KLARTEXT Nr. 3/2009

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KLAR TEXT Jean-Martin Büttner über Enttäuschung und Hoffnung beim „Tages-Anzeiger“ Kooperation als Weg aus der Krise? „Ja, aber“, sagen Verleger Wie sich die SRG neu erfinden will Gossweiler geisselt träge Verlagsbranche Nummer 3 | 2009 DAS SCHWEIZER MEDIENMAGAZIN

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Das Schwezer Medienmagazin

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KLARTEXTJean-Martin Büttnerüber Enttäuschungund Hoffnung beim„Tages-Anzeiger“Kooperation als Wegaus der Krise? „Ja,aber“, sagen VerlegerWie sich die SRG neu erfinden willGossweiler geisseltträge Verlagsbranche

Nummer 3 | 2009

DAS SCHWEIZER MEDIENMAGAZIN

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KLARTEXT | NR. 3/2009 | EDITORIAL | 3

Zeitungsverlage haben in den letzten Monaten gegen fünfhundert Journalis-

tenstellen gestrichen. Allein Tamedia entlässt bei „Tages-Anzeiger“ und

„Bund“ an die hundert Medienschaffende. So ist denn auch verständlich,

wenn dieser Tage vor allem die negativen Schlagzeilen dominieren – sofern

überhaupt jemand die Abbaumassnahmen öffentlich thematisiert. Enttäu-

schung und Empörung sitzen tief bei den Betroffenen. Die dezimierten Be-

legschaften fragen sich zu Recht, wie sich mit derart ausgedünnten Perso-

naldecken weiterhin journalistische Arbeit machen lässt, die das Attribut

„Qualität“ verdient.

Bei all der Aufregung um den rigorosen Sparkurs bei den Zeitungen geht ger-

ne vergessen, dass dieselben Verlage – allen voran auch hier Tamedia – in

jüngster Zeit fast ebenso viele neue Stellen geschaffen haben. Derselbe Res

Strehle, der nun als „Tages-Anzeiger“-Chefredaktor die Massenentlassung

mitzuverantworten hat, half noch vor einem Jahr, mit dem Newsnetz die

grösste Online-Redaktion eines privaten Verlagshauses aufzubauen. Den

redaktionellen Ausbau von 20min.ch mitgerechnet, schuf Tamedia innert

Jahresfrist ähnlich viele Arbeitsplätze, wie der Zürcher Verlag nun andern-

orts abgebaut hat. Eigentliche Gewinner in der Krise sind die Online-Re-

daktionen.

Der Ausbau im Netz erfolgt nicht zuletzt in der Hoffnung, dass die Werbe-

gelder, die nicht länger zu den Zeitungen fliessen, zumindest in Teilen on-

line wieder investiert werden. Wie, wann und in welchem Mass diese Verla-

gerung stattfindet, darüber kann heute erst spekuliert werden. Zwar nimmt

der Werbedruck im Netz kontinuierlich zu, allerdings noch auf sehr tiefem

Niveau, gerade im Vergleich mit den Milliarden, die in der Schweiz weiter-

hin für Print-Inserate ausgegeben werden.

Verstärkt auf die Karte Online zu setzen, ist sicher nicht falsch. Schliesslich

gibt es ausreichend Hinweise, dass sich der Journalismus vermehrt im Netz

abspielen wird. Ob deswegen die Tageszeitung bereits ausgedient hat, und

diesen Eindruck muss man beim Blick auf den Tamedia-Kahlschlag und an-

dere Abbauplätze gewinnen, darf bezweifelt werden. Immerhin hat der „Ta-

ges-Anzeiger“ noch im vergangenen Jahr einen Gewinn ausgewiesen und

erst in diesem rechnet der Verlag mit roten Zahlen.

Nick Lüthi

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„Ich kann heutepraktisch dasselbeerzählen wie vor 15 Jahren und gelteals innovativ. Dasmacht mir Angst.“ Urs Gossweiler, Verleger „Jungfrau Zeitung“ (Seite 20)

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G E S P R Ä C H I M K L A R T E X TJean-Martin Büttner: Der Reporter beim „Tages-Anzeiger“ nimmt kein Blatt vor den Mund und kritisiert Chefredaktionund Verlag nach der Massenentlassung . . . 8

V E R L A G ETamedia: Niemand weiss, wie die aus-gedünnten Redaktionen von „Tages-Anzeiger“ und „Bund“ noch Qualität bieten wollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14„Das Magazin“: Weshalb unser Autor Ronnie Grob sein einstiges Leibblatt kaum mehr wiedererkennt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15Regionalzeitungen: Die mittelgrossenVerlage suchen vermehrt die Zusammenarbeit – aber nicht um jeden Preis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16Edipresse: Der Westschweizer Verlag spürt bereits die gewinngeile Politik derneuen Besitzerin Tamedia im Nacken . . . . 18Bildagenturen: Keystone beteiligt sich an EQ Media und räumt so einen Konkurrenten aus dem Weg . . . . . . . . . . . . . . . . 19

P O R T R ÄTUrs Gossweiler: Der umtriebige Verleger der „Jungfrau Zeitung“ beobachtet die Medienkrise aus sicherer Distanz . . . . . . . . . 20

E L E K T R O N I S C H E M E D I E NKonvergenz: SRG-Projektleiter Tschopp erklärt, wie das Unternehmen mit dem Zusammengehen von Radio, TV und Internet von Grund auf umgestaltet wird . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

J O U R N A L I S M U SSchweinegrippe: Medizinerin Silke Schmitt Oggier analysiert die Bericht-erstattung zur „Neuen Grippe“ . . . . . . . . . . . . 25Staatsjournalisten: Wie die Informations-beamten in Bundesbern vermehrt die Rolle von Journalisten übernehmen . . . . . . 26

R U B R I K E NPersonalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6Kolumne von Hanspeter Spörri . . . . . . . . . . . . . . . 7Medienmenschen: Monika Stocker . . . . . . . . . . . 28Chronik: Die kleine Medienwelt . . . . . . . . . . . . . 31Harri Holzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32Spots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32Aus der „Tagi“-Bäckerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

Impressum mit Passwort für gesicherte Artikel der aktuellen Ausgabe . . . . . . . . . . . . . . 33

„Es ist skandalös, wieund wer beim ‚Tages-

Anzeiger‘ entlassenwurde. Erfahrung

scheint keinen Wertmehr zu haben.“

Jean-Martin Büttner,„Tages-Anzeiger“-Reporter

(Seite 8)

Die alten Tage sind gezählt, der Count-down zum Neustart läuft: In ein paar Mo-naten gehört das aktuelle Erscheinungs-bild von KLARTEXT der Vergangenheitan. Hinter den Kulissen laufen die Arbei-ten auf Hochtouren. Vorerst sei nur so vielverraten: Im neuen Layout dominierenFarbe und Weissraum. Was aber bleibt,sind die Inhalte. Auch in Zukunft willKLARTEXT das Mediengeschehen in derganzen Schweiz kritisch und kontinuier-lich begleiten. Damit das Zweite möglich wird, setzen wir

noch stärker als bisher auf das Internet.Bereits in den vergangenen Monaten ha-ben wir unsere Website sanft ausgebaut.Im Weblog www.klartext.ch/blog findensich nicht nur unsere aktuellen Meldun-gen, sondern auch unsere Lektüreliste.Und wer es (manchmal) schneller mag,verfolgt unser Gezwitscher im Netz:www.twitter.com/klartext_ch. Aber keine Angst: Der Kern der MarkeKLARTEXT bleibt auch in Zukunft dasHeft, das weiterhin sechs Mal im Jahr er-scheinen wird.

Zu diesem Heft (und zum übernächsten)

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6 | PERSONALIEN | KLARTEXT | NR. 3/2009

Den Rücktritt vom Fortschritt hat jüngstPATRIK MÜLLER angetreten. Wohl etwas zueuphorisch in der Vorfreude auf das Kom-mende hatte der „Sonntag“-Chefredaktorvor einer Weile ROGER SCHAWINSKI anver-traut, im Fall der Fälle drei Monate Vater-schaftsurlaub zu beziehen. Nun ist es baldso weit, Müller wird Vater. Und Schawinskierinnerte sich prompt an die progressive

Ankündigung. In seinem Radio 1 wollte ervon Müller wissen, ob nun was werde ausdiesem Vaterschaftsurlaub. Wir ahnen es:natürlich wird nichts – fast nichts. Mit sei-nem Verleger PETER WANNER verhandeltMüller darüber, ob er eine Weile Teilzeit ar-beiten könnte. Sollte Müller aber dereinstselbst Verleger werden, wovon er träumt,dann würde er gleich ganz auf seinen Vater-

schaftsurlaub verzichten, gestand er im Ra-diotalk. Progressiv daherreden ist das eine,auch so zu handeln das andere.

Verleger MICHAEL RINGIER ist kein Freunddes Internet. Bei jeder Gelegenheit, ob ge-fragt oder ungefragt, geisselt er die Dilet-tanten und Schmierfinken, die im Netz ihrUnwesen treiben. Von „Gewäsch“,„Stumpfsinn“ und „Schrott“ sprach Ringieran seiner Jahresmedienkonferenz. Und wie-derholte in den Folgewochen bei etlichenGelegenheiten seine differenzierte Haltungdem neuen Medium gegenüber. Inzwi-schen ist auch klar, weshalb ihn ausgerech-net jetzt wieder ein Schub seiner akutenOnlinephobie durchschüttelt. Schuld sinddie Druckmaschinen, die teuren! 65 Millio-nen Franken hat Ringier im DruckzentrumAdligenswil in die Dinosaurier aus der Gu-tenberg-Galaxis investiert. Dass Online fürdas gedruckte Wort nicht unbedingt förder-lich ist, scheint auch Ringier begriffen zuhaben und verteufelt nun, was das Druck-geschäft gefährden könnte.

INGRID DELTENRE tritt als TV-Direktorinzurück und wird Generaldirektorin der Eu-ropean Broadcasting Union (EBU). Natür-lich löst dieser Wechsel in den Medien al-lerlei Spekulationen aus: Tat sie es aus Ent-täuschung, dass sie wahrscheinlich nicht„Superdirektorin“ hätte werden können?Fühlte sie sich von der SRG zu wenig un-terstützt? Ausserdem gab es Rückblicke aufihr Schaffen, viele davon nicht besonderseuphorisch, eher durchzogen. Gerne inter-viewen zum Thema liess sich ROGER SCHA-WINSKI, der, wie „20 Minuten“ meldete „ger-ne“ sein Know-how als Berater zur Verfü-gung stellen würde. Und der laut Newsnetzunter Deltenre bei SF ein „Klima derAngst“ festgestellt haben will: „Wenn jedeKritik als Majestätsbeleidigung gewertetwird, tritt unweigerlich eine Lähmung ein.Diese Zustände sehe ich beim SchweizerFernsehen“, sagte Schawinski. Hmm, wirdsich da der eine oder andere ehemaligeSchawi-Mitarbeiter gesagt haben, kenn ichdas nicht von irgendwoher?

Der Verleger ist eine Persönlichkeit, die sich mit ihrem ganzen En-gagement für ihre Zeitung einsetzt; in guten wie in schlechten Zei-ten. Eine Respektsperson, die sich mit ihrem Blatt identifiziert undin der Öffentlichkeit als Verkörperung des Mediums wahrgenom-men wird. In der modernen Medienwirtschaft hat dieser Verleger-typus ausgedient. Das zeigt sich derzeit an keiner anderen Person sodeutlich wie an CHARLES VON GRAFFENRIED. Der 84-Jährige bringt al-le Eigenschaften mit, die ihn als Verlegerpersönlichkeit in der Bun-desstadt auszeichnen könnten, doch handelt er nicht danach. So fi-guriert von Graffenried zwar weiterhin als Verleger im Impressumdes Berner „Bund“. Der Titel entpuppt sich als Farce, wenn manvon Graffenrieds Engagement für „seine“ Zeitung im letzten halbenJahr in Betracht zieht. „In der ganzen Projektierungsphase habe ichmich bewusst zurückgehalten“, sagte er jüngst der „SonntagsZei-tung“. Und wie er sich zurückgehalten hat: Nie liess sich von Graf-fenried öffentlich zum Schicksal seines Traditionsblatts vernehmen,dafür trägt er die Kabinettspolitik von „Bund“-Besitzerin Tamediamit, für die er im Verwaltungsrat sitzt. Und nun, nachdem er ganz inder Tamedia-Sprachregelung den „Bund“ trotz massivem Stellenab-bau und verordneter Kooperation mit dem „Tages-Anzeiger“ als ge-stärkt betrachtet, nimmt der alte Panzeroberst die „Berner Zeitung“ins Visier, für die er auch als Verleger zeichnet: Die BZ müsse nun„mehr an die Säcke“. Die seit Jahren knapp gehaltene BZ-Redakti-on wird den Befehl ihres Verlegers dankend entgegennehmen.

Der BernerVerleger Charlesvon Graffenried

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DIE TAGESPRESSE BEFINDET SICH IM NIEDERGANG. Besser als je-de andere Grafik zeigt der Publicitas-Index die negativeEntwicklung der letzten Jahre: den Boom um die Jahrtau-sendwende, das Platzen der Internet-Blase ab 2001, diekleine Erholung der Jahre 2006 und 2007 und nun denAbsturz ins Bodenlose. Die drastisch sinkenden Werbe-einnahmen und die tendenziell ebenfalls abnehmendenAbonnentInnenzahlen zwingen die Branche in ein Expe-riment, dessen Erkenntnisgewinn wahrscheinlich zu spätkommen wird: Wie viel Abbau von Quantität und Qualität,von Analysekraft, Differenzierung, Farbigkeit, Vielfalt,journalistischer Kompetenz und Originalität also, ist mög-lich, ohne dass sich die Leser und Leserinnen ganz ab-wenden?

WÄRE MAN OPTIMIST oder Ökonom der schumpeter’schenSchule, könnte man in der aktuellen Abbauschlacht diekreative oder schöpferische Zerstörung am Werk sehen,laut Lehrbüchern ein dynamischer Prozess, die Essenz desKapitalismus, die dafür sorgt, dass das Alte dem besserenNeuen weicht. Aber wo bleibt das Bessere? In einzelnenBereichen wurde es zweifellos gefunden: Für viele Wer-betreibende, für zahlreiche AnbieterInnen von Dienstleis-tungen, für LiegenschaftsvermieterInnen und Occasions-verkäuferInnen bietet das Internet bessere Plattformenals die Tageszeitung; und auch die Gratiszeitung stellt of-fenbar in den Augen vieler VerwalterInnen von Werbe-etats eine zielgruppengerechtere und günstigere Alterna-tive zum Inserat in der Tageszeitung dar.

DAS MANAGEMENT DER ZEITUNGSVERLAGE reagiert in vorher-sehbarer Weise: mit dem Abbau des Umfangs, der Strei-chung von Stellen, der weiteren Reduktion der Ferti-gungstiefe; immer mehr „Content“ wird nicht mehr in dereigenen Redaktion produziert, sondern als redaktionellesHalbfabrikat bezogen und mit geringem Aufwand regio-nalisiert oder aktualisiert – so zum Beispiel beim künftigen„Tages-Anzeiger“-Kopfblatt „Bund“.

WEIL SICH PARALLEL ZUM EINNAHMERÜCKGANG anscheinendauch das Leseverhalten ändert, lassen sich die Folgen derAbbaumassnahmen nicht mehr eindeutig feststellen: Obsich die LeserInnen von der Zeitung abwenden, weil die-se an Qualität und Umfang verliert, oder weil sie ihre Le-segewohnheiten unabhängig davon ändern und mehr Zeitmit Surfen verbringen, lässt sich kaum eruieren. Verne-belnd spricht man dann von einer Strukturkrise. Dies ent-hebt die Chefs der Medienhäuser der direkten Verant-wortung; gegen die naturgewaltige Zerstörung ist anschei-nend kein Kraut gewachsen – und ihre schöpferischen Zü-ge wird sie dann schon von selbst offenbaren.

DAS LESENDE PUBLIKUM in den Schweizer Städten und Re-gionen ist derweil immer unzufriedener geworden. Manmache nur den Test, spreche LehrerInnen, Baggerführe-rInnen, GaleristInnen, MasseurInnen, GrafikerInnen,WerbeleiterInnen in Luzern, Basel, Bern oder wo auch

immer auf die regionale Zeitung an – man hörtwenig Schmeichelhaftes: „Bieder, fad, unkri-tisch, einseitig, negativ, aggressiv, boulevardig,oberflächlich, leicht zu manipulieren.“ DieBlätter werden geduldet, aber kaum mehrernst genommen. Das Abonnement hält man,„weil man muss“, „wegen der Todesanzeigen“etwa, die Rechnung zahlt man ungern und baldvielleicht gar nicht mehr. Liebe zum Leibblattsieht anders aus.

ES WÄRE ALSO ZEIT FÜR ETWAS NEUES, für neueGeschäftsmodelle, neue Medientypen. Aber esist niemand da, der es wagt, in Experimente zuinvestieren: in eine schlanke, elegante, tief-gründige Tageszeitung für die anspruchsvolleLeserschaft etwa; ergänzt durch eine Websitemit Tiefenschärfe – nicht ohne, sondern mitBerührungsängsten zum Boulevard. – DasBoulevardblatt ist vermutlich immer noch einerfolgversprechendes Geschäftsmodell; die Boulevardi-sierung aller übrigen Medien hingegen droht die Publi-kums- oder KundInnenbindung noch ganz zu zerstören,den klassischen Journalismus bedeutungslos werden zulassen.

WIR JOURNALISTiNNEN haben der allgemeinen Fantasielo-sigkeit in den letzten Jahren wenig entgegenzusetzen ge-wusst. Berufsbedingt neigten wir immer ein wenig zumPessimismus und zur Resignation, verhielten uns abweh-rend gegen Neuerungen, sahen in neuen Medien nur dieGefährdung des Bisherigen, kaum aber die sich vervielfäl-tigenden Möglichkeiten. Wir sind also mitverantwortlichdafür, dass sich die Änderungen der letzten Jahre im Rah-men des Gewöhnlichen und Üblichen halten, dass dasDrehen an der Sparschraube nur zu mehr Allerweltspub-lizistik führte, dass Persönliches, Originelles, Speziellesverschwand, Freiräume verloren gingen. Die Medienin-dustrie wird ihrem Namen immer gerechter: Zeitungenwerden zu Industrieprodukten, gut gemacht vielleicht,aber ohne Individualität. Das wissen eigentlich alle, dieselber in den Newsrooms sitzen und glücklich sind, dasssie einen Job haben.

WO WIRD MAN DAS BESSERE, das Kreative, Schöpferische fin-den? Der Unterschied von Papier und Bildschirm wirdimmer weniger eine Rolle spielen – beides sind nur Ober-flächen, Publikationsvarianten. Ob der journalistische In-halt im Internet auch künftig gratis zu haben sein wird, istvielleicht eine der wesentlichen Fragen. Der Medien-mogul Rupert Murdoch will es wagen, den Zugang zu sei-nen Online-Produkten kostenpflichtig zu machen. Ineinem Punkt hat er wohl Recht: „Die Zeiten des gegen-wärtigen Internets sind bald vorbei“, sagt Murdoch – weiles sich mit den bisherigen Geschäftsmodellen genau sowenig finanzieren lassen wird wie der Zeitungsjournalis-mus. ≠

Fatale FinanzierungslückeVon Hanspeter Spörri, Journalist in Teufen/AR und ehemaliger Chefredaktor desBerner „Bund“.

