Kirche und Schule in Äthiopien - Tabor Society · 2020. 11. 5. · Kirche und Schule in...

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Kirche und Schule in Äthiopien Mitteilungen der Tabor Society e.V. Heidelberg ISSN 1615-3197 Heft 65 / November 2013

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  • Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 64 / November 2011

    Kirche und Schulein Äthiopien

    MitteilungenderTabor Society e.V. Heidelberg

    ISSN 1615-3197

    Heft 65 / November 2013

  • Dieses Mitteilungsblatt ist als Manuskript gedruckt und fürdie Freunde und Förderer der Tabor Society bestimmt.Herausgeber der Zeitschrift ist der Vorstand. Verantwortlichim Sinne des Pressegesetzes ist der Vorstandsvorsitzende.Der Vorstand beruft die Redaktion.Die Tabor Society wurde am 22. März 1976 beimAmtsgericht Heidelberg unter der Nr. 929 insVereinsregister eingetragen. Das Finanzamt Heidelberg hatam 21. 07. 2011 unter dem Aktenzeichen 32489/38078 derTabor Society e.V. Heidelberg den Freistellungsbescheidzur Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer für die Kalen-derjahre 2008, 2009, 2010 zugestellt. Darin wird festgestellt, dass die Körperschaft Tabor Societye.V. nach § 5 Abs.1 Nr.9 KStG von der Körperschaftssteuerund nach § 3 Nr. 6 GewStG von der Gewerbesteuer befreitist, weil sie ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstig-ten gemeinnützigen Zwecken im Sinne der §§ 51 ff. AOdient. Die Körperschaft fördert, als allgemein besonders för-derungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zweck, die Ju-gendhilfe. Die Körperschaft ist berechtigt, für Spenden undMitgliedsbeiträge, die ihr zur Verwendung für diese Zweckezugewendet werden, Zuwendungsbestätigungen nach amt-lich vorgeschriebenem Vordruck (§ 50 Abs. 1 EStDV) aus-zustellen.Der Mitgliedsbeitrag für ein Jahr beträgt 20,- EUR;Studenten und Nichterwerbstätige zahlen den ermäßigtenBeitrag von 10,- EUR, er gilt als Spende. Für die Arbeit derGesellschaft werden jedoch Spenden über diesen Betraghinaus dringend gebraucht.Bitte benutzen Sie für Ihre Zahlungen das den Heften von„Kirche und Schule“ beigefügte Formular, auf diesemZahlungsbeleg ist die für die Steuerbehörde notwendigeSpendenbescheinigung bereits aufgedruckt.

    Vorstandsmitglieder der Tabor Society:

    1. Vorsitzender:Pfr. em. Jan-Gerd BeinkeFurtwängler-Str. 1569121 HeidelbergTel.: 06221 - 9148275

    Stellvertr. Vorsitzende und Schriftführerin:Dr. Verena BöllAlaunstr. Str. 5301099 DresdenTel.: 0351- 8014606

    Schatzmeisterin:Dorothea GeorgieffIm Steuergewann 268723 OftersheimTel.: + Fax: 06202 - 55052

    BeisitzerDr. Kai BeermannSteeler Str. 40245138 EssenTel.: 0201 - 265746Pastor Markus Lesinski Im Sieksfeld 1930966 Hemmingen0171 - 3184995Prälat Martin PischelZwölfling 1445127 Essen Tel.: 0201 - 232574

    ISSN 1615-3197http://www.tabor-society.de

    Konto der Tabor Society:IBAN:

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    Anschrift der Redaktion von KuS:Annegret Marx u. Dr. Friedrich DworschakGrüneck 4, 52064 Aachen Tel.: 0241 - 75124 Fax: 0241-709 1880E-Mail: [email protected]

    Die in „Kirche und Schule“ veröffentlichten Beiträge sind nicht in jedem Fall mit der Meinung der Redaktion identisch.Kosten pro Heft: 5,- €

    KIRCHE UND SCHULE IN ÄTHIOPIEN (KuS)

    - Mitteilungen der TABOR SOCIETY -Deutsche Gesellschaft zur Förderung orthodoxer Kirchenschulen in Äthiopien e.V. Heidelberg

    IM P R E S S U M

    Wissenschaftlicher Beirat :Prof. Dr. Peter Bruns, Universität EichstättDr. Getie Gelaye, Universität HamburgProf. Dr. Wolfgang Hahn, Universität WienProf. Dr. Manfred Kropp, Universität MainzDr. Kai Merten, Universität Frankfurt

    Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 65 / November 2013

  • Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 64 / November 2011

    INHALTSVERZEICHNIS

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    Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 65 / November 2013

    Editorial 4Aus dem Vereinsleben der Tabor Society Aus der Vorstandsarbeit Protokoll der Mitgliederversammlung in Frankfurt am 29.9.2012 Kassenprüfungsbericht 2012 Kassenprüfungsbericht 2011

    5678

    Mitgliederversammlung und Einladung zum Mäsqälfest 2012Unterstützung der Kirchenschulen

    Meldungen aus Deutschland

    810

    34. Deutscher Evangelischer Kirchentag Hamburg vom 1.-5. Mai 2013 Dreißig Jahre äthiopisch orthodoxe Kirchengemeinde in Köln-LongerichM. Kock: Ansprache zum Jubiläum der Äthiopisch Orthodoxen Gemeinde am 16. Juni 2013

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    Meldungen aus Äthiopien

    K.Beermann und M. Pischel: Besuch der von der Tabor Society unterstützten Kirchenschulen 17V. Böll: Briefe aus ÄthiopienV. Böll: Abunä Matǝyas (Matias)* - Neuer Patriarch in ÄthiopienM. Lesinski: Die koptisch orthodoxe Kirche vor dem Ende?

    Patriarch Tawadros schon zu Beginn seiner Amtszeit gefordert

    242930

    A. Marx: Eine sehr alte Rose aus Äthiopien F. Dworschak: Die bedrohte Klosteranlage von Waldeba

    Artikel

    3334

    H. und I. Falkenstörfer: Der große Versuch – Äthiopiens waghalsiger Sprung nach vornM. Feuerstein-Tubach: Äthiopienreise Mai / Juni 2013

    3540

    Rezensionen

    V. Böll: MAAZA MENGISTE, Unter den Augen des LöwenV. Böll: BREYER: FRANCIS, Das Königreich Aksum. Geschichte und Archäologie Abessiniens in derSpätantik

    4343

    V. Böll: BOMBECK: STEFAN, Die Geschichte der heiligen Maria in einer alten äthiopischen HandschriftJ.-G. Beinke: MARIE LUISE KREUTER, Äthiopien – von innen und außen: gestern und heuteJ.-G. Beinke: KAI MERTEN, Das äthiopisch-orthodoxe Christentum - Ein Versuch zu verstehenV. Böll: The Teaching of the Abyssinian Church: as set forth by the doctors of the same. Translated bythe Rev. A.F. Matthew.

    44474849

    A. Marx: DOROTHEA MCEWAN, The Story of Däräsge Maryam

    Seite für Kinder

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    Die äthiopische Küche 53

  • Editorial

    Liebe Leser/Innen,

    vielleicht haben Sie beim ersten Durchblättern des Heftes Nr. 65 von „Kirche und Schule“ von Äthiopi-en den Eindruck gewonnen, dass hier etliche Beiträge doppelt abgedruckt wurden. Zwei Kassenberichteusw. Hier liegt aber kein Fehler von Redaktion oder Druckerei vor. Im Jahr 2012 ist kein Heft von „Kir-che und Schule“ erschienen. Das vorliegende Heft Nr. 65 soll den Zeitraum von 2 Jahren abdecken.Deshalb enthält es 2 Kassenberichte.

    Sinnigerweise können wir diesmal 2 interessante Reiseberichte von vier Mitgliedern der Tabor Societynach Äthiopien veröffentlichen.

    Wir gedenken in 2 Nachrufen des verstorbenen berühmten Kirchenlehrers M.Haile Mikael aus MekaneYesus in Este und berichten über 2 Patriarchenwahlen in Äthiopien und Ägypten. Übersetzte Briefe ausÄthiopien, Nachrichten aus den Kirchenschulen und der Vorstandsarbeit schließen diesen Teil des Hef-tes ab.

    Der Vortrag von Herrn H. Falkendörfer, Pfr. i.R., auf der Mitgliederversammlung 2011 in Heidelberg„Der große Versuch: Äthiopiens waghalsiger Sprung nach vorn“ soll uns die dramatischen wirtschaftli-chen und sozialen Veränderungen bewusst machen, die sich zur Zeit in der äthiopischen Gesellschaftvollziehen!

    Kurzberichte vom letzten Kirchentag; zum 30 jährigen Jubiläum der äthiopisch-orthodoxen Ge-meinde in Köln und Tagungen informieren über Ökumene mit Äthiopiern in Deutschland; neusind in diesem Heft die Kinderseiten und die äthiopischen Kochrezepte; mehrere Buchrezensionenschließen wie immer das Heft ab.Als Herausgeber danke ich allen Autoren für ihre Beiträge für das Heft. Ich danke für die Fotos, die derRedaktion zur Verfügung gestellt wurden, die oft den stärksten Eindruck von Äthiopien machen.Schließlich danke ich Frau Annegret Marx und Herrn Dr. Friedrich Dworschak für die Redaktion desHeftes.

    Schließlich möchte ich unseren treuen Spendern herzlich für ihre Hilfsbereitschaft danken, die uns erstdie Möglichkeit gibt, die armen Kirchenschulen in Äthiopien zu unterstützen.

    Wir laden auch auf diesem Wege alle Mitglieder und Freunde der Tabor Society zur diesjährigen Mit-gliederversammlung ein am Samstag, dem 16.11.2013 um 16.00Uhr im Gemeindesaal der evang.-me-thodistischen Kirche am Marktplatz in Heidelberg-Neuenheim,Lutherstraße 13a.

    Jan-Gerd Beinke, Pfr.em.Vorsitzender der Tabor Society e.V

    Heidelberg, den 08.09.2013

    Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 65 / November 2013

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  • 34. Deutscher Evangelischer Kirchen-tag Hamburg vom 1.-5. Mai 2013Soviel du brauchst

    Seit ihren Anfängen engagiert sich die äthiopischorthodoxe Kirche (EOTC) mit ihren Geistlichenund verschiedenen Gemeinden auch auf denDeutschen Evangelischen Kirchentagen.Während des sog. „Abends der Begegnung“ undim „Markt der Möglichkeiten“ wirken sie re-gelmäßig und berichten so lebendig aus ihrer ei-genen Geschichte und ihrem Leben sowie ausÄthiopien. So auch in Hamburg vom 01.-05.05.13.

    Mi 01.05 18:00-22:00 Abend der Begegnung„Soveel as du bruukst!

    Zwischen ehrwürdigem Rathaus, historischerSpeicherstadt und moderner HafenCity erwarteteuns norddeutsche Gastfreundschaft. Kirchenge-meinden und Einrichtungen aus der ganzenNordkirche luden zu einer fröhlichen Mischungvon Musik und Schnack, Tanzen und Feiern, Ku-linarischem und Kultur, Spiel und Spaß ein. Wirerlebten typisch Norddeutsches und ferne Län-der. Die Äthiopier hatten ihren Stand in der Näheder neu renovierten St. Katharinenkirche. Es gabMusik zu hören und leckeres Essen, Plakate,kleine Gegenstände sowie hübsche Kleider zuverkaufen.

    Do 02.05.- Sa 04.05 10:30-18:30 Markt derMöglichkeiten in der Messehalle A1

    Unter dem Titel „Karawanserei – Christen imNahen Osten“ berichteten die orientalisch ortho-doxen Kirchen aus Ägypten, Äthiopien, Armen-ien und Syrien und ihre Vertreter in Deutschlandund Unterstützer wie die TS neben der koptischevangelischen Kirche in Ägypten (Nilsynode),dem Jerusalemverein und dem ÖkumenischenWeltgebetstag in Wort, Bild und Ton aus ihrer ei-genen Heimatkirche und dem Leben in der deut-schen Diaspora. Die Äthiopier hatten einenschönen Eckplatz mit zwei Wänden und zweiTischen. Jeder brachte Sachen mit, sodass unserStand jeden Tag Neuigkeiten hatte: liturgischeGewänder der Priester, Holz- und Metallkreuze,Bücher, Plakate, Ikonen, Kerzen, Körbe, Gebets-stöcke sowie Filme über die EOTC. Pastor Mar-kus Lesinski hatte diesen Bereich im Auftrag desKirchentags organisiert. Mit seiner freundlichen

    Unterstützung fanden die von uns mitgebrachtenGegenstände einen passenden Platz. Unsere ganzbesondere Attraktion war Kaffee, der an den dreiNachmittagen vor Ort mit Weihrauch zubereitetwurde. Unser Stand war informativ, beeindruck-end vielseitig und prächtig, sagten viele Be-sucher.

