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Michael, Christina
Kinder mit Autismus
Möglichkeiten der Unterstützung für betroffene Familien in Sachsen
eingereicht als
BACHELORARBEIT
an der
HOCHSCHULE MITTWEIDA (FH)
UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES
Fachbereich Soziale Arbeit
Roßwein, 2013
Michael, Christina
Kinder mit Autismus
Möglichkeiten der Unterstützung für betroffene Familien in Sachsen
eingereicht als
BACHELORARBEIT
an der
HOCHSCHULE MITTWEIDA (FH)
UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES
Fachbereich Soziale Arbeit
Roßwein, 2013
Erstprüfer: Herr Prof. Dr. Dr. Günter Zurhorst
Zweitprüfer: Herr Prof. Dr. Stefan Busse
1
Bibliographische Beschreibung:
Michael, Christina:
Kinder mit Autismus – Möglichkeiten der Unterstützung für betroffene
Familien in Sachsen. 43 Seiten
Roßwein, Hochschule Mittweida/Roßwein (FH), Fakultät Soziale Arbeit,
Bachelorarbeit, 2013
Referat:
Die vorliegende Bachelorarbeit setzt sich mit den Herausforderungen,
denen Angehörige von Kindern mit Autismus in ihrem Familienalltag
ständig ausgesetzt sind auseinander. Diese stellen für betroffene Eltern
und Geschwister oftmals eine Belastung dar, weswegen in der
vorliegenden Arbeit dargestellt werden soll, mit welchen
Unterstützungsmöglichkeiten der Sozialen Arbeit die Familien entlastet
werden können. Die Darstellung der Unterstützungsmöglichkeiten
beschränkt sich ausschließlich auf Sachsen.
Der Schwerpunkt der Arbeit liegt dabei auf einer intensiven Literatur- und
Internetrecherche, die die Grundlage dieser Arbeit bildet. Durch sie sollen
vorhandene Problemstellungen der Familien ermittelt und
dementsprechend Hilfsmöglichkeiten dargestellt werden.
Während der Erarbeitung wurden Experteninterviews und schriftliche
Befragungen mit Pädagogen aus dem Therapie- und Betreuungsbereich
von Kindern mit Autismus geführt. Diese stellen keine empirische
Untersuchung im Sinne einer Beweisführung dar, sondern vermitteln
vielmehr einen praktischen Bezug zur wissenschaftlichen Literatur.
2
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis 5
1. Einleitung 6
2. Autismus – „Die unsichtbare Behinderung“ 8
2.1. Geschichtlicher Abriss 8
2.2. Definition nach ICD-10 und DSM-IV 8
2.3. Arten von Autismus 9
2.3.1. Frühkindlicher Autismus (Kanner-Syndrom) 9
2.3.2. Asperger-Syndrom 10
2.3.3. Weitere tiefgreifende Entwicklungsstörungen 10
2.4. Ätiologie autistischer Störungen 11
2.5. Prävalenz und Geschlechterverteilung autistischer
Störungen 12
2.6. Diagnoseverfahren und Differentialdiagnose 12
2.7. Ausgewählte Therapiemöglichkeiten 14
2.8. Autismus vs. Geistiger Behinderung 15
3. Der besondere Familienalltag mit einem durch Autismus
behindertem Kind 16
3.1. Was bedeutet die Diagnose Autismus des eigenen Kindes
für die Eltern? 16
3.1.1. Umgang mit Verdacht, Erstreaktionen und
Bewältigungsstrategien der Eltern 16
3.1.2. Wie sich die Einstellung zum eigenen Kind verändert
oder verändern kann 17
3.2. Die spezielle Erziehung eines Kindes mit Autismus 18
3.3. Spannungen in den Beziehungen der
Familienmitglieder untereinander 20
3
3.3.1. „Ich bin auch noch da!“ – Geschwisterkinder 20
3.3.1.1. Die konfliktbehaftete Lage der Eltern 20
3.3.1.2. Die konfliktbehaftete Lage der
Geschwisterkinder und Chancen für ihr
weiteres Leben 22
3.3.2. „Kann unsere Ehe das aushalten?“ – Auswirkungen
auf die Partnerschaft 23
3.3.2.1. Rollenungleichgewicht in der
Partnerschaft 24
3.3.2.2. Schutzfaktoren für die Partnerschaft 25
3.4. Gestaltung von Übergängen im Leben des Kindes 26
3.4.1. Wahl eines geeigneten Kindergartens 26
3.4.2. Wahl einer geeigneten Schule 27
4. Möglichkeiten der Unterstützung für Familien in Sachsen 28
4.1. Die Rolle der Sozialen Arbeit in der Autismustherapie und
–betreuung 28
4.2. Hilfsmöglichkeiten im Rahmen sozialgesetzlicher
Bestimmungen 29
4.3. Einrichtungen der Autismustherapie und –betreuung in
Sachsen 31
4.4. Unterstützungsangebote für Angehörige von Kindern mit
Autismus in Sachsen 33
4.5. Ansatzpunkt der Sozialen Arbeit in der Autismustherapie
und –betreuung durch den TEACCH Ansatz 34
4.5.1. Entstehung und Zielsetzung von TEACCH 35
4.5.2. Prinzipien von TEACCH 35
4.5.3. Strukturierung und Visualisierung 36
4.5.4. Welchen Nutzen hat TEACCH für Eltern und andere
Familienangehörige? 37
4.5.5. Weitere Interventionsmöglichkeiten der Sozialen
Arbeit 38
4
5. Interviews mit vier Pädagogen aus dem Bereich der
Autismustherapie und –betreuung 39
5.1. Methodisches Vorgehen 39
5.2. Darstellung der Interviewauswertungen anhand des
Kategoriensystems 40
5.3. Zusammenfassung der Interviews 45
6. Schlusswort 47
Anhang I
Anlage I – Interviewleitfaden I
Anlage II – Interview Herr Schneider III
Anlage III – schriftliche Befragung Herr Schneider XXIX
Anlage IV – Interview Frau Oehmichen XXXII
Anlage V – schriftliche Befragung Frau Scholz XLVI
Anlage VI – schriftliche Befragung Frau Müller XLIX
Literaturverzeichnis
Selbstständigkeitserklärung
5
Abkürzungsverzeichnis
ABA Applied Behavior Analysis; angewandte
Verhaltensanalyse
ADHS Aufmerksamkeitsdefizit- /
Hyperaktivitätsstörung
ASS Autismus-Spektrum-Störung
DSM-IV Diagnostic and Statistical Manual of Mental
Disorders 4
F fünftes Kapitel im ICD-10
FC Facilitated Communication; Gestützte
Kommunikation
FED Familienentlastender Dienst
ICD-10 International Classification of Diseases 10
PECS Picture Exchange Communication System
RV Regionalverband
SGB VIII Sozialgesetzbuch Achtes Buch
SGB IX Sozialgesetzbuch Neuntes Buch
SGB XI Sozialgesetzbuch elftes Buch
SGB XII Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch
SOKO Soziales Kompetenztraining
SPFH Sozialpädagogische Familienhilfe
SPZ Sozialpädiatrisches Zentrum
TEACCH Treatment and Education of Autstic and related
Communication handicapped Children
6
1. Einleitung
Autismus ist ein Thema von aktueller Relevanz. Das Interesse der
Öffentlichkeit hat in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren stetig
zugenommen. Dies liegt nicht zuletzt an der Produktion von Filmen wie
„Rainman“ und „Snow Cake“, sondern auch an Büchern wie Axel Brauns
Autobiografie „Bundschatten und Fledermäuse“. Bei autistischen
Störungen handelt es sich um „früh beginnende, zahlreiche somatische,
psychologische und Alltagsfunktionen beeinträchtigende, überdauernde
Verhaltensprobleme“ (Kamp-Becker, Bölte 2011, 11). Diese
Beeinträchtigungen äußern sich in der zwischenmenschlichen Interaktion,
der Kommunikation und in Form von eingeschränkten, stereotypen,
repetitiven Interessensbereichen und Verhaltensmustern. Axel Brauns gab
einleitend zu seiner Autobiografie eine treffende Beschreibung für
Autismus ab: „Die Höflichkeit hat viele Näpfchen aufgestellt, in die man
treten kann. Autisten sind Meister darin, keines auszulassen“ (Brauns
2004, 2).
Am Ende des Studiums galt es, ein Thema für die anstehende
Bachelorarbeit zu entwickeln. In einem Praktikum in einer Werkstatt für
Menschen mit Behinderung kam ich erstmals mit Menschen mit Autismus
in Verbindung. Am Thema Autismus beeindruckt mich, dass man in der
pädagogischen Arbeit immer wieder aufs Neue herausgefordert wird, da
jeder Mensch mit Autismus anders ist und andere Verhaltensweisen zeigt.
Mit meiner Bachelorarbeit möchte ich bei den Lesern mehr
Bewusstsein für Autismus im Allgemeinen und im Besonderen für die
problembehaftete Situation sowie die Chancen der betroffenen Familien
als auch für den Stellenwert der Sozialen Arbeit im Bereich der
Autismustherapie und -betreuung schaffen. Ich setze mich in dieser Arbeit
mit der Situation der Familien, den vorhandenen
Unterstützungsmöglichkeiten und mit dem Inhalt der Sozialen Arbeit im
Autismusbereich auseinander, da dieser ein zukünftiges Arbeitsfeld für
mich darstellen kann.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, mit Hilfe von Literatur- und
Internetrecherche herauszuarbeiten, wie der Autismus des Kindes die
7
Alltagsbewältigung der Familie beeinflusst. Eingeschlossen werden dabei
auch vorherrschende Herausforderungen der Familie. Auf Grundlage
dessen sollen Möglichkeiten der Unterstützung abgeleitet werden. Dabei
wird der Nutzen für die betroffenen Familien und der Stellenwert der
Sozialen Arbeit in diesem Unterstützungsrahmen berücksichtigt. Die
Hypothese bzw. Fragestellung der Arbeit lautet dementsprechend: Das
Leben von Familien mit einem von Autismus betroffenem Kind bringt
vielfältige Konflikte mit sich. Ist im Rahmen der Sozialen Arbeit eine
Entlastung in deren Familienalltag möglich?
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in vier Themenbereiche. Kapitel 2 gibt
einen theoretischen Einblick in die Thematik Autismus inklusive Diagnostik
und möglichen Therapieansätzen. Kapitel 3 beschäftigt sich mit dem
Familienalltag betroffener Familien. In Kapitel 4 findet eine
Auseinandersetzung mit Unterstützungsmöglichkeiten für betroffene
Familien in Sachsen und TEACCH als möglichem Ansatzpunkt der
Sozialen Arbeit statt. Nach der theoretischen Bearbeitung der
Fragestellung wird in Kapitel 5 in Form der Auswertung von
Experteninterviews ein praxisorientierter Einblick zum Thema gegeben.
Aufgrund der besseren Lesbarkeit beschränke ich mich auf die
männliche Form der Personenbezeichnungen, gemeint sind aber immer
beide Geschlechter. Zudem verzichte auf die durchgehende
Doppelnennung von Kindern und Jugendlichen. Mit Kindern sind immer
die von Autismus betroffenen Kinder der Eltern gemeint. Des Weiteren
werden die Berufsbezeichnungen des Sozialpädagogen und
Sozialarbeiters synonym füreinander verwandt.
Ich möchte mich hiermit bei Herrn Prof. Dr. Dr. Günter Zurhorst für die
wissenschaftliche Betreuung der Bachelorarbeit und der mir
entgegengebrachten Geduld bedanken. Daneben gilt mein Dank Herrn
Prof. Dr. Stefan Busse für die Zweitbegutachtung. Ebenso möchte ich
mich bei meinen Interviewpartnern aus dem Praxisfeld Autismus und bei
den Eltern bedanken, die mir bereitwillig Auskunft über das Leben mit
einem Kind mit Autismus gaben. Den Eltern gilt mein tiefster Respekt für
die Bewältigung der Herausforderungen in ihrem Familienalltag.
8
2. Autismus – „Die unsichtbare Behinderung“
2.1. Geschichtlicher Abriss
Den Begriff Autismus führte 1911 der schweizer Psychiater Eugen Bleuler
ein und verstand unter diesem ein „Grundsymptom der Schizophrenie“
(Remschmidt 2005, 9). Nach diesem Autismus-Begriff ist für schizophren
Erkrankte charakteristisch „sich in eine gedankliche Binnenwelt
zurück[zu]ziehen, zunehmend weniger Kontakt zu … [seinen]
Mitmenschen aufrechtzuerhalten und sich traumhaft-phantastischen
Gedanken in sich gekehrt und umweltabgewandt hinzugeben“ (ebd.).
Somit beschrieb er schon damals die typischen Symptome von Autismus,
allerdings im Zusammenhang schizophrener Erkrankungen. Auf der
Grundlage der Begriffsdefinition von Bleuler veröffentlichten fast
gleichzeitig und unabhängig voneinander der amerikanische
Kinderpsychiater Leo Kanner (1943) und der österreichische Pädiater
Hans Asperger (1944) Artikel über autistische Störungsbilder bei Kindern.
2.2. Definition nach ICD-10 und DSM-IV
In den internationalen Klassifikationssystemen psychischer Störungen
(ICD-10 und DSM-IV) wird Autismus mit allen Arten unter den
tiefgreifenden Entwicklungsstörungen beschrieben.
Im ICD-10 werden die tiefgreifenden Entwicklungsstörungen unter dem
Kapitel F84, genauer in F84.0 bis F84.9, dargestellt. Dilling et al.
charakterisieren tiefgreifende Entwicklungsstörungen als „eine Gruppe von
Störungen, die durch qualitative Beeinträchtigungen in gegenseitigen
sozialen Interaktionen und Kommunikationsmustern sowie durch ein
eingeschränktes, stereotypes, sich wiederholendes Repertoire von
Interessen und Aktivitäten … [gekennzeichnet] sind“ (Dilling et al. 2011,
343).
Im DSM-IV befinden sich die tiefgreifenden Entwicklungsstörungen unter
dem Kapitel 299.xx. Kapitel 299.00 beschreibt die Autistische Störung
(frühkindlicher Autismus), 299.10 die desintegrative Störung im
9
Kindesalter, 299.80 die Rett-Störung, die Asperger-Störung und die nicht
näher bezeichnete tiefgreifende Entwicklungsstörung einschließlich
atypischen Autismus. Saß et al. betonen in ihrer Definition der
tiefgreifenden Entwicklungsstörungen besonders die Schwere der
Beeinträchtigung (vgl. Saß et al. 1998, 102).
2.3. Arten von Autismus
In beiden international gebräuchlichen Klassifikationen werden für den
frühkindlichen Autismus und das Asperger-Syndrom folgende
Klassifikationsmerkmale festgeschrieben: qualitative Beeinträchtigungen
in der sozialen Interaktion, qualitative Beeinträchtigungen der
Kommunikation und eingeschränkte Interessen und stereotype
Verhaltensmuster sowie bei frühkindlichen Autismus ein Beginn bzw. eine
Manifestation vor dem dritten Lebensjahr. Im Anschluss an die
Charakterisierung dieser zwei häufigsten Formen des Autismus werden
weitere tiefgreifende Entwicklungsstörungen kurz dargestellt.
2.3.1. Frühkindlicher Autismus (Kanner-Syndrom)
Ist ein Kind von frühkindlichem Autismus betroffen, bemerkt man das
schon sehr früh am auffälligen Blickkontakt des Kindes, „dieser kann
deutlich reduziert oder inkonsistent sein oder wie ein ‚Hindurchblicken‘
erscheinen“ (Kamp-Becker, Bölte 2011, 13). Gestik und Mimik setzen
diese Kinder kaum ein und das soziale Lächeln in Reaktion auf das
Lächeln der Bezugsperson(en) ist deutlich reduziert (vgl. ebd.). Sie
senden nur in geringem Ausmaß soziale Signale aus.
Beziehungsaufnahmen zu Gleichaltrigen und der Ausdruck von Gefühlen
finden kaum bis gar nicht statt. Beeinträchtigungen in der verbalen
Kommunikation äußern sich in der Form, dass die Sprachentwicklung
verzögert ist oder völlig ausbleibt. Es kann zu einer veränderten
Sprachmelodie (Echolalien) kommen und die soziale Sprache fehlt
komplett. Charakteristisch für frühkindlichen Autismus ist, dass Betroffene
10
in ihrer Alltagsstruktur an starren Routinen festhalten und in Situationen
plötzlicher Veränderung mit großem Widerstand reagieren. Man kann bei
Menschen mit frühkindlichem Autismus schon fast von einer
„Veränderungsangst“ sprechen (Remschmidt 2005, 16). Um die Diagnose
des frühkindlichen Autismus zu erfüllen, müssen die eben beschriebenen
Symptome vor dem dritten Lebensjahr erstmalig aufgetreten sein bzw.
sich bis zum Erreichen des dritten Lebensjahres manifestiert haben.
2.3.2. Asperger-Syndrom
Frühkindlicher und Asperger-Autismus haben als Gemeinsamkeit die
qualitativen Beeinträchtigungen in der sozialen Interaktion. Unterschiede
im Krankheitsbild bestehen allerdings in der Sprachentwicklung und der
kognitiven Entwicklung. „Im Gegensatz zum frühkindlichen Autismus
fehlen beim Asperger-Syndrom die verzögerte Sprachentwicklung sowie
auch die Einschränkungen der kognitiven Entwicklung“ (Kamp-Becker,
Bölte 2011, 18). Vielmehr fangen diese Kinder relativ früh mit dem
Sprechen an. Sie „… fallen mitunter durch eine sprachlich recht
ungewöhnliche Ausdrucksweise auf …“ (ebd.). Auch hinsichtlich ihres
Intelligenzniveaus bewegen sich diese Kinder im mittleren bis oberen
Normbereich. Des Weiteren verfügen Kinder mit Asperger-Syndrom über
ungewöhnlich ausgeprägte Spezialinteressen. Sie beschäftigen sich in
einer monotonen und repetitiven Art und Weise sowie in einem
ungewöhnlichen Ausmaß mit „sehr umschriebenen Wissensgebieten“
(Remschmidt 2005, 42). Diese Beschäftigung dient allerdings nicht dem
allgemeinen Interesse. „Manchmal besteht auf bestimmten
Wissensgebieten ein geradezu lexikalisches Wissen, das jedoch nicht
angewandt werden kann, es überwiegt die reine Wissensspeicherung“
(ebd., 44).
2.3.3. Andere tiefgreifende Entwicklungsstörungen
Die Diagnose Atypischer Autismus wird gestellt, wenn sich die
charakteristischen Symptome des frühkindlichen Autismus erst nach dem
11
dritten Lebensjahr manifestieren oder nicht alle Kriterien des
frühkindlichen Autismus erfüllt werden. In der ICD-10 werden zwei
Varianten des atypischen Autismus unterschieden: Autismus mit
atypischen Erkrankungsalter (Manifestation nach dem dritten Lebensjahr)
und Autismus mit atypischer Symptomatologie (Manifestation vor dem
dritten Lebensjahr, aber nicht alle Kriterien des frühkindlichen Autismus
erfüllt) (vgl. Remschmidt 2005, 62).
Das Rett-Syndrom ist eine eindeutig zum Autismus abzugrenzende
Krankheit, dennoch zählt sie zu den tiefgreifenden Entwicklungsstörungen.
Ursache ist eine Mutation des X-Chromosoms. Das Rett-Syndrom kommt
fast ausschließlich bei Mädchen vor, bei Jungen führt es, bis auf ganz
wenige Ausnahmen, zum Tod. Ist ein Kind vom Rett-Syndrom betroffen,
vollzieht sich seine allgemeine Entwicklung bis zur Manifestation zwischen
dem siebten und 24. Lebensmonat weitestgehend „normal“. Remschmidt
charakterisiert das Krankheitsbild folgendermaßen: „vollständiger Verlust
des zielgerichteten Gebrauchs der Hände, Verlust oder Teilverlust der
Sprache und eigenartige ‚windende‘ Bewegungsstereotypien der Hände“
(Remschmidt 2005, 63f.). Bisher gibt es keine Therapiemöglichkeiten, da
noch nicht alle Faktoren der Krankheit erforscht bzw. bekannt sind.
2.4. Ätiologie autistischer Störungen
Bei der ätiologischen Betrachtung autistischer Störungen kann zuallererst
davon ausgegangen werden, dass Autismus nicht durch elterliches
Erziehungsverhalten verursacht wird (vgl. Brealy, Davies 2009, 20). Über
viele Jahre wurde versucht mit Hilfe von Thesen der Psychogenese die
Entstehung autistischer Störungen zu erklären. Allerdings konzentriert sich
die Ursachenforschung in den letzten Jahren intensiver auf biologische
Ursachen. Sehr wahrscheinlich stellen Hirnschädigungen und
Hirnfunktionsstörungen eine wesentliche Rolle in der Ätiologie autistischer
Störungen dar (vgl. Autismus Hamburg e.V., 03.11.2012). Des Weiteren
geht man davon aus, dass genetische Faktoren, untersucht in Familien-
und Zwillingsstudien, in der Ursachenforschung von Bedeutung sein
12
können. Zudem sind prä- und perinatale Komplikationen und
Umweltfaktoren für die Entstehung autistischer Störungen denkbar.
2.5. Prävalenz und Geschlechterverteilung autistischer Störungen
Über viele Jahre wurde davon ausgegangen, dass unter 10.000 Personen
vier bis fünf eine autistische Störung aufweisen (vgl. Kamp-Becker, Bölte
2011, 25). In neueren Studien finden sich Prävalenzen von 60 – 100 unter
10.000 Personen (ebd.) Auf Sachsen hochgerechnet sind das
durchschnittlich ca. 32.000 Betroffene. Man könnte vermuten, dass es sich
hierbei um einen tatsächlichen Anstieg handelt, vielmehr waren aber die
älteren Schätzungen ungenau. Vermutlich wurden früher mildere
Varianten von autistischen Störungen nicht als solche diagnostiziert (vgl.
ebd., 26). Diese Prävalenzsteigerung lässt sich allgemein mit dem Wandel
diagnostischer Möglichkeiten erklären. Des Weiteren erhöht sich bei der
Bevölkerung zunehmend die Aufmerksamkeit gegenüber autistischen
Symptomen und bei Experten wächst das Bewusstsein für ASS.
Bezüglich der Geschlechterverteilung ist festzustellen, dass abgesehen
vom Rett-Syndrom, wovon fast ausschließlich Mädchen betroffen sind,
Autismus eine deutliche „Knabenwendigkeit“ (Steinhausen 2002, 58)
aufweist.
2.6. Diagnostik und Differenzialdiagnose
Erhärtet sich bei den Eltern der Verdacht, ihr Kind könnte von einer
autistischen Störung betroffen sein, kann es noch sehr lange dauern bis
die endgültige Diagnose gestellt wird. Heute findet die Diagnostik i.d.R.
zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr statt. Allerdings ist dieser
Diagnosezeitpunkt bei den entsprechenden Diagnostikern noch nicht
flächendeckend verbreitet. Es ist äußerst wichtig, dass die Diagnostik so
früh wie möglich erfolgt, da sich sonst Verhaltensprobleme und bestimmte
Gewohnheiten verfestigen können.
„Eine zuverlässige Diagnostik einer Autismus-Spektrum-Störung erfordert
die gezielte, entwicklungsorientierte und auf die Symptome bezogene
13
Befragung der Eltern und eine strukturierte Beobachtung der Betroffenen
unter Anwendung standardisierter Interview- und Beobachtungsverfahren“
(autismus Köln/ Bonn e.V., 03.11.2012).
Folgende Verfahren kommen in der Autismusdiagnostik überwiegend zur
Anwendung:
M-CHAT (Modified Checklist for Autism Toddlers)
FSK (Fragebogen zur sozialen Kommunikation)
MBAS (Marburger Beurteilungsskala zum Asperger-Syndrom)
ADI-R (Diagnostisches Interview für Autismus)
ADOS (Diagnostische Beobachtungsskala für autistische
Störungen)
Weitere notwendige Diagnoseverfahren sind eine körperlich-neurologische
Untersuchung um Grunderkrankungen (z.B. Hörstörungen)
auszuschließen und um mögliche grob- und feinmotorische
Schwierigkeiten festzustellen (vgl. Kamp-Recker, Bölte 2011, 64). Die
oben genannten Fragetests werden von Fachärzten, aber auch von
Sozialpädagogen und allen anderen in der Autismusdiagnostik Tätigen
durchgeführt.
Die Diagnostikinstrumente beschreiben ausschließlich Defizite und
berücksichtigen in keinster Weise die Individualität der Kinder. Für alle an
der Diagnostik beteiligten Disziplinen ist jedoch die
Ressourcenorientierung von essenzieller Bedeutung, da sonst die Gefahr
besteht in einen Zustand der Problemtrance zu geraten.
Neben dem eben beschriebenen Diagnoseverfahren ist eine
differenzialdiagnostische Einschätzung von hoher Relevanz. Am
häufigsten erfüllen Kinder mit einer ASS die Kriterien für eine komorbide
ADHS. Des Weiteren können bei Autismus zwangsähnliche
Verhaltensweisen auftreten. In besonders stressigen Situationen oder bei
unerwarteten Veränderungen kann es zu angstähnlichen Zuständen
kommen. Kamp-Becker und Bölte sind der Auffassung, dass Jugendliche
mit Autismus besonders in der Pubertät zu Depressionen neigen, „wenn
sie beginnen, ein Empfinden für ihre Andersartigkeit zu entwickeln, und
14
ihre soziale Isolation zunehmend als sehr bedrückend erleben“ (Kamp-
Becker, Bölte 2011, 23).
2.7. Ausgewählte Therapiemöglichkeiten
Im Bereich der Behandlung von Menschen mit Autismus existiert eine
Vielfalt von möglichen Therapieansätzen. Grundsätzlich ist bei allen
Behandlungsansätzen zu beachten, dass Autismus nicht heilbar und
immer auf den konkreten Einzelfall abzustimmen ist. Durch entsprechende
Therapie können allerdings die Symptome gemildert und
Verhaltensänderungen gefördert werden.
„Manche Kinder mit ASS können einfach nicht abschalten“ (Brealy, Davies
2009, 89). In solchen Fällen kann die Einnahme von Neuroleptika hilfreich
sein. Sie können motorische Unruhe, Affektdurchbrüche, Erregungen etc.
günstig beeinflussen. Die Pharmakotherapie sollte jedoch nicht die
Basistherapie darstellen, sondern immer ergänzend zu anderen
(Verhaltens-)Therapien oder als zeitlich befristete Krisenintervention
angewandt werden.
Die ABA nach Ivar Lovaas ist eine Methode, welche sehr individuell auf
das Kind zugeschnitten wird und auf das Erlernen von Fertigkeiten abzielt.
Dieses Erlernen erfolgt in kleinsten, für die Kinder erreichbaren Schritten
und ist sehr strukturiert. Jeder kleinste Erfolg des Kindes wird positiv
verstärkt. Dennoch wird solange an einem Ziel gearbeitet bis dieses
erreicht und generalisiert wurde. ABA stellt eine zeitlich sehr aufwendige
Methode dar und erfordert entsprechend intensive Schulungen der
behandelnden Personen.
1966 entwickelte Eric Schopler das TEACCH-Programm. TEACCH stellt
keine eigenständige Therapiemethode dar, sondern ist ein „Rahmengerüst
zur Förderung und Erziehung von autistischen Menschen“ (Kamp-Becker,
Bölte 2011, 80). TEACCH wird in Kapitel 4 genauer erklärt.
PECS zielt auf die Förderung einer spontanen Kommunikation von
Menschen mit Autismus ab und lehrt sie, wie man eigene Anliegen
ausdrückt bzw. anderen mitteilt. Je früher mit dem Training begonnen
wird, desto besser wirkt es sich auf das Kommunikationsverhalten der
15
Kinder aus. PECS vollzieht sich in sechs Phasen, in denen das Kind
schrittweise lernt wie es mit immer weniger bzw. ohne Hilfestellungen
eigene Anliegen formulieren und ausdrücken kann. Es ist einfach
anzuwenden und benötigt keine teure Ausstattung oder spezielle
Ausbildung.
Ein unverzichtbarer Schwerpunkt in der Therapie eines Kindes mit
Autismus stellt die kontinuierliche Eltern- und Familienarbeit dar (vgl.
Steinhausen 2002, 64). „Dabei geht es … ganz wesentlich um die
psychologische Betreuung von Eltern und Familien mit einem autistischen
Kind“ (ebd.).
2.8. Autismus vs. Geistiger Behinderung
Autismus ist nicht mit geistiger Behinderung gleichzusetzen. Kamp-Becker
und Bölte berichten von früheren Untersuchungen, die davon
ausgegangen sind, dass drei Viertel aller Menschen mit Autismus eine
geistige Behinderung aufweisen (vgl. Kamp-Becker, Bölte 2011, 27).
