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Michael, Christina Kinder mit Autismus Möglichkeiten der Unterstützung für betroffene Familien in Sachsen eingereicht als BACHELORARBEIT an der HOCHSCHULE MITTWEIDA (FH) UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES Fachbereich Soziale Arbeit Roßwein, 2013

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Michael, Christina

Kinder mit Autismus

Möglichkeiten der Unterstützung für betroffene Familien in Sachsen

eingereicht als

BACHELORARBEIT

an der

HOCHSCHULE MITTWEIDA (FH)

UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES

Fachbereich Soziale Arbeit

Roßwein, 2013

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Michael, Christina

Kinder mit Autismus

Möglichkeiten der Unterstützung für betroffene Familien in Sachsen

eingereicht als

BACHELORARBEIT

an der

HOCHSCHULE MITTWEIDA (FH)

UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES

Fachbereich Soziale Arbeit

Roßwein, 2013

Erstprüfer: Herr Prof. Dr. Dr. Günter Zurhorst

Zweitprüfer: Herr Prof. Dr. Stefan Busse

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Bibliographische Beschreibung:

Michael, Christina:

Kinder mit Autismus – Möglichkeiten der Unterstützung für betroffene

Familien in Sachsen. 43 Seiten

Roßwein, Hochschule Mittweida/Roßwein (FH), Fakultät Soziale Arbeit,

Bachelorarbeit, 2013

Referat:

Die vorliegende Bachelorarbeit setzt sich mit den Herausforderungen,

denen Angehörige von Kindern mit Autismus in ihrem Familienalltag

ständig ausgesetzt sind auseinander. Diese stellen für betroffene Eltern

und Geschwister oftmals eine Belastung dar, weswegen in der

vorliegenden Arbeit dargestellt werden soll, mit welchen

Unterstützungsmöglichkeiten der Sozialen Arbeit die Familien entlastet

werden können. Die Darstellung der Unterstützungsmöglichkeiten

beschränkt sich ausschließlich auf Sachsen.

Der Schwerpunkt der Arbeit liegt dabei auf einer intensiven Literatur- und

Internetrecherche, die die Grundlage dieser Arbeit bildet. Durch sie sollen

vorhandene Problemstellungen der Familien ermittelt und

dementsprechend Hilfsmöglichkeiten dargestellt werden.

Während der Erarbeitung wurden Experteninterviews und schriftliche

Befragungen mit Pädagogen aus dem Therapie- und Betreuungsbereich

von Kindern mit Autismus geführt. Diese stellen keine empirische

Untersuchung im Sinne einer Beweisführung dar, sondern vermitteln

vielmehr einen praktischen Bezug zur wissenschaftlichen Literatur.

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Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis 5

1. Einleitung 6

2. Autismus – „Die unsichtbare Behinderung“ 8

2.1. Geschichtlicher Abriss 8

2.2. Definition nach ICD-10 und DSM-IV 8

2.3. Arten von Autismus 9

2.3.1. Frühkindlicher Autismus (Kanner-Syndrom) 9

2.3.2. Asperger-Syndrom 10

2.3.3. Weitere tiefgreifende Entwicklungsstörungen 10

2.4. Ätiologie autistischer Störungen 11

2.5. Prävalenz und Geschlechterverteilung autistischer

Störungen 12

2.6. Diagnoseverfahren und Differentialdiagnose 12

2.7. Ausgewählte Therapiemöglichkeiten 14

2.8. Autismus vs. Geistiger Behinderung 15

3. Der besondere Familienalltag mit einem durch Autismus

behindertem Kind 16

3.1. Was bedeutet die Diagnose Autismus des eigenen Kindes

für die Eltern? 16

3.1.1. Umgang mit Verdacht, Erstreaktionen und

Bewältigungsstrategien der Eltern 16

3.1.2. Wie sich die Einstellung zum eigenen Kind verändert

oder verändern kann 17

3.2. Die spezielle Erziehung eines Kindes mit Autismus 18

3.3. Spannungen in den Beziehungen der

Familienmitglieder untereinander 20

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3.3.1. „Ich bin auch noch da!“ – Geschwisterkinder 20

3.3.1.1. Die konfliktbehaftete Lage der Eltern 20

3.3.1.2. Die konfliktbehaftete Lage der

Geschwisterkinder und Chancen für ihr

weiteres Leben 22

3.3.2. „Kann unsere Ehe das aushalten?“ – Auswirkungen

auf die Partnerschaft 23

3.3.2.1. Rollenungleichgewicht in der

Partnerschaft 24

3.3.2.2. Schutzfaktoren für die Partnerschaft 25

3.4. Gestaltung von Übergängen im Leben des Kindes 26

3.4.1. Wahl eines geeigneten Kindergartens 26

3.4.2. Wahl einer geeigneten Schule 27

4. Möglichkeiten der Unterstützung für Familien in Sachsen 28

4.1. Die Rolle der Sozialen Arbeit in der Autismustherapie und

–betreuung 28

4.2. Hilfsmöglichkeiten im Rahmen sozialgesetzlicher

Bestimmungen 29

4.3. Einrichtungen der Autismustherapie und –betreuung in

Sachsen 31

4.4. Unterstützungsangebote für Angehörige von Kindern mit

Autismus in Sachsen 33

4.5. Ansatzpunkt der Sozialen Arbeit in der Autismustherapie

und –betreuung durch den TEACCH Ansatz 34

4.5.1. Entstehung und Zielsetzung von TEACCH 35

4.5.2. Prinzipien von TEACCH 35

4.5.3. Strukturierung und Visualisierung 36

4.5.4. Welchen Nutzen hat TEACCH für Eltern und andere

Familienangehörige? 37

4.5.5. Weitere Interventionsmöglichkeiten der Sozialen

Arbeit 38

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5. Interviews mit vier Pädagogen aus dem Bereich der

Autismustherapie und –betreuung 39

5.1. Methodisches Vorgehen 39

5.2. Darstellung der Interviewauswertungen anhand des

Kategoriensystems 40

5.3. Zusammenfassung der Interviews 45

6. Schlusswort 47

Anhang I

Anlage I – Interviewleitfaden I

Anlage II – Interview Herr Schneider III

Anlage III – schriftliche Befragung Herr Schneider XXIX

Anlage IV – Interview Frau Oehmichen XXXII

Anlage V – schriftliche Befragung Frau Scholz XLVI

Anlage VI – schriftliche Befragung Frau Müller XLIX

Literaturverzeichnis

Selbstständigkeitserklärung

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Abkürzungsverzeichnis

ABA Applied Behavior Analysis; angewandte

Verhaltensanalyse

ADHS Aufmerksamkeitsdefizit- /

Hyperaktivitätsstörung

ASS Autismus-Spektrum-Störung

DSM-IV Diagnostic and Statistical Manual of Mental

Disorders 4

F fünftes Kapitel im ICD-10

FC Facilitated Communication; Gestützte

Kommunikation

FED Familienentlastender Dienst

ICD-10 International Classification of Diseases 10

PECS Picture Exchange Communication System

RV Regionalverband

SGB VIII Sozialgesetzbuch Achtes Buch

SGB IX Sozialgesetzbuch Neuntes Buch

SGB XI Sozialgesetzbuch elftes Buch

SGB XII Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch

SOKO Soziales Kompetenztraining

SPFH Sozialpädagogische Familienhilfe

SPZ Sozialpädiatrisches Zentrum

TEACCH Treatment and Education of Autstic and related

Communication handicapped Children

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1. Einleitung

Autismus ist ein Thema von aktueller Relevanz. Das Interesse der

Öffentlichkeit hat in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren stetig

zugenommen. Dies liegt nicht zuletzt an der Produktion von Filmen wie

„Rainman“ und „Snow Cake“, sondern auch an Büchern wie Axel Brauns

Autobiografie „Bundschatten und Fledermäuse“. Bei autistischen

Störungen handelt es sich um „früh beginnende, zahlreiche somatische,

psychologische und Alltagsfunktionen beeinträchtigende, überdauernde

Verhaltensprobleme“ (Kamp-Becker, Bölte 2011, 11). Diese

Beeinträchtigungen äußern sich in der zwischenmenschlichen Interaktion,

der Kommunikation und in Form von eingeschränkten, stereotypen,

repetitiven Interessensbereichen und Verhaltensmustern. Axel Brauns gab

einleitend zu seiner Autobiografie eine treffende Beschreibung für

Autismus ab: „Die Höflichkeit hat viele Näpfchen aufgestellt, in die man

treten kann. Autisten sind Meister darin, keines auszulassen“ (Brauns

2004, 2).

Am Ende des Studiums galt es, ein Thema für die anstehende

Bachelorarbeit zu entwickeln. In einem Praktikum in einer Werkstatt für

Menschen mit Behinderung kam ich erstmals mit Menschen mit Autismus

in Verbindung. Am Thema Autismus beeindruckt mich, dass man in der

pädagogischen Arbeit immer wieder aufs Neue herausgefordert wird, da

jeder Mensch mit Autismus anders ist und andere Verhaltensweisen zeigt.

Mit meiner Bachelorarbeit möchte ich bei den Lesern mehr

Bewusstsein für Autismus im Allgemeinen und im Besonderen für die

problembehaftete Situation sowie die Chancen der betroffenen Familien

als auch für den Stellenwert der Sozialen Arbeit im Bereich der

Autismustherapie und -betreuung schaffen. Ich setze mich in dieser Arbeit

mit der Situation der Familien, den vorhandenen

Unterstützungsmöglichkeiten und mit dem Inhalt der Sozialen Arbeit im

Autismusbereich auseinander, da dieser ein zukünftiges Arbeitsfeld für

mich darstellen kann.

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, mit Hilfe von Literatur- und

Internetrecherche herauszuarbeiten, wie der Autismus des Kindes die

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Alltagsbewältigung der Familie beeinflusst. Eingeschlossen werden dabei

auch vorherrschende Herausforderungen der Familie. Auf Grundlage

dessen sollen Möglichkeiten der Unterstützung abgeleitet werden. Dabei

wird der Nutzen für die betroffenen Familien und der Stellenwert der

Sozialen Arbeit in diesem Unterstützungsrahmen berücksichtigt. Die

Hypothese bzw. Fragestellung der Arbeit lautet dementsprechend: Das

Leben von Familien mit einem von Autismus betroffenem Kind bringt

vielfältige Konflikte mit sich. Ist im Rahmen der Sozialen Arbeit eine

Entlastung in deren Familienalltag möglich?

Die vorliegende Arbeit gliedert sich in vier Themenbereiche. Kapitel 2 gibt

einen theoretischen Einblick in die Thematik Autismus inklusive Diagnostik

und möglichen Therapieansätzen. Kapitel 3 beschäftigt sich mit dem

Familienalltag betroffener Familien. In Kapitel 4 findet eine

Auseinandersetzung mit Unterstützungsmöglichkeiten für betroffene

Familien in Sachsen und TEACCH als möglichem Ansatzpunkt der

Sozialen Arbeit statt. Nach der theoretischen Bearbeitung der

Fragestellung wird in Kapitel 5 in Form der Auswertung von

Experteninterviews ein praxisorientierter Einblick zum Thema gegeben.

Aufgrund der besseren Lesbarkeit beschränke ich mich auf die

männliche Form der Personenbezeichnungen, gemeint sind aber immer

beide Geschlechter. Zudem verzichte auf die durchgehende

Doppelnennung von Kindern und Jugendlichen. Mit Kindern sind immer

die von Autismus betroffenen Kinder der Eltern gemeint. Des Weiteren

werden die Berufsbezeichnungen des Sozialpädagogen und

Sozialarbeiters synonym füreinander verwandt.

Ich möchte mich hiermit bei Herrn Prof. Dr. Dr. Günter Zurhorst für die

wissenschaftliche Betreuung der Bachelorarbeit und der mir

entgegengebrachten Geduld bedanken. Daneben gilt mein Dank Herrn

Prof. Dr. Stefan Busse für die Zweitbegutachtung. Ebenso möchte ich

mich bei meinen Interviewpartnern aus dem Praxisfeld Autismus und bei

den Eltern bedanken, die mir bereitwillig Auskunft über das Leben mit

einem Kind mit Autismus gaben. Den Eltern gilt mein tiefster Respekt für

die Bewältigung der Herausforderungen in ihrem Familienalltag.

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2. Autismus – „Die unsichtbare Behinderung“

2.1. Geschichtlicher Abriss

Den Begriff Autismus führte 1911 der schweizer Psychiater Eugen Bleuler

ein und verstand unter diesem ein „Grundsymptom der Schizophrenie“

(Remschmidt 2005, 9). Nach diesem Autismus-Begriff ist für schizophren

Erkrankte charakteristisch „sich in eine gedankliche Binnenwelt

zurück[zu]ziehen, zunehmend weniger Kontakt zu … [seinen]

Mitmenschen aufrechtzuerhalten und sich traumhaft-phantastischen

Gedanken in sich gekehrt und umweltabgewandt hinzugeben“ (ebd.).

Somit beschrieb er schon damals die typischen Symptome von Autismus,

allerdings im Zusammenhang schizophrener Erkrankungen. Auf der

Grundlage der Begriffsdefinition von Bleuler veröffentlichten fast

gleichzeitig und unabhängig voneinander der amerikanische

Kinderpsychiater Leo Kanner (1943) und der österreichische Pädiater

Hans Asperger (1944) Artikel über autistische Störungsbilder bei Kindern.

2.2. Definition nach ICD-10 und DSM-IV

In den internationalen Klassifikationssystemen psychischer Störungen

(ICD-10 und DSM-IV) wird Autismus mit allen Arten unter den

tiefgreifenden Entwicklungsstörungen beschrieben.

Im ICD-10 werden die tiefgreifenden Entwicklungsstörungen unter dem

Kapitel F84, genauer in F84.0 bis F84.9, dargestellt. Dilling et al.

charakterisieren tiefgreifende Entwicklungsstörungen als „eine Gruppe von

Störungen, die durch qualitative Beeinträchtigungen in gegenseitigen

sozialen Interaktionen und Kommunikationsmustern sowie durch ein

eingeschränktes, stereotypes, sich wiederholendes Repertoire von

Interessen und Aktivitäten … [gekennzeichnet] sind“ (Dilling et al. 2011,

343).

Im DSM-IV befinden sich die tiefgreifenden Entwicklungsstörungen unter

dem Kapitel 299.xx. Kapitel 299.00 beschreibt die Autistische Störung

(frühkindlicher Autismus), 299.10 die desintegrative Störung im

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Kindesalter, 299.80 die Rett-Störung, die Asperger-Störung und die nicht

näher bezeichnete tiefgreifende Entwicklungsstörung einschließlich

atypischen Autismus. Saß et al. betonen in ihrer Definition der

tiefgreifenden Entwicklungsstörungen besonders die Schwere der

Beeinträchtigung (vgl. Saß et al. 1998, 102).

2.3. Arten von Autismus

In beiden international gebräuchlichen Klassifikationen werden für den

frühkindlichen Autismus und das Asperger-Syndrom folgende

Klassifikationsmerkmale festgeschrieben: qualitative Beeinträchtigungen

in der sozialen Interaktion, qualitative Beeinträchtigungen der

Kommunikation und eingeschränkte Interessen und stereotype

Verhaltensmuster sowie bei frühkindlichen Autismus ein Beginn bzw. eine

Manifestation vor dem dritten Lebensjahr. Im Anschluss an die

Charakterisierung dieser zwei häufigsten Formen des Autismus werden

weitere tiefgreifende Entwicklungsstörungen kurz dargestellt.

2.3.1. Frühkindlicher Autismus (Kanner-Syndrom)

Ist ein Kind von frühkindlichem Autismus betroffen, bemerkt man das

schon sehr früh am auffälligen Blickkontakt des Kindes, „dieser kann

deutlich reduziert oder inkonsistent sein oder wie ein ‚Hindurchblicken‘

erscheinen“ (Kamp-Becker, Bölte 2011, 13). Gestik und Mimik setzen

diese Kinder kaum ein und das soziale Lächeln in Reaktion auf das

Lächeln der Bezugsperson(en) ist deutlich reduziert (vgl. ebd.). Sie

senden nur in geringem Ausmaß soziale Signale aus.

Beziehungsaufnahmen zu Gleichaltrigen und der Ausdruck von Gefühlen

finden kaum bis gar nicht statt. Beeinträchtigungen in der verbalen

Kommunikation äußern sich in der Form, dass die Sprachentwicklung

verzögert ist oder völlig ausbleibt. Es kann zu einer veränderten

Sprachmelodie (Echolalien) kommen und die soziale Sprache fehlt

komplett. Charakteristisch für frühkindlichen Autismus ist, dass Betroffene

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in ihrer Alltagsstruktur an starren Routinen festhalten und in Situationen

plötzlicher Veränderung mit großem Widerstand reagieren. Man kann bei

Menschen mit frühkindlichem Autismus schon fast von einer

„Veränderungsangst“ sprechen (Remschmidt 2005, 16). Um die Diagnose

des frühkindlichen Autismus zu erfüllen, müssen die eben beschriebenen

Symptome vor dem dritten Lebensjahr erstmalig aufgetreten sein bzw.

sich bis zum Erreichen des dritten Lebensjahres manifestiert haben.

2.3.2. Asperger-Syndrom

Frühkindlicher und Asperger-Autismus haben als Gemeinsamkeit die

qualitativen Beeinträchtigungen in der sozialen Interaktion. Unterschiede

im Krankheitsbild bestehen allerdings in der Sprachentwicklung und der

kognitiven Entwicklung. „Im Gegensatz zum frühkindlichen Autismus

fehlen beim Asperger-Syndrom die verzögerte Sprachentwicklung sowie

auch die Einschränkungen der kognitiven Entwicklung“ (Kamp-Becker,

Bölte 2011, 18). Vielmehr fangen diese Kinder relativ früh mit dem

Sprechen an. Sie „… fallen mitunter durch eine sprachlich recht

ungewöhnliche Ausdrucksweise auf …“ (ebd.). Auch hinsichtlich ihres

Intelligenzniveaus bewegen sich diese Kinder im mittleren bis oberen

Normbereich. Des Weiteren verfügen Kinder mit Asperger-Syndrom über

ungewöhnlich ausgeprägte Spezialinteressen. Sie beschäftigen sich in

einer monotonen und repetitiven Art und Weise sowie in einem

ungewöhnlichen Ausmaß mit „sehr umschriebenen Wissensgebieten“

(Remschmidt 2005, 42). Diese Beschäftigung dient allerdings nicht dem

allgemeinen Interesse. „Manchmal besteht auf bestimmten

Wissensgebieten ein geradezu lexikalisches Wissen, das jedoch nicht

angewandt werden kann, es überwiegt die reine Wissensspeicherung“

(ebd., 44).

2.3.3. Andere tiefgreifende Entwicklungsstörungen

Die Diagnose Atypischer Autismus wird gestellt, wenn sich die

charakteristischen Symptome des frühkindlichen Autismus erst nach dem

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dritten Lebensjahr manifestieren oder nicht alle Kriterien des

frühkindlichen Autismus erfüllt werden. In der ICD-10 werden zwei

Varianten des atypischen Autismus unterschieden: Autismus mit

atypischen Erkrankungsalter (Manifestation nach dem dritten Lebensjahr)

und Autismus mit atypischer Symptomatologie (Manifestation vor dem

dritten Lebensjahr, aber nicht alle Kriterien des frühkindlichen Autismus

erfüllt) (vgl. Remschmidt 2005, 62).

Das Rett-Syndrom ist eine eindeutig zum Autismus abzugrenzende

Krankheit, dennoch zählt sie zu den tiefgreifenden Entwicklungsstörungen.

Ursache ist eine Mutation des X-Chromosoms. Das Rett-Syndrom kommt

fast ausschließlich bei Mädchen vor, bei Jungen führt es, bis auf ganz

wenige Ausnahmen, zum Tod. Ist ein Kind vom Rett-Syndrom betroffen,

vollzieht sich seine allgemeine Entwicklung bis zur Manifestation zwischen

dem siebten und 24. Lebensmonat weitestgehend „normal“. Remschmidt

charakterisiert das Krankheitsbild folgendermaßen: „vollständiger Verlust

des zielgerichteten Gebrauchs der Hände, Verlust oder Teilverlust der

Sprache und eigenartige ‚windende‘ Bewegungsstereotypien der Hände“

(Remschmidt 2005, 63f.). Bisher gibt es keine Therapiemöglichkeiten, da

noch nicht alle Faktoren der Krankheit erforscht bzw. bekannt sind.

2.4. Ätiologie autistischer Störungen

Bei der ätiologischen Betrachtung autistischer Störungen kann zuallererst

davon ausgegangen werden, dass Autismus nicht durch elterliches

Erziehungsverhalten verursacht wird (vgl. Brealy, Davies 2009, 20). Über

viele Jahre wurde versucht mit Hilfe von Thesen der Psychogenese die

Entstehung autistischer Störungen zu erklären. Allerdings konzentriert sich

die Ursachenforschung in den letzten Jahren intensiver auf biologische

Ursachen. Sehr wahrscheinlich stellen Hirnschädigungen und

Hirnfunktionsstörungen eine wesentliche Rolle in der Ätiologie autistischer

Störungen dar (vgl. Autismus Hamburg e.V., 03.11.2012). Des Weiteren

geht man davon aus, dass genetische Faktoren, untersucht in Familien-

und Zwillingsstudien, in der Ursachenforschung von Bedeutung sein

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können. Zudem sind prä- und perinatale Komplikationen und

Umweltfaktoren für die Entstehung autistischer Störungen denkbar.

2.5. Prävalenz und Geschlechterverteilung autistischer Störungen

Über viele Jahre wurde davon ausgegangen, dass unter 10.000 Personen

vier bis fünf eine autistische Störung aufweisen (vgl. Kamp-Becker, Bölte

2011, 25). In neueren Studien finden sich Prävalenzen von 60 – 100 unter

10.000 Personen (ebd.) Auf Sachsen hochgerechnet sind das

durchschnittlich ca. 32.000 Betroffene. Man könnte vermuten, dass es sich

hierbei um einen tatsächlichen Anstieg handelt, vielmehr waren aber die

älteren Schätzungen ungenau. Vermutlich wurden früher mildere

Varianten von autistischen Störungen nicht als solche diagnostiziert (vgl.

ebd., 26). Diese Prävalenzsteigerung lässt sich allgemein mit dem Wandel

diagnostischer Möglichkeiten erklären. Des Weiteren erhöht sich bei der

Bevölkerung zunehmend die Aufmerksamkeit gegenüber autistischen

Symptomen und bei Experten wächst das Bewusstsein für ASS.

Bezüglich der Geschlechterverteilung ist festzustellen, dass abgesehen

vom Rett-Syndrom, wovon fast ausschließlich Mädchen betroffen sind,

Autismus eine deutliche „Knabenwendigkeit“ (Steinhausen 2002, 58)

aufweist.

2.6. Diagnostik und Differenzialdiagnose

Erhärtet sich bei den Eltern der Verdacht, ihr Kind könnte von einer

autistischen Störung betroffen sein, kann es noch sehr lange dauern bis

die endgültige Diagnose gestellt wird. Heute findet die Diagnostik i.d.R.

zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr statt. Allerdings ist dieser

Diagnosezeitpunkt bei den entsprechenden Diagnostikern noch nicht

flächendeckend verbreitet. Es ist äußerst wichtig, dass die Diagnostik so

früh wie möglich erfolgt, da sich sonst Verhaltensprobleme und bestimmte

Gewohnheiten verfestigen können.

„Eine zuverlässige Diagnostik einer Autismus-Spektrum-Störung erfordert

die gezielte, entwicklungsorientierte und auf die Symptome bezogene

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Befragung der Eltern und eine strukturierte Beobachtung der Betroffenen

unter Anwendung standardisierter Interview- und Beobachtungsverfahren“

(autismus Köln/ Bonn e.V., 03.11.2012).

Folgende Verfahren kommen in der Autismusdiagnostik überwiegend zur

Anwendung:

M-CHAT (Modified Checklist for Autism Toddlers)

FSK (Fragebogen zur sozialen Kommunikation)

MBAS (Marburger Beurteilungsskala zum Asperger-Syndrom)

ADI-R (Diagnostisches Interview für Autismus)

ADOS (Diagnostische Beobachtungsskala für autistische

Störungen)

Weitere notwendige Diagnoseverfahren sind eine körperlich-neurologische

Untersuchung um Grunderkrankungen (z.B. Hörstörungen)

auszuschließen und um mögliche grob- und feinmotorische

Schwierigkeiten festzustellen (vgl. Kamp-Recker, Bölte 2011, 64). Die

oben genannten Fragetests werden von Fachärzten, aber auch von

Sozialpädagogen und allen anderen in der Autismusdiagnostik Tätigen

durchgeführt.

Die Diagnostikinstrumente beschreiben ausschließlich Defizite und

berücksichtigen in keinster Weise die Individualität der Kinder. Für alle an

der Diagnostik beteiligten Disziplinen ist jedoch die

Ressourcenorientierung von essenzieller Bedeutung, da sonst die Gefahr

besteht in einen Zustand der Problemtrance zu geraten.

Neben dem eben beschriebenen Diagnoseverfahren ist eine

differenzialdiagnostische Einschätzung von hoher Relevanz. Am

häufigsten erfüllen Kinder mit einer ASS die Kriterien für eine komorbide

ADHS. Des Weiteren können bei Autismus zwangsähnliche

Verhaltensweisen auftreten. In besonders stressigen Situationen oder bei

unerwarteten Veränderungen kann es zu angstähnlichen Zuständen

kommen. Kamp-Becker und Bölte sind der Auffassung, dass Jugendliche

mit Autismus besonders in der Pubertät zu Depressionen neigen, „wenn

sie beginnen, ein Empfinden für ihre Andersartigkeit zu entwickeln, und

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ihre soziale Isolation zunehmend als sehr bedrückend erleben“ (Kamp-

Becker, Bölte 2011, 23).

2.7. Ausgewählte Therapiemöglichkeiten

Im Bereich der Behandlung von Menschen mit Autismus existiert eine

Vielfalt von möglichen Therapieansätzen. Grundsätzlich ist bei allen

Behandlungsansätzen zu beachten, dass Autismus nicht heilbar und

immer auf den konkreten Einzelfall abzustimmen ist. Durch entsprechende

Therapie können allerdings die Symptome gemildert und

Verhaltensänderungen gefördert werden.

„Manche Kinder mit ASS können einfach nicht abschalten“ (Brealy, Davies

2009, 89). In solchen Fällen kann die Einnahme von Neuroleptika hilfreich

sein. Sie können motorische Unruhe, Affektdurchbrüche, Erregungen etc.

günstig beeinflussen. Die Pharmakotherapie sollte jedoch nicht die

Basistherapie darstellen, sondern immer ergänzend zu anderen

(Verhaltens-)Therapien oder als zeitlich befristete Krisenintervention

angewandt werden.

Die ABA nach Ivar Lovaas ist eine Methode, welche sehr individuell auf

das Kind zugeschnitten wird und auf das Erlernen von Fertigkeiten abzielt.

Dieses Erlernen erfolgt in kleinsten, für die Kinder erreichbaren Schritten

und ist sehr strukturiert. Jeder kleinste Erfolg des Kindes wird positiv

verstärkt. Dennoch wird solange an einem Ziel gearbeitet bis dieses

erreicht und generalisiert wurde. ABA stellt eine zeitlich sehr aufwendige

Methode dar und erfordert entsprechend intensive Schulungen der

behandelnden Personen.

1966 entwickelte Eric Schopler das TEACCH-Programm. TEACCH stellt

keine eigenständige Therapiemethode dar, sondern ist ein „Rahmengerüst

zur Förderung und Erziehung von autistischen Menschen“ (Kamp-Becker,

Bölte 2011, 80). TEACCH wird in Kapitel 4 genauer erklärt.

PECS zielt auf die Förderung einer spontanen Kommunikation von

Menschen mit Autismus ab und lehrt sie, wie man eigene Anliegen

ausdrückt bzw. anderen mitteilt. Je früher mit dem Training begonnen

wird, desto besser wirkt es sich auf das Kommunikationsverhalten der

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Kinder aus. PECS vollzieht sich in sechs Phasen, in denen das Kind

schrittweise lernt wie es mit immer weniger bzw. ohne Hilfestellungen

eigene Anliegen formulieren und ausdrücken kann. Es ist einfach

anzuwenden und benötigt keine teure Ausstattung oder spezielle

Ausbildung.

Ein unverzichtbarer Schwerpunkt in der Therapie eines Kindes mit

Autismus stellt die kontinuierliche Eltern- und Familienarbeit dar (vgl.

Steinhausen 2002, 64). „Dabei geht es … ganz wesentlich um die

psychologische Betreuung von Eltern und Familien mit einem autistischen

Kind“ (ebd.).