    Mit dem Satz „Aha, hier sind die Kopten!“ sindmehrere Leute zu uns gekommen. Mit unserer

    Antwort „Nein, sie sind dort, uns gegenüber“überraschten wir immer wieder. Und schon hat-ten wir das erste Thema zum Erklären. AndereThemen waren z.B. Kirchengeschichte, Gottes-dienste, die Gegenstände und ihre Anwendung,Geez und Amharisch. Die TS wurde durch alteKuS-Hefte und Infoblätter sowie mit Kleidungs-stücken im Verkauf dargestellt. Über die Unter-stützung der Klosterschulen wurde mündlichberichtet. Pastor Jan Gerd Beinke war am Frei-tag da und Dr. Verena Böll mit Tochter Lilly amSamstag.

    Am Donnerstagnachmittag, dem 02.05., gab esunter dem Titel „Ort der Begegnung“ auf der Wi-ese der Schröderstift Basar mit Köstlichkeitenaus der äthiopischen vegetarischen Küche.

    Vom Samstag, dem 04. – 05.05 wurde die Oster-nachtliturgie in der evangelischen Kirche St.Martinus zelebriert. Am Anfang wurde Abba Ge-bre Tsadeq aus Holland gebeten, etwas zur Infor-mation zur äthiopischen Liturgie für die nicht-äthiopischen Kirchentagbesucher zu erklären.Was wir aber zu hören bekamen, war ein unver-

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    Meldungen aus Deutschland

    Von links nach rechts: Maija Priess, Alganesh Ge-breegziabher, Woinshet Beyene, Verena Böll, AbbaGebre Tsadeq (aus Holland), Tadesse Tilahun, RahelAlemayehu und Markus Lesinski.

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  • ständlicher Bericht über die Bedeutung der vierElemente dieser Welt. Der Äthiopier, der als Dol-metscher amtieren musste, hatte erheblicheSchwierigkeiten, einen kirchlich-philosophi-schen Text aus dem Amharischen ins Deutschezu übersetzen. Ansonsten lief alles auf Geez undAmharisch wie gehabt. Schade, die Chance,einander kennen zu lernen, war verpasst!

    Die Liturgie war jedoch großartig! Sie dauerteinsgesamt bis 5.00 Uhr morgens, wonach es nochleckeres Essen in fröhlicher Stimmung gab.Übrig waren nur noch ein handvoll Nicht-Äthiopier.

    So freuen wir uns auf ein Wiedersehen währenddes nächsten Deutschen Evangelischen Kirchen-tags im Jahr 2015 in Stuttgart.

    Quellen:

    Programmheft des 34. DEKT in Hamburg

    Markus Lesinski: Anderes Christentum in derKarawanserei, Christen aus dem Nahen Ostenberichten über ihre existentielle Situationwährend des Kirchentags (Info-Brief)

    Dr. Maija Priess, Hamburg

    Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 65 / November 2013

    Dreißig Jahre äthiopisch orthodoxeKirchengemeinde in Köln

    Die Einladung zu diesem Fest zitiert Psalm 113mit dem Lob Gottes, aber auch ein Zitat von Her-mann Hesse: „Man muss das Unmögliche versu-chen, um Mögliches zu erreichen“– ein Erzprie-ster aus Äthiopien zitiert Hermann Hesse!Dr. Merawi Tebege, seit 30 Jahren Priester dieserersten äthiopisch orthodoxen hat wahrlich Un-mögliches versucht: Seine Hingabe, die Unter-stützung seiner Frau und vieler, vieler Gemeinde-mitglieder haben sich wahrlich verwirklicht indieser lebendigen Gemeinde und dem Gottes-haus, dessen stolzer Besitzer die äthiopisch or-thodoxe Kirche in Deutschland heute ist.

    Die Gemeinde feierte dieses Jubiläum gleich inzwei Veranstaltungen:

    Am 16. Juni mit einer großen Festveranstaltungam Samstag, gefolgt vom feierlichen Festgottes-Dr Merawi Tebege © F. Dworschak

    Prozession © F. Dworschak

    Tanz © F. Dworschak

    12 Meldungen aus Deutschland

  • dienst am Sonntag und einer fröhlichen Prozessi-on durch den Kölner Ortsteil Köln-Longerichund anschließendem Festmahl im Femeindehausder katholischen Gemeinde St. Dionysius.In einer zweiten Veranstaltung am 14. Septemberbegrüßte man das Neue Äthiopische Jahr mit ei-nem Äthiopientag in Zusammenarbeit mit demRautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen derWelt und dem EG-Forum e.V.Die Äthiopier sind wirklich mitten in Köln ange-kommen! Wie kam es dazu? Die Anfänge der äthiopisch orthodoxen Kirchen-gemeinde liegen in den seelsorgerlichen Notwen-digkeiten der frühen 1980er Jahre. Zu dieser Zeitgab es wegen des Bürgerkrieges in Äthiopienhohe Zuzugszahlen von Flüchtlingen. Die inDeutschland aufgenommenen Äthiopier undEritreer waren meistens jung und konnten hier inder Sicherheit ihr privates Leben beginnen.Hochzeiten, Kindtaufen und auch Beerdigungensind für christliche Äthiopier traditionell ohne or-thodoxe Kirche nicht denkbar; das machteschließlich die Anwesenheit eines Priesters dereigenen Kirche in Deutschland notwendig. Durchdie Hilfe der Evangelischen Kirche waren inKöln besonders gute Voraussetzungen gegeben,deshalb konnten Flüchtlinge hier die erste Kir-chengemeinde als einen eingetragenen Vereingründen; der frisch in Heidelberg promovierteDr. Merawi Tebege wurde ihr Pfarrer.Für die junge Familie Tebege mit ihren zweikleinen Kindern bedeutete das ein Riesenwagnis;zunächst einen Verzicht auf das Leben im Hei-matland und eine gute Stelle im Patriarchat, unddann den Aufbau einer Gemeinde in einem Land,das dunkelhäutigen Menschen noch immer vollerVorbehalte gegenübersteht. Das bedeutete auchsehr wenig Geld zum Leben, Auseinandersetzungmit den politischen Verhältnissen, mit Neid undIntrigen unter den im Exil lebenden und am Exilleidenden Menschen aus den Heimatländern. Un-mögliches versuchen...

    Das Wagnis gelang aus dem festen Glauben her-aus. Heute ist eine große lebendige Gemeinde inKöln fest zusammengewachsen; darüber hinausgibt es Gemeinden in München, Nürnberg, Wies-baden, Frankfurt, Stuttgart, Berlin und Hamburg:Zentren eines lebendigen geistlichen Lebens undpulsierender äthiopischer Tradition. Zu diesemfestlichen Jubiläum in Köln versammelten sichHohe Gäste. Präses Manfred Kock, der die Ge-

    meinde von den frühesten Anfängen begleitethat, beschreibt in seiner Fest-Ansprache die Si-tuation und den Weg der Gemeinde als ein wert-volles Geschenk an die Oekumene in Deutsch-land.

    Deshalb hat die Redaktion von „Kirche undSchule in Äthiopien“ sich entschlossen, ausdiesem Anlass den Text der Ansprache von Prä-ses i.R. Manfred Kock abzudrucken. Er gehtdarin auf die Geschichte der Gemeinde ein undhebt in seiner Ansprache hervor, welchen geist-lichen Reichtum die Äthiopier in der Begeg-nung mit den anderen Kirchen einbringen:„Jede Kirche ist für sich allein zu arm. Siebraucht den geistlichen Reichtum der ande-ren.“ Wir möchten dies ergänzen: Mit jedem jungenMenschen aus Afrika der sich aufmacht seineZukunft in Europa zu suchen, verlieren wir einLeben, einen Menschen der mutig ins Ungewis-se ging, der im überalterten und satten Europaseine Fähigkeiten und seine Energie und Res-source hätte einbringen können. Wir sind im-mer noch unermesslich reich an Geld – aberarmselig an Zuversicht und Barmherzigkeit.Für uns allein sind wir zu arm, wir brauchenauch den menschlichen Reichtum der anderen:Wann lernen wir miteinander zu leben und die-se Welt gemeinsam zu gestalten?

    Die Redaktion

    Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 65 / November 2013

    Meldungen aus Deutschland

    Dieses Heft 65 von KuS entsteht unter dem Ein-druck der Katastrophe in Lampedusa am 3.Okober 2013, bei dem 300 Menschen auch ausEritrea im Mittelmeer den Tod fanden. Es sindnicht ferne Afrikaner, sondern es sind Brüderund Schwestern, Vettern und Cousinen unsererMitchristen und Mitbürger aus Äthiopien undEritrea: ihnen gehört unser Mitgefühl und un-sere Solidarität.

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  • Ansprache zu Jubiläum der ÄthiopischOrthodoxen Gemeinde am 16. Juni2013

    Manfred Kock, Präses i. R.

    „Gelobt sei der Name des Herrn von nun an bisin Ewigkeit! Vom Aufgang der Sonne bis zu ihremNiedergang sei gelobt der Name des Herrn.“

    Dieser Vers aus dem 113. Psalm steht über derEinladung zum Jubiläum. Er drückt die Freudeder Äthiopischen Gemeinde aus, die hier in die-ser Kirche eine Heimat gefunden hat.

    1. So preise ich mit Ihnen den Herrn

    und danke für die ehrwürdige Äthiopisch-Ortho-doxe Kirche in unserer Stadt – in unserem Land.

    In dieser Kirche hier, die einmal die Lutherkapel-le war, ist die Botschaft Jesu Christi verkündigtworden. Sie hat Freude und Lobpreis und Dank-barkeit ausgelöst für das Glück, das Menschenerfahren durften. Sie hat getröstet in Zeiten vonSehnsucht und Heimweh, von Trauer und Ster-ben.Die Botschaft stärkt bis heute. Sie hilft, dassMenschen Barmherzigkeit üben und sich für Ge-rechtigkeit einsetzen. Auch wenn die Wirkungder Christusbotschaft manchmal schwach zu seinscheint, ist sie immer wieder die Kraftquelle undMitte des Glaubens. Das wird auch künftig sosein.

    2. Wie es war

    Es gab seit dem Zweiten Weltkrieg immer wiederFlüchtlingswellen – aus Eritrea wegen der Bür-gerkriege, - aus Äthiopien nach dem Sturz HaileSelassies; - nach dem Sturz des Mengistu-Regi-mes.

    Die gegensätzlichen Fluchtgründe führten immerwieder zu Spannungen unter denen die hier nachDeutschland gekommen waren - Spannung biszum Zerreißen. Schon die Einweihung der Kir-che fand in einer atemberaubenden Auseinander-setzung statt, Die dabei waren, erinnern sich andie Sprechchöre und Plakate. Etliche fürchteten,die Gemeinde könnte ein Instrument des kommu-nistischen Regimes in Addis Abeba werden.Dr. Merawis Verdienst war es, dass die Kirchesich nie den jeweiligen Strömungen angepasst

    hat. Die wichtigste Linie war die Verbindung zurBotschaft Jesu Christi und zur Mutterkirche. Ver-lockungen gab es wohl, Kirche sollte sich einerExilkirche anschließen. Aber: Wer auch immerPatriarch ist - die Verbindung zu ihm und zurSynode in der Heimat wurde und wird gewahrt.Uns, den Partnern, hat das die Zusammenarbeiterleichtert.

    3. Ein Ökumenisches Geschenk

    Die ehrwürdige alte afrikanische Kirche ist mitden Menschen in unser Land gekommen. Dashilft uns, unser eigenes Kirchenbild nicht zumendgültigen Kirchenbild zu machen. Wir habendurch diese Begegnung etwas Entscheidendesgelernt: Jede Kirche ist für sich allein zu arm. Siebraucht den geistlichen Reichtum der anderen.