Neuere Untersuchungen zeigten, dass „30 % der Betroffenen eine milde
bis moderate Beeinträchtigung der Intelligenz aufweisen, 40 % eine
deutliche geistige Behinderung zeigen und 30 % über eine
durchschnittliche Intelligenz verfügen“ (ebd.). In Anlehnung an Kamp-
Becker und Bölte fanden sich sogar Studien, in denen die Betroffenheit
von geistiger Behinderung von Menschen mit Autismus noch geringer war
als die o.g. Prozentzahlen: 29 % bis 60 % besaßen einen
durchschnittlichen bis überdurchschnittlichen Intelligenzquotienten (vgl.
ebd.).
16
3. Der besondere Familienalltag mit einem durch Autismus
behindertem Kind
3.1. Was bedeutet die Diagnose Autismus des eigenen Kindes für
die Eltern?
3.1.1. Umgang mit Verdacht, Erstreaktionen und
Bewältigungsstrategien der Eltern
Postnatale Auffälligkeiten von Autismus, wie z.B. der gestörte
Blickkontakt, werden von den Eltern zwar wahrgenommen, allerdings in
der Regel nicht als Anzeichen für Autismus gedeutet. Mit der Zeit werden
Auffälligkeiten allerdings offensichtlicher. Hegen die Eltern den Verdacht
mit ihrem Kind würde etwas nicht stimmen, ist der erste Anlaufpunkt der
zuständige Kinder- oder Hausarzt. Ein Problem, welches sich nun zeigen
kann, ist die mitunter „Unwissenheit“ der Ärzte über Autismus. Geraten
Eltern an einen für Autismus fachkompetenten Arzt, „ist … die halbe
Schlacht schon gewonnen“ (Brealy, Davies 2009, 132). „Nach diesem
ersten Arztbesuch … [kann] für sie [aber auch] ein Weg [beginnen], den
viele [betroffene] Eltern [leidvoll] kennen: der Weg von einem Spezialisten
zum anderen“ (Finger 2000, 50).
Wurde die Diagnose Autismus schließlich gestellt, reagieren Eltern ganz
unterschiedlich auf diese neue Situation. Viele Eltern sind im ersten
Moment schockiert über die Diagnose, denn „eine Behinderung, die man
sehen kann, [lässt sich] … leichter … akzeptieren als eine geistige oder
seelische Behinderung“ (Brealy, Davies 2009, 21). Das Schockerleben
verstärkt sich insbesondere, wenn die Diagnose der Behinderung wenig
feinfühlig mitgeteilt wurde (vgl. Cloerkers 1997, 244 f.). Manche Eltern
reagieren im ersten Moment auf die Diagnose mit Abwehrverhalten. Sie
verleugnen zuerst die Situation, dass ihr Kind von einer Behinderung
betroffen ist, projizieren die Schuld an der Behinderung ihres Kindes auf
andere Personen (den Arzt, den Partner etc.) oder verfallen in
Selbstvorwürfe (Habe ich denn in der Schwangerschaft etwas falsch
gemacht?) und Schuldzuweisungen gegenüber sich selbst.
17
Wurde der erste Schock überwunden, beginnen die Eltern Strategien zur
Bewältigung ihrer neuen Situation zu entwickeln. Die Verdrängung der
Situation kann einen ersten Bewältigungsversuch darstellen. Mit der Zeit
erlangen die Eltern dann aber die „Erkenntnis des Miteinander-leben-
müssens“ (Kerkhoff 1981, 46, zit. n. Cloerkers 1997, 247). Gemäß
Schuchardt vollzieht sich die Krisenverarbeitung in einem Lernprozess mit
acht Schritten: Im ersten Schritt besteht die, schon mehrfach
angesprochene, Ungewissheit. Wurde die Diagnose Autismus schließlich
gesellt, befinden sich die Eltern in einem Zustand der Gewissheit (zweiter
Schritt). Anschließend reagieren die Eltern mit Aggressionen (dritter
Schritt). Im vierten Schritt geraten die Eltern in einen Aus-bzw.
Verhandlungsprozess mit der Situation. Als fünftes verfallen die Eltern in
eine Phase der Depression mit eigenen Schuldvorwürfen und
Selbstzweifeln. Ist die Phase der Depression überwunden, beginnen die
Eltern die neue Situation anzunehmen (sechster Schritt) und werden nun
aktiv sich Unterstützung und Hilfe organisieren (siebter Schritt). Im letzten
und achten Schritt solidarisieren und akzeptieren sie den Autismus ihres
Kindes. (vgl. Schuchardt 1996, 26, zit. n. Cloerkers 1997, 247) Bei diesem
Modell handelt es sich um einen möglichen Verlauf der Verarbeitung und
Bewältigung, d.h. das nicht alle Schritte vollständig und in der
beschriebenen Reihenfolge durchlaufen werden (müssen).
3.1.2. Wie sich die Einstellung zum eigenen Kind verändert oder
verändern kann
„Weil in unserer hochkomplexen Leistungsgesellschaft die intellektuellen
Fähigkeiten von Menschen so extrem hoch bewertet (man kann sagen:
überbewertet!) werden, muß die Enttäuschung [bei Eltern] besonders groß
sein, wenn sich die Behinderung [des Kindes beeinträchtigend] auf die
Intelligenz auswirkt“ (Cloerkers 1997, 244). Wurde bei dem Kind Asperger-
Syndrom diagnostiziert, ist es möglich, dass die Enttäuschung der Eltern
nicht die Ausmaße annimmt, wie sie eben beschrieben wurden. Erklärt
werden kann diese Tatsache damit, dass das Asperger-Syndrom im
Vergleich zu anderen Formen des Autismus eine mildere Variante
18
darstellt, bei der die Betroffenen vergleichsweise „normal“ wirken und
somit Stigmatisierungen durch ihre Umwelt weniger ausgesetzt sind.
„Alle Eltern haben ein Bild vom ‚idealen Kind‘, das in jeder Hinsicht
vollkommen ist“ (Cloerkers 1997, 243). Werden sie nun mit der Diagnose
Autismus ihres Kindes konfrontiert, sind sie gezwungen ihre Erwartungen
an das Kind neu zu strukturieren, da es in manchen (Entwicklungs-)
Bereichen Auffälligkeiten im Gegensatz zu Kindern ohne Autismus zeigen
wird. Cloerkers geht zudem davon aus, dass die Einstellung der Eltern zu
ihrem (betroffenen) Kind einen Bezug zum Zeitpunkt des Erfahrens der
Diagnose aufweist. Erfahren die Eltern unmittelbar nach der Geburt des
Kindes, dass dieses von einer Behinderung betroffen ist, wird sich der
Blickwinkel der Eltern im weiteren Entwicklungsverlauf des Kindes
vorwiegend auf der Behinderung konzentrieren. Wird die Behinderung des
Kindes jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt, d.h. mehrere Monate
oder Jahre nach der Geburt, festgestellt, sind die Eltern nach Meinung von
Cloerkers unvoreingenommener und daher „eher in der Lage, einen
intensiven Kontakt mit dem Kind aufzunehmen“ (ebd., 244).
3.2. Die spezielle Erziehung eines Kindes mit Autismus
„Die Zukunft des Kindes im Auge zu haben und es bereits früh darauf
vorzubereiten, für sich sorgen zu können, ist das größte Geschenk, das
Eltern einem Kind machen können“ (Richman 2004, 105). Die Erziehung
eines Kindes mit Autismus ist in vielerlei Hinsicht eine andere als die eines
Kindes ohne Autismus. Sie erfordert einen höheren zeitlichen Aufwand
und muss in der Förderung des Kindes auf die charakteristischen
Merkmale von Autismus ausgerichtet werden.
Ein wichtiger Punkt in der Erziehung eines Kindes mit Autismus ist das
Vermitteln alltagspraktischer Fähigkeiten. „Je früher ein Kind zur
Selbstständigkeit erzogen wird, umso leichter lernt es das, was es zur
Bewältigung seines Alltags können muss“ (Richman 2004, 83). Die
Förderung der Selbstständigkeit (eigenständig Essen zubereiten, An- und
Ausziehen etc.) ist für die Eltern sehr zeitaufwendig. Dennoch ist es
wichtig, dass sie sich dafür die Zeit nehmen, da auch Kinder mit Autismus
19
durch Versuch und Irrtum lernen. Das Kind kann diese Fähigkeiten am
einfachsten über die spielerische Ebene erlernen. Über das Spiel können
insbesondere auch die Interaktion bzw. Kommunikation zu Gleichaltrigen
trainiert und das Kind kann so auf ungewohnte Situationen vorbereitet
werden.
Kinder mit Autismus zeigen oft auch unerwünschtes Verhalten, wie z.B.
Autoaggressionen, selbststimulierendes Verbalverhalten, übermäßiges
Verlangen von Aufmerksamkeit etc. Eine mögliche Ursache für
unerwünschtes Verhalten kann das Abweichen von einer gewohnten
Struktur sein. Eltern neigen instinktiv dazu unerwünschtes Verhalten zu
bestrafen. Durch eine Bestrafung lernt das Kind jedoch nichts Neues dazu
und verbindet später mitunter die Bestrafung schnell mit der bestrafenden
Person. Für ein Kind mit Autismus ist es hilfreicher, wenn es Alternativen
zu seinem (unerwünschten) Verhalten beigebracht bekommt. Die
Konsequenzen auf ein Verhalten müssen direkt nach dessen Auftreten
erfolgen, da das Kind mitunter zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr
weiß warum es gemaßregelt wird. Verhaltensweisen, die positive Folgen
haben, wird das Kind mit Autismus mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder
zeigen. Im Gegensatz dazu ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass es
Verhaltensweisen mit negativen Folgen zeigen wird.
Da Kinder mit Autismus wesentliche Beeinträchtigungen in ihrem
Kommunikationsverhalten zeigen, ist es essentiell im Rahmen der
Erziehung die Kommunikationsfähigkeit zu verbessern. Kinder mit
Autismus lernen ein angemessenes Kommunikationsverhalten wie alle
alltagspraktischen Fähigkeiten am einfachsten über Spiele. Über Spiele
können Eltern mit ihrem Kind Blickkontakt, auf den eigenen Namen zu
reagieren sowie gegenseitige Konversation üben. Menschen zu begrüßen
und sie zu verabschieden ist wichtig für die Integration in der
Gemeinschaft. Um diese Höflichkeiten dem Kind mit Autismus
beizubringen, eigenen sich an dieser Stelle wieder Spiele. Ergänzend
können die Eltern aber auch mit PECS arbeiten.
20
3.3. Spannungen in den Beziehungen der Familienmitglieder
untereinander
3.3.1. „Ich bin auch noch da!“ – Geschwisterkinder
Ein Kind mit einer Behinderung jeglicher Art stellt für die Elternschaft eine
besondere Herausforderung dar, da das Kind einer intensiveren Fürsorge
bedarf. Dennoch bedürfen die nicht-betroffenen Kinder der Familie ebenso
der Aufmerksamkeit und Zuwendung ihrer Eltern. Können die Eltern ihre
Aufmerksamkeit bzw. Fürsorge nicht gerecht aufteilen, kann es zu
Schwierigkeiten in der Beziehung zwischen Eltern und den
Geschwisterkindern sowie zwischen dem Geschwister mit und dem
Geschwister ohne Behinderung kommen. Gute Beziehungen zwischen
den Geschwistern stellen allerdings ein „Unterstützungssystem [dar], auf
das die Geschwister ihr ganzes Leben lang zurückgreifen können [sollten]“
(Richman 2004, 133). Die Pflicht der Eltern ist es, dementsprechend ein
gutes geschwisterliches Verhältnis herzustellen.
Im Folgenden wird vorwiegend der Begriff der „Geschwisterkinder“
verwendet. Unter diesem Begriff werden Geschwister von Kindern mit
einer Behinderung verstanden. Diese Verwendung hat sich seit vielen
Jahren sowohl in der Fachliteratur als auch in vielen Institutionen
durchgesetzt (vgl. Grünzinger 2005, 13).
Die folgenden Ausführungen sind immer vom konkreten Einzelfall
abhängig und können nicht verallgemeinert werden. Sie stellen mögliche
Lebenssituationen von Geschwisterkindern und den betroffenen Eltern
dar.
3.3.1.1. Die konfliktbehaftete Lage der Eltern
Die Bewältigung des erwähnten Spagates gestaltet sich für die Eltern
mitunter als äußerst schwierig, da sie in ihrem (Familien-)Alltag ständig mit
der „Andersartigkeit“ ihres Kindes mit Autismus bzw. ihrer Familie
konfrontiert sind. In Alltagssituationen, wie z.B. beim Einkaufen, einem
Restaurantbesuch oder im Urlaub, bekommt die gesamte Familie immer
21
wieder ihre „Andersartigkeit“ zu spüren. Passanten „gaffen“, haben Mitleid
mit der Familie oder reagieren völlig rücksichtlos auf sie. Diese Reaktionen
sind allerdings davon abhängig inwieweit der Autismus des Kindes für die
Umwelt sichtbar ist. Bei Kindern mit Autismus könnte sich diese
Rücksichtlosigkeit „in Grenzen halten“, da Autismus in der Regel (ohne
erhebliche geistige Behinderung) nicht sofort erkennbar ist. Die negativen
Reaktionen der Umwelt machen den Eltern die Behinderung ihres Kindes
immer wieder bewusst und lassen sie somit schneller an ihre Grenzen
geraten.
Durch die Stärkere Belastung im Alltag wird die intensive Aufklärung der
Geschwisterkinder seitens der Eltern über die störungsbedingten
Verhaltensweisen des Geschwisters oft vernachlässigt. Diese ist jedoch
für die Geschwisterkinder äußerst wichtig um die autismusspezifischen
Verhaltensweisen zu verstehen. „Dieses Verständnis überwindet
Verwirrung und Angst und ermöglicht Akzeptanz und Zuneigung
[gegenüber der Schwester oder des Bruders]“ (Richman 2004, 135).
Kinder orientieren sich immer am Handeln ihrer Eltern, die für sie
eine wichtige Vorbildfigur darstellen. Für Geschwisterkinder ist besonders
der Umgang ihrer Eltern mit dem Autismus des Geschwisters
ausschlaggebend. So lernen sie selbst mit dem Autismus der Schwester
oder des Bruders umzugehen.
Pädagogisch betrachtet, ist es für die Entwicklung der Geschwisterkinder
förderlich in den Hilfe- und Unterstützungsprozess mit eingebunden zu
werden, da sie früh lernen Verantwortung zu übernehmen und dadurch
schneller selbstständiger werden. Allerdings kann es schnell zur
„Überlastung [der Geschwisterkinder] durch [die] verstärkte Verantwortung
und Übernahme elterlicher Pflichten (besonders bei älterer Schwester)“
kommen (Cloerkes 1997, 254). Für die Eltern gilt der Grundsatz:
„Geschwisterkinder sind keine Ersatzeltern“ (Grünzinger 2005, 37). Das
Einbeziehen in die Betreuung des von Autismus betroffenen Geschwisters
muss altersgerecht und der Geburtsposition entsprechend erfolgen. Die
Geburtsposition ist deshalb ausschlaggebend, da ein jüngeres
Geschwisterkind nicht dieselben Aufgaben übernehmen kann wie ein
älteres.
22
3.3.1.2. Die konfliktbehaftete Lage der Geschwisterkinder und
Chancen für ihr weiteres Leben
Für die Geschwisterkinder bedeutet die Behinderung der Schwester oder
des Bruders in vielerlei Hinsicht eine aufregende Kindheit. Leider werden
sie in der Öffentlichkeit meist weniger wahrgenommen, da sich die ganze
bzw. die meiste Aufmerksamkeit auf das Kind mit Behinderung
konzentriert.
„ ‚Geschwisterkinder‘ erleben häufig Einschränkungen, vor allem, wenn sie
sich mit ‚normalen‘ Familien vergleichen“ (Grünzinger 2005, 14). Sie
merken, dass sie nicht wie andere Kinder bzw. Familien sind. Für die
Geschwisterkinder sind Stigmatisierungen, Ausgrenzungen der Umwelt
bzw. das „Verstecken müssen“ gravierender als für die Eltern, da
Erwachsene durch ihre Lebenserfahrung mit stigmatisierenden
Situationen mitunter besser umgehen können. Um mit ihrer „besonderen“
Lage besser umgehen zu können, ist der Kontakt zu anderen
Geschwisterkindern sehr hilfreich. Sie erleben in Selbsthilfegruppen, dass
es noch mehr Kinder gibt, die sich in der gleichen Situation wie sie
befinden.
Im Familienzusammenleben treten für die Geschwisterkinder einige
Schwierigkeiten auf. Eltern erwarten ein übermäßiges Maß an
Rücksichtnahme, Verständnis und das Unterdrücken der eigenen Gefühle
gegenüber dem von Autismus betroffenen Geschwister. Diese
Erwartungen können Geschwisterkinder in einen Zwiespalt zu ihrem
Geschwister mit Behinderung bringen, beispielsweise wenn sie Wut
gegenüber der Schwester oder dem Bruder verspüren. Daraufhin
entwickelte Aggressionen der Geschwisterkinder gegenüber dessen
können sich gegenüber dem Geschwister und/ oder sich selbst auswirken.
Erhält das von Autismus betroffene Geschwister mehr Aufmerksamkeit,
fühlen sich Geschwisterkinder oft von ihren Eltern vernachlässigt, ihre
Gefühle wollen sie aus Loyalitätsgründen den Eltern aber nicht mitteilen,
um diese nicht noch zusätzlich zu belasten.
Es gibt verschiedene Annahmen darüber, ob aufgrund dieser
„aufregenden Kindheit“ ein erhöhtes Entwicklungsrisiko bei
23
Geschwisterkindern besteht. Einige Studien sind der Auffassung, dass
Geschwisterkinder Entwicklungsrisiken davontragen. Andere wiederrum
sind der Meinung, dass Geschwisterkinder durch das Zusammenleben mit
ihrer Schwester oder ihrem Bruder mit Behinderung eine
„überdurchschnittliche soziale Kompetenz“ entwickeln (Grünzinger 2005,
15).
Das Aufwachsen mit einem von Behinderung betroffenen Geschwister
kann für die Geschwisterkinder dagegen auch eine Chance darstellen. Im
Allgemeinen entwickeln Geschwisterkinder eine akzeptierendere und
tolerantere Grundeinstellung gegenüber ihren Mitmenschen mit oder ohne
Behinderung. Sie werden durch das Aufwachsen mit ihrem Geschwister
im Wesentlichen in ihrer eigenen Selbstständigkeit gefördert und erleben
vieles in ihrem Leben bewusster und intensiver (emotionale Intelligenz).
Zudem entwickeln sie bei entsprechender Begleitung durch die Eltern ein
höheres Maß an Mitgefühl und Empathie. Zusammengefasst werden
können diese Chancen unter dem Begriff der sozialen Kompetenz. Damit
die Geschwisterkinder diese Chancen für sich entdecken können, sind das
Vorleben dieser Komponenten der sozialen Kompetenz durch die Eltern
und die Möglichkeit zu intensiven Gesprächen mit ihnen für sie von
wesentlicher Bedeutung.
3.3.2. „Kann unsere Ehe das aushalten?“ – Auswirkungen auf die
Partnerschaft der Eltern
Die Geburt eines Kindes, unabhängig ob mit oder ohne Behinderung,
bedeutet in jedem Fall eine Veränderung in der Partnerschaft, da alte
Verhaltensweisen nicht mehr mit der neuen Situation übereinstimmen und
sich neue erst herausbilden müssen (vgl. Finger 2000, 34). „Die Geburt
eines Kindes mit Behinderungen erschüttert das Gleichgewicht erheblich,
weil die Familie gewöhnlich darauf nicht vorbereitet ist“ und sie vor
Aufgaben steht, „für die sie keine Vorbilder hat“ (ebd., 34f.). Durch die
neue Situation können existierende Spannungen in der Partnerschaft
zusätzlich verstärkt werden. Das von einer Behinderung betroffene Kind
24
kann dagegen aber auch ein „besondere[s] Bindeglied“ in der
Partnerschaft darstellen (Cloerkes 1997, 251).
3.3.2.1. Rollenungleichgewicht in der Partnerschaft
Lebt in der Familie ein Kind mit Behinderung verschiebt sich die
Rollenverteilung bei den Eltern. Die Mutter tritt mit dem Kind zunehmend
in eine engere Beziehung als der Vater sie zu dem Kind hat. Dabei
besteht die Gefahr der Überbehütung des Kindes und der
Vernachlässigung der anderen Familienmitglieder. „Der Vater hat jetzt
weniger Anteil am Familiengeschehen“ (Finger 2000, 36). Diese
Rollenverschiebung birgt jedoch auch Konflikte: Der Vater fühlt sich
zurückgestellt und vernachlässigt, die Mutter sich mit den Aufgaben
alleine gelassen.
Laut Poustka et al. tragen die Mütter die „Hauptlast [in] der Versorgung“
des Kindes (Poustka et al. 2004, 49). Sie sind überwiegend mit der
Förderung des betroffenen Kindes beschäftigt. „Ihr persönlicher Bereich
als Frau oder als Partnerin des Mannes ist [daraufhin] so klein geworden,
dass sie daraus nicht mehr genug Kraft schöpfen kann für ihre Aufgabe
als Mutter“ (Finger 2000, 36). Die Intensität verstärkt sich je mehr das Kind
der Unterstützung der Mutter bedarf.
Da zumeist die Väter den Hauptteil der wirtschaftlichen Existenzsicherung
der Familie tragen, gestaltet sich ihre Auseinandersetzung mit der
Behinderung des Kindes als schwieriger. Dies ist auch mit der männlichen
Geschlechtsrolle verbunden: Vom Mann wird traditionell
Selbstbeherrschung und Sachlichkeit erwartet. Der Mann wirkt auf seine
Partnerin distanziert und desinteressiert, dennoch teilt er die Sorgen
seiner Partnerin. Da vorwiegend die Mutter in die Therapie und Förderung
des Kindes eingebunden ist, ist es für ihn besonders wichtig auch in seiner
Vaterrolle bestätigt zu werden. In der Situation des
Rollenungleichgewichts, in der sich der Vater befindet, verändert sich die
Beziehung zu seiner Partnerin. Er zieht sich immer mehr zurück und sucht
sich gegebenenfalls andere Bereiche, in denen er die benötigte
Bestätigung erhält. „Je mehr sich der Vater nach außen orientiert [und sich
25
aus dem Familienleben zurückzieht], umso mehr erlebt die Mutter sich als
allein gelassen“ (Finger 2000, 37). Diese Situation kann zu
wechselseitigen Vorwürfen und somit in einen emotionalen „Teufelskreis“
führen, dem man nur schwer entrinnen kann.
3.3.2.2. Schutzfaktoren für die Partnerschaft
Damit die Partnerschaft trotz der schwierigen Situation mit einem Kind mit
Behinderung besteht, gibt es einige Faktoren, welche sie positiv
beeinflussen (vgl. Finger 2000, 41 – 45). Da die Mütter von Seiten der
Gesellschaft stets mit hohen Erwartungen konfrontiert werden, ist es in der
Partnerschaft umso wichtiger die Erwartungen an die Mütter
herabzusetzen und ihnen Anerkennung bzw. Verständnis für ihren Einsatz
entgegenzubringen. Die Mütter entlastet es zudem immens, wenn sie ein
eigenes Leben ermöglicht bekommen: Hobbies, Kontakte zu anderen
Menschen, Freunden, Bekannten. Die Partnerschaft wird wesentlich
ausgeglichener, wenn sie von Zuspruch und Anerkennung geprägt ist und
sich in die Erziehungsaufgaben hineingeteilt wird bzw. sie gemeinsam
erledigt werden. So halbiert sich der Druck für beide Elternteile auch in
emotionaler Hinsicht. Es ist zudem auch wichtig sich die
Unterschiedlichkeit des Partners bewusst zu machen und sie
anzuerkennen. Diese Anerkennung gibt beiden mehr Sicherheit in ihrer
Elternrolle. Um die Partnerschaft ebenso zu stärken, sind gemeinsame
Aktivitäten von enormer Bedeutung, denn durch die Belastung des
Alltages geraten Gemeinsamkeiten zunehmend in den Hintergrund bzw. in
Vergessenheit. „[Eltern] müssen neu lernen, miteinander fröhlich zu sein.
Bei jedem Versuch geht es etwas besser“ (vgl. Finger 2000, 45).
26
3.4. Gestaltung von Übergängen im Leben des Kindes
3.4.1. Wahl eines geeigneten Kindergartens
„Autistische Kinder sollten, wie gesunde Kinder auch, möglichst ab dem
dritten Lebensjahr … [in einem Kindergarten betreut werden]“ (Poustka et
al. 2004, 45). Sie profitieren am meisten, wenn die Betreuung eine (hohe)
Kontinuität aufweist, sprich die Betreuung an einem Ort und kein bzw. nur
ein geringer Wechsel der Bezugspersonen stattfindet. Diese Betreuung
kann mitunter in der Förderung des Kindes mit Autismus effektiver sein als
eine einmal wöchentlich stattfindende psychologische Behandlung.
Abzuraten ist den Eltern betroffener Kinder von der Wahl offener
Konzepte, wie sie schon in einigen Kindertageseinrichtungen durchgeführt
werden. Für Kinder mit Autismus stellen kleine, geschlossene und
gleichbleibende Gruppen eine bessere Möglichkeit dar die für sie nötige
Kontinuität zu wahren. Je nach Ausprägung der Symptomatik kann die
Betreuung in einem Regelkindergarten, Integrationskindergarten oder in
einem heilpädagogischen Kindergarten erfolgen.
Für manche Eltern stellt die Entscheidung, ihr Kind in einem
Sonderkindergarten anzumelden eine sehr schwierige Entscheidung dar.
Selbiges gilt für die Schulwahl. Sie wollen ihrem Kind den „sozialen
Abstieg“ nicht zumuten. Für eine sonderpädagogische Betreuung spricht,
abhängig vom jeweiligen Einzelfall, die mitunter höhere Individualität in der
Förderung bzw. Betreuung des Kindes. In sonderpädagogischen
Kindergärten herrscht zumeist ein höherer Personalschlüssel und es sind
entsprechende Zusatzqualifikationen bei den Pädagogen vorhanden,
welche diese individuellere Betreuung gewährleisten.
Unabhängig von der Art des Kindergartens müssen die Pädagogen
intensiv und umfassend (durch die Eltern) über das Krankheitsbild des
Kindes aufgeklärt werden, da in der allgemeinen Erzieherausbildung
psychische Störungen nicht ausführlicher Bestandteil sind. In den
Vordergrund der pädagogischen Betreuung des Kindes mit Autismus ist
v.a. die Förderung des Störungsbereiches soziale Interaktion, d.h. der
sozialen Kommunikation und der Kontaktaufnahme zur Gruppe, zu stellen.
27
3.4.2. Wahl einer geeigneten Schule
Grundsätzlich ist zu beachten, dass Kinder mit Autismus das Anrecht auf
eine integrative Beschulung in einer Regelschule haben. Bei der Wahl
einer geeigneten Schule sind, ebenso wie bei der Wahl des
Kindergartens, Ausprägungsgrad der Erkrankung sowie die intellektuellen
und sprachlichen Fähigkeiten des Kindes zu berücksichtigen. Zudem
sollte die Wahl für eine Schule anhand einer Bedürfnisaufstellung des
Kindes erfolgen.
Besonders anzuraten sind Regelschulen mit sogenannten
Integrationsklassen. Diese Form der Beschulung ist allerdings sehr selten
anzutreffen. Für einen Besuch der Regelschule spricht, dass das Kind mit
Autismus die Chance erhält sich in der „normalen“ Umwelt zu integrieren.
Von einer Förderschule für verhaltensauffällige Kinder ist bei der
Schulwahl für Kinder mit Autismus abzuraten, da diese Schüler wenig
Verständnis für benachteiligte Kinder zeigen werden und Kinder mit
Autismus leichter Schikanen und Stigmatisierungen durch die anderen
Schüler ausgesetzt werden (können). Diesen Gefahren ist das Kind mit
Autismus dagegen auch in einer Regelschule ausgesetzt. Liegt bei dem
Kind neben der autistischen Störung auch eine geistige Behinderung vor,
ist eine Förderschule für geistig Behinderte empfehlenswert, da in diesen
Schulen die Kinder in sehr kleinen Klassen unterrichtet werden und so den
Bedürfnissen des Kindes mit Autismus entsprechend agiert werden kann.
Auch die Lehrer müssen, genau wie die Pädagogen im
Kindergarten (von den Eltern) intensiv über das Krankheitsbild des Kindes
aufgeklärt werden, denn der Großteil von Lehrern, insbesondere jene von
Regelschulen, besitzen wenig bis gar kein Wissen über Autismus. Für die
Arbeit der Lehrer ist es jedoch maßgebend, dass sie, wenn ein Kind mit
Autismus in ihrer Klasse lernt, wissen, was die charakteristischen
Merkmale einer autistischen Störung sind und was die ASS des Kindes für
ihre Arbeit als Lehrer bedeutet.
