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Klangtherapie in der Radioonkologie – Pilotstudie zur Anwendbarkeit und Wirksamkeit der Körpertambura bei mediastinal bestrahlten Patienten Schmalz C. 1 , Sindermann S. 1 , Borzikowsky C. 2 , Dunst J. 1 1 Klinik für Strahlentherapie / UKSH, Campus Kiel, Kiel, Germany, 2 Institut für Medizinische Informatik und Statistik des UKSH, Campus Kiel, Kiel, Germany Hintergrund: Die Körpertambura ist ein vibroakustisches Klanginstrument, das sich zum Hören im Raum ebenso wie zur Auflage auf dem bekleideten Körper eignet. Durch gleichmäßiges Anstreichen aller Saiten im Wechsel beider Hände entsteht ein obertonreicher Klang. Bei Auflage auf dem Körper, der als zusätzlicher Resonanzraum dient, kann gleichzeitig eine feine Vibration wahrgenommen werden. Dies ermöglicht ein ganzheitliches Klangerleben. Bisherige qualitative Studien beschreiben eine entspannende, beruhigende, angenehm empfundene Wirkung der Körpertambura ( 1; 2 ). Auch erste quantitative Studien über die Klangtherapie ergaben einen Entspannungseffekt sowie eine die Atmung erleichternde Wirkung ( 3; 4 ). Patienten, die an einer mediastinal lokalisierten Tumorerkrankung leiden, berichten häufig über Luftnot und damit verbunden über Angst. Im Verlauf der Bestrahlung kann es aufgrund der akuten radiogenen Nebenwirkungen zu einer Aggravierung dieser Symptome kommen. Studienziel: In dieser Pilotstudie wurde untersucht, ob die Anwendung einer Klangtherapie mit einer Körpertambura bei laufender mediastinaler Radiotherapie (RT) das Befinden der Patienten verbessern kann. Patienten und Methoden: 20 Patienten (M Alter = 67,4; SD Alter = 9,70) wurden jeweils vor Beginn (T1) und nach Abschluss (T2) einer stationären RT des Mediastinum mittels Fragebogen befragt. Von den insgesamt 20 untersuchten Patienten erlitten vier während der Therapie einen deutlichen Progress; zwei von ihnen starben kurz nach Studienende. Von den verbleibenden16 Patienten waren 7 (43,75 %) Männer, 9 (56,25 %) Frauen. Während des Zeitraums der Strahlentherapie erhielten die Patienten zweimal wöchentlich jeweils mindestens 10-minütige Klangbehandlungen mit der Körpertambura entweder als Klang im Raum oder mit Auflage auf dem Oberkörper. Es kamen die HADS-D (Hospital Anxiety and Depression Scale, deutsche Version, Hermann-Lingen, Buss & Snaith, 2011) und ein Fragebogen mit je einer visuellen Analogskala (VAS) von 0-10 für die Variablen „psychische Belastung“, „körperliche Belastung“ und „Luftnot“ zum Einsatz. Das Instrument wurde 2002 in der Klangwerkstatt Bernhard Deutz (Berlin) nach dem Vorbild der indischen Tanpura für die musiktherapeutische Arbeit mit Wachkomapatienten entwickelt. Seitdem wird es u.a. bei Schwangeren, Atemwegserkrankten, onkologischen Patienten und im Palliativbereich eingesetzt. Der Zargenkranz dieser Körpertambura besteht aus Esche, die Decke und der konkav gewölbte Boden sind aus Bergfichte. Sie ist mit 28 gleichgestimmten Saiten (7-fach a - d‘- d‘- d) bespannt, die auf einem tiefen Basston (D) enden. Für den klinischen Einsatz ist dieses Instrument mit einer desinfizierbaren Lackierung versehen. Abmessungen: ca. 70 x 33 x 11 cm, Gewicht ca. 2,2 kg. Fazit: Eine