    Bei der Äthiopisch-Orthodoxen Kirche erlebenwir zwei wichtige Schwerpunkte: Die Verbin-dung zum Alten Bund und die Wertschätzungder Heilige Taufe.Beides haben auch wir in den westlichen Kir-chen. Aber die Betonung dieser Schwerpunkte inder Äthiopischen Kirche hilft uns zu tieferemVerstehen und zur Bestärkung. Die Verbundenheit zum Bund Gottes mit seinemVolk Israel erinnert daran, wie wir westlichenKirchen mit einer dunklen Tradition belastetsind. Die Äthiopier erinnern sich an die Königinvon Saba und ihre Begegnung mit dem KönigSalomo. Die Verehrung des Tabots als der Nach-bildung der Heiligen Lade, welche die Gebotsta-feln enthielt, ist in jeder äthiopischen Kirche ge-genwärtig. Der Bund Gottes mit Israel ist unge-kündigt.Die Heilige Taufe - Der erste Ausländer, der sichtaufen ließ, war der Kämmerer aus dem Morgen-land. Auf der Heimreise vom Tempelfest in Jeru-salem saß er auf seinem Wagen, las aus der Rolledes Propheten Jesaja aus Philippus, ein ApostelJesu Christi deutete die Worte mit dem Leiden,Sterben und Auferstehen Jesu. Und der Kämme-rer ließ sich taufen. Und in Erinnerung daran undan die Taufe Jesu feiert die Äthiopische Kirchejährlich das Timkatfest. Eindrücklich erinnernsich die Glaubenden an ihre Taufe, die ihr Lebenbestimmt. Auch uns Evangelischen des Westensist die Taufe wichtig. Von Martin Luther ist eineAnekdote überliefert, er habe, als ihm Glaubens-zweifel überkamen, mit Kreide die lateinischenWorte „Baptizatus sum“ – ich bin getauft - auf ei-

    Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 65 / November 2013

    14 Meldungen aus Deutschland

  • nen Tisch geschrieben. Aber im Lebensalltagkommt uns die Erinnerung an unsere Taufe oftabhanden. Das Geschenk der Taufe ist uns durch die Äthiopische Kirche wieder neu bewusst ge-worden. Kardinal Walter Kasper hat einmal gesagt: „DieKrise der Ökumene ist nicht etwa ein Zeichen ih-res Misserfolges, sondern im Gegenteil ein Er-gebnis ihres überwältigenden Erfolges. In demMaße nämlich, als wir einander näher gekommensind, spüren wir umso schmerzhafter, ja unerträg-licher das, was uns trennt.“ 1

    Die ökumenische Bewegung hat sich an der Visi-on der wachsenden Einheit der Kirchen entzün-det. Der Gebetswunsch Jesu Christi: „Heilige siein der Wahrheit ... damit sie alle eins seien“ (Joh17, 17.21) setzt in den Kirchen immer wiederImpulse, die Gemeinsamkeit zu stärken, damitverwirklicht wird, was sie glauben: die eine heili-ge, allgemeine, apostolische Kirche. Es gilt, dieTrennung der Kirche Jesu Christi in sich gegen-seitig ausschließende Konfessionen zu überwin-den; die bestehenden kirchlichen Verhältnissemüssen von dieser Zukunft her gestaltet werden.Die Kirche als Geschöpf des göttlichen Worteslässt sich nicht mit einer der vorhandenen Kir-chen oder mit deren Gesamtheit gleichsetzen.Die Kirche ist Gegenstand des Glaubens undsichtbare Gemeinschaft zugleich; eine Wirklich-keit, die in der Vielfalt der Kirchen erfahren wer-den kann. In ihrer geschichtlich gewachsenenUnterschiedlichkeit kommt die „vielfältige Gna-de Gottes" (1. Petrus 4, 10) zum Ausdruck. „Wir glauben die eine Kirche“, bekennen rö-misch-katholische, die orthodoxen und evangeli-schen Kirchen. Sie alle glauben, dass sich in derKirche, zu der sie gehören, die Gemeinde JesuChristi verwirklicht. Sie wissen aber auch, dassdie einzelne Kirche zugleich über sich hinaus-weist. „Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe“ (Eph 4,4-6) sind die Kennzeichen ihrer Einheit. DerGlaube bekennt die Einheit der Kirche als etwasGegebenes, Geschenktes. Die Einigung der Kir-chen, hat der Schweizer Theologe Karl Barth ge-sagt, kann „nicht gemacht werden, sondern nurim Gehorsam gegen die in Jesus Christus schon

    1 Walter Kasper, Gegenwärtige ökumenische Eiszeit undkünftige Perspektiven der Ökumene, Vortrag anlässlichseiner Ehrenpromotion durch die Theologisch-Philoso-phische Hochschule der Pallottiner am 10.5.03 in Val-lendar.

    vollzogene Einheit der Kirche gefunden und an-erkannt werden“.2 Das Wesen der Kirche ist unabhängig von ihrerjeweiligen Gestalt und nicht mit soziologischenund ökonomischen Kategorien zu beschreiben.Biblische Bilder wie Leib Christi oder wandern-des Gottesvolk oder Gemeinschaft der Heiligenals Beschreibung von Kirche weisen auf eineüberinstitutionelle Wirklichkeit.

    Die eine Kirche existiert im PluralDie Vielfalt ist nicht nur eine Folge menschlicherSünde, sie ist auch ein Kennzeichen göttlichenReichtums. Sie ist ein Ausdruck der verschiede-nen Begabungen, mit denen die Menschen aus-gestattet sind. Auch in der Wahrnehmung derGottesbotschaft und der Weise, mit ihr das Lebenzu gestalten, sind die Menschen unterschiedlich;dem entsprechend brauchen sie wohl auch ver-schiedene kirchliche Lebensorte. Zur Beschrei-bung dessen was die Kirche ist, gehört beides:Einheit und Vielfalt. Schon von der Zeit des Neu-en Testamentes an hat die Kirche im Plural exi-stiert und kann nach evangelischem Verständnisnur im Plural existieren oder mit einer wunderba-ren Formulierung von Fulbert Steffensky: „Keineder Einzelkirchen ist alles... Alle sind sie als Ein-zelkirchen zu eng, zu bescheiden und zu wenig.Am engsten und darum am unerträglichsten sindsie dort, wo sie alles -und der anderen nicht be-dürftig- zu sein glauben. Es ist eine Erleichte-rung, nicht alles sein zu müssen...“ 3

    Die christlichen Konfessionen verbindet mehr,als was sie trennt. Sie stimmen darin überein,dass die Kirche Jesu Christi mehr ist als dieSumme einzelner Kirchen4 und sie wissen, dasses zur Einheit konstitutive Elemente gibt: Ge-meinsamkeit im apostolischen Glauben mit derdaraus folgenden Verkündigung und dem ent-sprechenden Dienst in der Welt; die gegenseitigeAnerkennung der Taufe, die zwischen uns inzwi-schen unbestritten ist.Der ökumenische Prozess wird lebendig bleiben,wenn sich in Gemeinden über die Konfessions-grenzen hinweg Menschen zusammentun und ge-meinsam die Heilige Schrift studieren. Als die2 K. Barth, Die Kirche und die Kirchen, ThExh 27 (1935),

    Seite 16.3 F. Steffensky, Das Haus, das die Träume verwaltet. Würz-burg 1988, Seite 118.4 So auch in Dominus Iesus, Ziffer 17.

    Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 65 / November 2013

    Meldungen aus Deutschland 15

  • Schwierigkeiten um die Interpretation der Ge-meinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehreaufbrachen, war ein Fazit, das aus den Differen-zen gezogen wurde: Wir müssen weiter zusam-men die Bibel lesen und erkennen, was sie fürunsere Zeit sagen will. das gemeinsame Einste-hen für Frieden und Gerechtigkeit. Eine so breitegemeinsame Basis in der Friedensarbeit hat es inder gemeinsamen Geschichte noch nicht gege-ben.Heute: das gemeinsame Eintreten für die Ethikdes Lebensschutzes vor allem am Beginn und amEnde des Lebens. Die gemeinsame theologischeArbeit von Menschen der unterschiedlichen Kon-fessionen hat Früchte getragen.Auf diesem Weg sollte sich keine Kirche zuwichtig nehmen. Auch die Kirchen sind Teile dervergänglichen Welt. Das Ziel ist Gottes Reich.Katholizität und Apostolizität der einen Kircheeröffnen den Horizont immer wieder weit, sodass auch tiefe Gräben ihre Schrecken verlieren.Darum können die Kirchen mit bleibenden Diffe-renzen leben, vorausgesetzt sie bewahren sich ei-nen respektvollen Umgang miteinander.Die Kraft für weitere ökumenische Schritteschöpfen die Kirchen aus dem Gebet. Nicht nurin gemeinsamen ökumenischen Wortgottesdien-sten, sondern in allen Gottesdiensten der Konfes-sionen ist das Gebet um die Einheit und für dieMenschen in den jeweils anderen Kirchen uner-lässlich. Von der einen Kirche Christi her zu den-ken heißt im Blick auf das evangelisch-katholi-sche Verhältnis: Wir Evangelischen haben allenGrund, uns zu freuen, wenn es der ÄthiopischenKirche gut geht, und traurig zu sein, wenn es ihr- selbstverschuldet oder ohne eigenes Zutun -schlecht geht. Denn wir sind zusammen stark,aber wir sind auch zusammen schwach.

    4. Dank und Segenswunsch

    Es ist gut, wenn das Gebet für diese Kirche mitdem Dank beginnt. Dank bewahrt dem Gebet dieKraft. Ohne den Dank - nur als Bitte - verkommtdas Gebet sehr leicht zur Quengelei. Die Erleb-nisse fehlender Erfüllung machen ungeduldigund im Gebet faul. Der Dank aber ist die Quelledes Gebetes.

    Eine Kultur des Dankens steht auch am Beginnjeder Erneuerung der Kirche. Denn das Dankge-

    bet öffnet die Augen für die Spuren der Gottesge-schenke, die wir im Leben erhalten haben. Undwer wollte nicht diese Spuren im Leben deräthiopischen Gemeinde sehen? Denn auch dasGebäude ist inzwischen ja das Eigentum deräthiopischen Gemeinde. Das Gebet behält nur dann seine Kraft, wenn essich von Unerfülltem hinwendet zu dem, wasGeschenk ist. Darum geht es: Einen Blick be-kommen und behalten, auch für das Unscheinba-re, für das, was im Alltag oft als selbstverständ-lich genommen ist, von dem wir aber alle leben.Vielen Menschen ist Dank zu sagen für die Treueund den Einsatz Ihres Priesters Dr. Merawi Tebe-ge – und allen, die hier gewirkt haben. Sie habengeholfen, dass diese Kirche Heimat und Orientie-rung gewesen ist für zahlreiche Menschen. Zudanken gilt auch allen, die heute mitarbeiten undihre Gaben und Fähigkeiten einbringen.

    Präses Kock schloss seine Anprache und segnetedie Gemeinde mit dem Segen Gottes.

    Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 65 / November 2013

    16 Meldungen aus Deutschland

    Präses Manfred Kock © F. Dworschak

  • Besuch der von der Tabor Society un-terstützten Kirchenschulen

    Reisebericht

    Nicht nur in den Vorstandssitzungen und denMitgliederversammlungen der Tabor Society(TS) wurde der Wunsch geboren, einmal die fünfKirchenschulen Mekane Yesus in Este, MedhaneAlem in Gondar, Zuramba, Bethlehem und Ma-hedere Maryam zu besuchen und vor Ort zu guk-ken, wie unsere Spendengelder eingesetzt wer-den. Zusammen mit Jörg Genrich beschlossenwir einen Besuch vom 15. bis zum 22. Januar2013. Leider hatte Kai nur eine Woche Zeit. HerrPfarrer Beinke kündigte unseren Besuch bei AtoFisseha, dem äthiopischen Verbindungsmannzwischen der TS und den Kirchenschulen, an.Ato Girma, ehemals Leiter der Äthiopienabtei-lung des Völkerkundemuseums in München,jetzt zurück in Addis Abeba, versprach, uns amFlughafen in Addis Abeba abzuholen und unsmit seinem Auto zu den einzelnen Schulen zufahren. Das war uns sehr lieb, hatten wir dochdadurch nicht das Problem des Weiterkommens.

    Am 16. Januar holte uns Ato Girma, wie verspro-chen, zusammen mit seinem Fahrer Tesfaye, dernicht nur gut fahren konnte, wie sich bald her-ausstellte, sondern auch noch sehr sympathischwar, am Flughafen ab, und wir brachen sofort aufnach Bahir Dar durch eine grandiose Landschaft.Unser gestecktes Ziel konnten wir aber nicht er-reichen, so beschlossen wir eine Übernachtung inDebre Markos. Leider war es uns nicht vergönnt,

    die dortige große Markos-Kirche betreten zu dür-fen trotz aller Bemühungen Ato Girmas. Amnächsten Morgen fuhren wir weiter über BahirDar, wo wir uns im Garten eines sehr schönenHotels am Tana-See stärkten, nach Este.

    Mekane Yesus

    Die erste Kirchenschule Mekane Yesus erreich-ten wir am Nachmittag. Sehr herzlich wurden wirvon Ato Fisseha, der zusammen mit Ato Girmaunseren Besuch im einzelnen abgesprochen hat-te, dem Leiter der Schule, Mämher Sissay Asse-fa, den Lehrern und vielen Schülern empfangen.In Mekane Yesus unterrichten drei Lehrer 50Schüler. Nachdem mehrere Fotos gemacht waren, lud unsder Schulleiter in sein Haus ein, wo wir mit ori-entalischer Gastfreundschaft bewirtet wurden.Vorher hatten wir hier, wie später überall, dieGrüße von Pfarrer Beinke und den Mitgliedernder TS übermittelt. Sehr froh waren wir über dieAnwesenheit von Ato Girma, der uns als hervor-ragender Übersetzer zur Seite stand. Ohne ihnhätten wir deren und unsere Anliegen nicht sogut und Erfolg versprechend erörtern können.Seitens der TS hatten wir den Auftrag zu prüfen,wie sich der Wunsch der Schulleitung, eine An-zahl von Webstühlen anzuschaffen, realisierenlassen könnte. Uns erschien die beantragte Sum-me von einigen Tausend Euro zu hoch, auchfragten wir uns, wer das Weben übernehmensoll. Nach kurzer Zeit stellte sich heraus, dass dieAnschaffung von Webstühlen nicht mehr aktuellsei. Vielmehr hatte man beschlossen, die bereits

    Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 65 / November 2013

    Meldungen aus Äthiopien

    Begrüßung durch Lehrer und Schüler von Mekane Yesus © M Pischel

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  • geplante Bäckerei in die Tat umzusetzen, wofürdie TS bereits 3.000 € überwiesen hatte. Zusätz-lich wurden dafür noch 6.500 € erbeten. Auf un-sere Nachfragen wurde uns versichert, dass manfür das gebackene Brot genügend Käufer findenwürde, da die Menschen in Este mit der Kircheverbunden seien und ihr gern etwas abkaufenwürden, um ihr auch finanziell zu helfen. Auchfür das notwendige Personal in der Bäckerei seibereits gesorgt. Ein Lehrer werde eine entspre-chende Ausbildung absolvieren und dann weiterePersonen schulen. Wir versprachen, das Anliegen dem Vorstand derTS vorzutragen, und erbaten einen entsprechen-den schriftlichen Antrag.