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nach oben und aussen vertritt und vertei-digt. Das sage ich mit einer relativ langenErfahrung auf dieser Zeitung, für die ich jaseit 25 Jahren schreibe. Die beiden neuenChefredaktoren sind Nummer sieben undacht, die ich beim „Tages-Anzeiger“ erlebe.Klartext: Verteidigt euch die aktuelle Chefre-daktion?BÜTTNER: Sie hat mit ihrer Arbeit erst ange-fangen, es wäre unseriös, jetzt schon etwasdarüber zu sagen. Nur so viel: Dass unserBericht über die „Tagi“-Demo von derChefredaktion subtil, aber vernehmlichzensiert worden ist, und zwar ohne Rück-sprache mit dem Autor, scheint mir keingutes Zeichen. Auch die Art und Weise, wieund an wem die Massenentlassung vorge-nommen wurde, finden wir skandalös. Er-fahrung scheint keinen Wert mehr zu haben.Klartext: Deine Botschaften richten sich janicht nur an die Chefredaktion, sondern an dieVerlagsspitze, die diesen Entscheid getroffenhat. Was erhoffst du dir von ihr?

BÜTTNER: Das ist schwer zu sagen, weil ichangesichts so vieler Entlassungen nicht mehrweiss, was genau sie unter einer Qualitäts-zeitung versteht. Natürlich ist ein Verlag wieTamedia auf seine wichtigste Zeitung ange-wiesen. Zugleich werde ich aber das Gefühlnicht los, dass beim Verlag ein gewissesMisstrauen gegenüber der Redaktion be-steht. Fairerweise muss ich dazu sagen:Dieses Spannungsverhältnis gab es schonimmer, auch bevor Martin Kall als Tamedia-Chef im Amt war. Bis zu einem gewissenGrad gehört es zu unserer Arbeit. Denn un-sere Ziele sind nicht immer dieselben.

Klartext: Du arbeitest seit 1984 beim „Tages-Anzeiger“. Woher kommt diese Treue?BÜTTNER: Zum einen war es lange Zeit so,dass der „Tages-Anzeiger“ die beste Zeitungin der Schweiz war. Es gab zwar Alternati-ven, aber die waren für mich entweder po-litisch oder vom Erscheinungsrhythmus hernicht denkbar. Zweitens mag ich die Leute

Klartext: Du hast an der Kundgebung der „Ta-ges-Anzeiger“-Redaktion gegen die Massen-entlassung gesprochen. Was hast du gesagt?JEAN-MARTIN BÜTTNER: Das Wichtigste warmir zu sagen, dass alle auf dieser Redaktioneine gute, kritische, glaubwürdige, hochste-hende Zeitung machen wollen. Das ist ver-mutlich der einzige Punkt, in dem die Re-daktion mit der Chefredaktion und der Ver-lagsleitung einer Meinung ist. Als Zweiteswies ich darauf hin, dass eine gute Zeitungnur entstehen kann, wenn die Redaktionden Eindruck hat, sie werde ernst genom-men. Das heisst: Sie will angemessen darü-ber informiert werden, was passiert. Darausfolgt drittens, dass sie die Möglichkeit ha-ben muss, mitzuarbeiten an dem, was ausdem „Tages-Anzeiger“ werden soll. Keinerdieser drei Punkte scheint uns auch nurannähernd erfüllt. Zuletzt habe ich noch ge-sagt, dass eine gute Chefredaktion die Re-daktion nach innen stark fordert, kritisiert,antreibt und motiviert – und die Redaktion

„Resignationbedeutet denTod auf Raten“„Tages-Anzeiger“-Reporter Jean-MartinBüttner hofft auf Aktionen seiner KollegInnengegen die Massenentlassung, stellt eingewisses Misstrauen des Verlags gegenüberder Redaktion fest und ist dennoch weiterhinmit Begeisterung Journalist.

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sehr, die auf dieser Zeitung arbeiten. Selbst-verständlich gibt es auf der Redaktion auchProbleme. Beim „Tages-Anzeiger“ aber war,lange Zeit zumindest, das Handwerk sehrwichtig und auch das Engagement; beidesist für mich entscheidend. Der „Tagi“ istkeine Autorenzeitung, was auch Nachteilehat. Dafür gibt es bei uns weniger ausge-prägte Eitelkeiten, wie man sie im Journa-lismus oft kennt, diesen Foulard-Journalis-mus von Selbstdarstellern. Ausserdem gibtes jetzt erst recht keine Alternativen mehrzum „Tagi“, sogar in seiner jetzigen Verfas-sung.Klartext: In den 90er-Jahren haben sich „Ta-ges-Anzeiger“-Redaktoren als „Tagianer“ be-zeichnet. Gibt es das heute noch?BÜTTNER: Nein, diesen Geist gibt es so nichtmehr. Als ich zum „Tages-Anzeiger“ kam,war die Redaktion von der 68er-Generationstark geprägt. Ihre Vertreter waren gebil-det, anspruchsvoll, elitär, autoritär undmanchmal auch schwierig. Aber sie haben

die interne Diskussion auf einem hohen Ni-veau geführt und dachten in Zusammen-hängen. Diese Generation wurde dann un-ter Roger de Weck weitgehend entmachtet;damals setzte der Wandel an. Viele der Kol-legen, die später zu uns gekommen sind,hatten schon anderswo gearbeitet und hat-ten nicht mehr das Gefühl, solidarisch seinzu müssen. Denn sie hatten ihre Arbeitbeim „Tages-Anzeiger“ ohne die Hoffnungbegonnen, dass es so was wie ein gemeinsa-mes Projekt geben kann, in dem man ge-sellschaftliche Utopien oder Vorstellungengemeinsam verwirklicht. Klartext: Kommt der „Tagi“-Geist in der Krisewieder zurück?BÜTTNER: Ich hoffe es natürlich. Zumindestdenke ich, dass den Leuten durch die Krisebewusst geworden ist, dass man sich wehrenmuss. Wenn man resigniert, bedeutet dasden Tod auf Raten. Es braucht die Perso-nalkommission, die sich um die Leute küm-mert, das hat Daniel Suter sehr gut ge-

macht, der jetzt bezeichnenderweise entlas-sen wurde. Daneben braucht es aber aucheine Gruppe, die sich um das Redaktionellekümmert, jetzt, wo so viel verändert wird.Und dabei möchte ich mithelfen. Die Re-daktion muss sich engagieren. Wenn sie dasGefühl hat, eine Änderung schmälere dieQualität der Zeitung, muss sie dagegen vor-gehen.

Klartext: Was geht dir durch den Kopf, wenn dusiehst, dass Tamedia 42 Millionen Franken anDividenden ausschüttet und gleichzeitig beimFlaggschiff den Sparhammer runtersausenlässt?BÜTTNER: Das ist zwar nicht neu, aber dieDifferenz war noch nie so extrem. Was unsam meisten ärgert: Unser Verlag hat immerwieder in Projekte investiert, bei denen dieRedaktion das Gefühl hatte, dass es nichtgut kommt. TV3 war ein gutes Beispiel: DieRedaktion war damals vollkommen dagegenmit dem Argument, dass es einfach viel mehrGeld braucht, um gutes Fernsehen zu ma-chen. Und ich verhehle nicht, dass wir auchbeim Experiment mit den Regional-Splitsnicht sicher waren, ob das funktionierenwürde. Jetzt macht der „Tagi“ zum erstenMal Verluste und sofort wird bei uns massivabgebaut.Klartext: Du hast dich auch im „Tages-Anzei-ger“ zur Tamedia-Geschäftspolitik geäussert:Nach der Edipresse-Übernahme hast du dieSicht der Romands eingebracht. War es schwie-rig, einen solchen Kommentar zu schreiben?BÜTTNER: Überhaupt nicht. Ich habe in allden Jahren immer gesagt und geschrieben,was ich denke. Das gehört auch mit zu denGründen, weshalb ich den „Tages-Anzei-ger“ schätze. Es ist viel mehr möglich, alsman meint. Niklaus Meienberg hat einmalgesagt, Pressefreiheit besteht darin, dassman sie nutzt. Ich denke, das grösste Prob-lem besteht darin, dass Leute auf Vorrat et-was nicht riskieren.

Klartext: Stichwort Niklaus Meienberg: Waswar das Besondere an ihm?BÜTTNER: Ich gehörte nie zu seinen Jüngern,denn mich befremdete schon damals derganze Personenkult um ihn herum. Ich ha-be ihn noch gekannt, ich habe sogar Textevon ihm redigieren dürfen, als de Weck ihn

„Angesichts so vielerEntlassungen weiss ich nichtmehr, was genau unser Verlagunter einer Qualitätszeitungversteht.“

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wieder schreiben liess. Die Begegnungenmit ihm waren faszinierend, er war eine un-glaublich interessante Persönlichkeit, aberauch sehr widersprüchlich. Ich habe michoft gefragt, was er heute machen würde. Erwäre sicher weiterhin interessant. Aber erbrauchte den Kalten Krieg, er brauchte die-se klaren Fronten, über die er sich dann alsBrocken aufregen konnte. Er war jedochvor allem stilistisch eine unglaubliche Inspi-ration. Als die NZZ ihn kurz vor seinem Todauf zwei Seiten exekutierte, hat er mich an-gerufen, war völlig verzweifelt. Ich sagteihm: Das ist das grösste Kompliment, duwirst von der NZZ gehasst. Aber er sah dasnicht so, weil er in diesem Widerspruch ge-fangen war, dass er immer von den Leutengeliebt werden wollte, in deren Suppe erspuckte. Und er hatte ein unglaublich eroti-sches Verhältnis zur Macht. Das ist mir voll-kommen fremd, ich habe überhaupt keineLust, mich mit Mächtigen herumzutreiben.Ich finde Blocher eine faszinierende Figur,habe etwa Couchepin persönlich immer gutgemocht. Aber ich würde nie die Liebe die-ser Leute haben wollen.

Klartext: Du arbeitest jetzt in Bern, vorherwarst du in der Romandie. Bist du wegen dieserDistanz zur Redaktion an einer längeren Leineund geniesst eine gewisse Narrenfreiheit?BÜTTNER: Ich habe schon als Volontär genauso geredet und geschrieben wie jetzt. Gera-de weil ich für viele Ressorts arbeite, frageich, wenn ich einen Artikel schreiben will,zuerst die betreffenden Kollegen. Ich willnicht der frei schwebende Mann für alleFälle sein, der eingeflogen wird und danndie tollen Sachen macht, während anderegefälligst das Tor hinten zuhalten sollen.Das entspricht nicht meinem Verständnisvon Kollegialität.Klartext: Dein Themenspektrum ist sehr breit,es reicht von Kultur bis Politik. Viele Journalis-ten spezialisieren sich auf ein Fachgebiet.BÜTTNER: Ich wollte das nie. Ich habe ja als

Musikkritiker angefangen, aber mein drit-ter Artikel im „Tages-Anzeiger“ war bereitsüber ein anderes Thema. Ich bin gerne inverschiedenen Bereichen aktiv. Das hatauch mit meiner Sozialisierung zu tun: Ichhabe sozusagen im Dach angefangen, in derKultur. Man kann jedoch kein gutes Dachbauen, wenn man nicht weiss, wo der Kellersteht – und ich meine das nicht abwertend,im Gegenteil. Der wichtigste Grund fürmich, ins Bundeshaus zu gehen: Ich wolltedas Handwerk richtig lernen – Recherchen,Schreiben unter dem Druck der Aktualität,Ratsberichterstattung, kritsche Fragen anPolitiker.Klartext: Bist du ein linker Journalist?BÜTTNER: Das war ja lange ein Pleonasmus.Ich habe meine klaren politischen Über-zeugungen, die ich auch in meinen Kom-mentaren vertrete. Als ich ins Parlamentkam, dachte ich relativ naiv, die linken Poli-tiker würden mich mehr überzeugen, weilsie mir politisch näherstehen. Das war nichtso. Ich habe die seltsame Erfahrung ge-macht, dass mir bürgerliche Politiker manch-mal sympathischer waren als linke. Über-haupt ist meine bittere Bilanz aus sechs Jah-ren Bundespolitik: Die Linke erträgt Kritikviel schlechter als die Rechte. Die SVP istsouverän im Umgang mit Kritik, allerdingsauch im Austeilen rücksichtslos. Ich konnteUeli Maurer oder Kurt Wasserfallen auchanrufen, wenn ich am Vortag sehr kritischüber sie geschrieben hatte. Bei der Linkenhabe ich diese Art von Kulanz vermisst.

Klartext: Wirkt die kleine Welt des Bundeshau-ses nicht manchmal etwas seltsam, wenn manwieder draussen steht?BÜTTNER: Je näher man den Politikern steht,desto mehr erfährt man, desto weniger kannman aber darüber schreiben, vor allem nichtüber jene Leute, die einen informieren. Jeweiter weg man ist, desto unabhängiger istman und desto weniger weiss man. Es gehtalso darum, die Äquidistanz zu wahren. Fürmich waren diese sechs Jahre fantastisch,wir hatten ein tolles Team. Man lernt un-heimlich viel im Bundeshaus, geht an Pres-sekonferenzen zu den verschiedenstenSachthemen, an die Ratsdebatten, es gibtpolitische Konflikte, Bundesratswahlen. Ichhabe mich keine Sekunde lang gelangweilt.Das Problem ist: Wenn man im Bundeshausarbeitet, ist es unglaublich spannend, doches ist wahrscheinlich sehr viel weniger span-nend, darüber zu lesen. Eine Pressekonfe-renz zur Asylpolitik, zu einem Detail derGesundheitspolitik oder Verkehrspolitik,das ist sehr schwer zu vermitteln.Klartext: Was hast du gemacht, damit deineTexte trotzdem gelesen werden?

BÜTTNER: Ich habe am Anfang gedacht, ichkönne auch Pressekonferenzen szenisch ab-handeln. Das war ein grosser Fehler. Mankann zum Beispiel über Asylpolitik nicht soberichten, weil letzten Endes damit dieAsylpolitik entpolitisiert wird. Man darf sichnicht zu schade sein, einfach zu informie-ren. Dann kommt es darauf an, dass manmöglichst verständlich schreibt und dieseBeamtensprache meidet. Ich habe in Berngelernt: Man muss verschiedene Sprachenhaben.

Klartext: Teil des Systems Bundeshaus ist auchdas Heer von Sprechern und Informationsleu-ten: 260 Bundes-Kommunikatoren stehen 130akkreditierten Bundeshaus-Journalisten ge-genüber. Ist das noch ein gesundes Verhältnis?BÜTTNER: Nein. Oft rufen wir den Informa-tionschef eines Bundesamtes an, der musszuerst die Experten fragen und gibt unsdann die Informationen weiter. Das ver-kompliziert natürlich alles. Gleichzeitig istmir aufgefallen, dass Journalisten und Bera-ter, vor allem die persönlichen Mitarbeiterder Bundesräte, eine heimliche Allianz ein-gehen. Nach einer Bundesratspressekonfe-renz ruft man die Berater an und will wis-sen, wie sie den Auftritt des anderen Bun-desrates einschätzen. Das gehört zwar zumHandwerk, aber man droht dann trotzdeminstrumentalisiert zu werden.Klartext: Hat es dich je gereizt, als Berater aufdie Gegenseite zu wechseln?BÜTTNER: Nicht eine Sekunde, niemals. Ichkönnte das nicht. Ich habe den schönstenBeruf der Welt. Weshalb sollte ich in einenBeruf wechseln, in dem ich wiederhole oderin andere Worte umgiesse, was andere mirauftragen? Jetzt bin ich frei, mich zu äus-sern. Ich hänge von niemandem so stark abwie ein Sprecher, habe weder Departementnoch Chef, die ich decken muss. Ausserdemschreibe ich sehr, sehr gern.

Klartext: Journalisten werden auch als Feind-bild wahrgenommen. Nach einem Fussballspielin Basel wurdest du gewaltsam aus dem FCZ-Fan-Extrazug befördert. Was ist da geschehen?BÜTTNER: Auf der Hinreise war ich hinten imExtrazug, es war nett und sympathisch, ichhabe mit den Leuten gesprochen und mirNotizen gemacht. Auf dem Rückweg bin ichdann in den vordersten Wagen gestiegenund wusste nicht, dass sich dort der harteKern geballt hatte. Als ich dann in meinerNaivität den Laptop aufklappte, ging es sehrschnell, ich wurde innerhalb von einer Mi-nute mit ein paar Fusstritten aus dem Zugspediert. Da hatte sich die ganze Wut an mirentladen. Der FC Zürich hatte das Spielverloren, ausserdem fühlen sich die Fans

Treuer TagianerSeit 25 Jahren schreibt Jean-MartinBüttner für den „Tages-Anzeiger“ – undwird es auch weiterhin tun. Die aktuelleEntlassungswelle hat er, anders als fasthundert seiner KollegInnen, unbeschadetüberstanden. Nach anfänglich freier Mit-arbeit für den „Tagi“ arbeitete Büttner ab1990 als Inlandredaktor, wechselte alsKorrespondent in die Westschweiz, spä-ter ins Bundeshaus. Heute arbeitet derpromovierte Psychologe als Reporter mitArbeitsplatz Bern für das Zürcher Blatt.

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von den Medien falsch dargestellt. Dergrösste Schock für mich ist aber, dass dieseLeute den Eindruck haben, ein von der Öf-fentlichkeit subventionierter Sonderzug seiein rechtsfreier Raum. Aber es darf keinerechtsfreien Räume geben in einer Demo-kratie. Allerdings wollten mich ebenso vieleFans beschützen, wie mich verprügeln woll-ten. Ich habe das nachher bewusst deeska-lierend beschrieben.Klartext: Dein Artikel wurde in Foren und Blogsim Internet heftig diskutiert. Du hast dich dortnicht zu Wort gemeldet. Weshalb?BÜTTNER: Ich finde, der Journalist sollte sichnicht in die Reaktionen auf seinen Artikeleinmischen. Er hat sich geäussert, hatte sei-ne Öffentlichkeit, dann ist es unfair, auf-grund des Vorwissens einzugreifen, weilman immer den Vorsprung der grösserenErfahrung hat. Und man kann dann leichtLeute kritisieren.