2.8. Autismus vs. Geistiger Behinderung

Autismus ist nicht mit geistiger Behinderung gleichzusetzen. Kamp-Becker

und Bölte berichten von früheren Untersuchungen, die davon

ausgegangen sind, dass drei Viertel aller Menschen mit Autismus eine

geistige Behinderung aufweisen (vgl. Kamp-Becker, Bölte 2011, 27).

Neuere Untersuchungen zeigten, dass „30 % der Betroffenen eine milde

bis moderate Beeinträchtigung der Intelligenz aufweisen, 40 % eine

deutliche geistige Behinderung zeigen und 30 % über eine

durchschnittliche Intelligenz verfügen“ (ebd.). In Anlehnung an Kamp-

Becker und Bölte fanden sich sogar Studien, in denen die Betroffenheit

von geistiger Behinderung von Menschen mit Autismus noch geringer war

als die o.g. Prozentzahlen: 29 % bis 60 % besaßen einen

durchschnittlichen bis überdurchschnittlichen Intelligenzquotienten (vgl.

ebd.).

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3. Der besondere Familienalltag mit einem durch Autismus

behindertem Kind

3.1. Was bedeutet die Diagnose Autismus des eigenen Kindes für

die Eltern?

3.1.1. Umgang mit Verdacht, Erstreaktionen und

Bewältigungsstrategien der Eltern

Postnatale Auffälligkeiten von Autismus, wie z.B. der gestörte

Blickkontakt, werden von den Eltern zwar wahrgenommen, allerdings in

der Regel nicht als Anzeichen für Autismus gedeutet. Mit der Zeit werden

Auffälligkeiten allerdings offensichtlicher. Hegen die Eltern den Verdacht

mit ihrem Kind würde etwas nicht stimmen, ist der erste Anlaufpunkt der

zuständige Kinder- oder Hausarzt. Ein Problem, welches sich nun zeigen

kann, ist die mitunter „Unwissenheit“ der Ärzte über Autismus. Geraten

Eltern an einen für Autismus fachkompetenten Arzt, „ist … die halbe

Schlacht schon gewonnen“ (Brealy, Davies 2009, 132). „Nach diesem

ersten Arztbesuch … [kann] für sie [aber auch] ein Weg [beginnen], den

viele [betroffene] Eltern [leidvoll] kennen: der Weg von einem Spezialisten

zum anderen“ (Finger 2000, 50).

Wurde die Diagnose Autismus schließlich gestellt, reagieren Eltern ganz

unterschiedlich auf diese neue Situation. Viele Eltern sind im ersten

Moment schockiert über die Diagnose, denn „eine Behinderung, die man

sehen kann, [lässt sich] … leichter … akzeptieren als eine geistige oder

seelische Behinderung“ (Brealy, Davies 2009, 21). Das Schockerleben

verstärkt sich insbesondere, wenn die Diagnose der Behinderung wenig

feinfühlig mitgeteilt wurde (vgl. Cloerkers 1997, 244 f.). Manche Eltern

reagieren im ersten Moment auf die Diagnose mit Abwehrverhalten. Sie

verleugnen zuerst die Situation, dass ihr Kind von einer Behinderung

betroffen ist, projizieren die Schuld an der Behinderung ihres Kindes auf

andere Personen (den Arzt, den Partner etc.) oder verfallen in

Selbstvorwürfe (Habe ich denn in der Schwangerschaft etwas falsch

gemacht?) und Schuldzuweisungen gegenüber sich selbst.

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Wurde der erste Schock überwunden, beginnen die Eltern Strategien zur

Bewältigung ihrer neuen Situation zu entwickeln. Die Verdrängung der

Situation kann einen ersten Bewältigungsversuch darstellen. Mit der Zeit

erlangen die Eltern dann aber die „Erkenntnis des Miteinander-leben-

müssens“ (Kerkhoff 1981, 46, zit. n. Cloerkers 1997, 247). Gemäß

Schuchardt vollzieht sich die Krisenverarbeitung in einem Lernprozess mit

acht Schritten: Im ersten Schritt besteht die, schon mehrfach

angesprochene, Ungewissheit. Wurde die Diagnose Autismus schließlich

gesellt, befinden sich die Eltern in einem Zustand der Gewissheit (zweiter

Schritt). Anschließend reagieren die Eltern mit Aggressionen (dritter

Schritt). Im vierten Schritt geraten die Eltern in einen Aus-bzw.

Verhandlungsprozess mit der Situation. Als fünftes verfallen die Eltern in

eine Phase der Depression mit eigenen Schuldvorwürfen und

Selbstzweifeln. Ist die Phase der Depression überwunden, beginnen die

Eltern die neue Situation anzunehmen (sechster Schritt) und werden nun

aktiv sich Unterstützung und Hilfe organisieren (siebter Schritt). Im letzten

und achten Schritt solidarisieren und akzeptieren sie den Autismus ihres

Kindes. (vgl. Schuchardt 1996, 26, zit. n. Cloerkers 1997, 247) Bei diesem

Modell handelt es sich um einen möglichen Verlauf der Verarbeitung und

Bewältigung, d.h. das nicht alle Schritte vollständig und in der

beschriebenen Reihenfolge durchlaufen werden (müssen).

3.1.2. Wie sich die Einstellung zum eigenen Kind verändert oder

verändern kann

„Weil in unserer hochkomplexen Leistungsgesellschaft die intellektuellen

Fähigkeiten von Menschen so extrem hoch bewertet (man kann sagen:

überbewertet!) werden, muß die Enttäuschung [bei Eltern] besonders groß

sein, wenn sich die Behinderung [des Kindes beeinträchtigend] auf die

Intelligenz auswirkt“ (Cloerkers 1997, 244). Wurde bei dem Kind Asperger-

Syndrom diagnostiziert, ist es möglich, dass die Enttäuschung der Eltern

nicht die Ausmaße annimmt, wie sie eben beschrieben wurden. Erklärt

werden kann diese Tatsache damit, dass das Asperger-Syndrom im

Vergleich zu anderen Formen des Autismus eine mildere Variante

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darstellt, bei der die Betroffenen vergleichsweise „normal“ wirken und

somit Stigmatisierungen durch ihre Umwelt weniger ausgesetzt sind.

„Alle Eltern haben ein Bild vom ‚idealen Kind‘, das in jeder Hinsicht

vollkommen ist“ (Cloerkers 1997, 243). Werden sie nun mit der Diagnose

Autismus ihres Kindes konfrontiert, sind sie gezwungen ihre Erwartungen

an das Kind neu zu strukturieren, da es in manchen (Entwicklungs-)

Bereichen Auffälligkeiten im Gegensatz zu Kindern ohne Autismus zeigen

wird. Cloerkers geht zudem davon aus, dass die Einstellung der Eltern zu

ihrem (betroffenen) Kind einen Bezug zum Zeitpunkt des Erfahrens der

Diagnose aufweist. Erfahren die Eltern unmittelbar nach der Geburt des

Kindes, dass dieses von einer Behinderung betroffen ist, wird sich der

Blickwinkel der Eltern im weiteren Entwicklungsverlauf des Kindes

vorwiegend auf der Behinderung konzentrieren. Wird die Behinderung des

Kindes jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt, d.h. mehrere Monate

oder Jahre nach der Geburt, festgestellt, sind die Eltern nach Meinung von

Cloerkers unvoreingenommener und daher „eher in der Lage, einen

intensiven Kontakt mit dem Kind aufzunehmen“ (ebd., 244).

3.2. Die spezielle Erziehung eines Kindes mit Autismus

„Die Zukunft des Kindes im Auge zu haben und es bereits früh darauf

vorzubereiten, für sich sorgen zu können, ist das größte Geschenk, das

Eltern einem Kind machen können“ (Richman 2004, 105). Die Erziehung

eines Kindes mit Autismus ist in vielerlei Hinsicht eine andere als die eines

Kindes ohne Autismus. Sie erfordert einen höheren zeitlichen Aufwand

und muss in der Förderung des Kindes auf die charakteristischen

Merkmale von Autismus ausgerichtet werden.

Ein wichtiger Punkt in der Erziehung eines Kindes mit Autismus ist das

Vermitteln alltagspraktischer Fähigkeiten. „Je früher ein Kind zur

Selbstständigkeit erzogen wird, umso leichter lernt es das, was es zur

Bewältigung seines Alltags können muss“ (Richman 2004, 83). Die

Förderung der Selbstständigkeit (eigenständig Essen zubereiten, An- und

Ausziehen etc.) ist für die Eltern sehr zeitaufwendig. Dennoch ist es

wichtig, dass sie sich dafür die Zeit nehmen, da auch Kinder mit Autismus

Page 21: Kinder mit Autismus Möglichkeiten der Unterstützung für ... · PDF file1 Bibliographische Beschreibung: Michael, Christina: Kinder mit Autismus – Möglichkeiten der Unterstützung

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durch Versuch und Irrtum lernen. Das Kind kann diese Fähigkeiten am

einfachsten über die spielerische Ebene erlernen. Über das Spiel können

insbesondere auch die Interaktion bzw. Kommunikation zu Gleichaltrigen

trainiert und das Kind kann so auf ungewohnte Situationen vorbereitet

werden.

Kinder mit Autismus zeigen oft auch unerwünschtes Verhalten, wie z.B.

Autoaggressionen, selbststimulierendes Verbalverhalten, übermäßiges

Verlangen von Aufmerksamkeit etc. Eine mögliche Ursache für

unerwünschtes Verhalten kann das Abweichen von einer gewohnten

Struktur sein. Eltern neigen instinktiv dazu unerwünschtes Verhalten zu

bestrafen. Durch eine Bestrafung lernt das Kind jedoch nichts Neues dazu

und verbindet später mitunter die Bestrafung schnell mit der bestrafenden

Person. Für ein Kind mit Autismus ist es hilfreicher, wenn es Alternativen

zu seinem (unerwünschten) Verhalten beigebracht bekommt. Die

Konsequenzen auf ein Verhalten müssen direkt nach dessen Auftreten

erfolgen, da das Kind mitunter zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr

weiß warum es gemaßregelt wird. Verhaltensweisen, die positive Folgen

haben, wird das Kind mit Autismus mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder

zeigen. Im Gegensatz dazu ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass es

Verhaltensweisen mit negativen Folgen zeigen wird.

Da Kinder mit Autismus wesentliche Beeinträchtigungen in ihrem

Kommunikationsverhalten zeigen, ist es essentiell im Rahmen der

Erziehung die Kommunikationsfähigkeit zu verbessern. Kinder mit

Autismus lernen ein angemessenes Kommunikationsverhalten wie alle

alltagspraktischen Fähigkeiten am einfachsten über Spiele. Über Spiele

können Eltern mit ihrem Kind Blickkontakt, auf den eigenen Namen zu

reagieren sowie gegenseitige Konversation üben. Menschen zu begrüßen

und sie zu verabschieden ist wichtig für die Integration in der

Gemeinschaft. Um diese Höflichkeiten dem Kind mit Autismus

beizubringen, eigenen sich an dieser Stelle wieder Spiele. Ergänzend

können die Eltern aber auch mit PECS arbeiten.

Page 22: Kinder mit Autismus Möglichkeiten der Unterstützung für ... · PDF file1 Bibliographische Beschreibung: Michael, Christina: Kinder mit Autismus – Möglichkeiten der Unterstützung

20

3.3. Spannungen in den Beziehungen der Familienmitglieder

untereinander

3.3.1. „Ich bin auch noch da!“ – Geschwisterkinder

Ein Kind mit einer Behinderung jeglicher Art stellt für die Elternschaft eine

besondere Herausforderung dar, da das Kind einer intensiveren Fürsorge

bedarf. Dennoch bedürfen die nicht-betroffenen Kinder der Familie ebenso

der Aufmerksamkeit und Zuwendung ihrer Eltern. Können die Eltern ihre

Aufmerksamkeit bzw. Fürsorge nicht gerecht aufteilen, kann es zu

Schwierigkeiten in der Beziehung zwischen Eltern und den

Geschwisterkindern sowie zwischen dem Geschwister mit und dem

Geschwister ohne Behinderung kommen. Gute Beziehungen zwischen

den Geschwistern stellen allerdings ein „Unterstützungssystem [dar], auf

das die Geschwister ihr ganzes Leben lang zurückgreifen können [sollten]“

(Richman 2004, 133). Die Pflicht der Eltern ist es, dementsprechend ein

gutes geschwisterliches Verhältnis herzustellen.

Im Folgenden wird vorwiegend der Begriff der „Geschwisterkinder“

verwendet. Unter diesem Begriff werden Geschwister von Kindern mit

einer Behinderung verstanden. Diese Verwendung hat sich seit vielen

Jahren sowohl in der Fachliteratur als auch in vielen Institutionen

durchgesetzt (vgl. Grünzinger 2005, 13).

Die folgenden Ausführungen sind immer vom konkreten Einzelfall

abhängig und können nicht verallgemeinert werden. Sie stellen mögliche

Lebenssituationen von Geschwisterkindern und den betroffenen Eltern

dar.

3.3.1.1. Die konfliktbehaftete Lage der Eltern

Die Bewältigung des erwähnten Spagates gestaltet sich für die Eltern

mitunter als äußerst schwierig, da sie in ihrem (Familien-)Alltag ständig mit

der „Andersartigkeit“ ihres Kindes mit Autismus bzw. ihrer Familie

konfrontiert sind. In Alltagssituationen, wie z.B. beim Einkaufen, einem

Restaurantbesuch oder im Urlaub, bekommt die gesamte Familie immer

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21

wieder ihre „Andersartigkeit“ zu spüren. Passanten „gaffen“, haben Mitleid

mit der Familie oder reagieren völlig rücksichtlos auf sie. Diese Reaktionen

sind allerdings davon abhängig inwieweit der Autismus des Kindes für die

Umwelt sichtbar ist. Bei Kindern mit Autismus könnte sich diese

Rücksichtlosigkeit „in Grenzen halten“, da Autismus in der Regel (ohne

erhebliche geistige Behinderung) nicht sofort erkennbar ist. Die negativen

Reaktionen der Umwelt machen den Eltern die Behinderung ihres Kindes

immer wieder bewusst und lassen sie somit schneller an ihre Grenzen

geraten.

Durch die Stärkere Belastung im Alltag wird die intensive Aufklärung der

Geschwisterkinder seitens der Eltern über die störungsbedingten

Verhaltensweisen des Geschwisters oft vernachlässigt. Diese ist jedoch

für die Geschwisterkinder äußerst wichtig um die autismusspezifischen

Verhaltensweisen zu verstehen. „Dieses Verständnis überwindet

Verwirrung und Angst und ermöglicht Akzeptanz und Zuneigung

[gegenüber der Schwester oder des Bruders]“ (Richman 2004, 135).

Kinder orientieren sich immer am Handeln ihrer Eltern, die für sie

eine wichtige Vorbildfigur darstellen. Für Geschwisterkinder ist besonders

der Umgang ihrer Eltern mit dem Autismus des Geschwisters

ausschlaggebend. So lernen sie selbst mit dem Autismus der Schwester

oder des Bruders umzugehen.

Pädagogisch betrachtet, ist es für die Entwicklung der Geschwisterkinder

förderlich in den Hilfe- und Unterstützungsprozess mit eingebunden zu

werden, da sie früh lernen Verantwortung zu übernehmen und dadurch

schneller selbstständiger werden. Allerdings kann es schnell zur

„Überlastung [der Geschwisterkinder] durch [die] verstärkte Verantwortung

und Übernahme elterlicher Pflichten (besonders bei älterer Schwester)“

kommen (Cloerkes 1997, 254). Für die Eltern gilt der Grundsatz:

„Geschwisterkinder sind keine Ersatzeltern“ (Grünzinger 2005, 37). Das

Einbeziehen in die Betreuung des von Autismus betroffenen Geschwisters

muss altersgerecht und der Geburtsposition entsprechend erfolgen. Die

Geburtsposition ist deshalb ausschlaggebend, da ein jüngeres

Geschwisterkind nicht dieselben Aufgaben übernehmen kann wie ein

älteres.

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22

3.3.1.2. Die konfliktbehaftete Lage der Geschwisterkinder und

Chancen für ihr weiteres Leben

Für die Geschwisterkinder bedeutet die Behinderung der Schwester oder

des Bruders in vielerlei Hinsicht eine aufregende Kindheit. Leider werden

sie in der Öffentlichkeit meist weniger wahrgenommen, da sich die ganze

bzw. die meiste Aufmerksamkeit auf das Kind mit Behinderung

konzentriert.

„ ‚Geschwisterkinder‘ erleben häufig Einschränkungen, vor allem, wenn sie

sich mit ‚normalen‘ Familien vergleichen“ (Grünzinger 2005, 14). Sie

merken, dass sie nicht wie andere Kinder bzw. Familien sind. Für die

Geschwisterkinder sind Stigmatisierungen, Ausgrenzungen der Umwelt

bzw. das „Verstecken müssen“ gravierender als für die Eltern, da

Erwachsene durch ihre Lebenserfahrung mit stigmatisierenden

Situationen mitunter besser umgehen können. Um mit ihrer „besonderen“

Lage besser umgehen zu können, ist der Kontakt zu anderen

Geschwisterkindern sehr hilfreich. Sie erleben in Selbsthilfegruppen, dass

es noch mehr Kinder gibt, die sich in der gleichen Situation wie sie

befinden.

Im Familienzusammenleben treten für die Geschwisterkinder einige

Schwierigkeiten auf. Eltern erwarten ein übermäßiges Maß an

Rücksichtnahme, Verständnis und das Unterdrücken der eigenen Gefühle

gegenüber dem von Autismus betroffenen Geschwister. Diese

Erwartungen können Geschwisterkinder in einen Zwiespalt zu ihrem

Geschwister mit Behinderung bringen, beispielsweise wenn sie Wut

gegenüber der Schwester oder dem Bruder verspüren. Daraufhin

entwickelte Aggressionen der Geschwisterkinder gegenüber dessen

können sich gegenüber dem Geschwister und/ oder sich selbst auswirken.

Erhält das von Autismus betroffene Geschwister mehr Aufmerksamkeit,

fühlen sich Geschwisterkinder oft von ihren Eltern vernachlässigt, ihre

Gefühle wollen sie aus Loyalitätsgründen den Eltern aber nicht mitteilen,

um diese nicht noch zusätzlich zu belasten.

Es gibt verschiedene Annahmen darüber, ob aufgrund dieser

„aufregenden Kindheit“ ein erhöhtes Entwicklungsrisiko bei

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Geschwisterkindern besteht. Einige Studien sind der Auffassung, dass

Geschwisterkinder Entwicklungsrisiken davontragen. Andere wiederrum

sind der Meinung, dass Geschwisterkinder durch das Zusammenleben mit

ihrer Schwester oder ihrem Bruder mit Behinderung eine

„überdurchschnittliche soziale Kompetenz“ entwickeln (Grünzinger 2005,

15).

Das Aufwachsen mit einem von Behinderung betroffenen Geschwister

kann für die Geschwisterkinder dagegen auch eine Chance darstellen. Im

Allgemeinen entwickeln Geschwisterkinder eine akzeptierendere und

tolerantere Grundeinstellung gegenüber ihren Mitmenschen mit oder ohne

Behinderung. Sie werden durch das Aufwachsen mit ihrem Geschwister

im Wesentlichen in ihrer eigenen Selbstständigkeit gefördert und erleben

vieles in ihrem Leben bewusster und intensiver (emotionale Intelligenz).

Zudem entwickeln sie bei entsprechender Begleitung durch die Eltern ein

höheres Maß an Mitgefühl und Empathie. Zusammengefasst werden

können diese Chancen unter dem Begriff der sozialen Kompetenz. Damit

die Geschwisterkinder diese Chancen für sich entdecken können, sind das

Vorleben dieser Komponenten der sozialen Kompetenz durch die Eltern

und die Möglichkeit zu intensiven Gesprächen mit ihnen für sie von

wesentlicher Bedeutung.

3.3.2. „Kann unsere Ehe das aushalten?“ – Auswirkungen auf die

Partnerschaft der Eltern

Die Geburt eines Kindes, unabhängig ob mit oder ohne Behinderung,

bedeutet in jedem Fall eine Veränderung in der Partnerschaft, da alte

Verhaltensweisen nicht mehr mit der neuen Situation übereinstimmen und

sich neue erst herausbilden müssen (vgl. Finger 2000, 34). „Die Geburt

eines Kindes mit Behinderungen erschüttert das Gleichgewicht erheblich,

weil die Familie gewöhnlich darauf nicht vorbereitet ist“ und sie vor

Aufgaben steht, „für die sie keine Vorbilder hat“ (ebd., 34f.). Durch die

neue Situation können existierende Spannungen in der Partnerschaft

zusätzlich verstärkt werden. Das von einer Behinderung betroffene Kind

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24

kann dagegen aber auch ein „besondere[s] Bindeglied“ in der

Partnerschaft darstellen (Cloerkes 1997, 251).

3.3.2.1. Rollenungleichgewicht in der Partnerschaft

Lebt in der Familie ein Kind mit Behinderung verschiebt sich die

Rollenverteilung bei den Eltern. Die Mutter tritt mit dem Kind zunehmend

in eine engere Beziehung als der Vater sie zu dem Kind hat. Dabei

besteht die Gefahr der Überbehütung des Kindes und der

Vernachlässigung der anderen Familienmitglieder. „Der Vater hat jetzt

weniger Anteil am Familiengeschehen“ (Finger 2000, 36). Diese

Rollenverschiebung birgt jedoch auch Konflikte: Der Vater fühlt sich

zurückgestellt und vernachlässigt, die Mutter sich mit den Aufgaben

alleine gelassen.

Laut Poustka et al. tragen die Mütter die „Hauptlast [in] der Versorgung“

des Kindes (Poustka et al. 2004, 49). Sie sind überwiegend mit der

Förderung des betroffenen Kindes beschäftigt. „Ihr persönlicher Bereich

als Frau oder als Partnerin des Mannes ist [daraufhin] so klein geworden,

dass sie daraus nicht mehr genug Kraft schöpfen kann für ihre Aufgabe

als Mutter“ (Finger 2000, 36). Die Intensität verstärkt sich je mehr das Kind

der Unterstützung der Mutter bedarf.

Da zumeist die Väter den Hauptteil der wirtschaftlichen Existenzsicherung

der Familie tragen, gestaltet sich ihre Auseinandersetzung mit der

Behinderung des Kindes als schwieriger. Dies ist auch mit der männlichen

Geschlechtsrolle verbunden: Vom Mann wird traditionell

Selbstbeherrschung und Sachlichkeit erwartet. Der Mann wirkt auf seine

Partnerin distanziert und desinteressiert, dennoch teilt er die Sorgen

seiner Partnerin. Da vorwiegend die Mutter in die Therapie und Förderung

des Kindes eingebunden ist, ist es für ihn besonders wichtig auch in seiner

Vaterrolle bestätigt zu werden. In der Situation des

Rollenungleichgewichts, in der sich der Vater befindet, verändert sich die

Beziehung zu seiner Partnerin. Er zieht sich immer mehr zurück und sucht

sich gegebenenfalls andere Bereiche, in denen er die benötigte

Bestätigung erhält. „Je mehr sich der Vater nach außen orientiert [und sich

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25

aus dem Familienleben zurückzieht], umso mehr erlebt die Mutter sich als

allein gelassen“ (Finger 2000, 37). Diese Situation kann zu

wechselseitigen Vorwürfen und somit in einen emotionalen „Teufelskreis“

führen, dem man nur schwer entrinnen kann.

3.3.2.2. Schutzfaktoren für die Partnerschaft

Damit die Partnerschaft trotz der schwierigen Situation mit einem Kind mit

Behinderung besteht, gibt es einige Faktoren, welche sie positiv

beeinflussen (vgl. Finger 2000, 41 – 45). Da die Mütter von Seiten der

Gesellschaft stets mit hohen Erwartungen konfrontiert werden, ist es in der

Partnerschaft umso wichtiger die Erwartungen an die Mütter

herabzusetzen und ihnen Anerkennung bzw. Verständnis für ihren Einsatz

entgegenzubringen. Die Mütter entlastet es zudem immens, wenn sie ein

eigenes Leben ermöglicht bekommen: Hobbies, Kontakte zu anderen

Menschen, Freunden, Bekannten. Die Partnerschaft wird wesentlich

ausgeglichener, wenn sie von Zuspruch und Anerkennung geprägt ist und

sich in die Erziehungsaufgaben hineingeteilt wird bzw. sie gemeinsam

erledigt werden. So halbiert sich der Druck für beide Elternteile auch in

emotionaler Hinsicht. Es ist zudem auch wichtig sich die

Unterschiedlichkeit des Partners bewusst zu machen und sie

anzuerkennen. Diese Anerkennung gibt beiden mehr Sicherheit in ihrer

Elternrolle. Um die Partnerschaft ebenso zu stärken, sind gemeinsame

Aktivitäten von enormer Bedeutung, denn durch die Belastung des

Alltages geraten Gemeinsamkeiten zunehmend in den Hintergrund bzw. in

Vergessenheit. „[Eltern] müssen neu lernen, miteinander fröhlich zu sein.

Bei jedem Versuch geht es etwas besser“ (vgl. Finger 2000, 45).

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26

3.4. Gestaltung von Übergängen im Leben des Kindes

3.4.1. Wahl eines geeigneten Kindergartens

„Autistische Kinder sollten, wie gesunde Kinder auch, möglichst ab dem

dritten Lebensjahr … [in einem Kindergarten betreut werden]“ (Poustka et

al. 2004, 45). Sie profitieren am meisten, wenn die Betreuung eine (hohe)

Kontinuität aufweist, sprich die Betreuung an einem Ort und kein bzw. nur

ein geringer Wechsel der Bezugspersonen stattfindet. Diese Betreuung

kann mitunter in der Förderung des Kindes mit Autismus effektiver sein als

eine einmal wöchentlich stattfindende psychologische Behandlung.

Abzuraten ist den Eltern betroffener Kinder von der Wahl offener

Konzepte, wie sie schon in einigen Kindertageseinrichtungen durchgeführt

werden. Für Kinder mit Autismus stellen kleine, geschlossene und

gleichbleibende Gruppen eine bessere Möglichkeit dar die für sie nötige

Kontinuität zu wahren. Je nach Ausprägung der Symptomatik kann die

Betreuung in einem Regelkindergarten, Integrationskindergarten oder in

einem heilpädagogischen Kindergarten erfolgen.

Für manche Eltern stellt die Entscheidung, ihr Kind in einem

Sonderkindergarten anzumelden eine sehr schwierige Entscheidung dar.

Selbiges gilt für die Schulwahl. Sie wollen ihrem Kind den „sozialen

Abstieg“ nicht zumuten. Für eine sonderpädagogische Betreuung spricht,

abhängig vom jeweiligen Einzelfall, die mitunter höhere Individualität in der

Förderung bzw. Betreuung des Kindes. In sonderpädagogischen

Kindergärten herrscht zumeist ein höherer Personalschlüssel und es sind

entsprechende Zusatzqualifikationen bei den Pädagogen vorhanden,

welche diese individuellere Betreuung gewährleisten.

Unabhängig von der Art des Kindergartens müssen die Pädagogen

intensiv und umfassend (durch die Eltern) über das Krankheitsbild des

Kindes aufgeklärt werden, da in der allgemeinen Erzieherausbildung

psychische Störungen nicht ausführlicher Bestandteil sind. In den

Vordergrund der pädagogischen Betreuung des Kindes mit Autismus ist

v.a. die Förderung des Störungsbereiches soziale Interaktion, d.h. der

sozialen Kommunikation und der Kontaktaufnahme zur Gruppe, zu stellen.

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27

3.4.2. Wahl einer geeigneten Schule

Grundsätzlich ist zu beachten, dass Kinder mit Autismus das Anrecht auf

eine integrative Beschulung in einer Regelschule haben. Bei der Wahl

einer geeigneten Schule sind, ebenso wie bei der Wahl des

Kindergartens, Ausprägungsgrad der Erkrankung sowie die intellektuellen

und sprachlichen Fähigkeiten des Kindes zu berücksichtigen. Zudem

sollte die Wahl für eine Schule anhand einer Bedürfnisaufstellung des

Kindes erfolgen.

Besonders anzuraten sind Regelschulen mit sogenannten

Integrationsklassen. Diese Form der Beschulung ist allerdings sehr selten

anzutreffen. Für einen Besuch der Regelschule spricht, dass das Kind mit

Autismus die Chance erhält sich in der „normalen“ Umwelt zu integrieren.