Klangbehandlung mit der Körpertambura während einer leitliniengerechten Radiotherapie des Mediastinum ist ein nebenwirkungsfreies supportives Angebot, das die Luftnot und die erlebte Angst bei Patienten reduzieren und das Wohlbefinden in einer belastenden Krankheitssituation fördern kann. Unter Berücksichtigung der kleinen Stichprobe ist nun die Durchführung einer randomisierten Folgestudie geplant . Literatur: 1. Teut,M.; Dietrich,C.; Deutz,B.; Mittring,N.; Witt,C.M.: Perceived outcomes of music therapy with Body Tambura in end of life care – A qualitative pilot study, BMC Palliative Care 2014;13:18 2. Dietrich,C.; Teut,M.; Kakuko Lopoyetum Samwel; Narayanasamy, S; Rathapillil,T.; Thathews,G.: Treating Palliative Care Patients with Pain with the Body Tambura: A Prospective Case Study at St. Joseph‘s Hospice for Dying Destitute in Dindigul South India, Indian Journal of Palliative Care / May-Aug 2015 / Vol 21 / Issue 2 3. Warth,M.; Keßler,J.; Hillecke,T.K.; Bardenheuer, H.J.: Music therapy in palliative care-a randomized controlled trial to evaluate effects on relaxation, Dtsch Ärztebl Int 2015; 112: 788-94 4. Hartwig,B.; Schmidt,S.; Hartwig,I.: COPD und Klangtherapie: Pilotstudie zur Wirksamkeit einer Behandlung mit Körpertambura bei COPD-Patienten, Forsch Komplementmed 2016;23:240-244 Kontakt: Dr. Claudia Schmalz, E-Mail: [email protected] Ergebnisse I quantitativ: Die zu zwei Zeitpunkten erhobenen Daten wurden mit Hilfe eines 2-Stichproben-t- Tests für abhängige Stichproben analysiert. Die Variable „Luftnot“, beurteilt auf VAS (0= keine Luftnot bis 10 =maximal denkbare Luftnot), zeigte eine signifikante Verbesserung: Beim Vergleich vom durchschnittlichen Anfangs- zum durchschnittlichen Endwert der Therapie ergab sich eine statistisch signifikante Abnahme in der Luftnot (M T1 = 4,19, SD T1 = 2,66; M T2 = 2,75, SD T2 = 2,62; p(2-seitig) = 0,040; d = 0,54). Die Rohwerte der Variable „Angst“, die mit dem HADS-D gemessen wurden, wurden auf die T-Werte-Skala (M = 50, SD = 10) transformiert, um eine bessere Interpretierbarkeit zu gewährleisten. Beim Vergleich vom durchschnittlichen Anfangs- zum durchschnittlichen Endwert der Therapie ergab sich eine statistisch signifikante Abnahme in der Angst (M T1 = 50,69, SD T1 = 8,41; M T2 = 46,73, SD T2 = 10,24; p(2-seitig) = 0,007; d = 0,40). Ergebnisse II qualitativ: Alle teilnehmenden Patienten berichteten über wahrgenommene Entspannung, Ruhe und Wohlbefinden. In den Nachgesprächen wurden folgende Empfindungen beschrieben: Visualisierungen, Erinnerungen, Bilder: 5 Teilnehmer Atmung erleichtert, vertieft, gestärkt: 4 Teilnehmer „ganz-weit-weg-Sein“: 4 Teilnehmer „Kopf – frei / leer“: 4 Teilnehmer „kein Zeitgefühl“: 2 Teilnehmer verändertes Körpergefühl: Leichtigkeit, geminderte Übelkeit, Abnahme des Hustenreizes, „Herausspülen der Entzündung“: jeweils ein Teilnehmer 17 2 1 Diagnosenverteilung Bronchialkarzinom Ösophaguskarzinom Schilddrüsenkarzinom 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Karnofsky-Performance Status Patientenverteilung T1 T2 0 2 4 6 8 10 Mittlere Veränderung der Luftnot Zeitpunkte Luftnot [mittlere VAS] T1 T2 40 45 50 55 60 Mittlere Veränderung der Angst Zeitpunkte Angst [mittlere T-Werte]