Klartext: Im Zusammenhang mit den Entlas-sungen beim „Tages-Anzeiger“ hat sich dasPublikum auf „Newsnetz“ geäussert – die einenfinden das Blatt zur rechts und SVP-lastig, dieanderen zu links und sozialistisch. BÜTTNER: Früher galt der „Tages-Anzeiger“eindeutig als links, aber schon damals stan-den einige dem damaligen FDP-Stadtpräsi-denten Thomas Wagner nahe. Es gab schonimmer grosse politische Spannungen inner-halb der Redaktion. Insgesamt war früher

die Haltung eindeutiger, das hat sich jetztgeändert. Was die Nähe zur SVP angeht: Ei-ne Zeit lang sind wir von dieser Partei in ei-ner Art besessen gewesen, die eigentlich vorallem der SVP genützt hat. Wir waren völligauf diese Partei fixiert, wir haben viel mehrüber sie geschrieben, als nötig gewesen wä-re. Ich nehme mich dabei nicht aus.Klartext: Wo haben die Kontrollmechanismenversagt?BÜTTNER: Das ist für mich heikel zu beant-worten, weil ich hier nicht Kollegen kritisie-ren möchte, zumal ich ja auch Teil der Be-richterstattung war. Richard Aschinger,mein alter Inland-Kollege, nennt das Phä-nomen „Bewegungsmelder-Journalismus“.Wenn etwas zuckt, reagieren die Journalis-ten und halten die Aufregung für eine Ge-schichte. So wird man zum Mithelfer derje-nigen, die zucken. Ich finde, der „Tages-An-zeiger“ hat sich in den letzten Jahren zu sehrdieser Art von Journalismus verschrieben.Vor Kurzem brachten wir einen Artikel übereinen Politiker der Schweizer Demokraten,der behauptet, er habe von einem anderenPolitiker gehört, dass Justizdirektor MarkusNotter ein Alkoholproblem habe. Das halteich für Rufmord. Aber weil ein anderes Me-dium das berichtet hatte, erwartete man vonder Lokalredaktion einen Nachzieher. Siehat es handwerklich sauber gemacht, auchNotter um eine Reaktion angefragt. Aberich halte das für einen infamen Vorgang.

Klartext: Gibt es im Bundeshaus einen unge-schriebenen Ethikkodex, dass man beispiels-weise nicht über Bundesrats-Affären schreibt?BÜTTNER: Es gibt sehr viele Dinge, die wirim Bundeshaus alle wussten und über dienie etwas erschienen ist. Solange solcheEnthüllungen nicht relevant sind für das,was die Politiker tun, solange sie nicht imWiderspruch stehen zu dem, was sie ver-künden, darf es kein Thema sein. Wir wol-len keine englischen oder amerikanischenVerhältnisse.

Klartext: Gibt es bei der Art, wie man mit sol-chen Themen umgeht, einen Unterschied zwi-schen den Medien in der Deutsch- und West-schweiz?BÜTTNER: Die Westschweizer Kollegen ha-ben einen sehr viel lockereren Umgang mitBoulevard-Themen. Sie haben auch sehrviel früher Farbe in die Zeitung gebracht alsin der Deutschschweiz. Insgesamt sind siean solchen Themen näher dran. Umgekehrthaben die Politiker ein lockeres Verhältniszum geschriebenen Wort. Das hat damit zutun, dass es für sie eine weniger grosse Be-deutung hat, das weiss ich auch als Bilingue.Dafür ist die elegante Formulierung wich-tig. Ich bin übrigens gespannt, wie es sichauswirken wird, welchen Austausch es gibt,nun da Tamedia Edipresse übernimmt. Lei-der zeigt die Erfahrung, dass die Kultureneinander weitgehend ignorieren.

„Meine bittere Bilanz aus sechs Jahren Bundespolitik ist: Die Linke erträgt Kritik viel schlechter als die Rechte.“

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Klartext: Hattest du als Romandie-Korrespon-dent Mühe, die Romandie ins Blatt zu bringen?BÜTTNER: Im Gegenteil. Und das war nichtnur wegen Roger de Weck so, der ebenfallsbilingue ist. Ich konnte so viel schreiben,wie ich wollte. Ich habe auch die interes-sante Erfahrung gemacht, dass sich meineWestschweizer Kollegen ernster genom-men fühlten, wenn ich kritisch über die Ro-mandie berichtete. Sie haben es gerne di-rekt und konfrontativ.

Klartext: Du hast den Journalismus ohne Inter-net kennen gelernt. Heute geht es nicht mehrohne. Welche Bedeutung hat das Internet fürdeinen Beruf?BÜTTNER: Eine enorme, in jeder Beziehung.Es ist eine unwahrscheinliche Hilfe undebenso eine Verführung. Wie oft habe ichmich dabei ertappt, als ich in grosser Zeit-not vor einem Konzert ein paar Artikel aus-gedruckt habe. Ich hatte nie die Disziplin,ein Handarchiv zu führen. In diesem Be-reich ist etwa die Schweizerische Medien-datenbank eine Bereicherung, allerdingsbesteht auch die Gefahr, dass Textbaustein-Artikel zusammengesetzt werden.Klartext: Die Verleger stehen dem Internet wei-terhin mit einer gewissen Skepsis gegenüber,teils sogar ablehnend bis feindlich.BÜTTNER: Das kommt wohl daher, weil dasInternet die Vorstellung geprägt hat, dassInformation gratis sei. Diese Rechnunggeht aber nicht auf. Ich habe mit Interesse

den Bericht der „SonntagsZeitung“ überden „Guardian“ gelesen, der offenbar ren-tiert, auch weil er eine hervorragende Web-site führt. Gleichzeitig lese ich, dass der„San Francisco Chronicle“ vor dem Endesteht, der „Boston Globe“ ist ebenfalls be-droht. Wenn in Städten wie San Franciscooder Boston mit ihren Universitäten und ih-rer intellektuellen Tradition die Qualitäts-zeitungen eingehen, muss uns das grosseSorgen machen. Die Folge ist, dass dannnicht mehr kritisch aus solchen Städten undStaaten berichtet wird. Der Schweiz drohtaus den Kantonen dasselbe.Klartext: Ist diese Wächterfunktion an ein be-stimmtes Trägermedium gebunden, zum Bei-spiel an die Zeitung?BÜTTNER: Ich denke nicht, klar ist aber: Vie-le der besten kritischen Berichte auf denWebsites von TV, Radio oder Zeitungen inden USA stammen von Online-Journalis-ten, die eine langjährige Print-Erfahrunghaben, von Rechercheuren der alten Schu-le. Eine Zeit lang kann man die Leutebetäuben, wie es Aldous Huxley in „BraveNew World“ vorausgesagt hat, mit einer Be-richterstattung, die einschläfert und banali-siert. Aber wenn die Situation so ist wie jetztin den USA, mit diesen unglaublichen Skan-dalen, diesen unglaublichen Finanzproble-men, dann möchten die Leute wissen, wa-rum sie jetzt alles verloren haben. Da wirdes den kritischen Journalismus immer brau-chen. Und auch Zeitungen.

Klartext: Wie ist das für dich, wenn du für den„Tages-Anzeiger“ einen Artikel schreibst und eram Vorabend schon gratis auf der Website er-scheint?BÜTTNER: Ein Problem sehe ich darin, dassbeim Online-Journalismus eine andere To-nalität angeschlagen wird. Das fängt schonbeim Titel an. Kürzlich habe ich eine Seitegeschrieben über die Probleme, die Baslermit Zürchern haben, unter dem Titel „ÜberZürich spotten und an Basel leiden“. ImNewsnetz hiess der Titel dann „Was ist dasfür ein Kindergarten?“. Das war ein einzi-ges Zitat aus mehreren Gesprächen. Als Ti-tel wirkte das natürlich als unglaublicheProvokation. Uns stört das, und wir müssenuns wehren, wenn der Titel dem Artikelnicht mehr entspricht. Zugleich muss manzur Kenntnis nehmen: Das Newsnetz hatErfolg, und es werden von seiner Redaktionauch gute Artikel verfasst unter extremenBedingungen. In diesem Punkt bin ich mitdem Verlag einverstanden: Eine Zeitung,die im Internet nicht auch reüssiert, hatnoch viel grössere Probleme.Klartext: Wie eng ist die Tuchfühlung mit derNewsnetz-Redaktion?BÜTTNER: Im Moment ist sie nicht sehr eng,aber die neue Chefredaktion hat einen en-geren Kontakt angekündigt. Ich finde dasim Grundsatz richtig, denke aber, es brau-che eine gegenseitige Rücksichtnahme. Dasaber geht nur, wenn das Klima besser wirdund der gegenseitige Austausch funktio-

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niert. Ich bin jedoch überzeugt, dass vieleder Ressentiments zwischen Online undPrint vor allem atmosphärisch begründetsind und sich abbauen lassen, wenn wirmehr miteinander zu tun haben. Es gibt ge-wisse Zielkonflikte zwischen Print und On-line. Aber ich finde, wir können uns nichtnoch einen Zwei-Fronten-Krieg leisten inunserer Situation. Wir müssen lernen, somiteinander umzugehen, dass beide Seitenbesser werden.Klartext: Was kannst du von den Online-Kolle-gen lernen?BÜTTNER: An der Online-Redaktion beein-druckt mich, wie schnell und direkt sie zurSache kommt. Und sie hat oft das Gespür,eine Geschichte so zu drehen, dass sie sofortzum Punkt kommt. Das schafft aber auchProbleme. Die erste Version eines Artikelsenthält oft Fehler, die dann erst im Laufedes Tages korrigiert werden. Ausserdemfinde ich oft, dass die Tonalität im Newsnetznicht dem entspricht, was der „Tages-An-zeiger“ ist. Skandalös fand ich zum Beispieleinen Titel wie: „Steve Jobs ist tot“. Nachdem Anklicken konnte man dann lesen: „…und andere Gerüchte“.

Klartext: Hoch im Kurs bei Tamedia sind Bild-schirme, auf denen man in Echtzeit sieht, wel-che Artikel im Internet wie oft angeklickt wer-den. Befürchtest du, dass sich diese Klickmen-talität auch auf den Print überträgt?BÜTTNER: Ja, und wir wehren uns sehr dage-

gen. Manchmal muss man als Journalistauch an einer unspektakulären Geschichtedranbleiben, weil sie sich in eine spannendeRichtung entwickeln könnte. Oder etwaszum Thema machen, das weitreichendeFolgen haben wird. Das weiss man abernicht zum Voraus. Ausserdem sagen Klicksnur beschränkt etwas über die Nutzung ei-nes Artikels aus, denn anklicken heisst janoch nicht lesen. Wenn der Klick das einzi-ge Kriterium für die Qualität eines Artikelswird, drohen Oberflächlichkeit und Skan-dalisierung.

Klartext: Du hast deine Dissertation über Mu-sik geschrieben, „Sänger, Songs und triebhafteRede. Rock als Erzählweise“. Als Journalistschreibst du regelmässig über Rock- und Pop-musik. Wie schwierig ist es, in einer Tageszei-tung als Experte über ein Thema zu schreiben?BÜTTNER: Das ist eine Frage, die sich jederJournalist immer wieder stellen muss. Manliest Fachliteratur, führt Interviews, hörtMusik – und versucht dann das Gelernte sozu formulieren, dass es die Leute verstehenund auch gerne lesen. Wenn man sehr vielüber eine Sache weiss, wird es immerschwieriger, darüber zu schreiben. Das isteiner der Gründe, weshalb ich so gerne Re-porter bin: Ich kann immer wieder auf eineArt Anfänger sein. Das Fachspezifischeliegt mir überhaupt nicht. Das ist nicht dieArt von Journalismus, die mich interessiert.Und ich wäre unglücklich nur in der Politik-

oder nur in der Musikberichterstattung.Die Kombination von beidem ist toll.Klartext: Man bezeichnet dich auch als „Edel-feder“. Was bedeutet dir das?BÜTTNER: Das ist ein schreckliches Wort.Klartext: Aber es bedeutet doch: „Er schreibt soschön.“BÜTTNER: Ja, schon. Aber „edel“ finde ich ei-nen furchtbaren Begriff, das klingt nachKristallglas und höherer Gesellschaft.„Edelfeder“ ist für mich eine Beschimp-fung. Wenn jemand sagt: „Der schreibtschön“, dann denke ich immer: „Denkt erauch gut?“Klartext: Du sagst, du hättest den schönstenBeruf der Welt. Gibt es noch viele Journalistin-nen und Journalisten, die das sagen können?BÜTTNER: Ich unterrichte seit über 15 Jahrenregelmässig am Medienausbildungszent-rum MAZ. Dort stelle ich fest: Die Leute,auch wenn sie unter schlechten Bedingun-gen arbeiten, diskutieren spannend über ih-re Arbeit. Selten treffe ich dabei Kollegenan, die sich langweilen oder nur auf etwasBesseres warten. Daraus schliesse ich, dasses anderen auch geht wie mir. Das Interes-sante ist ja: Journalismus hat in Umfragenoft einen sehr schlechten Ruf, zugleich aberist er, wenn man an den Hochschulen fragt,nach wie vor ein heiss begehrter Beruf. ≠

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Tamedia

„Es fehlt der Respekt“Tamedia greift zum eisernen Besen und dezimiert die Redaktionenvon „Tages-Anzeiger“ und „Bund“. Kein Ruhmesblatt für den ZürcherVerlag. Von Bettina Büsser.

Russland betreuen soll, kann von einer Ar-beit vor Ort nicht mehr die Rede sein; erwird sich in erster Linie via Internet und Te-lefon über „sein“ Gebiet informieren müs-sen. „Auslandposten sind teuer“, interpre-tiert ein „Tages-Anzeiger“-Redaktor die Ent-scheide, „und langjährige Mitarbeiter auch,weil sie einen höheren Lohn haben. Und siesind vielleicht sperriger, aufmüpfiger.“

Dabei wären gerade erfahrene Redak-torInnen qualifizierter für den künftigen„Tages-Anzeiger“, denn dieser soll mehrHintergrund, Analyse und Kommentarbringen – und wer kann das besser liefernals MitarbeiterInnen, die sich schon langemit einem Themenbereich befassen? Lang-jährige „Tages-Anzeiger“-Mitarbeiter sindauch die beiden Mitglieder der Personal-kommission, die nun entlassen wurden, da-runter Peko-Präsident Daniel Suter. Zwarbestreitet die „Tages-Anzeiger“-Leitung,dass diese Entlassungen mit der Funktionder Entlassenen zu tun hätten. Die beidenseien einfach im Alter für eine Frühpensio-nierung. Im Zusammenhang mit den bei-den Fällen kursiert auch das Wort „Früh-pensionierungs-Lüge“. Mit Ausnahme vonRegionalausgaben, Ausland-Ressort undder „Bellevue“-Seite, die abgeschafft wird,verteilen sich die Entlassungen quer durchdie Redaktion. Irgendein Muster erkennendarin auch „Tages-Anzeiger“-Leute nicht.

Ein ähnliches Bild zeigt sich in Bern.Vor lauter Freude, dass der „Bund“ als Titel

erhalten bleibt, ging ganz vergessen, dassder Preis dafür hoch ist; sehr hoch. Rundein Drittel des Personals wird abgebaut.Parallelen zum Vorgehen beim „Tages-An-zeiger“ sind insofern zu erkennen, als dassman sich auch in Bern jetzt wundert, wiemit der verbleibenden Redaktion eine Qua-litätszeitung hergestellt werden soll. Wiebeim „Tages-Anzeiger“ wurden auch beim„Bund“ zentrale Bereiche dermassen ausge-dünnt, dass an Qualität kaum mehr zu den-ken ist. So muss etwa die Zeitung künftigohne Bildredaktion auskommen und dieverbleibenden FotografInnen teilen sichgerade mal eineinhalb Vollstellen. Synergi-en mit dem künftigen Mutterblatt „Tages-Anzeiger“ gibt es in diesem Bereich nur we-nige, da der grösste Bilderbedarf auch wei-terhin im Lokal- und Regionalteil besteht.

„Tiefe Wunden“Solche Ungereimtheiten hinterlassen beiden Entlassenen das ungute Gefühl, dassman auch beim „Bund“ einigermassen kon-zeptlos den Sparhebel angesetzt hat. Undwo eine Struktur in den Kündigungen er-kennbar wird, gibt dies nur noch grösserenAnlass zur Sorge, respektive Empörung. Sohat Chefredaktor Artur Vogel auffällig vieleFrauen über die Klinge springen lassen.Das kann natürlich Zufall sein. „Wenn dieKriterien zur Auswahl unklar sind, hinter-lassen Abbauprozesse tiefe Wunden“, sagtenicht ganz zufällig eine Woche vor demKahlschlag ein „Trennungsexperte“ ge-genüber dem „Bund“. Dem ist eigentlichnichts mehr beizufügen. ≠

* Dazu kommen rund zwanzig Freie und sieben Ange-stellte der Druckerei.

Mitarbeit: Nick Lüthi

Der Schock sitzt tief. „Es herrscht einewahnsinnige Empörung, die Loyalität gegen-über dem Haus ist weg“, fasst ein „Tages-Anzeiger“-Mitarbeiter die Stimmung nachden 52 Entlassungen auf der Redaktion* zu-sammen. Es sei allen klar gewesen, dass mansparen müsse, dass es einen Stellenabbaugeben würde: „Wir hofften jedoch auf einenetappenweisen Abbau, und, vor allem, aufein anständiges Verhalten. Es fehlt der Re-spekt!“ Anders als beim „Bund“ war es beim„Tages-Anzeiger“ nicht Chefredaktorensa-che, den Leuten ihre Entlassung mitzutei-len; diese Aufgabe übernahmen offenbarmehrheitlich Ressort- und TeamleiterInnensowie die Personalabteilung. Dabei gab esin manchen Fällen nicht einmal eine Erklä-rung, weshalb gerade dieser Journalist sei-nen Job verliert, oder eine Würdigung derArbeit – auch nicht bei MitarbeiterInnen,die fast ihr ganzes Erwerbsleben beim „Ta-ges-Anzeiger“ verbracht haben.

Russland-Korrespondent neu in BerlinViele der Entlassenen haben bei den Regio-nalsplits gearbeitet. „Das ist ein halbes Ein-geständnis, dass die Regionalisierungsstra-tegie gescheitert ist“, ist aus der Redaktionzu hören. Ausserdem trifft es viele Mitar-beiterInnen des Ressorts Ausland – oft sehrlangjährige. Der Auslandteil des künftigen„Tages-Anzeigers“, so ist zu befürchten,wird an Qualität verlieren: Wenn etwa derKorrespondent mit Sitz in Berlin nun auch

hb./ „Wir behalten uns eine Klage wegen missbräuchlicher Kün-digung vor“, sagt Stephanie Vonarburg, Juristin und Sekretärinder Gewerkschaft Comedia. Die Entlassung der Präsidenten derPersonalkommissionen von „Tages-Anzeiger“ und „Bund“ sei einVersuch, die beiden für ihr Engagement zu bestrafen. Dieser Ver-dacht, so Vonarburg, liege nahe, obwohl den beiden im Rahmeneiner Massenentlassung gekündigt worden sei.Gewählte PersonalvertreterInnen haben gemäss Obligationen-recht für die Dauer ihrer Amtszeit einen gewissen Kündigungs-schutz, indem die sogenannte Beweislast umgekehrt wird: Wennsie entlassen werden, muss der Arbeitgeber beweisen, dass er ei-nen begründeten Anlass zur Kündigung hatte. Tamedia werdewohl versuchen, die Entlassungen mit dem Alter der beiden Jour-nalisten zu begründen, sagt Vonarburg. Beide sind über 58 Jah-re alt und kämen für vorzeitige Pensionierungen infrage. Sie ha-ben aber nun die Kündigung erhalten, ohne dass ihnen Tamediavorgängig ein Angebot zur vorzeitigen Pensionierung gemacht

hätte. Kommt dazu, dass weitere, auch jüngere, Mitglieder derPersonalkommissionen in Zürich und Bern entlassen wordensind. Der Verdacht liegt auf der Hand, dass dies kein zufälligerEntscheid ist.Selbst wenn die Betroffenen vor Gericht durchkommen sollten,würde das die Kündigung nicht rückgängig machen. Das Obliga-tionenrecht sieht nur Entschädigungen, aber keine Wiederein-stellung vor. Aus diesem Grund hat der Schweizerische Gewerk-schaftsbund SGB die Schweiz bei der Internationalen Arbeitsor-ganisation ILO eingeklagt, die eine Rüge aussprach. Aus Sichtdes SGB und der ILO ist das Recht auf Wiedereinstellung eineBedingung, ohne die die gewerkschaftliche Freiheit nicht garan-tiert ist. Falls die Schweiz weiterhin nicht auf die wiederholtenRügen der ILO reagiert, will der SGB 2010 erneut klagen. Von Be-deutung ist in diesem Zusammenhang der Entscheid eines Gen-fer Gerichts, das Ende Mai erstmals die provisorische Wiederein-stellung einer entlassenen Gewerkschaftsvertreterin anordnete.