28
4. Möglichkeiten der Unterstützung für Familien von Kindern mit
Autismus
4.1. Die Rolle der Sozialen Arbeit in der Autismustherapie und
–betreuung
Der Bereich der Autismustherapie und –betreuung stellt im eigentlichen
Sinne kein klassisches Feld der Sozialen Arbeit dar. Autismus ist eine
Störung, die im Grunde genommen in das Aufgabengebiet der Psychiatrie
gehört. Soziale Arbeit im Autismusbereich lässt sich daher mit der
Klinischen Sozialarbeit gleichsetzen. Klinische Sozialarbeit ist eine
„Teildisziplin der Sozialen Arbeit, die sich mit psycho-sozialen Störungen
und den sozialen Aspekten psychischer und somatischer Störungen/
Krankheiten und Behinderungen unter Berücksichtigung der Lebenslage
der Betroffenen befasst“ (Pauls 2004, 22).
Aufgaben der Sozialen Arbeit im Bereich der Autismustherapie und
–betreuung sind somit die individuelle Förderung von Copingstrategien
und die Fähigkeit einer selbstbestimmten Lebensführung der Betroffenen
sowie die Gestaltung des sozialen Umfeldes bzw. Netzwerkes
entsprechend den Bedürfnissen von Menschen mit Autismus. Dabei leistet
sie Sensibilisierungs- und Aufklärungsarbeit über die Besonderheiten von
und im Umgang mit Autismus und ist bestrebt dem Menschen mit
Autismus eine bestmögliche gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.
Zudem arbeitet sie „am System“, d.h. sie leitet Bezugspersonen bzw. das
direkte Umfeld des Betroffenen im Rahmen der Förderung im Umgang mit
Autismus an.
Der Sozialarbeiter in der Autismustherapie und –betreuung, wie auch in
allen anderen Arbeitsbereichen, arbeitet neben autismusspezifischen
Therapieansätzen v.a. nach dem Ansatz der Lebensweltorientierung.
Lebensweltorientierte Soziale Arbeit verkörpert die konsequente
„Orientierung an den AdressatInnen mit ihren spezifischen
Selbstdeutungen und individuellen Handlungsmustern in gegebenen
gesellschaftlichen Bedingungen“ (Grunwald, Thiersch 2005, 1136).
Ausgehend von ihrer klientenzentrierten Haltung versucht sie mit Hilfe
29
ihrer rechtlichen, institutionellen und professionellen Ressourcen
Menschen zu (mehr) Selbstständigkeit, Selbsthilfe und sozialer
Gerechtigkeit zu verhelfen (vgl. ebd.). Für die Soziale Arbeit im
Autismusbereich bedeutet das, dass nicht die reine Therapie im Fokus
ihrer Arbeit steht sondern in der Therapie erlernte Fähigkeiten und
Verhaltensweisen in den Alltag des Betroffenen übertragen werden. Sie
fungiert somit als Schnittstelle zwischen Therapie und sozialer Lebenswelt
des Betroffenen. Der Sozialarbeiter arbeitet demzufolge stark
bedürfnisorientiert und holt den Mensch mit Autismus auf seinem
Entwicklungsstand mit all seinen Stärken und Schwächen ab. Diese
versucht sie individuell in die Förderung mit einzubeziehen.
Sie ist in der Autismustherapie und –betreuung verstärkt im Bereich des
sozialen Kompetenztrainings anzutreffen und vermittelt in der Förderung
soziale Verhaltensweisen, Fähig- und Fertigkeiten, die es dem Betroffenen
erleichtern in die Gemein- bzw. Gesellschaft integriert zu werden. Mit ihren
rechtlichen Ressourcen unterstützt sie erwachsene Betroffene und
Angehörige von Menschen mit Autismus bei der Beantragung von
Leistungen, wie Schwerbehindertenausweis, Nachteilsausgleiche etc. und
fördert so zukunftsorientiert die Selbstständigkeit des Betroffenen. Die
Soziale Arbeit in der Autismustherapie und –betreuung ist nicht nur
geprägt durch den Einsatz im Rahmen der sozialen Kompetenztrainings
sondern auch durch die intensive Eltern- bzw. Angehörigenarbeit. Sie
unterstützt Angehörige beratend bei rechtlichen Fragen und überbrückend
in Situationen der Krisenintervention, gegebenenfalls auch durch
Vermittlung an entsprechende Beratungsstellen.
4.2. Hilfsmöglichkeiten im Rahmen sozialgesetzlicher
Bestimmungen
Die vorhandenen Rechtsvorschriften sind vorwiegend auf Hilfen für die
Kinder mit Autismus ausgerichtet. Werden die entsprechenden Hilfen für
das Kind gewährt, bedeutet das dennoch auch eine Entlastung
(finanzieller und emotionaler Art) für die Eltern. Im Folgenden werden
wichtige rechtliche Unterstützungsmöglichkeiten chronologisch nach
30
Lebensabschnitten des Kindes bis zum Schulbesuch dargestellt. Aus
Gründen hinsichtlich der Rahmenbedingungen der Bachelorarbeit handelt
es sich hierbei um einen Ausschnitt sozialgesetzlicher Bestimmungen.
Heilpädagogische Leistungen (z.B. ambulante Autismustherapie)
gemäß § 56 Abs. 1 SGB IX sollen gewährt werden, um eine drohende
Behinderung abzuwenden bzw. den fortschreitenden Verlauf der
Behinderung zu verlangsamen oder die Folgen einer Behinderung zu
beseitigen bzw. zu mildern. Leistungen der Frühförderung können
zusammen mit heilpädagogischen Leistungen als Komplexleistung, d.h. in
einer Einrichtung, durchgeführt werden (§ 56 SGB IX i.V.m. § 30 SGB IX).
Für die Finanzierung der Komplexleistungen in einer interdisziplinären
Frühförderstelle ist der Jugend- oder Sozialhilfeträger zuständig.
Leistungen in sozialpädiatrischen Zentren sowie Logo- und Ergotherapie
als Bestandteil der Komplexleistung werden von den Krankenkassen
finanziert.
Besucht das betroffene Kind einen heilpädagogischen Kindergarten,
werden die Betreuungskosten vom Jugendamt im Rahmen der
Eingliederungshilfe übernommen (§ 35a Abs. 2 SGB VIII).
„Mit dem Beginn der Schulpflicht ist die Autismustherapie als Hilfe zur
angemessenen Schulbildung zu gewähren“ (autismus Deutschland e.V.
(a) 07.12.2012). Die Kosten für eine ambulante Autismustherapie werden
nun von der Eingliederungshilfe übernommen, welche entweder über das
Sozialamt (§ 53f. SGB XII) oder das Jugendamt (§ 35a SGB VIII i.V.m. §
53f. SGB XII) erfolgt.
Eltern werden erst zu den Kosten mit herangezogen, wenn das Kind mit
Autismus die Volljährigkeit erreicht hat bzw. teil- oder vollstationäre
Maßnahmen nach SGB VIII gewährt wurden.
Eltern von Kindern mit Autismus können im Rahmen der
Eingliederungshilfe neben der Kostenübernahme für die ambulante
Autismustherapie auch einen Schulbegleiter bzw. Integrationshelfer für ihr
Kind finanziert bekommen. Die Stundenanzahl dieser
Integrationsassistenz wird vom Kostenträger entsprechend des
Integrationsbedarfs des Kindes festgelegt.
31
Schüler mit Autismus haben ein Recht auf Nachteilsausgleiche. Diese sind
gemäß § 126 Abs. 1 SGB IX Hilfen für Menschen mit Behinderung zum
Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile oder Mehraufwendungen. Sie
sollten entsprechend des Ausprägungsgrades der Behinderung erfolgen,
jedoch darf die fachliche Anforderung nicht geringer bemessen werden.
Nachteilsausgleiche für Schüler mit Autismus können in folgender Form
gestaltet sein: verlängerte Arbeitszeiten bei Klassenarbeiten, differenzierte
Hausaufgabenstellung oder größere Exaktheitstoleranz u.a. (vgl. autismus
Deutschland e.V. (b) 07.12.2012). Zu den Nachteilsausgleichen gehört
neben eben genannten auch der Schwerbehindertenausweis für das Kind
mit Autismus. Eltern können den Schwerbehindertenausweis über das
zuständige Versorgungs- bzw. Integrationsamt beantragen.
Bei entsprechender Schwere der Behinderung stehen dem Betroffenen
Leistungen der Pflegeversicherung in Form einer Pflegestufe (§ 15 Abs.1
S.1 SGB XI) zu. Leistungen der Pflegeversicherung erhalten Personen,
die für voraussichtlich länger als sechs Monate oder auf Dauer fremder
Hilfe bedürfen (§ 14 Abs. 1 SGB XI). Die Pflegeversicherung sieht
Geldleistungen und Pflegesachleistungen vor: Pflegegeld nach § 37 SGB
XI, Sachleistungen durch eine häusliche Pflegehilfe nach § 36 SGB XI.
4.3. Einrichtungen der Autismustherapie/ –betreuung in Sachsen
Ist bei dem Kind eine defizitäre Entwicklung zu beobachten, fungieren
neben dem Kinderarzt Frühförderstellen und Sozialpädiatrische Zentren
als erste Anlaufpunkte. In Sachsen sind insgesamt 49 Frühförderstellen
und sieben SPZs ansässig. Die Frühförderung umfasst interdisziplinäre
Maßnahmen der Früherkennung, Behandlung und Förderung von Kindern
mit Behinderung oder von Behinderung bedrohte. Ziel ist es die
Beeinträchtigung so früh wie möglich zu erkennen, um sie ggf. zu
vermeiden, Symptome zu mildern oder sie komplett zu beheben. Ein SPZ
ist eine ambulante, interdisziplinäre Einrichtung unter ärztlicher Leitung.
Die Aufgaben bestehen in der Früherkennung (Diagnostik) und Therapie
von Entwicklungsstörungen im sensorischen, motorischen, sprachlichen,
intellektuellen und psychischen Bereich einschließlich chronischen
32
Erkrankungen (vgl. SPZ Städtisches Krankenhaus Dresden-Neustadt
01.01.2013). Während die Frühförderung lediglich bis zum Schuleintritt
erfolgt, ist die Förderung im SPZ für alle Altersklassen offen. Kinder mit
Autismus werden entweder in diesen Einrichtungen autismusspezifisch
betreut oder ggf. an eine Autismusambulanz oder ein
Autismus(therapie)zentrum weiterverwiesen.
In Sachsen existieren Autismusambulanzen in Leipzig und in Dresden.
Autismusambulanzen sind interdisziplinäre Einrichtungen zur Förderung
und Therapie von Menschen mit Autismus. Das Behandlungsangebot
richtet sich an „Kinder (ab 2 Jahren), Jugendliche und Erwachsene mit
Verdacht auf eine autistische Störung oder bereits gesicherter Diagnose
im Autismusspektrum“ (Autismusambulanz Dresden 30.12.2012). Zu den
Angeboten beider Autismusambulanzen zählen u.a. Frühförderung,
Sozialtraining, Eingliederungshilfen und Schulbegleitung sowie
Fortbildungsprogramme und die Beratung von Eltern bzw. auch anderen
Bezugspersonen. Beide sächsischen Autismusambulanzen unterscheiden
sich in einem wesentlichen Punkt: In Dresden ist es durch die
entsprechende Trägerschaft über das Universitätsklinikum Carl Gustav
Carus und medizinisches Fachpersonal möglich auch eine
Autismusdiagnostik zu betreiben.
Neben den Autismusambulanzen sind in Sachsen drei Autismuszentren
vorhanden: in Chemnitz, Bautzen und seit September 2012 auch in
Dresden. Bei diesen Zentren handelt es sich ebenfalls um interdisziplinäre
Einrichtungen zur Therapie und Betreuung von Menschen mit Autismus,
wobei der Fokus mehr auf der Gestaltung und Unterstützung im Alltag der
Betroffenen liegt. Jedes dieser drei Autismuszentren unterscheidet sich in
seinem individuellen Arbeitsschwerpunkt von den anderen. Die Arbeit des
Autismuszentrums Chemnitz konzentriert sich größtenteils auf die
Schulbegleitung. Des Weiteren bietet es über den FED eine Nachmittags-
sowie Ferienbetreuung, Urlaubsverhinderungshilfe und „zusätzliche
Betreuungsleistungen“ (Kostenträger Krankenkasse) an. Das
Autismuszentrum Dresden wendet sich mit seinen Angeboten an
Betroffene und Angehörige von Menschen mit Autismus und geistiger
Behinderung. Das Angebot umfasst Beratung zu Antragstellungen,
33
heilpädagogische Diagnostik und Fördermaßnahmen, integrative
Begleitung in Kindertageseinrichtungen sowie die Unterstützung bei der
beruflichen Integration. Auch im Autismuszentrum Bautzen wird
autismusspezifische Förderung und Schulbegleitung angeboten. Zur
Angebotspalette gehören aber auch „zusätzliche Betreuungsleistungen“
und die Verhinderungspflege. In Abgrenzung zu den anderen zwei
Zentren bietet es, auch unabhängig von der Diagnose Autismus,
Maßnahmen der Hilfen zur Erziehung (§ 27ff. SGB VIII), insbesondere
Erziehungsbeistand (§ 30 SGB VIII) und SPFH (§ 31 SGB VIII) an.
Nach der Schulzeit stellt sich für die Eltern von Kindern mit Autismus die
Frage: Wie soll es nun perspektivisch weitergehen? Soll das Kind
weiterhin im elterlichen Haushalt oder in einer betreuten Wohnform leben?
Manche Eltern machen sich hierzu schon während des Schulbesuchs
ihres Kindes Gedanken, andere wiederrum erst mit Beendigung der
Schullaufbahn. Im Allgemeinen ist es schwierig eine den speziellen
Bedürfnissen von Menschen mit Autismus entsprechende Wohnform zu
finden, da in den Institutionen meist keine spezielle Konzeption existiert. In
Sachsen gibt es eine einzige Wohngemeinschaft für Menschen mit
Autismus. Diese wurde 2008 gegründet und befindet sich unter der
Trägerschaft des Regionalverbandes „Hilfe für das autistische Kind“ in
Chemnitz.
4.4. Unterstützungsangebote für Angehörige von Kindern mit
Autismus in Sachsen
In Sachsen existieren unter dem Dach des Bundesverbandes autismus
Deutschland e.V. fünf Regionalverbände: Auerbach (RV Vogtland),
Chemnitz, Leipzig, Dresden und Bautzen (RV Oberlausitz). Bei diesen
Regionalverbänden erfahren Angehörige und speziell Eltern von Kindern
mit Autismus vielfältige Unterstützung, beispielsweise in Form von
Gesprächskreisen und Elternstammtischen. In diesen Treffen findet ein
intensiver Erfahrungsaustausch zwischen betroffenen Familien bzw. Eltern
statt. Des Weiteren bieten die Verbände für Eltern Themenabende mit
Gastreferenten aus dem Bereich Autismus an. Zudem können Eltern
34
Unterstützung in Form von Hilfe und Beratung bei Kontakten zu Behörden,
Krankenkassen, Therapeuten etc. erhalten. Zu den Angeboten der
Regionalverbände Vogtland, Dresden und Oberlausitz gehören zudem
Familiennachmittage, Familienwanderungen und Familienwochenenden.
Diese fördern und stärken maßgeblich den Zusammenhalt in den
betroffenen Familien. Der RV Oberlausitz bietet darüber hinaus über
dessen Autismuszentrum in Bautzen eine offene Beratung für Angehörige
an. Diese können mit allen Problemen in diese Beratung kommen. Bei
Bedarf werden über das Erstgespräch hinaus weiterführende Beratungen
durchgeführt.
Unter der Trägerschaft des Internationalen Bildungs- und Sozialwerk e.V.
befindet sich in Leipzig die Koordinierungs-, Beratungs- und Kontaktstelle
SüdLicht für Familien mit chronisch kranken oder behinderten Kindern.
Diese Beratungsstelle steht in enger und intensiver Kooperation mit der
Autismusambulanz Leipzig. Zu den Angeboten von SüdLicht gehören u.a.
Hilfe bei Beantragungs- und Widerspruchsverfahren, Informationen zu
verschiedenen, die Situation des Kindes betreffenden, Einrichtungen bzw.
Selbsthilfegruppen und gegebenenfalls die Vermittlung zu diesen. Zudem
bietet die Beratungsstelle Hilfe bei der Bewältigung mit der Diagnose und
damit verbundenen täglichen Problemen in Form von systemischer
Familientherapie an. Neben diesen Angeboten werden auch
Geschwisterprojekte durchgeführt.
4.5. Ansatzpunkt der Sozialen Arbeit in der Autismustherapie und
–betreuung durch den TEACCH Ansatz
Ausgesprochen wird TEACCH wie das englische Wort für Unterrichten
“teach”. „Diese Ähnlichkeit soll die pädagogischen Inhalte des Ansatzes
unterstreichen und deutlich machen, dass Lernen und Verstehen im
Vordergrund stehen“ (Dellbrügge 2009, 21). Häußler sieht TEACCH als
ganzheitlichen pädagogisch-therapeutischen Ansatz, der die
Unterstützung des Lernens und die selbstständige Bewältigung des
Alltags in den Fokus seiner Arbeit stellt (vgl. Häußler 02.01.2013).
35
4.5.1. Entstehung und Zielsetzung von TEACCH
Grundstein für die Entwicklung von TEACCH war in den 1960er Jahren
ein Forschungsprojekt der Universität in Chapel Hill (North Carolina/ USA).
In diesem Programm ging es darum, die Eltern aktiv mit in die Förderung
ihrer Kinder mit Autismus einzubeziehen, da zu der damaligen Zeit davon
ausgegangen wurde, die Eltern hätten durch ihr Verhalten die
Hauptschuld am autistischen Verhalten ihrer Kinder (vgl. Dellbrügge 2009,
22).
Das Ziel von TEACCH ist es Menschen mit Autismus dazu zu befähigen in
ihrer Umwelt ein höchstmöglich selbstständiges und mit Lebensqualität
geprägtes Leben zu führen. Durch den individuellen Einsatz von
Strukturierungshilfen und Visualisierung kann demzufolge die Umwelt des
Menschen mit Autismus so gestaltet werden, dass sie für ihn
überschaubarer und nachvollziehbarer wird.
4.5.2. Prinzipien von TEACCH
Die TEACCH Prinzipien sind Bestandteil des pädagogischen Konzeptes
und nicht als starre Handlungsanweisungen, sondern viel mehr als
Grundhaltungen und Orientierungshilfen zu verstehen. Im Folgenden wird
eine Auswahl der TEACCH Prinzipien kurz dargestellt.
Voraussetzung für die Arbeit mit TEACCH ist bei den Personen, die
Menschen mit Autismus betreuen bzw. begleiten, das Vorhandensein von
fundiertem Fachwissen über Autismus und seine Ursachen. Die an der
Therapie und Betreuung beteiligten Personen müssen
autismusspezifische Verhaltensweisen, insbesondere Besonderheiten in
der Wahrnehmung und Verarbeitung von Reizen, kennen und verstehen
können. Für eine effektive Arbeit „nach TEACCH“ ist die Zusammenarbeit
mit den Eltern von existenzieller Bedeutung. Die Eltern fungieren als
Schnittstelle zwischen ihrem Kind und dem Therapeuten, denn sie sind in
der Lage die meisten Informationen über ihr Kind zu liefern und so den
Aufbau der Förderung positiv zu beeinflussen. Sie sind die eigentlichen
Experten ihres Kindes. Die Beziehung zwischen Therapeuten und Eltern
36
sollte von einem partnerschaftlichen Verhältnis geprägt sein, von dem
beide Parteien profitieren indem sie voneinander lernen. Aus der Literatur
ist bekannt, dass Autismus nicht heilbar ist. Auch TEACCH ist kein Ansatz,
der eine Heilung von Autismus anstrebt. Es ist vielmehr ein Anliegen der
pädagogisch-therapeutischen Arbeit, den Betroffenen optimal zu
befähigen seinen Alltag selbstbestimmt zu bewältigen und ihn in die
Gesellschaft zu integrieren. TEACCH ist ein ganzheitlicher Ansatz. Das
bezieht sich v.a. auf die Inhalte der Förderung. Es müssen „alle Bereiche
der Persönlichkeit und der Entwicklung berücksichtigt werden“ (Häußler
2005, 18). Aufgrund des Prinzips der Ganzheitlichkeit steht TEACCH der
Anwendung verschiedener anderer Methoden, auch aus
Nachbardisziplinen des Therapeuten, offen gegenüber. Strukturierung und
Visualisierung stellen ein wesentliches Prinzip von TEACCH dar und
werden unter dem Begriff des „Structured Teaching“ zusammengefasst.
4.5.3. Strukturierung und Visualisierung
Aus der Fachliteratur ist allgemein bekannt, dass Menschen mit Autismus
deutliche Schwierigkeiten zeigen soziale Reize wahrzunehmen.
Demzufolge fällt es ihnen auch schwer verbale Anweisungen zu
verarbeiten, nicht so bei visuellen Informationen. Sie können ihre
Aufmerksamkeit auf kleinste Details richten („sich in ihnen verlieren“),
haben dagegen jedoch Schwierigkeiten Zusammenhänge auf das Ganze
herzustellen. Diese Schwierigkeiten erschweren ihnen das Lernen. Um an
diesem Punkt mit einer angemessenen, individuellen Förderung
anzusetzen, ist der Einsatz von visuellen Informationen und
strukturierenden Hilfen (= Structured Teaching) notwendig.
Structured Teaching beinhaltet fünf Ebenen der Strukturierung: 1)
Strukturierung von Raum und Zeit, 2) Arbeitsorganisation, 3)
Aufgabenstrukturierung, 4) Gestaltung von Arbeitsmaterialien, 5) Einüben
von Routinen bzw. Handlungsabläufen. Die räumliche Strukturierung
erleichtert dem Kind mit Autismus sich im Raum zurecht zu finden.
Realisiert werden kann sie mit Abgrenzungen, beispielsweise durch
Regale, Pflanzen oder Paravents oder aber auch mit Markierungen auf
37
dem Boden. Zudem können bestimmte Orte mit Bildern, Schildern,
Farbcodierungen etc. versehen werden. Für leicht ablenkbare Menschen
mit Autismus ist zudem ein reizarmer Arbeitsplatz hilfreich. Die zeitliche
Strukturierung, d.h. die überschaubare Visualisierung einzelner (Arbeits-)
Abschnitte, beispielsweise in Form von Plänen, hilft dem Kind das
Vergehen der Zeit besser nachvollziehen zu können. Bei der Verwendung
von Plänen ist allerdings kenntlich zu machen, was erledigt oder was noch
zu erledigen ist. Bei der Arbeitsorganisation geht es darum Strukturen zu
schaffen um Tätigkeiten möglichst selbstständig durchführen zu können.
Folgende Aspekte werden dabei visuell dargestellt: 1) Was ist zu tun?, 2)
Wie viel ist zu tun?, 3) In welcher Reihenfolge ist es zu tun?, 4) Wann bin
ich fertig? und 5) Was kommt danach? (vgl. Häußler 06.01.2013). Die
Aufgabenstrukturierung sollte ebenfalls so gestaltet sein, dass die
Aufgaben selbstständig durchgeführt werden können (visuell
übersichtlich). Bei der Gestaltung des Arbeitsmaterials ist auf Reizarmut
zu achten (unwichtige Aspekte des Materials abdecken). „Durch farbliche
Gestaltung kann man Zusammenhänge verdeutlichen bzw. verschiedene
Aspekte der Aufgabe voneinander absetzen“ (ebd.). Menschen mit
Autismus neigen dazu, eigene Routinen zu entwickeln. Diese werden
dazu genutzt produktive Routinen für Standardsituationen aufzubauen und
somit die Generalisierung zu fördern. Solche Routinen beinhalten
beispielsweise die Arbeitsrichtung oder die sogenannte Fertig-Kiste
(abgeschlossene Aufgaben landen in dieser Kiste).
4.5.4. Welchen Nutzen hat TEACCH für Eltern und andere
Familienangehörige?
Die Effektivität des TEACCH Ansatzes lässt sich im Gegensatz zu
anderen „Methoden der Entwicklungsförderung“ schwieriger untersuchen,
da es sich bei TEACCH nicht um eine klar umschriebene Methode handelt
(Häußler 2005, 21), sondern um pädagogische Denk- und
Handlungsweisen. Ein mögliches Untersuchungsinstrument stellt die
Befragung von Eltern und Fachleuten dar, die mit dem TEACCH Ansatz
gearbeitet haben. Befragte Bezugspersonen berichten vorwiegend von
38
positiven Effekten: „Zuwachs an Fähigkeiten, … Reduzierung von
problematischem Verhalten[,] … Entwicklung größerer Selbstständigkeit“
auf Seiten der Betroffenen (ebd.). Insgesamt wird somit die Lebensqualität
der von Autismus direkt oder indirekt betroffenen Menschen verbessert.
Durch das intensive Elterntraining im Rahmen von TEACCH werden Eltern
in autismusspezifischen Förderungsmethoden angeleitet, welche ihnen als
sogenannte Co-Therapeuten zu einem kompetenteren Umgang mit ihren
Kindern verhelfen sowie ihnen ermöglicht sich aktiv an der Förderung
ihres Kindes zu beteiligen. Sie werden somit dazu befähigt ihre Kinder
besser verstehen zu können und dadurch mehr Freude im Umgang mit
ihrem Kind zu haben. Dadurch wird das Familienklima wesentlich positiv
beeinflusst.
4.5.5. Weitere Interventionsmöglichkeiten der Sozialen Arbeit
Neben TEACCH existieren in der Förderung von Kindern mit Autismus
weitere Interventionsmöglichkeiten, die von der Sozialen Arbeit im Bereich
der Autismustherapie und –betreuung durchgeführt werden. Eine
Interventionsmöglichkeit stellt ABA nach Ivar Lovaas dar. ABA wurde in
Kapitel 2.7 beschrieben. Weitere Interventionsmöglichkeiten sind
kommunikationsfördernde Maßnahmen wie PECS (siehe Kapitel 2.7) und
FC nach Rosemary Crossley. Neben den kommunikationsfördernden
Maßnahmen ist auch die Förderung sozialer Fertigkeiten zu erwähnen,
beispielsweise durch das SOKO-Konzept nach Anne Häußler, Social
Stories von Carol Gray oder auch das Theory of Mind-Training nach
Patricia Howlin, Simon Baron-Cohen et al.
39
5. Interviews mit vier Pädagogen aus dem Bereich der
Autismustherapie und –betreuung
5.1. Methodisches Vorgehen
Um die theoretisch gewonnenen Erkenntnisse mit einer praxisorientierten
Sichtweise zu komplettieren, wurden Experteninterviews bzw. schriftliche
Expertenbefragungen durchgeführt. In den Interviews und Befragungen
wird herausgestellt wie Soziale Arbeit im Autismusbereich stattfindet und
wo die Grenzen dieser Arbeit liegen.
Die Gespräche wurden in Form von leitfadengestützten Interviews
durchgeführt, zum einen um den Themenfokus während des Gesprächs
nicht zu verlieren und zum anderen dem Interviewten durch die offenen
Fragen stets den Raum für eigene Themen einzuräumen.
Als Interviewprobanden wählte ich Vertreter der Sozialen Arbeit aus
verschiedenen Bereichen der Autismustherapie und –betreuung. Frau
Oehmichen ist stellvertretende Leiterin der Autismusambulanz Leipzig und
führt als Heilpädagogin neben der autismusspezifischen Förderung
insbesondere Weiterbildungen für Eltern, Pädagogen und anderweitig
Interessierte durch. Frau Scholz1 arbeitet als Sozialarbeiterin ebenfalls in
der Autismusambulanz Leipzig und konzentriert sich in der Förderung v.a.
auf das Erlernen sozialer Verhaltensweisen. Herr Schneider1 ist
Sozialpädagoge im Autismuszentrum Chemnitz und legt den Fokus
hauptsächlich auf Schulbegleitung. Frau Müller1 arbeitet als
Sozialpädagogin in einem sächsischen SPZ und unterstützt Eltern u.a. bei
der Beantragung von Leistungen.
Der Leitfaden sowie die Transkripte der geführten Interviews und die
schriftlichen Befragungen befinden sich im Anhang.