    Unser Bemühen, den anwesenden Priestern undMönchen verständlich zu machen, dass die TSnicht alles finanzieren könne aber Hilfe zurSelbsthilfe leisten wolle, traf nicht auf taube Oh-ren. Man sei selbst, so wurde uns versichert, dar-an interessiert, eine gewisse finanzielle Unabhän-gigkeit von Spendengeldern zu erreichen. Wasdas Webstuhl-Projekt betraf, so wolle man zu-nächst davon Abstand nehmen. Gedacht war,junge Diakone und Studenten entsprechend aus-bilden zu lassen, damit diese in ihrer Freizeitzum Unterhalt der Kirchenschule einen gewissenBeitrag leisten. Schließlich bat der Leiter derSchule um drei weitere Hilfen: Das Dach der durch Kaiser Haile Selassie nachder Zerstörung durch die Italiener wieder errich-

    teten Klosterkirche bedürfe dringend einer Repa-ratur.Es wurde gefragt, ob der Nachfolger des verstor-benen Lehrers Mämher Haile Mikael, MämherHaile Sion, die gleiche finanzielle Unterstützungwie sein Vorgänger erhalten könnte. Der behinderte Mämher Leykum Endeg in NäfasMechwa benötige auch eine finanzielle Hilfe. Wir versprachen, die Anträge in der nächstenVorstandssitzung der TS zu beraten. Inzwischen war es dunkel geworden. Eine Wei-terfahrt nach Debre Tabor, wo uns Ato FissehasFrau zum Abendessen erwartete, war aufgrundder fortgeschrittenen Zeit, der Dunkelheit undder schlechten Straße nicht mehr möglich. Des-halb beschlossen wir, in Este zu übernachten.Die Mönche schienen damit gerechnet zu haben. Kai, Jörg und ich wurden im Kloster unterge-bracht, Girma und Tesfaye bei einem Priester inEste. Nach einem kurzen Fußmarsch durch dievom Mond erleuchtete äthiopische Nacht er-reichten wir die Klosterkirche und die Klosterge-bäude, wo die Mönche, Lehrer und Schülerwohnten. Zu unserer großen Überraschung wur-de uns hier erneut ein äußerst herzlicher Emp-fang bereitet. Wir kamen uns in biblische Zeitenversetzt vor (s. Joh 13,5 und Lk 7,44). In einemgrößeren Raum, nur von Kerzenschein erleuch-tet, wo Lehrer, Mönche und ältere Schüler ver-sammelt waren, wurden uns zunächst nacheinan-der die Füße und Unterschenkel gründlichst ge-waschen. Gleichzeitig wurden von Mönchen undälteren Schülern Gedichte, Gesänge und exegeti-sche Erläuterungen vorgetragen, von denen wiraber leider nichts verstanden. Unser DolmetscherGirma fehlte uns sehr. Bei den Gesängen wurde immer wieder der kürz-lich verstorbene Lehrer Mämher Haile Mikaelapostrophiert. Sie müssen ihn alle sehr geschätztund verehrt haben. Zum Abschluss gab es nocheinmal Ingera und Wot sowie Geschnetzeltes.Kai bedankte sich in unser aller Namen in her-vorragendem Englisch für den großartigen, uner-warteten Empfang. Anschließend lud uns wohlder Abt oder sein Vertreter ein, den Raum, indem wir bisher saßen, als unseren Schlafraum zubetrachten. Die Stühle und Tische wurden an dieSeite geräumt und drei Schlafmatten ausgebrei-tet. Darauf übernachteten wir in unseren mitge-brachten Schlafsäcken. Gut, dass wir Taschen-lampen bei uns hatten. So konnten wir einiger-

    Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 65 / November 2013

    Student von Mekane Yesus © M Pischel

    18 Meldungen aus Äthiopien

  • maßen unsere Sachen finden und ordnen. DasSanitäre sollten wir, wie uns empfohlen wurde,draußen erledigen. Es wurde noch vereinbart,dass wir am nächsten Tag frühmorgens die Klo-sterkirche anschauen könnten. Anschließendgäbe es beim Leiter der Schule, der jetzt nichtmehr dabei war, in seinem Haus Frühstück. Nach einer etwas unruhigen Nacht wurden wiram nächsten Morgen durch die Kirche geführt.Es ist eine typische äthiopische Rundkirche miteinigen schönen Bildern. An einigen Stellen istsie wirklich reparaturbedürfig. Während wir dieSchäden draußen begutachteten, kam plötzlichein Mönch mit einer großen Handschrift, diewunderbare Miniaturen enthielt. Von den wun-derschönen Bildern waren wir wie verzaubert.Von der herrlichen noch sehr gut erhaltenenHandschrift, die - wie uns die Mönche sagten -dem Kloster von Kaiser Iyasu I. (1682 - 1706)geschenkt worden war, konnten wir uns kaumtrennen. Nach dem Frühstück im Haus des Schulleitersdrückte dieser seine große Dankbarkeit für die

    Hilfe der TS aus und bat, die für sie so notwendi-ge Unterstützung fortzusetzen. Wir versprachenihm, das uns Mögliche zu tun, erinnerten abernochmals daran, dass sie selbst die Hilfe zurSelbsthilfe nutzen müssten.Bevor wir Mekane Yesus verließen, hatten wirnoch die Möglichkeit erhalten, an einer Unter-

    richtsstunde teilzunehmen. In einem kleinenRaum des Klosters, in dem ein Bild von Prof.Heyer an der Wand hing, den sie bis heute hochverehren, sprach ein Lehrer mit einem Schüler,der an einem Tisch saß, über das Konzil vonNicea. Sechs ältere Schüler saßen etwas entferntauf der Erde und lauschten andächtig des LehrersWorten. Der am Tisch sitzende Schüler las auseiner Handschrift einen Text in Geez vor, derLehrer übersetzte diesen ins Amharische und lie-ferte gleich die Erklärung. Das Konzil wurde hiervon dem Lehrer historisch, exegetisch und dog-matisch erläutert. Dank Girmas Hilfe konntenwir wenigstens etwas verstehen. Der Abschied ist uns richtig schwer gefallen. DieFreundlichkeit der Mönche und Priester, derLehrer und Schüler hat uns tief beeindruckt. Wirwaren uns einig, die Hilfe muss fortgesetzt wer-den. Schön wäre es, wenn man über die bespro-chenen Anträge, die uns mitgegeben wurden,hinaus noch mehr helfen könnte. Die Unterkünf-te für die jüngeren Schüler machten einen er-bärmlichen Eindruck, auch die Gebäude des Klo-sters - bis auf die Sonntagsschule - bräuchteneine dringende Renovierung. Auch fehlt es an sa-nitären Anlagen. Nach einer musikalischen Verabschiedung mitTrommeln und Tanz brachten wir nach DebreTabor auf, das wir dank der Fahrkunst Tesfayesschneller erreichten als erwartet und wo uns im

    Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 65 / November 2013

    Handschrift des Kaiser Iyasu I. (1682 - 1706) © M Pischel

    Unterricht in Mekane Yesus © M Pischel

    19Meldungen aus Äthiopien

  • Haus von Ato Fisseha ein ausgezeichnetes Mit-tagessen von seiner Gattin serviert wurde.

    Debre Tabor

    An dem Mittagsmahl nahm auch der Ökonomder Kirchenschule von Zuramba, Mäggabi FantaAfework, teil. Er erneuerte die Einladung in sei-ne Kirchenschule. Diese wollten wir Übermor-gen, nach den Timkat-Feierlichkeiten in Gondar,die an das Fest der Taufe Jesu erinnern, besu-chen. Mäggabi Fanta Afework hatte ein von ihmverfasstes, wunderschön geschriebenes Manu-skript „Zemare Mäwaseet“ über Yared und dieäthiopische Kirchenmusik mitgebracht und frag-te, ob die TS für die Drucklegung sorgen könnte.Wir versprachen ihm Prüfung.

    Am Nachmittag versammelten wir uns an der ausdem 19. Jahrhundert stammenden großen Yesus-

    Kirche oberhalb Debre Tabors und zogen vondort in einer großen, farbenprächtigen Prozessionmit dem Tabot der Kirche zu Fuß und per Autoszu einem großen Platz in Debre Tabor. Auf die-sem trafen sternförmig sieben weitere Prozessio-nen von Kirchen Debre Tabors zusammen. Auchsie hatten ihre in prächtige Stoffe gehüllte, von

    Priestern oder Diakonen getragene Tabots mitge-bracht. Auf einem etwas erhöhten Podest in derMitte des Platzes trafen sie zusammen. Der An-drang der vielen Menschen war unwahrschein-lich. Man musste um seinen Standplatz kämpfen,sonst wurde man einfach weggedrängt. Schließ-lich kam auch der Bischof von Debre Tabor,Abuna Endreyas, und hielt eine längere Predigt.Da Girma uns in dem Gedränge abhanden ge-kommen war, fehlte der Übersetzer. Später wur-den die Tabots in aufgestellte Zelte getragen, wosie „bewacht die Nacht bis zur großen Feier amnächsten Tag verbringen sollten“, wie man unssagte.

    Timkat in Gondar

    Nach einer in einem verhältnismäßig guten, sau-beren Hotel - trotzdem hatten wir zur Vorsichtdie Betten mit unserem von zu Hause mitge-brachten Flohpulver präpariert - verbrachtenNacht fuhren wir am nächsten Morgen sehr frühmit Ato Fisseha, Girma und Tesfaye nach Gon-dar, um in dieser alten Kaiserstadt des 17. und18. Jahrhunderts, einem der religiösen Zentrendes Landes die Hauptfeierlichkeiten des Timkat-Festes zu erleben. Unsere Erwartungen wurdennicht enttäuscht. Hunderte von Menschen hattensich vor und innerhalb des Bades des Kaisers Fa-silidas (1632 - 1667) versammelt. Da das Ein-gangstor zum Bereich des Bades viel zu eng war,war eine Nottreppe über die Umfassungsmaueraus Baumstämmen und Ästen errichtet worden,über die wir in den inneren Bereich gelangten.Dank der Hilfe Ato Fissehas gelang es uns nacheinem fast mörderischen Kampf durch die Men-ge in den innersten Bereich um das große Was-serbecken zu gelangen und unsere sehr gutenPlätze einzunehmen. Wir waren nur wenige Me-ter vom Bischof von Gondar-Nord, Abuna Elssa,

    Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 65 / November 2013

    Abschied von Mekane Yesus © M Pischel

    Abuna Endreyas vor den Tabots der Kirchen von De-bre Tabor © M Pischel

    Timkat in Gondar © M Pischel

    20 Meldungen aus Äthiopien

  • entfernt. Um das Becken standen zahllose, vorallem junge Menschen, bereit in das Wasser zuspringen. Indem der Bischof ein großes Vortra-gekreuz in das Wasser tauchte, segnete er dieses.Als er das Kreuz wieder herauszog, sprangen vonallen Seiten, sogar aus den Bäumen, die um dasBecken standen, junge Menschen in das Wasserund bespritzten die am Rande Stehenden. Es warfaszinierend. Man konnte sich nicht satt sehen.Für uns erfüllte sich ein Traum.