Vertrauensleute schlecht geschützt

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„FACTS“ WURDE EINGESTELLT, weil die Werbeeinnahmen fehl-ten. Die „Weltwoche“ verkauft immer neue Teile ihrer Ti-telseite, und meine Lieblingslektüre der letzten 25 Jahre,das „Magazin“, erkenne ich kaum wieder. Als ich AnfangJahr das eben komplett überarbeitete Heft durchblätterte,stach mir vor allem die Werbung ins Auge. Sie hebt sichnun in frohen Farben von den matt kolorierten redaktio-nellen Inhalten ab. Das publizistische Konzept wirkt damitauf den Kopf gestellt: Nicht mehr die Werbung ergänzt dieInhalte, sondern umgekehrt. Immer wieder tauchen Artikelauf, die mich stutzen lassen. Ein Text über offenbar hippeFahrräder, die zwar viel Geld kosten, aber nicht einmalüber Bremsen und Lichter verfügen. Oder eine ganze Aus-gabe mit Bildern abgefüllt, die zuvor im Geschäftsberichtder Migros erschienen sind; flankiert von bezahlter Wer-bung – natürlich von der Migros. Nur wenig später folgtendann Bilder mit dem Model und vom Fotografen einesCoop-Katalogs. Es war dies der vorläufige Tiefpunkt aufdem Weg in die postmoderne Beliebigkeit. Anything goes.

ALS RES STREHLE IM APRIL 2007 vom „Magazin“-Chefsesselin die Chefredaktion des „Tages-Anzeigers“ wechselte,folgten ihm Finn Canonica und als dessen StellvertreterGuido Mingels. Ehemals der Ort für lange, herausragen-de Sozialreportagen, für Denkanstösse, für politische undwirtschaftliche Hintergründe, wandelt sich das Heft unterder neuen Führung in einen Styleguide für versnobte,städtische Eltern. Entsprechend beschäftigt sich die Re-daktion vor allem mit Fragen zu Stil, Mode, Kochen, Frau-en, Kinder, Reisen, Trends. Politik? Ja, aber nur wenn esmenschelt. Gesellschaft? Ja, aber nur wenn etwas Gla-mour dran ist. Wissenschaft? Das ist zu trocken, das gehtnur aufgepeppt. Investigationen? Die verlaufen nicht im-mer günstig; Redaktionsmitglied Sacha Batthyany wider-fuhr das Unglück, in Liverpool von einem Fünfzehnjähri-gen ausgeraubt zu werden. Die grossen Stücke abseits vonLifestyle-, Befindlichkeits- und Trendjournalismus, diezwar weiterhin erscheinen, aber eben seltener, wirken imneuen Stilmix schon fast als Fremdkörper.

DIE ZU EINEM GUTEN TEIL AUS STÄDTISCHEN ELTERN um die 40bestehende Redaktion ist zu homogen, um vielfältige In-halte zu produzieren. Die 2008 von der „NZZ am Sonntag“eingewechselten Mathias Ninck und Sacha Batthyanykonnten bisher kaum Akzente setzten. Richtig frisch findeich nur die Texte des Ausnahmetalents Michèle Roten undder Nachwuchshoffnung Thomas Zaugg. – Obwohl das„Magazin“ schon seit mehreren Jahren nicht mehr nurdem „Tages-Anzeiger“ beiliegt, sondern auch der „BaslerZeitung“ und der „Berner Zeitung“, dreht sich weiterhinalles um die grösste aller Schweizer Städte. Alles andere istProvinz. Am deutlichsten äusserte Canonica seine Verach-tung für die Provinz, als er neulich auf Twitter die Mel-

dung absonderte: „Hasse Zuricham samstag, zuviele provinznues-se.“ Um diese Provinznüsse trotz-dem bei Laune zu halten, schmei-chelt man ihnen ab und zu. Zum Beispiel mit einer „Odean die Bernerin“: eine belanglose Abhandlung über dieSchönheit der Berner Frauen, die genauso gut „Ode an dieZürcherin“ hätte heissen können, wenn man sich dortnach schönen Frauen umgeschaut hätte.

ÜBERHAUPT LEGT DAS „MAGAZIN“ VIEL WERT auf Äusserlich-keiten. So kann man Daniel Binswanger auf einem Bildneben seiner Kolumne dabei zusehen, wie er diese imGeiste formuliert, tadellos angezogen und seinen Blick ge-dankenverloren durch seine Pariser Wohnung schweifenlassend. Die SF-Journalistin Patrizia Laeri, bekannt ge-worden durch ihr Interview mit Ex-UBS-Präsident PeterKurer, reduziert das „Magazin“ per Schwarz-Weiss-Insze-nierung letztlich auf ihr Äusseres. Chefredaktor Canonicaordnet Laeri im Themenheft über die „Menschen, denendie Zukunft gehört,“ in die Gruppe der „sehr schönenFrauen“ ein. Was zwar wahr ist, aber absurd wirkt, weil da-mit ebenfalls eine Äusserlichkeit und keine Qualifikationangesprochen wird. Die sich online äussernden Leser ver-stehen den „Hype um Frau Laeri“ nicht ganz. Sie sehendas harte Nachfragen der Journalistin beim Kurer-Inter-view – die „Laeri-Brechzange“ (Canonica) – als „eineSelbstverständlichkeit“ an. Die Kommentare zu einemPorträt von Ex-Miss-Schweiz Melanie Winiger sind dannschon deutlicher: „Wie viele dieser belanglosen People-Porträts müssen wir eigentlich noch lesen?“, „solche Be-richte gehören in die ‚Glückspost‘ und nicht hierhin“, „einweiterer Meilenstein in der Vertrashung des Magazins“.

SOLCHE KOMMENTARE kann man aber seit Anfang Juni garnicht mehr lesen. Denn dasmagazin.ch hat die Kommen-tarfunktion inklusive Nutzerprofil-Zugang ohne Ankündi-gung verschwinden lassen. Es ist zwar noch zu sehen,wenn ein Artikel Kommentare nach sich zog – lesen kannman sie aber nicht mehr. Chefredaktor Canonica, erklär-ter Internet-Skeptiker, begründet diesen Schritt gegen-über dem Branchendienst persoenlich.com mit der feh-lenden Zeit, die Kommentare zu moderieren.

BRAUCHT ES DAS „MAGAZIN“ NOCH? Oder würde Tamedianicht besser daran tun, das Heft gleich mit der „Annabel-le“ zu fusionieren? Nein, denn das „Magazin“ hat ein gros-ses und grossartiges Erbe zu verwalten. Ich kenne unzäh-lige LeserInnen, die den „Tages-Anzeiger“ nur durchblät-terten, das „Magazin“ hingegen studierten und liebten.Mit der auf die Werbekunden ausgerichteten Strategie derharmlosen Häppchen wird die Zeitung wohl weitereAbonnentInnen verlieren. ≠

Wo ist denn mein„Magazin“ geblieben?Im „Magazin“ von Tamedia glänzt nach dem Relaunch vor allem dieWerbung. Sind die grossen Zeiten vorbei? Mutiert der publizistischeLeuchtturm zum harmlosen Heftli? Das fragt sich Ronnie Grob.

Ronnie Grob

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Regionalpresse

Kooperation ja, abernicht um jeden PreisAngesichts der düsteren Wirtschaftsentwicklung geraten auch kleineund mittelgrosse Zeitungen unter Zugzwang. Unabhängig bleibenoder kooperieren? Die Verlage lavieren. Von Bettina Büsser.*

Gleichgrossen“ gilt Peter Wanner, Verlegerder „Aargauer Zeitung“ (AZ) und Konstruk-teur der „Mittelland Zeitung“: „Kooperatio-nen stehen heute klar im Vordergrund. Mitder ‚Mittelland Zeitung‘ beweisen wir seitsieben Jahren, dass partnerschaftliche Zu-sammenarbeit erfolgreich sein kann“, sagter selbst dazu. Doch Wanners AZ Medienhaben ein schlechtes 2008 hinter sich, zu-dem musste der Verlag Anfang Jahr viel Geldin die Hand nehmen, um den restlichen An-teil der Vogt-Schild Medien Gruppe („Solo-thurner Zeitung“) zu kaufen. Nun müssendie AZ Medien, wie alle mittelgrossen Tages-zeitungen, sparen und Stellen abbauen. Da-mit bleibt unklar, ob im Aargau noch Ener-gie übrig bleibt, um weitere Allianzen zuschmieden. Wanner lässt sich punkto mög-liche Partner nicht in die Karten blicken:„Wir sind grundsätzlich nach allen Seitenoffen.“ Einzig eine Zusammenarbeit mitder BaZ scheint ausgeschlossen, denn: „DieSituation zwischen Matthias Hagemannund mir ist weiterhin angespannt, weil eruns nach wie vor übel nimmt, dass sich die‚Basellandschaftliche Zeitung‘ für eine Zu-sammenarbeit mit uns entschieden hat.“

NZZ bietet sich als Partnerin anQuasi eine „Allianz der Gleichgrossen imSchutz eines Grossen“ hat kürzlich AlbertStäheli, CEO der NZZ-Gruppe, angeboten:Er sprach davon, dass sich rund um die NZZals Kooperationspartnerin ein Gegenge-wicht zu Tamedia entwickeln könnte. Ähn-lich wie beim Verbund der „Mittelland-Zei-tung“ besteht auch hier eine ausbaufähigeStruktur. Doch NZZ-Chef Stäheli muss sichzuerst einmal um sein Flaggschiff kümmern.Zudem hat er bereits gezeigt, dass die NZZin Zukunft ihren Partnern nicht mehr so viel

Spielraum lassen wird wie früher: Die LZMedien wurden stärker ans Haus gebundenund haben keinen eigenen CEO mehr. Soselbstständig, wie die Luzerner entschiedenhaben, eine Sonntagsausgabe zu lancierenund dabei mit dem „Sonntag“ aus dem Aar-gau zusammenzuarbeiten, werden sie heutekaum mehr agieren können.

Schliesslich bietet sich Tamedia alsmögliche Anlehnpartnerin an. Allerdingshat die Gruppe durch ihre jüngsten Einkäu-fe – Espace Media in Bern und Edipresse inLausanne – eine Grösse erreicht, die man-che Verleger eher zurückschrecken lässt.Und die dazu führen könnte, dass allfälligeweitere Käufe von der Wettbewerbskom-mission sehr genau unter die Lupe genom-men würden.

BaZ mit Rücken zur WandWelche der verschiedenen Allianz-Variantenwürden die befragten Verleger vorziehen?Klar Stellung beziehen will keiner. „Mittel-grosse Verlage müssen sich überlegen, mitwem sie zusammenarbeiten wollen“, sagtetwa BaZ-Verleger Matthias Hagemann.„Schon alleine deshalb, weil man jetzt, inder Rezession, in aller Brutalität erkennt,was der Strukturwandel in den letzten Jah-ren bewirkt hat.“ Hagemann wäre ein Kan-didat für eine Zusammenarbeit mit oder gareinen Verkauf an Tamedia; schliesslich ist ervia „Magazin“, „News“ und Newsnetz be-reits eng mit den Zürchern verbunden –und muss als Aktionär auch die Kosten derPendlerzeitung „News“ mittragen. Dies inwirtschaftlich knappen Zeiten, in denen erbei der BaZ Stellen abgebaut, eben sein Ra-dio Basel 1 verkauft und bei der DruckereiBirkhäuser den Akzidenz-Rollenoffset-Be-reich stillgelegt hat. Doch, findet Hage-mann, „wir wollen zuerst das maximal Mög-liche ohne irreversible Zusammenarbeit mitanderen realisieren, währenddessen sehenwir, wie sich die Medienlandschaft Schweizweiterentwickelt“.

Ebenfalls mit einem „Grossen“ verban-delt ist die „Neue Luzerner Zeitung“, diezur NZZ-Gruppe gehört. Für Erwin Bach-mann, VR-Präsident LZ Medien, ist es „si-cher nicht nachteilig, in einem grösserenVerbund zu sein“. Auch die NLZ spürt dieKrise, baut gegen zwanzig Stellen ab – undschaut nach möglichen Partnern aus. Werdas sein könnte, verrät Bachmann nicht:„Jeder spricht mit jedem.“

Kooperation ist angesagt. „Eine Möglich-keit, die Qualität des Inhalts hoch zu haltenund gleichzeitig Kosten zu sparen, ist inhalt-liche Zusammenarbeit“, rät der Weltver-band der Zeitungen (WAN) in einer zusam-men mit PricewaterhouseCoopers (PwC)erstellten Studie angesichts der Struktur-krise. Und PwC Schweiz geht davon aus, dassmittlere und kleinere Zeitungsverlage nichtum Kooperationen, beispielsweise gemein-same Mantelteile, herumkommen, wenn sieihre Zukunft sichern wollen.

Kooperiert wird unter mittleren Zei-tungsverlagen schon lange – da werden querdurch die Deutschschweiz Artikel, ganzeSeiten und Know-how ausgetauscht. ImLauf der Zeit haben sich auch zwei Gruppen(siehe Kasten) herausgebildet, die in ver-schiedenen Bereichen zusammenarbeiten:eine rund um „Neue Luzerner Zeitung“,„St. Galler Tagblatt“ und „Mittelland Zei-tung“, auf der anderen Seite stehen die Ta-media-Tageszeitungen und die „Basler Zei-tung“ (BaZ); sie ist dabei Juniorpartnerin.

Kooperationsbereitschaft ist vorhandenIm Zug der wirtschaftlichen Krise sprechendie Verlage nun intensiver miteinander:„Die Kooperationsbereitschaft unter denVerlegern ist zweifellos vorhanden und auf-grund des wirtschaftlichen Leidensdruckswohl so hoch wie noch nie“, sagt DanielEhrat, Verlags- und Marketingleiter „St.Galler Tagblatt“.

Doch wer könnte mit wem? Denkbarist für eine mittelgrosse Tageszeitung ent-weder eine Kooperation mit einem grossenHaus, also mit der NZZ-Gruppe oder Ta-media. Oder dann bietet sich eine „Allianzvon Gleichgrossen“ an. Als mögliches Gra-vitationszentrum für eine „Allianz der

„Wir sind grundsätzlichnach allen Seiten offen.“

Peter Wanner

„Wir wollen zuerst das maximalMögliche ohne irreversible Zusam-menarbeit mit anderen realisieren.“

Matthias Hagemann

„Jeder spricht mit jedem.“Erwin Bachmann

„Die Kooperationsbereit-schaft unter den Verlegernist so hoch wie noch nie.“

Daniel Ehrat

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KLARTEXT | NR. 3/2009 | VERLAGE | 17„Über Zusammenarbeitsmodelle sind

laufend Gespräche im Gang“, sagt auch Da-niel Ehrat, Verlags- und Marketingleiter„St. Galler Tagblatt“. Auf der „Tagblatt“-Re-daktion wurden sechs Stellen gestrichenund bereits im letzten Jahr wurden Stellennicht mehr besetzt. „In unseren nationalenund internationalen Ressorts kann man sichvorstellen, dass die Redaktionen verstärktverlagsübergreifend arbeiten“, sagt Ehrat.Die Frage sei jedoch, ob man mit anderenVerlagshäusern Synergien finde, um wirk-lich effizienter zu arbeiten.

Eine „natürliche“ Allianz gäbe es zwi-schen „St. Galler Tagblatt“, „Neue LuzernerZeitung“ und den Zürcher Landzeitungen.Doch Verleger Theodor Gut, dessen„Zürichsee-Zeitung“ zum Landzeitung-Ver-bund gehört, ist bei einem gemeinsamenMantel für alle mittelgrossen NZZ-Titel„skeptisch“: „Ich weiss nicht, wie viel manüber denselben Leisten schlagen kann.“ Ei-ne Kooperation im Umfeld der NZZ sei „si-cher im Moment eine der Varianten, die aufder Hand liegen“, aber vorerst werde manim Rahmen der „Zürcher Landzeitung“ ver-suchen, weitere Synergien zu realisieren.Gut, auf dessen Redaktion bisher keineKündigungen ausgesprochen werden mus-sten, glaubt daran, dass sich die wirtschaft-liche Situation wieder stabilisieren wird:„Dann werden wir weiterhin eine Zeitungmit vernünftigem Inhalt machen können.“

Regionalzeitungen im VorteilDie regional ausgerichteten kleineren Zei-tungen leiden bisher weniger unter der Kri-se, da sie im nationalen Werbemarkt nichtso viel zu verlieren haben. „Umsätze verlie-ren zwar alle Titel, aber regionale verlierenweniger als nationale“, sagt Norbert Neinin-ger, Verleger und Chefredaktor der „Schaff-hauser Nachrichten“: „Wir wollen und wer-den unabhängig bleiben. Dazu ist es uner-lässlich, dass wir schwarze Zahlen schrei-ben, das sieht derzeit nicht schlecht aus.“Doch auch Neininger ist, wie alle anderenVerleger, „offen“ für Kooperationen – solange „alle Verträge kündbar sind“.

Ähnlich klingt es bei „Südostschweiz“-Verleger Hanspeter Lebrument: „Ich lese inden Fachzeitungen, dass man sich als mit-telgrosse Tageszeitung einem Grösseren an-schliessen muss. Aber ich habe noch nichtgemerkt, dass ich muss: Wir hatten ja nochnie Riesenergebnisse, aber wir hatten auch

noch nie riesig schlechte Ergebnisse.“ Des-halb will sich Lebrument nirgendwo „an-schliessen“ – aber eine Zusammenarbeit mitanderen kann er sich vorstellen, etwa bei ei-nem Mantel: „Wenn er wirklich günstigerist als unsere heutigen Ausgaben für dieentsprechenden Ressorts.“ Gerade bei denstärker regional ausgerichteten, und des-halb weniger unter Druck stehenden, Titelnist der Drang nach weitgehenden Koopera-tionen offenbar nach wie vor klein. Und ob-wohl „alle mit allen“ reden, will sich nie-mand festlegen – so lange es möglich ist.