Von einer Förderschule für verhaltensauffällige Kinder ist bei der

Schulwahl für Kinder mit Autismus abzuraten, da diese Schüler wenig

Verständnis für benachteiligte Kinder zeigen werden und Kinder mit

Autismus leichter Schikanen und Stigmatisierungen durch die anderen

Schüler ausgesetzt werden (können). Diesen Gefahren ist das Kind mit

Autismus dagegen auch in einer Regelschule ausgesetzt. Liegt bei dem

Kind neben der autistischen Störung auch eine geistige Behinderung vor,

ist eine Förderschule für geistig Behinderte empfehlenswert, da in diesen

Schulen die Kinder in sehr kleinen Klassen unterrichtet werden und so den

Bedürfnissen des Kindes mit Autismus entsprechend agiert werden kann.

Auch die Lehrer müssen, genau wie die Pädagogen im

Kindergarten (von den Eltern) intensiv über das Krankheitsbild des Kindes

aufgeklärt werden, denn der Großteil von Lehrern, insbesondere jene von

Regelschulen, besitzen wenig bis gar kein Wissen über Autismus. Für die

Arbeit der Lehrer ist es jedoch maßgebend, dass sie, wenn ein Kind mit

Autismus in ihrer Klasse lernt, wissen, was die charakteristischen

Merkmale einer autistischen Störung sind und was die ASS des Kindes für

ihre Arbeit als Lehrer bedeutet.

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28

4. Möglichkeiten der Unterstützung für Familien von Kindern mit

Autismus

4.1. Die Rolle der Sozialen Arbeit in der Autismustherapie und

–betreuung

Der Bereich der Autismustherapie und –betreuung stellt im eigentlichen

Sinne kein klassisches Feld der Sozialen Arbeit dar. Autismus ist eine

Störung, die im Grunde genommen in das Aufgabengebiet der Psychiatrie

gehört. Soziale Arbeit im Autismusbereich lässt sich daher mit der

Klinischen Sozialarbeit gleichsetzen. Klinische Sozialarbeit ist eine

„Teildisziplin der Sozialen Arbeit, die sich mit psycho-sozialen Störungen

und den sozialen Aspekten psychischer und somatischer Störungen/

Krankheiten und Behinderungen unter Berücksichtigung der Lebenslage

der Betroffenen befasst“ (Pauls 2004, 22).

Aufgaben der Sozialen Arbeit im Bereich der Autismustherapie und

–betreuung sind somit die individuelle Förderung von Copingstrategien

und die Fähigkeit einer selbstbestimmten Lebensführung der Betroffenen

sowie die Gestaltung des sozialen Umfeldes bzw. Netzwerkes

entsprechend den Bedürfnissen von Menschen mit Autismus. Dabei leistet

sie Sensibilisierungs- und Aufklärungsarbeit über die Besonderheiten von

und im Umgang mit Autismus und ist bestrebt dem Menschen mit

Autismus eine bestmögliche gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.

Zudem arbeitet sie „am System“, d.h. sie leitet Bezugspersonen bzw. das

direkte Umfeld des Betroffenen im Rahmen der Förderung im Umgang mit

Autismus an.

Der Sozialarbeiter in der Autismustherapie und –betreuung, wie auch in

allen anderen Arbeitsbereichen, arbeitet neben autismusspezifischen

Therapieansätzen v.a. nach dem Ansatz der Lebensweltorientierung.

Lebensweltorientierte Soziale Arbeit verkörpert die konsequente

„Orientierung an den AdressatInnen mit ihren spezifischen

Selbstdeutungen und individuellen Handlungsmustern in gegebenen

gesellschaftlichen Bedingungen“ (Grunwald, Thiersch 2005, 1136).

Ausgehend von ihrer klientenzentrierten Haltung versucht sie mit Hilfe

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ihrer rechtlichen, institutionellen und professionellen Ressourcen

Menschen zu (mehr) Selbstständigkeit, Selbsthilfe und sozialer

Gerechtigkeit zu verhelfen (vgl. ebd.). Für die Soziale Arbeit im

Autismusbereich bedeutet das, dass nicht die reine Therapie im Fokus

ihrer Arbeit steht sondern in der Therapie erlernte Fähigkeiten und

Verhaltensweisen in den Alltag des Betroffenen übertragen werden. Sie

fungiert somit als Schnittstelle zwischen Therapie und sozialer Lebenswelt

des Betroffenen. Der Sozialarbeiter arbeitet demzufolge stark

bedürfnisorientiert und holt den Mensch mit Autismus auf seinem

Entwicklungsstand mit all seinen Stärken und Schwächen ab. Diese

versucht sie individuell in die Förderung mit einzubeziehen.

Sie ist in der Autismustherapie und –betreuung verstärkt im Bereich des

sozialen Kompetenztrainings anzutreffen und vermittelt in der Förderung

soziale Verhaltensweisen, Fähig- und Fertigkeiten, die es dem Betroffenen

erleichtern in die Gemein- bzw. Gesellschaft integriert zu werden. Mit ihren

rechtlichen Ressourcen unterstützt sie erwachsene Betroffene und

Angehörige von Menschen mit Autismus bei der Beantragung von

Leistungen, wie Schwerbehindertenausweis, Nachteilsausgleiche etc. und

fördert so zukunftsorientiert die Selbstständigkeit des Betroffenen. Die

Soziale Arbeit in der Autismustherapie und –betreuung ist nicht nur

geprägt durch den Einsatz im Rahmen der sozialen Kompetenztrainings

sondern auch durch die intensive Eltern- bzw. Angehörigenarbeit. Sie

unterstützt Angehörige beratend bei rechtlichen Fragen und überbrückend

in Situationen der Krisenintervention, gegebenenfalls auch durch

Vermittlung an entsprechende Beratungsstellen.

4.2. Hilfsmöglichkeiten im Rahmen sozialgesetzlicher

Bestimmungen

Die vorhandenen Rechtsvorschriften sind vorwiegend auf Hilfen für die

Kinder mit Autismus ausgerichtet. Werden die entsprechenden Hilfen für

das Kind gewährt, bedeutet das dennoch auch eine Entlastung

(finanzieller und emotionaler Art) für die Eltern. Im Folgenden werden

wichtige rechtliche Unterstützungsmöglichkeiten chronologisch nach

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30

Lebensabschnitten des Kindes bis zum Schulbesuch dargestellt. Aus

Gründen hinsichtlich der Rahmenbedingungen der Bachelorarbeit handelt

es sich hierbei um einen Ausschnitt sozialgesetzlicher Bestimmungen.

Heilpädagogische Leistungen (z.B. ambulante Autismustherapie)

gemäß § 56 Abs. 1 SGB IX sollen gewährt werden, um eine drohende

Behinderung abzuwenden bzw. den fortschreitenden Verlauf der

Behinderung zu verlangsamen oder die Folgen einer Behinderung zu

beseitigen bzw. zu mildern. Leistungen der Frühförderung können

zusammen mit heilpädagogischen Leistungen als Komplexleistung, d.h. in

einer Einrichtung, durchgeführt werden (§ 56 SGB IX i.V.m. § 30 SGB IX).

Für die Finanzierung der Komplexleistungen in einer interdisziplinären

Frühförderstelle ist der Jugend- oder Sozialhilfeträger zuständig.

Leistungen in sozialpädiatrischen Zentren sowie Logo- und Ergotherapie

als Bestandteil der Komplexleistung werden von den Krankenkassen

finanziert.

Besucht das betroffene Kind einen heilpädagogischen Kindergarten,

werden die Betreuungskosten vom Jugendamt im Rahmen der

Eingliederungshilfe übernommen (§ 35a Abs. 2 SGB VIII).

„Mit dem Beginn der Schulpflicht ist die Autismustherapie als Hilfe zur

angemessenen Schulbildung zu gewähren“ (autismus Deutschland e.V.

(a) 07.12.2012). Die Kosten für eine ambulante Autismustherapie werden

nun von der Eingliederungshilfe übernommen, welche entweder über das

Sozialamt (§ 53f. SGB XII) oder das Jugendamt (§ 35a SGB VIII i.V.m. §

53f. SGB XII) erfolgt.

Eltern werden erst zu den Kosten mit herangezogen, wenn das Kind mit

Autismus die Volljährigkeit erreicht hat bzw. teil- oder vollstationäre

Maßnahmen nach SGB VIII gewährt wurden.

Eltern von Kindern mit Autismus können im Rahmen der

Eingliederungshilfe neben der Kostenübernahme für die ambulante

Autismustherapie auch einen Schulbegleiter bzw. Integrationshelfer für ihr

Kind finanziert bekommen. Die Stundenanzahl dieser

Integrationsassistenz wird vom Kostenträger entsprechend des

Integrationsbedarfs des Kindes festgelegt.

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Schüler mit Autismus haben ein Recht auf Nachteilsausgleiche. Diese sind

gemäß § 126 Abs. 1 SGB IX Hilfen für Menschen mit Behinderung zum

Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile oder Mehraufwendungen. Sie

sollten entsprechend des Ausprägungsgrades der Behinderung erfolgen,

jedoch darf die fachliche Anforderung nicht geringer bemessen werden.

Nachteilsausgleiche für Schüler mit Autismus können in folgender Form

gestaltet sein: verlängerte Arbeitszeiten bei Klassenarbeiten, differenzierte

Hausaufgabenstellung oder größere Exaktheitstoleranz u.a. (vgl. autismus

Deutschland e.V. (b) 07.12.2012). Zu den Nachteilsausgleichen gehört

neben eben genannten auch der Schwerbehindertenausweis für das Kind

mit Autismus. Eltern können den Schwerbehindertenausweis über das

zuständige Versorgungs- bzw. Integrationsamt beantragen.

Bei entsprechender Schwere der Behinderung stehen dem Betroffenen

Leistungen der Pflegeversicherung in Form einer Pflegestufe (§ 15 Abs.1

S.1 SGB XI) zu. Leistungen der Pflegeversicherung erhalten Personen,

die für voraussichtlich länger als sechs Monate oder auf Dauer fremder

Hilfe bedürfen (§ 14 Abs. 1 SGB XI). Die Pflegeversicherung sieht

Geldleistungen und Pflegesachleistungen vor: Pflegegeld nach § 37 SGB

XI, Sachleistungen durch eine häusliche Pflegehilfe nach § 36 SGB XI.

4.3. Einrichtungen der Autismustherapie/ –betreuung in Sachsen

Ist bei dem Kind eine defizitäre Entwicklung zu beobachten, fungieren

neben dem Kinderarzt Frühförderstellen und Sozialpädiatrische Zentren

als erste Anlaufpunkte. In Sachsen sind insgesamt 49 Frühförderstellen

und sieben SPZs ansässig. Die Frühförderung umfasst interdisziplinäre

Maßnahmen der Früherkennung, Behandlung und Förderung von Kindern

mit Behinderung oder von Behinderung bedrohte. Ziel ist es die

Beeinträchtigung so früh wie möglich zu erkennen, um sie ggf. zu

vermeiden, Symptome zu mildern oder sie komplett zu beheben. Ein SPZ

ist eine ambulante, interdisziplinäre Einrichtung unter ärztlicher Leitung.

Die Aufgaben bestehen in der Früherkennung (Diagnostik) und Therapie

von Entwicklungsstörungen im sensorischen, motorischen, sprachlichen,

intellektuellen und psychischen Bereich einschließlich chronischen

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Erkrankungen (vgl. SPZ Städtisches Krankenhaus Dresden-Neustadt

01.01.2013). Während die Frühförderung lediglich bis zum Schuleintritt

erfolgt, ist die Förderung im SPZ für alle Altersklassen offen. Kinder mit

Autismus werden entweder in diesen Einrichtungen autismusspezifisch

betreut oder ggf. an eine Autismusambulanz oder ein

Autismus(therapie)zentrum weiterverwiesen.

In Sachsen existieren Autismusambulanzen in Leipzig und in Dresden.

Autismusambulanzen sind interdisziplinäre Einrichtungen zur Förderung

und Therapie von Menschen mit Autismus. Das Behandlungsangebot

richtet sich an „Kinder (ab 2 Jahren), Jugendliche und Erwachsene mit

Verdacht auf eine autistische Störung oder bereits gesicherter Diagnose

im Autismusspektrum“ (Autismusambulanz Dresden 30.12.2012). Zu den

Angeboten beider Autismusambulanzen zählen u.a. Frühförderung,

Sozialtraining, Eingliederungshilfen und Schulbegleitung sowie

Fortbildungsprogramme und die Beratung von Eltern bzw. auch anderen

Bezugspersonen. Beide sächsischen Autismusambulanzen unterscheiden

sich in einem wesentlichen Punkt: In Dresden ist es durch die

entsprechende Trägerschaft über das Universitätsklinikum Carl Gustav

Carus und medizinisches Fachpersonal möglich auch eine

Autismusdiagnostik zu betreiben.

Neben den Autismusambulanzen sind in Sachsen drei Autismuszentren

vorhanden: in Chemnitz, Bautzen und seit September 2012 auch in

Dresden. Bei diesen Zentren handelt es sich ebenfalls um interdisziplinäre

Einrichtungen zur Therapie und Betreuung von Menschen mit Autismus,

wobei der Fokus mehr auf der Gestaltung und Unterstützung im Alltag der

Betroffenen liegt. Jedes dieser drei Autismuszentren unterscheidet sich in

seinem individuellen Arbeitsschwerpunkt von den anderen. Die Arbeit des

Autismuszentrums Chemnitz konzentriert sich größtenteils auf die

Schulbegleitung. Des Weiteren bietet es über den FED eine Nachmittags-

sowie Ferienbetreuung, Urlaubsverhinderungshilfe und „zusätzliche

Betreuungsleistungen“ (Kostenträger Krankenkasse) an. Das

Autismuszentrum Dresden wendet sich mit seinen Angeboten an

Betroffene und Angehörige von Menschen mit Autismus und geistiger

Behinderung. Das Angebot umfasst Beratung zu Antragstellungen,

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heilpädagogische Diagnostik und Fördermaßnahmen, integrative

Begleitung in Kindertageseinrichtungen sowie die Unterstützung bei der

beruflichen Integration. Auch im Autismuszentrum Bautzen wird

autismusspezifische Förderung und Schulbegleitung angeboten. Zur

Angebotspalette gehören aber auch „zusätzliche Betreuungsleistungen“

und die Verhinderungspflege. In Abgrenzung zu den anderen zwei

Zentren bietet es, auch unabhängig von der Diagnose Autismus,

Maßnahmen der Hilfen zur Erziehung (§ 27ff. SGB VIII), insbesondere

Erziehungsbeistand (§ 30 SGB VIII) und SPFH (§ 31 SGB VIII) an.

Nach der Schulzeit stellt sich für die Eltern von Kindern mit Autismus die

Frage: Wie soll es nun perspektivisch weitergehen? Soll das Kind

weiterhin im elterlichen Haushalt oder in einer betreuten Wohnform leben?

Manche Eltern machen sich hierzu schon während des Schulbesuchs

ihres Kindes Gedanken, andere wiederrum erst mit Beendigung der

Schullaufbahn. Im Allgemeinen ist es schwierig eine den speziellen

Bedürfnissen von Menschen mit Autismus entsprechende Wohnform zu

finden, da in den Institutionen meist keine spezielle Konzeption existiert. In

Sachsen gibt es eine einzige Wohngemeinschaft für Menschen mit

Autismus. Diese wurde 2008 gegründet und befindet sich unter der

Trägerschaft des Regionalverbandes „Hilfe für das autistische Kind“ in

Chemnitz.

4.4. Unterstützungsangebote für Angehörige von Kindern mit

Autismus in Sachsen

In Sachsen existieren unter dem Dach des Bundesverbandes autismus

Deutschland e.V. fünf Regionalverbände: Auerbach (RV Vogtland),

Chemnitz, Leipzig, Dresden und Bautzen (RV Oberlausitz). Bei diesen

Regionalverbänden erfahren Angehörige und speziell Eltern von Kindern

mit Autismus vielfältige Unterstützung, beispielsweise in Form von

Gesprächskreisen und Elternstammtischen. In diesen Treffen findet ein

intensiver Erfahrungsaustausch zwischen betroffenen Familien bzw. Eltern

statt. Des Weiteren bieten die Verbände für Eltern Themenabende mit

Gastreferenten aus dem Bereich Autismus an. Zudem können Eltern

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Unterstützung in Form von Hilfe und Beratung bei Kontakten zu Behörden,

Krankenkassen, Therapeuten etc. erhalten. Zu den Angeboten der

Regionalverbände Vogtland, Dresden und Oberlausitz gehören zudem

Familiennachmittage, Familienwanderungen und Familienwochenenden.

Diese fördern und stärken maßgeblich den Zusammenhalt in den

betroffenen Familien. Der RV Oberlausitz bietet darüber hinaus über

dessen Autismuszentrum in Bautzen eine offene Beratung für Angehörige

an. Diese können mit allen Problemen in diese Beratung kommen. Bei

Bedarf werden über das Erstgespräch hinaus weiterführende Beratungen

durchgeführt.

Unter der Trägerschaft des Internationalen Bildungs- und Sozialwerk e.V.

befindet sich in Leipzig die Koordinierungs-, Beratungs- und Kontaktstelle

SüdLicht für Familien mit chronisch kranken oder behinderten Kindern.

Diese Beratungsstelle steht in enger und intensiver Kooperation mit der

Autismusambulanz Leipzig. Zu den Angeboten von SüdLicht gehören u.a.

Hilfe bei Beantragungs- und Widerspruchsverfahren, Informationen zu

verschiedenen, die Situation des Kindes betreffenden, Einrichtungen bzw.

Selbsthilfegruppen und gegebenenfalls die Vermittlung zu diesen. Zudem

bietet die Beratungsstelle Hilfe bei der Bewältigung mit der Diagnose und

damit verbundenen täglichen Problemen in Form von systemischer

Familientherapie an. Neben diesen Angeboten werden auch

Geschwisterprojekte durchgeführt.

4.5. Ansatzpunkt der Sozialen Arbeit in der Autismustherapie und

–betreuung durch den TEACCH Ansatz

Ausgesprochen wird TEACCH wie das englische Wort für Unterrichten

“teach”. „Diese Ähnlichkeit soll die pädagogischen Inhalte des Ansatzes

unterstreichen und deutlich machen, dass Lernen und Verstehen im

Vordergrund stehen“ (Dellbrügge 2009, 21). Häußler sieht TEACCH als

ganzheitlichen pädagogisch-therapeutischen Ansatz, der die

Unterstützung des Lernens und die selbstständige Bewältigung des

Alltags in den Fokus seiner Arbeit stellt (vgl. Häußler 02.01.2013).

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4.5.1. Entstehung und Zielsetzung von TEACCH

Grundstein für die Entwicklung von TEACCH war in den 1960er Jahren

ein Forschungsprojekt der Universität in Chapel Hill (North Carolina/ USA).

In diesem Programm ging es darum, die Eltern aktiv mit in die Förderung

ihrer Kinder mit Autismus einzubeziehen, da zu der damaligen Zeit davon

ausgegangen wurde, die Eltern hätten durch ihr Verhalten die

Hauptschuld am autistischen Verhalten ihrer Kinder (vgl. Dellbrügge 2009,

22).

Das Ziel von TEACCH ist es Menschen mit Autismus dazu zu befähigen in

ihrer Umwelt ein höchstmöglich selbstständiges und mit Lebensqualität

geprägtes Leben zu führen. Durch den individuellen Einsatz von

Strukturierungshilfen und Visualisierung kann demzufolge die Umwelt des

Menschen mit Autismus so gestaltet werden, dass sie für ihn

überschaubarer und nachvollziehbarer wird.

4.5.2. Prinzipien von TEACCH

Die TEACCH Prinzipien sind Bestandteil des pädagogischen Konzeptes

und nicht als starre Handlungsanweisungen, sondern viel mehr als

Grundhaltungen und Orientierungshilfen zu verstehen. Im Folgenden wird

eine Auswahl der TEACCH Prinzipien kurz dargestellt.

Voraussetzung für die Arbeit mit TEACCH ist bei den Personen, die

Menschen mit Autismus betreuen bzw. begleiten, das Vorhandensein von

fundiertem Fachwissen über Autismus und seine Ursachen. Die an der

Therapie und Betreuung beteiligten Personen müssen

autismusspezifische Verhaltensweisen, insbesondere Besonderheiten in

der Wahrnehmung und Verarbeitung von Reizen, kennen und verstehen

können. Für eine effektive Arbeit „nach TEACCH“ ist die Zusammenarbeit

mit den Eltern von existenzieller Bedeutung. Die Eltern fungieren als

Schnittstelle zwischen ihrem Kind und dem Therapeuten, denn sie sind in

der Lage die meisten Informationen über ihr Kind zu liefern und so den

Aufbau der Förderung positiv zu beeinflussen. Sie sind die eigentlichen

Experten ihres Kindes. Die Beziehung zwischen Therapeuten und Eltern

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sollte von einem partnerschaftlichen Verhältnis geprägt sein, von dem

beide Parteien profitieren indem sie voneinander lernen. Aus der Literatur

ist bekannt, dass Autismus nicht heilbar ist. Auch TEACCH ist kein Ansatz,

der eine Heilung von Autismus anstrebt. Es ist vielmehr ein Anliegen der

pädagogisch-therapeutischen Arbeit, den Betroffenen optimal zu

befähigen seinen Alltag selbstbestimmt zu bewältigen und ihn in die

Gesellschaft zu integrieren. TEACCH ist ein ganzheitlicher Ansatz. Das

bezieht sich v.a. auf die Inhalte der Förderung. Es müssen „alle Bereiche

der Persönlichkeit und der Entwicklung berücksichtigt werden“ (Häußler

2005, 18). Aufgrund des Prinzips der Ganzheitlichkeit steht TEACCH der

Anwendung verschiedener anderer Methoden, auch aus

Nachbardisziplinen des Therapeuten, offen gegenüber. Strukturierung und

Visualisierung stellen ein wesentliches Prinzip von TEACCH dar und

werden unter dem Begriff des „Structured Teaching“ zusammengefasst.

4.5.3. Strukturierung und Visualisierung

Aus der Fachliteratur ist allgemein bekannt, dass Menschen mit Autismus

deutliche Schwierigkeiten zeigen soziale Reize wahrzunehmen.

Demzufolge fällt es ihnen auch schwer verbale Anweisungen zu

verarbeiten, nicht so bei visuellen Informationen. Sie können ihre

Aufmerksamkeit auf kleinste Details richten („sich in ihnen verlieren“),

haben dagegen jedoch Schwierigkeiten Zusammenhänge auf das Ganze

herzustellen. Diese Schwierigkeiten erschweren ihnen das Lernen. Um an

diesem Punkt mit einer angemessenen, individuellen Förderung

anzusetzen, ist der Einsatz von visuellen Informationen und

strukturierenden Hilfen (= Structured Teaching) notwendig.

Structured Teaching beinhaltet fünf Ebenen der Strukturierung: 1)

Strukturierung von Raum und Zeit, 2) Arbeitsorganisation, 3)

Aufgabenstrukturierung, 4) Gestaltung von Arbeitsmaterialien, 5) Einüben

von Routinen bzw. Handlungsabläufen. Die räumliche Strukturierung

erleichtert dem Kind mit Autismus sich im Raum zurecht zu finden.

Realisiert werden kann sie mit Abgrenzungen, beispielsweise durch

Regale, Pflanzen oder Paravents oder aber auch mit Markierungen auf

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dem Boden. Zudem können bestimmte Orte mit Bildern, Schildern,

Farbcodierungen etc. versehen werden. Für leicht ablenkbare Menschen

mit Autismus ist zudem ein reizarmer Arbeitsplatz hilfreich. Die zeitliche

Strukturierung, d.h. die überschaubare Visualisierung einzelner (Arbeits-)

Abschnitte, beispielsweise in Form von Plänen, hilft dem Kind das

Vergehen der Zeit besser nachvollziehen zu können. Bei der Verwendung

von Plänen ist allerdings kenntlich zu machen, was erledigt oder was noch

zu erledigen ist. Bei der Arbeitsorganisation geht es darum Strukturen zu

schaffen um Tätigkeiten möglichst selbstständig durchführen zu können.

Folgende Aspekte werden dabei visuell dargestellt: 1) Was ist zu tun?, 2)

Wie viel ist zu tun?, 3) In welcher Reihenfolge ist es zu tun?, 4) Wann bin

ich fertig? und 5) Was kommt danach? (vgl. Häußler 06.01.2013). Die

Aufgabenstrukturierung sollte ebenfalls so gestaltet sein, dass die

Aufgaben selbstständig durchgeführt werden können (visuell

übersichtlich). Bei der Gestaltung des Arbeitsmaterials ist auf Reizarmut

zu achten (unwichtige Aspekte des Materials abdecken). „Durch farbliche

Gestaltung kann man Zusammenhänge verdeutlichen bzw. verschiedene

Aspekte der Aufgabe voneinander absetzen“ (ebd.). Menschen mit

Autismus neigen dazu, eigene Routinen zu entwickeln. Diese werden

dazu genutzt produktive Routinen für Standardsituationen aufzubauen und

somit die Generalisierung zu fördern. Solche Routinen beinhalten

beispielsweise die Arbeitsrichtung oder die sogenannte Fertig-Kiste

(abgeschlossene Aufgaben landen in dieser Kiste).

4.5.4. Welchen Nutzen hat TEACCH für Eltern und andere

Familienangehörige?

Die Effektivität des TEACCH Ansatzes lässt sich im Gegensatz zu

anderen „Methoden der Entwicklungsförderung“ schwieriger untersuchen,

da es sich bei TEACCH nicht um eine klar umschriebene Methode handelt

(Häußler 2005, 21), sondern um pädagogische Denk- und

Handlungsweisen. Ein mögliches Untersuchungsinstrument stellt die

Befragung von Eltern und Fachleuten dar, die mit dem TEACCH Ansatz

gearbeitet haben. Befragte Bezugspersonen berichten vorwiegend von

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positiven Effekten: „Zuwachs an Fähigkeiten, … Reduzierung von

problematischem Verhalten[,] … Entwicklung größerer Selbstständigkeit“

auf Seiten der Betroffenen (ebd.). Insgesamt wird somit die Lebensqualität

der von Autismus direkt oder indirekt betroffenen Menschen verbessert.

Durch das intensive Elterntraining im Rahmen von TEACCH werden Eltern

in autismusspezifischen Förderungsmethoden angeleitet, welche ihnen als

sogenannte Co-Therapeuten zu einem kompetenteren Umgang mit ihren

Kindern verhelfen sowie ihnen ermöglicht sich aktiv an der Förderung

ihres Kindes zu beteiligen. Sie werden somit dazu befähigt ihre Kinder

besser verstehen zu können und dadurch mehr Freude im Umgang mit

ihrem Kind zu haben. Dadurch wird das Familienklima wesentlich positiv

beeinflusst.

4.5.5. Weitere Interventionsmöglichkeiten der Sozialen Arbeit

Neben TEACCH existieren in der Förderung von Kindern mit Autismus

weitere Interventionsmöglichkeiten, die von der Sozialen Arbeit im Bereich

der Autismustherapie und –betreuung durchgeführt werden. Eine

Interventionsmöglichkeit stellt ABA nach Ivar Lovaas dar. ABA wurde in

Kapitel 2.7 beschrieben. Weitere Interventionsmöglichkeiten sind

kommunikationsfördernde Maßnahmen wie PECS (siehe Kapitel 2.7) und

FC nach Rosemary Crossley. Neben den kommunikationsfördernden

Maßnahmen ist auch die Förderung sozialer Fertigkeiten zu erwähnen,

beispielsweise durch das SOKO-Konzept nach Anne Häußler, Social

Stories von Carol Gray oder auch das Theory of Mind-Training nach

Patricia Howlin, Simon Baron-Cohen et al.

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5. Interviews mit vier Pädagogen aus dem Bereich der

Autismustherapie und –betreuung

5.1. Methodisches Vorgehen

Um die theoretisch gewonnenen Erkenntnisse mit einer praxisorientierten

Sichtweise zu komplettieren, wurden Experteninterviews bzw. schriftliche

Expertenbefragungen durchgeführt. In den Interviews und Befragungen

wird herausgestellt wie Soziale Arbeit im Autismusbereich stattfindet und

wo die Grenzen dieser Arbeit liegen.

Die Gespräche wurden in Form von leitfadengestützten Interviews

durchgeführt, zum einen um den Themenfokus während des Gesprächs

nicht zu verlieren und zum anderen dem Interviewten durch die offenen

Fragen stets den Raum für eigene Themen einzuräumen.

Als Interviewprobanden wählte ich Vertreter der Sozialen Arbeit aus

verschiedenen Bereichen der Autismustherapie und –betreuung. Frau

Oehmichen ist stellvertretende Leiterin der Autismusambulanz Leipzig und

führt als Heilpädagogin neben der autismusspezifischen Förderung

insbesondere Weiterbildungen für Eltern, Pädagogen und anderweitig

Interessierte durch. Frau Scholz1 arbeitet als Sozialarbeiterin ebenfalls in

der Autismusambulanz Leipzig und konzentriert sich in der Förderung v.a.

auf das Erlernen sozialer Verhaltensweisen. Herr Schneider1 ist

Sozialpädagoge im Autismuszentrum Chemnitz und legt den Fokus

hauptsächlich auf Schulbegleitung. Frau Müller1 arbeitet als

Sozialpädagogin in einem sächsischen SPZ und unterstützt Eltern u.a. bei

der Beantragung von Leistungen.