    Leider blieb unsere Freude nicht ungetrübt. Indem Gedränge hatte Jörg seinen Fotoapparat undsein Portemonnaie „verloren“ und damit wir alleschöne bereits gemachte, unersetzliche Fotos ausMekane Yesus. Abschließend sorgten Ato Fisse-ha und Girma dafür, dass wir Abuna Elssa begrü-ßen konnten. Ihn hatten wir bei seinem Deutsch-

    landbesuch kennen- und schätzen gelernt. Mitihm hatten wir u. a. in Bottrop eine Grubenfahrtunternommen. Das Wiedersehen war sehr herz-lich. Er war umringt von zahlreichen Priestern,Mönchen und Diakonen. Vor ihm und den vor-beiziehenden Tabots tanzten Debteras. Es wareine bewegende Atmosphäre. Abuna Elssa freutesich sehr, uns wiederzusehen, und wir freutenuns ebenso. Nach den Feierlichkeiten im ummauerten Bezirkdes Bades des Kaisers Fasilidas brauchten wirviel Zeit, um den Platz durch das einzige Torverlassen zu können. Das Gedränge der hinaus-und hereindrängenden Menschen war ungeheuer.Die oben erwähnte Nottreppe war inzwischen zu-sammengebrochen. Als wir endlich unser Autowieder erreicht hatten, hatten wir alle denWunsch, etwas zu trinken, und so landeten wirschließlich in der Dashen Brewery und genossendas wirklich gut schmeckende Bier.Für den Nachmittag vereinbarten wir einen Be-

    such der Kirchenschule Medhane Alem GubaeBet (s. „Kirche und Schule“, Heft 64, 2011, S. 15f). Dort empfing uns Like Likawent Gebre EzraHaddis. Die Schule machte einen gepflegten Ein-druck. Der Vorstand der TS hatte uns beauftragtnachzufragen, warum sich die Schule in der letz-ten Zeit nicht mehr gemeldet habe, ob die Hilfeder TS nicht mehr benötigt werde. Dies wurdeenergisch zurückgewiesen und man bat aus-drücklich darum, die Hilfe fortzusetzen, da mandarauf angewiesen sei. Entsprechende schriftli-che Anträge wurden in Aussicht gestellt.Anschließend führte uns Gebre Ezra Haddis zueiner weiteren großen Feierlichkeit mit AbunaElssa und vielen Geistlichen und Gläubigen imSchatten einer großen Kirche. Dank GirmasÜbersetzung konnten wir auch etwas von dendort gehaltenen Reden verstehen. So wurden wir

    Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 65 / November 2013

    Segnung des Wassers durch Abuna Elss © M Pischel

    Nach der Segnung des Wassers © M Pischel

    Treffen in Medhane Alem © M Pischel

    21Meldungen aus Äthiopien

  • u. a. feierlich begrüßt und Abuna Elssa bedanktesich in aller Öffentlichkeit für die Hilfe der TSund bat um Fortsetzung, da die finanzielle Hilfefür das Überleben der Kirchenschulen äußerstwichtig sei. Auch wir wurden aufgefordert, etwaszu sagen. Wir bedankten uns für den so freundli-chen Empfang und versprachen, die TS zu unter-richten und weiterhin bemüht zu bleiben, vor al-lem neben der Unterstützung von Lehrern undSchülern Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Nachdem Jörg sich einen neuen Fotoapparat ge-kauft hatte, verließen wir Gondar, noch ganz er-füllt und bewegt von den beeindruckenden kirch-lichen Feierlichkeiten und den so freundlichenMenschen. Der Besuch des Timkat-Festes inGondar hat sich wirklich gelohnt!Das Fest klang aus mit einem köstlichen Abend-essen im Hause Ato Fissehas in Debre Tabor.Als wir ziemlich spät in unser Hotel kamen,mussten wir feststellen, dass wir keinen Stromhatten. Aber Jörg kam auf die Idee, den funktio-nierenden Fernsehapparat einzuschalten, so dasswir wenigstens etwas Licht im Zimmer hattenund unser Bett fanden.

    Zuramba

    Am nächsten Morgen brachen wir - wieder beiherrlichstem Wetter - nach Zuramba auf. DieseKirchenschule liegt zwischen Debre Tabor undWoldiya, leider nicht an der gut asphaltiertenStraße. Es erwartete uns ein längerer Fußmarschdurch eine schöne Landschaft zunächst ziemlichbergab und dann wieder bergauf. Wir durchwan-derten einige kleinere Dörfer. Die Menschen be-gegneten uns sehr freundlich. In einem Dorf bra-che eine junge Mutter ihren kleinen Sohn aufdem Arm und zeigte uns eine fast hühnereigroßeGeschwulst, die dieser hinter dem Ohr hatte. Kairiet ihr, sofort einen Arzt oder ein Krankenhaus

    in Debre Tabor aufzusuchen, da die Geschwulstaufgeschnitten werden müsste.

    Um die Mittagszeit erreichten wir Zuramba. Äu-ßerlich machte diese auf einer von Bäumen um-standenen großen Wiese gelegene Schule einensehr guten Eindruck. Wir bestaunten zwei größe-re Gebäude. In dem einen befand sich, wie manuns sagte, eine Getreidemühle, die aber nichtfunktioniere. In dem anderen Gebäude befandensich die Unterkünfte für die Schüler und ein gro-ßer Klassenraum. Beides machte einen sehr un-gepflegten Eindruck. Die Schüler waren - wieman uns sagte - zum Ernteeinsatz bei ihren Fami-

    lien. Mit den fünf Lehrern trafen wir uns imKlassenraum. Die Schulbänke, auf denen wirPlatz nahmen, verdienen nicht mehr diesen Na-men. Nachdem man uns ein Erfrischungsgetränkgereicht hatte, berichteten die einzelnen Lehrerüber ihre Tätigkeit. Zurzeit hätten sie 45 Schüler.Sie wünschten sich neue Schulbänke und beklag-ten den Wassermangel. Ein Brunnen müsste ge-bohrt werden. Einen geeigneten Platz hätten sieschon gefunden, aber es fehle das Geld (50.000ETB). Die Getreidemühle sei stillgelegt, da derDiesel zu teuer wäre. Sie woanders hin zu verle-gen, eventuell an die Hauptstraße, erschien auchnicht möglich. Deshalb möchten sie aufgrund derErfahrung der Kirchenschule Bethlehem eineBienenzucht eröffnen, um durch den Verkaufvon Honig an etwas Geld zu kommen. Wir versprachen, die Wünsche der TS vorzutra-gen: Brunnen, Bienenzucht und Druckkosten.

    Bethlehem

    Nach Zuramba waren zwei Vertreter der Kir-chenschule Bethlehem gekommen und hattenzum Dank für die erhaltene Hilfe durch die TS

    Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 65 / November 2013

    Abuna Elssa dankt der Tabor Society © M Pischel

    Lehrer der Kirchenschule Zuramba © M Pischel

    22 Meldungen aus Äthiopien

  • einen großen Topf Honig mitgebracht. Die Bie-nenzucht laufe wieder langsam an. Von den ur-sprünglich 40 Bienenvölkern hätten sie wiederzwölf, und sie hofften, demnächst wieder 30 zuhaben. Ein Mann sei für die Bienen abgestellt.Für ein Kilo Honig seien ihnen 30 ETB angebo-ten worden. In Addis Abeba würde man dafürmehr als das Dreifache erhalten können.

    Freudig berichteten sie, dass sie jetzt Strom be-kämen. Sie fragten, ob die TS die Kosten für denAnschluss, 5.000 ETB, und die monatliche Ge-bühr, 300 - 400 ETB, übernehmen könnte. Auchwären sie sehr dankbar, wenn die TS es ihnen er-möglichen könnte, für die 140 Schüler und diefünf Lehrer Decken anzuschaffen. Eine Deckewürde 200 ETB kosten. Auch ihnen versprachen wir, die Bitten nachDeutschland mitzunehmen.

    Klosterkirche von Zuramba

    Nach einem Imbiss brachen wir auf zu der ober-halb der Schule gelegenen berühmten Kirche vonZuramba, die der Hl. Maria und dem Hl. Yaredgeweiht ist. Dass der Aufstieg so beschwerlichist, war nicht zu vermuten. Ohne die Hilfefreundlicher Äthiopier und das unterwegs reich-

    lich verabreichte Tala-Bier wäre das Erreichender Kirche kaum möglich gewesen. Aber wirwurden für die große Anstrengung belohnt. DieMalereien aus dem 18. Jahrhundert haben uns inihren Bann gezogen. Man konnte sich nicht sattsehen. Leider war der Innenraum ziemlich dun-kel, und die Malereien waren hinter großen Tü-chern verborgen. Aber hilfreiche Hände versuch-ten, die Vorhänge beiseite zu ziehen. Die ganzeHeilsgeschichte erstrahlte vor unseren Augen.Großartig!

    Auch an dieser Kirche wurde uns ein freundli-cher Empfang bereitet. Der Klostervorsteherklagte, dass immer weniger junge Menschen be-reit seien, das harte Klosterleben auf sich zu neh-men. Auch fehle häufig Geld. Diese Klagen ka-men uns sehr bekannt vor. Ist es in unserer Kir-che nicht ähnlich? Wir wurden gebeten, uns da-für einzusetzen, dass die Mönche an dieser Kir-che finanziell genauso behandelt würden wie dieLehrer der Schule. Auch hier wurden wir mit ei-nem kleinen Imbiss verabschiedet. Der Rückmarsch zu unserem Auto an der Straßeverlangte von uns die Mobilisierung aller Kraft-reserven. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit be-schlossen wir, nicht nach Debre Tabor zurückzu-kehren, sondern nach Woldiya weiterzufahrenund dort zu übernachten. Um alle fünf Kirchenschulen zu besuchen, reich-te die eine Woche nicht aus. Die Wünsche vonBethlehem hatten wir erfahren, die der Kirchen-schule Mahedere Maryam nannte uns Ato Fisse-ha. Die Kostenvoranschläge für die notwendigeGebäuderenovierung lägen vor. Er wollte sie unsmitgeben.

    Abschied

    Nach dem gemeinsamen Frühstück im Hotel inWoldiya trennten sich unsere Wege, Kai, Girmaund Ato Fisseha fuhren mit Tesfaye zurück nachAddis Abeba, Jörg und ich brachen mit einem öf-fentlichen Bus auf nach Lalibela.

    Der Besuch der Kirchenschulen war so beein-druckend, dass wir am Ende alle der Meinungwaren, den Mitgliedern der TS eine solche Reiseeinmal anzubieten.

    von Kai Beermann und Martin Pischel

    Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 65 / November 2013

    Klosterkirche Zuramba © M Pischel

    23Meldungen aus Äthiopien

  • Briefe aus ÄthiopienSeit dem Erscheinen von KuS 64 Ende Novem-ber 2011 sind wieder viele Berichte, Dokumenteund Dankesbriefe aus den Kirchenschulen beiFrau Georgieff, Schatzmeisterin des Tabor So-ciety, e.V. in Heidelberg angekommen. JedeSchule berichtet über die Aktivitäten der Kir-chenlehrer und der Schüler. Genannt werdenauch die neu geschriebenen Bücher der Lehrer,sei es zu den Hymnen, zu Qene, der Dichtkunst,zur Liturgie oder zu Hermeneutik. Frau Geor-gieff archiviert die Korrespondenz mit Äthiopienchronologisch. Wir wollen Frau Georgieff andieser Stelle für Ihre unermüdliche und detaillier-te Arbeit unseren herzlichen Dank aussprechen.

    Für die jetzige Ausgabe der Zeitschrift habe icheinen Brief ausgewählt, der exemplarisch für dieäthiopische Kunst der Korrespondenz steht.

    Er ist handgeschrieben von Mägabe BerhanätFanta Afäwärq, Lehrer für Zemare, Kirchenge-sang in der Kirchenschule Zuramba (Zur AbbaArägawi Serha Aryam). Mägabe Berhanät FantaAfäwärq schrieb diesen Brief, um den Mitglie-dern der Tabor Society einen guten Jahresanfangzu wünschen und sich herzlich für die ihm zuge-teilte Unterstützung zu bedanken. Die Unterstüt-zung bestand in der Übernahme der Druckkosten(50.000 ETB) für sein neues Buch zum Kirchen-gesang.

    Der Brief ist zweisprachig, ein Teil ist auf Geez(Altäthiopisch), ein Teil auf Amharisch verfasst.Wie in den äthiopischen Manuskripten üblichsind die Gebete, Bibelzitaten, heiligen Namenoder die Namen von wichtigen Personen mit ro-ter Tinte geschrieben. Am Anfang des Briefessind über den einzelnen Wörtern kleinere Zeich-nen zu sehen. Diese Zeichen sind äthiopischeNoten. Das äthiopische Notensystem besteht ausvielfältigen Buchstaben und Zeichen, die überden einzelnen Buchstaben geschrieben werden.Das Erlernen dieser einzelnen Zeichen und derentsprechenden Tonart dazu kann Jahre dauern.Es ist charakteristisch für einen Lehrer dieserKirchenschule, den Brief ebenfalls mit Notenversehen zu haben. Es entsteht der Eindruck,Mägabe Berhanät Fanta Afäwärq würde vor ei-nem Publikum stehen und den Inhalt des Briefesvortragen.

    Im Folgenden erfolgt eine inhaltliche Zusam-menfassung des Briefes.

    Brief Mägabe Berhanät Fanta Afäwärq aus ZurAbba Arägawi Serha Aryam (Zuramba) vom 3.Teqemt 2005 (14. Oktober 2012)

    Der Brief beginnt auf Geez mit der Anrufungund der Anrede, beides in rot geschrieben: ImNamen des Vaters, des Sohnes und des HeiligenGeistes, ein Gott. An den verehrten Verein TaborSociety.