Lebrument: Der Staat solls richtenGut möglich, dass alle gemeinsam in einenChor einstimmen werden, der sich in dieserSituation an den Staat richtet. So fürchtetetwa Hanspeter Lebrument, in seiner Rolleals Präsident des Verbands Schweizer Pres-se, angesichts des Edipresse-Kaufs und derweiteren möglichen Entwicklung um diePressevielfalt. Deshalb fordert er besseregesetzliche Rahmenbedingungen für dieSchweizer Presse: „Wir sollten via Postge-setz wieder 100, 200 Millionen Franken fürden Vertrieb erhalten; heute sind es nur 30Millionen Franken. Es fragt sich auch, obman bei der Mehrwertsteuerrevision wieauch bei der Ausbildung etwas für die Pres-se tun kann. Wir wollen keinen Presseviel-faltsartikel in der Verfassung, wir könnendiese Medienvielfalt halten, wenn die Rah-menbedingungen angepasst werden.“ ≠

Romandie

TraumpartnerWilhelm TellIn der Westschweiz ist derSpielraum für unabhängigeVerlage sehr eng geworden.hb./ In der Westschweiz gibt es mittlerwei-le nur noch drei unabhängige Regionalzei-tungen. Das sind „La Liberté“ in Freiburg,„Le Nouvelliste“ in Sitten und „Le Quoti-dien Jurassien“ in Delsberg. Die restlichengehören zu Edipresse oder zur Hersant-Gruppe. Und beim Walliser „Le Nouvel-liste“ haben die Aktionäre der Hersant-Gruppe ein Mandat übertragen, das dieÜberprüfung der Geschäftsaktivitäten, dieErneuerung der Druckerei und das Ent-werfen einer Internet-Strategie beinhaltet.Zudem prüft man die Einführung einesneuen Redaktionssystems – es ist dasselbewie bei den Hersant-Zeitungen „L’Impar-tial“ und „L’Express“. Es sieht ganz danachaus, als werde „Le Nouvelliste“ mit denHersant-Zeitungen technisch kompatibelgemacht. Ausserdem könnte eine der Be-dingungen der Wettbewerbskommissionfür die Edipresse-Übernahme durch Tame-dia sein, dass Edipresse ihre 37,5-Prozent-Beteiligung am „Nouvelliste“ aufgibt. Werausser Hersant könnte die acht MillionenFranken, auf die das Aktienpaket heute ge-schätzt wird, aufbringen?

Weiterhin unabhängig ist „La Liberté“;sie gehört noch der religiösen Kongregationder Paulus-Schwestern. Für „Liberté“-He-rausgeber Albert Noth ist deshalb die Suchenach finanzkräftigen Partnern, die bei derPaulus-Gruppe einsteigen könnten, „nichtdringlich, aber nötig“. Wenn es nach Nothgeht, müssen diese Partner nicht unbedingtaus dem Verlagswesen kommen, es könntenauch lokale Wirtschaftsakteure im RaumFreiburg sein. „Der Starke ist am mächtigs-ten allein“, zitiert Noth ironisch SchillersWilhelm Tell, und, angesprochen auf dieWahl eines möglichen Verbündeten, der fürmittelgrosse Verlagshäuser nach dem Zu-sammenschluss von Edipresse mit Tamediazur Verfügung stehen könnte, wählt erebenso ironisch – „Wilhelm Tell“. ≠

Allianz NZZ-Gruppe: „Neue Luzerner Zei-tung“, „St. Galler Tagblatt“, „MittellandZeitung“ und „Zürcher Landzeitung“(„Zürcher Oberländer“, „Zürcher Unter-länder“ und „Zürichsee-Zeitung“) bildenzusammen den Werbepool Cityplus. Ge-meinsam mit „Südostschweiz“ und„Schaffhauser Nachrichten“ betreibendie genannten Titel die Online-Plattform„news 1“.

Allianz Tamedia: „Tages-Anzeiger“, „Ber-ner Zeitung“, „Bund“ und „Basler Zei-tung“ bilden zusammen den WerbepoolMetropool und arbeiten bei Newsnetzund „News“ zusammen, bei Newsnetz da-bei ist auch die „Thurgauer Zeitung“.

BESTEHENDE ALLIANZEN

„Wir wollen und werden unab-hängig bleiben.“

Norbert Neininger

„Ich habe noch nicht gemerkt, dass ich mich einem Grösseren anschliessen muss.“

Hanspeter Lebrument

„Ich weiss nicht, wie viel man über denselben Leisten schlagenkann.“

Theodor Gut

„Der Starke ist ammächtigsten allein.“

Albert Noth

* Mitarbeit: Nick Lüthi, René Worni.

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Edipresse

Renditezwang aus ZürichUnter dem Diktat von Käuferin Tamedia soll das LausannerMedienhaus Edipresse seine Strukturen den ambitioniertenRenditezielen der Zürcher anpassen. Noch steht dem dieWettbewerbskommission im Weg. Von Helen Brügger.

quenzen haben. Bei den Regionalzeitungen„24 Heures“ und „Tribune de Genève“ er-wartet man ein ähnliches Schicksal, wie es„Tages-Anzeiger“ und „Bund“ erleiden.Noch schlimmer könnte es dem Boulevard-blatt „Le Matin“ ergehen. Der überregiona-le Titel passe nicht ins Portefeuille der Zür-cher, schätzt man in der Westschweiz, weilTamedia auf Regionalzeitungen und Gratis-zeitungen setze.

Ringier will „Le Matin“ nichtLaut Daniel Pillard hat „Le Matin“ allenGrund, sich Sorgen zu machen. Der Chefvon Ringier Romandie kennt als Konkur-rent das Dossier Boulevardzeitung: „Der‚Blick‘ und ‚Le Matin‘ haben beide die glei-chen Probleme. Ihre Herstellung ist zu teu-er und sie gehören nicht mehr zu den vonden Werbekunden privilegierten Werbeträ-gern.“ Heisst das, „Le Matin“ könnte ver-kauft werden? Glaubt man der Einschät-zung von Daniel Pillard, ist Ringier kaumder Käufer. Und Hersant? Vom SchweizerStatthalter des schweigsamen Franzosen,Jacques Richard, war keine Stellungnahmezu erhalten. Insider bei Hersant winkenaber ab, „Le Matin“ passe nicht ins Porte-feuille, in dem heute nur Mikrolokal- undLokalzeitungen liegen.

Was aber, wenn Tamedia das orangeBlatt nicht los wird? Es dürfte schwierigsein, dem Zürcher Verlag klarzumachen,dass der „Matin“ in der Westschweiz eineRolle für die Meinungsvielfalt spielt, indemer die Monopolstellung der kantonalen Me-dienhäuser unterläuft. Chefredaktorin Ari-ane Dayer findet, dass „Le Matin“ als „Be-reicherung des Tamedia-Portefeuilles“ ge-sehen werden könnte. Doch realistischer-weise schätzt sie: „Unser Schicksal ist wiedas aller Zeitungen hauptsächlich von un-sern Resultaten abhängig.“ Kaum gefährdet

scheint hingegen die „Matin“-Sonntagsaus-gabe, die einzige Sonntagszeitung in derWestschweiz. Sie könnte eine bezahlte Er-gänzung zur fusionierten Pendlerzeitungdarstellen.

Was geschieht mit „Le Temps“?Auch „Le Temps“ blickt unter den neuenBesitzverhältnissen einer ungewissen Zu-kunft entgegen. Die überregionale Qua-litätszeitung gehört zu gleichen Teilen Edi-presse und Ringier – für das Projekt wurdevon den beiden Verlagshäusern gar eine ei-gene Holding gegründet. Unter dem Dachhätten weitere gemeinsame Projekte Platzfinden sollen, nun aber wirkt die Strukturobsolet. Zudem, so Daniel Pillard, gehörten„Zeitungen nicht zum Kerngeschäft vonRingier Romandie“. Der Frage, ob Ringierdie Beteiligung an „Le Temps“ zu verkaufengedenke, weicht er aber aus. „Vorderhand“,so die diplomatische Formel, werde mandie Beteiligung behalten.

Als einzige überregionale Qualitätszei-tung spielt „Le Temps“ eine wichtige Rollefür das neu entstandene Selbstbewusstseinder Romandie, die sich seit wenigen Jahrennicht mehr als Nebeneinander von Kanto-nen, sondern als gemeinsame Kultur- undWirtschaftsregion zu verstehen beginnt. Ei-ne Einstellung der Zeitung kann man sichdeshalb in der Westschweiz nicht vorstellen.Aber kann Tamedia, selbst wenn sie esmöchte, den Ringier-Anteil kaufen? Schonbei der Gründung von „Le Temps“ hatte dieWettbewerbskommission verlangt, dass dieZeitung nicht Edipresse allein gehören dür-fe – ein Verdikt, das die Wettbewerbskom-mission auch bei der Beurteilung der heuti-gen Fusion wiederholen könnte. „Wir ge-hen davon aus, dass Ringier seinen Anteilbehält“, beruhigt „Le Temps“-ChefredaktorJean-Jacques Roth. Andernfalls gebe esDeutschschweizer oder auch internationaleVerlagshäuser, die Interesse an der Zeitunghätten.

Sicher ist, dass „Le Temps“ für qua-litätsbewusste Verlage eine Trumpfkartebedeutet. Wieso nicht für die NZZ, mit der„Le Temps“ im Annoncenbereich zusam-menarbeitet? ≠

Tamedia läuft die Zeit davon. Die Meldungüber den Kauf von Edipresse durch Tame-dia sei Anfang Juni zur Prüfung eingetrof-fen, bestätigt Patrik Ducrey von der Wett-bewerbskommission. Die Frist für die vor-läufige Prüfung läuft bis Anfang Juli. FallsAnhaltspunkte bestehen, dass sich aus demZusammenschluss der beiden Medienhäu-ser eine marktbeherrschende Stellung er-geben könnte, folgt eine vertiefte Prüfung.Ihre Frist beträgt nochmals vier Monate.Während dieser Zeit darf das Geschäft nichtvollzogen werden.

Tamedia kann also die Fusion der bei-den Pendlerblätter „20 Minutes“ und „Ma-tin bleu“ frühestens Ende Jahr über dieBühne bringen. Das bleibt nicht ohne Fol-gen, denn Tamedia bezahlt Edipresse indrei Raten, die Höhe der dritten Rate ist ab-hängig von den Geschäftsresultaten. Solan-ge „Le Matin bleu“ aber existiert, belastetdas Blatt die Resultate der LausannerGruppe. „Tamedia ist bereits jetzt daran, inLausanne jeden Stein umzudrehen, umherauszufinden, was er wert ist“, kommen-tiert ein Insider die unangenehme Lage, indie Edipresse-Präsident Pierre Lamunièreden ganzen Verlag durch den Verkauf ge-bracht hat.

„Le Matin“ steht querWenn die Wettbewerbskommission für dieÜbernahme den Weg freigibt, womit erfah-rungsgemäss zu rechnen ist, dürfte im HausEdipresse definitiv kein Stein auf dem an-dern bleiben. Tamedia-Chef Martin Kallhat in der „Handelszeitung“ vom 13. Maiangekündet, dass er über sieben bis zehnJahre eine Rentabilitätsmarge von 15 bis 20Prozent anstrebt: Das geht nicht ohne dras-tische Restrukturierungen auch in der Ro-mandie. Die Fusion der beiden Pendler-blätter dürfte noch am wenigsten Konse-

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KLARTEXT | NR. 3/2009 | VERLAGE | 19Bildagenturen

Der Bildmarktwird enger Branchenleader Keystone beteiligt sich an derKonkurrenz EQ Media. Bildredaktionen befürchtennun, die kleine Agentur gehe im Schlepptau desträgen Tankers unter. Von Nick Lüthi.

Keystone nicht der Fall sei. Die Wertschät-zung für die junge Agentur ging sogar soweit, dass mit „Aargauer Zeitung“ und„Neuer Luzerner Zeitung“ zwei grosse Re-daktionen ihr Abonnement bei Keystonekündigten und für die Grundversorgungmit Bildmaterial voll auf EQ setzten. Nungeraten AZ und NLZ quasi vom Regen indie Traufe – und sind wider Willen bald wie-der Kunden von Keystone.

Alles halb so wild, beschwichtigt EQ-Geschäftsführer Andreas Rüppel: „EQ ver-schwindet nicht.“ Und auch Daniel Mathysvon Keystone sagt, es bestehe keine Absicht,die erfolgreiche Agentur „vom Markt zu neh-men“. Wie die Zukunft der bisherigen Kon-kurrenten unter dem gemeinsamen Unter-nehmensdach aussieht, ist aber noch nichtklar. Bleibt EQ als Agentur mit Vollserviceerhalten oder wird sie das breite Angebotvon Keystone punktuell ergänzen? „Genauüber solche Fragen verhandeln wir nun ge-meinsam“, bestätigen Rüppel und Mathys.

Video beschleunigt KooperationFür Insider lag auf der Hand, weshalb EQeinen (finanz)starken Partner suchen muss-te. Mit dem gross angelegten Einstieg insVideogeschäft habe sich die Agentur über-nommen, vermuten die Branchenkenner.EQ-Geschäftsführer Rüppel bestätigt dieseEinschätzung: „Wenn alle Aufträge im Vi-deobereich, die uns so halbwegs verspro-chen wurden, auch eingelöst worden wären,dann stünden wir heute sicher an einem an-deren Ort.“ Doch mit dem Konjunktivmacht man bekanntlich keine Geschäfte.Dafür nun eben mit Keystone. Denn auchder Branchenleader hatte ein Videoprob-lem. „Für uns ist Video ein Geschäftsfeld imAufbau“, sagt Daniel Mathys. Doch sei derMarkt zu klein, wenn zwei das Gleiche tun.Deshalb habe man schon vor einer Weileden Kontakt zu EQ gesucht. „Anfänglichging es bei diesen Gesprächen nur um eineZusammenarbeit im Videobereich“, so Ma-thys. Nur in diesem einen Segment zusam-menzuarbeiten, als Bildagenturen jedoch

weiterhin Konkurrenten zu bleiben, wäreein bisschen sonderbar gewesen.

Wie es nun mit Video weitergeht, istüberhaupt nicht klar. Zwar zeigen viele On-line-Medien in der einen oder anderenForm bewegte Bilder. Eine Strategie dahin-ter lässt sich aber in den wenigsten Fällenerkennen. Und solange das Geld fehlt, darfhier auch kaum mit substanziellen Investi-tionen gerechnet werden. Doch für Keysto-ne-Mann Mathys ist klar: „Wir bleiben hiersicher dran. In der Schweiz gibt es, was Vi-deo angeht, einen gewissen Nachholbedarfim Vergleich mit ausländischen Medien.“Keystone kann nun von den Erfahrungen,die EQ beim Aufbau der Videoabteilung ge-macht hat, profitieren.

Auch zu zweit nicht rosigDoch auch zu zweit, unter dem gleichenDach, wird das Leben nicht unbedingt ein-facher. Bildagenturen geraten angesichtsder Zeitungskrise ebenfalls unter Druck.Keystone etwa hat mit der Einstellung von„.ch“ einen Kunden verloren. Auch Zeitun-gen, die weiterhin erscheinen, versuchen anallen Ecken und Enden Kosten zu optimie-ren und den Spardruck auf externe Partner,also auch Bildagenturen, abzuwälzen. Bisjetzt hat Keystone deshalb aber noch keinPersonal entlassen. „Aber auch wir müssenüber die Bücher gehen, ausgeschlossenkann in der heutigen Zeit leider nichts wer-den“, sagt Geschäftsleitungsmitglied DanielMathys.

Eine gewisse Milderung der Krisen-symptome verschafft bei einer Bildagenturein diversifiziertes Kundenportefeuille. EQbeziffert seinen Geschäftsanteil ausserhalbder Medien mit rund einem Fünftel. Insbe-sondere Verbände und Behörden seien in-teressante Kunden, sagt EQ-Chef Rüppel.Und ähnlich klingt es auch bei Keystone.Was an Aufträgen von Redaktionen verlo-ren geht, versuchen die beiden Agenturen –künftig gemeinsam – mit neuen Kunden imsogenannten kreativen Bereich zu kompen-sieren. ≠

Damit hatte in der Branche kaum jemandgerechnet: Mitte Mai kündigten die beidenBildagenturen Keystone und EQ Media an,künftig „ihre Kräfte zu bündeln“. Konkretbeteiligt sich der Branchenleader am klei-neren Konkurrenten finanziell. Dazu seiKeystone eine „substanzielle Beteiligung“eingegangen, erklärt Daniel Mathys. Zu de-ren Umfang will sich das Keystone-Ge-schäftsleitungsmitglied nicht äussern. Nurso viel: „Es handelt sich nicht um eine Über-nahme.“ Dennoch: EQ verliert seine Selbst-ständigkeit, über die Strategie des Unter-nehmens entscheidet künftig die bisherigeKonkurrenz mit. Je nach Sichtweise hatKeystone damit einen aufstrebenden Mit-bewerber auf dem kleinen Bildmarkt ausdem Weg geräumt. Für EQ Media gab esoffenbar keine Alternative zum Zusammen-gehen mit Keystone, wenn die Agentur einegewisse Eigenständigkeit wahren wollte.„Infrage gekommen wären höchstens aus-ländische Agenturen“, weiss Andreas Rüp-pel, Geschäftsführer von EQ Media. „Dannwären wir aber höchstwahrscheinlich ein-fach übernommen worden.“ Insofern seidie nun getroffene Lösung sicher die best-mögliche in einer „schwierigen Situation“.

Sorge um BranchenlieblingVerunsichert reagierte man auf dieseAnkündigung vor allem auf den Bildredak-tionen. Ein mögliches Verschwinden derAgentur EQ, die sich in den letzten Jahrenvom Nischenanbieter zum Volldienstleisterentwickelt hat, würde sehr bedauert. Gera-de als Alternative zur zwar soliden, abernicht immer sehr flexibel auftretenden Key-stone schätzen BildredaktorInnen die „klei-ne und vife“ EQ Media. „Als Bildredaktorbin ich froh, wenn ich auf verschiedene An-gebote zu ein und demselben Ereigniszurückgreifen kann“, sagt Olaf Hille, Bild-chef der „SonntagsZeitung“, stellvertretendfür viele KollegInnen. „Die Zusammenar-beit mit EQ schätze ich vor allem deshalb,weil ich als Bildredaktor direkten Kontaktzu den Agenturfotografen habe.“ Was bei

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Gelassener alsauch schonUrs Gossweiler, Verleger im Berner Oberland,steht in der Krise besser da als andere, weil erseit 15 Jahren nicht nur vom Internet spricht,sondern seine Zeitung konsequent auf onlinetrimmt. VON RENÉ WORNI.

Silvan Wegmann zeichnen. Auf der Karika-tur provoziert der parteilose Herausforde-rer und Nachtclub-Betreiber Fritz Suterden bisherigen SVP-Mann Walter Dietrich:„Wotsch Puff?“ Beide hätten an dieser Dar-stellung keine Freude gehabt, schmunzeltGossweiler. Unterdessen wurde Dietrichmit Abstand bestätigt, im Tal bleiben dieKirchen im Dorf und die Polizeistunde inRestaurants und Bars in Stein gemeisselt.