1 Name wurde aus Datenschutzgründen geändert.
40
5.2. Darstellung der Interviewauswertungen anhand des
Kategoriensystems
Tätigkeitsfeld des Sozialarbeiters
Frau Scholz sieht die Autismusambulanz als pädagogische Einrichtung, in
der autismusspezifische Förderung durchgeführt wird. Das
interdisziplinäre Team, bestehend aus Sozialpädagogen und –arbeitern,
Heilpädagogen und Psychologen, würde vorwiegend nach pädagogischen
Gesichtspunkten arbeiten und weniger strikt auf die eigene Profession
fokussiert sein (vgl. Anlage V, S. XLVIf. Zeile 34ff.). Soziale Arbeit zielt
ihrer Ansicht nach mehr auf das Erlernen von angemessenem sozialem
Verhalten ab. Des Weiteren definiert sie die Rolle der Sozialen Arbeit in
der Autismusambulanz als Verbindungsstelle zwischen dem Individuum
und seinem sozialen Umfeld. Sie verwendet hierbei den Begriff „Anwalt
des Klienten“ (Anlage V, S. XLVI Zeile 14). Als wichtigen Ansatzpunkt des
Sozialarbeiters benennt Frau Scholz zudem die Integration bzw. Inklusion
des Betroffenen in die Gesellschaft.
Gemäß den Aussagen von Frau Oehmichen gehört zum Tätigkeitsfeld des
Sozialarbeiters auch die Angehörigenberatung. In diesen meist einmaligen
Beratungsgesprächen wird der Bedarf an Beratung ermittelt, erste
Hinweise gegeben und bei entsprechendem Bedarf an die zuständigen
Ämter oder andere Institutionen verwiesen (vgl. Anlage IV, S. XXXVIII
Zeile 195 – 200). Im Rahmen der Förderung des Kindes mit Autismus
berichtet sie von einer intensiven Elternarbeit. Diese äußert sich in Form
von Reflexionsgesprächen über Therapieinhalte und gegebenenfalls
Problembereiche im häuslichen Umfeld. Als dritten Arbeitsbereich des
Sozialarbeiters nennt Frau Oehmichen die Durchführung von
Weiterbildungen. Diese Weiterbildungen sind für den Personenkreis von
Eltern, Pädagogen und anderweitig interessierten Personen konzipiert
worden.
Gemäß den Ausführungen von Herrn Schneider gehören zu den Aufgaben
eines Sozialarbeiters die Schulbegleitung, die Einzelförderung sowie die
Betreuung im Rahmen des FED und die Begleitung Betroffener in den
41
Ferien(spielen und –lagern). Des Weiteren zählen zu den Aufgaben die
Arbeit im angegliederten Kurzzeitwohnen (Urlaubsverhinderungshilfe) und
administrative Aufgaben.
Gemäß den Aussagen von Frau Müller ist die Soziale Arbeit nicht
unerheblich am Behandlungsplan bzw. –erfolg beteiligt, denn oftmals
„…liegen die Gründe für Auffälligkeiten in der Entwicklung eines Kindes an
der Gesamtkonstellation der Familie und lassen sich nicht mit verordneten
Therapien lösen …“ (Anlage VI, S. L Zeile 58 - 61). Zu ihren Aufgaben als
Sozialarbeiterin im SPZ gehört die Unterstützung der Betroffenen und
deren Angehörigen bei rechtlichen und sozialen Angelegenheiten, wie z.B.
die Beantragung eines Schwerbehindertenausweises oder die Beratung
hinsichtlich der richtigen Beschulung bzw. Schulbegleitung des Kindes mit
Autismus. Nachdem die Diagnose erfolgt ist, arbeitet sie zudem auch mit
anderen Institutionen (Ämter, Behörden etc.) zusammen. Des Weiteren
unterliegt ihr die Durchführung von Elternkursen sowie Netzwerk- und
Gremienarbeit. Die Besonderheit des Sozialarbeiters im SPZ liegt ihrer
Meinung nach in der Möglichkeit zur Hospitation in den verschiedenen
Lebensbereichen des betroffenen Kindes.
Theoretische (Arbeits-)Ansätze des Sozialarbeiters
Die Autismusambulanz Leipzig arbeitet nach einem multimodalen
Therapieansatz. Frau Oehmichen meint damit, dass sie alle verfügbaren
Therapieansätze im Bereich der Behandlung autistischer Störungen, nach
vorheriger Reflexion im Team und auf die individuellen Bedürfnisse des
Betroffenen zugeschnitten, in ihre Arbeit einfließen lässt (vgl. Anlage IV, S.
XXXIII Zeile 37 – 40). Darunter meint Frau Oehmichen
autismusspezifische Therapiekonzepte, wie z.B. TEACCH, PECS und FC
(vgl. Anlage IV, S. XXXIII Zeile 42f.). Frau Scholz ergänzt das Spektrum
an Therapien mit verhaltenstherapeutischen Ansätzen, wie ABA, Theory
of Mind – Training, Social Stories und Comic Strip Conversation (vgl.
Anlage V, S. XLVII Zeile 60ff.). Frau Scholz charakterisiert zudem die
Soziale Arbeit in der Autismusambulanz mit Ansätzen, wie der
Lebenswelt- und Ressourcenorientierung sowie der Umfeldbezogenheit.
42
Der Sozialarbeiter im Autismuszentrum arbeitet stets klienten- bzw.
fallspezifisch. Auch er orientiert seine Arbeit neben autismusspezifischen
Therapiekonzepten an typischen Ansätzen der Sozialen Arbeit, wie die
Ressourcen- und Lebensweltorientierung. „… Wo steht der Klient, was
sind für Ressourcen da, was kann wie erreicht werden und was ist dafür
nötig … die Umwelt mit einzubeziehen, bzw. zu sensibilisieren, ein
Bewußtsein für das Problem zu bilden, gängige Handlungskonzepte zu
hinterfragen …“ (Anlage III, S. XXX Zeile 39 – 43).
Die Arbeit eines Sozialarbeiters im SPZ orientiert sich am sogenannten
Altöttinger Papier. Arbeitsansätze der Sozialen Arbeit stellen demnach die
typischen oben genannten autismusspezifischen Therapiekonzepte als
auch der Ansatz der Lebensweltorientierung dar.
Finanzierung der Einrichtungen
Die Autismusambulanz Leipzig finanziert sich nach Aussagen von Frau
Oehmichen entsprechend jedes Einzelfalls über die Eingliederungshilfe
gemäß §§ 35a SGB VIII und 54 SGB XII. Da die Finanzierung über das
Jugend- oder Sozialamt erfolgt, müssen die Mitarbeiter der
Autismusambulanz einen Hochschul- oder Universitätsabschluss
vorweisen. „… aufgrund dieser spezifischen Verhandlungen mit dem
Sozialamt und Jugendamt sind wir dann ja auch angewiesen, dass die uns
die entsprechenden Mitarbeiter finanzieren müssen und wir bei
Jugendamtsfällen nur benannte Abschlüsse hier zum Einsatz bringen
können …“ (Anlage IV, S. XXXIII Zeile 52 – 55). Eine Finanzierung muss
vorhanden sein, ansonsten kann keine Therapie durchgeführt werden.
Frau Oehmichen berichtet zudem von der Übergangslösung der privaten
Finanzierung, welche allerdings sehr kostenintensiv ist und auch nur als
Überbrückung wahrgenommen werden würde.
Im Autismuszentrum Chemnitz werden Schulbegleitung und die
Nachmittagsbetreuung durch den FED ebenfalls über die
Eingliederungshilfe nach oben genannten Paragrafen finanziert. Beides
wird durch das bewilligte Stundenkontingent begrenzt. Die Jugendgruppen
werden über Beiträge der Teilnehmer getragen. Für die
43
Urlaubsverhinderungshilfe und die zusätzlichen Betreuungsleistungen
stellt die jeweilige Krankenkasse den Kostenträger dar. Herr Schneider
berichtet daneben auch von einer privaten Finanzierung durch die Eltern
selbst bzw. es bestände auch die Möglichkeit der Spende. Speziell die
Ferienbetreuung ist nach seinen Aussagen Inhalt verschiedener
Projektförderungen und Stiftungen, beispielsweise der „Aktion Mensch“
(Anlage II, S. IX Zeile 198).
Die Kosten der Behandlung im SPZ werden im Allgemeinen von der
Krankenkasse getragen. Die Soziale Arbeit im Rahmen der SPZ-Arbeit
stellt dagegen keine Leistung der Krankenkassen dar. Die Finanzierung
eines Sozialarbeiters erfolgt über die, sich im Einzugsgebiet befindlichen,
Sozialämter der Landratsämter. „…Die Stelle des [Sozialarbeiters] …
müsste also von diesen Anteil finanziert werden, da aber einige
Sozialämter sich nicht oder nur zu einem geringeren Maße an den Kosten
beteiligen können Finanzierungslücken entstehen …“ (Anlage VI, S. LII
Zeile 119 – 123).
Grenzen der Sozialen Arbeit
Frau Scholz sieht als Sozialarbeiterin in der Autismusambulanz Leipzig
v.a. die Grenzen in den von staatlicher Seite geschaffenen strukturellen
und finanziellen Rahmenbedingungen. Nach ihren Aussagen sind die
vorhandenen Gesetze fast ausschließlich auf die Intervention
ausgerichtet, welche den Ansatzpunkt für die Soziale Arbeit darstellen.
Präventive, aufklärende Soziale Arbeit im Autismusbereich ist somit kaum
vorhanden und lässt sich nach Meinung von Frau Scholz äußerst
beschränkt umsetzen (vgl. Anlage V, S. XLVIII Zeile 69f.).
Die Ausführungen von Herrn Schneider gleichen sich im Punkt der
strukturellen und finanziellen Bedingungen. Er sieht zudem noch Grenzen
im zwischenmenschlichen Bereich: „Motivation, … Bereitschaft zur
Veränderung, Mitarbeit“ (Anlage III, S. XXX Zeile 62 – 65). „…
Zusammenarbeit ist immer schön. Also es ist immer sehr schwierig, wenn
Eltern da sitzen und sagen: ‚Hier mein Kind, machen Sie mal‘ …“ (Anlage
II, S. XV Zeile 382ff.).
44
Grenzen ihrer Arbeit sieht Frau Müller v.a. darin, dass die Behandlung
eine freiwillige Entscheidung der Eltern darstellt. Sie ist der Meinung, dass
ihre Einflussnahme auf die Entwicklung des Kindes deswegen begrenzt
wird. Eine Grenze ist ihrer Ansicht nach auch die Finanzierung. Sie
berichtet von einem jahrelangen „Kampf“, bei dem die Ämter den Beitrag
des SPZ als ganzheitlich arbeitende Einrichtung nicht entsprechend
würdigen und sich so auch bei der Kostenübernahme herausnehmen
würden (vgl. Anlage VI, S. LII Zeile 124 – 131).
Optimierungsbedarf
Optimierungsbedarf in der Autismusambulanz Leipzig sieht Frau
Oehmichen v.a. in einer ganzheitlichen Arbeitsweise, auch hinsichtlich
Diagnostik, wie es in der Autismusambulanz in Dresden der Fall ist, „um
effektiver für die Menschen mit Autismusspektrumsstörung in Leipzig und
Umgebung da sein zu können“ (Anlage IV, S. XXXV Zeile 121f.).
Wesentlich ausbaufähig ist für sie auch die Aufklärung über Autismus im
pädagogischen, medizinischen Bereich als auch allgemein in der
Gesellschaft. „… normalerweise ist ja Autismus so gut getarnt in dem
Sinne, dass auch die Aufklärung über das Thema Autismus in den
pädagogischen und medizinischen Bereichen nicht so groß ist“ (Anlage IV,
S. XXXVI Zeile 146ff.). Durch die mangelnde Aufklärung sei der
individuelle Betreuungsbedarf für Kinder und Jugendliche mit Autismus
nicht optimal gewährleistet. Auf die Rückfrage, ob bei den Fachkräften
Unwissenheit hinsichtlich Autismus besteht, antwortet sie: „… Weniger
vielleicht eine Unwissenheit als die personellen Möglichkeiten auf die
ganzen Bedürfnisse da halt abzudecken …“ (Anlage IV, S. XXXVII Zeile
184f.). Wesentlicher Bedarf an Optimierung besteht ihrer Ansicht nach
neben den schon erwähnten Bereichen im Bereich der Finanzierung, da
diese die Grundlage der Arbeit in der Autismusambulanz darstellt.
Ausbaufähig ist hierbei v.a. das, von den Ämtern genehmigte, begrenzte
Stundenkontingent, welches momentan äußerst wenig Raum für die
Beratung der Eltern bietet. Frau Scholz erachtet es daneben noch als
äußerst wichtig ein „… weitläufiges soziales Netzwerk zum Austausch für
45
Angehörige, vor allem Eltern und Geschwisterkinder zu entwickeln …“
(Anlage V, S. XLVII Zeile 47ff.).
Die Aussagen von Herrn Schneider hinsichtlich des Optimierungsbedarfs
gleichen sich in den Bereichen Finanzierung, begrenztes
Stundenkontingent und Aufklärung der Gesellschaft zum Thema
Autismus. Die Finanzierung weist seiner Meinung nach eine deutliche
Diskrepanz zur Qualität der Arbeit auf. „… Ich würde viel mehr Sozialarbeit
machen, wenn ich mehr Geld hätte. Letzten Endes reduziert sich immer
sehr viel auf das Geld …“ (Anlage II, S. XIII Zeile 324ff.). Er sieht zudem
v.a. die Heimstruktur für Menschen mit Autismus in Chemnitz als äußerst
ausbaufähig an. In den Heimen würden oftmals spezifische Konzeptionen
fehlen. Des Weiteren sei seiner Meinung nach zu überdenken, wie
Familien geholfen werden kann, wenn noch keine Diagnose vorhanden ist.
Optimierungsbedarf sieht er auch in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit
und Integration in den Arbeitsmarkt.
Frau Müller sieht für die Soziale Arbeit im SPZ wesentlichen
Optimierungsbedarf in der Finanzierung, da sich einige Sozialämter nicht
oder nur zu einem geringen Anteil an der Finanzierung beteiligen. Zudem
muss ihrer Ansicht nach bei den finanzierenden Ämtern ein Umdenken
hinsichtlich des enormen Nutzens der Sozialen Arbeit im SPZ erreicht
werden, damit ihre Arbeit auch auf längere Dauer finanziell gewährleistet
ist.
5.3. Zusammenfassung der Interviews
Trotz das die vier interviewten Pädagogen aus drei verschiedenen
Bereichen der Autismustherapie und –betreuung stammen, gleicht sich
das beschriebene Tätigkeitsfeld des Sozialarbeiters größtenteils.
Unterschiede kommen durch die jeweilige Spezialisierung der Einrichtung
zu Stande. Es stellte sich heraus, dass der Sozialarbeiter dieselben
Arbeitsbereiche besitzt wie die anderen Disziplinen in der jeweiligen
Einrichtung. Ausnahme bildet hier die Soziale Arbeit im SPZ, die mehr für
die rechtliche und soziale Betreuung betroffener Familien zuständig ist.
46
Auch die Arbeitsansätze des Sozialarbeiters gleichen sich im
Wesentlichen. Neben den autismusspezifischen Therapiekonzepten
arbeitet der Sozialarbeiter v.a. lebenswelt- und ressourcenorientiert sowie
umfeldbezogen. In seine Arbeit bezieht er stets vorhandene Ressourcen
des Betroffenen sowie deren Angehörige mit ein.
Grenzen in der Sozialen Arbeit bestehen nach Aussage aller interviewten
Pädagogen in den Bereichen der Finanzierung und gesetzlicher
Rahmenbestimmungen. Mit der bisherigen Finanzierungslage ist es der
Sozialen Arbeit nicht möglich präventiv und zukunftsorientiert zu arbeiten.
Grenzen bestehen daneben aber auch im zwischenmenschlichen Bereich.
Optimierungsbedarf existiert v.a. in Finanzierung und Aufklärung
über Autismus. Die Autismusambulanz Leipzig ist der Ansicht, dass die
Ganzheitlichkeit ihrer Arbeitsweise ausbaufähig wäre. Sie vergleicht sich
hierbei stets mit der Autismusambulanz Dresden. Neben diesen zu
optimierenden Bereichen sind v.a. die Hilfsmöglichkeiten vor der
Diagnosestellung zu überdenken, d.h. wie die Familien mit ihren
betroffenen Kindern zu diesem Zeitpunkt aufgefangen werden können,
auch wenn noch keine Diagnose als Finanzierungsgrundlage besteht.
47
6. Schlusswort
Meine persönliche Zielstellung für diese Bachelorarbeit war es, das schon
erworbene Wissen zum Thema Autismus weiter zu vertiefen, um es in
meiner beruflichen Laufbahn anwenden zu können. Zudem wollte ich
herausfinden wie sich der Alltag betroffener Familien gestaltet und wie
diese durch vorhandene Unterstützungsmöglichkeiten der Sozialen Arbeit
entlastet werden können. Während der Erarbeitung erkannte ich zudem
die hohe Individualität der Problemlagen. Grund für diese Individualität ist
die Tatsache, dass sich Fälle von Autismus in gewissen Bereichen ähneln,
aber nicht identisch sind. Gleichzeitig stellte sich heraus, dass betroffene
Familien nicht automatisch auf Unterstützung durch die Soziale Arbeit
angewiesen sein müssen.
Die Hypothese meiner Bachelorarbeit lautete: Das Leben mit einem von
Autismus betroffenem Kind bringt vielfältige Konflikte mit sich. Konflikte
entstehen, wenn die Familien mit der Bewältigung einer für sie
ungewohnten und neuen Situation konfrontiert werden. Bei Eltern von
Kindern mit Autismus entstehen erste Konflikte im Umgang mit der
Diagnose ihres Kindes, da die bisherige Lebensweise umgestellt werden
muss und sich die Einstellung zum betroffenen Kind verändert. Konflikte
entstehen auch in der Erziehung des von Autismus betroffenen Kindes, da
die Erziehung auf die für Autismus charakteristischen
Verhaltensauffälligkeiten ausgerichtet werden muss. Leben auch
Geschwisterkinder in der Familie, treten Konflikte zum einen in der
Beziehung zwischen Eltern und Geschwisterkindern und zwischen den
Geschwistern untereinander auf. Für die Eltern stellt es demnach einen
enormen Spagat dar, ihre Aufmerksamkeit und Fürsorge auf alle Kinder
gerecht zu verteilen. Geschwisterkinder fühlen sich in diesem Fall von
ihren Eltern vernachlässigt und entwickeln ambivalente Gefühle
gegenüber ihrer Schwester oder ihres Bruders mit Autismus. Wird bei dem
Kind die Diagnose Autismus gestellt, bedeutet das auch eine Veränderung
in der Partnerschaft der Eltern, da sie sich in der Regel auf diese neue
Situation nicht vorbereiten können. Konfliktbehaftet ist aber v.a. auch die
Gestaltung der Übergänge im Leben des Kindes, d.h. wenn die Eltern vor
48
der Wahl eines geeigneten Kindergartens bzw. einer geeigneten Schule
stehen.
Die Fragestellung meiner Bachelorarbeit lautete: Ist im Rahmen der
Sozialen Arbeit eine Entlastung in deren Familienalltag möglich?
Betroffene Familien können durch Unterstützungsmöglichkeiten der
Sozialen Arbeit in ihrem konfliktbehafteten Alltag entlastet werden. Eine
Entlastung findet in erster Linie in der Hinsicht statt, dass die betroffenen
Kinder autismusspezifische Förderung erhalten. Diese Förderung wirkt
sich positiv auf den Familienalltag aus, da das Ziel die Generalisierung
erlernter Fähigkeiten ist. Ergänzend dazu erfahren die Eltern explizit durch
die Soziale Arbeit Unterstützung in rechtlichen und sozialen
Angelegenheiten und werden gerade durch die lebensweltorientierte
Arbeitsweise des Sozialarbeiters in ihrem Alltag aufgefangen.
Auch, wenn die Soziale Arbeit kein klassisches Arbeitsfeld der Sozialen
Arbeit darstellt, berichten die von mir befragten Pädagogen davon, dass
mehr Sozialarbeit notwendig wäre, damit sie im Interesse ihrer Klienten
noch viel mehr tun könnten. Die Aussagen der interviewten Pädagogen
zeigten ganz klar, dass die Finanzierung der Sozialen Arbeit einen
wesentlichen Schwachpunkt darstellt. Präventive und somit
zukunftsorientierte Soziale Arbeit ist jedoch für Betroffene und deren
Angehörige von essentieller Bedeutung, da (Hilfe-)Systeme der
Betroffenen durch entsprechende Aufklärung über das Störungsbild von
Autismus besser auf deren Situation und Bedarfe reagieren können und
so schneller eine gesicherte Diagnose gestellt werden kann. Im Bereich
der Finanzierung der Sozialen Arbeit besteht somit noch erheblicher
Verbesserungsbedarf, damit die soziale Betreuung von Autismus
Betroffenen und deren Angehörigen entsprechend ihren Bedarfen
gewährleistet werden kann.
I
Anhang
Anlage I – Interviewleitfaden für Experteninterviews (nicht
schriftliche Befragungen)
1. Fragen zur Institution:
1.1. Seit wann besteht Ihre Institution?
1.2. Wie ist die Institution entstanden?
1.3. Wie ist die Institution aufgebaut/ strukturiert?
1.4. Wie wird die Einrichtung finanziert?
2. Nach welchen theoretischen Ansätzen arbeitet die Einrichtung?
(Interdisziplinarität/ Multiprofessionalität, Konzept/ Leitbild)
3. Welchen Arten von Autismus sind bei den zu behandelnden
Kindern Ihrer Einrichtung vertreten? (Stärke der Ausprägung)
3.1. Kommen die Eltern schon mit einer gesicherten Diagnose in die
Einrichtung oder wird diese erst hier gestellt?
4. Wie findet i.d.R. der Zugang der Eltern zu Ihrer Einrichtung statt?
4.1. Müssen Voraussetzungen erfüllt werden? Wenn ja, welche?
4.2. Welche Schwierigkeiten in der Kontaktaufnahme zeigen Ihnen die
Eltern an?
4.3. Aus welchem(n) Einzugsgebiet(en) kommen die Eltern mit ihrem
Kind in die Einrichtung?
5. Was denken Sie, mit welchen Schwierigkeiten/ Problemen die
betroffenen Eltern in ihrem Familienalltag konfrontiert sind?
5.1. Mit welchen Problemen kommen sie zu Ihnen und suchen Rat?
6. Welche Angebote bietet Ihre Einrichtung allgemein hinsichtlich
Therapie/ Behandlung für Autismus an?
6.1. Welche Angebote gibt es speziell zur Entlastung der Eltern?
II
6.2. Was müsste ggf. noch für die Eltern geschaffen werden? Wo
besteht Ausbaubedarf?