    Es folgen ein Segenswunsch an Deutschland undder Wunsch für ein gutes Weihnachtsfest und einglückliches Neues Jahr 2013.

    Nun wird auf Amharisch der Dank für die ge-währte Hilfe und Unterstützung für Mägabe Ber-hanät Fanta Afäwärq ausgesprochen. Dank dieserHilfe konnte sein seligster Wunsch in Erfüllunggehen, sein Buch gedruckt zu sehen.

    Anschließend werden weitere Segenswünscheauf Geez ausgedrückt. Sie sind ausgestattet mitden speziellen Wünschen im Namen der folgen-den Heiligen: des Heiligen Abunä Aragawi, desErzengels Urael, der heiligen Jungfrau Maria unddes Heiligen Yared.

    Der Brief schließt mit der Formel des Klostersbzw. der Kirchenschule, in Verehrung Gottes,der Jungfrau und des Kreuzes, des ehrenvollenZur Abba Abunä Arägawi Serha Aryam Klo-sters, Ausbildungsplatz von Zemare und Mäwa-seet, Deggwa und Zema Schülern.

    Ein Stempel des Klosters und Kirchenschule ZurAbba Arägawi Serha Aryam (Zuramba) bildetden Abschluss, rechts daneben ist die Unter-schrift von Mägabe Berhanät Fanta Afäwärq zusehen, darunter folgt sein eigener Stempel.

    Dr. Verena BöllDresden, den 3.10.2013

    Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 65 / November 2013

    24 Meldungen aus Äthiopien

  • Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 65 / November 2013

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  • NEKROLOG DES GELEHRTEN MÄMHERHAYLÄ MIKAEL, MÄKANÄ IYÄSUS

    Nach dem Tod von Mämher Wuhib Sellase Mä-konnen (siehe KuS 64) ist mit Mämher HayläMikael ein weiterer berühmter Exeget gestorben.Mämher Haylä Mikael war Kirchenlehrer an derMäkanä Iyäsus Schule. Er wurde von der TaborSociety seit über 20 Jahren unterstützt. Mitglie-der der Tabor Society, insbesondere Prof. Heyer,Annegret Marx und Dr. Verena Böll, haben sichwiederholt mit ihm getroffen, Interviews geführtund einen Teil seiner Schriften eingesehen.Mämher Haylä Mikael war Lehrer für Andemta,der Hermeneutik für Bibel, Liturgie und Poesie.Ein Bild und ein Aufsatz von ihm wurden in HeftKuS 55 (2002) abgedruckt. Dort berichtet er überdie Geschichte des wunderbaren Kreuzes, seinesHandkreuzes. Im Heft 55 sind das amharischeOriginal, eine englische Übersetzung und einedeutscher Kurzfassung abgedruckt. Das Fotodrucken wir hier erneut ab.

    Der Nekrolog aus Äthiopien, verfasst von seinenSchülern und der Gemeinde, ist mit dem Compu-ter geschrieben und umfasst sechs Seiten. In die-sem Nekrolog wird sein Lebensweg ausführlichzusammengestellt. Sein fehlerloser Charakter,seine Weisheit, seine Großzügigkeit und seineGutmütigkeit werden hervorgehoben. MämherHaylä Mikael war ein Gelehrter und Priester füralle, für die Großen und für die Kleinen, für dieGelehrten und die Laien. Er unterstützte die Ge-meinde, indem er bei Feiertagen Essen und Ge-tränke verteilte.

    Wir drucken Auszüge aus dem Nekrolog ab undgeben eine kurze Zusammenfassung wieder.

    Mämher Haylä Mikael heißt mit vollem TitelMägabi Haddis Mämher Haylä Mikael SahelMaryam. Er wurde am 25. Hedar 1923 (1930) inWollo, Provinz Amara, an der Grenze zu Boräna,geboren. Sein Vater war Ato Sahel MaryamGäbrä Egziabher und seine Mutter WayzäroWällätä Iyäsus. Mit 4 Jahren tritt er ins Klosterein und lernt dort lesen und den 'Dawit' (Psal-men). Er bleibt im Kloster und lernt Qene(Dichtkunst), Somä Deggwa, Meeraf und dasAlte Testament.

    Ab 1937 (1944) wird er mit 14 Jahren vom seli-gen Abunä Yeshaq zum Diakon ausgebildet unddanach wird er mit 18 Jahren Mönch im Klosterund erlernt das Priesteramt. Seit 1944 (1951)lernt er auch mit dem seligen Abunä Gäbreel ausDessie.

    1947 (1955) zieht er weiter nach Gondär, nachMäkanä Iyäsus, um in den Büchern ausgebildetzu werden. Er nimmt Unterricht bei dem großenGelehrten Mämher Gäbrä Giyorgis und be-herrscht mit 35 Jahren das Neue Testament,Fetha Nägäst, die Auslegung von Weddase Ma-ryam, Qeddase Maryam, den Kalender, denBund und die Geheimlehre. Als Mähmer GäbräGiyorgis 1952 (1960) in die Kathedrale Sion be-rufen wird, wird Mämher Haylä Mikael selberKirchenlehrer in Mäkanä Iyäsus. Er bleibt bis aufkurze Unterbrechungen bis zu seinem Tod andieser Kirchenschule.

    Mämher Haylä Mikael unterrichtet nun für diefolgenden 60 Jahre in der Kirchenschule. Er bil-dete unzählige Priester und Gelehrte aus. Er be-saß über 80 Bücher, die jetzt in die Bibliothekder Kirchenschule übergehen. (Zu seinen Schülergehörte auch Erzpriester Dr. Merawi Tebege, derdie äthiopische orthodoxe Kirche in Deutschlandbegründete und in Köln lebt. s. Artikel zum 30jährigen Jubiläum in Köln in diesem Heft. An-merkung der Redaktion.)

    Mämher Haylä Mikael schlief am 16. Tahsas2005 (26. Dezember 2012) um 1030 mit 82 Jah-ren für immer ein. Die Beerdigung wurde in Mä-kanä Iyäsus am 18. Tahsas 2005 (28. Dezember2012) durchgeführt. Das Kloster, die Kirchen-schule und die ganze Bevölkerung von Este trau-ern um diesen großen Gelehrten.

    Dr. Verena Böll, Dresden, den 3.10.2013

    Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 65 / November 2013

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  • Der große Versuch

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  • Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 65 / November 2013

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  • Abunä Matǝyas (Matias)* - Neuer Pa-triarch in Äthiopien

    Der sechste Patriarch Äthiopiens heißt AbunäMatǝyas. Der 72 jährige Erzbischof von Jerusa-lem wird damit Nachfolger von Abunä Pawlos,der am 16. August 2012 verstorben ist.

    Abunä Matǝyas wurde am 28. Februar 2013 inAddis Abäba von 808 Wahlberechtigten gewählt.Die große Wahlversammlung bestand aus Erzbi-schöfen, Klostervorstehern, Vertreter der Sonn-tagsschulen und Gemeindemitglieder, darunterauch Frauen. Abunä Matǝyas erhielt 500 der 800abgegebenen Stimmen. In der Wahlsynode warenzuvor insgesamt fünf Kandidaten aufgestellt wor-den, darunter auch Abunä Elsaʿe aus Gondär. Abunä Matǝyas hat ein bewegtes Leben geführtund war insgesamt über 30 Jahre im Ausland, soin Amerika und in Israel. Abunä Matǝyas wurde als Täklä Maryam Asrat1941/42 in Agamä, Nord Tigray, geboren. 1954wurde er zum Diakon geweiht und diente diemeiste Zeit im Chohe Kloster in Tigray. 1962/63wurde er zum Priester geweiht und wurdeMönch. Von 1971/72 diente er bis 1975/76 in derTrinitätskathedrale in Addis Abäba. 1976 wurdeer Sekretär vom Patriarchen Abunä Täklä Hay-manot. 1979 wurde er zum Episkopus geweiht ernahm den Namen Abunä Matǝyas an. Bald dar-auf verließ er das Land und wurde Erzbischof imäthiopischen Kloster in Jerusalem. Aufgrund derpolitischen Verhältnisse in Äthiopien verließ erjedoch seinen Sitz und wanderte ins Exil nachAmerika, wo er als Bischof für die dortigen Aus-landsäthiopiern fungierte. Nach dem Macht-wechsel 1991 in Äthiopien kehrte er 1992 fürkurze Zeit nach Äthiopien zurück. Der neue Pa-triarch Abunä Paulos ernannte ihn nun offiziellzum Erzbischof von Nordamerika und etwas spä-ter, als Kanada zur eigenen Erzdiözese ernanntwurde, zum Erzbischof der Vereinigten Staaten.Im Jahre 2009 wurde er erneut zum Erzbischofvon Jerusalem ernannt und lebte dort für weiterevier Jahre. Für die Weihe des neuen Patriarchenwurde er als einer der fünf Kandidaten aufge-stellt und mit eindeutiger Mehrheit gewählt.Seine feierliche Weihe und Amtseinführung fandin der Dreifaltigkeitskirche in Addis Abäba am 3.März 2013 statt. Zahlreiche Gäste aus dem Aus-land waren anwesend.

    Abunä Mathias ist der sechste Patriarch derÄOTK. Die ÄOTK wurde im 4. Jhd. gegründet.Woher kommt diese Diskrepanz? Das hängt mitder Autokephalie der ÄOTK zusammen, die erst1959 erfolgte. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde einkoptischer Mönch, der zum Metropoliten deräthiopischen Kirche in Alexandria bzw. Kairogeweiht worden war, als Oberhaupt nach Äthio-pien geschickt. Diese Konstellation wird mit demBeginn des Christentums in Äthiopien erklärt, dader Bekehrer von König Ezana, Frumentius von

    Athanasius von Alexandrien zum Metropoliten(Bischof) von Aksum geweiht wurde. Er erhieltdabei den Namen Abunä Sälama Käsate Berhan.

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    Der neue Patriarch, Abunä Matǝyas, nach der Be-kanntgabe seiner Wahl.

    Photo courtesy of The Sheba Post

    Patriarch Pawlos (1936-2012) photo.oikoumene.org

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  • Der Ort und die Durchführung der Weihe bliebdie folgenden 1500 Jahre gleich, erst 1949/50konnten offiziell die ersten fünf äthiopische Bi-schöfe in Kairo geweiht werden. Im September1951, nach dem Tod des koptischen MetropolitenAbunä Qerellos, wurde Abunä Basǝlyos zum er-sten äthiopischen Metropoliten geweiht. Er hattedas Recht, äthiopische Bischöfe zu weihen. Nachweiteren intensiven Verhandlungen mit Ägypten,die nicht nur auf kirchlicher Ebene stattfanden,auch Kaiser Haylä Sellase beteiligte sich aktiv,stimmte die koptische Kirche der Selbständigkeitder ÄOTK zu. Am 28. Juni 1959 wurde AbunäBasǝlyos (1883-1970) im Beisein von KaiserHaylä Sellase vom koptischen Patriarchen CyrilVI. in Kairo zum ersten äthiopischen Patriarchengeweiht. Mit ihm begann eine neue Ära deräthiopischen Kirche. Aufstellung der bisherigen Patriarchen derÄthiopisch Orthodoxen Täwahǝdo Kirche:

    Patriarch Basǝlyos (1959-1970)Patriarch Tewoflos (1971 – 1976 Gefängnis,1979 ermordet)Patriarch Täklä Haymanot (1976-1988)Patriarch Märqorewos (1988-1991 Abdankungbzw. Flucht, lebt im Exil in Amerika, mit eige-ner Synode, Bischöfen und Gemeinde)Patriarch Pawlos (1992 -2012)Patriarch Matǝyas (2013-)

    Im Internet sind auf youtube zahlreiche Videoszu seiner Weihe, Interviews etc. abrufbar, z.B.http://www.youtube.com/watch?v=zU-EIB4rp9pw*Die korrekte Wiedergabe des Namens ist Ma-tǝyas. n der internationalen Presse wird derName meist als Mathias oder Matias geschrie-ben.

    Dr. Verena Böll

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    Die koptisch orthodoxe Kirche vordem Ende?Patriarch Tawadros schon zu Beginnseiner Amtszeit gefordert

    Wohin wird Ägypten, wohin wird auch diekoptisch orthodoxe Kirche in Ägypten, eine derältesten Kirchen weltweit, gehen? Unsicher sindnicht nur die Beobachter und Kommentatoren.Verunsichert sind vor allem auch die koptisch or-thodoxen Christen zusammen mit den koptischevangelischen und koptisch katholischen in ei-nem der Ursprungsländer des Christentums über-haupt. Angesichts der unsicheren politischen Ent-wicklungen nach der Absetzung von PräsidentMohammed Mursi, der der lange verfolgten underneut verbotenen Muslimbruderschaft nahesteht, sagen Kommentatoren auch das „Ende desChristentums in Ägypten“ voraus.Der als 118. Papst von Alexandria und Patriarchauf dem Stuhl des Heiligen Markus durch Los-entscheid ins Amt gekommene junge Bischof Ta-wadros versucht sich angesichts dieser komple-xen, komplizierten und unübersichtlichen Lagevorsichtig und diplomatisch zu verhalten. „Wirhaben einen Papst! Wunderbar! Gott hat wie im-mer den Besten für uns ausgesucht,“ jubelte am

    04. November 2012 eine junge Koptin und ver-band – wie auch der Großteil der ca. 10 Millio-nen Gläubigen weltweit – mit dem neuen Kir-chenführer große Hoffnungen. Damit gingen 9Monate zu Ende, in der die koptisch orthodoxeKirche in der unruhigen Zeit der arabischen Um-brüche und des Neuanfangs in der ägyptischenGesellschaft durch den Tod von Patriarch She-nouda III. führungslos war.