Gossweilers publizistische Haltung istpragmatisch. Er zielt auf ein vollständigesAbbild der Ereignisse in einer Region mit45’000 EinwohnerInnen, die er den „Mikro-kosmos Jungfrau“ nennt. Politische Positio-nen spielen keine Rolle. „Wir sind Anwaltder Leser“, sagt Gossweiler und bezahltdafür mitunter auch den Preis. Seit je boy-kottiert das Verteidigungsdepartement denVerlag, wegen der ausführlichen Berichter-stattung zum Militärfluglärm: „Keine Stel-leninserate, nix.“ Und die „Jungfrau Zei-tung“ publiziert wichtige Stories auch inEnglisch. „Klar haben die Armeebefürwor-ter noch weniger Freude, wenn wir denFluglärm auch noch als ‚Jet noise‘ in dieWelt hinaustragen.“

„Branche nicht weiter als vor 15 Jahren“Wir sitzen im Verlagshaus gegenüber derTalstation der Brienzer-Rothorn-Bahn, diemutige Pioniere bereits 1892 gebaut hatten,zu Zeiten, als viele BewohnerInnen derJungfrauregion wegen Hungers auswander-ten. Schon damals trotzte man den herr-schenden Verhältnissen. Das scheint bisheute der Fall, denn der umtriebige Verle-ger sieht sich gerne in der Tradition derBrienzer Vorväter des 19. Jahrhunderts. Vorzwei Jahren feierte das Haus Gossweilersein 100-jährige Bestehen. Trotz so viel Bo-

den unter den Füssen trennte sich Jungver-leger Urs Gossweiler nach dem Tod seinesVaters als Erstes von den teuren Druckma-schinen und setzte konsequent auf das In-ternet. Der damals erst 22-jährige Gosswei-ler hielt der versammelten Verlegerpromi-nenz 1993 am Kongress des Branchenver-bands Perspektivlosigkeit vor. Sie würdenaus purer Angst nicht in Multimedia inves-tieren und seien bloss daran interessiert, dieriesigen Investitionen in ihre Druckmaschi-nen zu amortisieren. „Wir sind nicht vielweiter als vor 15 Jahren, ich kann heutepraktisch dasselbe erzählen und gelte als in-novativ. Das macht mir eigentlich Angst“,sagt er rückblickend.

„Überflüssige Druckmaschinen“Warum diese Trägheit in einer angeblich soschnelllebigen Branche? „Sie ist gar nichtschnelllebig, im Gegenteil“, sagt Gosswei-ler. In den vergangenen Jahrzehnten hättendie Verleger nichts anderes gemacht, als diedigitalisierten Inhalte möglichst schnellwieder auf die Druckplatten und so wiederin analoge Form zu bringen. „Computer-to-plate, das ist das Dümmste, was man ma-chen kann und wofür Millionen in teureund überflüssige Druckmaschinen inves-tiert wurden. Das ist die Tragik unsererBranche. Das bricht erst jetzt langsam auf.“Heute arbeitet die Verlagsbranche imDruckbereich zusammen, weil der Struk-turwandel es erfordert. Und heute kannGossweiler mit seiner „Jungfrau Zeitung“zeigen, was er vor 15 Jahren und im Rahmeneiner regen Vortragstätigkeit im In- undAusland bloss gepredigt hatte. Das „richti-ge“ – sprich gedruckte – Blatt, die „JungfrauZeitung“ mit ihren vier Kopfblättern, er-scheint nur zweimal wöchentlich als soge-

Die Begegnung mit Urs Gossweiler an denGestaden des Brienzersees beginnt mit ei-nem Werbespot in eigener Sache. „Ihr seiddie ersten Journalisten, die das zu Gesichtbekommen“, jauchzt der Erfinder der Mik-rozeitung. Die neueste Version der „Jung-frau Zeitung“ im Internet steht am Start.„Ich habe eine Riesenfreude, endlich malwieder ein Milestone“, schwärmt er. SeineBegeisterung ist die eines Kindes am neuenSpielzeug. Die Website biete eine verbes-serte Menuführung und eine „einmalige“Suchfunktion verwandter Dokumente inZehntausenden von Artikeln, einer wahrenEnzyklopädie der Jungfrauregion, von derRedaktion in den letzten 15 Jahren ge-schrieben und zusammengetragen. „Wirstaunen selber immer wieder, was es alles zufinden gibt. Das ist 100 Prozent Lokaljour-nalismus zwischen Leissigen und Gadmen.Das schafft nicht einmal Google.“

Eine Karikatur verärgert alle SeitenDer Donner einer startenden F/A-18 vomnahen Militärflugplatz Meiringen-Unter-bach unterbricht jäh das Gespräch. DerFluglärm ist im Tal ein Dauerärgernis undnotabene Dauerthema in der „Jungfrau Zei-tung“. Die Berichterstattung ist umfassend,im Netz führt die Redaktion eigens ein Dos-sier „Fluglärm“, das die Behörden viel lie-ber harmlos mit „Militärfliegerei“ oder ähn-lich überschrieben sähen. 365 Beiträge, re-daktionelle Artikel, Kommentare und eineFülle von Leserbriefen sind im Laufe derJahre zusammengekommen. „Wenn man dassieht, ist klar, das Thema brennt unter denNägeln.“ Aktuell werfen die Regierungs-statthalterwahlen im Amtsbezirk InterlakenWellen. In vorbildlicher Erfüllung ihres Be-rufs liess die Redaktion den Karikaturisten

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nanntes „Printout“. Die tägliche „JungfrauZeitung“ gibt es dagegen nur im Internet,dort aber mit multimedialem Mehrwert wieVideos oder Ausgehkalender.

Tamedias Arm reicht bis nach BrienzDie Wirtschaftskrise lässt den Verleger imMikrokosmos bisher ruhig Blut bewahren.Gossweilers Ergebnisse liegen zehn Pro-zent unter dem Budget, das im letzten Sep-tember noch von fünf Prozent Wachstumausging. Trotz ihres hyperlokalen Ansatzeshat die „Jungfrau Zeitung“ keine Monopol-stellung. Unmittelbare Konkurrenten sindder „Amtsanzeiger“ und der „Berner Ober-länder“, die beide mittlerweilen zum Tame-dia-Konglomerat gehören. „So können wirauch in einem schwachen Markt Gott seiDank immer noch Marktanteile gewinnen.“Und Not macht erfinderisch: Der rastloseGossweiler hat sich mit einer eigenen TV-Produktion, dem „Funky Kitchen Club“, aufPro 7 Schweiz einen wöchentlichen Sende-platz erobert. Die Sendung entsteht in ei-nem Restaurant in Unterseen, das zu einemwahren Kochstudio ausgebaut wurde. „Die-se nationale Plattform ist eine Riesenchan-ce für uns“, sagt Gossweiler. Die Sendungbringe zudem jährlich rund 700’000 Fran-ken ein. Weil in seinem Mikrokosmos alleshyperlokal ist, lässt sich kaum ein anderesThema als die Gastronomie national ver-breiten. „Bis jetzt haben wir noch keine wei-teren Ideen, was auch noch funktionierenkönnte“, sagt er schulterzuckend.

Innovation ist das treibende Prinzip desHauses. Alles scheint man „andersherum“anzupacken, als sonst in der Medienbran-che üblich. Der Verleger entwickelt seineProduktionsinstrumente selber im kleinenTeam in Brienz. Das Redaktionssystem, das

seine Zeitung steuert, trägt seinen Namen:GOS, Gossweiler Operating System. „Wirgehören zu den Pionieren und ich glaube,dass wir in Europa führend sind, weil eskein vergleichbares Produkt gibt“, sagt er inaller Unbescheidenheit. Das behaupte er,solange ihm an den internationalen Kon-gressen, an denen er auftritt, niemand wi-derspreche.

Der Vergleich mit Europa und demRest der Welt geht ihm leicht von der Zun-ge. Im Inseratebereich zum Beispiel sei die„Jungfrau Zeitung“ europaweit die erste,die sämtliche Inserate online schalte. DieAnzeigen kommen nach dem Zufallsprinzipunterhalb der Artikel auf die Website undbleiben da nur drei Tage. „So viele Werbe-banner wie wir in drei Tagen hat TamediasNewsnetz nicht mal in einem ganzen Mo-nat.“ Die Namen der Werbekunden lassensich sehen: Mercedes Benz, Piaget, Ford.

Erfolglos mit NZZ verhandeltUrs Gossweiler hat mehrmals versucht, dasModell der Mikrozeitung zu exportieren.Zweimal hätte es fast funktioniert. Nebstder „Zuger Presse“, die das Experimentnach ein paar Jahren wieder abbrechenmusste, stand Gossweiler auch mit der NZZin Verhandlungen. Konkret ging es um fünfMikrozeitungen im westlichen Thurgau,nachdem Tamedia die „Thurgauer Zeitung“geschluckt hatte. „Hätte die NZZ das da-mals gemacht, die Schweizer Medienland-schaft sähe heute anders aus“, sagt er mitseinem ausgeprägten Selbstbewusstsein.

Der Brienzer Verleger machte nie ei-nen Hehl daraus, wie er über die Strategienund Rochaden seiner grossen Verlegerkol-legen denkt. Sein Temperament riss ihn im-mer wieder dazu hin, an den Branchenan-

lässen vor der versammelten Verlagsbran-che den Hofnarren zu geben. Aufgrund sei-ner wirtschaftlichen Bedeutungslosigkeitliess man den Oberländer gerne reden, trafer doch – sehr zum Amusement jener, diesich nicht gemeint fühlten – meistens insSchwarze. Doch für sein eigenes Geschäftwar das hinderlich. „Wenn einer an jederVerlegertagung aufsteht und alle kritisiert,sie hätten sich in ihren regionalen Räumeneingebunkert und sich das mit Staatssub-ventionen zementieren lassen, dann ist daseine schlechte Ausgangslage, um Partner zufinden“, meint er.

„Die Entscheidung fällt in Basel“Obwohl Gossweiler etwas ruhiger gewor-den ist, fasziniert ihn der Blick auf die Ent-wicklung der Medienschweiz nach wie vor.Die ganz grosse Entscheidung sieht er nochnicht gekommen – trotz des historisch gröss-ten Konsolidierungsschrittes in der Schwei-zer Medienlandschaft mit der Expansion vonTamedia in die Romandie: „Die Entschei-dung fällt in Basel.“ Der NZZ verbleibe nocheine letzte Chance, Konkurrentin Tamediain die Schranken zu weisen. „Sie muss die‚Basler Zeitung‘ auf ihre Seite ziehen undsich mit der ‚Mittelland Zeitung‘ und mitweiteren mittelgrossen Verlegern verbün-den.“ Gelinge das nicht, könnten die dreiHäuser aufgrund mangelnder Grösse vonTamedia oder aber von ausländischen Ver-legern geschluckt werden. „Angesichts deraktuellen Inserateerträge ist das keine Fra-ge von Jahren mehr, sondern von wenigenMonaten“, ist Gossweiler überzeugt.

Im Falle von Ringier und Tamedia stelltGossweiler Druck aus Deutschland fest.Die deutschen Verlagshäuser suchten in derKrise nach Wachstumsmöglichkeiten undhätten den immer noch profitablen Schwei-zer Markt als Chance entdeckt, allen voranAxel Springer. Die Frage sei, wer zuerst die-sem Druck nachgebe und verkaufe. „Wenneiner an ein deutsches Verlagshaus verkauft,dann verliert der andere mit einem Schlagmindestens die Hälfte an Wert.“ Und geheder Fight zwischen Springer, Holzbrinckoder der WAZ-Gruppe um die Deutsch-schweiz erst einmal richtig los, würden hiermit einem Mal Preise bezahlt, die sowohlRingier wie auch Tamedia schwach werdenlassen könnten. „Bei aller Sympathie für un-sere nördlichen Nachbarn: Das wäre für dieSchweiz eine noch grössere Zäsur, als dieÜbernahme der Swiss durch die Lufthan-sa.“ Doch in seinem Mikrokosmos Jungfraubraucht Gossweiler die Kräfteverschiebun-gen nicht zu fürchten. „Dann fühlen wir unsnoch mehr wie Asterix im gallischen Dorf,rundum von Römern belagert.“ ≠

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Urs Gossweiler macht „100 Prozent Lokaljournalismus zwischen Leissigen und Gadmen“.

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SRG SSR idée suisse

„Bei uns gibt es keineContent-Fabrik“Die SRG macht sich daran, Radio, Fernsehen und Internet zuverschmelzen. Das Konvergenzprojekt leitet der WestschweizerRadiodirektor Gérard Tschopp. Er will verhindern, dass bei der Fusionder drei Medien ein „russischer Salat an verschiedenen Saucen“entsteht.

unsern Leistungen zufrieden ist und findet,es kriege etwas für sein Geld, dann wird fastkein Politiker es wagen, die Gebührengel-der anzutasten. Eine Gebührenkürzungsteht derzeit nicht zur Diskussion. Dochmittelfristig wird für die SRG die Scherezwischen Einnahmen und Leistungen grös-ser: Die Einnahmen nehmen weiter ab undEinschränkungen der Leistungen sind kri-tisch, wenn wir das Publikum bei der Stan-ge halten wollen. Ob es uns gelingt, die Fi-nanzierungslücke allein mit Effizienzsteige-rung zu schliessen, ist nicht nur von uns ab-hängig und damit offen. Klartext: Das ist doch ein Schlingerkurs!TSCHOPP: Das bestreite ich vehement. Alswir das Projekt lanciert haben, war die heu-tige Wirtschaftslage nicht vorauszusehen.Es war klar: Die Medienkonvergenz ist keinSparprogramm, sondern eine spannendeHerausforderung für eine zeitgemässe, dy-namische multimediale Information undfür einen starken Service public in einer im-mer stärker konzentrierten und globalisier-ten Medienwelt. Um sie zu finanzieren, ha-ben wir ihr den Teil „Wirtschaftlichkeit“,das heisst Effizienzsteigerungen, zur Seitegestellt. Die beiden Teile des Projekts sindlogisch und kohärent. Doch jetzt ist uner-wartet eine wirtschaftliche Situation dazu-gekommen, die möglicherweise Sparmass-nahmen verlangt. Ich muss gestehen, dassdas die Lage extrem kompliziert. Aber wirhaben noch keine Sparprogramme be-schlossen, und ich denke, dass vor demHerbst auch keine beschlossen werden.Und wir werden alles daran setzen, dass dieProgramme nicht oder so wenig wie mög-lich betroffen sind.

Klartext: Im Zentrum der Besorgnis steht dermögliche Verlust von Vielfalt. Je stärker derGrad der redaktionellen Konvergenz, desto we-niger Medien- und Meinungsvielfalt. TSCHOPP: Im Bericht der SRG an den Ver-waltungsrat steht klar, dass die Vielfalt nichtleiden darf. Sie wird unter anderem da-

durch gewährleistet, dass wir in Zusammen-hang mit der redaktionellen Konvergenzkeine Personaleinsparungen bei Journalis-ten, Produzenten und Präsentatoren vorse-hen. Auch glaube ich nicht daran, dass wirbei der SRG in wenigen Jahren nur nochMultimedia-Journalisten beschäftigen. Eswird sicher einige Computercracks geben,die daran Freude haben; die andern arbei-ten wie gewohnt weiter, ausser dass sie sichbereits, ob beim Radio oder Fernsehen, andie Herausforderungen von Internet ge-wöhnen müssen. Klartext: Wie verhindern Sie, dass das Fernse-hen das Radio schluckt?TSCHOPP: Die Vielfalt entsteht ja gerade, in-dem wir die spezifische Sprache und Tona-lität jedes Mediums respektieren. Deshalbgehen unsere Überlegungen nicht in dieRichtung einer vollständig konvergentenRedaktion. Wir stellen uns eher die Frage,wo und wie man bei den redaktionellen Vor-bereitungsprozessen, etwa bei den Recher-

Klartext: In einer Umfrage des Nachrichtenma-gazins „L’Hebdo“ sprach sich eine grosseMehrheit – Deutschschweizer wie Romands,Publikum wie Leader, Linke wie Rechte – gegendie Konvergenz beim Schweizer Radio undFernsehen aus. Was sagen Sie dazu?GÉRARD TSCHOPP: Ich bin nicht so sicher, dassdiese Resultate für bare Münze genommenwerden können. Der Fragebogen wurde zueinem Zeitpunkt erstellt, als die Konver-genz in der Öffentlichkeit noch kein Themawar und niemand genau wusste, was sie be-deutet. Sicher ist, dass wir die Informationdes Publikums verbessern müssen. Aber wirerwarten auch, dass das Publikum uns nachden Resultaten beurteilt, und nicht schonim Voraus Pauschalurteile fällt.Klartext: Die SRG wiederholt nun schon seitMonaten, die Medienkonvergenz sei kein Spar-plan, sondern solle mehr Qualität bringen. Dasglaubt aber niemand so recht.TSCHOPP: Medienkonvergenz ist nach wievor kein Sparprojekt. Aber auch für dieSRG SSR gilt, dass sich das wirtschaftlicheUmfeld drastisch verändert hat. Unser Bud-get besteht zu dreissig Prozent aus Werbe-einnahmen; dieser Markt ist eingebrochenund vollständig unvorhersehbar. So gesehenhelfen die Zusammenlegung von Dienstenund Infrastrukturen und der Prozess der re-daktionellen Konvergenz, das Schlimmstezu verhüten, falls sich die Marktlage weiter-hin verschlechtert. Die Zusammenlegungunserer Kräfte soll aber in erster Linie mehrund bessere Produktionen erlauben.Klartext: Was, wenn das Projekt auf halberStrecke wegen Geldmangel stecken bleibt?Sind Sie sicher, dass man dann nicht die Ge-bührengelder antastet und verlangt, die SRGmüsse mit dem Eingesparten ihre Budgetlöcherstopfen?TSCHOPP: Wir sind autonom, das heisst nichtdirekt von den politischen Gremien abhän-gig. Wir sind ihnen gegenüber jedoch ver-antwortlich, was die Erfüllung unseres Leis-tungsauftrags betrifft. Unser bester Verbün-deter ist deshalb das Publikum. Wenn es mit

„Die SRG steht am Anfangeines sehr grossenReformprozesses, derunsere Organisation vonGrund auf umgestaltet.“

Gérard Tschopp

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chen oder bei der Dokumentation, zusam-menarbeiten kann.Klartext: Eine Vollkonvergenz schliessen Sie al-so aus?TSCHOPP: Ja, sie ist für die Schweiz undenk-bar. Einige ausländische Radioanstalten ha-ben das ausprobiert und mussten zurück-krebsen. Es wird bei uns keine Content-Fa-briken geben und Verpackungsanlagen, woder Content für jedes Medium in die richti-ge Form gepresst wird. Ich werde als Ver-antwortlicher für das Projekt darüber wa-chen, dass Konvergenz nicht zu einem rus-sischen Salat an verschiedenen Saucenwird.