III
Anlage II – Interview Herr Schneider 1
2
Ort: Autismuszentrum Chemnitz 3
Datum: 23.10.2012 4
Dauer: 55 Minuten 5
Teilnehmer: Interviewerin Christina Michael (M), Herr Schneider (S) 6
7
M: Seit wann besteht die Institution? 8
S: Die Institution Autismuszentrum an sich besteht seit 1990. Ist 9
hervorgegangen aus einer Elterngruppe und war früher woanders ansässig. 10
Also seit 2004 hier. Vorher die Marschnerstraße und als es noch 11
Elterngruppe war, war es sporadisch immer woanders. Es gab halt Eltern, die 12
festgestellt haben, wir haben Kinder mit dem gleichen Problem, wir könnten 13
uns mal zusammentun, weil einzeln ist man immer ziemlich schwach. Als 14
Gruppe ist man stärker und man hat auch mal die Möglichkeit eines 15
Erfahrungsaustausches oder Möglichkeiten über was zu sprechen und 16
Großteil dieser Gründungsmitglieder sind heute noch im Vorstand. 17
M: Ok, also die Eltern, die das von Anfang an gegründet hatten, sind jetzt 18
immer noch dabei? 19
S: Ja. Der Vorstandsvorsitzende ist der Herr (Name). Ist auch einer 20
derjenigen, die seit Anbeginn der Zeit dabei ist. Der Herr (Name), die Frau 21
(Name), weiß ich jetzt nicht ob die im Vorstand ist. Der Herr (Name) 22
(unverständlich) und noch verschiedene andere Eltern. Also die Mitglieder 23
sind eigentlich hauptsächlich auch betroffene Eltern. Vereinsmitglieder, aus 24
denen wird dann der Vorstand gewählt und der Herr (Name) macht das seit 25
Mitte der 90er, glaube ich, also war nicht der Erste, aber er ist sehr sehr lange 26
im Amt jetzt auch schon. 27
M: Wie ist denn die Institution aufgebaut oder strukturiert? 28
S: Es ist ein gemeinnütziger Verein erst einmal, der geführt wird durch den 29
Vorstand. Also es gibt eine Mitgliederversammlung oder es gibt Mitglieder 30
besser gesagt. Es gibt einen Vorstand mit Geschäftsführer, mit 31
IV
Vorstandsvorsitzenden, mit stellvertretenden Vorsitzenden, mit Kassenführer. 32
Wies halt so ist in einem Vorstand und wir sind praktisch untergegliedert als 33
arbeitenden Teil. Da gibt es einen Geschäftsführer, was die Frau (Name) ist 34
und der Stellvertreter, der Herr (Name) und gliedert sich dann auf in Bereich 35
Schulbegleitung und technisches Personal. Also sagen wir mal Personal, was 36
in Schulbegleitung arbeitet oder in Jugendgruppen oder im 37
Familienentlasteten Dienst und technisches Personal in Verwaltung, was so 38
den Laden hier am laufen hält. 39
M: Also es ist hauptsächlich Schulbegleitung der Schwerpunkt? 40
S: Hauptarbeitsfeld ist die Schulbegleitung in der Schulzeit, also sind Kinder 41
praktisch von früh bis Mittag, Nachmittag in Betreuung in der jeweiligen 42
Schule vor Ort, immer abhängig von der Stundenzahl, die genehmigt sind, die 43
Betreuungsstunden. Also es gibt Kinder, die werden von wirklich in jeder 44
Stunde (unverständlich) betreut, von Anfang, vom ersten Klingeln bis zum 45
letzten Klingeln, also maximal 8 Stunden. Es ist aber die Ausnahme. Also, ... 46
M: Das sind dann die Intensivfälle? 47
S: Ja, das sind wirklich die im G-Bereich beziehungsweise im Förderbereich, 48
die dann sehr auffällig sind. Regel ist immer so 5 bis 6 Stunden in der Woche, 49
pro Tag und das ist dann meistens im (normalen Schulbereich)?, 50
Lernförderbereich oder auch Regelschulbereich, Gymnasium, Mittelschule, 51
spezielle Schule wie Sprachheilschulen, Blindenzentrum oder sowas. So, als 52
Zweites Arbeitsfeld haben wir die Nachmittagsbetreuung, sprich 53
Familienentlastender Dienst, Einzelförderung, Familienunterstützender 54
Dienst, Jugendgruppen, die verschiedenen Sportgruppen, die Kunstgruppe ... 55
Es gibt Ferienbetreuung. Gliedert sich in normale Ferienbetreuung, wie es 56
jetzt gerade ist, praktisch mit wechselnden Programm jeden Tag oder halt 57
verschiedene Ferienlagerfahrten. Wir haben 4 Ferienlager, 3 in 58
Sommerferien, 1 in Herbstferien. Auch gestaffelt nach Altersgruppen, also 59
sprich für Jüngere, für mittlere Jüngere, für Erwachsene und für ältere Leute, 60
praktisch die, die schon lange dabei sind. Und die Ferienlager sind praktisch 61
die erste, sag ich mal, Institution gewesen, in diesem Autismuszentrum. Ging 62
V
nicht gleich mit Schulbegleitung los, sondern es ging damit los, dass sich die 63
Eltern gesagt haben, wir organisieren jetzt mal was in der Ferien für die 64
Kinder und da waren die Ferienlager praktisch das Erste, was so 65
(unverständlich). Ich glaube das Ferienlager 3 ist die Gruppe mit den 66
erwachsenen Autisten, die sind schon seit etlichen Jahren unterwegs als 67
Ferienlager. 68
M: Was beinhalten die Jugendgruppen? 69
S: Ähm sind verschiedene Jugendgruppen, auch wieder nach Alter gemischt. 70
Wir haben die Dienstag-Gruppe, wo die jüngeren Autisten sind, bis 14 Jahre 71
ungefähr. Wir haben die Mittwoch-Gruppe aller 14 Tage, wo schon die 72
Jüngeren ab 18 sind, also praktisch sag ich jetzt mal 16, 17, 18 Jahre 73
(unverständlich), auch welche die schon eine abgeschlossene 74
Berufsausbildung (unverständlich) bis 25 ungefähr. Es gibt Donnerstags die 75
Gruppe für die ähm sag ich jetzt mal schwereren Fälle, die jetzt im G-Bereich 76
sind oder beziehungsweise im Lernförderbereich sind, die von der 77
Altersstruktur her gemischt sind. Also die Jüngste ist, glaube ich, 10 und der 78
Älteste ist 18. Aber die sind vom Niveau her alle auf dem gleichen Level 79
etwa. Deswegen passen die ganz gut zusammen. Also es wird schon darauf 80
geachtet, dass die Gruppen relativ homogen sind und zusammen passen. 81
Wir haben noch eine Erwachsenengruppe, Jugendgruppe 1 heißt die 82
sozusagen. Das sind auch wieder die älteren Werkstattgänger, die Beruf 83
haben oder Leute, die im Wohnheim wohnen oder in einer Tagesstruktur 84
untergebracht sind, wo auch wieder die Kinder mit dabei sind von den, die 85
Gründungskinder sag ich jetzt mal von den Leuten die am Anfang mit dabei 86
waren. Von Herrn (Name) der Sohn, von ähm ...(4 Sec.) (Namen von 87
Jugendgruppenteilnehmer) und wo auch wirklich teilweise die 40, 50 Jahre 88
dabei, also der Jahrgang so 40, 50 Jahre ist. 89
M: Und die sind alle in Behindertenwerkstätten? 90
S: In Wohnheimen, Behindertenwerkstätten oder wohnen zu Hause. Also gibt 91
verschiedene Möglichkeiten. Also wohnen zu Hause und gehen tagsüber in 92
die Werkstatt oder sind in Heimen untergebracht und gehen dann dort in eine 93
VI
Struktur oder es gibt auch welche, die sind nur zu Hause und haben gar 94
keine Struktur und kommen praktisch nur Donnerstags aller 14 Tage zur 95
Gruppe. Und wir haben dann noch die Jugendgruppe 2, das ist dann 96
praktisch für die Zwischenstufe, also so 20, 25 bis Anfang 30, die sind auch 97
schon relativ weit, gehen in die Werkstatt viele oder sind in Wohnheimen 98
untergebracht. 99
M: Gibt es auch welche, die auf dem ersten Arbeitsmarkt integriert sind oder 100
eher weniger? 101
S: Erster Arbeitsmarkt heißt in dem Sinne normale Ausbildung gemacht und 102
normalen Job haben? (M: Ja) Gibt so gut wie gar keine. Also es gibt 103
sicherlich Autisten die das schaffen auf dem ersten Arbeitsmarkt integriert zu 104
sein. Aber die Kinder, Jugendlichen, Erwachsenen, die hier vorstellig sind, 105
sind auffällig und dadurch auch schwer vermittelbar. Also wir versuchen 106
schon die einen oder anderen in den ersten Arbeitsmarkt unterzubringen, 107
aber das ist immer sehr sehr schwierig. Wir haben noch einen Fall, der hat 108
jetzt praktisch seit letzten Jahr die Schule beendet und hat bei der Deutschen 109
Bahn eine Stelle gekriegt. Ist jetzt in Erfurt in der Ausbildung und das verläuft 110
sehr gut und wenn das alles ohne Komplikationen zu Ende geht, wird er auf 111
dem ersten Arbeitsmarkt untergebracht werden in der Deutschen Bahn, wird 112
doch auch eine Anschlussstelle kriegen im IT-Bereich und ja. Wir haben ein 113
oder zwei, die an der Uni beschäftigt sind, dort ähh keine Dozentenstelle, wie 114
heißt das hier? ... 115
M: Wissenschaftlicher Mitarbeiter? 116
S: Wissenschaftliche Mitarbeiter sind, genau. Da (unverständlich) erstmal 117
noch geht, also theoretisch ja, aber es ist eher die Ausnahme. 118
M: Und das sind dann eher Asperger oder? 119
S: Unterschiedlich. Also der bei der Deutschen Bahn ist Asperger und die 120
anderen Beiden, müsste ich nachschauen. Ich glaube einer ist Asperger und 121
der Andere nicht. Das ist ähh, der hat aber auch so eine Inselbegabung. Er 122
studiert Physik und das funktioniert sehr gut in dem Bereich, dafür in anderen 123
Bereichen überhaupt nicht. Aber da wüsste ich jetzt die Diagnose aus dem 124
VII
Kopf nicht. 125
M: Würde es nicht in dem einen Bereich besonders funktionieren, hätten die 126
ja gar keine Chance … 127
S: Eben. Aber der kommt wiegesagt in dem Bereich, wo er studiert sehr gut 128
klar, aber im lebenspraktischen Bereich überhaupt nicht und da wird es 129
letzten Endes scheitern auf den ersten Arbeitsmarkt angegliedert zu werden. 130
Mal schauen. Er hat wie gesagt diese Wissenschaftliche-Mitarbeiter-Stelle 131
und wie man das ausbauen kann? Vielleicht in der Forschung irgendwo. Mal 132
schauen, was die Chancen sind, weil Potenzial ist da, aber ob das 133
Vermögen, das zu leisten, muss man schauen, wird es im lebenspraktischen 134
Bereich dann (unverständlich). Also das wird nicht immer von zu Hause aus 135
gehen. Momentan ist es noch so, dass man zu Hause wohnen kann, aber die 136
Eltern werden immer älter und da haben wir gerade in diesem 137
Erwachsenenbereich das Problem, dass viele, jetzt wo die Kinder und 138
Jugendlichen 40, 50 sind und die Eltern in dem Bereich sind, wo sie 70 139
teilweise noch älter sind und selber hilfebedürftig sind und insofern da jetzt 140
keiner, was machen wir denn jetzt. Heim geben wird schwierig mit den 141
Spezialitäten da. Klar das schafft auch nicht jeder (unverständlich) das ist 142
gerade in dem Bereich (unverständlich). Ja nur eine begrenzte Zeit. Wir 143
haben halt keine Heimstruktur für Autisten. Das fehlt in Chemnitz noch so ein 144
bisschen, da muss man schauen, was man machen kann, weil es gibt dann 145
doch schon die ein oder anderen autistischen Kinder, die aus der Familie 146
herausmüssen, weil die Umstände nicht so sind das man sagen kann, es ist 147
für alle Beteiligten tragbar. Es sind auch viele Kinder, die die Eltern zu Hause 148
überfordern. Das kann man auch nachvollziehen, wenn man 24 Stunden rund 149
um die Uhr (seine Haut erwärmen muss)? Zu Hause kommt man an Grenzen, 150
die man auf Dauer nicht aushält und da ist Herausnahme aus der Familie. 151
Dann ist die Frage wohin. Es gibt Plätze in Bayern, letztens hatten wir einen 152
Platz in Oschatz, Eisenach hatten wir mal. Das ist auch alles himmelweit weg 153
und hier in der Nähe gibt es gar nichts, das ist halt schade. Es gibt nur 154
normale Heime für auch schon auffällige Kinder, Jugendliche und 155
VIII
Erwachsene. Aber die mit der Problematik Autismus eigentlich nicht viel zu 156
tun haben und dann auch vom personellen her, dieses Setting, was wir hier 157
finden mit eins zu eins oder zwei zu eins oder drei zu eins dort nicht leisten 158
können und da wird es dann auch schon problematisch auf die Spezifitäten 159
gerade im Autismusbereich einzubringen. 160
M: Die Heime haben dann eher verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche, 161
die aus problembelasteten Familien kommen. 162
S: Problem ist meistens, dass keine Struktur da ist. Wir hatten es in einem 163
Fall, wo das Kind oder der Jugendliche nach der Schule dann ins Heim 164
gekommen ist und dann war, sage ich mal, von 15 bis 18 Uhr wie eine Art 165
Leerlauf. Da haben die sich alle selber beschäftigt, haben Fernsehen 166
geschaut, haben ihre Sachen gemacht und derjenige braucht dann jemand 167
der sagt: "du musst das noch machen und das noch machen". Es ist aber nur 168
einer auf der Station zu dem Zeitpunkt, der kann es sich nicht leisten, weil er 169
mit den Anderen zu tun hat und da gab es dann massive Probleme. Der ist 170
dann sehr auffällig geworden, sehr aggressiv auch und stand dann kurz vor 171
dem Rausschmiss dort aus der Struktur, aus der Heimstruktur. Hat sich aber 172
dann wieder geklärt. Es gab dann viele Gespräche und wie sie es jetzt 173
umgesetzt haben, weis ich nicht. Aber ich sehe ihn ab und zu wieder, sehr 174
gut, sehr entspannt, es funktioniert jetzt alles. Sie haben viele Strukturen 175
geschaffen. Es geht viel zur Ergo, Logo, macht Therapie, (macht Wasser)?, 176
hat seine Pflichten, die er machen muss und damit ist auch die Zeit 177
überbrückt und damit funktioniert das dann auch und seitdem her läuft das 178
sehr entspannt. 179
M: Wie wird die Einrichtung finanziert? 180
S: Verschieden. Also es gibt für die Leistungen, die hier erbracht werden 181
erstmal eine Gegenfinanzierung. Schulbegleitung zum Beispiel läuft über 182
Kostenträger der Jugendhilfe, das Jugendamt, bei entsprechender 183
Zugehörigkeit das Sozialamt. Familienentlastender Dienst, Hortbereich auch 184
Jugendamt, Sozialamt. Die Jugendgruppen finanzieren sich über Beiträge, 185
die die Jugendlichen zahlen lassen. Das ist aber rein der materielle Wert. Da 186
IX
ist Arbeitszeit der Mitarbeiter noch nicht bezahlt. Es gibt immer noch die 187
Möglichkeit die Urlaubsverhinderungshilfe beziehungsweise zusätzliche 188
Betreuungsleistungen über die Krankenkasse zu kriegen. Die Eltern können 189
privat bezahlen, die Möglichkeit gibt es auch. Es gibt die Möglichkeit zur 190
Spende hier. Ja, das sind so die Hauptmöglichkeiten. Projektförderungen. Es 191
gibt verschiedene Stiftungen, die verschiedene Projekte fördern wie zum 192
Beispiel die Tagesstrukturprojekte, die wir hatten oder verschiedene Projekte 193
wie Freizeitbereich. Also (unverständlich) Projekt, schreibt eine Konzeption 194
für das Projekt, schaut ob es Stiftungen gibt oder einen Privatmann oder 195
irgendjemand, der Geld gibt, die sagen: „Ja das unterstützen wir und so 196
etwas wünschen wir uns“ und dann wird halt auf so etwas geschaut, wie das 197
bezahlt werden kann. Es gibt die Möglichkeit über die Aktion Mensch 198
verschiedene Sachen zu bekommen zum Beispiel die Ferienlager werden 199
darüber viel bezahlt. Ähm und so funktioniert es halt. 200
M: Und das Autismuszentrum an sich, wie verhält sich da die Finanzierung? 201
S: Das Haus ist gekauft von Privatmitteln und wird abgezahlt. Und wie gesagt 202
das mit den Stunden, man hat einen Stundensatz vereinbart mit dem 203
Kostenträger und in diesen Kosten, in diesem Stundensatz, den man 204
vereinbart hat, sind solche Sachen wie Verwaltung, Personalbuchhaltung 205
drin. (unverständlich) Wenn sie es zum Beispiel als Privatperson 206
Schulbegleitung machen, können sie so einen Kostensatz von der Höhe her 207
nicht nehmen, weil sie ja gar nicht dieses Haus haben. Sie haben keine 208
Personalbuchhaltung, sie haben keine Weiterbildungen, sie haben keine 209
Verwaltung. Das sind alles Punkte, die in dem Kostensatz mit eingegliedert 210
sind. (unverständlich) (anteilig mit aufsetzen und dann mit anbringen)?. 211
(unverständlich) so und so und so ist die Finanzierung und dann muss man 212
halt mit dem Stundensatz klarkommen, den uns der Kostenträger anbietet 213
oder wir machen es nicht. 214
M: Steht das Autismuszentrum unter einem bestimmten Träger? 215
S: Ja, äh unter dem Regionalverband sind wir angegliedert. Unser 216
Regionalverband ist dann angegliedert an den Landesverband für Autismus. 217
X
M: Hilfe für das autistische Kind? 218
S: Ja genau. 219
M: Welche Arten von Autismus sind bei den zu behandelnden Kindern hier 220
vertreten und wie ist da die Stärke der Ausprägung? 221
S: Also es gibt alle möglichen Formen von Autismus hier. Die klassischen 222
sind da der frühkindliche Autismus und der Asperger-Autismus. Es gibt aber 223
immer wieder Diagnosen wo darinsteht Atypischer Autismus oder 224
Autismusspektrumsstörung. 225
M: Und wie stark ist der Autismus da vertreten? 226
S: Verschieden. Also wirklich, wir haben viele Kinder und es ist jeder anders 227
und es tut sich auch anders äußern. Es gibt Kinder, die fallen eigentlich nicht 228
sehr auf, wo die Autismusausprägung sehr gering ist. Da merkt man es an 229
strukturellen Sachen. Es gibt aber auch Kinder, wo es ganz ganz schwer 230
ausgeprägt ist der Autismus, wo wirklich auch die Klassiker sind. Es darf 231
keine Veränderung kommen von Bezugspersonen. Da reicht schon ein 232
Wetterumschwung aus um die aus dem Konzept zu bringen oder wenn sich 233
der Stundenplan ändert oder was weiß ich, die im Fernsehen was nicht 234
verstehen oder nachts schlecht träumen. Also wo wirklich die Ausprägung 235
sehr sehr charakteristisch ist und festgesetzt ist, wo sich auch viele Zwänge 236
äußern und viele Rituale. Also wo rituales Handeln, was eigentlich Sicherheit 237
schaffen soll, in Zwang ausartet, wo man sagt: "Ich muss die Tür 20 mal 238
zumachen, damit ich mir sicher bin, die ist zu" und dann habe ich sie 20 mal 239
zugemacht und ich bin mir immer noch nicht sicher, dass sie zu ist, das gibt 240
es auch. Waschzwang oder ähm Zwang auf das Klo zu gehen. Also es gibt 241
den ein oder anderen, der sich bei Unruhe, innerer Unruhe lieber auf das Klo 242
zurückzieht, weil das ein kleiner Raum ist, der Sicherheit bietet und dann 243
auch schwer wieder herauszukriegen ist oder wirklich Leute, die auf Toilette 244
sitzen und nicht wieder herunterkommen obwohl sie das wollen, aber immer 245
noch der Meinung sind, da kommt noch was, oder Waschzwang. Ganz 246
schlimm. Die der Meinung sind, sie haben jetzt was angefasst, was wo sie 247
sich ekeln und die schrubben sich wirklich die Haut von den Fingern. Da 248
XI
muss man aufpassen dann, dass es nicht blutet und sowas. Also es ist stark 249
ausgeprägt und wie gesagt im Gegensatz dazu die Kinder, die eigentlich 250
kaum auffallen. In den Ferien sind jetzt welche da, die eigentlich in der 251
Schule keine Begleitung haben und nur in den Ferien mal herkommen und 252
die sehr selbstständig sind, sehr strukturiert sind, die mit wechselnden 253
Bezugspersonen klar kommen, die aber auch kein Problem damit haben, zu 254
sagen: "Ok, morgen ist es so, heute ist es so." Die aber schon in gewissen 255
Abläufen, wo man erkennt, es ist schon typisch autistisch. Es gibt immer 256
Muster A bis F. Die aber auch das Problem nicht haben, wenn sich das 257
Muster verändert. Dann können die sich darauf einstellen und manche halt 258
nicht. Und dazwischen ist alles vertreten, also wirklich von ganz leicht bis 259
ganz schwer. 260
M: Kommen die Eltern meistens schon mit einer gesicherten Diagnose hier 261
her oder wird die dann erst noch gestellt? 262
S: Das ist unterschiedlich. Also wir haben hier die Möglichkeit der Beratung. 263
Die Frau (Name) ist da diejenige, die das anbietet. Sprich Eltern die sagen: 264
"Wir haben ein Problem mit unserem Kind". Es gibt nicht nur Autismus. 265
Kommen hier her. Da haben wir die Möglichkeit mit Frau (Name) einen 266
Termin zu machen und sich beraten lassen und dann muss man schauen wie 267
weit die Eltern sind. Also, wir haben so die Möglichkeit zu sagen: "Ja, es 268
könnte Autismus sein" und dann müssten wir vermitteln an entsprechende 269
Stellen, die die Diagnose stellen. Also wir hier im Haus können keine 270
Diagnose stellen, dadurch das wir auch Leistungsempfänger sind, ist das so 271
ein bisschen ein Spannungsfeld, wo dann der Kostenträger sagt: "Hmmm, 272
jetzt stellen die hier eigene Diagnosen, um sich die wirtschaftliche Existenz zu 273
sichern". Diagnosen kann im Prinzip jeder niedergelassene Kinder- und 274
Jugendpsychologe stellen beziehungsweise entsprechende Kliniken oder hier 275
in Chemnitz ist es das SPZ macht das sehr viel und wir würden dann, es geht 276
in die Richtung Autismus Kontakt herstellen, dort haben sie die Möglichkeit 277
und dort haben sie die Möglichkeit und das sind ihre Wege, die sie gehen 278
können, die nächsten Schritte sind diese und jene und äh dann unterliegt es 279
XII
den entsprechenden Institutionen die Diagnose zu stellen. Es gibt aber auch 280
die Möglichkeit zu sagen: "Hier, ich hab die Diagnose Autismus gekriegt, was 281
habe ich denn jetzt für Möglichkeiten". Da haben wir die Möglichkeit der 282
Beratung und zu sagen: "Sie haben die Diagnose und aufgrund der Diagnose 283
haben sie Zugang zu folgenden Möglichkeiten und zu folgenden Leistungen, 284
die sie (erbuchen)? können, familienunterstützender Dienst oder 285
Verhinderungshilfe, diese zusätzlichen Betreuungsleistungen, 286
Schulbegleitung eventuell, wenn es denn Fördergutachten gibt, das das 287
bestätigt und dann muss man schauen was wir machen können, was die 288
Eltern wollen, was in unserer Möglichkeit liegt, wo man einen gemeinsamen 289
Punkt findet, dass es für alle Beteiligten passt. Es bringt mir nichts, wenn ich 290
nach Dresden fahren muss um dort eine Schulbegleitung zu leisten. Da 291
würde ich dann ins Autismuszentrum Dresden zum Beispiel vermitteln 292
beziehungsweise es gibt bei uns ein Kind, was für uns nicht in Frage kommt, 293
aber für eine andere Institution. Also da gibt es auch schon Netzwerke, wo 294
man sagen kann, das kann man vermitteln, das kann man leisten. Das ist so 295
im Vorschulbereich oder im Schulbereich. Im Erwachsenenbereich haben wir 296
die Möglichkeit zu sagen: "Ja, A die Diagnose muss her oder B die Diagnose 297
ist da" und da muss man dann schauen Werkstatt, Heim, Familie, was 298
können wir leisten. Es gibt das persönliche Budget, das kann man 299
beantragen. Dann kann man sich Leistungen erkaufen, wo man sagt: "Hier, 300
ich habe so viele Stunden im Monat, ich brauche jemand, der mir bei der 301
Tagesstruktur zu Hause hilft. Ich wohne alleine, ich komme klar, aber ich 302
brauche jemand, der mir Struktur vorgibt. Sowas kann ich, will ich mir über 303
das persönliche Budget leisten“. Das man sagt, es kommt einer zwei bis drei 304
Stunden die Woche hin, sortiert die Post, schaut wie die Wohnung aussieht, 305
sagt: "Das und das steht die Woche an, das und das musst du noch 306
machen". Beziehungsweise man hat die Möglichkeit zu sagen: "Wir haben 307
einen Sohn zu Hause und sind jetzt nicht mehr dazu in der Lage diesen zu 308
händeln, sind jetzt 70 und haben selber zu tun. Was hat die Diagnose und 309
was können wir machen". (unverständlich, da laute Geräusche auf dem Flur) 310
XIII
Werkstattbereich. Ist da irgendwas möglich? Muss man immer schauen. Aber 311
da gibt es, wir haben die Möglichkeit der Beratung speziell für den Bereich 312
Vorschule und Schule, was die Frau (Name) macht und für den Bereich dann 313
Arbeitseingliederung, Erwachsenenbereich die Frau (Name) und die Frau 314
(Name), die das machen. 315
M: Und, wenn die Diagnose noch nicht gesichert gestellt wurde, steht den 316
Eltern da vorher schon irgendeine Hilfe zu? 317
S: Ich denk, dass ist in jedem Bereich so, wenn noch keine Diagnose da ist, 318
dann läuft alles irgendwie ins Leere, weil eben noch nicht konkret 319
(unverständlich). Es ist halt auch, wir hatten mal den Fall wo wir im Vorfeld in 320
Vorleistung gegangen sind und das Kind keine Diagnose bekommen hat und 321
jegliche Finanzierungsmöglichkeit war damit hin. Eltern können privat einen 322
Teil abdecken und auf dem Rest bleibt man dann sitzen. Das kann ich mir auf 323
Dauer nicht leisten hier, das ist halt (unverständlich). Ich würde viel mehr 324
Sozialarbeit machen, wenn ich mehr Geld hätte. Letzten Endes reduziert sich 325
immer sehr viel auf das Geld und im Enddefekt sind wir ein wirtschaftliches 326
Unternehmen und müssen noch schauen. Ich würde viel mehr machen 327
können, aber ich bekomme nicht für alles eine Finanzierung und man kann 328
sagen, man kann gewisse Sachen machen, auch ohne Gegenfinanzierung, 329
machen wir ja auch oft genug. Aber auf Dauer kann ich es einfach nicht 330
stemmen, weil (unverständlich). Letzten Endes interessiert es die Steuer 331
nicht, was ich hier ehrenamtlich geleistet habe, sondern die wollen die Zahlen 332
sehen (unverständlich). 333
M: Wie finden die Eltern Zugang zu ihrer Einrichtung? 334
S: Wir haben ein Netzwerk mit verschiedenen anderen Institutionen, das 335
SPZ. Mit denen haben wir eine Kooperationsvereinbarung, wo die Mitarbeiter 336
sagen: "Hier, es gibt das Autismuszentrum". Wir sind im Internet vertreten, 337
was sehr sporadisch ist, wird aber ausgebaut der Bereich. Die Möglichkeit 338
gibt es. Mundpropaganda. Die Schulen kennen uns. Ähm eigentlich gibt es 339
die Kliniken, mit denen arbeiten wir zusammen, also das wir mal Klienten 340
vorbeibringen und sagen: "Hier, wir sind da und dort". Die Ämter wissen 341
XIV
Bescheid, also das Sozial- und Jugendamt, mit denen haben wir auch 342
Kooperationsvereinbarungen. Die sagen, dass es uns gibt und ansonsten 343
Öffentlichkeitsarbeit. Sicherlich auch ausbaufähig, denke ich in dem Bereich. 344
Da hat man auch einen Punkt, wo ich sage: "Da habe ich keine 345
Gegenfinanzierung". (unverständlich) Es ist schwierig, wenn man jedes Jahr 346
Kürzungen der Bezüge bekommt dann so etwas noch bereitzustellen. Wir 347
sind vertreten in vielen Ausschüssen und UnterAG's und 348
Arbeitsgemeinschaften, die sich mit dem Thema Begleitung von Kindern und 349
Jugendlichen beschäftigen. (Die kennen nicht nur autistische Kinder, die so 350
etwas haben)? und es gibt auch andere Vereine, die in diesem Bereich 351
arbeiten, mit denen arbeiten wir auch zusammen und da schaut man dann, 352
hier wir haben einen Autisten für euch. Es kamen auch schon Eltern mit ihrem 353
Kind, wo wir sagen: "Hier, es wird schwierig mit Autismus, aber wenden sie 354
sich mal dort hin". Genauso (unverständlich). Und, ja ... in der Regel finden 355
die Eltern uns selber, es wird ihnen gesagt, dass es uns gibt oder spätestens 356
in der Schule kommen dann Probleme, treten Probleme auf und dann gibt es 357
auch die Möglichkeit zu sagen: "Hier, Autismuszentrum". Dadurch, dass wir ja 358
auch Weiterbildungen machen in vielen Schulen sind wir eigentlich auch 359
bekannt. 360
M: Was machen Sie für Weiterbildungen? Also allgemeine, damit die Lehrer 361