Der Leitfaden sowie die Transkripte der geführten Interviews und die

schriftlichen Befragungen befinden sich im Anhang.

1 Name wurde aus Datenschutzgründen geändert.

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5.2. Darstellung der Interviewauswertungen anhand des

Kategoriensystems

Tätigkeitsfeld des Sozialarbeiters

Frau Scholz sieht die Autismusambulanz als pädagogische Einrichtung, in

der autismusspezifische Förderung durchgeführt wird. Das

interdisziplinäre Team, bestehend aus Sozialpädagogen und –arbeitern,

Heilpädagogen und Psychologen, würde vorwiegend nach pädagogischen

Gesichtspunkten arbeiten und weniger strikt auf die eigene Profession

fokussiert sein (vgl. Anlage V, S. XLVIf. Zeile 34ff.). Soziale Arbeit zielt

ihrer Ansicht nach mehr auf das Erlernen von angemessenem sozialem

Verhalten ab. Des Weiteren definiert sie die Rolle der Sozialen Arbeit in

der Autismusambulanz als Verbindungsstelle zwischen dem Individuum

und seinem sozialen Umfeld. Sie verwendet hierbei den Begriff „Anwalt

des Klienten“ (Anlage V, S. XLVI Zeile 14). Als wichtigen Ansatzpunkt des

Sozialarbeiters benennt Frau Scholz zudem die Integration bzw. Inklusion

des Betroffenen in die Gesellschaft.

Gemäß den Aussagen von Frau Oehmichen gehört zum Tätigkeitsfeld des

Sozialarbeiters auch die Angehörigenberatung. In diesen meist einmaligen

Beratungsgesprächen wird der Bedarf an Beratung ermittelt, erste

Hinweise gegeben und bei entsprechendem Bedarf an die zuständigen

Ämter oder andere Institutionen verwiesen (vgl. Anlage IV, S. XXXVIII

Zeile 195 – 200). Im Rahmen der Förderung des Kindes mit Autismus

berichtet sie von einer intensiven Elternarbeit. Diese äußert sich in Form

von Reflexionsgesprächen über Therapieinhalte und gegebenenfalls

Problembereiche im häuslichen Umfeld. Als dritten Arbeitsbereich des

Sozialarbeiters nennt Frau Oehmichen die Durchführung von

Weiterbildungen. Diese Weiterbildungen sind für den Personenkreis von

Eltern, Pädagogen und anderweitig interessierten Personen konzipiert

worden.

Gemäß den Ausführungen von Herrn Schneider gehören zu den Aufgaben

eines Sozialarbeiters die Schulbegleitung, die Einzelförderung sowie die

Betreuung im Rahmen des FED und die Begleitung Betroffener in den

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Ferien(spielen und –lagern). Des Weiteren zählen zu den Aufgaben die

Arbeit im angegliederten Kurzzeitwohnen (Urlaubsverhinderungshilfe) und

administrative Aufgaben.

Gemäß den Aussagen von Frau Müller ist die Soziale Arbeit nicht

unerheblich am Behandlungsplan bzw. –erfolg beteiligt, denn oftmals

„…liegen die Gründe für Auffälligkeiten in der Entwicklung eines Kindes an

der Gesamtkonstellation der Familie und lassen sich nicht mit verordneten

Therapien lösen …“ (Anlage VI, S. L Zeile 58 - 61). Zu ihren Aufgaben als

Sozialarbeiterin im SPZ gehört die Unterstützung der Betroffenen und

deren Angehörigen bei rechtlichen und sozialen Angelegenheiten, wie z.B.

die Beantragung eines Schwerbehindertenausweises oder die Beratung

hinsichtlich der richtigen Beschulung bzw. Schulbegleitung des Kindes mit

Autismus. Nachdem die Diagnose erfolgt ist, arbeitet sie zudem auch mit

anderen Institutionen (Ämter, Behörden etc.) zusammen. Des Weiteren

unterliegt ihr die Durchführung von Elternkursen sowie Netzwerk- und

Gremienarbeit. Die Besonderheit des Sozialarbeiters im SPZ liegt ihrer

Meinung nach in der Möglichkeit zur Hospitation in den verschiedenen

Lebensbereichen des betroffenen Kindes.

Theoretische (Arbeits-)Ansätze des Sozialarbeiters

Die Autismusambulanz Leipzig arbeitet nach einem multimodalen

Therapieansatz. Frau Oehmichen meint damit, dass sie alle verfügbaren

Therapieansätze im Bereich der Behandlung autistischer Störungen, nach

vorheriger Reflexion im Team und auf die individuellen Bedürfnisse des

Betroffenen zugeschnitten, in ihre Arbeit einfließen lässt (vgl. Anlage IV, S.

XXXIII Zeile 37 – 40). Darunter meint Frau Oehmichen

autismusspezifische Therapiekonzepte, wie z.B. TEACCH, PECS und FC

(vgl. Anlage IV, S. XXXIII Zeile 42f.). Frau Scholz ergänzt das Spektrum

an Therapien mit verhaltenstherapeutischen Ansätzen, wie ABA, Theory

of Mind – Training, Social Stories und Comic Strip Conversation (vgl.

Anlage V, S. XLVII Zeile 60ff.). Frau Scholz charakterisiert zudem die

Soziale Arbeit in der Autismusambulanz mit Ansätzen, wie der

Lebenswelt- und Ressourcenorientierung sowie der Umfeldbezogenheit.

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Der Sozialarbeiter im Autismuszentrum arbeitet stets klienten- bzw.

fallspezifisch. Auch er orientiert seine Arbeit neben autismusspezifischen

Therapiekonzepten an typischen Ansätzen der Sozialen Arbeit, wie die

Ressourcen- und Lebensweltorientierung. „… Wo steht der Klient, was

sind für Ressourcen da, was kann wie erreicht werden und was ist dafür

nötig … die Umwelt mit einzubeziehen, bzw. zu sensibilisieren, ein

Bewußtsein für das Problem zu bilden, gängige Handlungskonzepte zu

hinterfragen …“ (Anlage III, S. XXX Zeile 39 – 43).

Die Arbeit eines Sozialarbeiters im SPZ orientiert sich am sogenannten

Altöttinger Papier. Arbeitsansätze der Sozialen Arbeit stellen demnach die

typischen oben genannten autismusspezifischen Therapiekonzepte als

auch der Ansatz der Lebensweltorientierung dar.

Finanzierung der Einrichtungen

Die Autismusambulanz Leipzig finanziert sich nach Aussagen von Frau

Oehmichen entsprechend jedes Einzelfalls über die Eingliederungshilfe

gemäß §§ 35a SGB VIII und 54 SGB XII. Da die Finanzierung über das

Jugend- oder Sozialamt erfolgt, müssen die Mitarbeiter der

Autismusambulanz einen Hochschul- oder Universitätsabschluss

vorweisen. „… aufgrund dieser spezifischen Verhandlungen mit dem

Sozialamt und Jugendamt sind wir dann ja auch angewiesen, dass die uns

die entsprechenden Mitarbeiter finanzieren müssen und wir bei

Jugendamtsfällen nur benannte Abschlüsse hier zum Einsatz bringen

können …“ (Anlage IV, S. XXXIII Zeile 52 – 55). Eine Finanzierung muss

vorhanden sein, ansonsten kann keine Therapie durchgeführt werden.

Frau Oehmichen berichtet zudem von der Übergangslösung der privaten

Finanzierung, welche allerdings sehr kostenintensiv ist und auch nur als

Überbrückung wahrgenommen werden würde.

Im Autismuszentrum Chemnitz werden Schulbegleitung und die

Nachmittagsbetreuung durch den FED ebenfalls über die

Eingliederungshilfe nach oben genannten Paragrafen finanziert. Beides

wird durch das bewilligte Stundenkontingent begrenzt. Die Jugendgruppen

werden über Beiträge der Teilnehmer getragen. Für die

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Urlaubsverhinderungshilfe und die zusätzlichen Betreuungsleistungen

stellt die jeweilige Krankenkasse den Kostenträger dar. Herr Schneider

berichtet daneben auch von einer privaten Finanzierung durch die Eltern

selbst bzw. es bestände auch die Möglichkeit der Spende. Speziell die

Ferienbetreuung ist nach seinen Aussagen Inhalt verschiedener

Projektförderungen und Stiftungen, beispielsweise der „Aktion Mensch“

(Anlage II, S. IX Zeile 198).

Die Kosten der Behandlung im SPZ werden im Allgemeinen von der

Krankenkasse getragen. Die Soziale Arbeit im Rahmen der SPZ-Arbeit

stellt dagegen keine Leistung der Krankenkassen dar. Die Finanzierung

eines Sozialarbeiters erfolgt über die, sich im Einzugsgebiet befindlichen,

Sozialämter der Landratsämter. „…Die Stelle des [Sozialarbeiters] …

müsste also von diesen Anteil finanziert werden, da aber einige

Sozialämter sich nicht oder nur zu einem geringeren Maße an den Kosten

beteiligen können Finanzierungslücken entstehen …“ (Anlage VI, S. LII

Zeile 119 – 123).

Grenzen der Sozialen Arbeit

Frau Scholz sieht als Sozialarbeiterin in der Autismusambulanz Leipzig

v.a. die Grenzen in den von staatlicher Seite geschaffenen strukturellen

und finanziellen Rahmenbedingungen. Nach ihren Aussagen sind die

vorhandenen Gesetze fast ausschließlich auf die Intervention

ausgerichtet, welche den Ansatzpunkt für die Soziale Arbeit darstellen.

Präventive, aufklärende Soziale Arbeit im Autismusbereich ist somit kaum

vorhanden und lässt sich nach Meinung von Frau Scholz äußerst

beschränkt umsetzen (vgl. Anlage V, S. XLVIII Zeile 69f.).

Die Ausführungen von Herrn Schneider gleichen sich im Punkt der

strukturellen und finanziellen Bedingungen. Er sieht zudem noch Grenzen

im zwischenmenschlichen Bereich: „Motivation, … Bereitschaft zur

Veränderung, Mitarbeit“ (Anlage III, S. XXX Zeile 62 – 65). „…

Zusammenarbeit ist immer schön. Also es ist immer sehr schwierig, wenn

Eltern da sitzen und sagen: ‚Hier mein Kind, machen Sie mal‘ …“ (Anlage

II, S. XV Zeile 382ff.).

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Grenzen ihrer Arbeit sieht Frau Müller v.a. darin, dass die Behandlung

eine freiwillige Entscheidung der Eltern darstellt. Sie ist der Meinung, dass

ihre Einflussnahme auf die Entwicklung des Kindes deswegen begrenzt

wird. Eine Grenze ist ihrer Ansicht nach auch die Finanzierung. Sie

berichtet von einem jahrelangen „Kampf“, bei dem die Ämter den Beitrag

des SPZ als ganzheitlich arbeitende Einrichtung nicht entsprechend

würdigen und sich so auch bei der Kostenübernahme herausnehmen

würden (vgl. Anlage VI, S. LII Zeile 124 – 131).

Optimierungsbedarf

Optimierungsbedarf in der Autismusambulanz Leipzig sieht Frau

Oehmichen v.a. in einer ganzheitlichen Arbeitsweise, auch hinsichtlich

Diagnostik, wie es in der Autismusambulanz in Dresden der Fall ist, „um

effektiver für die Menschen mit Autismusspektrumsstörung in Leipzig und

Umgebung da sein zu können“ (Anlage IV, S. XXXV Zeile 121f.).

Wesentlich ausbaufähig ist für sie auch die Aufklärung über Autismus im

pädagogischen, medizinischen Bereich als auch allgemein in der

Gesellschaft. „… normalerweise ist ja Autismus so gut getarnt in dem

Sinne, dass auch die Aufklärung über das Thema Autismus in den

pädagogischen und medizinischen Bereichen nicht so groß ist“ (Anlage IV,

S. XXXVI Zeile 146ff.). Durch die mangelnde Aufklärung sei der

individuelle Betreuungsbedarf für Kinder und Jugendliche mit Autismus

nicht optimal gewährleistet. Auf die Rückfrage, ob bei den Fachkräften

Unwissenheit hinsichtlich Autismus besteht, antwortet sie: „… Weniger

vielleicht eine Unwissenheit als die personellen Möglichkeiten auf die

ganzen Bedürfnisse da halt abzudecken …“ (Anlage IV, S. XXXVII Zeile

184f.). Wesentlicher Bedarf an Optimierung besteht ihrer Ansicht nach

neben den schon erwähnten Bereichen im Bereich der Finanzierung, da

diese die Grundlage der Arbeit in der Autismusambulanz darstellt.

Ausbaufähig ist hierbei v.a. das, von den Ämtern genehmigte, begrenzte

Stundenkontingent, welches momentan äußerst wenig Raum für die

Beratung der Eltern bietet. Frau Scholz erachtet es daneben noch als

äußerst wichtig ein „… weitläufiges soziales Netzwerk zum Austausch für

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Angehörige, vor allem Eltern und Geschwisterkinder zu entwickeln …“

(Anlage V, S. XLVII Zeile 47ff.).

Die Aussagen von Herrn Schneider hinsichtlich des Optimierungsbedarfs

gleichen sich in den Bereichen Finanzierung, begrenztes

Stundenkontingent und Aufklärung der Gesellschaft zum Thema

Autismus. Die Finanzierung weist seiner Meinung nach eine deutliche

Diskrepanz zur Qualität der Arbeit auf. „… Ich würde viel mehr Sozialarbeit

machen, wenn ich mehr Geld hätte. Letzten Endes reduziert sich immer

sehr viel auf das Geld …“ (Anlage II, S. XIII Zeile 324ff.). Er sieht zudem

v.a. die Heimstruktur für Menschen mit Autismus in Chemnitz als äußerst

ausbaufähig an. In den Heimen würden oftmals spezifische Konzeptionen

fehlen. Des Weiteren sei seiner Meinung nach zu überdenken, wie

Familien geholfen werden kann, wenn noch keine Diagnose vorhanden ist.

Optimierungsbedarf sieht er auch in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit

und Integration in den Arbeitsmarkt.

Frau Müller sieht für die Soziale Arbeit im SPZ wesentlichen

Optimierungsbedarf in der Finanzierung, da sich einige Sozialämter nicht

oder nur zu einem geringen Anteil an der Finanzierung beteiligen. Zudem

muss ihrer Ansicht nach bei den finanzierenden Ämtern ein Umdenken

hinsichtlich des enormen Nutzens der Sozialen Arbeit im SPZ erreicht

werden, damit ihre Arbeit auch auf längere Dauer finanziell gewährleistet

ist.

5.3. Zusammenfassung der Interviews

Trotz das die vier interviewten Pädagogen aus drei verschiedenen

Bereichen der Autismustherapie und –betreuung stammen, gleicht sich

das beschriebene Tätigkeitsfeld des Sozialarbeiters größtenteils.

Unterschiede kommen durch die jeweilige Spezialisierung der Einrichtung

zu Stande. Es stellte sich heraus, dass der Sozialarbeiter dieselben

Arbeitsbereiche besitzt wie die anderen Disziplinen in der jeweiligen

Einrichtung. Ausnahme bildet hier die Soziale Arbeit im SPZ, die mehr für

die rechtliche und soziale Betreuung betroffener Familien zuständig ist.

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Auch die Arbeitsansätze des Sozialarbeiters gleichen sich im

Wesentlichen. Neben den autismusspezifischen Therapiekonzepten

arbeitet der Sozialarbeiter v.a. lebenswelt- und ressourcenorientiert sowie

umfeldbezogen. In seine Arbeit bezieht er stets vorhandene Ressourcen

des Betroffenen sowie deren Angehörige mit ein.

Grenzen in der Sozialen Arbeit bestehen nach Aussage aller interviewten

Pädagogen in den Bereichen der Finanzierung und gesetzlicher

Rahmenbestimmungen. Mit der bisherigen Finanzierungslage ist es der

Sozialen Arbeit nicht möglich präventiv und zukunftsorientiert zu arbeiten.

Grenzen bestehen daneben aber auch im zwischenmenschlichen Bereich.

Optimierungsbedarf existiert v.a. in Finanzierung und Aufklärung

über Autismus. Die Autismusambulanz Leipzig ist der Ansicht, dass die

Ganzheitlichkeit ihrer Arbeitsweise ausbaufähig wäre. Sie vergleicht sich

hierbei stets mit der Autismusambulanz Dresden. Neben diesen zu

optimierenden Bereichen sind v.a. die Hilfsmöglichkeiten vor der

Diagnosestellung zu überdenken, d.h. wie die Familien mit ihren

betroffenen Kindern zu diesem Zeitpunkt aufgefangen werden können,

auch wenn noch keine Diagnose als Finanzierungsgrundlage besteht.

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6. Schlusswort

Meine persönliche Zielstellung für diese Bachelorarbeit war es, das schon

erworbene Wissen zum Thema Autismus weiter zu vertiefen, um es in

meiner beruflichen Laufbahn anwenden zu können. Zudem wollte ich

herausfinden wie sich der Alltag betroffener Familien gestaltet und wie

diese durch vorhandene Unterstützungsmöglichkeiten der Sozialen Arbeit

entlastet werden können. Während der Erarbeitung erkannte ich zudem

die hohe Individualität der Problemlagen. Grund für diese Individualität ist

die Tatsache, dass sich Fälle von Autismus in gewissen Bereichen ähneln,

aber nicht identisch sind. Gleichzeitig stellte sich heraus, dass betroffene

Familien nicht automatisch auf Unterstützung durch die Soziale Arbeit

angewiesen sein müssen.

Die Hypothese meiner Bachelorarbeit lautete: Das Leben mit einem von

Autismus betroffenem Kind bringt vielfältige Konflikte mit sich. Konflikte

entstehen, wenn die Familien mit der Bewältigung einer für sie

ungewohnten und neuen Situation konfrontiert werden. Bei Eltern von

Kindern mit Autismus entstehen erste Konflikte im Umgang mit der

Diagnose ihres Kindes, da die bisherige Lebensweise umgestellt werden

muss und sich die Einstellung zum betroffenen Kind verändert. Konflikte

entstehen auch in der Erziehung des von Autismus betroffenen Kindes, da

die Erziehung auf die für Autismus charakteristischen

Verhaltensauffälligkeiten ausgerichtet werden muss. Leben auch

Geschwisterkinder in der Familie, treten Konflikte zum einen in der

Beziehung zwischen Eltern und Geschwisterkindern und zwischen den

Geschwistern untereinander auf. Für die Eltern stellt es demnach einen

enormen Spagat dar, ihre Aufmerksamkeit und Fürsorge auf alle Kinder

gerecht zu verteilen. Geschwisterkinder fühlen sich in diesem Fall von

ihren Eltern vernachlässigt und entwickeln ambivalente Gefühle

gegenüber ihrer Schwester oder ihres Bruders mit Autismus. Wird bei dem

Kind die Diagnose Autismus gestellt, bedeutet das auch eine Veränderung

in der Partnerschaft der Eltern, da sie sich in der Regel auf diese neue

Situation nicht vorbereiten können. Konfliktbehaftet ist aber v.a. auch die

Gestaltung der Übergänge im Leben des Kindes, d.h. wenn die Eltern vor

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48

der Wahl eines geeigneten Kindergartens bzw. einer geeigneten Schule

stehen.

Die Fragestellung meiner Bachelorarbeit lautete: Ist im Rahmen der

Sozialen Arbeit eine Entlastung in deren Familienalltag möglich?

Betroffene Familien können durch Unterstützungsmöglichkeiten der

Sozialen Arbeit in ihrem konfliktbehafteten Alltag entlastet werden. Eine

Entlastung findet in erster Linie in der Hinsicht statt, dass die betroffenen

Kinder autismusspezifische Förderung erhalten. Diese Förderung wirkt

sich positiv auf den Familienalltag aus, da das Ziel die Generalisierung

erlernter Fähigkeiten ist. Ergänzend dazu erfahren die Eltern explizit durch

die Soziale Arbeit Unterstützung in rechtlichen und sozialen

Angelegenheiten und werden gerade durch die lebensweltorientierte

Arbeitsweise des Sozialarbeiters in ihrem Alltag aufgefangen.

Auch, wenn die Soziale Arbeit kein klassisches Arbeitsfeld der Sozialen

Arbeit darstellt, berichten die von mir befragten Pädagogen davon, dass

mehr Sozialarbeit notwendig wäre, damit sie im Interesse ihrer Klienten

noch viel mehr tun könnten. Die Aussagen der interviewten Pädagogen

zeigten ganz klar, dass die Finanzierung der Sozialen Arbeit einen

wesentlichen Schwachpunkt darstellt. Präventive und somit

zukunftsorientierte Soziale Arbeit ist jedoch für Betroffene und deren

Angehörige von essentieller Bedeutung, da (Hilfe-)Systeme der

Betroffenen durch entsprechende Aufklärung über das Störungsbild von

Autismus besser auf deren Situation und Bedarfe reagieren können und

so schneller eine gesicherte Diagnose gestellt werden kann. Im Bereich

der Finanzierung der Sozialen Arbeit besteht somit noch erheblicher

Verbesserungsbedarf, damit die soziale Betreuung von Autismus

Betroffenen und deren Angehörigen entsprechend ihren Bedarfen

gewährleistet werden kann.

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I

Anhang

Anlage I – Interviewleitfaden für Experteninterviews (nicht

schriftliche Befragungen)

1. Fragen zur Institution:

1.1. Seit wann besteht Ihre Institution?

1.2. Wie ist die Institution entstanden?

1.3. Wie ist die Institution aufgebaut/ strukturiert?

1.4. Wie wird die Einrichtung finanziert?

2. Nach welchen theoretischen Ansätzen arbeitet die Einrichtung?

(Interdisziplinarität/ Multiprofessionalität, Konzept/ Leitbild)

3. Welchen Arten von Autismus sind bei den zu behandelnden

Kindern Ihrer Einrichtung vertreten? (Stärke der Ausprägung)

3.1. Kommen die Eltern schon mit einer gesicherten Diagnose in die

Einrichtung oder wird diese erst hier gestellt?

4. Wie findet i.d.R. der Zugang der Eltern zu Ihrer Einrichtung statt?

4.1. Müssen Voraussetzungen erfüllt werden? Wenn ja, welche?

4.2. Welche Schwierigkeiten in der Kontaktaufnahme zeigen Ihnen die

Eltern an?

4.3. Aus welchem(n) Einzugsgebiet(en) kommen die Eltern mit ihrem

Kind in die Einrichtung?

5. Was denken Sie, mit welchen Schwierigkeiten/ Problemen die

betroffenen Eltern in ihrem Familienalltag konfrontiert sind?

5.1. Mit welchen Problemen kommen sie zu Ihnen und suchen Rat?

6. Welche Angebote bietet Ihre Einrichtung allgemein hinsichtlich

Therapie/ Behandlung für Autismus an?

6.1. Welche Angebote gibt es speziell zur Entlastung der Eltern?

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II

6.2. Was müsste ggf. noch für die Eltern geschaffen werden? Wo

besteht Ausbaubedarf?

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III

Anlage II – Interview Herr Schneider 1

2

Ort: Autismuszentrum Chemnitz 3

Datum: 23.10.2012 4

Dauer: 55 Minuten 5

Teilnehmer: Interviewerin Christina Michael (M), Herr Schneider (S) 6

7

M: Seit wann besteht die Institution? 8

S: Die Institution Autismuszentrum an sich besteht seit 1990. Ist 9

hervorgegangen aus einer Elterngruppe und war früher woanders ansässig. 10

Also seit 2004 hier. Vorher die Marschnerstraße und als es noch 11

Elterngruppe war, war es sporadisch immer woanders. Es gab halt Eltern, die 12

festgestellt haben, wir haben Kinder mit dem gleichen Problem, wir könnten 13

uns mal zusammentun, weil einzeln ist man immer ziemlich schwach. Als 14

Gruppe ist man stärker und man hat auch mal die Möglichkeit eines 15

Erfahrungsaustausches oder Möglichkeiten über was zu sprechen und 16

Großteil dieser Gründungsmitglieder sind heute noch im Vorstand. 17

M: Ok, also die Eltern, die das von Anfang an gegründet hatten, sind jetzt 18

immer noch dabei? 19

S: Ja. Der Vorstandsvorsitzende ist der Herr (Name). Ist auch einer 20

derjenigen, die seit Anbeginn der Zeit dabei ist. Der Herr (Name), die Frau 21

(Name), weiß ich jetzt nicht ob die im Vorstand ist. Der Herr (Name) 22

(unverständlich) und noch verschiedene andere Eltern. Also die Mitglieder 23

sind eigentlich hauptsächlich auch betroffene Eltern. Vereinsmitglieder, aus 24

denen wird dann der Vorstand gewählt und der Herr (Name) macht das seit 25

Mitte der 90er, glaube ich, also war nicht der Erste, aber er ist sehr sehr lange 26

im Amt jetzt auch schon. 27

M: Wie ist denn die Institution aufgebaut oder strukturiert? 28

S: Es ist ein gemeinnütziger Verein erst einmal, der geführt wird durch den 29

Vorstand. Also es gibt eine Mitgliederversammlung oder es gibt Mitglieder 30

besser gesagt. Es gibt einen Vorstand mit Geschäftsführer, mit 31

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IV

Vorstandsvorsitzenden, mit stellvertretenden Vorsitzenden, mit Kassenführer. 32

Wies halt so ist in einem Vorstand und wir sind praktisch untergegliedert als 33

arbeitenden Teil. Da gibt es einen Geschäftsführer, was die Frau (Name) ist 34

und der Stellvertreter, der Herr (Name) und gliedert sich dann auf in Bereich 35

Schulbegleitung und technisches Personal. Also sagen wir mal Personal, was 36

in Schulbegleitung arbeitet oder in Jugendgruppen oder im 37

Familienentlasteten Dienst und technisches Personal in Verwaltung, was so 38

den Laden hier am laufen hält. 39

M: Also es ist hauptsächlich Schulbegleitung der Schwerpunkt? 40

S: Hauptarbeitsfeld ist die Schulbegleitung in der Schulzeit, also sind Kinder 41

praktisch von früh bis Mittag, Nachmittag in Betreuung in der jeweiligen 42

Schule vor Ort, immer abhängig von der Stundenzahl, die genehmigt sind, die 43

Betreuungsstunden. Also es gibt Kinder, die werden von wirklich in jeder 44

Stunde (unverständlich) betreut, von Anfang, vom ersten Klingeln bis zum 45

letzten Klingeln, also maximal 8 Stunden. Es ist aber die Ausnahme. Also, ... 46

M: Das sind dann die Intensivfälle? 47

S: Ja, das sind wirklich die im G-Bereich beziehungsweise im Förderbereich, 48

die dann sehr auffällig sind. Regel ist immer so 5 bis 6 Stunden in der Woche, 49

pro Tag und das ist dann meistens im (normalen Schulbereich)?, 50

Lernförderbereich oder auch Regelschulbereich, Gymnasium, Mittelschule, 51

spezielle Schule wie Sprachheilschulen, Blindenzentrum oder sowas. So, als 52

Zweites Arbeitsfeld haben wir die Nachmittagsbetreuung, sprich 53

Familienentlastender Dienst, Einzelförderung, Familienunterstützender 54

Dienst, Jugendgruppen, die verschiedenen Sportgruppen, die Kunstgruppe ... 55

Es gibt Ferienbetreuung. Gliedert sich in normale Ferienbetreuung, wie es 56

jetzt gerade ist, praktisch mit wechselnden Programm jeden Tag oder halt 57

verschiedene Ferienlagerfahrten. Wir haben 4 Ferienlager, 3 in 58

Sommerferien, 1 in Herbstferien. Auch gestaffelt nach Altersgruppen, also 59

sprich für Jüngere, für mittlere Jüngere, für Erwachsene und für ältere Leute, 60

praktisch die, die schon lange dabei sind. Und die Ferienlager sind praktisch 61

die erste, sag ich mal, Institution gewesen, in diesem Autismuszentrum. Ging 62

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V

nicht gleich mit Schulbegleitung los, sondern es ging damit los, dass sich die 63