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Klangtherapie in der Radioonkologie –

Pilotstudie zur Anwendbarkeit und Wirksamkeit der Körpertambura

bei mediastinal bestrahlten Patienten

Schmalz C.1, Sindermann S.1, Borzikowsky C.2, Dunst J.1

1Klinik für Strahlentherapie / UKSH, Campus Kiel, Kiel, Germany, 2Institut für Medizinische Informatik und Statistik des UKSH, Campus Kiel, Kiel, Germany

Hintergrund: Die Körpertambura ist ein vibroakustisches Klanginstrument, das sich zum Hören im Raum ebenso wie zur Auflage auf dem bekleideten Körper eignet. Durch gleichmäßiges Anstreichen aller Saiten im Wechsel beider Hände entsteht ein obertonreicher Klang. Bei Auflage auf dem Körper, der als zusätzlicher Resonanzraum dient, kann gleichzeitig eine feine Vibration wahrgenommen werden. Dies ermöglicht ein ganzheitliches Klangerleben.Bisherige qualitative Studien beschreiben eine entspannende, beruhigende, angenehm empfundene Wirkung der Körpertambura ( 1; 2 ). Auch erste quantitative Studien über die Klangtherapie ergaben einen Entspannungseffekt sowie eine die Atmung erleichternde Wirkung ( 3; 4 ).Patienten, die an einer mediastinal lokalisierten Tumorerkrankung leiden, berichten häufig über Luftnot und damit verbunden über Angst. Im Verlauf der Bestrahlung kann es aufgrund der akuten radiogenen Nebenwirkungen zu einer Aggravierung dieser Symptome kommen. Studienziel: In dieser Pilotstudie wurde untersucht, ob die Anwendung einer

Klangtherapie mit einer Körpertambura bei laufender mediastinaler Radiotherapie

(RT) das Befinden der Patienten verbessern kann.

Patienten und Methoden: 20 Patienten (MAlter = 67,4; SDAlter

= 9,70) wurden jeweils vor Beginn (T1) und nach Abschluss (T2) einer stationären RT des Mediastinum mittels

Fragebogen befragt.

Von den insgesamt 20 untersuchten Patienten erlitten vier während der Therapie einen deutlichen Progress; zwei von ihnen starben kurz nach Studienende.

Von den verbleibenden16 Patienten waren 7 (43,75 %) Männer, 9 (56,25 %) Frauen. Während des Zeitraums der Strahlentherapie erhielten die Patienten zweimal wöchentlich

jeweils mindestens 10-minütige Klangbehandlungen mit der Körpertambura entweder als Klang im Raum oder mit Auflage auf dem Oberkörper.

Es kamen die HADS-D (Hospital Anxiety and Depression Scale, deutsche Version, Hermann-Lingen, Buss & Snaith, 2011) und ein Fragebogen mit je einer visuellen Analogskala

(VAS) von 0-10 für die Variablen „psychische Belastung“, „körperliche Belastung“ und „Luftnot“ zum Einsatz.

Das Instrument wurde 2002 in der Klangwerkstatt Bernhard Deutz (Berlin) nach dem Vorbild der indischen Tanpura für die musiktherapeutische Arbeit mit Wachkomapatienten entwickelt. Seitdem wird es u.a. bei Schwangeren, Atemwegserkrankten, onkologischen Patienten und im Palliativbereich eingesetzt. Der Zargenkranz dieser Körpertambura besteht aus Esche, die Decke und der konkav gewölbte Boden sind aus Bergfichte. Sie ist mit 28 gleichgestimmten Saiten (7-fach a - d‘- d‘- d) bespannt, die auf einem tiefen Basston (D) enden. Für den klinischen Einsatz ist dieses Instrument mit einer desinfizierbaren Lackierung versehen.Abmessungen: ca. 70 x 33 x 11 cm, Gewicht ca. 2,2 kg.

Fazit: Eine Klangbehandlung mit der Körpertambura während einer leitliniengerechten Radiotherapie des Mediastinum ist ein nebenwirkungsfreies

supportives Angebot, das die Luftnot und die erlebte Angst bei Patienten reduzieren und das Wohlbefinden in einer belastenden Krankheitssituation

fördern kann. Unter Berücksichtigung der kleinen Stichprobe ist nun die Durchführung einer randomisierten Folgestudie geplant.