Klartext: Beobachter vermuten, dass die Kon-vergenz in der deutschen Schweiz eine Totge-burt ist. Die Konvergenz würde dann nur nochbei den „armen Verwandten“ in der Romandieund im Tessin realisiert.TSCHOPP: Das Projekt ist keine Totgeburt inder deutschen Schweiz. Also gar nicht! Ausverschiedenen Gründen haben sich dieDinge weniger schnell entwickelt als in derRomandie. Ich bin sicher, dass das Projektvor Ende Juni auch in der Deutschschweizin Fahrt kommt. Der Rhythmus wird je-doch anders sein, und, was sicher ist: Eswird kein gemeinsames Modell geben. Ichkann mir nicht vorstellen, dass ein Modellverwirklicht wird, das in seiner Sprachregi-on nicht auf Verständnis stösst. Es ist mög-lich, dass es in der Romandie eine zusam-mengelegte Infoabteilung gibt, in der deut-schen Schweiz aber nicht. Entschieden istnoch nichts.

Klartext: Wie steht es mit Swissinfo? Ist dasSchicksal dieser Unternehmenseinheit mit derKonvergenz besiegelt? TSCHOPP: Swissinfo ist nicht von der Kon-vergenz betroffen. Wir haben sie ganz be-wusst nicht in das Projekt integriert, dennSwissinfo hat ein spezielles Mandat und

wird zur Hälfte von der Eidgenossenschaftund der SRG finanziert. Sie wird aber un-ausweichlich von den Konsequenzen derKonvergenz betroffen sein. Und muss sichüberlegen, was es für ihre multimedialenDienstleistungen heisst, wenn Radio undFernsehen auch multimediale Dienstleis-tungen ausbauen. Klartext: Das heisst, bei Doppelspurigkeitenwird das Messer angesetzt.TSCHOPP: Was die Basisinformation für dieSchweiz betrifft, gibt es Doppelspurigkei-ten. Die sind nicht einfach aufrechtzuerhal-ten, wenn man mehr Effizienz fordert.Swissinfo muss sich überlegen, ob sie ihreAngebote nicht anpassen, komplementärgestalten müsste.

Klartext: Ihre Hausgewerkschaft SSM zeigt inder Romandie weniger Verständnis für die Kon-vergenz als in der deutschen Schweiz. Sie glaubtnicht, dass eine Fusion von Radio und Fernse-hen nötig ist, um multimedial zusammenzuar-beiten. Die Konvergenz auf SRG-Art sei eineMogelpackung, eine ganz kommune, ökono-misch motivierte Restrukturierung, und zudemder Anfang vom Ende des Service public.TSCHOPP: Ich war überrascht von der Hal-tung des SSM in der Westschweiz. Wir woll-ten und wollen das Personal in den Prozesseinbeziehen. Wir haben 63 Arbeitsgruppengebildet; über 200 Personen, von der Basisüber mittlere bis zu führenden Kadern, ar-beiten an den Projekten mit. Die Resultateder Arbeitsgruppen werden publiziert, essoll Transparenz herrschen. Und dann sagtuns die Gewerkschaft, sie hätte nicht genü-gend Garantien für Mitspracherechte erhal-ten, und das Mitmachen bedeute eine Ar-beitsüberlastung … Ich appelliere an ihrVerantwortungsgefühl und ihre Intelligenz:Wir müssen gemeinsam überlegen und klarunterscheiden, was Medienkonvergenz,was Massnahmen für mehr Effizienz undwas Sparmassnahmen sind. Wir dürfen

nicht alles in einen Topf werfen und dieKarte der Angst ausspielen! Sonst schaffenwir es nicht. Die SRG steht am Anfang ei-nes sehr grossen Reformprozesses, der un-sere Organisation von Grund auf umgestal-tet. Ein solches Projekt birgt Risiken, das istklar. Aber es stellt auch eine Chance dar, ei-nen modernen und effizienten Service pub-lic zu gestalten. ≠

Peinliches Klein-Kleinnil./ Wenn die nicht enden wollenden De-batten um den Posten eines „Superdirek-tors“ für Radio und TV ein Vorgeschmackauf das Kommende sind, dann muss amErfolg des Konvergenzprojekts der SRGbereits heute ernsthaft gezweifelt werden.Natürlich kann man das ganze Getöserund um die Nachfolge von RadiodirektorWalter Rüegg und der von Misstönen be-gleitete Abgang von Ingrid Deltenre alsDeutschschweizer Fernsehdirektorinauch als kathartischen Prozess sehen,bevor es dann richtig losgeht. Nur gibt eszurzeit kaum Anzeichen dafür, dass dasambitionierte Konvergenzprojekt – einVerschmelzen von Radio, Fernsehen undInternet – mehr ist als ein gewöhnlichesSparprojekt. Zum grossen Schritt nachvorn, den das Unternehmen tun müsste,um in Zukunft wieder jene herausragen-de Rolle zu spielen, die es in den letztenJahren nicht mehr zu erfüllen vermochte,hat die SRG noch nicht angesetzt. Nochherrscht ein peinliches Klein-Klein. Undvor allem hat es der öffentliche Radio-und Fernsehveranstalter bisher nicht ge-schafft, der Öffentlichkeit glaubhaft zuvermitteln, was genau er mit dieser Kon-vergenz will und welches der Nutzen fürdas Publikum sein wird.

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Mit Gérard Tschopp sprach Helen Brügger am 12. Mai.

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SCHON DIE ERSTE KLEINE NACHRICHT in einer Randspalte ei-ner Tageszeitung Ende April verhiess nichts Gutes: In Me-xiko, immerhin weit weg, waren mehrere Menschen an ei-ner ursprünglich von Schweinen stammenden Grippe ge-storben. Das klang ganz nach neuem Grippevirus, dasauch für Menschen ansteckend ist. So weit waren wir dochauch schon bei der Vogelgrippe, und da stellte sich dieganze Hysterie bisher als unberechtigt heraus. MehrereTote schon in der ersten Meldung machten allerdings stut-zig: Nur Mensch-zu-Mensch-Übertragung kann innerhalbkürzester Zeit zu mehreren Toten führen. Mensch-zu-Mensch-Übertragung – das war doch genau das, was wirbei der Vogelgrippe so gefürchtet hatten und eines derHauptkriterien der WHO, um den Pandemie-Stufenplanund die Schutzmassnahmen im öffentlichen Leben zu er-höhen. Wenn das stimmte, war man doch verwundert überdas unspektakuläre Daherkommen dieser ersten brisantenMeldung. Zwei Möglichkeiten für die Unverhältnismäs-sigkeit von Inhalt und Darbietung dieser Neuigkeit dräng-ten sich mir auf: Entweder stimmte etwas Substanziellesan der Meldung nicht oder aber die Medien hatten dieBrisanz dahinter verschlafen.

SPÄTESTENS NACH DEM WOCHENENDE WAR ES KLAR, dass dieMeldung stimmte und die Vermutung dahinter leiderauch. Was bei der Vogelgrippe immer befürchtet wordenwar, war jetzt passiert: Ein für Menschen ansteckendesneues Virus mit Anteilen von Grippeviren aus Schweinen,Vögeln und Menschen, nach seinen Oberflächenmerk-malen „H1N1“ benannt, hatte sich gebildet und griff inMexiko und den USA rasant um sich. Im UrsprungslandMexiko forderte es bereits täglich Menschenleben. Undzwar nicht wie bei der alljährlichen saisonalen Grippe un-ter den chronisch kranken und alten Menschen, sondernbevorzugt unter jungen Gesunden. Die Besorgnis der Ex-pertInnen war also durchaus berechtigt. Da für genauerePrognosen bis dahin noch viele Details fehlten, schwangdas Pendel, nicht nur in den Medien, sondern auch beiden Fachleuten, zwischen Hysterie und Beruhigung hinund her.

UND NUN GING DAS LOS, was Frau Chang, Chefin der WHO,vor Kurzem so umschrieb: „Die Aufgabe der WHO, dieÖffentlichkeit so schnell wie nötig zu warnen und so weitwie möglich zu beruhigen, ist ein schwieriger Balanceakt.“Diese Hochseilnummer gelang sowohl den verschiedens-ten Medien, wie auch den involvierten Institutionen wiezum Beispiel dem BAG erstaunlich gut. Schnell wurdenHotlines ins Leben gerufen, Webseiten mit aktualisiertenInformationen eingerichtet und die Berichterstattungkonzentrierte sich meist auf praktische Fakten wie Schutzvor Ansteckung, Impfmöglichkeiten, Reiseempfehlungen,Expertenstatements und der Warnung, nicht eigenmäch-tig Grippemedikamente zu hamstern.

DASS MAN IMMER DIE GLEICHEN FACHLEUTEzu Gesicht oder zu lesen bekommt, liegtvielleicht nicht nur an der Recherche-faulheit der JournalistInnen, sondern auchdaran, dass nicht viele ExpertInnen dieSachverhalte wirklich (kritisch) auf denPunkt bringen können und mancheschneller bereit sind, in den Medien aufzutreten. Insge-samt konnte man sich als interessierte Bürgerin je nach In-formationsbedürfnis recht schnell und ausgewogen ein Bildmachen. Dass auch die Boulevardmedien die sachlichenInfos mit knackigen Überschriften und Bildern rüberbrin-gen konnten, dafür sorgten ständig mehr Grippefälle aufder ganzen Welt, der Ausnahmezustand in Mexiko-Stadt,erste Verdachtsfälle in der Schweiz, die Erhöhung derPandemiestufe durch die WHO und grotesk anmutendeFehlleistungen wie die zu frühe Entlassung des erstenechten Schweizer Schweinegrippepatienten aus dem Spi-tal oder ein in einem Personenzug zwischen Lausanne undGenf explodierender Behälter mit Schweinegrippeviren.

TROTZ HOHER INFEKTIOSITÄT DER „NEUEN GRIPPE“ waren inkeinem später beteiligten Land die Todesfälle so hoch wieim Ursprungsland Mexiko. Dafür kann es verschiedeneGründe geben wie beispielsweise schlechtere hygienischeoder medizinische Verhältnisse oder ein anfängliches Un-terschätzen der Grippesymptome. Das Virus selbst in sei-ner momentanen Art scheint auch keine „Killer-Grippe“,sondern eine eher leichtere Form der Grippe auszulösen.Mit einer Erklärung dieser neuesten Erkenntnisse hätteman bei anhaltender Wachsamkeit eigentlich Entwarnunggeben können, was von Expertenseite auch geschah, unddas mediale Interesse vorläufig für beendet erklären.Doch weit gefehlt: Während Hintergrundmedien dasThema mit Informationen zur Impfstoffherstellung odergenauerem Detailwissen zum Virus am Leben erhalten,werden die Meldungen in den Boulevardmedien oder Lo-kalradios dann doch eher fragwürdig.

WIE INNIG REKRUTEN KÜSSEN DÜRFEN in Zeiten der Schwei-negrippe, interessiert wahrscheinlich nur deren Freun-dinnen wirklich. Und in welchen weiteren Ländern sichdie „Neue Grippe“ wie verbreitet, ist sicher für die Infek-tions- und PandemieexpertInnen von grosser Wichtigkeit,bringt dem Laien aber rein gar nichts. Sogar die daten-schützerischen Probleme zwischen Gesundheitsbehördenund Fluggesellschaften sind zwar für die involviertenBehörden wichtig zu lösen, aber nicht wirklich eine News-Schlagzeile wert. Und auch beim nächsten Grippealarmwird die grosse Herausforderung für Fachleute und Me-dien sein, Kommunikation nicht dazu zu nutzen, alle ver-rückt zu machen, sondern dazu, an die Situation angepass-tes Handeln aufzuzeigen. Knackige Überschriften alsTransportvehikel stören mich dabei nicht. ≠

Nicht von Grippe-Hysterie befallenDr. med. Silke Schmitt Oggier* windet den Medien ein Kränzchen: Sie hätten in den Berichten zur Schweinegrippe Augenmass gewahrt.

* Die Autorin iststv. Leiterin desSchulärztlichen

Dienstes der StadtZürich. Seit vielen

Jahren berätSchmitt Oggier zu-

dem die Fernseh-sendung „Puls“ in

medizinischen Fra-gen und verfasst

medizinjournalisti-sche Artikel.

Silke Schmitt Oggier

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26 | JOURNALISMUS | KLARTEXT | NR. 3/2009

Kommunikation

Die StaatsjournalistenWächst der Behördenapparat für Information und Kommunikation vorallem deshalb, weil die Medien die politische Berichterstattungvernachlässigen? Nicht nur, aber auch. Von Nick Lüthi.

Redaktion getan haben: Ihre Botschaften rich-ten sie vermehrt direkt an die Öffentlichkeit,nicht anders als die Medien auch. Wer sich zumBeispiel über Vogel- und Schweinegrippe infor-mieren will, findet bei den Behörden sicher diekompetentere Darstellung als in manchen Me-dienerzeugnissen.Von den 75 Millionen Franken, die der Bund imvergangenen Jahr für Öffentlichkeitsarbeitausgegeben hat, floss die Hälfte in sogenannteDirektinformation. Darunter fallen auch sämtli-che Internet-Projekte, ein Bereich, der stetigwächst und den viele Departemente weiterausbauen wollen. Folgt man der These von altBundesratssprecher Oswald Sigg, dann ge-

schieht dieser Ausbau spiegelbildlich zum Ab-bau der politischen Berichterstattung in denMedien. Wenn es die „richtigen“ JournalistIn-nen nicht mehr richten, dann springen halt dieStaatsjournalistInnen in die Bresche. Damitspielt Sigg den Ball für die Zunahme der Bun-deskommunikation – inzwischen ist der Appa-rat auf 260 Vollstellen angewachsen – elegantzurück an die Medien. Wenn denn dieses Ge-setz existierte, dann müssten beim Bund ent-sprechend auch wieder Stellen abgebaut wer-den, sobald es um die redaktionelle Leistungwieder besser steht. Nur: Wer misst und be-stimmt das? Sigg selbst bekanntlich nichtmehr.Auch wenn der Bund mit dem verstärkten En-gagement im Internet die Balance zwischenMedien und Behördenkommunikation weiter inSchräglage bringen könnte, gibt der Ausbaueinen Anlass zur Hoffnung – dass einige dervielen entlassenen Medienschaffenden eineAnstellung als StaatsjournalistInnen findenkönnen. ≠

Manche arbeiten tatsächlich als JournalistIn-nen, andere fühlen sich nur so, weitere wieder-um sind es „im Herzen geblieben“, obwohl sielängst etwas anderes tun. Auch wer Propagan-da macht, etwa für den Staat kommuniziert undinformiert, kann heute mit gutem Gewissen be-haupten, JournalistIn zu sein. Daran scheintsich niemand gross zu stören. Und so falschliegen diese StaatsjournalistInnen nicht mit ih-rer Selbsteinschätzung. Denn erstens bringenviele Informationsleute eine langjährige Erfah-rung in den Medien mit und werden genau des-halb als KommunikatorInnen angestellt (siehePorträts). Zweitens tun sie in ihrem neuen Be-rufsfeld immer öfter, was sie vorher auf einer

Dienstleister für die Medien arbeiten.“ Er wollte weg vom Beobachtenund hin zum Entscheiden.

Als Sprecher im Bundesamt für Vete-rinärwesen (BVet) fand Falk vor sechs Jah-ren schliesslich seine neue Aufgabe. Andersals manche KollegInnen würde er sich heu-te nicht mehr als Journalist bezeichnen,sondern als Dienstleister für die Medienund die Öffentlichkeit: „Wir helfen einStück weit zu kompensieren, was an Fach-wissen auf den Redaktionen verloren ge-gangen ist“, meint Falk und zeigt sich be-sorgt über den Zustand der Medien. „Manverlangt von uns pfannenfertige Angebote,um sie eins zu eins zu verwerten, dabei soll-ten Journalisten diese doch zerpflücken.“

Diese Entwicklung sei schlecht, doch zumGlück gebe es weiterhin kritisch recher-chierende JournalistInnen, sagt Falk.

Vermehrt sucht das BVet auch den di-rekten Weg an die Öffentlichkeit. Hierzunutzt es vor allem die Informations- undKommunikationsmöglichkeiten des Inter-net. Das BVet spielt dabei eine Vorreiterrol-le in der Bundesverwaltung. Neben MoritzLeuenberger betreibt das Amt als einzigeBehördenstelle ein Blog auf seiner Website.In unregelmässigen Abständen veröffentli-chen Falk und Fachbeamte kommentieren-de Stellungnahmen zu latent aktuellen The-men, die nicht in Medienmitteilungen pas-sen. „Das Blog ist aber keine Hintertür, durchdie Sachen sickern, die nicht für die Öffent-lichkeit bestimmt sind“, präzisiert Falk.

Einen wesentlichen Vorteil der Online-Kommunikation sieht der BVet-Sprecher inder Möglichkeit zum Dialog. Für die täglichrund 150 Anfragen in Sachen Tierhaltungoder Ein- und Ausfuhr tierischer Produktebeschäftigt das Amt alleine fünf Leute. Alsweitere Vorteile sieht Falk die ständige Ver-fügbarkeit der Information und die Ge-schwindigkeit. Ist etwa eine Tierseuche imAnzug, müssen die Behörden schnell infor-mieren und vertrauen deshalb lieber auf dieeigenen Kanäle: „Die Zeitungen kommeneinen Tag zu spät und berichten nicht un-bedingt über das, was für einen Tierhalterrelevant ist“, so Marcel Falk. ≠

Marcel Falk, 35, Leiter Kommunikation imBundesamt für Veterinärwesen,vorher Wissenschaftsjournalistin Deutschland.

nil./ „Heute sind vor allem Allrounder alsJournalisten gefragt“, sagt Marcel Falk. Erverstehe sich aber als Spezialist. Nach einerAusbildung zum Biochemiker fand Falkdank Zeitungserfahrung schnell den Weg inden Wissenschaftsjournalismus und arbei-tete vier Jahre im Beruf, hauptsächlich fürdas deutsche „Bild der Wissenschaft“. Dergebürtige Rheintaler wäre vielleicht nochheute Journalist, hätte ihm nicht ein Verlegerklarzumachen versucht, dass eine Zeitungletztlich nichts anderes sei als ein Schoko-riegel: Beide müssen süss schmecken undsich verkaufen. „Das hat mich putzhässiggemacht“, sagt Falk. „Und ich entschiedmich, nicht mehr für diese ‚Schokoriegel‘ zu

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Zahl, die in den letzten Jahren kontinuier-lich zugenommen hat. Auf diese Entwick-lung kann er sich durchaus einen Reim ma-chen: Dank den neuen Möglichkeiten, di-rekt mit den Bürgerinnen und Bürgern inKontakt zu treten – Stichwort: Internet –brauche es auch zusätzliches Personal. „Ichwürde es für verfehlt halten, wenn dieBehörden per se darauf verzichteten, neueKommunikationsmöglichkeiten zu nutzen.“Die Medien hält Camenzind zwar weiterhinfür den „wichtigsten Kanal“, aber „es ist fürmich undenkbar, dass eine Behörde aus-schliesslich über Vermittler gegen aussenkommuniziert.“

Die intensivere Online-Kommunikati-on sieht Camenzind in seinem Bereich abernicht als Kompensation für eine immerschwächere Politikberichterstattung derMedien. „So weit kommt es vielleicht noch,wenn weiter wie im aktuellen Takt Stellenabgebaut werden und damit auch viel Fach-wissen in den Redaktionen verloren geht.“Vorderhand habe er es aber fast ausnahms-los mit kompetenten, dossierfesten Me-dienschaffenden zu tun – viele davon ehe-malige KollegInnen, die er aus seiner Zeitals Bundeshausredaktor kennt.