Eltern gesagt haben, wir organisieren jetzt mal was in der Ferien für die 64

Kinder und da waren die Ferienlager praktisch das Erste, was so 65

(unverständlich). Ich glaube das Ferienlager 3 ist die Gruppe mit den 66

erwachsenen Autisten, die sind schon seit etlichen Jahren unterwegs als 67

Ferienlager. 68

M: Was beinhalten die Jugendgruppen? 69

S: Ähm sind verschiedene Jugendgruppen, auch wieder nach Alter gemischt. 70

Wir haben die Dienstag-Gruppe, wo die jüngeren Autisten sind, bis 14 Jahre 71

ungefähr. Wir haben die Mittwoch-Gruppe aller 14 Tage, wo schon die 72

Jüngeren ab 18 sind, also praktisch sag ich jetzt mal 16, 17, 18 Jahre 73

(unverständlich), auch welche die schon eine abgeschlossene 74

Berufsausbildung (unverständlich) bis 25 ungefähr. Es gibt Donnerstags die 75

Gruppe für die ähm sag ich jetzt mal schwereren Fälle, die jetzt im G-Bereich 76

sind oder beziehungsweise im Lernförderbereich sind, die von der 77

Altersstruktur her gemischt sind. Also die Jüngste ist, glaube ich, 10 und der 78

Älteste ist 18. Aber die sind vom Niveau her alle auf dem gleichen Level 79

etwa. Deswegen passen die ganz gut zusammen. Also es wird schon darauf 80

geachtet, dass die Gruppen relativ homogen sind und zusammen passen. 81

Wir haben noch eine Erwachsenengruppe, Jugendgruppe 1 heißt die 82

sozusagen. Das sind auch wieder die älteren Werkstattgänger, die Beruf 83

haben oder Leute, die im Wohnheim wohnen oder in einer Tagesstruktur 84

untergebracht sind, wo auch wieder die Kinder mit dabei sind von den, die 85

Gründungskinder sag ich jetzt mal von den Leuten die am Anfang mit dabei 86

waren. Von Herrn (Name) der Sohn, von ähm ...(4 Sec.) (Namen von 87

Jugendgruppenteilnehmer) und wo auch wirklich teilweise die 40, 50 Jahre 88

dabei, also der Jahrgang so 40, 50 Jahre ist. 89

M: Und die sind alle in Behindertenwerkstätten? 90

S: In Wohnheimen, Behindertenwerkstätten oder wohnen zu Hause. Also gibt 91

verschiedene Möglichkeiten. Also wohnen zu Hause und gehen tagsüber in 92

die Werkstatt oder sind in Heimen untergebracht und gehen dann dort in eine 93

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VI

Struktur oder es gibt auch welche, die sind nur zu Hause und haben gar 94

keine Struktur und kommen praktisch nur Donnerstags aller 14 Tage zur 95

Gruppe. Und wir haben dann noch die Jugendgruppe 2, das ist dann 96

praktisch für die Zwischenstufe, also so 20, 25 bis Anfang 30, die sind auch 97

schon relativ weit, gehen in die Werkstatt viele oder sind in Wohnheimen 98

untergebracht. 99

M: Gibt es auch welche, die auf dem ersten Arbeitsmarkt integriert sind oder 100

eher weniger? 101

S: Erster Arbeitsmarkt heißt in dem Sinne normale Ausbildung gemacht und 102

normalen Job haben? (M: Ja) Gibt so gut wie gar keine. Also es gibt 103

sicherlich Autisten die das schaffen auf dem ersten Arbeitsmarkt integriert zu 104

sein. Aber die Kinder, Jugendlichen, Erwachsenen, die hier vorstellig sind, 105

sind auffällig und dadurch auch schwer vermittelbar. Also wir versuchen 106

schon die einen oder anderen in den ersten Arbeitsmarkt unterzubringen, 107

aber das ist immer sehr sehr schwierig. Wir haben noch einen Fall, der hat 108

jetzt praktisch seit letzten Jahr die Schule beendet und hat bei der Deutschen 109

Bahn eine Stelle gekriegt. Ist jetzt in Erfurt in der Ausbildung und das verläuft 110

sehr gut und wenn das alles ohne Komplikationen zu Ende geht, wird er auf 111

dem ersten Arbeitsmarkt untergebracht werden in der Deutschen Bahn, wird 112

doch auch eine Anschlussstelle kriegen im IT-Bereich und ja. Wir haben ein 113

oder zwei, die an der Uni beschäftigt sind, dort ähh keine Dozentenstelle, wie 114

heißt das hier? ... 115

M: Wissenschaftlicher Mitarbeiter? 116

S: Wissenschaftliche Mitarbeiter sind, genau. Da (unverständlich) erstmal 117

noch geht, also theoretisch ja, aber es ist eher die Ausnahme. 118

M: Und das sind dann eher Asperger oder? 119

S: Unterschiedlich. Also der bei der Deutschen Bahn ist Asperger und die 120

anderen Beiden, müsste ich nachschauen. Ich glaube einer ist Asperger und 121

der Andere nicht. Das ist ähh, der hat aber auch so eine Inselbegabung. Er 122

studiert Physik und das funktioniert sehr gut in dem Bereich, dafür in anderen 123

Bereichen überhaupt nicht. Aber da wüsste ich jetzt die Diagnose aus dem 124

Page 57: Kinder mit Autismus Möglichkeiten der Unterstützung für ... · PDF file1 Bibliographische Beschreibung: Michael, Christina: Kinder mit Autismus – Möglichkeiten der Unterstützung

VII

Kopf nicht. 125

M: Würde es nicht in dem einen Bereich besonders funktionieren, hätten die 126

ja gar keine Chance … 127

S: Eben. Aber der kommt wiegesagt in dem Bereich, wo er studiert sehr gut 128

klar, aber im lebenspraktischen Bereich überhaupt nicht und da wird es 129

letzten Endes scheitern auf den ersten Arbeitsmarkt angegliedert zu werden. 130

Mal schauen. Er hat wie gesagt diese Wissenschaftliche-Mitarbeiter-Stelle 131

und wie man das ausbauen kann? Vielleicht in der Forschung irgendwo. Mal 132

schauen, was die Chancen sind, weil Potenzial ist da, aber ob das 133

Vermögen, das zu leisten, muss man schauen, wird es im lebenspraktischen 134

Bereich dann (unverständlich). Also das wird nicht immer von zu Hause aus 135

gehen. Momentan ist es noch so, dass man zu Hause wohnen kann, aber die 136

Eltern werden immer älter und da haben wir gerade in diesem 137

Erwachsenenbereich das Problem, dass viele, jetzt wo die Kinder und 138

Jugendlichen 40, 50 sind und die Eltern in dem Bereich sind, wo sie 70 139

teilweise noch älter sind und selber hilfebedürftig sind und insofern da jetzt 140

keiner, was machen wir denn jetzt. Heim geben wird schwierig mit den 141

Spezialitäten da. Klar das schafft auch nicht jeder (unverständlich) das ist 142

gerade in dem Bereich (unverständlich). Ja nur eine begrenzte Zeit. Wir 143

haben halt keine Heimstruktur für Autisten. Das fehlt in Chemnitz noch so ein 144

bisschen, da muss man schauen, was man machen kann, weil es gibt dann 145

doch schon die ein oder anderen autistischen Kinder, die aus der Familie 146

herausmüssen, weil die Umstände nicht so sind das man sagen kann, es ist 147

für alle Beteiligten tragbar. Es sind auch viele Kinder, die die Eltern zu Hause 148

überfordern. Das kann man auch nachvollziehen, wenn man 24 Stunden rund 149

um die Uhr (seine Haut erwärmen muss)? Zu Hause kommt man an Grenzen, 150

die man auf Dauer nicht aushält und da ist Herausnahme aus der Familie. 151

Dann ist die Frage wohin. Es gibt Plätze in Bayern, letztens hatten wir einen 152

Platz in Oschatz, Eisenach hatten wir mal. Das ist auch alles himmelweit weg 153

und hier in der Nähe gibt es gar nichts, das ist halt schade. Es gibt nur 154

normale Heime für auch schon auffällige Kinder, Jugendliche und 155

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VIII

Erwachsene. Aber die mit der Problematik Autismus eigentlich nicht viel zu 156

tun haben und dann auch vom personellen her, dieses Setting, was wir hier 157

finden mit eins zu eins oder zwei zu eins oder drei zu eins dort nicht leisten 158

können und da wird es dann auch schon problematisch auf die Spezifitäten 159

gerade im Autismusbereich einzubringen. 160

M: Die Heime haben dann eher verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche, 161

die aus problembelasteten Familien kommen. 162

S: Problem ist meistens, dass keine Struktur da ist. Wir hatten es in einem 163

Fall, wo das Kind oder der Jugendliche nach der Schule dann ins Heim 164

gekommen ist und dann war, sage ich mal, von 15 bis 18 Uhr wie eine Art 165

Leerlauf. Da haben die sich alle selber beschäftigt, haben Fernsehen 166

geschaut, haben ihre Sachen gemacht und derjenige braucht dann jemand 167

der sagt: "du musst das noch machen und das noch machen". Es ist aber nur 168

einer auf der Station zu dem Zeitpunkt, der kann es sich nicht leisten, weil er 169

mit den Anderen zu tun hat und da gab es dann massive Probleme. Der ist 170

dann sehr auffällig geworden, sehr aggressiv auch und stand dann kurz vor 171

dem Rausschmiss dort aus der Struktur, aus der Heimstruktur. Hat sich aber 172

dann wieder geklärt. Es gab dann viele Gespräche und wie sie es jetzt 173

umgesetzt haben, weis ich nicht. Aber ich sehe ihn ab und zu wieder, sehr 174

gut, sehr entspannt, es funktioniert jetzt alles. Sie haben viele Strukturen 175

geschaffen. Es geht viel zur Ergo, Logo, macht Therapie, (macht Wasser)?, 176

hat seine Pflichten, die er machen muss und damit ist auch die Zeit 177

überbrückt und damit funktioniert das dann auch und seitdem her läuft das 178

sehr entspannt. 179

M: Wie wird die Einrichtung finanziert? 180

S: Verschieden. Also es gibt für die Leistungen, die hier erbracht werden 181

erstmal eine Gegenfinanzierung. Schulbegleitung zum Beispiel läuft über 182

Kostenträger der Jugendhilfe, das Jugendamt, bei entsprechender 183

Zugehörigkeit das Sozialamt. Familienentlastender Dienst, Hortbereich auch 184

Jugendamt, Sozialamt. Die Jugendgruppen finanzieren sich über Beiträge, 185

die die Jugendlichen zahlen lassen. Das ist aber rein der materielle Wert. Da 186

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IX

ist Arbeitszeit der Mitarbeiter noch nicht bezahlt. Es gibt immer noch die 187

Möglichkeit die Urlaubsverhinderungshilfe beziehungsweise zusätzliche 188

Betreuungsleistungen über die Krankenkasse zu kriegen. Die Eltern können 189

privat bezahlen, die Möglichkeit gibt es auch. Es gibt die Möglichkeit zur 190

Spende hier. Ja, das sind so die Hauptmöglichkeiten. Projektförderungen. Es 191

gibt verschiedene Stiftungen, die verschiedene Projekte fördern wie zum 192

Beispiel die Tagesstrukturprojekte, die wir hatten oder verschiedene Projekte 193

wie Freizeitbereich. Also (unverständlich) Projekt, schreibt eine Konzeption 194

für das Projekt, schaut ob es Stiftungen gibt oder einen Privatmann oder 195

irgendjemand, der Geld gibt, die sagen: „Ja das unterstützen wir und so 196

etwas wünschen wir uns“ und dann wird halt auf so etwas geschaut, wie das 197

bezahlt werden kann. Es gibt die Möglichkeit über die Aktion Mensch 198

verschiedene Sachen zu bekommen zum Beispiel die Ferienlager werden 199

darüber viel bezahlt. Ähm und so funktioniert es halt. 200

M: Und das Autismuszentrum an sich, wie verhält sich da die Finanzierung? 201

S: Das Haus ist gekauft von Privatmitteln und wird abgezahlt. Und wie gesagt 202

das mit den Stunden, man hat einen Stundensatz vereinbart mit dem 203

Kostenträger und in diesen Kosten, in diesem Stundensatz, den man 204

vereinbart hat, sind solche Sachen wie Verwaltung, Personalbuchhaltung 205

drin. (unverständlich) Wenn sie es zum Beispiel als Privatperson 206

Schulbegleitung machen, können sie so einen Kostensatz von der Höhe her 207

nicht nehmen, weil sie ja gar nicht dieses Haus haben. Sie haben keine 208

Personalbuchhaltung, sie haben keine Weiterbildungen, sie haben keine 209

Verwaltung. Das sind alles Punkte, die in dem Kostensatz mit eingegliedert 210

sind. (unverständlich) (anteilig mit aufsetzen und dann mit anbringen)?. 211

(unverständlich) so und so und so ist die Finanzierung und dann muss man 212

halt mit dem Stundensatz klarkommen, den uns der Kostenträger anbietet 213

oder wir machen es nicht. 214

M: Steht das Autismuszentrum unter einem bestimmten Träger? 215

S: Ja, äh unter dem Regionalverband sind wir angegliedert. Unser 216

Regionalverband ist dann angegliedert an den Landesverband für Autismus. 217

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X

M: Hilfe für das autistische Kind? 218

S: Ja genau. 219

M: Welche Arten von Autismus sind bei den zu behandelnden Kindern hier 220

vertreten und wie ist da die Stärke der Ausprägung? 221

S: Also es gibt alle möglichen Formen von Autismus hier. Die klassischen 222

sind da der frühkindliche Autismus und der Asperger-Autismus. Es gibt aber 223

immer wieder Diagnosen wo darinsteht Atypischer Autismus oder 224

Autismusspektrumsstörung. 225

M: Und wie stark ist der Autismus da vertreten? 226

S: Verschieden. Also wirklich, wir haben viele Kinder und es ist jeder anders 227

und es tut sich auch anders äußern. Es gibt Kinder, die fallen eigentlich nicht 228

sehr auf, wo die Autismusausprägung sehr gering ist. Da merkt man es an 229

strukturellen Sachen. Es gibt aber auch Kinder, wo es ganz ganz schwer 230

ausgeprägt ist der Autismus, wo wirklich auch die Klassiker sind. Es darf 231

keine Veränderung kommen von Bezugspersonen. Da reicht schon ein 232

Wetterumschwung aus um die aus dem Konzept zu bringen oder wenn sich 233

der Stundenplan ändert oder was weiß ich, die im Fernsehen was nicht 234

verstehen oder nachts schlecht träumen. Also wo wirklich die Ausprägung 235

sehr sehr charakteristisch ist und festgesetzt ist, wo sich auch viele Zwänge 236

äußern und viele Rituale. Also wo rituales Handeln, was eigentlich Sicherheit 237

schaffen soll, in Zwang ausartet, wo man sagt: "Ich muss die Tür 20 mal 238

zumachen, damit ich mir sicher bin, die ist zu" und dann habe ich sie 20 mal 239

zugemacht und ich bin mir immer noch nicht sicher, dass sie zu ist, das gibt 240

es auch. Waschzwang oder ähm Zwang auf das Klo zu gehen. Also es gibt 241

den ein oder anderen, der sich bei Unruhe, innerer Unruhe lieber auf das Klo 242

zurückzieht, weil das ein kleiner Raum ist, der Sicherheit bietet und dann 243

auch schwer wieder herauszukriegen ist oder wirklich Leute, die auf Toilette 244

sitzen und nicht wieder herunterkommen obwohl sie das wollen, aber immer 245

noch der Meinung sind, da kommt noch was, oder Waschzwang. Ganz 246

schlimm. Die der Meinung sind, sie haben jetzt was angefasst, was wo sie 247

sich ekeln und die schrubben sich wirklich die Haut von den Fingern. Da 248

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XI

muss man aufpassen dann, dass es nicht blutet und sowas. Also es ist stark 249

ausgeprägt und wie gesagt im Gegensatz dazu die Kinder, die eigentlich 250

kaum auffallen. In den Ferien sind jetzt welche da, die eigentlich in der 251

Schule keine Begleitung haben und nur in den Ferien mal herkommen und 252

die sehr selbstständig sind, sehr strukturiert sind, die mit wechselnden 253

Bezugspersonen klar kommen, die aber auch kein Problem damit haben, zu 254

sagen: "Ok, morgen ist es so, heute ist es so." Die aber schon in gewissen 255

Abläufen, wo man erkennt, es ist schon typisch autistisch. Es gibt immer 256

Muster A bis F. Die aber auch das Problem nicht haben, wenn sich das 257

Muster verändert. Dann können die sich darauf einstellen und manche halt 258

nicht. Und dazwischen ist alles vertreten, also wirklich von ganz leicht bis 259

ganz schwer. 260

M: Kommen die Eltern meistens schon mit einer gesicherten Diagnose hier 261

her oder wird die dann erst noch gestellt? 262

S: Das ist unterschiedlich. Also wir haben hier die Möglichkeit der Beratung. 263

Die Frau (Name) ist da diejenige, die das anbietet. Sprich Eltern die sagen: 264

"Wir haben ein Problem mit unserem Kind". Es gibt nicht nur Autismus. 265

Kommen hier her. Da haben wir die Möglichkeit mit Frau (Name) einen 266

Termin zu machen und sich beraten lassen und dann muss man schauen wie 267

weit die Eltern sind. Also, wir haben so die Möglichkeit zu sagen: "Ja, es 268

könnte Autismus sein" und dann müssten wir vermitteln an entsprechende 269

Stellen, die die Diagnose stellen. Also wir hier im Haus können keine 270

Diagnose stellen, dadurch das wir auch Leistungsempfänger sind, ist das so 271

ein bisschen ein Spannungsfeld, wo dann der Kostenträger sagt: "Hmmm, 272

jetzt stellen die hier eigene Diagnosen, um sich die wirtschaftliche Existenz zu 273

sichern". Diagnosen kann im Prinzip jeder niedergelassene Kinder- und 274

Jugendpsychologe stellen beziehungsweise entsprechende Kliniken oder hier 275

in Chemnitz ist es das SPZ macht das sehr viel und wir würden dann, es geht 276

in die Richtung Autismus Kontakt herstellen, dort haben sie die Möglichkeit 277

und dort haben sie die Möglichkeit und das sind ihre Wege, die sie gehen 278

können, die nächsten Schritte sind diese und jene und äh dann unterliegt es 279

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XII

den entsprechenden Institutionen die Diagnose zu stellen. Es gibt aber auch 280

die Möglichkeit zu sagen: "Hier, ich hab die Diagnose Autismus gekriegt, was 281

habe ich denn jetzt für Möglichkeiten". Da haben wir die Möglichkeit der 282

Beratung und zu sagen: "Sie haben die Diagnose und aufgrund der Diagnose 283

haben sie Zugang zu folgenden Möglichkeiten und zu folgenden Leistungen, 284

die sie (erbuchen)? können, familienunterstützender Dienst oder 285

Verhinderungshilfe, diese zusätzlichen Betreuungsleistungen, 286

Schulbegleitung eventuell, wenn es denn Fördergutachten gibt, das das 287

bestätigt und dann muss man schauen was wir machen können, was die 288

Eltern wollen, was in unserer Möglichkeit liegt, wo man einen gemeinsamen 289

Punkt findet, dass es für alle Beteiligten passt. Es bringt mir nichts, wenn ich 290

nach Dresden fahren muss um dort eine Schulbegleitung zu leisten. Da 291

würde ich dann ins Autismuszentrum Dresden zum Beispiel vermitteln 292

beziehungsweise es gibt bei uns ein Kind, was für uns nicht in Frage kommt, 293

aber für eine andere Institution. Also da gibt es auch schon Netzwerke, wo 294

man sagen kann, das kann man vermitteln, das kann man leisten. Das ist so 295

im Vorschulbereich oder im Schulbereich. Im Erwachsenenbereich haben wir 296

die Möglichkeit zu sagen: "Ja, A die Diagnose muss her oder B die Diagnose 297

ist da" und da muss man dann schauen Werkstatt, Heim, Familie, was 298

können wir leisten. Es gibt das persönliche Budget, das kann man 299

beantragen. Dann kann man sich Leistungen erkaufen, wo man sagt: "Hier, 300

ich habe so viele Stunden im Monat, ich brauche jemand, der mir bei der 301

Tagesstruktur zu Hause hilft. Ich wohne alleine, ich komme klar, aber ich 302

brauche jemand, der mir Struktur vorgibt. Sowas kann ich, will ich mir über 303

das persönliche Budget leisten“. Das man sagt, es kommt einer zwei bis drei 304

Stunden die Woche hin, sortiert die Post, schaut wie die Wohnung aussieht, 305

sagt: "Das und das steht die Woche an, das und das musst du noch 306

machen". Beziehungsweise man hat die Möglichkeit zu sagen: "Wir haben 307

einen Sohn zu Hause und sind jetzt nicht mehr dazu in der Lage diesen zu 308

händeln, sind jetzt 70 und haben selber zu tun. Was hat die Diagnose und 309

was können wir machen". (unverständlich, da laute Geräusche auf dem Flur) 310

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XIII

Werkstattbereich. Ist da irgendwas möglich? Muss man immer schauen. Aber 311

da gibt es, wir haben die Möglichkeit der Beratung speziell für den Bereich 312

Vorschule und Schule, was die Frau (Name) macht und für den Bereich dann 313

Arbeitseingliederung, Erwachsenenbereich die Frau (Name) und die Frau 314

(Name), die das machen. 315

M: Und, wenn die Diagnose noch nicht gesichert gestellt wurde, steht den 316

Eltern da vorher schon irgendeine Hilfe zu? 317

S: Ich denk, dass ist in jedem Bereich so, wenn noch keine Diagnose da ist, 318

dann läuft alles irgendwie ins Leere, weil eben noch nicht konkret 319

(unverständlich). Es ist halt auch, wir hatten mal den Fall wo wir im Vorfeld in 320

Vorleistung gegangen sind und das Kind keine Diagnose bekommen hat und 321

jegliche Finanzierungsmöglichkeit war damit hin. Eltern können privat einen 322

Teil abdecken und auf dem Rest bleibt man dann sitzen. Das kann ich mir auf 323

Dauer nicht leisten hier, das ist halt (unverständlich). Ich würde viel mehr 324

Sozialarbeit machen, wenn ich mehr Geld hätte. Letzten Endes reduziert sich 325

immer sehr viel auf das Geld und im Enddefekt sind wir ein wirtschaftliches 326

Unternehmen und müssen noch schauen. Ich würde viel mehr machen 327

können, aber ich bekomme nicht für alles eine Finanzierung und man kann 328

sagen, man kann gewisse Sachen machen, auch ohne Gegenfinanzierung, 329

machen wir ja auch oft genug. Aber auf Dauer kann ich es einfach nicht 330

stemmen, weil (unverständlich). Letzten Endes interessiert es die Steuer 331

nicht, was ich hier ehrenamtlich geleistet habe, sondern die wollen die Zahlen 332

sehen (unverständlich). 333

M: Wie finden die Eltern Zugang zu ihrer Einrichtung? 334

S: Wir haben ein Netzwerk mit verschiedenen anderen Institutionen, das 335

SPZ. Mit denen haben wir eine Kooperationsvereinbarung, wo die Mitarbeiter 336

sagen: "Hier, es gibt das Autismuszentrum". Wir sind im Internet vertreten, 337

was sehr sporadisch ist, wird aber ausgebaut der Bereich. Die Möglichkeit 338

gibt es. Mundpropaganda. Die Schulen kennen uns. Ähm eigentlich gibt es 339

die Kliniken, mit denen arbeiten wir zusammen, also das wir mal Klienten 340

vorbeibringen und sagen: "Hier, wir sind da und dort". Die Ämter wissen 341

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XIV

Bescheid, also das Sozial- und Jugendamt, mit denen haben wir auch 342

Kooperationsvereinbarungen. Die sagen, dass es uns gibt und ansonsten 343

Öffentlichkeitsarbeit. Sicherlich auch ausbaufähig, denke ich in dem Bereich. 344

Da hat man auch einen Punkt, wo ich sage: "Da habe ich keine 345

Gegenfinanzierung". (unverständlich) Es ist schwierig, wenn man jedes Jahr 346

Kürzungen der Bezüge bekommt dann so etwas noch bereitzustellen. Wir 347

sind vertreten in vielen Ausschüssen und UnterAG's und 348

Arbeitsgemeinschaften, die sich mit dem Thema Begleitung von Kindern und 349

Jugendlichen beschäftigen. (Die kennen nicht nur autistische Kinder, die so 350

etwas haben)? und es gibt auch andere Vereine, die in diesem Bereich 351

arbeiten, mit denen arbeiten wir auch zusammen und da schaut man dann, 352

hier wir haben einen Autisten für euch. Es kamen auch schon Eltern mit ihrem 353

Kind, wo wir sagen: "Hier, es wird schwierig mit Autismus, aber wenden sie 354

sich mal dort hin". Genauso (unverständlich). Und, ja ... in der Regel finden 355

die Eltern uns selber, es wird ihnen gesagt, dass es uns gibt oder spätestens 356

in der Schule kommen dann Probleme, treten Probleme auf und dann gibt es 357

auch die Möglichkeit zu sagen: "Hier, Autismuszentrum". Dadurch, dass wir ja 358

auch Weiterbildungen machen in vielen Schulen sind wir eigentlich auch 359

bekannt. 360

M: Was machen Sie für Weiterbildungen? Also allgemeine, damit die Lehrer 361

auch über Autismus bescheid wissen? 362

S: Wir haben ein eigenes Programm aufgestellt. Also das sind direkt so 363

Grundlagen für Autismus, also was ist Autismus, was muss ich beachten, etc. 364

Wir haben jetzt den Baustein Autismus und Schule, Autismus und Arbeit, 365

Autismus und Wohnen und ich kann ihnen ja einen Flyer mitgeben dann. Da 366

können sie dann mal reinschauen. Wir haben zwei, drei Kollegen hier im 367

Haus, die das machen, die auch richtig einen Katalog erstellt haben mit 368

verschiedenen Weiterbildungsangeboten, die man buchen kann 369

beziehungsweise wo man sich auch, die wir hier abhalten zu festgesetzten 370

Terminen hier vor Ort, wo man sagen kann: "Jetzt nehme ich das Angebot 371

wahr, das kostet so und soviel Euro" beziehungsweise Leute, die spüren das 372

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XV

Interesse hier und wissen noch nicht richtig bescheid (unverständlich) Was ist 373

Schulbegleitung? Viele Schulen haben Kontaktangst oder man weis nicht. 374

Die würden zwar schon das Angebot Schulbegleitung wahrnehmen, aber 375

wissen nicht was wie wo die Kompetenzen, was sind die rechtlichen Sachen 376

und da gibt es die Möglichkeit eine Weiterbildung zu buchen und zu sagen: 377

"Hier, das und das, so sieht es aus". (unverständlich) Nicht jedes Thema wird 378

so intensiv genutzt, aber sind schon einige dabei, die viele interessiert. 379

M: Müssen die Eltern noch sonstige Voraussetzungen erfüllen außer das die 380

Diagnose besteht? 381

S: Eigentlich nicht. Zusammenarbeit ist immer schön. Also es ist immer sehr 382

schwierig, wenn Eltern da sitzen und sagen: "Hier mein Kind, machen sie 383

mal". Kann ich nicht, da kann man schon was machen, aber ist halt immer 384

schöner, wenn die Eltern mit einem zusammenarbeiten beziehungsweise 385

wenn man dann hintenherum was erfährt, dass die Eltern was ganz anderes 386

machen als vereinbart war und das ist immer schlecht. Aber das ist wie 387

überall so. Es gibt Eltern, die freuen sich, dass wir ihnen helfen. Es gibt 388

Eltern, für die sind wir reine Dienstleister und es gibt Eltern, für die sind wir 389

persönliche Sklaven teilweise. Die versuchen alles abzuwälzen und die 390

sagen: "Das müssen sie alles machen!". Anträge beim Amt, wo ich sage: 391

"Naja, haben wir keinen Auftrag dafür“. Ich kann ja für die nicht 392

unterschreiben. Verstehen das manchmal nicht so. Ist immer schwierig. Aber 393

Grundvoraussetzung, also eigentlich für das Haus ist der Zugang über die 394

Diagnose. Da wir ein Autismuszentrum sind. 395

M: Haben die Eltern Ihnen von Schwierigkeiten berichtet, die in der 396

Kontaktaufnahme zustande gekommen sind? 397

S: Ja. Gibt es verschiedene. Ich sag mal ganz profane. Es gibt Eltern, die 398

gesagt haben: "Wenn wir gewusst hätten, dass es sie gibt, wären wir gleich 399

zu ihnen gekommen." Das fällt so in den Bereich der Öffentlichkeitsarbeit mit. 400