    Ägypten sucht nach Identität

    Seit den Bildern vom Tahrir Platz im Zentrumder ägyptischen Hauptstadt Kairo Anfang 2011werden das Land am Nil und die in ihm lebendenChristen und die in der weltweiten Diaspora voneinem Extrem ins nächste geworfen. Demon-strierten zunächst Muslime und Christen, Alteund Junge, Akademiker und Nichtakademiker,Männer und Frauen gemeinsam unter demSchutz der Armee den Sturz des langjährigenPräsidenten Hosni Mubarak herbei und hofftenauf gesellschaftliche und wirtschaftliche Verbes-serungen, so wurden sie von den Muslimbrüdern,dem ihnen nahe stehenden Präsidenten Moham-med Mursi und anderen muslimischen Kräften,aber auch ausländischen Regierungen enttäuscht.Versprechungen und Veränderungen wurdennicht eingehalten.

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  • Der daraufhin im Juni/ Juli 2013 auf massive In-tervention des Militärs eingeleitete Machtwech-sel sollte zurückliegende Entscheidungen korri-gieren, politische, gesellschaftliche und wirt-schaftliche Sicherheit gewährleisten. Er wurdevon den beiden führenden Religionsvertreterndes Landes, dem Großscheich der Al-Azar-Uni-versität und dem wenige Monate im Amt befind-lichen koptisch orthodoxen Patriarchen medien-wirksam unterstützt.Seitdem müssen die koptischen, besonders diekoptisch orthodoxen Christen in Angst undSchrecken leben, denn Anschläge vermutlich is-lamistischer Extremisten zerstören Kirchen undGebäude, töten und verletzen Menschen sowohlin Städten als auch Dörfern. Ohne die Hinter-gründe im Einzelnen jeweils aufklären zu könnenoder von Polizeiseite aufklären zu wollen, kannder Eindruck systematischer Verunsicherungnicht ausgeschlossen werden.Diese komplizierte und komplex problematischeLage lässt Patriarch Tawadros in den letzten Wo-chen vorsichtiger und zurückhaltender im Landagieren. Während er im Rahmen von Auslands-besuchen z.B. in Europa moderat, freundlich, of-fen und lebendig, dadurch auch gewinnend aufdie Situation seiner Kirche und ihrer Gläubigenaufmerksam zu machen versteht und den ökume-nischen Kontakt fördert, so hält er sich nun amNil mit öffentlichen Veranstaltungen und Äuße-rungen aus Angst vor Anschlägen oder Unruhenzurück.

    Ein Pharmazeut an der Spitze

    Große Hoffnung auf Öffnung, gesellschaftlichePartizipation, ökumenische Impulse verbandenund verbinden sich noch immer mit Anba Tawa-dros. Zuletzt arbeitete der innerhalb der koptischorthodoxen Kirche nicht ganz unbekannte, außer-halb jedoch unbekannte Kirchenführer in Da-manhur als Weih- bzw. Assistenzbischof für Bi-schof Pachomius. Eine kleine Bischofsgruppe,der neben anderen Auslandsbischöfen auch AnbaDamian, der Bischof für Norddeutschland (Höx-ter-Brenkhausen) angehörte, hatte Tawadros(Theodor) El Anba Bishoi als Kandidaten vorge-schlagen. Der heute 60 jährige wurde 1952 in ei-ner sehr religiösen Familie nahe der mittelgroßenStadt Mansoura, ca. 120 km nordöstlich von Kai-ro geboren. Bereits als Jugendlicher war er inverschiedenen Funktionen seinem späteren För-derer Bischof Pachomius begegnet, der von ihm,

    seinem Umgang mit Jugendlichen und seiner Ge-sprächsbereitschaft begeistert war.

    Anba Tawadros lernte während seines Pharma-ziestudiums in Alexandria und seiner Beschäfti-gung als Manager in einer Arzneimittelfabrik aufKleinigkeiten zu achten. Ein berufsbegleitendesStudium am kirchlichen College in Alexandriaund weitere Pharmaziestudien in England schlos-sen sich an.1986 trat er ins Bishoikloster im Wadi Natrunein, in das sich auch sein Vorgänger im Patriar-chenamt, Patriarch Shenouda III. regelmäßig zu-rückzog. 1988 folgte die Mönchs-, 1991 die Prie-ster- und 1997 die Bischofsweihe. Zunächst Assi-stent von Bischof Pachomius in Damanhur, imwestlichen Nildelta, zog es den jungen Bischofu.a. zu Studien in Management und christlicherPädagogik nach Singapur. Besonders eingesetztwurde er im Bereich der Jugendarbeit und kirch-licher Entwicklungsarbeit, im Auftrag der Heili-gen Synode in den Ausschüssen für Glauben, Er-ziehung, Gesetzgebung und Pastorale Diensteund im engeren Beraterkreis von Patriarch She-nouda III. Seine Arbeitsweise und Persönlichkeitzeichnet sich durch hohe Loyalität, Fachkennt-nis, Zurückhaltung und Bescheidenheit aus. Imgesamten Kandidatenverfahren waren ihm nurAußenseiterchancen für das schwierige Amt desPatriarchen eingeräumt worden. Der Losent-scheid eines kleinen Jungen in der überfüllten St.Markus-Kathedrale in Kairo zog ihn dann insRampenlicht und auf die komplizierte ägyptischeBühne.

    Tawadros will keinen Religions-Staat und kei-ne Auswanderung

    Seit seinem Amtsantritt lehnt Patriarch Tawadrosin Wort, Schrift und Tat einen Religions-Staat inÄgypten ab. Neben Sicherheit und einer sich er-holenden Wirtschaft wünscht sich das Oberhauptin einem Interview „sozialen Frieden in einemStaat, der von seiner Verfassung her geeint, säku-lar und modern sein sollte.“ Immer wieder be-zeichnet er, anders als mancher Kirchenvertreter,in Vergangenheit und Gegenwart Muslime als„Brüder“ der Kopten und ruft zum Dialog undZuhören auf, eine Aufforderung vor allem an diekirchliche und die ägyptische Jugend.

    Auch warb und wirbt er für ein Leben und Arbei-ten in Ägypten. Die Kopten erinnert er immerwieder daran, dass sie in der Vergangenheit in

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  • Respekt und Frieden neben und mit Muslimenlebten. Die Gemeinsamkeit solle auch weiterhingelten. Innerkirchliche Ausbildungszentren sol-len Kirchengliedern, Priestern und Bischöfenhelfen, Sprache, Geschichte und Kultur der Na-tion zu verstehen, in der sie leben und dienen.So zeichnet sich ab, dass Ausbildung auf derGrundlage der reichen Geschichte und Spirituali-tät, die für die Gegenwart neu formuliert werdenmuss, zu den Hauptaufgaben des jungen Hierar-chen gehören werden. Die Kopten erwarten dar-über hinaus, dass sie im neuen Ägypten keineMinderheitenrechte mehr, sondern realistischePerspektiven haben werden. Das Engagement

    von Patriarch Tawadros zur Bildung eines natio-nalen Christenrates versucht diesem Ansinnenauch ökumenische und strukturelle Gestalt zuverleihen.Abzuwarten bleibt, ob es dem Patriarchen ge-lingt, zwischen den Gruppen, die sich im Zusam-menhang der neuerlichen Verfassungsdiskussioninnerhalb der eigenen Kirche bilden, zu vermit-teln und weiterhin einend und sanft ermutigendzu leiten. Geistliche Führung wird erhofft undsehnlich erwartet.

    Markus Lesinski, ev.-luth. Pastor, z.Z. im Aus-landsdienst der EKD

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    Rosa sancta oder heute „Rosa x richardii Rheder“ genannt © A. Marx

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  • Eine sehr alte Rose aus ÄthiopienIn den Listen des berühmten Kew Royal Botani-cal Garden kann man folgenden Eintrag finden:

    Cat. Nr. 26761 Rosa sancta L., Portion of wreathof flowers, als Geber wird Sir Flinders Petrie ge-nannt.

    Sir William Flinders Petrie (1853-1942), einerder großen englischen Archäologen, fand bei ei-ner Ausgrabung in Hawara 1888 in einer Schach-tel mehrere aus Rosen gemachte Kränze, dieetwa um 170 n. Chr. datiert wurden. Diese warenso gut erhalten, dass Francois Crépin (1830-1903) der grösste Rosenexperte der damaligenZeit, sie später als Rosa sancta identifizierenkonnte.

    Der Botaniker Achille Richard (1794-1852)beschrieb erstmals im Jahre 1848 in einer Floraof Abyssinia diese Rose. Pflanzenmaterial dieserRose, die in der Nähe von Kirchen und Gräbernin Äthiopien wächst, wurde 1895 nach Europagebracht und wird noch heute von Rosenschulenkultiviert. Der Name war, wie es sich später zeigte, „be-setzt“, und deshalb gab ihr der Botaniker AlfredRheder 1922 ihren heutigen lateinischen Namen,Rosa x richardii Rheder, diese ist identisch mitder hier beschriebenen Rosa sancta.Rosa Richardii ist wahrscheinlich eine Kreuzungzwischen den Wildformen Rosa gallica und Rosaphoenicia. Sie entstand vermutlich in Kleinasienoder in Syrien, wo beide Arten wachsen. Rosa xrichardii ist eine prachtvolle Rose mit einer sehrlangen ungewöhnlich ereignisreichen und inter-essanten Geschichte; keine andere Rose kannman als Kulturrose zeitlich so weit zurückverfol-gen. Eine - dazu passende - Geschichte erzählt, dassFrumentios, der erste Bischof Äthiopiens, dieRose aus seinem Heimatland Syrien mitnahm,als er im 4. Jahrhundert das Christentum nachÄthiopien brachte; seitdem wurde sie in derNähe von Kirchen und Klöstern in Äthiopien an-gepflanzt. 1895 wurde Rosa x richardii vonÄthiopien nach Europa gebracht und kam 1902in England in den Handel. Selbst heute nochkann man an mehreren Stellen in Äthiopien dieRosa x richardii finden. Es gibt auch in anderen Ländern Geschichtenvon Heiligen Rosen, an Kirchen, so ist die be-

    rühmte Tausendjährige Rose am Dom zu Hildes-heim, von der auch ein Ableger am Dom zu Aa-chen wächst- um nur ein Beispiel zu nennen.Die Rose aus Äthiopien wird in den Beschrei-bungen der Rosenschulen als sehr winterhart be-zeichnet, sie wächst als kleiner Strauch 60-100cm hoch, ist sehr stachelig und trägt einmal imJahr leicht duftende, wunderschöne weiße – zar-trosafarbene einfache Blüten.Zum 30jährigen Jubiläum der Äthiopischen Or-thodoxen Kirche in Köln am 16. Juni 2013 blüh-te neben der Kirche zum ersten Mal ein Rosen-stock der Rosa ‚sancta’ richardii , – ein Stück-chen Äthiopien, erhalten über Jahrhunderte hin-weg, aus einem Ableger kultiviert in Europa: Ichhabe mich sehr darüber gefreut und es als einSymbol verstanden!

    Christliche Symbolik

    Die Alte Kirche hat lange gezögert, die Rose alschristliches Symbol zu verwenden. HeidnischeVerwendungszusammenhänge verhinderten dieszunächst.

    Später wurde die Rose im christlichen Westenallmählich vor allem ein Christussymbol und imMittelalter sogar ein beliebtes Symbol seinerMutter Maria. Zunächst wurden rote Rosen alsSinnbild des blutigen Martyriums der Heiligenverstanden und bald auch auf Jesus in seinemLeiden bezogen. Durch den Rückgriff auf alt-testamentliche Texte, vor allem im Vergleichdurch die christliche Ikonographie mit der Ewi-gen Weisheit mit der in Jericho gepflanzten Rose(Sir 24,14 in der Septuaginta) und durch dieWeissagung des aus der „Wurzel Jesse hervor-kommenden Reises“ (Jes 11,1) konnte die Rosein vielfacher Hinsicht zum Symbol - sowohl fürMaria, wie für ihren Sohn Jesus werden.

