a. O. (Anm. 40) 92. 142 Nr. 122 Taf. 77, 1 (120130 n. Chr.). Die Zugehrigkeit zu einem Sarkophag ist nicht sicher.

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  • 72 Helga Bumke

    die vor ihr liegende Himmelskugel48, die auch hier auf einem flachen Posta-ment ruht. Offenbar kommt der Moira in diesem Fall die Aufgabe zu, auf das bereits geschriebene Horoskop und somit den festgelegten Todeszeitpunkt zu verweisen, so wie ihre Artgenossinnen den Lebensfaden und das Schicksals-buch prsentieren. In diesem Sinne sind zuweilen auch entsprechende Wieder-gaben der Muse Urania zu verstehen, die in hellenistischer Zeit als Attribut den Himmelsglobus erhielt49. Neben Darstellungen, die sie mit einer klein-formatigen Ausfhrung desselben in der Hand zeigen, gibt es auch solche, in denen sie mit einem Stab auf den vor ihr auf dem Boden oder einem Untersatz liegenden Globus weist. Dass mit diesem Bildtypus nicht generell nur der besondere Zustndigkeitsbereich der Urania als Schutzherrin der Astrologie und Naturwissenschaften veranschaulicht wurde, sondern auch die mit dem Globus verbundene Schicksalsvorstellung thematisiert werden konnte, liegt bei einigen Ausfhrungen nahe. So zeigt die Urania auf einem Musensarko-phag in Paris50 nicht nur mit dem Stab auf den Globus, sondern hat in nach-denklicher Pose ihren Kopf in die linke Hand gesttzt, gleichermaen wie der Verstorbene des Totenmahlreliefs den Globus betrachtend und ber seine Konnotationen in Bezug auf die Endlichkeit des Lebens reflektierend51.

    Angesichts der bernahme dieses Darstellungsschemas fr die das Schick-sal registrierende Moira und Urania wird man wohl auch die gelufige Inter-pretation des Globus im Kreise der Sieben Weisen und auf den Totenmahl-reliefs berdenken mssen. Sind die Gelehrten auf den Mosaiken wirklich zusammengetroffen, um ber astronomische Erkenntnisse oder Fragen zu dis-kutieren, oder ist nicht ebenso denkbar, dass ein Disput ber das menschliche Dasein wiedergegeben wird, der Globus auch hier ganz allgemein den Lebens-lauf symbolisiert?52

    48 Zur Benennung der einzelnen Moiren vgl. Brendel a. O. (Anm. 40) 78 f.49 LIMC VII (1994) 1006 s. v. Mousa, Mousai (L.Faedo).50 Paris, Louvre MA 475: M.Wegner, Die Musensarkophage, ASR V 3 (Berlin 1966)

    36 f. Nr. 75 Taf. 3. 6.51 Denselben Bedeutungsgehalt hatte sicherlich auch die auf einen Globus blickende

    weibliche Figur auf zwei frhkaiserzeitlichen Reliefrepliken (Paris, Louvre MA 8; MA 1891): J. Marcad, Deux reliefs romains de lpoque impriale. Problme diconographie, RLouvre 35, 1985, 345347 Abb. 1.2. Nach der Rekonstruktion von Marcad hielt sie in der rechten Hand ebenfalls einen auf den Globus zeigenden Stab und stellte Urania dar. berdies lehnt sie jeweils an einem groen Marmorkrater, der mit verschiedenen Reliefdarstellungen geschmckt ist, die sich teilweise auf den Un-tergang Trojas beziehen und als Bestandteil der Gesamtaussage des Reliefs auch hier darauf hindeuten, dass die Muse am Globus den Lauf des Schicksals demonstriert, vgl. dazu L.Faedo, Urania tra astrologia e astronomia variazioni di un tema icono-grafico, in: N.Blanc A.Buisson (Hrsg.), Imago Antiquitatis. Religion et Iconogra-phie du monde romain, Melanges offerts Robert Turcan (Paris 1999) bes. 212 f.