Passiert! Ich kann mir aber auch nicht Werbezeit auf Prosieben oder ARD 401

kaufen. Geht nicht. Die Frau (Name) ist diejenige, die so die Erstgespräche 402

macht. Die ist auch immer sehr gefragt und sehr ausgebucht und da eben 403

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XVI

einen Termin zu kriegen, kann sich unter Umständen schwierig gestalten, 404

weil die Frau (Name) immer in Beratungsgesprächen sitzt, wenn die Eltern 405

anrufen und das mit dem Zurückrufen auch nicht immer so funktioniert. Das 406

ist eine Zugangsbarriere. Ist sicherlich minimierbar, aber es kommt vor, dass 407

da einfach der Kontakt nicht zu stande kommt, weil man einfach keine Zeit 408

findet zum gleichen Zeitpunkt immer am Telefon zu sein beziehungsweise 409

geht es jetzt besser, weil wir jetzt E-Mail haben und das auch regelmäßig 410

verfolgen. Also es gibt die Möglichkeit, das per E-Mail noch zu machen. 411

Früher war es nur Telefon. Jetzt ist E-Mail auch mit dabei. Dann gibt es 412

Schwierigkeiten meistens dann, wenn die Vorstellungen anders sind. Also 413

Eltern herkommen und sagen: "Wir erwarten jetzt das, das und dies" und wir 414

das nicht erfüllen können. Dann kann es da auch zu Schwierigkeiten 415

kommen. 416

M: Wenn einfach falsche Erwartungen existieren. 417

S: Ja genau. Es gibt nun auch Eltern, die sagen: "Mein Kind ist jetzt hier 418

hergekommen und soll geheilt werden!" Diese Vorstellungen, dass man den 419

Autismus heilen kann, ist doch noch sehr weit verbreitet. Auch in Schulen, wo 420

die Lehrer sagen: "Der hat doch jetzt einen Einzelhelfer, jetzt muss es doch 421

alles besser werden". Direkt auch an den Kostenträger, der sagt: "Da kriegt 422

das Kind jetzt seit zwei Jahren Einzelfallhilfe, da muss es doch mal fit sein 423

oder so sein“. 424

M: Das geht bei Autismus nicht. 425

S: Nein, ist eine lebenslange Sache und sicherlich kann man die 426

Ausprägung, Symptome und Auffälligkeiten, die sich zeigen, behandeln in 427

dem Sinne, man kann damit umgehen kann. Man kann schauen wie macht 428

man das Umfeld fit, wie macht man das Kind fit für sein Umfeld, wo findet 429

man eine gemeinsame Schnittmenge. Aber heilen kann man Autismus nicht. 430

M: Aus was für einem Einzugsgebiet kommen die Eltern mit ihrem Kind hier 431

her? 432

S: Sehr weitläufig, also hauptsächlich Chemnitz und Erzgebirgskreis. 433

Freiberg da hinten die Ecke mit. Plauen hatten wir auch schon. Leipzig, 434

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XVII

Leipziger Land hatten wir auch schon da, wobei Leipzig und Dresden eigene 435

Autismusambulanzen haben. Aber so die Zwischenräume Freiberg. Wenn ich 436

jetzt hier in Freiberg wohne, wo fahre ich dann hin? Erzgebirge, Seiffen da 437

hinten, Aue, Aue-Schwarzenberg kommen viele. Also es sind auch viele 438

ländliche Gegenden. Chemnitz so die Großstadt. Großstadt sage ich jetzt, die 439

Stadt an sich ja, großes Einzugsgebiet. Aue ist Einzugsgebiet. Meerane, 440

Zwickau haben wir dabei. Das sind die Orte wo man (unverständlich) kennen 441

die meisten. Bei Aue muss man immer schauen. Das ist dann vom 442

Fahrtechnischen her schwierig. Seiffen sollten wir mal leisten oder 443

Johanngeorgenstadt da hinten. Das kann ich von Chemnitz aus nicht. Wenn 444

ich jetzt jemanden von dort habe, den kann ich eventuell hier anstellen und 445

dann muss ich auch schauen ob es wirtschaftlich einen Sinn macht. Das tut 446

einem auch manchmal leid, wenn man dann Eltern hat, mit denen man gerne 447

zusammenarbeitet, aber die wohnen in Seiffen. ...(5 Sec.) Von Chemnitz aus 448

nach Seiffen kann ich nicht jeden Tag fahren. Das wird spätestens im Winter 449

ein Problem. Dann ist der fahrtechnische Aufwand so groß, selbst falls ich es 450

bekomme, kriege ich es auch nicht gegenfinanziert. (Macht mir kein Amt. Ja 451

wir bezahlen ihnen die Fahrerei, nein das ist in den Unkosten nicht drin, das 452

kann ich nicht leisten.)? Wenn ich vier Stunden fahren muss um drei Stunden 453

zu begleiten, dann muss man schauen ob man eine andere Lösung findet, 454

wie die Diakonie oder die Lebenshilfe ob die vielleicht einen Stützpunkt 455

haben in der Nähe, die das leisten können. Aber das ist für uns nicht 456

machbar. 457

M: Was war das Weiteste wo Eltern herkamen? 458

S: Oschatz, nein das ist das Weiteste was wir leisten. Das Weiteste wo Eltern 459

herkamen war wie gesagt Seiffen, Johanngeorgenstadt, (Chemnitz da oben)? 460

Altenberg hatten wir mal, glaube ich. Johanngeorgenstadt. 461

M: Was denken Sie mit welchen Schwierigkeiten die Eltern in ihrem 462

Familienalltag konfrontiert sind? 463

S: Verschiedene! Die Hauptthemengebiete, sage ich jetzt mal, sind meistens 464

immer die Alltagsbewältigung durch Schulbewältigung. Also viele Eltern 465

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XVIII

haben Probleme im Schulbereich mit ihren Kindern, dass geforderte 466

Leistungen nicht erbracht werden beziehungsweise die soziale Auffälligkeit 467

so groß ist, dass das Kind nicht den ganzen Tag in die Schule gehen kann 468

und dann, muss man schauen, die in der Schule sehr aggressiv sind ... 469

fliegen sie auch schnell raus. Was ist dann? Wenn ich in der einen Schule 470

aggressiv bin, bin ich es in der nächsten auch und Schulen sind da immer 471

sehr vorsichtig zu sagen: „Hmm ich nehme jetzt ein aggressives Kind auf“. 472

Immer schwierig. Also Schulbewältigung ist ein großes Problem mit dem 473

Eltern klar kommen müssen beziehungsweise dann auch Alltagsbewältigung. 474

Die autistische Ausbildung ist, wie gesagt, bei jedem Kind anders. Sie haben 475

Autisten, die diskutieren mit Ihnen über jedes bisschen und sie haben 476

Autisten, die machen Ihnen die Wohnung kaputt. Also wir haben wirklich von 477

geringen Problemen, wo es eigentlich nur strukturelle Sachen sind, dass das 478

Kind, was weis ich, frühs den Zeitablauf nicht einhält. Also wenn um sieben 479

wecken ist, es bis um acht noch nicht fertig ist, weil es halt beim Zähneputzen 480

zehn Minuten länger braucht als wie normale Leute oder Tasche nicht packt 481

oder früh was sucht, was abends noch da war. Das sind so ... 482

M: Also Routinen, die einfach durcheinander kommen. 483

S: Routine, die man auch durchaus im normalen familiären Bereich hat. Das 484

Kinder früh (unverständlich), beim Essen, beim Anziehen, beim nicht in die 485

Schule wollen, dass kann mit einem autistischen Kind ein bisschen 486

schwieriger sein, weil sie mehr diskutieren oder sich mehr wiedersetzen, oder 487

nicht die Einsicht haben äähh ich gehe doch. Aber das sind teilweise geringe 488

Probleme. Manche haben wirklich das Problem, dass Kinder zu Hause 489

aggressiv sind oder starke zwanghafte Verhaltensweisen zeigen oder wirklich 490

in ihren Spezialitäten wirklich so permanent penetrant sind, dass man 491

Schwierigkeiten im Zusammenleben hat, wenn die Familien zusammenleben. 492

Es gibt Kinder, die stehen auf und putzen die Wohnung. Die machen das 493

aber nicht, weil sie es machen müssen, sondern weil sie ihren Alltag 494

bewältigen dadurch oder die dann nachts von zwei bis vier Rumpeln in der 495

Wohnung haben. Es gibt auch Kinder, die schlafen nachts nicht. Die haben 496

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XIX

einen gestörten Tag-Nacht-Rhythmus, die schlafen 17 bis 20 Uhr oder 17 bis 497

22 Uhr und sind dann den restlichen Tag munter. Da kommen Sie auch an 498

Grenzen. Wir haben auch Kinder und Jugendliche gehabt, die nachmittags 499

nach Hause kommen und anfangen Mobiliar kaputt zu hauen oder Eltern 500

angreifen. Das ist ähh ... wie man es so schön im Fernsehen sieht mit 501

verzogenen, aggressiven Jugendlichen in diversen Dokusoaps, die sagen: 502

(unverständlich) "Halt's Maul!" Gibt es im Bereich Autismus auch. Es gibt 503

Autisten, die sagen ... Autisten sind meistens sehr unsozial und sehr 504

ichbezogen und sehr unsozial. Die sehen sich und alle anderen Probleme 505

sind belanglos und die sich dann in den Vordergrund stellen (unverständlich) 506

der Rest? Halten sich an keine Regeln, keine Normen und die wissen halt in 507

der Schule habe ich einen Einzelfallhelfer, der sich durchsetzen kann, zu 508

Hause ist Mutti vielleicht nicht so durchsetzungsfähig oder der Vati. Mitunter 509

sind auch die Familienverhältnisse nicht die klassischen, also sind meistens 510

auch viele Alleinerziehende dabei oder einfach viel unterwegs, beruflich, hat 511

nur Nachtschichten. Gibt es auch. Funktioniert aber auch in den klassischen 512

Familie nicht richtig. Ist jetzt auch nicht von der Gesellschaftsschicht 513

abhängig. Also es ist wirklich alles vertreten. Also wir haben wirklich, die 514

leben in den unteren Gesellschaftsschichten, wie man so schön sagt 515

heutzutage. Da funktioniert es nicht. Es gibt aber auch Eltern, die gut situiert 516

sind, die (unverständlich) Job's haben, wo auch die Rahmenbedingungen 517

stimmen. Da funktioniert es auch nicht. Also es ist jetzt nicht abhängig von 518

irgendeinem Klischee da und (unverständlich) wird gemacht oder 519

(unverständlich) nachts nicht schlafen. Tagsüber ist alles Mist 520

beziehungsweise auch sind, man muss ja sehen, dass Kind geht in die 521

Schule und hat einen Einzelfallhelfer und hat eine Diagnose. Was wird denn 522

nach der Schule? Wo kommt es unter? Wo hat es eine Perspektive? Es gibt 523

Eltern, die kümmern sich erst darum, wenn das Kind raus ist aus der Schule. 524

Es gibt Eltern, die kümmern sich vorher darum. Da gibt es immer 525

Unterschiede, Perspektive des Kindes. Oft ist es so, Schulbegleitung 526

funktioniert solange wie Schule ist und danach im Berufsalltag gibt es das 527

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XX

nicht und da fallen die dann alle in ein Loch. Wohin dann? Was passiert jetzt? 528

Das sind so die Hauptprobleme. 529

M: ....(5 Sec.) Mit was für Problemen kommen jetzt die Eltern zu Ihnen und 530

suchen konkret Rat? Speziell jetzt wenn es um Diagnose geht oder auch 531

andere Bereiche? 532

S: Ja, Diagnose ist eins. Die Frage ist, ich habe ein Kind, mit dem komme ich 533

nicht klar, was kann ich tun beziehungsweise mein Kind hat in der Schule 534

Probleme, was kann ich tun? Beziehungsweise wir brauchen Entlastung, was 535

können wir tun? Oder immer die Frage, was kann ich generell tun? 536

Freizeitbereich, Schulbereich, privater Bereich zu Hause. Perspektivisch wie 537

geht es weiter. Das sind so die Hauptsachen. Beziehungsweise auch, ich 538

habe Probleme mit den Ämtern was das und das angeht. Die erkennen dies 539

und jenes nicht an. Was können wir da machen? Ich habe hier eine 540

Diagnose, aber bekomme den Bescheid nicht, solche Sachen. Oder mein 541

Kind wird in der Schule gemoppt oder der Einzelfallhelfer passt nicht, passiert 542

auch. Aber hauptsächlich immer solche Sachen, dass die Eltern überfordert 543

sind im häuslichen Bereich, schulischen Bereich oder perspektivischen 544

Bereich. Es gibt auch Eltern, die sagen: "Wir haben die Diagnose, wir haben 545

Bescheide und wir wollen auch möglichst das Beste herausholen. Was 546

können wir machen?" Das gibt es auch. Unterschiedlich. Manche haben auch 547

(unverständlich). Manche Eltern können Sachen auch alleine klären. Es gibt 548

aber auch Eltern, die wegen jedem (Puhbatz)? anrufen. Um Fahrten in die 549

Schule zu machen (unverständlich). 550

M: Ok. 551

S: Weil sie es nicht wissen oder weil sie auch sagen: "Püh (unverständlich) 552

hier Taxi bestellen!". Wo ich sage, es ist Aufgabe der Eltern, das Kind in die 553

Schule zu bringen. Nun gibt es Eltern, die können ihr Kind nicht in die Schule 554

bringen, weil sie ihr Kind nicht aus dem Bett bekommen früh, weil ihnen das 555

Kind sonst was über den Schädel zieht. Da verstehe ich das. Aber es gibt 556

auch Eltern, die sagen: "Warum soll ich denn fahren, laufen, mit dem Bus, 557

wenn es ein Taxi gibt!" und dann sagen die: "Hier das Kind braucht ein Taxi 558

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XXI

(unverständlich)". Das hatten wir auch schon. ... 559

M: Tun Sie das dann auch machen diese (unverständlich) oder sagen Sie: 560

„Das ist Ihre Aufgabe“. 561

S: Ich mache das, wofür ich einen Auftrag habe. Ich kann keine 562

Taxibestellung machen, weil ich nicht berechtigt bin das Kind von A nach B 563

zu befördern, befördern zu lassen. Muss ja irgendjemand unterschreiben. Ich 564

kann nur sagen: "Bitte wenden Sie sich an Ihren Sozialarbeiter oder das 565

Taxiunternehmen, die helfen Ihnen weiter". Aber ich kann jetzt nicht die 566

Taxibestellung in Auftrag geben. Ich kann sicherlich, wir arbeiten mit drei 567

verschiedenen Taxiunternehmen zusammen, mal anrufen und sagen: "Hier 568

das Kind kommt heute nicht. Ist bei uns abgemeldet. Hat es die Mutti bei 569

Euch auch gemacht?". (unverständlich) ist bei uns abmelden, aber beim 570

Taxiunternehmen nicht. Später steht der Taxifahrer da: „Er ist abgemeldet!“ 571

Das kann ich machen, muss ich aber nicht. 572

M: Also Sie sagen dann den Eltern schon konkret: "Hier das ist mein Auftrag 573

und Taxifahrten bestellen ist halt nicht meine Aufgabe". 574

S: Sonst werde ich auch nicht fertig hier. Auch mit Anmeldungen für gewisse 575

Sachen oder mit Anträgen. Man muss die Eltern nur daran erinnern bis zu 576

einem gewissen Punkt machen wir das auch, aber ich kann hier nicht die 577

Eltern an die Hand nehmen. Das ist nicht meine Aufgabe. Da müssen sie 578

Familienhilfe beantragen, wenn sie es nicht können. Da kann man 579

(unverständlich) leisten können die Familienhilfe. Aber wenn ich kein Auftrag 580

dafür habe, kann ich gewisse Sachen nicht machen. Ist auch ähh immer ein 581

bisschen schwierig, weil das Verständnis, wir sind eine Elterngruppe, 582

Selbsthilfegruppe, da hilft eigentlich jeder jedem. Aber mittlerweile ist der 583

Bereich, wo wir arbeiten, ein Wirtschaftsunternehmen und sicherlich machen 584

wir vieles wofür wir nicht bezahlt werden, auch vieles ehrenamtlich, wo auch 585

viele sagen: "Es nützt uns nichts, wenn wir es nicht machen." Aber das heißt 586

nicht, dass ich alles mache. Man muss auch klare Grenzen setzen, sonst 587

verlässt sich jeder nur auf uns und wir machen es am Ende für lau. 588

M: Die nächste Frage bezüglich der Angebote hatten wir ja schon geklärt, 589

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XXII

dass der Großteil Schulbegleitung ist. 590

S: Also reine Therapie, hinsichtlich reine Therapie, ist Ergotherapie bei uns. 591

Kunsttherapie haben wir und Musiktherapie ist im Aufbau. Das sind wirklich 592

so die klassischen Therapieformen. Es gibt noch therapeutisches Reiten. Das 593

machen aber nicht wir. Das macht jemand externes, aber da vermitteln wir 594

immer mal wieder. So und ansonsten bieten wir wirklich die Arbeitsfelder an 595

wie Schulbegleitung, Nachmittagsbetreuung, Ferien, Kurzzeitwohnen und 596

Ferienlagerfahrten. Aber wir haben noch keine Delfintherapie oder so etwas 597

mit dem Hund. 598

M: Ist dann aber immer erst einmal mit immensen Kosten stellenweise 599

verbunden, die man ja erst einmal aufbringen muss um das überhaupt zu 600

starten. 601

S: Ist auch die Frage, wir selber als Angestellte dürfen keine Rezepte 602

abarbeiten. Zum Beispiel die Frau (Name), die hier im Haus die Ergotherapie 603

macht, ist hier angestellt, aber ist eigentlich eine externe Mitarbeiterin, die 604

hier angestellt ist. Die macht als extra Bereich Ergotherapie. Die darf sie auch 605

machen als abgeschlossene Ergotherapeutin. Ich als Sozialarbeiter oder 606

Schulbegleiter darf kein Rezept annehmen, für mich gibt es kein Rezept. Das 607

ist zum Beispiel, wenn man vergleicht, in Dresden gibt es die 608

Autismusambulanz, die am Krankenhaus angegliedert ist und da gibt es eine 609

ärztliche Leitung. Die können natürlich alles mit ihren Therapien. Die können 610

auch die Rezepte dann annehmen. Kunsttherapie ist bei uns, Musiktherapie 611

kommt auch noch. Muss man schauen wie man das hinbekommt. 612

(unverständlich) Rezept bleibt. Ich kann kein Rezept hier annehmen. Geht 613

halt nur über Stunden, über Betreuungsstunden bei uns. (unverständlich) 614

Rezepte auf Logopädie auch. Haben wir auch. Habe ich fast vergessen. Da 615

kommt eine externe Mitarbeiterin, die hier einmal die Woche Logopädie 616

anbietet für bis sechs Kinder, geht auch nur über Rezept. (unverständlich) 617

über Zentrum abgerechnet (unverständlich). Wir bieten es nur an, hier im 618

Haus. 619

M: Gibt es denn auch spezielle Angebote für die Eltern, dass diese entlastet 620

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XXIII

werden? 621

S: Also es gibt die Möglichkeit für die Eltern den Familienentlastenden oder 622

–unterstützenden Dienst, wo die Kinder über die Einzelförderung die 623

(Kindernachmittagsbereiche)? sind, genauso wie die Jugendgruppen. 624

M: Wie lange geht der FED dann? 625

S: Das ist immer abhängig von der Einzelfallentscheidung. Muss immer 626

verhandelt werden. Also Jugendgruppen sind zwei Stunden aller 14 Tage, je 627

nachdem welche Gruppe gerade ist. Wir haben jetzt wirklich fünf oder sechs 628

verschiedene Jugendgruppen, die meistens Dienstag, Mittwoch, Donnerstag 629

und Freitag stattfinden. Aber immer in verschiedenen Turnus. Also es gibt 630

zwei Gruppen, die sind in der geraden Kalenderwoche und dann wieder aller 631

14 Tage und die anderen sind dann halt in der ungeraden Kalenderwoche 632

und dann aller 14 Tage. Die sind immer zwei Stunden. Die sind offen 633

beziehungsweise die Kinder sind schon angemeldet. Aber da kann man 634

schon offen hineinkommen. Und solche Sachen wie Familienentlastender 635

Dienst oder Einzelförderung wird über den Kostenträger genehmigt 636

beziehungsweise gibt es die Möglichkeit, es gibt die zusätzlichen 637

Betreuungsleistungen über die Krankenkasse, die man beantragen kann. Da 638

gibt es ein gewisses Budget was man hat und dann muss man schauen wie 639

viele Stunden man für den Monat bekommt. Das sind Möglichkeiten der 640

Entlastung. Ferienbetreuung ist eine Möglichkeit der Entlastung der Eltern 641

beziehungsweise die Ferienfahrten und ähh dieses Kurzzeitwohnen, wo man 642

sagen kann: "Ich verbringe hier das Wochenende oder einen kurzen 643

Zeitraum". 24 Stunden und Betreuung ist dann auch gestellt. Aber das ist jetzt 644

nicht dazu gedacht sechs oder sieben Wochen zu überbrücken, sondern 645

schon mal ein Wochenende oder mal wenn diese Woche Ferien sind, wenn 646

man von außerhalb kommt. Da ist Übernachtung da, weil es wesentlich 647

günstiger ist ihn hier zu betreuen über Nacht als jeden Tag hin und zurück zu 648

fahren. So und direkt für die Eltern gibt es die Möglichkeit der Beratung zum 649

entlasten und es gibt die Möglichkeit, es gibt verschiedene Elterngruppen, die 650

sich finden um zu sagen: "Wir passen zusammen", können sich gegenseitig 651

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XXIV

austauschen. Ist wie eine Art Selbsthilfegruppe. Schon geleitet durch 652

Angestellte oder durch betroffene Eltern, die hier Mitglieder sind. Also zum 653

Beispiel die Frau (Name) hat hier eine Gruppe oder die Frau (Name) hat eine 654

Gruppe oder die Frau (Name) bringt Eltern zusammen, moderiert das 655

vielleicht zwei, dreimal und dann gibt es jemand der die Leitung dort hat und 656

dann finden die sich selber. Da gibt es, glaube ich, drei oder vier 657

verschiedene Gruppen, wo die Eltern sich zusammenfinden und sagen: "Hier 658

wir haben das gleiche Problem, lasst uns mal reden" und ...(5 Sec.) 659

Weiterbildungsangebote gibt es beziehungsweise kann man auch schauen 660

wo man die Eltern weitervermitteln kann. Also zu sagen: "Das wäre für Sie 661

noch eine Möglichkeit". Kur zum Beispiel. Oder bei dem einen oder anderen 662

Klinikaufenthalt, wo wir sagen: "Es wäre jetzt auch mal günstig in die Klinik zu 663

gehen" Aber da kann man, das kann ich nicht als Institution festlegen. Das 664

muss ein Arzt dann machen. Man kann sagen: "Gehen Sie zum Arzt, gehen 665

Sie zum Psychologen. Machen Sie dies, das und jenes." Die Möglichkeiten 666

gibt es immer. 667

M: Was melden Ihnen die Eltern zurück jetzt. Also wie nehmen die Angebote 668

an, wie zum Beispiel Ferienspiele oder die Ferienlager? 669

S: Unterschiedlich. Wir bekommen Lob, wir bekommen gar nichts oder wir 670

bekommen Tadel. Also es ist alles dabei. 671

M: Was kommt da an Tadel? 672

S: Ach naja. Pullover fehlt oder das Kind ist dreckig geworden oder ach naja 673

die Abrechnung, ach was das kostet Geld? Unterschiedlich. 674

M: Also sind das dann wieder falsche Erwartungen? 675

S: Oder es gibt auch Eltern, die dann wirklich nicht mit der Betreuung 676

zufrieden sind. Ich kann auch nicht wirklich hier sagen: „Jeder Einzelfallhelfer 677

arbeitet 100%“. Es gibt auch Leute, die sagen: "Die machen ihre Aufgaben 678

jetzt nicht so wie es erforderlich wäre". Da müssen wir dann schauen, solche 679

Leute halten sich nicht sehr lange hier. Das gibt es. Oder wie gesagt die 680

Eltern haben andere Erwartungen oder andere Vorstellungen von der Art der 681

Betreuung. Das ist immer unterschiedlich. Es gibt Eltern, die sind zufrieden 682

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XXV

mit dem was wir machen. Es gibt Eltern den ist es egal was wir hier machen. 683

Da bekomme ich gar keine Rückmeldung. Ist wirklich unterschiedlich. Es ist 684

von allem was dabei. 685

M: Aber im Großen und Ganzen kann man schon sagen 686

S: Im Großen und Ganzen kann man schon sagen, kriegen wir positive 687

Rückmeldungen ja. 688

M: Die Eltern empfinden es also schon als Entlastung. Also speziell, wenn 689

(unverständlich) Kinder hier zwei Wochen von frühs um neun bis nachmittags 690

15 Uhr hier sind. 691

S: Wird dankbar angenommen das Ferienlager. Es sind durch die 692

Ferienbetreuung auch immer sehr viele da und ich meine, wo gibt es das 693

noch so? Man hat jeden Tag minimum zwei Angebote, die außer Haus sind. 694

Also es wird nicht jeden Tag ein Nudelbild gebastelt oder gestrickt oder so. 695

Es ist Kino dabei, es ist Baden dabei, es sind Museen dabei, es sind Ausflüge 696

dabei. Es ist wirklich zu allem was dabei. Es ist wirklich schwierig etwas zu 697

finden, was die Kinder noch nicht kennen. Es gibt Kinder, die seit Jahren hier 698

herkommen. Die kennen Chemnitz und Umgebung in und auswendig 699

mittlerweile, dadurch, dass wir wirklich viel abklappern. Ähh es ist immer 700

schön, wenn mal ein paar neue dabei sind, weil die kennen es noch nicht. 701

Aber ich kenne jetzt keine Ferienbetreuung wo das so ist, dass man wirklich 702

jeden Tag woanders hingeht. Und in dem Sinne, finde ich eigentlich, sind wir 703

in der Ferienlagerbetreuung sehr schön, weil es wirklich jeden Tag anders ist. 704

Es ist natürlich logistisch immer schwierig alles hinzubekommen, aber an sich 705

fetzt das schon. 706

M: Das ist ja auch noch eine gute Möglichkeit, dass die Kinder ihre 707

Umgebung kennenlernen, wenn die jetzt speziell aus Chemnitz kommen, 708

dass die dann mitbekommen, das gibt es hier und das interessiert mich und 709

da möchte ich nochmal mit meinen Eltern hingehen. 710

S: Also es gibt wirklich viele Eltern, die sagen: "Es ist wirklich ein schönes 711

Programm!" und die finden es auch sehr schön und es gibt Eltern, die sagen: 712

"Ja wir haben es uns anders vorgestellt". Manchmal ist von der Planung was 713

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XXVI

anders wie es im Endeffekt dann wird. Sorgt immer für Missstimmung. Man 714

muss nur schauen personell, da muss ich (unverständlich) dann ändert sich 715

sehr viel im Personal. Das Kind braucht einen anderen Betreuer als wie sich 716

darauf eingestellt war. Da sind die Eltern schon sehr empfindlich. Ist auch 717

schon ein Reibungspunkt. Kann ich aber nicht ausschließen. Man muss nur 718

(unverständlich) reagieren. 719

M: Was müsste noch für die Eltern geschaffen werden? Wo sehen Sie noch 720

Bedarf? 721

S: Die Heimstruktur für Autisten in Chemnitz ist ein ganz großer Punkt der 722

fehlt. Ja das Loch zwischen Schule und was danach kommt. Ich meine 723

Schule bekommt man noch hin, Ausbildung vielleicht auch noch, aber dann 724

arbeitsmarkttechnisch ist es schwierig. Die Unternehmen sind alle 725

wirtschaftlich abhängig beziehungsweise müssen wirtschaftlich arbeiten. 726

Dann auch noch einen Autisten zu integrieren, der mehr Ärger als Nutzen 727

produziert, ist schwierig. Kann ich auch verstehen. Ja was müsste noch 728

geschaffen werden? Schön wäre für die qualitative Arbeit, die wir immer von 729

allen Seiten bescheinigt bekommen, auch vom Kostenträger, einen 730

entsprechenden Kostensatz zu bekommen. Ich meine wenn ich in die 731

Werkstatt fahre und mein Auto reparieren lasse, bezahle ich für die 732

Arbeitsstunden 30 bis 40 Euro. Das bekomme ich in dem Bereich, Sozialen 733

Bereich nicht. Wie beim Bäcker, wenn der seine Brötchen bäckt, will der auch 734

was für seine Stunden. (unverständlich) ist kein Problem, aber wir, wenn es 735

um Sozialarbeit geht, da haben nicht nur wir das Problem. Das ist im 736

Pflegebereich genauso oder generell im sozialen Bereich, dass die Qualität 737

der Arbeit nicht mit der Entlohnung übereinstimmt und dann gibt es eine 738

Diskrepanz, was die Stadt als Kostenträger so (unverständlich) an Budget 739

macht (unverständlich) Kinder- und Jugendhilfe hat man nicht sehr gern. 740

M: Und was muss noch konkret für die Eltern geschaffen werden? 741

S: Hier im Autismuszentrum? 742

M: Nein allgemein was müsste noch für die Eltern geschaffen werden? Ich 743

meine, die hängen ja vielleicht irgendwie an der Heimstruktur dann mit daran, 744