    Annegret MarxDie WEB-Seite http://www.welt-der-rosen.de/duftro-sen/wildrosen_m.htm#rosa_sancta

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  • Die bedrohte Klosteranlage von Wal-debaDie Region Waldeba im NW Äthiopiens, inTigre, ist aufgrund ihrer Kloster Tradition vonhöchster Bedeutung für die Äthiopisch Orthodo-xe Kirche, ganz besonders wegen ihrer Eremiten.Eine Tradition von Waldeba berichtet (im BuchDersanä Ura’el ), dass die Hl. Familie auf ihrerFlucht nach Ägypten bis nach Äthiopien kamund sich in Waldeba aufhielt. Nach der Vita hatAbunä Samuel in Waldeba gelebt, das in denWerken vieler Heilige als Ort großer Spiritualitäterwähnt wird.

    Die Klöster Waldebas besassen niemals Land-schenkungen; die Mönchsgemeinschaften ver-sorgten sich jedoch selbst und sind so hervorra-gend an die Voraussetzungen der örtlichen Naturangepasst. Von den frühesten Zeiten an unter-streichen alle Quellen das starke Asketentum derEinsiedler und Mönche von Waldeba und erwäh-nen besonders die örtliche qwarf-Wurzel-Ernäh-rung. Getreide wird als weltliche Ernährung an-gesehen und deshalb im zentralen Mönchsgebietnicht angebaut. Anstelle von Getreide ernährtensich die Mönche von den dort wachsenden Pflan-zen.Heute kann ein Mönch erst nach vielen Jahrendes Dienstes in das Einsiedlerleben eintreten,und das nur mit besonderer Erlaubnis. Wer als

    Mönch nach Waldeba geht um dort zu leben undzu sterben, geht in der Gewissheit, dass sein Wegzum ewigen Heil führt. Die Klöster in Waldebahaben sich nicht die Aufgabe gesetzt, eine Wild-nis zu kultivieren, ihre Mönche stimmen sich spi-rituell auf den sicheren Tod ein, indem sie ihrLeben vollkommen ihrem Gott weihen. Waldebawird seit Jahrhunderten als eines der führendenMönchs-Zentren in Äthiopien angesehen, bei-spielhaft für sein Asketentum.Die Zentralregierung Äthiopiens will die Infra-struktur ihres Landes verbessern, einen Stau-damm in der Region Waldeba bauen für Stromund Wasser, aber die Mönche und auch die Bau-ern Waldebas lehnen das Projekt ab, da ihre Dör-fer und ihre Klöster, Gräber und heiligen Stättenüberflutet werden und protestieren. Es ist dasklassische Dilemma, das auch wir in Deutsch-land kennen: Die Zentralregierung plant ein In-frastrukturprojekt, die konkret Betroffenen sinddagegen. Auch die Äthiopisch Orthodoxe KircheDeutschlands schließt sich diesem Protest an.Im Rahmen der Mitgliederversammlung der Ar-beitsgemeinschaft Christlicher Kirchen inDeutschland (ACK) berichtete die Äthiopisch-Orthodoxe Kirche über die Pläne der äthiopi-schen Regierung, ausländischen Partnern Teiledes Landes zur wirtschaftlichen Nutzung zuübergeben. Der Vorstand der ACK in Deutsch-land schreibt in einem Brief vom 29. Oktober2012 an Bundesentwicklungsminister Niebel undbittet ihn um Mithilfe, wo immer es möglich sei:

    „Für den Bau eines Staudamms zur Versorgungder zukünftigen Zuckerrohrplantagen mit Wasserin dem Gebiet von Waldeba soll eine Klosteran-lage beseitigt werden, die für die Äthiopisch-Or-thodoxe Kirche als heilige Stätte gilt und zu denTrägern der äthiopischen Kultur gehört. BeiRealisierung des Staudammprojektes würden hi-storische Kirchen, Gebäude, Einsiedeleien undFriedhöfe zerstört werden. Einige Tausend Mön-che und Nonnen müssten gegen ihren ausdrückli-chen Willen diesen Ort verlassen. Das Anliegen,die Heiligkeit von Waldeba zu respektieren unddie Region entsprechend zu erhalten, da anson-sten die kulturelle Tradition und die christlichenWurzeln des alten Kulturlandes Äthiopien von ir-reparabler Zerstörung bedroht sind, hat sich derVorstand der ACK zu eigen gemacht“.

    Dr. Friedrich Dworschak

    : http://www.aethiopisch-orthodoxe-kirche.de/

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    Hl. Samuel von Waldebba

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  • Der große VersuchÄthiopiens waghalsiger Sprung nach vornVortrag bei der Tabor Society in Heildelberg am24.09.2011

    Das klingt naiv und fern aller Einsicht in die Ge-flechte historischer Kontingenz. Man kann daspotten und beckmessern. Aber das geht am Kernder Sache vorbei. Der Kern ist der Wille, denGeist des Landes umzukrempeln. Eine gewalt-lose Kulturrevolution, wenn man hoch greifenwill. Äthiopien will den Weg in die Moderne vonGrund auf gehen. Wissenschaftlich; technisch; inder Arbeitshaltung und im Umgang mit der Zeit.Strukturell im Zentrum steht das ECBP, das „En-gineering Capacity Building Programme“. Underster Partner in dieser Sache ist Deutschland,vertreten durch die GIZ als Koordinator für CIM,kfw, DAAD und andere. Arbeitsbereiche sindReform der Universitäten und der Ausbildung intechnischen Berufen; Entwicklung einesNormsystems; Ertüchtigung der Privatwirtschaft.Das ECBP ist Symbol, Leitlinie und natürlichauch Anlass zu Scheitern und Kritik. Aber wennein Land, das bei Indikatoren wie Sozialproduktpro Kopf, Kindersterblichkeit, Dichte der medi-zinischen Versorgung, Infrastruktur im unterenBereich der Skalen steht, es überhaupt schaffenkann, dann ist es das heutige Äthiopien. Von„hoher eigener Kraft zu Politikformulierung“spricht man in der Deutschen Botschaft. Von derFähigkeit zu strukturellem Denken redet man beider GIZ und führt das nicht zu Unrecht auf diealte staatliche Tradition des Landes zurück. Ehr-geiz für die Sache, Ernst im Engagement undhohe Planungsqualifikation der Partner lobt manbei UNDP. Auf den ersten beiden Seiten des „Reporter“ vom27.11.2010 stehen drei Schlagzeilen: „TheFrench Connection – French Telecom restruc-tures Ethiopian Telecom Corporation”; “Ger-mans to manage pioneer technology institutes”;“Chinese company erects largest leather factory”.Das heißt: Spitzentechnik und ihre wissenschaft-lichen Grundlagen kommen von da, wo sie en-twickelt wurden: aus Europa. Investitionen kom-men aus Ländern, die in der Gestalt vonWirtschaft und Lohnniveau Äthiopien näher ste-

    hen: ganz vorn China, Indien und die Türkei.Der andere große Komplex ist die Aufrüstungder Landwirtschaft durch Investoren und durchBeratung der Kleinbauern. Motiv für den Sprung sind zum einen Armut undRückständigkeit. Zum anderen ist es die äußerstschiefe Handelsbilanz. Exporten von 1,76 Mrd. $stehen Importe von fast 7 Mrd. $ gegenüber. DieInvestitionen in Industrie und Landwirtschaftsollen auch dem Export dienen. Wer in Aussichtstellt, zu exportieren, wird von der Investitions-behörde bevorzugt behandelt.Großer Hoffnungsträger für den Export ist dieelektrische Energie. Bis zum Jahre 2015 soll dieinstallierte Leistung von 2000 Megawatt auf10 000 Megawatt steigen. Ein großer Schritt aufdiesem Wege ist der gerade ohne Rücksicht aufägyptische Bedenken begonnene MillenniumDamm am Blauen Nil, 30 Kilometer vor derGrenze zum Sudan: 145 m hoch und 1800 mlang; ca. 64 mrd cbm Wasserhinhalt. Das ist dop-pelt so viel wie der Tanasee. Größter Damm inAfrika. 5 250 Megawatt installierte Leistung; fastdas Dreifache der bisherigen Leistung. Man sieht die Bewegung. Die Airport Road mitHotels, Apartments, Büro- und Geschäftshäusernbeginnt direkt am Flughafen. Aufbruchsstim-mung liegt in der Luft, aber auch ein Hauch vonImmobilienblase. Hochhäuser fertig und im Roh-bau. Rechts der Straße wird ein ganzer Quadrat-kilometer niedriger alter Hauser abgerissen. Amnördlichen Stadtrand entstehen burgartige Villen,die man hofft gut zu vermieten oder zuverkaufen. Wer etwas Geld hat, leiht sich vielund baut damit.

    Das deutsche Flaggschiff

    100 Kilometer südwestlich von Addis Abebaliegt Adama, die Hauptstadt des BundeslandesOromiya, kolonialamharisch auch Nazareth ge-nannt. An ihrem Rand der viele Kilometer großeCampus der Adama University (AU). Als ichsage „Die Adama Universität ist das Flaggschiffunter den neuen Universitäten“ nickt HerbertEichele zustimmend. Professor Dr. Dr. h.c. Her-bert Eichele ist Gründungspräsident der neuenUniversität. Eichele war Rektor der Ohm–Hoch-schule in Nürnberg. Er war Präsident der bayri-schen Rektorenkonferenz. Er hat zu Zeiten seineeigene Hochschule „reengineert“, wie er sagt.

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    Artikel

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  • Jetzt hat er in zweieinhalb Jahren aus dem altenTechnical College von Adama die Referenzhoch-schule für alle technische Forschung und Aus-bildung in Äthiopien gemacht. Auf einer blauenTafel im Innenhof des Verwaltungsgebäudesheißt es im ersten Satz über die Ziele der Hoch-schule: „1. Adama University (AU) shall becomea model technical university for Ethiopia empha-sizing economic development & University-en-terprise cooperation according to the GermanParadigm.“

    14 000 reguläre Studentinnen und Studenten.Dazu 8000 Wochenend- und Abendstudenten.Die meisten Gebäude – Hörsäle, Labors, Werk-stätten, Studentenheime, eine neue Bibliothek –wurden seit Mitte 2008 hochgezogen. Von ein-heimischen Bauunternehmern unter Assistenzvon Experten der GIZ. Learning by buildingsozusagen.Eichele führt im Eilschritt durch den Compound.„Das war alles Wüste“, sagt er und zeigt aufGrünanlagen und gepflasterte Wege zwischenden Gebäuden. Was machbar ist, ist gemacht:eine neue Zentralbibliothek; Internetanschlussfür alle Studenten; Werkstätten, in denen Berufs-schullehrer die Praxis lernen können. Industrie-praktika für die Ingenieure. Ein neues Promo-tionssystem. Promoviert wird nicht mehr imAusland (zum Beispiel in München, wo einerdann vielleicht Probleme für BMW löst), son-dern in einem „Sandwichsystem“. In Zusam-menarbeit mit einer deutschen Universität überein für Äthiopien relevantes Thema. Zum Bei-spiel darüber, wie man aus Eukalyptusstämmenmit ihrer gedrehten Faser Bretter machen kann.Zwölf solche Promotionen sind bereits imGange.Natürlich ist das alles nicht einfach, und Eichelebetont, wie sehr ihm seine hochschulpolitischeErfahrung jetzt zu statten komme. Denn, klar, esgebe auch Obstruktion. Dem Vernehmen nachhat es sogar Morddrohungen gegeben. VierMonate später war Eichele wieder in Nürnberg,und nicht ganz ohne Krach. Die Benennung einesdeutschen Präsidenten war von Anfang an aufEifersucht gestoßen.

    Explosiver Fortschritt/ Land grabbing

    Man nennt das land grabbing. Und das ist esauch. Es hat aber auch rationale Gründe. Dasäthiopische Hochland ist zum Bersten voll besie-

    delt. Tiefliegende Gebiete sind keineswegs leer.Es leben dort Nomaden und verstreute Siedler.Wirtschaftlich gesehen aber wird das Land nichtoptimal genutzt. Das steht hinter dem, das man jenach Standpunkt 'land grabbing' oder 'AgriclturalInvestment' nennt.

    Die Sache hat eine Vorgeschichte. Bei derWende von 1991 führte die neue Regierung dasvon der kommunistischen Regierung eingeführteSystem der genossenschaftlichen Landverteilungfort. Das an einem Ort vorhandene Land wirdvon der Bauerngenossenschaft – Kebele – an dieansässigen Bauern verteilt; in großen TeilenÄthiopiens reicht das meist für einen halben biseinen ganzen, selten für zwei Hektar pro Familie.Reserven für die wachsende Bevölkerung gibt esnicht. Das Land bleibt in Staatsbesitz. Verteiltwerden Nutzungsrechte. Bald nach der Wende von 1991 ging die Regie-rung daran, das System des Kebelelandes durchdie Möglichkeit der Verpachtung von Land anInvestoren zu ergänzen. Das begann auf regio-naler Basis bereits 1996. Seit drei Jahren hat dieBundesregierung in Addis Abeba die Zuteilunggrößerer Einheiten an sich gezogen und im Land-wirtschaftsministerium ein Direktorat „Agricul-tural Investors‘ Support“ geschaffen. Dessen Leiter, Esaias Kebede, ist ein vielbeschäftigter Mann und bietet