auch über Autismus bescheid wissen? 362
S: Wir haben ein eigenes Programm aufgestellt. Also das sind direkt so 363
Grundlagen für Autismus, also was ist Autismus, was muss ich beachten, etc. 364
Wir haben jetzt den Baustein Autismus und Schule, Autismus und Arbeit, 365
Autismus und Wohnen und ich kann ihnen ja einen Flyer mitgeben dann. Da 366
können sie dann mal reinschauen. Wir haben zwei, drei Kollegen hier im 367
Haus, die das machen, die auch richtig einen Katalog erstellt haben mit 368
verschiedenen Weiterbildungsangeboten, die man buchen kann 369
beziehungsweise wo man sich auch, die wir hier abhalten zu festgesetzten 370
Terminen hier vor Ort, wo man sagen kann: "Jetzt nehme ich das Angebot 371
wahr, das kostet so und soviel Euro" beziehungsweise Leute, die spüren das 372
XV
Interesse hier und wissen noch nicht richtig bescheid (unverständlich) Was ist 373
Schulbegleitung? Viele Schulen haben Kontaktangst oder man weis nicht. 374
Die würden zwar schon das Angebot Schulbegleitung wahrnehmen, aber 375
wissen nicht was wie wo die Kompetenzen, was sind die rechtlichen Sachen 376
und da gibt es die Möglichkeit eine Weiterbildung zu buchen und zu sagen: 377
"Hier, das und das, so sieht es aus". (unverständlich) Nicht jedes Thema wird 378
so intensiv genutzt, aber sind schon einige dabei, die viele interessiert. 379
M: Müssen die Eltern noch sonstige Voraussetzungen erfüllen außer das die 380
Diagnose besteht? 381
S: Eigentlich nicht. Zusammenarbeit ist immer schön. Also es ist immer sehr 382
schwierig, wenn Eltern da sitzen und sagen: "Hier mein Kind, machen sie 383
mal". Kann ich nicht, da kann man schon was machen, aber ist halt immer 384
schöner, wenn die Eltern mit einem zusammenarbeiten beziehungsweise 385
wenn man dann hintenherum was erfährt, dass die Eltern was ganz anderes 386
machen als vereinbart war und das ist immer schlecht. Aber das ist wie 387
überall so. Es gibt Eltern, die freuen sich, dass wir ihnen helfen. Es gibt 388
Eltern, für die sind wir reine Dienstleister und es gibt Eltern, für die sind wir 389
persönliche Sklaven teilweise. Die versuchen alles abzuwälzen und die 390
sagen: "Das müssen sie alles machen!". Anträge beim Amt, wo ich sage: 391
"Naja, haben wir keinen Auftrag dafür“. Ich kann ja für die nicht 392
unterschreiben. Verstehen das manchmal nicht so. Ist immer schwierig. Aber 393
Grundvoraussetzung, also eigentlich für das Haus ist der Zugang über die 394
Diagnose. Da wir ein Autismuszentrum sind. 395
M: Haben die Eltern Ihnen von Schwierigkeiten berichtet, die in der 396
Kontaktaufnahme zustande gekommen sind? 397
S: Ja. Gibt es verschiedene. Ich sag mal ganz profane. Es gibt Eltern, die 398
gesagt haben: "Wenn wir gewusst hätten, dass es sie gibt, wären wir gleich 399
zu ihnen gekommen." Das fällt so in den Bereich der Öffentlichkeitsarbeit mit. 400
Passiert! Ich kann mir aber auch nicht Werbezeit auf Prosieben oder ARD 401
kaufen. Geht nicht. Die Frau (Name) ist diejenige, die so die Erstgespräche 402
macht. Die ist auch immer sehr gefragt und sehr ausgebucht und da eben 403
XVI
einen Termin zu kriegen, kann sich unter Umständen schwierig gestalten, 404
weil die Frau (Name) immer in Beratungsgesprächen sitzt, wenn die Eltern 405
anrufen und das mit dem Zurückrufen auch nicht immer so funktioniert. Das 406
ist eine Zugangsbarriere. Ist sicherlich minimierbar, aber es kommt vor, dass 407
da einfach der Kontakt nicht zu stande kommt, weil man einfach keine Zeit 408
findet zum gleichen Zeitpunkt immer am Telefon zu sein beziehungsweise 409
geht es jetzt besser, weil wir jetzt E-Mail haben und das auch regelmäßig 410
verfolgen. Also es gibt die Möglichkeit, das per E-Mail noch zu machen. 411
Früher war es nur Telefon. Jetzt ist E-Mail auch mit dabei. Dann gibt es 412
Schwierigkeiten meistens dann, wenn die Vorstellungen anders sind. Also 413
Eltern herkommen und sagen: "Wir erwarten jetzt das, das und dies" und wir 414
das nicht erfüllen können. Dann kann es da auch zu Schwierigkeiten 415
kommen. 416
M: Wenn einfach falsche Erwartungen existieren. 417
S: Ja genau. Es gibt nun auch Eltern, die sagen: "Mein Kind ist jetzt hier 418
hergekommen und soll geheilt werden!" Diese Vorstellungen, dass man den 419
Autismus heilen kann, ist doch noch sehr weit verbreitet. Auch in Schulen, wo 420
die Lehrer sagen: "Der hat doch jetzt einen Einzelhelfer, jetzt muss es doch 421
alles besser werden". Direkt auch an den Kostenträger, der sagt: "Da kriegt 422
das Kind jetzt seit zwei Jahren Einzelfallhilfe, da muss es doch mal fit sein 423
oder so sein“. 424
M: Das geht bei Autismus nicht. 425
S: Nein, ist eine lebenslange Sache und sicherlich kann man die 426
Ausprägung, Symptome und Auffälligkeiten, die sich zeigen, behandeln in 427
dem Sinne, man kann damit umgehen kann. Man kann schauen wie macht 428
man das Umfeld fit, wie macht man das Kind fit für sein Umfeld, wo findet 429
man eine gemeinsame Schnittmenge. Aber heilen kann man Autismus nicht. 430
M: Aus was für einem Einzugsgebiet kommen die Eltern mit ihrem Kind hier 431
her? 432
S: Sehr weitläufig, also hauptsächlich Chemnitz und Erzgebirgskreis. 433
Freiberg da hinten die Ecke mit. Plauen hatten wir auch schon. Leipzig, 434
XVII
Leipziger Land hatten wir auch schon da, wobei Leipzig und Dresden eigene 435
Autismusambulanzen haben. Aber so die Zwischenräume Freiberg. Wenn ich 436
jetzt hier in Freiberg wohne, wo fahre ich dann hin? Erzgebirge, Seiffen da 437
hinten, Aue, Aue-Schwarzenberg kommen viele. Also es sind auch viele 438
ländliche Gegenden. Chemnitz so die Großstadt. Großstadt sage ich jetzt, die 439
Stadt an sich ja, großes Einzugsgebiet. Aue ist Einzugsgebiet. Meerane, 440
Zwickau haben wir dabei. Das sind die Orte wo man (unverständlich) kennen 441
die meisten. Bei Aue muss man immer schauen. Das ist dann vom 442
Fahrtechnischen her schwierig. Seiffen sollten wir mal leisten oder 443
Johanngeorgenstadt da hinten. Das kann ich von Chemnitz aus nicht. Wenn 444
ich jetzt jemanden von dort habe, den kann ich eventuell hier anstellen und 445
dann muss ich auch schauen ob es wirtschaftlich einen Sinn macht. Das tut 446
einem auch manchmal leid, wenn man dann Eltern hat, mit denen man gerne 447
zusammenarbeitet, aber die wohnen in Seiffen. ...(5 Sec.) Von Chemnitz aus 448
nach Seiffen kann ich nicht jeden Tag fahren. Das wird spätestens im Winter 449
ein Problem. Dann ist der fahrtechnische Aufwand so groß, selbst falls ich es 450
bekomme, kriege ich es auch nicht gegenfinanziert. (Macht mir kein Amt. Ja 451
wir bezahlen ihnen die Fahrerei, nein das ist in den Unkosten nicht drin, das 452
kann ich nicht leisten.)? Wenn ich vier Stunden fahren muss um drei Stunden 453
zu begleiten, dann muss man schauen ob man eine andere Lösung findet, 454
wie die Diakonie oder die Lebenshilfe ob die vielleicht einen Stützpunkt 455
haben in der Nähe, die das leisten können. Aber das ist für uns nicht 456
machbar. 457
M: Was war das Weiteste wo Eltern herkamen? 458
S: Oschatz, nein das ist das Weiteste was wir leisten. Das Weiteste wo Eltern 459
herkamen war wie gesagt Seiffen, Johanngeorgenstadt, (Chemnitz da oben)? 460
Altenberg hatten wir mal, glaube ich. Johanngeorgenstadt. 461
M: Was denken Sie mit welchen Schwierigkeiten die Eltern in ihrem 462
Familienalltag konfrontiert sind? 463
S: Verschiedene! Die Hauptthemengebiete, sage ich jetzt mal, sind meistens 464
immer die Alltagsbewältigung durch Schulbewältigung. Also viele Eltern 465
XVIII
haben Probleme im Schulbereich mit ihren Kindern, dass geforderte 466
Leistungen nicht erbracht werden beziehungsweise die soziale Auffälligkeit 467
so groß ist, dass das Kind nicht den ganzen Tag in die Schule gehen kann 468
und dann, muss man schauen, die in der Schule sehr aggressiv sind ... 469
fliegen sie auch schnell raus. Was ist dann? Wenn ich in der einen Schule 470
aggressiv bin, bin ich es in der nächsten auch und Schulen sind da immer 471
sehr vorsichtig zu sagen: „Hmm ich nehme jetzt ein aggressives Kind auf“. 472
Immer schwierig. Also Schulbewältigung ist ein großes Problem mit dem 473
Eltern klar kommen müssen beziehungsweise dann auch Alltagsbewältigung. 474
Die autistische Ausbildung ist, wie gesagt, bei jedem Kind anders. Sie haben 475
Autisten, die diskutieren mit Ihnen über jedes bisschen und sie haben 476
Autisten, die machen Ihnen die Wohnung kaputt. Also wir haben wirklich von 477
geringen Problemen, wo es eigentlich nur strukturelle Sachen sind, dass das 478
Kind, was weis ich, frühs den Zeitablauf nicht einhält. Also wenn um sieben 479
wecken ist, es bis um acht noch nicht fertig ist, weil es halt beim Zähneputzen 480
zehn Minuten länger braucht als wie normale Leute oder Tasche nicht packt 481
oder früh was sucht, was abends noch da war. Das sind so ... 482
M: Also Routinen, die einfach durcheinander kommen. 483
S: Routine, die man auch durchaus im normalen familiären Bereich hat. Das 484
Kinder früh (unverständlich), beim Essen, beim Anziehen, beim nicht in die 485
Schule wollen, dass kann mit einem autistischen Kind ein bisschen 486
schwieriger sein, weil sie mehr diskutieren oder sich mehr wiedersetzen, oder 487
nicht die Einsicht haben äähh ich gehe doch. Aber das sind teilweise geringe 488
Probleme. Manche haben wirklich das Problem, dass Kinder zu Hause 489
aggressiv sind oder starke zwanghafte Verhaltensweisen zeigen oder wirklich 490
in ihren Spezialitäten wirklich so permanent penetrant sind, dass man 491
Schwierigkeiten im Zusammenleben hat, wenn die Familien zusammenleben. 492
Es gibt Kinder, die stehen auf und putzen die Wohnung. Die machen das 493
aber nicht, weil sie es machen müssen, sondern weil sie ihren Alltag 494
bewältigen dadurch oder die dann nachts von zwei bis vier Rumpeln in der 495
Wohnung haben. Es gibt auch Kinder, die schlafen nachts nicht. Die haben 496
XIX
einen gestörten Tag-Nacht-Rhythmus, die schlafen 17 bis 20 Uhr oder 17 bis 497
22 Uhr und sind dann den restlichen Tag munter. Da kommen Sie auch an 498
Grenzen. Wir haben auch Kinder und Jugendliche gehabt, die nachmittags 499
nach Hause kommen und anfangen Mobiliar kaputt zu hauen oder Eltern 500
angreifen. Das ist ähh ... wie man es so schön im Fernsehen sieht mit 501
verzogenen, aggressiven Jugendlichen in diversen Dokusoaps, die sagen: 502
(unverständlich) "Halt's Maul!" Gibt es im Bereich Autismus auch. Es gibt 503
Autisten, die sagen ... Autisten sind meistens sehr unsozial und sehr 504
ichbezogen und sehr unsozial. Die sehen sich und alle anderen Probleme 505
sind belanglos und die sich dann in den Vordergrund stellen (unverständlich) 506
der Rest? Halten sich an keine Regeln, keine Normen und die wissen halt in 507
der Schule habe ich einen Einzelfallhelfer, der sich durchsetzen kann, zu 508
Hause ist Mutti vielleicht nicht so durchsetzungsfähig oder der Vati. Mitunter 509
sind auch die Familienverhältnisse nicht die klassischen, also sind meistens 510
auch viele Alleinerziehende dabei oder einfach viel unterwegs, beruflich, hat 511
nur Nachtschichten. Gibt es auch. Funktioniert aber auch in den klassischen 512
Familie nicht richtig. Ist jetzt auch nicht von der Gesellschaftsschicht 513
abhängig. Also es ist wirklich alles vertreten. Also wir haben wirklich, die 514
leben in den unteren Gesellschaftsschichten, wie man so schön sagt 515
heutzutage. Da funktioniert es nicht. Es gibt aber auch Eltern, die gut situiert 516
sind, die (unverständlich) Job's haben, wo auch die Rahmenbedingungen 517
stimmen. Da funktioniert es auch nicht. Also es ist jetzt nicht abhängig von 518
irgendeinem Klischee da und (unverständlich) wird gemacht oder 519
(unverständlich) nachts nicht schlafen. Tagsüber ist alles Mist 520
beziehungsweise auch sind, man muss ja sehen, dass Kind geht in die 521
Schule und hat einen Einzelfallhelfer und hat eine Diagnose. Was wird denn 522
nach der Schule? Wo kommt es unter? Wo hat es eine Perspektive? Es gibt 523
Eltern, die kümmern sich erst darum, wenn das Kind raus ist aus der Schule. 524
Es gibt Eltern, die kümmern sich vorher darum. Da gibt es immer 525
Unterschiede, Perspektive des Kindes. Oft ist es so, Schulbegleitung 526
funktioniert solange wie Schule ist und danach im Berufsalltag gibt es das 527
XX
nicht und da fallen die dann alle in ein Loch. Wohin dann? Was passiert jetzt? 528
Das sind so die Hauptprobleme. 529
M: ....(5 Sec.) Mit was für Problemen kommen jetzt die Eltern zu Ihnen und 530
suchen konkret Rat? Speziell jetzt wenn es um Diagnose geht oder auch 531
andere Bereiche? 532
S: Ja, Diagnose ist eins. Die Frage ist, ich habe ein Kind, mit dem komme ich 533
nicht klar, was kann ich tun beziehungsweise mein Kind hat in der Schule 534
Probleme, was kann ich tun? Beziehungsweise wir brauchen Entlastung, was 535
können wir tun? Oder immer die Frage, was kann ich generell tun? 536
Freizeitbereich, Schulbereich, privater Bereich zu Hause. Perspektivisch wie 537
geht es weiter. Das sind so die Hauptsachen. Beziehungsweise auch, ich 538
habe Probleme mit den Ämtern was das und das angeht. Die erkennen dies 539
und jenes nicht an. Was können wir da machen? Ich habe hier eine 540
Diagnose, aber bekomme den Bescheid nicht, solche Sachen. Oder mein 541
Kind wird in der Schule gemoppt oder der Einzelfallhelfer passt nicht, passiert 542
auch. Aber hauptsächlich immer solche Sachen, dass die Eltern überfordert 543
sind im häuslichen Bereich, schulischen Bereich oder perspektivischen 544
Bereich. Es gibt auch Eltern, die sagen: "Wir haben die Diagnose, wir haben 545
Bescheide und wir wollen auch möglichst das Beste herausholen. Was 546
können wir machen?" Das gibt es auch. Unterschiedlich. Manche haben auch 547
(unverständlich). Manche Eltern können Sachen auch alleine klären. Es gibt 548
aber auch Eltern, die wegen jedem (Puhbatz)? anrufen. Um Fahrten in die 549
Schule zu machen (unverständlich). 550
M: Ok. 551
S: Weil sie es nicht wissen oder weil sie auch sagen: "Püh (unverständlich) 552
hier Taxi bestellen!". Wo ich sage, es ist Aufgabe der Eltern, das Kind in die 553
Schule zu bringen. Nun gibt es Eltern, die können ihr Kind nicht in die Schule 554
bringen, weil sie ihr Kind nicht aus dem Bett bekommen früh, weil ihnen das 555
Kind sonst was über den Schädel zieht. Da verstehe ich das. Aber es gibt 556
auch Eltern, die sagen: "Warum soll ich denn fahren, laufen, mit dem Bus, 557
wenn es ein Taxi gibt!" und dann sagen die: "Hier das Kind braucht ein Taxi 558
XXI
(unverständlich)". Das hatten wir auch schon. ... 559
M: Tun Sie das dann auch machen diese (unverständlich) oder sagen Sie: 560
„Das ist Ihre Aufgabe“. 561
S: Ich mache das, wofür ich einen Auftrag habe. Ich kann keine 562
Taxibestellung machen, weil ich nicht berechtigt bin das Kind von A nach B 563
zu befördern, befördern zu lassen. Muss ja irgendjemand unterschreiben. Ich 564
kann nur sagen: "Bitte wenden Sie sich an Ihren Sozialarbeiter oder das 565
Taxiunternehmen, die helfen Ihnen weiter". Aber ich kann jetzt nicht die 566
Taxibestellung in Auftrag geben. Ich kann sicherlich, wir arbeiten mit drei 567
verschiedenen Taxiunternehmen zusammen, mal anrufen und sagen: "Hier 568
das Kind kommt heute nicht. Ist bei uns abgemeldet. Hat es die Mutti bei 569
Euch auch gemacht?". (unverständlich) ist bei uns abmelden, aber beim 570
Taxiunternehmen nicht. Später steht der Taxifahrer da: „Er ist abgemeldet!“ 571
Das kann ich machen, muss ich aber nicht. 572
M: Also Sie sagen dann den Eltern schon konkret: "Hier das ist mein Auftrag 573
und Taxifahrten bestellen ist halt nicht meine Aufgabe". 574
S: Sonst werde ich auch nicht fertig hier. Auch mit Anmeldungen für gewisse 575
Sachen oder mit Anträgen. Man muss die Eltern nur daran erinnern bis zu 576
einem gewissen Punkt machen wir das auch, aber ich kann hier nicht die 577
Eltern an die Hand nehmen. Das ist nicht meine Aufgabe. Da müssen sie 578
Familienhilfe beantragen, wenn sie es nicht können. Da kann man 579
(unverständlich) leisten können die Familienhilfe. Aber wenn ich kein Auftrag 580
dafür habe, kann ich gewisse Sachen nicht machen. Ist auch ähh immer ein 581
bisschen schwierig, weil das Verständnis, wir sind eine Elterngruppe, 582
Selbsthilfegruppe, da hilft eigentlich jeder jedem. Aber mittlerweile ist der 583
Bereich, wo wir arbeiten, ein Wirtschaftsunternehmen und sicherlich machen 584
wir vieles wofür wir nicht bezahlt werden, auch vieles ehrenamtlich, wo auch 585
viele sagen: "Es nützt uns nichts, wenn wir es nicht machen." Aber das heißt 586
nicht, dass ich alles mache. Man muss auch klare Grenzen setzen, sonst 587
verlässt sich jeder nur auf uns und wir machen es am Ende für lau. 588
M: Die nächste Frage bezüglich der Angebote hatten wir ja schon geklärt, 589
XXII
dass der Großteil Schulbegleitung ist. 590
S: Also reine Therapie, hinsichtlich reine Therapie, ist Ergotherapie bei uns. 591
Kunsttherapie haben wir und Musiktherapie ist im Aufbau. Das sind wirklich 592
so die klassischen Therapieformen. Es gibt noch therapeutisches Reiten. Das 593
machen aber nicht wir. Das macht jemand externes, aber da vermitteln wir 594
immer mal wieder. So und ansonsten bieten wir wirklich die Arbeitsfelder an 595
wie Schulbegleitung, Nachmittagsbetreuung, Ferien, Kurzzeitwohnen und 596
Ferienlagerfahrten. Aber wir haben noch keine Delfintherapie oder so etwas 597
mit dem Hund. 598
M: Ist dann aber immer erst einmal mit immensen Kosten stellenweise 599
verbunden, die man ja erst einmal aufbringen muss um das überhaupt zu 600
starten. 601
S: Ist auch die Frage, wir selber als Angestellte dürfen keine Rezepte 602
abarbeiten. Zum Beispiel die Frau (Name), die hier im Haus die Ergotherapie 603
macht, ist hier angestellt, aber ist eigentlich eine externe Mitarbeiterin, die 604
hier angestellt ist. Die macht als extra Bereich Ergotherapie. Die darf sie auch 605
machen als abgeschlossene Ergotherapeutin. Ich als Sozialarbeiter oder 606
Schulbegleiter darf kein Rezept annehmen, für mich gibt es kein Rezept. Das 607
ist zum Beispiel, wenn man vergleicht, in Dresden gibt es die 608
Autismusambulanz, die am Krankenhaus angegliedert ist und da gibt es eine 609
ärztliche Leitung. Die können natürlich alles mit ihren Therapien. Die können 610
auch die Rezepte dann annehmen. Kunsttherapie ist bei uns, Musiktherapie 611
kommt auch noch. Muss man schauen wie man das hinbekommt. 612
(unverständlich) Rezept bleibt. Ich kann kein Rezept hier annehmen. Geht 613
halt nur über Stunden, über Betreuungsstunden bei uns. (unverständlich) 614
Rezepte auf Logopädie auch. Haben wir auch. Habe ich fast vergessen. Da 615
kommt eine externe Mitarbeiterin, die hier einmal die Woche Logopädie 616
anbietet für bis sechs Kinder, geht auch nur über Rezept. (unverständlich) 617
über Zentrum abgerechnet (unverständlich). Wir bieten es nur an, hier im 618
Haus. 619
M: Gibt es denn auch spezielle Angebote für die Eltern, dass diese entlastet 620
XXIII
werden? 621
S: Also es gibt die Möglichkeit für die Eltern den Familienentlastenden oder 622
–unterstützenden Dienst, wo die Kinder über die Einzelförderung die 623
(Kindernachmittagsbereiche)? sind, genauso wie die Jugendgruppen. 624
M: Wie lange geht der FED dann? 625
S: Das ist immer abhängig von der Einzelfallentscheidung. Muss immer 626
verhandelt werden. Also Jugendgruppen sind zwei Stunden aller 14 Tage, je 627
nachdem welche Gruppe gerade ist. Wir haben jetzt wirklich fünf oder sechs 628
verschiedene Jugendgruppen, die meistens Dienstag, Mittwoch, Donnerstag 629
und Freitag stattfinden. Aber immer in verschiedenen Turnus. Also es gibt 630
zwei Gruppen, die sind in der geraden Kalenderwoche und dann wieder aller 631
14 Tage und die anderen sind dann halt in der ungeraden Kalenderwoche 632
und dann aller 14 Tage. Die sind immer zwei Stunden. Die sind offen 633
beziehungsweise die Kinder sind schon angemeldet. Aber da kann man 634
schon offen hineinkommen. Und solche Sachen wie Familienentlastender 635
Dienst oder Einzelförderung wird über den Kostenträger genehmigt 636
beziehungsweise gibt es die Möglichkeit, es gibt die zusätzlichen 637
Betreuungsleistungen über die Krankenkasse, die man beantragen kann. Da 638
gibt es ein gewisses Budget was man hat und dann muss man schauen wie 639
viele Stunden man für den Monat bekommt. Das sind Möglichkeiten der 640
Entlastung. Ferienbetreuung ist eine Möglichkeit der Entlastung der Eltern 641
beziehungsweise die Ferienfahrten und ähh dieses Kurzzeitwohnen, wo man 642
sagen kann: "Ich verbringe hier das Wochenende oder einen kurzen 643
Zeitraum". 24 Stunden und Betreuung ist dann auch gestellt. Aber das ist jetzt 644
nicht dazu gedacht sechs oder sieben Wochen zu überbrücken, sondern 645
schon mal ein Wochenende oder mal wenn diese Woche Ferien sind, wenn 646
man von außerhalb kommt. Da ist Übernachtung da, weil es wesentlich 647
günstiger ist ihn hier zu betreuen über Nacht als jeden Tag hin und zurück zu 648
fahren. So und direkt für die Eltern gibt es die Möglichkeit der Beratung zum 649
entlasten und es gibt die Möglichkeit, es gibt verschiedene Elterngruppen, die 650
sich finden um zu sagen: "Wir passen zusammen", können sich gegenseitig 651
XXIV
austauschen. Ist wie eine Art Selbsthilfegruppe. Schon geleitet durch 652
Angestellte oder durch betroffene Eltern, die hier Mitglieder sind. Also zum 653
Beispiel die Frau (Name) hat hier eine Gruppe oder die Frau (Name) hat eine 654
Gruppe oder die Frau (Name) bringt Eltern zusammen, moderiert das 655
vielleicht zwei, dreimal und dann gibt es jemand der die Leitung dort hat und 656
dann finden die sich selber. Da gibt es, glaube ich, drei oder vier 657
verschiedene Gruppen, wo die Eltern sich zusammenfinden und sagen: "Hier 658
wir haben das gleiche Problem, lasst uns mal reden" und ...(5 Sec.) 659
Weiterbildungsangebote gibt es beziehungsweise kann man auch schauen 660
wo man die Eltern weitervermitteln kann. Also zu sagen: "Das wäre für Sie 661
noch eine Möglichkeit". Kur zum Beispiel. Oder bei dem einen oder anderen 662
Klinikaufenthalt, wo wir sagen: "Es wäre jetzt auch mal günstig in die Klinik zu 663
gehen" Aber da kann man, das kann ich nicht als Institution festlegen. Das 664
muss ein Arzt dann machen. Man kann sagen: "Gehen Sie zum Arzt, gehen 665
Sie zum Psychologen. Machen Sie dies, das und jenes." Die Möglichkeiten 666
gibt es immer. 667
M: Was melden Ihnen die Eltern zurück jetzt. Also wie nehmen die Angebote 668
an, wie zum Beispiel Ferienspiele oder die Ferienlager? 669
S: Unterschiedlich. Wir bekommen Lob, wir bekommen gar nichts oder wir 670
bekommen Tadel. Also es ist alles dabei. 671
M: Was kommt da an Tadel? 672
S: Ach naja. Pullover fehlt oder das Kind ist dreckig geworden oder ach naja 673
die Abrechnung, ach was das kostet Geld? Unterschiedlich. 674
M: Also sind das dann wieder falsche Erwartungen? 675
S: Oder es gibt auch Eltern, die dann wirklich nicht mit der Betreuung 676
zufrieden sind. Ich kann auch nicht wirklich hier sagen: „Jeder Einzelfallhelfer 677
arbeitet 100%“. Es gibt auch Leute, die sagen: "Die machen ihre Aufgaben 678
jetzt nicht so wie es erforderlich wäre". Da müssen wir dann schauen, solche 679
Leute halten sich nicht sehr lange hier. Das gibt es. Oder wie gesagt die 680
Eltern haben andere Erwartungen oder andere Vorstellungen von der Art der 681
Betreuung. Das ist immer unterschiedlich. Es gibt Eltern, die sind zufrieden 682
XXV
mit dem was wir machen. Es gibt Eltern den ist es egal was wir hier machen. 683
Da bekomme ich gar keine Rückmeldung. Ist wirklich unterschiedlich. Es ist 684
von allem was dabei. 685
M: Aber im Großen und Ganzen kann man schon sagen 686
S: Im Großen und Ganzen kann man schon sagen, kriegen wir positive 687
Rückmeldungen ja. 688
M: Die Eltern empfinden es also schon als Entlastung. Also speziell, wenn 689
(unverständlich) Kinder hier zwei Wochen von frühs um neun bis nachmittags 690
15 Uhr hier sind. 691
S: Wird dankbar angenommen das Ferienlager. Es sind durch die 692
Ferienbetreuung auch immer sehr viele da und ich meine, wo gibt es das 693
noch so? Man hat jeden Tag minimum zwei Angebote, die außer Haus sind. 694
Also es wird nicht jeden Tag ein Nudelbild gebastelt oder gestrickt oder so. 695
Es ist Kino dabei, es ist Baden dabei, es sind Museen dabei, es sind Ausflüge 696
dabei. Es ist wirklich zu allem was dabei. Es ist wirklich schwierig etwas zu 697
finden, was die Kinder noch nicht kennen. Es gibt Kinder, die seit Jahren hier 698
herkommen. Die kennen Chemnitz und Umgebung in und auswendig 699
mittlerweile, dadurch, dass wir wirklich viel abklappern. Ähh es ist immer 700
schön, wenn mal ein paar neue dabei sind, weil die kennen es noch nicht. 701
Aber ich kenne jetzt keine Ferienbetreuung wo das so ist, dass man wirklich 702
jeden Tag woanders hingeht. Und in dem Sinne, finde ich eigentlich, sind wir 703
in der Ferienlagerbetreuung sehr schön, weil es wirklich jeden Tag anders ist. 704
Es ist natürlich logistisch immer schwierig alles hinzubekommen, aber an sich 705
fetzt das schon. 706
M: Das ist ja auch noch eine gute Möglichkeit, dass die Kinder ihre 707
Umgebung kennenlernen, wenn die jetzt speziell aus Chemnitz kommen, 708
dass die dann mitbekommen, das gibt es hier und das interessiert mich und 709
da möchte ich nochmal mit meinen Eltern hingehen. 710
S: Also es gibt wirklich viele Eltern, die sagen: "Es ist wirklich ein schönes 711
Programm!" und die finden es auch sehr schön und es gibt Eltern, die sagen: 712
"Ja wir haben es uns anders vorgestellt". Manchmal ist von der Planung was 713
XXVI
anders wie es im Endeffekt dann wird. Sorgt immer für Missstimmung. Man 714
muss nur schauen personell, da muss ich (unverständlich) dann ändert sich 715
sehr viel im Personal. Das Kind braucht einen anderen Betreuer als wie sich 716
darauf eingestellt war. Da sind die Eltern schon sehr empfindlich. Ist auch 717
schon ein Reibungspunkt. Kann ich aber nicht ausschließen. Man muss nur 718