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XXVII

weil die Eltern dadurch entlastet werden!? 745

S: Fällt mir jetzt nichts ein. Es ist halt immer. Es gibt Fälle wo alles glatt läuft. 746

Da ist es OK. Es gibt aber auch viele Fälle wo die Beratung außer Haus 747

(unverständlich) im Haus manchmal (unverständlich) Diagnoseverfahren 748

extrem lang sind, wo die Zusammenarbeit mit den Schulen nicht klappt, wo 749

die Schulen sagen: "So ein Quatsch. Gab es vorher nie Schulbegleitung. Der 750

ist nur verzogen. Der ist kein Autist". Das Verständnis für Autisten vielleicht. 751

Das es zwar eine Krankheit ist, aber nicht heilbar zum Beispiel. Was 752

Wahrnehmungsbereich ist, fehlt bei manchen Sachen. Bei Ämtern, bei 753

Schulen oder (unverständlich) bei Mitarbeitern hier im Haus. ...(4 Sec.) man 754

könnte manches professioneller machen. 755

M: Wenn das Geld da wäre. 756

S: Ja wenn das Geld da wäre. Wir sind halt bisschen hier so das letzte Glied 757

in der Kette, wo man für vieles verantwortlich gemacht wird, was wir gar nicht 758

kennen können. (unverständlich) kann ich nicht arbeiten. (unverständlich) 759

kann ich in der Schule nicht anfangen, wenn kein Bescheid da ist, wenn ich 760

keinen bekomme, kann ich nicht anfangen. (unverständlich) Es läuft vieles 761

gut. Man könnte einiges besser machen und man kann noch einiges dazu 762

bringen. Aber im Großen und Ganzen, ist es halt, wie gesagt, dieser Zwang 763

immer wirtschaftlich sein zu müssen. Ist im Sozialbereich sehr schwierig. Ist 764

halt eine Arbeit ohne greifbaren Gegenwert. Wenn Sie ein 765

Wirtschaftsunternehmen haben, was produziert, ein Autokonzern, der baut 766

Autos, das kann ich anfassen, das hat einen Wert. Das ist in Deutschland 767

immer so das alte Denken noch von früher, ich kann das anfassen, ich habe 768

eine Ware, die kann ich bewerten. Wie bewerte ich Soziale Arbeit? Das ist 769

immer so das Problem. Alle kreischen, dass es gemacht werden muss, aber 770

bezahlen will es keiner. Das ist immer so das Problem. Die Leute, die damit 771

nichts zu tun haben, sagen: "Was für eine Geldverschwendung", die Leute, 772

die damit zu tun haben, sagen: "Es reicht hinten und vorne nicht". Die Hälfte 773

interessiert es nicht solange sie nicht betroffen sind. Das ist immer so ein 774

Spannungsfeld und das Verständnis beim Kostenträger ist auch nicht immer 775

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XXVIII

das, was es sein muss. Wobei sich das sehr gebessert hat in letzter Zeit. Wir 776

haben da gute Zusammenarbeit mittlerweile. Da kann man vieles besser 777

machen. Aber 778

M: Also es müsste allgemein überall noch ein gewisses Verständnis 779

geschaffen werden für Autismus!? 780

S: (unverständlich) und wenn es ein bisschen Anerkennung bekommt. Weil 781

die Leute auch teilweise Kinder betreuen, (unverständlich) weil die wirklich 782

schwer aggressive Züge haben und man wirklich (unverständlich) ganze 783

Arme alles Bissspuren, die werden mich ein Leben daran erinnern. Aber ich 784

kann nichts dafür. Da habe ich damals noch einen Hungerlohn bekommen, 785

wenn ich das ins Verhältnis setze zu anderen Sachen. Aber das ist überall 786

so. Ist im Wirtschafts-, Privatwirtschaftsbereich anders. Da verdient man viel 787

Geld und im sozialen Bereich eben nicht. Es ist schade, aber es ist nun mal 788

so. Das wusste ich ja vorher. Und wenn die dann (unverständlich) nicht 789

haben und die Schule daneben gesessen, naja ist es nicht. Ist ein 790

spannendes Arbeitsfeld hier, sehr abwechslungsreich, aber man kann hier 791

auch ganz schön Nerven lassen. 792

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XXIX

Anlage III – schriftliche Befragung Herr Schneider 1

2

Ort: - - - (Befragung fand per E-Mail statt) 3

Datum: 18.01.2013 4

Teilnehmer: Interviewerin Christina Michael, Herr Schneider 5

6

1. Welche Aufgaben hat speziell ein Sozialarbeiter in Ihrer 7

Einrichtung) 8

9

Wir haben hier im AZ nur zwei Angestellte, die von der Ausbildung 10

her Sozialarbeiter sind (1x ich, die andere Kollegin ist z.Z. in 11

Elternzeit). 12

Meine Aufgabenfeld hier ist hauptsächlich: Dienstplanung, 13

Personalplanung und Führung, Maßnahmenkoordinierung, 14

Hilfeplangespräche, Controlling, Qualitätsmanagement, 15

Netzwerkarbeit, Leitung der Außenwohngruppe, Gremien- 16

Ausschüsse- und Arbeitsgruppen, Aktenführung, Abrechnungen. 17

Bis vor zwei Jahren war es hauptsächlich: die Schulbegleitung, 18

Einzelförderung, Familienentlastender Dienst (FED), Ferienarbeit 19

und Kurzzeitwohnen + administrative Arbeiten. 20

Das sind so die Arbeitsfelder unserer Angestellten hier (man kann 21

auch sagen Einzelfallhilfe, Gruppenarbeit und Gemeinwesenarbeit). 22

Da ich nun in der Führungsebene arbeite, hat sich das 23

Aufgabengebiet etwas geändert. 24

25

2. Worin unterscheiden sich die Aufgaben des Sozialarbeiters zu 26

anderen Professionen (Heilerziehungspfleger etc.) in Ihrer 27

Einrichtung? 28

29

Die o.g. 3 Felder der SA sind im Prinzip das, was alle Angestellten 30

leisten, egal welche Ausbildung sie haben. 31

32

33

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XXX

3. Nach welchen theoretischen Ansätzen arbeitet der Sozialarbeiter 34

und wie setzt dieser sie um? 35

36

Der Ansatz unserer Arbeitsweise ist immer klienten- und 37

fallabhängig. Ziel unserer Arbeit ist eigentlich: 38

Wo steht der Klient, was sind für Ressourcen da, was kann wie 39

erreicht werden und was ist dafür nötig. Wichtig dabei ist auch, die 40

Umwelt mit einzubeziehen, bzw. zu sensibilisieren, ein Bewußtsein 41

für das Problem zu bilden, gängige Handlungskonzepte zu 42

hinterfragen (anpassen, ändern, neu entwickeln, verwerfen, etc.), 43

sowie natürlich Öffentlichkeitsarbeit und Sozialmanagement. Damit 44

hätten wir glaube ich so ziemlich alle gängigen Handlungstheorien 45

der SA im Angebot. Im Einzelfall ist der Ablauf dann klassisch von 46

Kontaktaufnahme bis hin zur Evaluation (kann von wenigen 47

Wochen/Kontakten bis hin zu vielen Jahren ablaufen). 48

49

4. Werden in der Arbeit des Sozialarbeiters aktuelle wissenschaftliche 50

Erkenntnisse berücksichtigt? Wenn ja, welche? 51

52

Zu Frage 4 tue ich mich etwas schwer. Wir müssen natürlich immer 53

auf aktuelle Entwicklungen Rücksicht nehmen, in unserer Arbeit 54

i.d.R. auf Änderungen im gesetzl. Bereich, diagnostische Sachen, 55

Entwicklungen in den "Behandlungsmethoden"(Teacch, unterstützte 56

Kommunikation, u.a.) evtl. neue Handlungskonzepte u.s.w. 57

58

5. Wo liegen die Grenzen der Sozialen Arbeit in Ihrer Einrichtung? 59

60

Grenzen unserer Arbeit gibt es einige: 61

- Motivation 62

- Verständnis 63

- Bereitschaft zur Veränderung 64

- Mitarbeit 65

- Strukturelle Bedingungen 66

- Finanzielle Bedingungen 67

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XXXI

- Handlungsmöglichkeiten 68

- Perspektiven 69

- personelle und räumliche Bedingungen 70

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XXXII

Anlage IV – Interview Frau Oehmichen 1

2

Ort: Autismusambulanz Leipzig 3

Datum: 01.11.2013 4

Dauer: 34 Minuten 5

Teilnehmer: Interviewerin Christina Michael (M), Frau Oehmichen (O) 6

7

M: Seit wann besteht die Institution? 8

O: Die Autismusambulanz Leipzig besteht seit über 12 Jahren. 9

M: Und wie ist die Institution entstanden? 10

O: Die Autismusambulanz Leipzig befindet sich in Trägerschaft des 11

internationalen Bildungs- und Sozialwerkes e.V. Genau und dies ist ein 12

eingetragener Verein, der überregional tätig ist und unter anderem die 13

Autismusambulanz Leipzig gegründet hat. 14

M: Was gehört noch alles zu dem Verein? Also was untersteht dem noch? 15

O: Also hier im Regionalbereich gibt es in Halle und Wittenberg jeweils noch 16

eine Autismusambulanz und in Leipzig gibt es noch drei Kindergärten sowie 17

eine Beratungsstelle für Familien mit behinderten Kindern und eine 18

Tagespflegeeinrichtung. 19

M: Wie ist die Autismusambulanz aufgebaut oder strukturiert? 20

O: Also die Autismusambulanz Leipzig untersteht der Regionalbereichsleitung 21

für den Regionalbereich Halle/ Leipzig/ Wittenberg und innerhalb der 22

Autismusambulanz Leipzig gibt es die Struktur einer Leitung, die aktuell die 23

Frau (Name) innehat. Das ist die Leiterin der Autismusambulanz. Ich bin die 24

stellvertretende Leitung der Frau (Name) (unverständlich) bin ich die aktive 25

Leitung und es gibt noch eine stellvertretende Leitung, die auch gerade in 26

Babypause ist. 27

M: Wie wird die Einrichtung finanziert? 28

O: Also die Autismusambulanz Leipzig finanziert sich fallspezifisch über 29

Paragraph 35a SGB VIII, Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder 30

und Jugendliche sowie über Paragraph 54 SGB XII, Eingliederungshilfe für 31

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XXXIII

Menschen mit Behinderung. Kostenträger sind das Jugendamt, das Sozialamt 32

und für Erwachsene mit Autismusspektrumsstörung der kommunale 33

Sozialverband. 34

M: Nach welchen Ansätzen arbeitet die Autismusambulanz? 35

O: Also die Autismusambulanz arbeitet nach einem multimodalen 36

Therapieansatz. Das heißt, wir nutzen so ziemlich alles was in der aktuellen 37

Therapie und pädagogischen Arbeit mit Menschen mit Autismus zur Verfügung 38

steht, was wir hier kritisch im Team reflektieren und entsprechend 39

kindspezifisch, menschspezifisch zum Einsatz bringen. Das heißt es gibt auch 40

Dinge, die wir ausschließen. Zum Beispiel die Festhaltetherapie ist etwas, was 41

hier nicht praktiziert wird, aber ansonsten wird verwendet TEACCH, so Thema 42

Strukturierung, PECS zum Thema Kommunikationsanbahnung, auch FC gibt 43

es eine Kollegin, die sich da spezifisch dafür qualifiziert hat. Ja. 44

M: Was haben die Mitarbeiter von der Autismusambulanz für eine Ausbildung? 45

O: Also aufgrund der Vorschriften, die das Jugendamt Leipzig tut zu unserer 46

Qualifikation der Mitarbeiter können wir eigentlich nur 47

Fachhochschulabsolventen, Diplom-Heilpädagogik, Diplom-Sozialpädagogen, 48

Sozialarbeit einstellen sowie Psychologen. Zusätzlich leisten wir uns aber auch 49

den Luxus einer Kunsttherapeutin und einer Musiktherapeutin. 50

M: Also Ergotherapie oder Logopädie findet hier gar nicht statt? 51

O: Nein, aufgrund dieser spezifischen Verhandlungen mit dem Sozialamt und 52

Jugendamt sind wir dann ja auch angewiesen, dass die uns die 53

entsprechenden Mitarbeiter finanzieren müssen und wir bei Jugendamtsfällen 54

nur benannte Abschlüsse hier zum Einsatz bringen können. 55

M: Welche Arten von Autismus sind bei den zu behandelnden Kindern in Ihrer 56

Einrichtung vertreten? 57

O: Ja, also heute redet man ja von einer Autismusspektrumsstörung und ja in 58

dem Sinne alle Menschen mit einer Autismusspektrumsstörung sind hier 59

grundsätzlich willkommen. Das heißt es gibt auch noch die Diagnose des 60

frühkindlichen Autismus und des Asperger-Syndroms und des Atypischen 61

Autismus und zum Teil auch mal Kinder, die "nur autistische Züge" haben, aber 62

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XXXIV

aufgrund der ganzen Kontexterscheinungen es doch sinnvoll erscheint eine 63

autismusspezifische Förderung in unserem Hause anzubieten. 64

M: Und wie stark ist so die Ausprägung von dem Autismus bei den Kindern, die 65

hier sind, also die hier herkommen? 66

O: Also für mich persönlich gibt kein schwer und leicht. Es wird häufig 67

Asperger-Autismus mit einer leichten Form des Autismus benannt in der 68

Presse. Das finde ich immer nicht angebracht, weil die Menschen auch ganz 69

spezifische eigene Problemstellungen haben, die Kinder oder Menschen mit 70

frühkindlichem Autismus nicht haben. In dem Sinne gibt es für mich kein leicht 71

und schwer. Aber in dem Sinne schwerer betroffen im Spektrum mit mehr 72

Einschränkungen der sozialen Interaktion und Kommunikation. Ja, in dem 73

Sinne kann man schon sagen, dass das ganze Spektrum bei uns vertreten ist. 74

M: Kommen die Eltern schon mit einer gesicherten Diagnose zu Ihnen oder 75

wird die erst hier gestellt? 76

O: Also wir selber stellen keine Diagnosen. Dafür verweisen wir immer an die 77

örtlichen, regionalen Dienstleister, die Autismusdiagnostik anbieten. Das ist 78

hier in Leipzig das sozialpädiatrische Zentrum, dann die Universitätsklinik in 79

Leipzig bietet hoffentlich ab demnächst wieder eine Diagnostikstelle an, sowie 80

(unverständlich) niedergelassene Kinder- und Jugendpsychiater, die auch 81

Diagnostik machen. Im Bereich der Erwachsenendiagnostik ist es sehr 82

schwierig kompetente Ansprechpartner zu finden hier in der Region und für 83

generell alle Diagnosen ist die Autismusambulanz Dresden für den gesamten 84

Regionalbereich von Sachsen sozusagen zum Teil zuständig, die selber, also 85

sie sind nicht zuständig, sie können nur für Dresden und Umgebung zuständig 86

sein, aber ich denke es gibt auch viele, die dort diagnostiziert wurden. 87

M: Weil die Uniklinik gleich mit angegliedert ist? 88

O: Weil dort seit jeher. Also sie sind jetzt erst seit anderthalb Jahren an die 89

Uniklinik angegliedert oder seit einem Jahr erst und die sind seit jeher auch in 90

Verbindung mit ihrem vorherigen Träger haben sie Mitarbeiter aus dem Kinder- 91

und Jugendpsychiatriekontext. Also Mitarbeiter, die auch medizinische 92

Ausbildungen haben und entsprechend Psychologen auch haben und alles. 93

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XXXV

Also sie sind seit jeher eine Diagnostikstelle. War auch schon zu DDR-Zeiten 94

schon Diagnostik. 95

M: Ich habe jetzt angenommen, eine Autismusambulanz stellt automatisch 96

Diagnosen. 97

O: Nein, das ist nicht der Fall. Wir sind eigentlich in erster Linie eine 98

pädagogische Einrichtung, die autismusspezifische Förderungen anbietet. Das 99

ist aus meiner Sicht eine sehr gute Kombination, die die dort anbieten können, 100

weil dann alles dort auch besser vernetzt ist. Aber in Leipzig ist das nicht der 101

Fall, da wir eine pädagogische Einrichtung sind. 102

M: Wie finden die Eltern in der Regel Zugang zu Ihrer Einrichtung? 103

O: Also in dem Sinne, dass man uns googeln kann, wenn man Autismus und 104

Leipzig eingibt. In dem Sinne, dass viele pädagogische Einrichtungen über uns 105

Kenntnis haben und entsprechend den Eltern es weiterempfehlen 106

beziehungsweise denke ich auch in erster Linie das sozialpädiatrische 107

Zentrum, wenn dort Kinder stranden mit einer entsprechenden Diagnostik 108

ausgerüstet werden, dass das SPZ die Autismusambulanz Leipzig dann auch 109

benennt und generell natürlich wenn Hilfen beantragt werden über das 110

Sozialamt oder Jugendamt, dass die Ämter dann auch entsprechend wissen, 111

dass es uns gibt. 112

M: Da findet ja schon eine gut strukturierte Zusammenarbeit oder eine enge 113

Zusammenarbeit statt! 114

O: Ja also die gibt es schon. Das könnte bestimmt alles noch optimiert werden. 115

Das ist immer eine Frage der zur Verfügung stehenden Zeit um diese 116

notwendige Netzwerkarbeit zu tätigen. Also aus Sicht der Autismusambulanz 117

Dresden müssen wir uns hier noch mehr vernetzen, weil die sozusagen den 118

ganzen Bedarf für unseren Bereich nicht abdecken können, was zum Beispiel 119

in den Diagnostikbereich fällt. In dem Sinne hoffen wir, dass wir in der Zeit uns 120

noch mehr vernetzen können um effektiver für die Menschen mit 121

Autismusspektrumsstörung in Leipzig und Umgebung da sein zu können. 122

M: Müssen Voraussetzungen erfüllt werden, wenn die Eltern mit ihren Kindern 123

hier herkommen? Nur die Diagnose!? 124

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XXXVI

O: Also da muss eine Diagnose gestellt werden. Voraussetzung ist, dass sie 125

halt über das Sozialamt, Jugendamt oder den kommunalen Sozialverband 126

entsprechende Finanzierungsgrundlage gefunden haben, wenn sie das nicht 127

privat zahlen möchten. 128

M: Was würde das privat kosten? 129

O: Also ich glaube der Privatkostensatz ist jetzt pro Stunde ...(10 sec.) 36 Euro. 130

M: Also da ist dann schon eher anzudenken, dass man das vom Jugendamt 131

oder Sozialamt finanziert bekommt, denn das ist ja schon sehr teuer auf Dauer. 132

O: Auf Dauer ist das zu teuer und wird in der Regel nur mal genutzt um 133

übergangsmäßig, wenn Eltern sich das leisten können das entsprechend zu 134

finanzieren, ansonsten ist das definitiv keine, nicht die Regel. 135

M: Welche Schwierigkeiten in der Kontaktaufnahme haben Ihnen Eltern schon 136

mal angezeigt? 137

O: ...(4 sec.) Kontaktaufnahmeprobleme ihrer Kinder? 138

M: Nein in der Kontaktaufnahme zur Autismusambulanz, ob es da 139

Schwierigkeiten gab überhaupt erst mal hier herzukommen? 140

O: Na das kann ich nicht wirklich beurteilen, weil viele Eltern, die hier nicht 141

angekommen sind und mich darüber auch nicht in Kenntnis setzen können. 142

M: Ich meine eher, dass Eltern jetzt hier sind, aber gesagt haben, dass es für 143

sie sehr schwierig war? 144

O: Es ist generell für alle Eltern extrem schwierig, weil der Weg bis zur 145

Diagnostik sehr lang ist und normalerweise ist ja Autismus so gut getarnt in 146

dem Sinne, dass auch die Aufklärung über das Thema Autismus in den 147

pädagogischen und medizinischen Bereichen nicht so groß ist, dass relativ 148

schnell eine Diagnose zum Thema Autismus gefunden wird für das betroffene 149

Kind, zum Teil auch betroffenen Erwachsenen. Entsprechend ist dann die 150

Odyssee, die die Eltern dann hinter sich haben bis sie bei uns stranden schon 151

sehr sehr lang. 152

M: Aus welchem Einzugsgebiet kommen die Eltern zu Ihnen? 153

O: Also Stadt Leipzig, schwerpunktmäßig und angrenzende Regionen, die 154

irgendwie noch zur Stadt Leipzig gehören beziehungsweise zu 155

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XXXVII

Beratungszwecken auch mal Eltern aus anderen Regionen, aus Dresden eher 156

weniger, aber zum Thema Frühförderung hatten wir auch schon Eltern in der 157

Beratung, die aus Chemnitz kamen, weil dort die Autismusambulanz, 158

zumindest die Autismusambulanz selber keine spezifische Frühförderung 159

anbietet. Da gab es mal eine Familie, die da sich in Chemnitz nicht so gut 160

versorgt sah und da von uns Beratung bekommen hat. Aber ansonsten ist es 161

schon regional der Bereich Leipzig (unverständlich). 162

M: Was war denn das Weiteste wo Eltern herkamen? 163

O: Also für Beratungszwecke wären die aus Chemnitz und auch so ein 164

bisschen was so dahinter noch ist im Erzgebirge. Aber sonst so für die direkte 165

Arbeit mit uns kann ich das gerade nicht benennen. Also ist ja dann meistens 166

so, dass unsere Kollegen dann ja auch mobil tätig sind und da hinfahren und 167

da ist, glaube ich, Eilenburg sehr weit weg. Wir waren auch schon in Torgau, 168

was glaube ich auch relativ weit weg ist? Genau, aber jetzt gibt es da die 169

Autismusambulanz in Wittenberg wiederrum. Also da hat sich das jetzt auch 170

nochmal anders verteilt. 171

M: Was denken Sie mit welchen Schwierigkeiten oder Problemen die Eltern in 172

ihrem Familienalltag konfrontiert sind? 173

O: Naja, vielfältiger Natur. In erster Linie dessen, dass sie die betroffenen 174

Familienangehörigen versorgt sehen wollen und das es hier viele Familien 175

schon gibt, die auch darunter leiden, dass halt die Aufklärung zum Thema 176

Autismus in unserer Gesellschaft nicht wirklich weit verbreitet ist und 177

entsprechend in pädagogischen Einrichtungen wie Kindergärten und Schulen 178

zum Teil halt, dass der individuelle Betreuungsbedarf für ihre Kinder und 179

Jugendlichen mit Autismusspektrumsstörung halt nicht optimal abgedeckt 180

werden kann. 181

M: Weil bei den Fachkräften Unwissenheit gegenüber dem Thema Autismus 182

existiert!? 183

O: Weniger vielleicht eine Unwissenheit als die personellen Möglichkeiten die 184

ganzen Bedürfnisse da halt abzudecken. Naja, dazu kommt halt noch, dass die 185

Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen mit besonderen 186

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XXXVIII

Verhaltensauffälligkeiten im Alltag ihren Mitmenschen und in erster Linie ihrer 187

eigenen Familie begegnen und entsprechend dieses Zusammenleben eben 188

auch seine individuellen Herausforderungen bietet und entsprechend 189

Familienangehörige auch selber schon sehr stark belastet sind durch 190

(unverständlich) (anzunehmenden)? Stressoren. 191

M: Kommen Eltern direkt mit Problemen zu Ihnen und suchen Rat? 192

O: Also wir bieten hier eine Beratung an, bei der sich jeder telefonisch oder per 193

Mail bei uns melden kann und wo wir einen Beratungstermin zur Verfügung 194

stellen. Und in dem Kontext kommen schon in erster Linie Eltern zu uns, die 195

auch konkrete Probleme mitbringen, wo wir versuchen im Beratungsgespräch 196

einen Hinweis zu geben, aber in erster Linie halt auch versuchen, wenn wir das 197

sehen, dass ein größerer Bedarf ist, sie halt auch an die beiden Ämter zu 198

verweisen, wo halt eine intensivere Begleitung der Familie dann finanziert 199

werden könnte oder wir auch zu Weiterbildungen raten, die wir im Haus auch 200

anbieten oder woanders durchgeführt werden können. Genau, aber manchmal 201

ist es schon so, dass wir im Rahmen der Beratungen schon erste Hinweise 202

geben können inwieweit die Eltern ihre Kinder im Alltag unterstützen können. 203

M: Es sind also Überforderungssituationen, wo die Eltern nicht mehr 204

weiterwissen und Sie dann eben um Rat fragen. 205

O: Im Rahmen der Förderung schon, dass wir da versuchen intensive 206

Elternarbeit durchzuführen, wo wir die Eltern dann auch im Alltag sozusagen 207

mit ihren Problemen und Fragestellungen begleiten können. Aber im Rahmen 208

dieser Beratungsgespräche ist es sozusagen keine konstante Betreuung und 209

das ist in dem Sinne ein einmaliges Beratungsangebot, um über unsere 210

Möglichkeiten zu informieren und sie gegebenenfalls weiterzuschicken, wo wir 211

sehen hier wäre Bedarf einer Abklärung, dass wir an eine Diagnostikstelle 212

verweisen oder hier wäre Bedarf einer spezifischen Förderung, wo wir an das 213

zuständige Amt dann verweisen. 214

M: Welche Angebote bieten Sie allgemein hinsichtlich der Therapie und 215

Behandlung für Autismus an? 216

O: Die Autismusambulanz Leipzig bietet Frühförderung an, 217

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autismusspezifische Frühförderung. Einzelförderung nennt sich dann 218

automatisch, wenn das Kind sozusagen aus dem Frühförderalter raus ist. 219

Sozialtraining ist definitiv eine wichtige Förderung im Kontext für Menschen mit 220

eher häufiger Asperger-Syndrom. (unverständlich) ihre sozialen Defizite 221

kompensieren lernen müssen über kognitiv erlernt soziale Verhaltensweisen. 222

Dieses Sozialtraining bieten wird in Einzelvariante an, also eins zu eins im 223

Training. Aber auch ergänzend im Kontext einer Gruppe und wir bieten 224

Schulbegleitung an. Das heißt, dass wir Kinder in Regelschulen oder 225

Förderschulen stundenweise, zum Teil auch tageweise, im 226

Schulunterrichtsverlauf begleiten. Ja, zusätzlich umfasst das 227

Leistungsangebot noch die Freizeitangebote, was jetzt nicht finanziert wird 228

durch die Ämter, aber was jetzt bedeutet, dass wir einmal im Monat einen 229

Erlebnisnachmittag machen für Jugendliche, die schon länger mit unserer 230

Einrichtung in Kontakt sind sowie einmal im Jahr eine Ferienfahrt, wo wir 231

zweimal eine Woche mit Kindern und Jugendlichen teilweise auch 232

Erwachsenen eine Ferienfahrt machen. Des Weiteren steht auf unserer 233

Angebotsliste noch Musik- und Kunsttherapie. Wie gesagt, da ist die 234

Finanzierung über die Ämter eher schwierig. Genau, allgemeine Beratung 235

hatte ich schon angesprochen, nicht nur für Eltern, sondern auch für 236

Pädagogen, Therapeuten und anderweitig Interessierte und ja, 237

Weiterbildungen sind definitiv ein wichtiger Aspekt, wo wir intern hier 238

Weiterbildungen machen, die wir über unsere Autismusambulanz anbieten, 239

aber wo wir auch für externe Einrichtungen zu Verfügung stehen als 240

Referenten. 241

M: Was sind das für Weiterbildungen? 242

O: Weiterbildungen Autismusspektrumsstörungen in dem Sinne, dass wir da 243

aufklären, was Autismusspektrum beinhaltet. Generell ist es schon so, dass wir 244

uns mit der Einrichtung und ihren konkreten Fragestellungen vorher 245

auseinander setzen und dann sozusagen die Weiterbildungen diesbezüglich 246

dann konkret vorbereiten. In der Regel ist es auch so, dass Schulen jetzt mehr 247

auch ihr Kontingent, was die Bildungsagentur zur Verfügung stellt auch mal für 248