    52 Ein solcher Sinngehalt knnte nicht zuletzt auch einer offenbar ganz hnlichen Dar-stellung auf einer Trapeza zugrunde gelegen haben, die zu dem im 4. Jh. v. Chr. in Athen errichteten Grabmal des Isokrates gehrte. So zeigte diese der literarischen

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  • Marmorkugeln fr Artemis 73

    Aber kehren wir nun zurck zum Ausgangspunkt der Betrachtung: den Marmorkugeln aus dem Artemision von Sardeis. Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Bedeutung des Globus als Symbol fr das menschliche Schicksal und der seit hellenistischer Zeit greifbaren Tendenz, sich darauf beziehende Wirkungsbereiche der ephesischen Artemis durch die Ausschmckung ihres Kultbildes mit Tierkreiszeichen zum Ausdruck zu bringen, wird man ihrer Deutung als Himmelsgloben durchaus ein gewisses Ma an Wahrscheinlich-keit zusprechen drfen. Eine im Kontext der mit Artemis Ephesia verbun-denen Astralsymbolik verankerte Deutung hat allerdings zu erklren, warum entsprechende Steinkugeln im Artemision von Ephesos selbst nicht bezeugt sind. Wenn man sich nicht auf den Tatbestand berufen mchte, dass von der Ausstattung und den Votiven hellenistischer Zeit ja ohnehin kaum etwas bekannt sei, da bereits bei den ersten Ausgrabungen des ephesischen Artemi-sions die archaische Phase im Fokus des Interesses stand, wre also nach beson-deren Ausprgungen des sardischen Artemiskultes oder ortsgebundenen Vor-aussetzungen Ausschau zu halten, die speziell an diesem Ort die Stiftung solcher Votive bedingt haben knnten. In dieser Hinsicht lieen sich tatsch-lich zwei Besonderheiten aufzeigen. So gab es eine, wenn auch nur ansatzweise zu fassende spezifische Eigenart des sardischen Artemiskultes, die in einer auer ge whn lichen Verbindung zum sepulkralen Bereich bestanden zu haben scheint. In diese Richtung weist zum einen die Lage des Heiligtums in un-mittelbarer Nhe der archaisch-hellenistischen Nekropole, auf die Altar und Tempel ausgerichtet waren (Taf. 19, 1)53, zum andern der Inhalt lydischer Grabinschriften, in denen die Artemis Ephesia als Schutzgttin der Verstor-benen ange rufen wird54. Hinzu kommt, dass Artemis in der rmischen Kaiser-zeit von der Gttin Kore verdrngt wurde, die den numismatischen Zeugnis-sen zufolge im 2. und 3. Jh. n. Chr. zur bedeutendsten Gottheit von Sardeis avancierte55.

    berlieferung (Plut. mor. 838 bd) zufolge eine aus seinen Lehrern und Dichtern bestehende Versammlung, darunter auch Isokrates selbst neben dem Sophisten Gor-gias, der auf einen Himmelsglobus blickt, vgl. zur berlieferung, Rekonstruktion und Deutung als Hinweis auf astronomische Interessen des Isokrates A. Scholl, , JdI 109, 1994, 240244. 249252.

    53 Vgl. auch G. M. A. Hanfmann, Sardis from Prehistoric to Roman Times (Cambridge, Mass. 1983) 95: The Artemis altar [] surprised us by the indication that it was turned west toward the city of the dead, which Artemis protected.

    54 Vgl. die Grabstelen des 5. und 4. Jhs. bei W. H. Buckler, Lydian Inscriptions, Sardis 6,2 (Leyden 1924) 110 Nr. 1. 2. 4.

    55 Vgl. A. Johnston, Greek Coins, in: T. V. Buttrey A. Johnston K. M. MacKenzie M. L. Bates, Greek, Roman, and Islamic Coins from Sardis (Cambridge, Mass. 1981) 9. Eine Reliefdarstellung der Gttin ist auch auf einem im Gymnasium von Sardeis ge-fundenen Pilasterkapitell aus der 2.Hlfte des 2. Jhs. n. Chr. bezeugt, vgl. G. M. A. Hanfmann M. S. Balmuth, The Image of an Anatolian Goddess at Sardis, in: JbKleinasF 2, 1965 (Gedenkschrift fr Theodor Bossert) 261263 Taf. 34. 35.