(unverständlich) reagieren. 719
M: Was müsste noch für die Eltern geschaffen werden? Wo sehen Sie noch 720
Bedarf? 721
S: Die Heimstruktur für Autisten in Chemnitz ist ein ganz großer Punkt der 722
fehlt. Ja das Loch zwischen Schule und was danach kommt. Ich meine 723
Schule bekommt man noch hin, Ausbildung vielleicht auch noch, aber dann 724
arbeitsmarkttechnisch ist es schwierig. Die Unternehmen sind alle 725
wirtschaftlich abhängig beziehungsweise müssen wirtschaftlich arbeiten. 726
Dann auch noch einen Autisten zu integrieren, der mehr Ärger als Nutzen 727
produziert, ist schwierig. Kann ich auch verstehen. Ja was müsste noch 728
geschaffen werden? Schön wäre für die qualitative Arbeit, die wir immer von 729
allen Seiten bescheinigt bekommen, auch vom Kostenträger, einen 730
entsprechenden Kostensatz zu bekommen. Ich meine wenn ich in die 731
Werkstatt fahre und mein Auto reparieren lasse, bezahle ich für die 732
Arbeitsstunden 30 bis 40 Euro. Das bekomme ich in dem Bereich, Sozialen 733
Bereich nicht. Wie beim Bäcker, wenn der seine Brötchen bäckt, will der auch 734
was für seine Stunden. (unverständlich) ist kein Problem, aber wir, wenn es 735
um Sozialarbeit geht, da haben nicht nur wir das Problem. Das ist im 736
Pflegebereich genauso oder generell im sozialen Bereich, dass die Qualität 737
der Arbeit nicht mit der Entlohnung übereinstimmt und dann gibt es eine 738
Diskrepanz, was die Stadt als Kostenträger so (unverständlich) an Budget 739
macht (unverständlich) Kinder- und Jugendhilfe hat man nicht sehr gern. 740
M: Und was muss noch konkret für die Eltern geschaffen werden? 741
S: Hier im Autismuszentrum? 742
M: Nein allgemein was müsste noch für die Eltern geschaffen werden? Ich 743
meine, die hängen ja vielleicht irgendwie an der Heimstruktur dann mit daran, 744
XXVII
weil die Eltern dadurch entlastet werden!? 745
S: Fällt mir jetzt nichts ein. Es ist halt immer. Es gibt Fälle wo alles glatt läuft. 746
Da ist es OK. Es gibt aber auch viele Fälle wo die Beratung außer Haus 747
(unverständlich) im Haus manchmal (unverständlich) Diagnoseverfahren 748
extrem lang sind, wo die Zusammenarbeit mit den Schulen nicht klappt, wo 749
die Schulen sagen: "So ein Quatsch. Gab es vorher nie Schulbegleitung. Der 750
ist nur verzogen. Der ist kein Autist". Das Verständnis für Autisten vielleicht. 751
Das es zwar eine Krankheit ist, aber nicht heilbar zum Beispiel. Was 752
Wahrnehmungsbereich ist, fehlt bei manchen Sachen. Bei Ämtern, bei 753
Schulen oder (unverständlich) bei Mitarbeitern hier im Haus. ...(4 Sec.) man 754
könnte manches professioneller machen. 755
M: Wenn das Geld da wäre. 756
S: Ja wenn das Geld da wäre. Wir sind halt bisschen hier so das letzte Glied 757
in der Kette, wo man für vieles verantwortlich gemacht wird, was wir gar nicht 758
kennen können. (unverständlich) kann ich nicht arbeiten. (unverständlich) 759
kann ich in der Schule nicht anfangen, wenn kein Bescheid da ist, wenn ich 760
keinen bekomme, kann ich nicht anfangen. (unverständlich) Es läuft vieles 761
gut. Man könnte einiges besser machen und man kann noch einiges dazu 762
bringen. Aber im Großen und Ganzen, ist es halt, wie gesagt, dieser Zwang 763
immer wirtschaftlich sein zu müssen. Ist im Sozialbereich sehr schwierig. Ist 764
halt eine Arbeit ohne greifbaren Gegenwert. Wenn Sie ein 765
Wirtschaftsunternehmen haben, was produziert, ein Autokonzern, der baut 766
Autos, das kann ich anfassen, das hat einen Wert. Das ist in Deutschland 767
immer so das alte Denken noch von früher, ich kann das anfassen, ich habe 768
eine Ware, die kann ich bewerten. Wie bewerte ich Soziale Arbeit? Das ist 769
immer so das Problem. Alle kreischen, dass es gemacht werden muss, aber 770
bezahlen will es keiner. Das ist immer so das Problem. Die Leute, die damit 771
nichts zu tun haben, sagen: "Was für eine Geldverschwendung", die Leute, 772
die damit zu tun haben, sagen: "Es reicht hinten und vorne nicht". Die Hälfte 773
interessiert es nicht solange sie nicht betroffen sind. Das ist immer so ein 774
Spannungsfeld und das Verständnis beim Kostenträger ist auch nicht immer 775
XXVIII
das, was es sein muss. Wobei sich das sehr gebessert hat in letzter Zeit. Wir 776
haben da gute Zusammenarbeit mittlerweile. Da kann man vieles besser 777
machen. Aber 778
M: Also es müsste allgemein überall noch ein gewisses Verständnis 779
geschaffen werden für Autismus!? 780
S: (unverständlich) und wenn es ein bisschen Anerkennung bekommt. Weil 781
die Leute auch teilweise Kinder betreuen, (unverständlich) weil die wirklich 782
schwer aggressive Züge haben und man wirklich (unverständlich) ganze 783
Arme alles Bissspuren, die werden mich ein Leben daran erinnern. Aber ich 784
kann nichts dafür. Da habe ich damals noch einen Hungerlohn bekommen, 785
wenn ich das ins Verhältnis setze zu anderen Sachen. Aber das ist überall 786
so. Ist im Wirtschafts-, Privatwirtschaftsbereich anders. Da verdient man viel 787
Geld und im sozialen Bereich eben nicht. Es ist schade, aber es ist nun mal 788
so. Das wusste ich ja vorher. Und wenn die dann (unverständlich) nicht 789
haben und die Schule daneben gesessen, naja ist es nicht. Ist ein 790
spannendes Arbeitsfeld hier, sehr abwechslungsreich, aber man kann hier 791
auch ganz schön Nerven lassen. 792
XXIX
Anlage III – schriftliche Befragung Herr Schneider 1
2
Ort: - - - (Befragung fand per E-Mail statt) 3
Datum: 18.01.2013 4
Teilnehmer: Interviewerin Christina Michael, Herr Schneider 5
6
1. Welche Aufgaben hat speziell ein Sozialarbeiter in Ihrer 7
Einrichtung) 8
9
Wir haben hier im AZ nur zwei Angestellte, die von der Ausbildung 10
her Sozialarbeiter sind (1x ich, die andere Kollegin ist z.Z. in 11
Elternzeit). 12
Meine Aufgabenfeld hier ist hauptsächlich: Dienstplanung, 13
Personalplanung und Führung, Maßnahmenkoordinierung, 14
Hilfeplangespräche, Controlling, Qualitätsmanagement, 15
Netzwerkarbeit, Leitung der Außenwohngruppe, Gremien- 16
Ausschüsse- und Arbeitsgruppen, Aktenführung, Abrechnungen. 17
Bis vor zwei Jahren war es hauptsächlich: die Schulbegleitung, 18
Einzelförderung, Familienentlastender Dienst (FED), Ferienarbeit 19
und Kurzzeitwohnen + administrative Arbeiten. 20
Das sind so die Arbeitsfelder unserer Angestellten hier (man kann 21
auch sagen Einzelfallhilfe, Gruppenarbeit und Gemeinwesenarbeit). 22
Da ich nun in der Führungsebene arbeite, hat sich das 23
Aufgabengebiet etwas geändert. 24
25
2. Worin unterscheiden sich die Aufgaben des Sozialarbeiters zu 26
anderen Professionen (Heilerziehungspfleger etc.) in Ihrer 27
Einrichtung? 28
29
Die o.g. 3 Felder der SA sind im Prinzip das, was alle Angestellten 30
leisten, egal welche Ausbildung sie haben. 31
32
33
XXX
3. Nach welchen theoretischen Ansätzen arbeitet der Sozialarbeiter 34
und wie setzt dieser sie um? 35
36
Der Ansatz unserer Arbeitsweise ist immer klienten- und 37
fallabhängig. Ziel unserer Arbeit ist eigentlich: 38
Wo steht der Klient, was sind für Ressourcen da, was kann wie 39
erreicht werden und was ist dafür nötig. Wichtig dabei ist auch, die 40
Umwelt mit einzubeziehen, bzw. zu sensibilisieren, ein Bewußtsein 41
für das Problem zu bilden, gängige Handlungskonzepte zu 42
hinterfragen (anpassen, ändern, neu entwickeln, verwerfen, etc.), 43
sowie natürlich Öffentlichkeitsarbeit und Sozialmanagement. Damit 44
hätten wir glaube ich so ziemlich alle gängigen Handlungstheorien 45
der SA im Angebot. Im Einzelfall ist der Ablauf dann klassisch von 46
Kontaktaufnahme bis hin zur Evaluation (kann von wenigen 47
Wochen/Kontakten bis hin zu vielen Jahren ablaufen). 48
49
4. Werden in der Arbeit des Sozialarbeiters aktuelle wissenschaftliche 50
Erkenntnisse berücksichtigt? Wenn ja, welche? 51
52
Zu Frage 4 tue ich mich etwas schwer. Wir müssen natürlich immer 53
auf aktuelle Entwicklungen Rücksicht nehmen, in unserer Arbeit 54
i.d.R. auf Änderungen im gesetzl. Bereich, diagnostische Sachen, 55
Entwicklungen in den "Behandlungsmethoden"(Teacch, unterstützte 56
Kommunikation, u.a.) evtl. neue Handlungskonzepte u.s.w. 57
58
5. Wo liegen die Grenzen der Sozialen Arbeit in Ihrer Einrichtung? 59
60
Grenzen unserer Arbeit gibt es einige: 61
- Motivation 62
- Verständnis 63
- Bereitschaft zur Veränderung 64
- Mitarbeit 65
- Strukturelle Bedingungen 66
- Finanzielle Bedingungen 67
XXXI
- Handlungsmöglichkeiten 68
- Perspektiven 69
- personelle und räumliche Bedingungen 70
XXXII
Anlage IV – Interview Frau Oehmichen 1
2
Ort: Autismusambulanz Leipzig 3
Datum: 01.11.2013 4
Dauer: 34 Minuten 5
Teilnehmer: Interviewerin Christina Michael (M), Frau Oehmichen (O) 6
7
M: Seit wann besteht die Institution? 8
O: Die Autismusambulanz Leipzig besteht seit über 12 Jahren. 9
M: Und wie ist die Institution entstanden? 10
O: Die Autismusambulanz Leipzig befindet sich in Trägerschaft des 11
internationalen Bildungs- und Sozialwerkes e.V. Genau und dies ist ein 12
eingetragener Verein, der überregional tätig ist und unter anderem die 13
Autismusambulanz Leipzig gegründet hat. 14
M: Was gehört noch alles zu dem Verein? Also was untersteht dem noch? 15
O: Also hier im Regionalbereich gibt es in Halle und Wittenberg jeweils noch 16
eine Autismusambulanz und in Leipzig gibt es noch drei Kindergärten sowie 17
eine Beratungsstelle für Familien mit behinderten Kindern und eine 18
Tagespflegeeinrichtung. 19
M: Wie ist die Autismusambulanz aufgebaut oder strukturiert? 20
O: Also die Autismusambulanz Leipzig untersteht der Regionalbereichsleitung 21
für den Regionalbereich Halle/ Leipzig/ Wittenberg und innerhalb der 22
Autismusambulanz Leipzig gibt es die Struktur einer Leitung, die aktuell die 23
Frau (Name) innehat. Das ist die Leiterin der Autismusambulanz. Ich bin die 24
stellvertretende Leitung der Frau (Name) (unverständlich) bin ich die aktive 25
Leitung und es gibt noch eine stellvertretende Leitung, die auch gerade in 26
Babypause ist. 27
M: Wie wird die Einrichtung finanziert? 28
O: Also die Autismusambulanz Leipzig finanziert sich fallspezifisch über 29
Paragraph 35a SGB VIII, Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder 30
und Jugendliche sowie über Paragraph 54 SGB XII, Eingliederungshilfe für 31
XXXIII
Menschen mit Behinderung. Kostenträger sind das Jugendamt, das Sozialamt 32
und für Erwachsene mit Autismusspektrumsstörung der kommunale 33
Sozialverband. 34
M: Nach welchen Ansätzen arbeitet die Autismusambulanz? 35
O: Also die Autismusambulanz arbeitet nach einem multimodalen 36
Therapieansatz. Das heißt, wir nutzen so ziemlich alles was in der aktuellen 37
Therapie und pädagogischen Arbeit mit Menschen mit Autismus zur Verfügung 38
steht, was wir hier kritisch im Team reflektieren und entsprechend 39
kindspezifisch, menschspezifisch zum Einsatz bringen. Das heißt es gibt auch 40
Dinge, die wir ausschließen. Zum Beispiel die Festhaltetherapie ist etwas, was 41
hier nicht praktiziert wird, aber ansonsten wird verwendet TEACCH, so Thema 42
Strukturierung, PECS zum Thema Kommunikationsanbahnung, auch FC gibt 43
es eine Kollegin, die sich da spezifisch dafür qualifiziert hat. Ja. 44
M: Was haben die Mitarbeiter von der Autismusambulanz für eine Ausbildung? 45
O: Also aufgrund der Vorschriften, die das Jugendamt Leipzig tut zu unserer 46
Qualifikation der Mitarbeiter können wir eigentlich nur 47
Fachhochschulabsolventen, Diplom-Heilpädagogik, Diplom-Sozialpädagogen, 48
Sozialarbeit einstellen sowie Psychologen. Zusätzlich leisten wir uns aber auch 49
den Luxus einer Kunsttherapeutin und einer Musiktherapeutin. 50
M: Also Ergotherapie oder Logopädie findet hier gar nicht statt? 51
O: Nein, aufgrund dieser spezifischen Verhandlungen mit dem Sozialamt und 52
Jugendamt sind wir dann ja auch angewiesen, dass die uns die 53
entsprechenden Mitarbeiter finanzieren müssen und wir bei Jugendamtsfällen 54
nur benannte Abschlüsse hier zum Einsatz bringen können. 55
M: Welche Arten von Autismus sind bei den zu behandelnden Kindern in Ihrer 56
Einrichtung vertreten? 57
O: Ja, also heute redet man ja von einer Autismusspektrumsstörung und ja in 58
dem Sinne alle Menschen mit einer Autismusspektrumsstörung sind hier 59
grundsätzlich willkommen. Das heißt es gibt auch noch die Diagnose des 60
frühkindlichen Autismus und des Asperger-Syndroms und des Atypischen 61
Autismus und zum Teil auch mal Kinder, die "nur autistische Züge" haben, aber 62
XXXIV
aufgrund der ganzen Kontexterscheinungen es doch sinnvoll erscheint eine 63
autismusspezifische Förderung in unserem Hause anzubieten. 64
M: Und wie stark ist so die Ausprägung von dem Autismus bei den Kindern, die 65
hier sind, also die hier herkommen? 66
O: Also für mich persönlich gibt kein schwer und leicht. Es wird häufig 67
Asperger-Autismus mit einer leichten Form des Autismus benannt in der 68
Presse. Das finde ich immer nicht angebracht, weil die Menschen auch ganz 69
spezifische eigene Problemstellungen haben, die Kinder oder Menschen mit 70
frühkindlichem Autismus nicht haben. In dem Sinne gibt es für mich kein leicht 71
und schwer. Aber in dem Sinne schwerer betroffen im Spektrum mit mehr 72
Einschränkungen der sozialen Interaktion und Kommunikation. Ja, in dem 73
Sinne kann man schon sagen, dass das ganze Spektrum bei uns vertreten ist. 74
M: Kommen die Eltern schon mit einer gesicherten Diagnose zu Ihnen oder 75
wird die erst hier gestellt? 76
O: Also wir selber stellen keine Diagnosen. Dafür verweisen wir immer an die 77
örtlichen, regionalen Dienstleister, die Autismusdiagnostik anbieten. Das ist 78
hier in Leipzig das sozialpädiatrische Zentrum, dann die Universitätsklinik in 79
Leipzig bietet hoffentlich ab demnächst wieder eine Diagnostikstelle an, sowie 80
(unverständlich) niedergelassene Kinder- und Jugendpsychiater, die auch 81
Diagnostik machen. Im Bereich der Erwachsenendiagnostik ist es sehr 82
schwierig kompetente Ansprechpartner zu finden hier in der Region und für 83
generell alle Diagnosen ist die Autismusambulanz Dresden für den gesamten 84
Regionalbereich von Sachsen sozusagen zum Teil zuständig, die selber, also 85
sie sind nicht zuständig, sie können nur für Dresden und Umgebung zuständig 86
sein, aber ich denke es gibt auch viele, die dort diagnostiziert wurden. 87
M: Weil die Uniklinik gleich mit angegliedert ist? 88
O: Weil dort seit jeher. Also sie sind jetzt erst seit anderthalb Jahren an die 89
Uniklinik angegliedert oder seit einem Jahr erst und die sind seit jeher auch in 90
Verbindung mit ihrem vorherigen Träger haben sie Mitarbeiter aus dem Kinder- 91
und Jugendpsychiatriekontext. Also Mitarbeiter, die auch medizinische 92
Ausbildungen haben und entsprechend Psychologen auch haben und alles. 93
XXXV
Also sie sind seit jeher eine Diagnostikstelle. War auch schon zu DDR-Zeiten 94
schon Diagnostik. 95
M: Ich habe jetzt angenommen, eine Autismusambulanz stellt automatisch 96
Diagnosen. 97
O: Nein, das ist nicht der Fall. Wir sind eigentlich in erster Linie eine 98
pädagogische Einrichtung, die autismusspezifische Förderungen anbietet. Das 99
ist aus meiner Sicht eine sehr gute Kombination, die die dort anbieten können, 100
weil dann alles dort auch besser vernetzt ist. Aber in Leipzig ist das nicht der 101
Fall, da wir eine pädagogische Einrichtung sind. 102
M: Wie finden die Eltern in der Regel Zugang zu Ihrer Einrichtung? 103
O: Also in dem Sinne, dass man uns googeln kann, wenn man Autismus und 104
Leipzig eingibt. In dem Sinne, dass viele pädagogische Einrichtungen über uns 105
Kenntnis haben und entsprechend den Eltern es weiterempfehlen 106
beziehungsweise denke ich auch in erster Linie das sozialpädiatrische 107
Zentrum, wenn dort Kinder stranden mit einer entsprechenden Diagnostik 108
ausgerüstet werden, dass das SPZ die Autismusambulanz Leipzig dann auch 109
benennt und generell natürlich wenn Hilfen beantragt werden über das 110
Sozialamt oder Jugendamt, dass die Ämter dann auch entsprechend wissen, 111
dass es uns gibt. 112
M: Da findet ja schon eine gut strukturierte Zusammenarbeit oder eine enge 113
Zusammenarbeit statt! 114
O: Ja also die gibt es schon. Das könnte bestimmt alles noch optimiert werden. 115
Das ist immer eine Frage der zur Verfügung stehenden Zeit um diese 116
notwendige Netzwerkarbeit zu tätigen. Also aus Sicht der Autismusambulanz 117
Dresden müssen wir uns hier noch mehr vernetzen, weil die sozusagen den 118
ganzen Bedarf für unseren Bereich nicht abdecken können, was zum Beispiel 119
in den Diagnostikbereich fällt. In dem Sinne hoffen wir, dass wir in der Zeit uns 120
noch mehr vernetzen können um effektiver für die Menschen mit 121
Autismusspektrumsstörung in Leipzig und Umgebung da sein zu können. 122
M: Müssen Voraussetzungen erfüllt werden, wenn die Eltern mit ihren Kindern 123
hier herkommen? Nur die Diagnose!? 124
XXXVI
O: Also da muss eine Diagnose gestellt werden. Voraussetzung ist, dass sie 125
halt über das Sozialamt, Jugendamt oder den kommunalen Sozialverband 126
entsprechende Finanzierungsgrundlage gefunden haben, wenn sie das nicht 127
privat zahlen möchten. 128
M: Was würde das privat kosten? 129
O: Also ich glaube der Privatkostensatz ist jetzt pro Stunde ...(10 sec.) 36 Euro. 130
M: Also da ist dann schon eher anzudenken, dass man das vom Jugendamt 131
oder Sozialamt finanziert bekommt, denn das ist ja schon sehr teuer auf Dauer. 132
O: Auf Dauer ist das zu teuer und wird in der Regel nur mal genutzt um 133
übergangsmäßig, wenn Eltern sich das leisten können das entsprechend zu 134
finanzieren, ansonsten ist das definitiv keine, nicht die Regel. 135
M: Welche Schwierigkeiten in der Kontaktaufnahme haben Ihnen Eltern schon 136
mal angezeigt? 137
O: ...(4 sec.) Kontaktaufnahmeprobleme ihrer Kinder? 138
M: Nein in der Kontaktaufnahme zur Autismusambulanz, ob es da 139
Schwierigkeiten gab überhaupt erst mal hier herzukommen? 140
O: Na das kann ich nicht wirklich beurteilen, weil viele Eltern, die hier nicht 141
angekommen sind und mich darüber auch nicht in Kenntnis setzen können. 142
M: Ich meine eher, dass Eltern jetzt hier sind, aber gesagt haben, dass es für 143
sie sehr schwierig war? 144
O: Es ist generell für alle Eltern extrem schwierig, weil der Weg bis zur 145
Diagnostik sehr lang ist und normalerweise ist ja Autismus so gut getarnt in 146
dem Sinne, dass auch die Aufklärung über das Thema Autismus in den 147
pädagogischen und medizinischen Bereichen nicht so groß ist, dass relativ 148
schnell eine Diagnose zum Thema Autismus gefunden wird für das betroffene 149
Kind, zum Teil auch betroffenen Erwachsenen. Entsprechend ist dann die 150
Odyssee, die die Eltern dann hinter sich haben bis sie bei uns stranden schon 151
sehr sehr lang. 152
M: Aus welchem Einzugsgebiet kommen die Eltern zu Ihnen? 153
O: Also Stadt Leipzig, schwerpunktmäßig und angrenzende Regionen, die 154
irgendwie noch zur Stadt Leipzig gehören beziehungsweise zu 155
XXXVII
Beratungszwecken auch mal Eltern aus anderen Regionen, aus Dresden eher 156
weniger, aber zum Thema Frühförderung hatten wir auch schon Eltern in der 157
Beratung, die aus Chemnitz kamen, weil dort die Autismusambulanz, 158
zumindest die Autismusambulanz selber keine spezifische Frühförderung 159
anbietet. Da gab es mal eine Familie, die da sich in Chemnitz nicht so gut 160
versorgt sah und da von uns Beratung bekommen hat. Aber ansonsten ist es 161
schon regional der Bereich Leipzig (unverständlich). 162
M: Was war denn das Weiteste wo Eltern herkamen? 163
O: Also für Beratungszwecke wären die aus Chemnitz und auch so ein 164
bisschen was so dahinter noch ist im Erzgebirge. Aber sonst so für die direkte 165
Arbeit mit uns kann ich das gerade nicht benennen. Also ist ja dann meistens 166
so, dass unsere Kollegen dann ja auch mobil tätig sind und da hinfahren und 167
da ist, glaube ich, Eilenburg sehr weit weg. Wir waren auch schon in Torgau, 168
was glaube ich auch relativ weit weg ist? Genau, aber jetzt gibt es da die 169
Autismusambulanz in Wittenberg wiederrum. Also da hat sich das jetzt auch 170
nochmal anders verteilt. 171
M: Was denken Sie mit welchen Schwierigkeiten oder Problemen die Eltern in 172
ihrem Familienalltag konfrontiert sind? 173
O: Naja, vielfältiger Natur. In erster Linie dessen, dass sie die betroffenen 174
Familienangehörigen versorgt sehen wollen und das es hier viele Familien 175
schon gibt, die auch darunter leiden, dass halt die Aufklärung zum Thema 176
Autismus in unserer Gesellschaft nicht wirklich weit verbreitet ist und 177
entsprechend in pädagogischen Einrichtungen wie Kindergärten und Schulen 178
zum Teil halt, dass der individuelle Betreuungsbedarf für ihre Kinder und 179
Jugendlichen mit Autismusspektrumsstörung halt nicht optimal abgedeckt 180
werden kann. 181
M: Weil bei den Fachkräften Unwissenheit gegenüber dem Thema Autismus 182
existiert!? 183
O: Weniger vielleicht eine Unwissenheit als die personellen Möglichkeiten die 184
ganzen Bedürfnisse da halt abzudecken. Naja, dazu kommt halt noch, dass die 185
Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen mit besonderen 186
XXXVIII
Verhaltensauffälligkeiten im Alltag ihren Mitmenschen und in erster Linie ihrer 187
eigenen Familie begegnen und entsprechend dieses Zusammenleben eben 188
auch seine individuellen Herausforderungen bietet und entsprechend 189
Familienangehörige auch selber schon sehr stark belastet sind durch 190
(unverständlich) (anzunehmenden)? Stressoren. 191
M: Kommen Eltern direkt mit Problemen zu Ihnen und suchen Rat? 192
O: Also wir bieten hier eine Beratung an, bei der sich jeder telefonisch oder per 193
Mail bei uns melden kann und wo wir einen Beratungstermin zur Verfügung 194
stellen. Und in dem Kontext kommen schon in erster Linie Eltern zu uns, die 195
auch konkrete Probleme mitbringen, wo wir versuchen im Beratungsgespräch 196
einen Hinweis zu geben, aber in erster Linie halt auch versuchen, wenn wir das 197
sehen, dass ein größerer Bedarf ist, sie halt auch an die beiden Ämter zu 198
verweisen, wo halt eine intensivere Begleitung der Familie dann finanziert 199
werden könnte oder wir auch zu Weiterbildungen raten, die wir im Haus auch 200
anbieten oder woanders durchgeführt werden können. Genau, aber manchmal 201
ist es schon so, dass wir im Rahmen der Beratungen schon erste Hinweise 202
geben können inwieweit die Eltern ihre Kinder im Alltag unterstützen können. 203
M: Es sind also Überforderungssituationen, wo die Eltern nicht mehr 204
weiterwissen und Sie dann eben um Rat fragen. 205
O: Im Rahmen der Förderung schon, dass wir da versuchen intensive 206
Elternarbeit durchzuführen, wo wir die Eltern dann auch im Alltag sozusagen 207
mit ihren Problemen und Fragestellungen begleiten können. Aber im Rahmen 208
dieser Beratungsgespräche ist es sozusagen keine konstante Betreuung und 209
das ist in dem Sinne ein einmaliges Beratungsangebot, um über unsere 210
Möglichkeiten zu informieren und sie gegebenenfalls weiterzuschicken, wo wir 211
sehen hier wäre Bedarf einer Abklärung, dass wir an eine Diagnostikstelle 212
verweisen oder hier wäre Bedarf einer spezifischen Förderung, wo wir an das 213
zuständige Amt dann verweisen. 214
M: Welche Angebote bieten Sie allgemein hinsichtlich der Therapie und 215
Behandlung für Autismus an? 216
O: Die Autismusambulanz Leipzig bietet Frühförderung an, 217
XXXIX
autismusspezifische Frühförderung. Einzelförderung nennt sich dann 218
automatisch, wenn das Kind sozusagen aus dem Frühförderalter raus ist. 219
Sozialtraining ist definitiv eine wichtige Förderung im Kontext für Menschen mit 220
eher häufiger Asperger-Syndrom. (unverständlich) ihre sozialen Defizite 221
kompensieren lernen müssen über kognitiv erlernt soziale Verhaltensweisen. 222
Dieses Sozialtraining bieten wird in Einzelvariante an, also eins zu eins im 223
Training. Aber auch ergänzend im Kontext einer Gruppe und wir bieten 224
Schulbegleitung an. Das heißt, dass wir Kinder in Regelschulen oder 225
Förderschulen stundenweise, zum Teil auch tageweise, im 226
Schulunterrichtsverlauf begleiten. Ja, zusätzlich umfasst das 227
Leistungsangebot noch die Freizeitangebote, was jetzt nicht finanziert wird 228
durch die Ämter, aber was jetzt bedeutet, dass wir einmal im Monat einen 229
Erlebnisnachmittag machen für Jugendliche, die schon länger mit unserer 230
Einrichtung in Kontakt sind sowie einmal im Jahr eine Ferienfahrt, wo wir 231
zweimal eine Woche mit Kindern und Jugendlichen teilweise auch 232
Erwachsenen eine Ferienfahrt machen. Des Weiteren steht auf unserer 233
Angebotsliste noch Musik- und Kunsttherapie. Wie gesagt, da ist die 234
Finanzierung über die Ämter eher schwierig. Genau, allgemeine Beratung 235
hatte ich schon angesprochen, nicht nur für Eltern, sondern auch für 236
Pädagogen, Therapeuten und anderweitig Interessierte und ja, 237
Weiterbildungen sind definitiv ein wichtiger Aspekt, wo wir intern hier 238
Weiterbildungen machen, die wir über unsere Autismusambulanz anbieten, 239
aber wo wir auch für externe Einrichtungen zu Verfügung stehen als 240
Referenten. 241
M: Was sind das für Weiterbildungen? 242
O: Weiterbildungen Autismusspektrumsstörungen in dem Sinne, dass wir da 243
aufklären, was Autismusspektrum beinhaltet. Generell ist es schon so, dass wir 244
uns mit der Einrichtung und ihren konkreten Fragestellungen vorher 245
auseinander setzen und dann sozusagen die Weiterbildungen diesbezüglich 246
dann konkret vorbereiten. In der Regel ist es auch so, dass Schulen jetzt mehr 247
auch ihr Kontingent, was die Bildungsagentur zur Verfügung stellt auch mal für 248
XL
einen pädagogischen Tag nutzen und sich dieser Thematik widmen und da ist 249
es dann schon so die Frage welcher Schultyp ist das und welche Kinder sind in 250
der Schule, die Kinder aus dem Autismusspektrum und ja welche 251
Problemlagen bringen die spezifisch mit und auf die gehen wir dann auch 252
spezifischer ein. Dann haben wir auch noch ein, aus meiner Sicht sehr 253