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XL

einen pädagogischen Tag nutzen und sich dieser Thematik widmen und da ist 249

es dann schon so die Frage welcher Schultyp ist das und welche Kinder sind in 250

der Schule, die Kinder aus dem Autismusspektrum und ja welche 251

Problemlagen bringen die spezifisch mit und auf die gehen wir dann auch 252

spezifischer ein. Dann haben wir auch noch ein, aus meiner Sicht sehr 253

produktives, Weiterbildungsangebot, wo eine Frau, die selber betroffen ist von 254

einer Autismusspektrumsstörung, also von Asperger-Syndrom betroffen ist, 255

gemeinsam mit mir eine Weiterbildung gibt, wo sie sozusagen einfach nochmal 256

viel besser ihre eigene Perspektive über die, auch die Perspektive einer 257

Mutter, weil sie selber auch betroffen ist, also selber auch ein Kind mit 258

frühkindlichen Autismus hat sozusagen viel besser auch nochmal die anderen 259

Perspektiven vertreten kann, als jetzt jemand von uns, der in erster Linie nur 260

eine Außensicht auf das Thema hat. 261

M: Wie werden die Weiterbildungen angenommen? 262

O: Gut. Also die Leute, die nach einer Weiterbildung fragen, die sind, glaube 263

ich, in der Regel sehr zufrieden und ich persönlich habe die Erfahrung gemacht 264

seit ich die Weiterbildungen mit besagter Frau mache, die selber von 265

Asperger-Syndrom betroffen ist, dass das noch besser angenommen wird, weil 266

das noch mehr sozusagen diese anderen Realitäten irgendwie transparent 267

macht, wo Menschen (unverständlich) außen auf das Thema schauen. 268

M: Sind es in der Regel Eltern, die an den Weiterbildungen teilnehmen oder 269

eher Fachkräfte? 270

O: Also hier in der Autismusambulanz, wenn wir Weiterbildungen anbieten, 271

sind es denke ich, sind es eine gute Mischung aus Eltern bestimmt zum großen 272

Teil aber auch pädagogische Fachkräfte aus anderen Einrichtungen und wenn 273

wir in eine Einrichtung gehen, dann ist es zum Beispiel ein Team von Lehrern 274

eines Gymnasiums, wo wir dann spezifisch einen Thementag zum Thema 275

Autismus (unverständlich). 276

M: Und das wird jetzt immer mehr wahrgenommen!? 277

O: Also aus meiner Perspektive ist es schon so, dass Schulen sich jetzt mehr 278

zu dem Thema fit machen. 279

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XLI

M: Das ist ja eine gute Entwicklung. 280

O: Definitiv, weil ich glaube, dass es etwas ist, was den Kindern in Schulen 281

mehr hilft, wenn die Lehrer umfangreich oder grundständig informiert sind zu 282

den Themen, als das da ein Schulbegleiter da an denen dranhängt. Also ich 283

glaube man hilft den Kindern mehr, wenn man umfangreich das Umfeld 284

aufklären kann. Ich glaube vor allem, dass es darum geht, dass viele Hilfen, die 285

diese Menschen brauchen sozusagen von den Personen nicht gegeben 286

werden, weil sie über den Bedarf gar nicht informiert sind. Also das ich glaube, 287

wenn man grundständiges Verständnis vom Thema Autismus hat sozusagen 288

im Alltag schon ohne größere Probleme den Menschen auch helfen kann 289

indem man sozusagen gewisse strukturierende Ideen zum Beispiel von 290

TEACCH mit einbaut, was auch im schulischen Kontext in der Regel auch oder 291

auch wirklich komplett allen anderen Kindern hilft. Aber was auch halt für 292

autistische Mitschüler immens wichtig ist. 293

M: Und da ist ja momentan bei den Lehrern relativ Unwissen da, würde ich jetzt 294

mal behaupten. 295

O: Also ich denke ja, dass es allein von der Ausbildung, die Lehrer da haben, 296

nicht umfangreich mit dem Thema Autismus aufgeklärt sind. Also was mich 297

jetzt auch nicht wundert und was ich jetzt nicht auch nicht erwarten würde von 298

einem Lehrer. Ich erwarte von einem Lehrer, dass, wenn er ein Kind hat in 299

seiner Klasse, dass er sich dann informiert und sich auch informieren lassen 300

möchte. Aber ansonsten erwarte ich das in der heutigen Gesellschaft noch 301

nicht, dass da zum Thema Autismus alle informiert sind. Aber das Interesse ist 302

verstärkt da und das freut mich schon. 303

M: Gibt es Angebote speziell für die Entlastung der Eltern? 304

O: Also dafür hoffen wir, dass wir unsere Förderung auch nutzen können um 305

sozusagen das natürlich, das was wir mit den Kindern und Jugendlichen 306

machen auch mit den Eltern reflektieren und damit sozusagen auch den Eltern 307

Möglichkeiten bieten ihre persönlichen Problemlagen im häuslichen Kontext 308

und in dem Lebenskontext mit ihren Kindern einzubringen und mit uns zu 309

reflektieren und ansonsten ja ist es wahrscheinlich nicht immer umfangreich 310

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XLII

genug, was wir leisten können über das begrenzte Stundenkontingent, was 311

uns von den Ämtern zur Verfügung gestellt wird und zusätzlich ist halt in 312

unserem Hause noch über den Träger besagte Beratungsstelle ansässig. Die 313

heißt halt für Familien mit chronisch kranken oder behinderten Kindern und 314

Jugendlichen und in dieser Einrichtung gibt es halt eine 315

Diplom-Sozialpädagogin und eine Psychologin und eine Volljuristin und die 316

haben sozusagen nochmal andere zeitliche Möglichkeiten und sind auch sehr 317

gut vernetzt mit anderen beratenden Einrichtungen und ja. 318

M: Gehört die mit zu dem Träger der Autismusambulanz? 319

O: Genau die gehört mit zu dem Träger. Arbeitet aber unabhängig von unserer 320

Einrichtung. 321

M: Ist die hier mit im Haus? 322

O: Genau die ist gleich hier mit im Haus, gleich hier auf der Etage. 323

M: Bieten Sie auch so etwas wie Elterntraining an? 324

O: Also konkret jetzt als Weiterbildungsangebot für Eltern nicht. Also wir 325

machen autismusspezifische Weiterbildungen, wo wir glauben, dass wir 326

grundständig irgendwelches Wissen zum Thema Autismus, was Eltern auch in 327

ihrem Alltag verwenden können, präsentieren. Aber ein ganz konkretes 328

Elterntraining bieten wir nicht an. 329

M: Was denken Sie, müsste vielleicht noch für die Eltern geschaffen werden 330

oder was ist noch ausbaufähig an Angeboten? 331

O: Also ausbaufähig ist, glaube ich, so ziemlich alles. Wichtig für uns ist halt, 332

dass es eine Finanzierung gibt und das ist eben momentan alles was finanziert 333

wird, machen wir möglich. Aber alles was halt darüber hinausgeht, müssen wir 334

halt zum Teil auch von uns weisen, weil sozusagen eine Finanzierung in 335

unserem Kontext sozusagen leider extrem wichtig ist um für eine ganze 336

Refinanzierung für die ganze Einrichtung zu sorgen. Aber Beratungsangebote 337

für Eltern, Beratungsangebote für das soziale Umfeld sind, denke ich, schon 338

noch so eine Baustelle, wo sozusagen noch mehr Stundenkontingent in dem 339

Sinne bei manchen Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen irgendwie von Nöten 340

wären. Ansonsten glaube ich, also meine persönliche Meinung ist, dass 341

Page 93: Kinder mit Autismus Möglichkeiten der Unterstützung für ... · PDF file1 Bibliographische Beschreibung: Michael, Christina: Kinder mit Autismus – Möglichkeiten der Unterstützung

XLIII

Weiterbildungsangebote noch, dass wir die haben und das die einfach 342

sozusagen noch mehr angeboten werden müssten beziehungsweise auch von 343

Schulen noch mehr angenommen werden müssten und ansonsten denk ich, 344

dass es noch mehr Vernetzung, dass was wir schon mal hatten das Thema 345

sozusagen auch eine wichtige Baustelle ist, die sich auch noch ein bisschen 346

problematisch gestaltet, weil es verschiedene Träger natürlich gibt, die auch 347

autismusspezifisch Schulbegleitung anbieten und die sich auch kennen und 348

auch miteinander in dem Sinne zusammenarbeiten. Aber eine weitere 349

Vernetzung in dem Sinne, dass wir auch autismusspezifisches Wissen dann 350

Schulbegleitern anderer Träger anbieten können, gibt es nun wiederum leider 351

nicht und zwar nicht weil die Einrichtungen nicht miteinander kooperieren 352

wollen, sondern weil halt dann wiederrum eine Finanzierung notwendig wäre 353

zum Beispiel über das Jugendamt und das hieße dann eine 354

Doppelfinanzierung und da sind sozusagen die finanziellen Möglichkeiten des 355

zuständigen Amtes dann auch meistens nicht da um das zu ermöglichen, wo 356

ich noch immer glaube, dass gerade beim Thema Schulbegleitung noch mehr 357

vernetzende Arbeit mit anderen Trägern und deren Schulbegleitern, wo wir 358

positive Akzente setzen könnten, wenn wir noch beratend tätig sein könnten, 359

was aber leider aufgrund der Finanzierungsgrundlage in der Regel nicht 360

möglich ist. 361

M: Wie alt sind eigentlich die Kinder, die hier zu Ihnen kommen? 362

O: Also je nachdem wann die Diagnose halt da ist, denke ich, die Jüngsten, die 363

wir hatten, sind so in der Regel drei Jahre alt und die Ältesten, mit denen wir 364

gerade arbeiten, die sind, hmm weis ich gerade auch nicht. Also einer, der mit 365

bei der Ferienfahrt dabei ist immer noch, mit dem wir auch gearbeitet haben, 366

müsste jetzt 40 sein. 367

M: Und der befindet sich auch noch hier in der Therapie? 368

O: Der spezifisch jetzt gerade nicht. Aber ansonsten, glaube ich schon, dass 369

es hier Menschen gibt, die so zwischen 30 und 40 sind. Also es dehnt sich 370

sozusagen altersmäßig immer weiter aus, da sozusagen die Finanzierung im 371

kindlichen und frühkindlichen und Jugendbereich also sozusagen im ganzen 372

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XLIV

Kindergarten- und Schulalter noch gut abgedeckt ist. Aber dann nach der 373

schulischen Laufbahn sozusagen viele Förderungen halt dann wirklich 374

beendet werden. Da die Finanzierung sozusagen dann übergeht an den 375

kommunalen Sozialverband und da sozusagen die Angebote und 376

Finanzierungsmöglichkeiten dünner werden, vor allen Dingen weil viele ja 377

dann in beruflichen Kontext dann eingebunden sind oder in ihrem 378

Ausbildungskontext und dort sozusagen dann der Bedarf sozusagen hin 379

verschoben wird und ich denke, dass dort auch noch mehr individueller 380

spezifischer Bedarf da ist, der aber dann nicht mehr sozusagen zum tragen 381

kommt. Also ich denke dort gibt es noch einen größeren Bedarf als es bei den 382

Kindern und Jugendlichen ist. 383

M: Wie lange dauert eine Förderung hier eigentlich, also über welchen 384

Zeitraum geht sie? 385

O: Also es ist sehr sehr unterschiedlich. Es gibt bestimmt Förderungen, die so 386

nach zwei Jahren erst mal beendet werden und dann wo dem Amt dann auch 387

klar ist, dass sozusagen lebensabschnittsspezifisch sozusagen die Kinder und 388

Jugendlichen und auch Erwachsenen wieder neuen Bedarf haben werden. 389

...(15 sec.) Was wollte ich jetzt, was war die Frage? 390

M: Wie lange so eine Förderung in der Regel dauert. 391

O: Ja richtig und was halt meistens über einen längeren Zeitraum geht wie 392

Schulbegleitung, da ist sozusagen auch das Wichtigste, dass es relativ, dass 393

der Schulbegleiter sich relativ schnell wieder unabhängig macht und das Kind 394

dann unabhängig ist und das das eher Hilfe zur Selbsthilfe ist, als das der 395

Schulbegleiter sozusagen zu sehr am Kind "klebt", dass sozusagen die Person 396

gar nicht mehr sozusagen getrennt werden kann aus dem Erlebnisbereich des 397

Kindes. Aber es ist doch so, dass in vielen Schulsystemen ein Schulbegleiter 398

von Nöten ist und zwar auch über einen längeren Zeitraum als ein halbes Jahr, 399

ein Jahr, zwei Jahre und das ich immer hoffe, dass das sozusagen 400

perspektivisch mal über andere Strukturen abgedeckt werden kann, weil da ist 401

der Bedarf ziemlich groß, den wir, wo ich immer denke, dass sozusagen ein 402

Schulbegleiter, der von außen kommt da zum Teil nicht so gut in das System 403

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XLV

irgendwie immer einhaken kann als wenn sozusagen die Schule da auch 404

andere Modelle zur Verfügung stellen könnte, wo sozusagen einfach 405

automatisch mehr Lehrkräfte in der Klasse vertreten sind. 406

M: Aber das ist ja in Regelschulen gar nicht der Fall. 407

O: Ist nicht der Fall. Aber auf dem Weg zur Inklusion, glaube ich, wird dem 408

Schulsystem nichts anderes übrig bleiben als da neue innovative 409

Beschulungsmethoden irgendwie zu finden. 410

M: Es hängt dann immer an der Finanzierung. 411

O: Es hängt immer an der Finanzierung, dass stimmt wohl. Aber über kurz oder 412

lang werden da, wird der Bedarf einfach sich so darstellen, dass auch die 413

Schulsysteme da entsprechend darauf reagieren müssen. 414

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XLVI

Anlage V – schriftliche Befragung Frau Scholz 1

2

Ort: - - - (Befragung fand per E-Mail statt) 3

Datum: 22.01.2013 4

Teilnehmer: Interviewerin Christina Michael, Frau Scholz 5

6

1. Welche Rolle spielt die Soziale Arbeit/ Sozialpädagogik in der Therapie/ 7

Betreuung von Menschen mit Autismus in der Autismusambulanz? 8

9

- Aufklärung und Sensibilisierung für die Besonderheiten von und 10

den Umgang mit Autismus 11

- Ermöglichen von gesellschaftlicher Teilhabe 12

- Schnittstelle sein zwischen dem Mensch mit Autismus und dessen 13

Umfeld („Anwalt des Klienten“) 14

- Anleitung der Bezugspersonen bzw. des direkten Umfelds des 15

Menschen mit Autismus („Arbeit am System“) 16

- Training sozialer Verhaltensweisen und Anregung zur Reflexion 17

des eigenen Verhaltens 18

19

2. Was sind (weitere) Aufgaben des Sozialarbeiters/ -pädagogen in der 20

Autismusambulanz? 21

22

- kollegiale Beratung 23

- Zuarbeit für Ämter: Entwicklungsberichte, Förderpläne, 24

Abrechnungen etc. 25

- Dokumentation 26

- Wissenstransfer mittels Weiterbildung 27

- Besuch von Weiterbildung zum Ausbau des eigenen Wissens 28

29

3. Inwieweit unterscheidet sich die Soziale Arbeit von anderen Disziplinen 30

in der Autismusambulanz? 31

32

Soziale Arbeit unterscheidet sich von anderen Disziplinen in der AuAm 33

nur bedingt. Sowohl Heilpädagogik und Psychologie als auch 34

Page 97: Kinder mit Autismus Möglichkeiten der Unterstützung für ... · PDF file1 Bibliographische Beschreibung: Michael, Christina: Kinder mit Autismus – Möglichkeiten der Unterstützung

XLVII

Sozialpädagogik fungieren in der AuAm unter dem Aspekt Sozialer 35

Arbeit. Die Unterscheidung liegt vor allem im Bereich der Förderung. 36

Heilpädagogik setzt häufiger bei der „therapeutischen“ Frühförderung an, 37

Sozialpädagogik und Psychologie eher im Bereich des Trainings sozialer 38

Verhaltensweisen. Die Grenzen zwischen den Disziplinen 39

verschwimmen dabei sehr stark. 40

41

4. Sind die Möglichkeiten der Sozialen Arbeit ausgeschöpft? Was müsste 42

an Angeboten für Angehörige von Kindern mit Autismus noch geschaffen 43

werden bzw. was könnte noch ausgebaut werden? 44

45

Die Möglichkeiten sind bei Weitem nicht ausgeschöpft. Es besteht zum 46

Beispiel eine Notwendigkeit, ein weitläufiges soziales Netzwerk zum 47

Austausch für Angehörige, vor allem Eltern und Geschwisterkinder zu 48

entwickeln. Darüber hinaus sollte eine breit gefächerte Aufklärung auf 49

gesellschaftlicher Ebene die Basis für ein umfassendes Verständnis für 50

Menschen mit Autismus sein. 51

52

5. Nach welchen theoretischen Ansätzen arbeitet der Sozialarbeiter in der 53

Autismusambulanz? 54

55

Theoretische Ansätze, die die Soziale Arbeit der AuAm bestimmen sind 56

vor allem Wertschätzung und Akzeptanz, Inklusion, 57

Lebensweltorientierung, Empowerment, Ressourcenorientierung, 58

Umfeldbezogenheit. 59

Zusätzlich wir nach autismusspezifischen Ansätzen wie Teacch, Pecs, 60

ABA, verhaltenstherapeutische Ansätze, Theory of Mind, Social Stories 61

und Comic Strip Conversation gearbeitet. 62

63

6. Wo liegen in der Autismusambulanz die Grenzen für die Soziale Arbeit? 64

65

Grenzen liegen vor allem in den staatlichen, insbesondere finanziellen 66

und strukturellen Vorgaben / Gegebenheiten. Soziale Arbeit basiert auf 67

Gesetzen und setzt entsprechend fast ausschließlich bei der Intervention 68

Page 98: Kinder mit Autismus Möglichkeiten der Unterstützung für ... · PDF file1 Bibliographische Beschreibung: Michael, Christina: Kinder mit Autismus – Möglichkeiten der Unterstützung

XLVIII

an. Sozialpolitisch ist präventive, aufklärende Soziale Arbeit kaum 69

vorgesehen und lässt sich kaum umsetzen. 70

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XLIX

Anlage VI – schriftliche Befragung Frau Müller 1

2

Ort: - - - (Befragung fand per E-Mail statt) 3

Datum: 21.01.2013 4

Teilnehmer: Interviewerin Christina Michael, Frau Müller 5

6

1. Welche Rolle spielt die Soziale Arbeit /Sozialpädagogik in der 7

Therapie/Betreuung von Menschen mit Autismus? 8

9

- Im Vorfeld ist doch zunächst wichtig Wer, Wann und Wo die 10

Diagnose Autismus gestellt hat. 11

- Ist dies bzw. der Verdacht auf das Vorliegen einer 12

autistischen Störung im SPZ erfolgt, so werde ich als 13

Sozialarbeiter für die weiteren Fragen, (z.B. Beantragung 14

von SB- Ausweis, Beratung bezüglich der Beschulung bzw. 15

Schulbegleitung, Zusammenarbeit mit anderen Institutionen 16

u.s.w.) in die Behandlung mit einbezogen. 17

- Da wir in Dresden eine Autismusambulanz haben, stellen wir 18

die Kinder auch zur genauen Diagnostik dort vor. Die 19

intensive Betreuung der Eltern läuft dann 20

auch über die Sozialarbeiter dort. 21

22

2. Was sind (weitere)Aufgaben des Sozialarbeiter/-pädagogen im 23

SPZ? 24

25

- Die Aufgaben eines Sozialarbeiters im SPZ sind im 26

Altöttinger Papier geregelt und werden in der Praxis 27

entsprechend angewandt und umgesetzt. 28

- Die einzelnen Aufgabengebiete sind sehr komplex und 29

gehen von individueller Beratung, Gruppengesprächen, 30

Beantragung von Hilfen, Zusammenarbeit mit Ämtern, 31

Behörden und Einrichtungen, Beantwortung von Anfragen, 32

Teilnahme an Gesprächen in Einrichtungen, Elternkurse 33

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L

über Mitarbeit in verschiedenen Arbeitsgruppen und 34

Netzwerken. 35

- Diese Aufgaben und deren individuelle Umsetzung sind 36

sicher auch von SPZ zu SPZ unterschiedlich (richtet sich 37

sicher auch nach Anzahl der SA und dem Einzugsgebiet). In 38

meiner zwanzig jährigen Arbeit im SPZ habe ich die 39

vielfältigsten und unterschiedlichsten Aufgaben und 40

Probleme mit den Eltern gemeistert. Durch die Möglichkeit 41

auch Vorort (Häuslichkeit, Schule oder ähnliches) tätig zu 42

werden, sind da auch keine Grenzen gesetzt. 43

44

3. Inwieweit unterscheidet sich die Soziale Arbeit von anderen 45

Disziplinen im SPZ? 46

47

- Die Therapieeinheiten werden am Kind durchgeführt, der 48

Therapeut gibt den Eltern Anleitung, Hinweise und 49

Ratschläge. Das besondere eines SPZ ist die Teamarbeit, 50

also es werden immer die entsprechenden Absprachen, 51

individuellen Informationen und Entscheidungen im Team, 52

zum Wohle und der Entwicklung des Kindes jedoch unter 53

Berücksichtigung der jeweiligen familiären und sozialen 54

Verhältnisse, getroffen. Der Sozialarbeiter ist dabei ein 55

wichtiges Teammitglied und trägt durch die gewonnenen 56

Kenntnisse über die Familie nicht unerheblich zum 57

Behandlungserfolg bei. Oftmals liegen die Gründe für 58

Auffälligkeiten in der Entwicklung eines Kindes an der 59

Gesamtkonstellation der Familie und lassen sich nicht mit 60

verordneten Therapien lösen. 61

62

63

64

65

66

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LI

4. Sind die Möglichkeiten der Sozialen Arbeit ausgeschöpft? Was 67

müsste an Angeboten für Angehörige von Kindern mit Autismus 68

noch geschaffen werden bzw. was könnte noch ausgebaut 69

werden? 70

71

- Spezielle Angebote für Angehörige von Kindern mit 72

Autismus bieten wir in unserer Einrichtung nicht an, da wir 73

hochgerechnet ungefähr nur 10 Kinder mit Autismus 74

betreuen. 75

- In unserem Einzugsgebiet liegt die Autismusambulanz 76

Dresden, dort werden die Familien umfassend betreut. Es ist 77

mir bekannt das Jugendliche mit Autismus in eine 78

Gruppenarbeit eingebunden sind und verschiedene 79

Aktivitäten gemeinsam erleben. 80

Die Rückmeldung der betroffenen Eltern ist positiv, sie fühlen 81

sich dort mit ihren Problemen angenommen und umfassend 82

betreut. 83

84

5. Nach welchen theoretischen Ansätzen arbeitet der Sozialarbeiter 85

im SPZ? 86

87

- Die Arbeit des Sozialarbeiters ist im Altöttinger Papier- 88

Qualität in der Sozialpädiatrie (Band3). 89

Dort sind auf Seite 170 Autistische Störungsbilder- 90

Diagnostik und Therapie alle relevanten Aufgaben bezüglich 91

der Behandlung des Autismus im SPZ beschrieben. 92

93

6. Wo liegen im SPZ die Grenzen der Sozialen Arbeit? 94

95

- Die Vorraussetzungen zur Behandlung im SPZ ist immer die 96

Überweisung durch einen Kinderarzt oder Kinder- und 97

Jugendpsychiater, ohne diesen Behandlungsauftrag können 98

wir nicht diagnostisch und therapeutisch tätig werden. 99

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LII

- Die Vorstellung und Behandlung basiert also auf freiwilliger 100

Entscheidung der Eltern und kann von ihnen jederzeit 101

beendet/abgebrochen werden. Somit sind uns manchmal 102

Grenzen der Einflussnahme auf die Entwicklung des Kindes 103

gesetzt. 104

- Um Soziale Arbeit jedoch erfolgreich durchführen zu können 105

ist die Schaffung von Vertrauen, Fingerspitzengefühl und 106

Verständnis notwendig. 107

- Um Zusammenhänge zu sehen und auch zum Wohl des 108

Kindes reagieren zu können ist die Mitarbeit in Netzwerken, 109

die Zusammenarbeit mit Jugend-und Sozialamt, 110

Wohlfahrtsorganisationen, Schulen und anderen 111

Kindereinrichtungen von enormer Bedeutung. 112

- Die Soziale Arbeit hat einen hohen Stellenwert in der SPZ 113

Arbeit, jedoch ist die Finanzierung der Stelle des 114

Sozialarbeiters/Sozialpädagogen nicht in allen SPZ 115

gesichert, es ist ja keine Kassenleistung. Dazu sollten Sie 116

wissen, dass die Finanzierung des SPZ mit der verhandelten 117

Kassenpauschale und zum Teil von den Sozialämtern (des 118

Einzugsgebietes) der Landratsämter getragen wird. Die 119

Stelle des SA müsste also von diesen Anteil finanziert 120

werden, da aber einige Sozialämter sich nicht oder nur zu 121

einem geringeren Maße an den Kosten beteiligen können 122

Finanzierungslücken entstehen. 123

- Es ist schon ein jahrelanger „Kampf“ und die Ämter sehen 124

dabei auch nicht welchen erheblichen Beitrag wir als 125

Gesamteinrichtung eigentlich leisten und das wir oft z.B. 126

unsere Ergebnisse ihnen bei der Beantragung von Hilfen 127

zur Verfügung stellen (alles unter Beachtung der 128

Schweigepflicht und mit Einverständnis der Eltern), es ist 129

also äußerst unbefriedigend wenn diese sich dann bei den 130

Kosten herausnehmen. 131

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und Praxis. Bern: Verlag Hans Huber.

Saß, Henning; Wittchen, Hans-Ulrich; Zaudig, Michael (1998):

Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen.

DSM-IV. 2., verbesserte Auflage. Göttingen: Hogrefe-Verlag.

Steinhausen, Hans-Christoph (2002): Psychische Störungen bei Kindern

und Jugendlichen. Lehrbuch der Kinder- und Jugendpsychiatrie.

München, Jena: Urban & Fischer Verlag.

Page 105: Kinder mit Autismus Möglichkeiten der Unterstützung für ... · PDF file1 Bibliographische Beschreibung: Michael, Christina: Kinder mit Autismus – Möglichkeiten der Unterstützung

Rechtsquellen

Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) – Kinder- und Jugendhilfe vom

26.06.1990 in der Fassung vom 11.09.2012 (BGBl. I S. 2022)

Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) – Rehabilitation und Teilhabe

behinderter Menschen vom 19.06.2001 in der Fassung vom

12.04.2012 (BGBI. I S. 579)

Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) – Sozialhilfe vom 27.12.2003

in der Fassung vom 12.04.2012 (BGBl. I S. 579)

Internetquellen

Autismusambulanz Dresden: Behandlungsangebot

http://www.autismusambulanz-dresden.de/Behandlungsangebot

verfügbar am: 30.12.2012 15:05 Uhr

Autismus Deutschland e.V. (a): Rechtsansprüche nach

Lebensabschnitten. Teil 1 von 2

http://w3.autismus.de/pages/startseite/denkschrift/recht-und-

finanzierung/rechtsansprFCche-nach-lebensabschnitten.php

verfügbar am: 07.12.2012 13:31 Uhr

Autismus Deutschland e.V. (b): Rechtsansprüche nach

Lebensabschnitten. Teil 2 von 2

http://w3.autismus.de/pages/startseite/denkschrift/recht-und-

finanzierung/rechtsansprFCche-nach-

lebensabschnitten/rechtsansprFCche-nach-lebensabschnitten-

2.php?phpMyAdmin=Nk7ezPUuEdomcU03MTcM-wfhF5f verfügbar

am: 07.12.2012 19:27 Uhr

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Autismus Hamburg e.V.: Ursachen

http://www.autismushamburg.de/ursachen.html

verfügbar am: 03.11.2012 20:54 Uhr

Autismus Köln/ Bonn e.V.: Diagnostik

http://www.autismus-koelnbonn.de/autismus/diagnostik.htm

verfügbar am: 03.11.2012 11:16 Uhr

Häußler, Anne (2006): TEACCH – mehr als eine Methode zur Förderung

von Menschen mit Autismus.

http://www.team-autismus.de/frameset.html verfügbar am:

02.01.2013 12:11 Uhr

Häußler, Anne (o.J.): Strukturierung als Hilfe zum Verstehen und Handeln:

Die Förderung von Menschen mit Autismus nach dem Vorbild des

TEACCH-Ansatzes.

http://www.autismus-in-berlin.de/Teacch-AnneHaeussler.pdf

verfügbar am: 06.01.2013 18:52 Uhr

Sozialpädiatrisches Zentrum (Städtisches Krankenhaus Dresden-

Neustadt): Arbeitsweise.

http://www.khdn.de/index.php?entry_id=7&station_id=64 verfügbar

am: 01.01.2013 11:57 Uhr

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Selbstständigkeitserklärung

Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne

fremde Hilfe verfasst und keine anderen Hilfsmittel als angegeben

verwendet habe. Insbesondere versichere ich, dass ich alle wörtlichen und

sinngemäßen Übernahmen aus anderen Werken als solche kenntlich

gemacht habe.

Döbeln, den 10. Februar 2013

Christina Michael