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  • 74 Helga Bumke

    So wie der Himmelsglobus seit hellenistischer und dann vor allem in rmi-scher Zeit auf den Sepulkraldenkmlern das menschliche Lebenslos verkr-perte, spielte er mit diesem Bedeutungsgehalt vielleicht auch in einem solcher-maen chthonisch geprgten Kult eine besondere Rolle.

    Denkbar ist jedoch auch, dass die Tradition, speziell der sardischen Arte-mis Ephesia derartige Himmelsgloben darzubringen, von der Seleukiden-knigin Stratonike begrndet wurde. Denn bei der Tochter des Demetrios Poliorketes knnte mit guten Grnden davon ausgegangen werden, dass sie mit der Symbolik von Globus und Zodiakos wohl vertraut war. Schlielich war es ihr Vater, der den Schriftquellen zufolge als erster ein Prunkgewand trug, in das der Himmel mit goldenen Sternen und den zwlf Tierkreis-zeichen eingewebt war, wohl um seine Herrscherlegitimation zu veranschau-lichen56. Folgt man dieser Interpretationsrichtung, gewinnt auch eine andere ber lieferung an Bedeutung. Danach fhlte sich Stratonike der Atargatis (Dea Syria) in Bambyke/Hierapolis so eng verbunden, dass sie ihr einen neuen Tempel errichten lie57. Bemerkenswerterweise handelte es sich hierbei um eine Gttin, der man offenbar seit hellenistischer Zeit ebenfalls einen sehr ausgeprgten Einfluss auf das individuelle menschliche Schicksal zusprach, so dass sie spter sogar mit Moira, Nemesis und Tyche gleichgesetzt wurde58. Vor diesem Hintergrund ist also durchaus damit zu rechnen, dass Stratonike in be-sonderer Weise den sich seit dem 3. Jh. v. Chr. verbreitenden Vorstellungen59 von einem gleichermaen von bestimmten Gttern als auch kosmischen Konstel lationen abhngigen menschlichen Dasein anhing, wobei die ber-gnge zwischen den Instanzen flieend gewesen sein mgen. Bercksichtigt man darber hinaus, dass Sardeis eine seleukidische Nebenresidenz war, wo sich zeitweilig nicht nur die Knige, sondern auch ihre Familien aufhiel-ten60, stellt sich natrlich die Frage, ob Stratonike mglicherweise sogar als ehe malige Priesterin nicht auch hier der Gttin besonders zugetan war

    56 Nach einer Beschreibung des Duris von Samos bei Athenaios (Athen. 12, 50 p. 535 f ); vgl. dazu auch Gundel a. O. (Anm. 29) 48. Dies ist in den griechischen Schriftquellen die frheste Erwhnung einer bildlichen Darstellung des Zodiakos.

    57 Lukian. Syr. Dea 17. 1921.58 Vgl. P. Bilde, Atartagis/Dea Syria: Hellenization of Her Cult in the Hellenistic-

    Roman Period?, in: P. Bilde T. Engberg-Pedersen L. Hannestad J. Zahle (Hrsg.), Religion and Religious Practice in the Seleucid Kingdom, Studies in Hellenistic Civilization1 (Aarhus 1990) 168.

    59 Vgl. dazu auch R.Gordon, Quaedam veritatis umbrae: Hellenistic Magic and Astro-logy, in: P.Bilde T.Engberg-Pedersen L.Hannestad J.Zahle (Hrsg.), Conven-tional Values of the Hellenistic Greeks, Studies in Hellenistic Civilization8 (Aarhus 1997) 140 f.

    60 Vgl. Orth a. O. (Anm. 14) 124; J. D. Grainger, A Seleukid Prosopography and Gazet-teer (Leiden 1997) 773. Zur Neugestaltung von Sardeis im 3. Jh. v. Chr. s.S.Sherwin-White A.Kuhrt, From Samarkhand to Sardis (London 1993) 180184.

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  • Marmorkugeln fr Artemis 75

    und vielleicht sogar den Tem pelneubau entscheidend gefrdert hat61. Dass sie 254 v. Chr. in Sardeis verstarb62, vermag einer solchen Verbindung zustzliches Gewicht zu verleihen.