Literatur: 1. Teut,M.; Dietrich,C.; Deutz,B.; Mittring,N.; Witt,C.M.: Perceived outcomes of music therapy with Body Tambura in end of life care – A qualitative pilot study, BMC Palliative Care 2014;13:182. Dietrich,C.; Teut,M.; Kakuko Lopoyetum Samwel; Narayanasamy, S; Rathapillil,T.; Thathews,G.: Treating Palliative Care Patients with Pain with the Body Tambura: A Prospective Case Study at St. Joseph‘s Hospice for Dying Destitute in Dindigul South India, Indian Journal of Palliative Care / May-Aug 2015 / Vol 21 / Issue 23. Warth,M.; Keßler,J.; Hillecke,T.K.; Bardenheuer, H.J.: Music therapy in palliative care-a randomized controlled trial to evaluate effects on relaxation, Dtsch Ärztebl Int 2015; 112: 788-944. Hartwig,B.; Schmidt,S.; Hartwig,I.: COPD und Klangtherapie: Pilotstudie zur Wirksamkeit einer Behandlung mit Körpertambura bei COPD-Patienten, Forsch Komplementmed 2016;23:240-244

Kontakt: Dr. Claudia Schmalz, E-Mail: [email protected]

Ergebnisse I quantitativ:

Die zu zwei Zeitpunkten erhobenen Daten wurden mit Hilfe eines 2-Stichproben-t-Tests für abhängige Stichproben analysiert. Die Variable „Luftnot“, beurteilt auf VAS (0= keine Luftnot bis 10 =maximal denkbare Luftnot), zeigte eine signifikante Verbesserung: Beim Vergleich vom durchschnittlichen Anfangs- zum durchschnittlichen Endwert der Therapie ergab sich eine statistisch signifikante Abnahme in der Luftnot (MT1 = 4,19, SDT1 = 2,66; MT2 = 2,75, SDT2 = 2,62; p(2-seitig) =

0,040; d = 0,54).Die Rohwerte der Variable „Angst“, die mit dem HADS-D gemessen wurden, wurden auf die T-Werte-Skala (M = 50, SD = 10) transformiert, um eine bessere Interpretierbarkeit zu gewährleisten. Beim Vergleich vom durchschnittlichen Anfangs- zum durchschnittlichen Endwert der Therapie ergab sich eine statistisch signifikante Abnahme in der Angst (MT1 = 50,69,

SDT1 = 8,41; MT2 = 46,73, SDT2 = 10,24; p(2-seitig) = 0,007; d = 0,40).

Ergebnisse II qualitativ:

Alle teilnehmenden Patienten berichteten über wahrgenommene Entspannung, Ruhe und Wohlbefinden. In den Nachgesprächen wurden folgende Empfindungen beschrieben:• Visualisierungen, Erinnerungen, Bilder: 5 Teilnehmer• Atmung erleichtert, vertieft, gestärkt: 4 Teilnehmer• „ganz-weit-weg-Sein“: 4 Teilnehmer• „Kopf – frei / leer“: 4 Teilnehmer• „kein Zeitgefühl“: 2 Teilnehmer• verändertes Körpergefühl: Leichtigkeit, geminderte Übelkeit, Abnahme des

Hustenreizes, „Herausspülen der Entzündung“: jeweils ein Teilnehmer

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2

1

Diagnosenverteilung

Bronchialkarzinom

Ösophaguskarzinom

Schilddrüsenkarzinom

100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20%

0

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6

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Karnofsky-Performance Status

Patientenverteilung

T1 T2

0

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4

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Mittlere Veränderung der Luftnot

Zeitpunkte

Lu

ftn

ot

[mit

tle

re V

AS

]

T1 T2

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50

55

60

Mittlere Veränderung der Angst

Zeitpunkte

An

gst

[m

ittl

ere

T-W

ert

e]