produktives, Weiterbildungsangebot, wo eine Frau, die selber betroffen ist von 254
einer Autismusspektrumsstörung, also von Asperger-Syndrom betroffen ist, 255
gemeinsam mit mir eine Weiterbildung gibt, wo sie sozusagen einfach nochmal 256
viel besser ihre eigene Perspektive über die, auch die Perspektive einer 257
Mutter, weil sie selber auch betroffen ist, also selber auch ein Kind mit 258
frühkindlichen Autismus hat sozusagen viel besser auch nochmal die anderen 259
Perspektiven vertreten kann, als jetzt jemand von uns, der in erster Linie nur 260
eine Außensicht auf das Thema hat. 261
M: Wie werden die Weiterbildungen angenommen? 262
O: Gut. Also die Leute, die nach einer Weiterbildung fragen, die sind, glaube 263
ich, in der Regel sehr zufrieden und ich persönlich habe die Erfahrung gemacht 264
seit ich die Weiterbildungen mit besagter Frau mache, die selber von 265
Asperger-Syndrom betroffen ist, dass das noch besser angenommen wird, weil 266
das noch mehr sozusagen diese anderen Realitäten irgendwie transparent 267
macht, wo Menschen (unverständlich) außen auf das Thema schauen. 268
M: Sind es in der Regel Eltern, die an den Weiterbildungen teilnehmen oder 269
eher Fachkräfte? 270
O: Also hier in der Autismusambulanz, wenn wir Weiterbildungen anbieten, 271
sind es denke ich, sind es eine gute Mischung aus Eltern bestimmt zum großen 272
Teil aber auch pädagogische Fachkräfte aus anderen Einrichtungen und wenn 273
wir in eine Einrichtung gehen, dann ist es zum Beispiel ein Team von Lehrern 274
eines Gymnasiums, wo wir dann spezifisch einen Thementag zum Thema 275
Autismus (unverständlich). 276
M: Und das wird jetzt immer mehr wahrgenommen!? 277
O: Also aus meiner Perspektive ist es schon so, dass Schulen sich jetzt mehr 278
zu dem Thema fit machen. 279
XLI
M: Das ist ja eine gute Entwicklung. 280
O: Definitiv, weil ich glaube, dass es etwas ist, was den Kindern in Schulen 281
mehr hilft, wenn die Lehrer umfangreich oder grundständig informiert sind zu 282
den Themen, als das da ein Schulbegleiter da an denen dranhängt. Also ich 283
glaube man hilft den Kindern mehr, wenn man umfangreich das Umfeld 284
aufklären kann. Ich glaube vor allem, dass es darum geht, dass viele Hilfen, die 285
diese Menschen brauchen sozusagen von den Personen nicht gegeben 286
werden, weil sie über den Bedarf gar nicht informiert sind. Also das ich glaube, 287
wenn man grundständiges Verständnis vom Thema Autismus hat sozusagen 288
im Alltag schon ohne größere Probleme den Menschen auch helfen kann 289
indem man sozusagen gewisse strukturierende Ideen zum Beispiel von 290
TEACCH mit einbaut, was auch im schulischen Kontext in der Regel auch oder 291
auch wirklich komplett allen anderen Kindern hilft. Aber was auch halt für 292
autistische Mitschüler immens wichtig ist. 293
M: Und da ist ja momentan bei den Lehrern relativ Unwissen da, würde ich jetzt 294
mal behaupten. 295
O: Also ich denke ja, dass es allein von der Ausbildung, die Lehrer da haben, 296
nicht umfangreich mit dem Thema Autismus aufgeklärt sind. Also was mich 297
jetzt auch nicht wundert und was ich jetzt nicht auch nicht erwarten würde von 298
einem Lehrer. Ich erwarte von einem Lehrer, dass, wenn er ein Kind hat in 299
seiner Klasse, dass er sich dann informiert und sich auch informieren lassen 300
möchte. Aber ansonsten erwarte ich das in der heutigen Gesellschaft noch 301
nicht, dass da zum Thema Autismus alle informiert sind. Aber das Interesse ist 302
verstärkt da und das freut mich schon. 303
M: Gibt es Angebote speziell für die Entlastung der Eltern? 304
O: Also dafür hoffen wir, dass wir unsere Förderung auch nutzen können um 305
sozusagen das natürlich, das was wir mit den Kindern und Jugendlichen 306
machen auch mit den Eltern reflektieren und damit sozusagen auch den Eltern 307
Möglichkeiten bieten ihre persönlichen Problemlagen im häuslichen Kontext 308
und in dem Lebenskontext mit ihren Kindern einzubringen und mit uns zu 309
reflektieren und ansonsten ja ist es wahrscheinlich nicht immer umfangreich 310
XLII
genug, was wir leisten können über das begrenzte Stundenkontingent, was 311
uns von den Ämtern zur Verfügung gestellt wird und zusätzlich ist halt in 312
unserem Hause noch über den Träger besagte Beratungsstelle ansässig. Die 313
heißt halt für Familien mit chronisch kranken oder behinderten Kindern und 314
Jugendlichen und in dieser Einrichtung gibt es halt eine 315
Diplom-Sozialpädagogin und eine Psychologin und eine Volljuristin und die 316
haben sozusagen nochmal andere zeitliche Möglichkeiten und sind auch sehr 317
gut vernetzt mit anderen beratenden Einrichtungen und ja. 318
M: Gehört die mit zu dem Träger der Autismusambulanz? 319
O: Genau die gehört mit zu dem Träger. Arbeitet aber unabhängig von unserer 320
Einrichtung. 321
M: Ist die hier mit im Haus? 322
O: Genau die ist gleich hier mit im Haus, gleich hier auf der Etage. 323
M: Bieten Sie auch so etwas wie Elterntraining an? 324
O: Also konkret jetzt als Weiterbildungsangebot für Eltern nicht. Also wir 325
machen autismusspezifische Weiterbildungen, wo wir glauben, dass wir 326
grundständig irgendwelches Wissen zum Thema Autismus, was Eltern auch in 327
ihrem Alltag verwenden können, präsentieren. Aber ein ganz konkretes 328
Elterntraining bieten wir nicht an. 329
M: Was denken Sie, müsste vielleicht noch für die Eltern geschaffen werden 330
oder was ist noch ausbaufähig an Angeboten? 331
O: Also ausbaufähig ist, glaube ich, so ziemlich alles. Wichtig für uns ist halt, 332
dass es eine Finanzierung gibt und das ist eben momentan alles was finanziert 333
wird, machen wir möglich. Aber alles was halt darüber hinausgeht, müssen wir 334
halt zum Teil auch von uns weisen, weil sozusagen eine Finanzierung in 335
unserem Kontext sozusagen leider extrem wichtig ist um für eine ganze 336
Refinanzierung für die ganze Einrichtung zu sorgen. Aber Beratungsangebote 337
für Eltern, Beratungsangebote für das soziale Umfeld sind, denke ich, schon 338
noch so eine Baustelle, wo sozusagen noch mehr Stundenkontingent in dem 339
Sinne bei manchen Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen irgendwie von Nöten 340
wären. Ansonsten glaube ich, also meine persönliche Meinung ist, dass 341
XLIII
Weiterbildungsangebote noch, dass wir die haben und das die einfach 342
sozusagen noch mehr angeboten werden müssten beziehungsweise auch von 343
Schulen noch mehr angenommen werden müssten und ansonsten denk ich, 344
dass es noch mehr Vernetzung, dass was wir schon mal hatten das Thema 345
sozusagen auch eine wichtige Baustelle ist, die sich auch noch ein bisschen 346
problematisch gestaltet, weil es verschiedene Träger natürlich gibt, die auch 347
autismusspezifisch Schulbegleitung anbieten und die sich auch kennen und 348
auch miteinander in dem Sinne zusammenarbeiten. Aber eine weitere 349
Vernetzung in dem Sinne, dass wir auch autismusspezifisches Wissen dann 350
Schulbegleitern anderer Träger anbieten können, gibt es nun wiederum leider 351
nicht und zwar nicht weil die Einrichtungen nicht miteinander kooperieren 352
wollen, sondern weil halt dann wiederrum eine Finanzierung notwendig wäre 353
zum Beispiel über das Jugendamt und das hieße dann eine 354
Doppelfinanzierung und da sind sozusagen die finanziellen Möglichkeiten des 355
zuständigen Amtes dann auch meistens nicht da um das zu ermöglichen, wo 356
ich noch immer glaube, dass gerade beim Thema Schulbegleitung noch mehr 357
vernetzende Arbeit mit anderen Trägern und deren Schulbegleitern, wo wir 358
positive Akzente setzen könnten, wenn wir noch beratend tätig sein könnten, 359
was aber leider aufgrund der Finanzierungsgrundlage in der Regel nicht 360
möglich ist. 361
M: Wie alt sind eigentlich die Kinder, die hier zu Ihnen kommen? 362
O: Also je nachdem wann die Diagnose halt da ist, denke ich, die Jüngsten, die 363
wir hatten, sind so in der Regel drei Jahre alt und die Ältesten, mit denen wir 364
gerade arbeiten, die sind, hmm weis ich gerade auch nicht. Also einer, der mit 365
bei der Ferienfahrt dabei ist immer noch, mit dem wir auch gearbeitet haben, 366
müsste jetzt 40 sein. 367
M: Und der befindet sich auch noch hier in der Therapie? 368
O: Der spezifisch jetzt gerade nicht. Aber ansonsten, glaube ich schon, dass 369
es hier Menschen gibt, die so zwischen 30 und 40 sind. Also es dehnt sich 370
sozusagen altersmäßig immer weiter aus, da sozusagen die Finanzierung im 371
kindlichen und frühkindlichen und Jugendbereich also sozusagen im ganzen 372
XLIV
Kindergarten- und Schulalter noch gut abgedeckt ist. Aber dann nach der 373
schulischen Laufbahn sozusagen viele Förderungen halt dann wirklich 374
beendet werden. Da die Finanzierung sozusagen dann übergeht an den 375
kommunalen Sozialverband und da sozusagen die Angebote und 376
Finanzierungsmöglichkeiten dünner werden, vor allen Dingen weil viele ja 377
dann in beruflichen Kontext dann eingebunden sind oder in ihrem 378
Ausbildungskontext und dort sozusagen dann der Bedarf sozusagen hin 379
verschoben wird und ich denke, dass dort auch noch mehr individueller 380
spezifischer Bedarf da ist, der aber dann nicht mehr sozusagen zum tragen 381
kommt. Also ich denke dort gibt es noch einen größeren Bedarf als es bei den 382
Kindern und Jugendlichen ist. 383
M: Wie lange dauert eine Förderung hier eigentlich, also über welchen 384
Zeitraum geht sie? 385
O: Also es ist sehr sehr unterschiedlich. Es gibt bestimmt Förderungen, die so 386
nach zwei Jahren erst mal beendet werden und dann wo dem Amt dann auch 387
klar ist, dass sozusagen lebensabschnittsspezifisch sozusagen die Kinder und 388
Jugendlichen und auch Erwachsenen wieder neuen Bedarf haben werden. 389
...(15 sec.) Was wollte ich jetzt, was war die Frage? 390
M: Wie lange so eine Förderung in der Regel dauert. 391
O: Ja richtig und was halt meistens über einen längeren Zeitraum geht wie 392
Schulbegleitung, da ist sozusagen auch das Wichtigste, dass es relativ, dass 393
der Schulbegleiter sich relativ schnell wieder unabhängig macht und das Kind 394
dann unabhängig ist und das das eher Hilfe zur Selbsthilfe ist, als das der 395
Schulbegleiter sozusagen zu sehr am Kind "klebt", dass sozusagen die Person 396
gar nicht mehr sozusagen getrennt werden kann aus dem Erlebnisbereich des 397
Kindes. Aber es ist doch so, dass in vielen Schulsystemen ein Schulbegleiter 398
von Nöten ist und zwar auch über einen längeren Zeitraum als ein halbes Jahr, 399
ein Jahr, zwei Jahre und das ich immer hoffe, dass das sozusagen 400
perspektivisch mal über andere Strukturen abgedeckt werden kann, weil da ist 401
der Bedarf ziemlich groß, den wir, wo ich immer denke, dass sozusagen ein 402
Schulbegleiter, der von außen kommt da zum Teil nicht so gut in das System 403
XLV
irgendwie immer einhaken kann als wenn sozusagen die Schule da auch 404
andere Modelle zur Verfügung stellen könnte, wo sozusagen einfach 405
automatisch mehr Lehrkräfte in der Klasse vertreten sind. 406
M: Aber das ist ja in Regelschulen gar nicht der Fall. 407
O: Ist nicht der Fall. Aber auf dem Weg zur Inklusion, glaube ich, wird dem 408
Schulsystem nichts anderes übrig bleiben als da neue innovative 409
Beschulungsmethoden irgendwie zu finden. 410
M: Es hängt dann immer an der Finanzierung. 411
O: Es hängt immer an der Finanzierung, dass stimmt wohl. Aber über kurz oder 412
lang werden da, wird der Bedarf einfach sich so darstellen, dass auch die 413
Schulsysteme da entsprechend darauf reagieren müssen. 414
XLVI
Anlage V – schriftliche Befragung Frau Scholz 1
2
Ort: - - - (Befragung fand per E-Mail statt) 3
Datum: 22.01.2013 4
Teilnehmer: Interviewerin Christina Michael, Frau Scholz 5
6
1. Welche Rolle spielt die Soziale Arbeit/ Sozialpädagogik in der Therapie/ 7
Betreuung von Menschen mit Autismus in der Autismusambulanz? 8
9
- Aufklärung und Sensibilisierung für die Besonderheiten von und 10
den Umgang mit Autismus 11
- Ermöglichen von gesellschaftlicher Teilhabe 12
- Schnittstelle sein zwischen dem Mensch mit Autismus und dessen 13
Umfeld („Anwalt des Klienten“) 14
- Anleitung der Bezugspersonen bzw. des direkten Umfelds des 15
Menschen mit Autismus („Arbeit am System“) 16
- Training sozialer Verhaltensweisen und Anregung zur Reflexion 17
des eigenen Verhaltens 18
19
2. Was sind (weitere) Aufgaben des Sozialarbeiters/ -pädagogen in der 20
Autismusambulanz? 21
22
- kollegiale Beratung 23
- Zuarbeit für Ämter: Entwicklungsberichte, Förderpläne, 24
Abrechnungen etc. 25
- Dokumentation 26
- Wissenstransfer mittels Weiterbildung 27
- Besuch von Weiterbildung zum Ausbau des eigenen Wissens 28
29
3. Inwieweit unterscheidet sich die Soziale Arbeit von anderen Disziplinen 30
in der Autismusambulanz? 31
32
Soziale Arbeit unterscheidet sich von anderen Disziplinen in der AuAm 33
nur bedingt. Sowohl Heilpädagogik und Psychologie als auch 34
XLVII
Sozialpädagogik fungieren in der AuAm unter dem Aspekt Sozialer 35
Arbeit. Die Unterscheidung liegt vor allem im Bereich der Förderung. 36
Heilpädagogik setzt häufiger bei der „therapeutischen“ Frühförderung an, 37
Sozialpädagogik und Psychologie eher im Bereich des Trainings sozialer 38
Verhaltensweisen. Die Grenzen zwischen den Disziplinen 39
verschwimmen dabei sehr stark. 40
41
4. Sind die Möglichkeiten der Sozialen Arbeit ausgeschöpft? Was müsste 42
an Angeboten für Angehörige von Kindern mit Autismus noch geschaffen 43
werden bzw. was könnte noch ausgebaut werden? 44
45
Die Möglichkeiten sind bei Weitem nicht ausgeschöpft. Es besteht zum 46
Beispiel eine Notwendigkeit, ein weitläufiges soziales Netzwerk zum 47
Austausch für Angehörige, vor allem Eltern und Geschwisterkinder zu 48
entwickeln. Darüber hinaus sollte eine breit gefächerte Aufklärung auf 49
gesellschaftlicher Ebene die Basis für ein umfassendes Verständnis für 50
Menschen mit Autismus sein. 51
52
5. Nach welchen theoretischen Ansätzen arbeitet der Sozialarbeiter in der 53
Autismusambulanz? 54
55
Theoretische Ansätze, die die Soziale Arbeit der AuAm bestimmen sind 56
vor allem Wertschätzung und Akzeptanz, Inklusion, 57
Lebensweltorientierung, Empowerment, Ressourcenorientierung, 58
Umfeldbezogenheit. 59
Zusätzlich wir nach autismusspezifischen Ansätzen wie Teacch, Pecs, 60
ABA, verhaltenstherapeutische Ansätze, Theory of Mind, Social Stories 61
und Comic Strip Conversation gearbeitet. 62
63
6. Wo liegen in der Autismusambulanz die Grenzen für die Soziale Arbeit? 64
65
Grenzen liegen vor allem in den staatlichen, insbesondere finanziellen 66
und strukturellen Vorgaben / Gegebenheiten. Soziale Arbeit basiert auf 67
Gesetzen und setzt entsprechend fast ausschließlich bei der Intervention 68
XLVIII
an. Sozialpolitisch ist präventive, aufklärende Soziale Arbeit kaum 69
vorgesehen und lässt sich kaum umsetzen. 70
XLIX
Anlage VI – schriftliche Befragung Frau Müller 1
2
Ort: - - - (Befragung fand per E-Mail statt) 3
Datum: 21.01.2013 4
Teilnehmer: Interviewerin Christina Michael, Frau Müller 5
6
1. Welche Rolle spielt die Soziale Arbeit /Sozialpädagogik in der 7
Therapie/Betreuung von Menschen mit Autismus? 8
9
- Im Vorfeld ist doch zunächst wichtig Wer, Wann und Wo die 10
Diagnose Autismus gestellt hat. 11
- Ist dies bzw. der Verdacht auf das Vorliegen einer 12
autistischen Störung im SPZ erfolgt, so werde ich als 13
Sozialarbeiter für die weiteren Fragen, (z.B. Beantragung 14
von SB- Ausweis, Beratung bezüglich der Beschulung bzw. 15
Schulbegleitung, Zusammenarbeit mit anderen Institutionen 16
u.s.w.) in die Behandlung mit einbezogen. 17
- Da wir in Dresden eine Autismusambulanz haben, stellen wir 18
die Kinder auch zur genauen Diagnostik dort vor. Die 19
intensive Betreuung der Eltern läuft dann 20
auch über die Sozialarbeiter dort. 21
22
2. Was sind (weitere)Aufgaben des Sozialarbeiter/-pädagogen im 23
SPZ? 24
25
- Die Aufgaben eines Sozialarbeiters im SPZ sind im 26
Altöttinger Papier geregelt und werden in der Praxis 27
entsprechend angewandt und umgesetzt. 28
- Die einzelnen Aufgabengebiete sind sehr komplex und 29
gehen von individueller Beratung, Gruppengesprächen, 30
Beantragung von Hilfen, Zusammenarbeit mit Ämtern, 31
Behörden und Einrichtungen, Beantwortung von Anfragen, 32
Teilnahme an Gesprächen in Einrichtungen, Elternkurse 33
L
über Mitarbeit in verschiedenen Arbeitsgruppen und 34
Netzwerken. 35
- Diese Aufgaben und deren individuelle Umsetzung sind 36
sicher auch von SPZ zu SPZ unterschiedlich (richtet sich 37
sicher auch nach Anzahl der SA und dem Einzugsgebiet). In 38
meiner zwanzig jährigen Arbeit im SPZ habe ich die 39
vielfältigsten und unterschiedlichsten Aufgaben und 40
Probleme mit den Eltern gemeistert. Durch die Möglichkeit 41
auch Vorort (Häuslichkeit, Schule oder ähnliches) tätig zu 42
werden, sind da auch keine Grenzen gesetzt. 43
44
3. Inwieweit unterscheidet sich die Soziale Arbeit von anderen 45
Disziplinen im SPZ? 46
47
- Die Therapieeinheiten werden am Kind durchgeführt, der 48
Therapeut gibt den Eltern Anleitung, Hinweise und 49
Ratschläge. Das besondere eines SPZ ist die Teamarbeit, 50
also es werden immer die entsprechenden Absprachen, 51
individuellen Informationen und Entscheidungen im Team, 52
zum Wohle und der Entwicklung des Kindes jedoch unter 53
Berücksichtigung der jeweiligen familiären und sozialen 54
Verhältnisse, getroffen. Der Sozialarbeiter ist dabei ein 55
wichtiges Teammitglied und trägt durch die gewonnenen 56
Kenntnisse über die Familie nicht unerheblich zum 57
Behandlungserfolg bei. Oftmals liegen die Gründe für 58
Auffälligkeiten in der Entwicklung eines Kindes an der 59
Gesamtkonstellation der Familie und lassen sich nicht mit 60
verordneten Therapien lösen. 61
62
63
64
65
66
LI
4. Sind die Möglichkeiten der Sozialen Arbeit ausgeschöpft? Was 67
müsste an Angeboten für Angehörige von Kindern mit Autismus 68
noch geschaffen werden bzw. was könnte noch ausgebaut 69
werden? 70
71
- Spezielle Angebote für Angehörige von Kindern mit 72
Autismus bieten wir in unserer Einrichtung nicht an, da wir 73
hochgerechnet ungefähr nur 10 Kinder mit Autismus 74
betreuen. 75
- In unserem Einzugsgebiet liegt die Autismusambulanz 76
Dresden, dort werden die Familien umfassend betreut. Es ist 77
mir bekannt das Jugendliche mit Autismus in eine 78
Gruppenarbeit eingebunden sind und verschiedene 79
Aktivitäten gemeinsam erleben. 80
Die Rückmeldung der betroffenen Eltern ist positiv, sie fühlen 81
sich dort mit ihren Problemen angenommen und umfassend 82
betreut. 83
84
5. Nach welchen theoretischen Ansätzen arbeitet der Sozialarbeiter 85
im SPZ? 86
87
- Die Arbeit des Sozialarbeiters ist im Altöttinger Papier- 88
Qualität in der Sozialpädiatrie (Band3). 89
Dort sind auf Seite 170 Autistische Störungsbilder- 90
Diagnostik und Therapie alle relevanten Aufgaben bezüglich 91
der Behandlung des Autismus im SPZ beschrieben. 92
93
6. Wo liegen im SPZ die Grenzen der Sozialen Arbeit? 94
95
- Die Vorraussetzungen zur Behandlung im SPZ ist immer die 96
Überweisung durch einen Kinderarzt oder Kinder- und 97
Jugendpsychiater, ohne diesen Behandlungsauftrag können 98
wir nicht diagnostisch und therapeutisch tätig werden. 99
LII
- Die Vorstellung und Behandlung basiert also auf freiwilliger 100
Entscheidung der Eltern und kann von ihnen jederzeit 101
beendet/abgebrochen werden. Somit sind uns manchmal 102
Grenzen der Einflussnahme auf die Entwicklung des Kindes 103
gesetzt. 104
- Um Soziale Arbeit jedoch erfolgreich durchführen zu können 105
ist die Schaffung von Vertrauen, Fingerspitzengefühl und 106
Verständnis notwendig. 107
- Um Zusammenhänge zu sehen und auch zum Wohl des 108
Kindes reagieren zu können ist die Mitarbeit in Netzwerken, 109
die Zusammenarbeit mit Jugend-und Sozialamt, 110
Wohlfahrtsorganisationen, Schulen und anderen 111
Kindereinrichtungen von enormer Bedeutung. 112
- Die Soziale Arbeit hat einen hohen Stellenwert in der SPZ 113
Arbeit, jedoch ist die Finanzierung der Stelle des 114
Sozialarbeiters/Sozialpädagogen nicht in allen SPZ 115
gesichert, es ist ja keine Kassenleistung. Dazu sollten Sie 116
wissen, dass die Finanzierung des SPZ mit der verhandelten 117
Kassenpauschale und zum Teil von den Sozialämtern (des 118
Einzugsgebietes) der Landratsämter getragen wird. Die 119
Stelle des SA müsste also von diesen Anteil finanziert 120
werden, da aber einige Sozialämter sich nicht oder nur zu 121
einem geringeren Maße an den Kosten beteiligen können 122
Finanzierungslücken entstehen. 123
- Es ist schon ein jahrelanger „Kampf“ und die Ämter sehen 124
dabei auch nicht welchen erheblichen Beitrag wir als 125
Gesamteinrichtung eigentlich leisten und das wir oft z.B. 126
unsere Ergebnisse ihnen bei der Beantragung von Hilfen 127
zur Verfügung stellen (alles unter Beachtung der 128
Schweigepflicht und mit Einverständnis der Eltern), es ist 129
also äußerst unbefriedigend wenn diese sich dann bei den 130
Kosten herausnehmen. 131
Literaturverzeichnis
Bücher, Zeitschriften, Broschüren
Brauns, Axel (2004): Buntschatten und Fledermäuse. Mein Leben in einer
anderen Welt. München: Wilhelm Goldmann Verlag.
Brealy, Jackie; Davies, Beverly (2009): So helfen Sie Ihrem autistischen
Kind. Praktische Tipps für ein besseres Familienleben. Bern: Verlag
Hans Huber.
Cloerkes, Günther (1997): Soziologie der Behinderten. Eine Einführung.
Heidelberg: Universitätsverlag C. Winter – Programm „Edition
Schindele“.
Dellbrügge, Friederike (2009): Individuell fördern mit Hilfe des TEACCH
Ansatzes – Möglichkeiten der Förderung von Kindern mit
autistischen Verhaltensweisen durch den TEACCH Ansatz am
Beispiel des Schwimmunterrichts. Bachelorarbeit. Fachhochschule
Potsdam, FB Sozialwesen.
Dilling, H. (Hrsg.); Mombour, W.; Schmidt, M.H. (2011): Internationale
Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10 Kapitel V (F).
Klinisch-diagnostische Leitlinien. 8., überarbeitete Auflage. Bern:
Verlag Hans Huber.
Finger, Gertraud (2000): Ja, mein Kind ist anders. Ein Mutmachbuch für
Eltern behinderter Kinder. Zürich: Kreuz Verlag.
Grunwald, Klaus; Thiersch, Hans (2005): Lebensweltorientierung. Zur
Entwicklung des Konzepts Lebensweltorientierte Soziale Arbeit. In:
Otto, Hans-Uwe; Thiersch, Hans (Hrsg.): Handbuch. Sozialarbeit.
Sozialpädagogik. 3. Auflage. München: Ernst Reinhardt Verlag.
Grünzinger, Eberhard (2005): Geschwister behinderter Kinder.
Besonderheiten, Risiken und Chancen. Ein Familienratgeber.
Neuried: CARE-LINE Verlag.
Häußler, Anne (2005): Der TEACCH Ansatz zur Förderung von Menschen
mit Autismus. Einführung in Theorie und Praxis. Dortmund:
BORGMANN MEDIA.
Kamp-Becker, Inge; Bölte, Sven (2011): Autismus. München: Ernst
Reinhardt Verlag.
Pauls, Helmut (2004): Klinisch Sozialarbeit. Grundlagen und Methoden
psycho-sozialer Behandlung. Weinheim, München: Juventa Verlag.
Poustka, Fritz; Bölte, Sven; Feineis-Matthews, Sabine; Schmötzer,
Gabriele (2004): Band 5. Ratgeber Autistische Störungen.
Informationen für Betroffene, Eltern, Lehrer und Erzieher. In:
Döpfner, Manfred; Lehmkuhl, Gerd; Petermann, Franz: Ratgeber
Kinder- und Jugendpsychotherapie. Göttingen: Hogrefe-Verlag.
Remschmidt, Helmut (2005): Autismus. Erscheinungsformen, Ursachen,
Hilfen. 3. Auflage. München: Verlag C. H. Beck.
Richman, Shira (2004): Wie erziehe ich ein autistisches Kind? Grundlagen
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Saß, Henning; Wittchen, Hans-Ulrich; Zaudig, Michael (1998):
Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen.
DSM-IV. 2., verbesserte Auflage. Göttingen: Hogrefe-Verlag.
Steinhausen, Hans-Christoph (2002): Psychische Störungen bei Kindern
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München, Jena: Urban & Fischer Verlag.
Rechtsquellen
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26.06.1990 in der Fassung vom 11.09.2012 (BGBl. I S. 2022)
Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) – Rehabilitation und Teilhabe
behinderter Menschen vom 19.06.2001 in der Fassung vom
12.04.2012 (BGBI. I S. 579)
Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) – Sozialhilfe vom 27.12.2003
in der Fassung vom 12.04.2012 (BGBl. I S. 579)
Internetquellen
Autismusambulanz Dresden: Behandlungsangebot
http://www.autismusambulanz-dresden.de/Behandlungsangebot
verfügbar am: 30.12.2012 15:05 Uhr
Autismus Deutschland e.V. (a): Rechtsansprüche nach
Lebensabschnitten. Teil 1 von 2
http://w3.autismus.de/pages/startseite/denkschrift/recht-und-
finanzierung/rechtsansprFCche-nach-lebensabschnitten.php
verfügbar am: 07.12.2012 13:31 Uhr
Autismus Deutschland e.V. (b): Rechtsansprüche nach
Lebensabschnitten. Teil 2 von 2
http://w3.autismus.de/pages/startseite/denkschrift/recht-und-
finanzierung/rechtsansprFCche-nach-
lebensabschnitten/rechtsansprFCche-nach-lebensabschnitten-
2.php?phpMyAdmin=Nk7ezPUuEdomcU03MTcM-wfhF5f verfügbar
am: 07.12.2012 19:27 Uhr
Autismus Hamburg e.V.: Ursachen
http://www.autismushamburg.de/ursachen.html
verfügbar am: 03.11.2012 20:54 Uhr
Autismus Köln/ Bonn e.V.: Diagnostik
http://www.autismus-koelnbonn.de/autismus/diagnostik.htm
verfügbar am: 03.11.2012 11:16 Uhr
Häußler, Anne (2006): TEACCH – mehr als eine Methode zur Förderung
von Menschen mit Autismus.
http://www.team-autismus.de/frameset.html verfügbar am:
02.01.2013 12:11 Uhr
Häußler, Anne (o.J.): Strukturierung als Hilfe zum Verstehen und Handeln:
Die Förderung von Menschen mit Autismus nach dem Vorbild des
TEACCH-Ansatzes.
http://www.autismus-in-berlin.de/Teacch-AnneHaeussler.pdf
verfügbar am: 06.01.2013 18:52 Uhr
Sozialpädiatrisches Zentrum (Städtisches Krankenhaus Dresden-
Neustadt): Arbeitsweise.
http://www.khdn.de/index.php?entry_id=7&station_id=64 verfügbar
am: 01.01.2013 11:57 Uhr
Selbstständigkeitserklärung
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne
fremde Hilfe verfasst und keine anderen Hilfsmittel als angegeben
verwendet habe. Insbesondere versichere ich, dass ich alle wörtlichen und
sinngemäßen Übernahmen aus anderen Werken als solche kenntlich
gemacht habe.
Döbeln, den 10. Februar 2013
Christina Michael