    Es gbe also durchaus Anhaltspunkte fr eine exzeptionelle Verbindung von Himmelsgloben mit dem Artemisheiligtum von Sardeis, so dass ihr Fehlen in Ephesos dem vermuteten inhaltlichen Bezug auf Funktionsbereiche der Arte-mis Ephesia nicht widersprechen muss. Es ist damit allerdings noch nicht er-klrt, welche konkrete Absicht mit der offenbar exklusiv von Priesterinnen und einer Angehrigen der hellenistischen Herrscherdynastie vollzogenen Weihung eines solchen Himmelsglobus verbunden gewesen sein knnte. Was htten die Stifterinnen mit der Darbringung dieses Votivgegenstandes be-zweckt, in welchen Dialog wren sie mit der Gottheit und dem Heiligtums-besucher getreten?

    Dass es sich hierbei um Ausstattungsgegenstnde fr das Heiligtum han-delte, wie sie an vielen Kultorten vornehmlich von Priesterinnen gestiftet wurden63, ist eher unwahrscheinlich, wrde man in diesem Fall doch Globen erwarten, die mit Sphren, Sternen oder Tierkreiszeichen versehen sind. Nimmt man an, dass auch die jungfruliche Stratonike im Dienst der Gttin stand und die ausschlieliche Verbindung der brigen Kugeln mit Priesterin-nen nicht dem Zufall der berlieferung zuzuschreiben ist, liegt es dagegen nahe, eine Beziehung zur Ausbung des Priesteramtes zu vermuten. Mg-licherweise oblag ja den Priesterinnen der sardischen Artemis die spezifische Aufgabe der Himmelsdeutung, um das Schicksal einzelner Mitglieder der Kultgemeinschaft oder sogar der Stadt zu ergrnden, wobei sie sich eines Him-melsglobus als Kultgert bedient haben knnten. Vor einem solchen Hinter-grund wre die bloe Marmorkugel als unverwechselbares Attribut des spezifi-schen Dedikantinnen-Kreises jedem leicht verstndlich gewesen. Dass die Globen un beschrieben waren, mag hierbei vielleicht sogar beabsichtigt gewe-sen sein knnte er dergestalt doch das unbekannte Schicksal der Priesterin-nen ver krpert haben, die es auf diese Weise in die Hand der Gttin legten und gewissermaen um ein gnstiges Lebenslos baten.

    61 Zur Verbindung mit den Seleukiden eher skeptisch Bringmann Steuben a. O. (Anm. 13) 296 f. (Kommentar zu KNr.: 259 [E]).

    62 Zeitpunkt und Ort ihres Todes berliefern babylonische Keilschrifttafeln, vgl. A. J. Sachs H.Hunger, Astronomical Diaries and Related Texts from Babylonia II: Dia-ries from 261 B.C. to 165 B.C. (Wien 1989) 33 zu Nr. 253.

    63 Vgl. U.Kron, Priesthoods, Dedications and Euergestism. What Part Did Religion Play in the Political and Social Status of Greek Women?, in: P.Hellstrm B.Alroth (Hrsg.), Religion and Power in the Ancient Greek. Proceedings of the Uppsala Symposium 1993, Bo reasUpps 24 (Stockholm 1996) 149155; G.Schrner, Votive im rmischen Griechenland (Stuttgart 2003) 79, der in diesen Fllen von Nutzwei-hungen spricht.

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  • 76 Helga Bumke

    Freilich muss beim jetzigen Erkenntnisstand jeder Versuch, die mit diesen auer-gewhnlichen Kugeln verbundenen konkreten Aussagen zu rekonstruieren, hypothetisch bleiben. Dennoch ist es gelegentlich hilfreich und zuweilen sogar notwendig, einen solchen Weg zu beschreiten, um zu einem Verstndnis von Objekten vorzudringen, die vllig vereinzelt auf uns gekommen sind. Das gilt um so mehr, wenn es sich um Zeugnisse handelt, die aufgrund ihrer unzugng-lichen inhaltlichen Bedeutung vllig in Vergessenheit geraten und auf diese Weise wieder oder vielmehr erstmals in den Blick der Forschung gelangen.

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