Auch mit jüngeren Berufsleuten hatCamenzind zu tun, die noch wenig Ahnungvom Sachgebiet der Sozialversicherungenhätten. Das sei aber nicht weiter schlimm,sogar völlig normal. „Alle waren mal Anfän-ger. Und die Funktionsweise der zweitenSäule ist nun mal kompliziert“, weiss Ca-menzind. „Es ist dann genau meine Aufga-be, solche Dinge zu erklären.“ Seine Erfah-rung als Journalist komme ihm dabei sehrzugute. Und ja, er denke weiterhin in „Ge-schichten“, wisse, wie sich ein komplexerSachverhalt mit den Mitteln des Journalis-mus vermitteln lasse. ≠

Romandie

Joint Venturemit der PolitikDas Hin und Her von Journa-listInnen zwischen Redaktionund öffentlicher Verwaltungbeschäftigt in der Waadt dasParlament. Von Helen Brügger.

Der Journalist Justin Favrod hat gleichzweimal die Seite gewechselt – und ist nunwieder dort, wo er am Anfang war. Nach ei-nigen Jahren als Mitarbeiter verschiedenerZeitungen wurde er persönlicher Beraterdes Waadtländer Finanzdirektors PascalBroulis, anschliessend wechselte er zurückin den Journalismus zu „24 Heures“. Voll-wertigen Ersatz für Favrod fand Regie-rungsrat Broulis in Laurent Busslinger, derals Journalist von „24 Heures“ geradezu prä-destiniert dazu schien, Favrods Job in derkantonalen Verwaltung zu übernehmen.

„Entsteht eine neue ‚Pravda‘?“Das sei mehr als eine „dauerhafte Osmose“,polemisiert SP-Grossrat Nicolas Mattenber-ger in einer Interpellation an die Regierung.Er sieht darin schon fast ein Joint Venturezwischen Edipresse und dem WaadtländerStaatsrat. Umso mehr, als in den letztenMonaten vier weitere JournalistInnen von„24 Heures“ als BeraterInnen oder Kom-munikationsbeauftragte ins Regierungsge-bäude gewechselt haben. „Begünstigt derStaatsrat das Entstehen einer neuen ‚Prav-da‘?“, betitelte der Politiker seinen Vorstoss,mit dem er die „gefährlichen Liebschaften“zwischen Macht und lokaler Monopolzei-tung anprangert. Die Regierung dagegenfindet die Wanderbewegungen „völlig na-türlich“ und höchstens ein Zeichen für die„grösser werdende Bedeutung von öffentli-cher Kommunikation“.

Eine grundsätzliche Stellungnahmekommt von Olivier Voirol, zuständig für So-ziologie der Massenkommunikation an derUniversität Lausanne. Er stellt fest, dass diegegenseitige Durchdringung zwischen derpolitischen und der medialen Macht seitrund zwanzig Jahren zunimmt. Das The-men-Setting gleiche sich immer mehr, weilauch die Interessen deckungsgleich seien:„Die Medien brauchen Informationen, dieSchlagzeilen machen, die Politiker brau-chen eine auf bestimmte Themen zuge-spitzte Kommunikation“, wird Voirol von„Le Courrier“ zitiert. Dahinter stehe einTrend: „Die Auflösung des Politischen imMarketing“. ≠

Der noch als Journalist denkt

Rolf Camenzind, 51, Leiter Kommunikation imBundesamt fürSozialversicherungen, vorher fast 30 Jahre Journalistfür Zeitungen, Agentur undRadio.

nil./ Er erinnere sich noch gut an die Zeit,sagt Rolf Camenzind, als die Bundesbehör-den eine passive und bisweilen auch will-kürliche Informationspolitik betrieben hät-ten. „Von Departement zu Departementwar das unterschiedlich, die Medienarbeitvon damals scheint mir im Rückblick rechtzufällig gewesen zu sein“, blickt er auf die1980er-Jahre zurück.

Seit Ende 2007, nach fast drei Jahrzehn-ten als Journalist, vertritt Camenzind dasBundesamt für Sozialversicherungen gegenaussen. Von der Passivität vergangener Tageist bei den Departementen und Bundesäm-tern freilich nichts mehr zu merken, von derWillkür auch nicht mehr viel. Die Zeiten ha-ben sich geändert. Sowohl Journalismus alsauch Behördenkommunikation durchliefeneinen tief greifenden Wandel. Heute, sagtder langjährige Inlandredaktor von RadioDRS, erfolge die Informationsarbeit desBundes auf eine viel bewusstere und pro-fessionellere Art. „Aber auch auf eine prob-lematischere“, ergänzt er.

Damit spricht Camenzind die Tendenzan, in erster Linie Köpfe in einem möglichstvorteilhaften Licht erscheinen zu lassen.„Immer häufiger geht es darum, den Bun-desrat als Person zu verkaufen.“ Vor allembei der Kommunikation der Departementehabe er als Journalist diese Entwicklung be-obachtet. Das sei denn auch der Grund,weshalb er sich auf eine Kommunikations-stelle in einem Bundesamt und nicht in ei-nem Departement beworben habe. „An derPersonalisierungsschraube drehen aberauch die Medien. Das ist ein wechselseiti-ges Verhältnis.“

Als Kommunikationschef des Bundes-amts für Sozialversicherungen BSV ist Ca-menzind einer von rund 260 Informations-beamtInnen der Bundesbehörden. Eine

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Klartext*: Frau Stocker, wer in der Schweiz vonSozialhilfe-Missbrauch spricht, denkt automa-tisch an Sie. Wie leben Sie damit?MONIKA STOCKER: Heute stimmt das nichtmehr. Seit ich zurückgetreten bin, betrifftes mich nicht mehr persönlich. Wenn dasThema heute aufgegriffen wird, ist es ent-weder ein Sachthema oder ein Phantom,mit dem ich als Person nicht mehr viel zutun habe.Klartext: Warum greift man dennoch auf Siezurück?STOCKER: Es hat sich wohl gut verkauft undmuss darum vielleicht weiterhin herhalten.Es entsteht einfach eine Legende, die im-mer wiederholt wird, und – entschuldigenSie – Ihre Kolleginnen und Kollegen schrei-ben halt auch gern ab.Klartext: Monika Stocker, ein Kassenschlager.STOCKER: Vielleicht ja, weil ich eine sehr en-gagierte Vertreterin der Sozialhilfe bin, abernicht nur. Das Thema des Sozialhilfe-Miss-brauchs passt zum Zeitgeist der vergange-nen Jahre. Wir hatten Hochkonjunktur unddoch viele Sozialfälle. Das ist ärgerlich. DieLinken haben in der Sozialpolitik seit länge-rem nicht mehr viel Innovationsgeist ge-zeigt, sondern das Bestehende verteidigt.Es bestand Handlungsbedarf. Das war jaauch meine Chance als Mitglied einer Min-derheitspartei. Die Ultrarechten aber nah-men das Soziale auch in den Fokus.

Klartext: Das eine sind die Parteien, das ande-re die Medien.STOCKER: Die Medien haben das Thema derSozialhilfe auch sehr intensiv bearbeitet, zuRecht. Das ist Aufgabe der Medien. Siemüssen Themen aufgreifen, bei denenHandlungsbedarf besteht. Über die Art undWeise und die Fairness kann man aber ge-teilter Meinung sein.Klartext: Trotz aller Sachlichkeit: Sie standenstellvertretend für den Sozialhilfe-Missbrauchin der Stadt Zürich.STOCKER: Ich war sieben Mal mit Bild in der„Weltwoche“. Das muss man erst einmalschaffen (lacht). Mit jedem Mal ist man mirnäher und näher auf den Leib gerückt, imwahrsten Sinne des Wortes. Erst war ich miteinem Ganzkörperporträt abgebildet, am

Schluss waren nur noch meine Augen zu se-hen.Klartext: „Weltwoche“ gegen Stocker – eineKampagne also?STOCKER: Es war vor allem ein Journalist der„Weltwoche“, der das Thema bearbeitete.Für ihn ist die Sozialhilfe ein Skandal. Na-türlich wollte er auch gegen mich vorgehen.Er hatte Material aus dem Amt, und damitverbunden sah er seinen Auftrag. Ich erin-nere mich an ein grösseres Interview mitihm, das er mit viel Fachkompetenz führte.Später wurde es immer persönlicher. Klartext: Zu persönlich?STOCKER: Ja, denn es verlor zusehends denBezug zur Sache und ging immer stärker ge-gen mich als Person. Gleichzeitig publizier-te er seine recherchierten Fälle und machtedie Quellen publik; jedes Untersuchungser-gebnis, das seine These nicht stützte, wurdezum neuen Skandal. Die Fakten sind: Wirhaben in der Stadt Zürich fünf bis siebenProzent Missbrauch von 9000 Fällen insge-samt. Im Vergleich ist das Durchschnitt.Das Problem war aber ein anderes: Die So-zialbehörde hatte nicht genug starke Sank-tionsmöglichkeiten und die Auseinander-setzung ging darum, mit welchen Mittelnman reagieren oder vorbeugen kann. Aufpolitischer Ebene waren wir diesem Prob-lem bereits begegnet mit einem Inspekto-rat. Trotzdem ging die Berichterstattungder „Weltwoche“ weiter. Sie wollte sichmehr und mehr profilieren.Klartext: Journalisten profilieren sich gerne.STOCKER: Es ist legitim, dass ein Journalistden Ehrgeiz hat, ein kleiner Wallraff zusein. Journalisten müssen sich profilieren,denn so finden sie auch ihre Leser, bezie-hungsweise die Leser sie. Es herrscht einWettbewerb um Beachtung. Ich habe michden kritischen Fragen gestellt und nie an-dere Personen aus dem Amt vorgeschoben.

Klartext: Sie haben aber oft geschwiegen.STOCKER: Das Gespräch über das Modellder Sozialhilfe habe ich immer angeboten.Aber ich wollte nie über einzelne Fälle spre-chen. Das verstösst gegen die Schweige-pflicht in der Sozialhilfe. Ich hätte mich un-ter Umständen sogar strafbar gemacht.Dann hat man mir als Konsequenz davonnatürlich Vertuschung vorgeworfen.Klartext: … was Ihnen nahe gegangen ist. Siehatten vor Ihrem Rücktritt einen Kollaps.STOCKER: Ja, eine solche fast zweijährigeKampagne stresst; daneben geht ja alle All-tagsarbeit weiter. Zudem: Irgendwann spürtman, wie man sich dem eigenen Verfalls-datum nähert. Politiker sind wie Migros-Produkte: Sie bleiben nicht unendlich langefrisch. Ich wollte aber vor meinem Abschiedunbedingt noch ein paar Dinge bewegen.

Klartext: Haben Sie vor den Medien kapituliert?STOCKER: Ich habe festgestellt, dass ich anjeder Aussage aufgehängt werde. Eine un-mögliche Rolle: Monika Stocker, die sichimmer erklärt und aufklären will – dannheisst es, sie rechtfertige sich nur. Ich kammir vor wie die Hexe in einem Hexenpro-zess. Wenn sie gesteht, ist sie geliefert, undwenn sie nicht gesteht, genauso. Das hatsich nicht mehr gross geändert; im Gegen-teil, auch die andern Medien sind daraufeingestiegen. Wenn es so weit ist, muss mangehen, finde ich. Es gibt zwar Politiker, diedann erst recht bleiben. Ich wäre ernsthaftkrank geworden, wenn ich noch länger ge-blieben wäre.Klartext: Von den Medien vom Thron gestos-sen: Wie fühlten Sie sich?STOCKER: Es hat Kommentare gegeben, diemich sehr verletzt haben, gerade auch vonJournalisten, mit denen ich während Jahrensehr gut und unkompliziert zusammengear-beitet habe. Ich bin eine Politikerin, die ih-re Kraft aus inneren Werten und der Be-geisterung für die Sache schöpft – die Exis-tenzsicherung ist Grundrecht, das ist meinefeste Überzeugung. Ich unterschied nichtzwischen Amt und eigener Person. Das wardann auch die Kerbe, in die man gerne ge-hauen hat. Unterdessen sehe ich meine po-litische Karriere objektiver: Ich habe in 14Jahren vieles bewegen können. Auch wenndie letzten zwei Jahre schwierig waren, soziehe ich trotzdem positive Bilanz. Es freut

Von den Medien vom Thron gestossenWie die grüne Politikerin Monika Stocker, ehemalige Sozial-vorsteherin der Stadt Zürich, die Medienberichterstattung rund umdie Sozialhilfe erlebte, die schliesslich zu ihrem Rücktritt führte.

„Es ist legitim, dass ein Journalist den Ehrgeiz hat, ein kleiner Wallraff zu sein. Journalisten müssen sichprofilieren, denn so finden sie auch ihre Leser,beziehungsweise die Leser sie.“

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mich, dass das eine grosse Mehrheit auch sosieht. Hinzu kommt, dass es in der Ge-schichte der Politik viele Biografien gibt,die ein ähnliches Ende genommen haben.Da darf man sich nicht zu wichtig nehmen.Ich muss ja schliesslich mit mir selbst altwerden, nicht mit der „Weltwoche“.Klartext: Wie sind Sie zu dieser Sicht der Dingegelangt?STOCKER: Ich brauchte Zeit, um mich zu er-holen. Im Nachhinein merkte ich, dass icherschöpft war. Die Zweifel waren eine Zeitlang stark. Meine Weiterbildung hat mir ge-

holfen. Ich habe soeben an der UniversitätZürich den Master in angewandter Ethikabgeschlossen. Das war mir eine Orientie-rungshilfe, auch im Hinblick auf meine Ge-schichte. Diese Zeit der Reflexion hat mirgezeigt, dass ich nicht falsch liege, wenn ichan die Sozialhilfe glaube.Klartext: Werden Sie diese letzten zwei JahreIhrer Amtszeit eines Tages noch genauer reka-pitulieren?STOCKER: Es gibt andere Fragen, die michheute mehr beschäftigen. Ich möchte mei-ne Erfahrung weitergeben, vielleicht ein

Buch über die Zukunft der Sozialhilfeschreiben. Dieses Kapitel meiner Ge-schichte werde ich nicht mehr öffnen. Aberich habe meinen Fall genau dokumentiert.Vielleicht schreibt irgendwann ein Publizis-tikstudent eine Forschungsarbeit über dasPhantom Stocker, zum Beispiel aus medien-ethischer Sicht. Die Dokumente lägenschon bei mir bereit. ≠

Monika StockerMonika Stocker ist am 1. Juli1948 in Aarau geboren. An derUniversität Fribourg studiertesie Sozialwissenschaften. Seit1986 ist sie Mitglied der Grü-nen Partei. Von 1987 bis 1991war sie Nationalrätin. 1994wurde sie in den Stadtrat vonZürich gewählt, wo sie wäh-rend 14 Jahren dem Sozialde-partement vorstand. In ihrerAmtszeit setzte sie sich erfolg-reich für eine neue Drogenpoli-tik ein. Im Frühling 2009 hatsie an der Universität Zürichden Master in angewandterEthik abgeschlossen. MonikaStocker ist verheiratet, hatzwei erwachsene Kinder undzwei Enkelkinder.

„Ich kam mir vor wie die Hexe in einem Hexenprozess. Wenn siegesteht, ist sie geliefert, und wenn sie nicht gesteht, genauso.“

* Das Gespräch führten Jessica Francis und Pascal Tan-ner im Rahmen eines Interview-Kurses bei Esther Girs-berger („SonntagsZeitung“) an der Zürcher Hochschulefür Angewandte Wissenschaften ZHAW.

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KLARTEXT aktuell

Die kleine MedienweltWas sich in den letzten zwei Monaten in der Schweizer Medien-landschaft auch noch ereignet hat: ein „Best of“ aus unserem Blogwww.klartext.ch/blog.

ter. Im Internet herrscht ja eher Anarchieals Monopolis.“ (So gesagt in der „AargauerZeitung“.)

14. Mai: Der „Bund“ in Bern ist gerettet. Ta-media hat sich dagegen entschieden, diekleinere seiner beiden Tageszeitungen inBern einzustellen. Gleichzeitig baut dasZürcher Verlagshaus beim „Bund“ 19 Voll-stellen ab. Gegen das drohende Ende des160-jährigen Traditionstitels haben sich imletzten halben Jahr ein überparteiliches Ko-mitee und seine rund 16’000 Mitglieder en-gagiert. Mark Balsiger, der das Komitee insLeben rief, findet diesen „Kahlschlag vor al-lem deswegen heftig und zynisch, weil Ta-media unlängst einen Reingewinn von 106Millionen Franken ausweisen konnte. DerGlanz von Tamedia basiert aber nicht nurauf dem unbestreitbaren Können der Ver-lagsmanager, sondern auch auf der gutenArbeit der Redaktionen. Auf Bern bezogenbin ich erleichtert. Denn bis zum Schlussblieb die Gefahr einer Vollfusion zwischen‚Bund‘ und ‚Berner Zeitung‘ nicht gebannt.“

14. Mai: Bleiben wir beim „Bund“: Die Ei-genständigkeit und 19 Stellen weg beim„Bund“ – für den Chef offenbar kein Anlasszur Unzufriedenheit: „Ich bin mit diesemEntscheid extrem zufrieden“, sagte „Bund“-Chefredaktor Artur K. Vogel im Regional-journal BE/FR/SO. Da zeigt Tamedia-CEOMartin Kall schon mehr Mitgefühl, wenn erals Erstes in die Kamera der „Tagesschau“sagte: „Das tut weh.“ Derweil übte sichPietro Supino in Zweckoptimismus und be-tet ein weiteres Mal das Verleger-Mantraherunter, mit billigen Redaktionen seiengute Zeitungen zu machen: „Ich glaube, dasist für das ganze Land ein Riesenschritt.Das muss die beste Zeitung der Schweizwerden.“ Schön, dann freuen wir uns aufdie beste Zeitung der Schweiz und lesenvorläufig noch die NZZ. An der Falken-strasse steht dann wohl im Herbst auch einKahlschlag an.

15. Mai: Hooligan-Gewalt nimmt zu?Falsch, sagt Christoph Vögeli, Leiter Zen-tralstelle Hooliganismus in Zürich, gegen-über tagesanzeiger.ch: „Die Aufmerksam-keit der Medien führt dazu, dass man dasGefühl hat, die Gewalt steige. Tatsächlichnimmt sie nicht zu.“

22. Mai: Immer öfter verweisen Medien-profis aus Theorie und Praxis auf das redak-tionelle Überangebot in den Zeitungen underkennen darin Sparpotenzial, ganz nachdem Motto: Weniger ist mehr. So auch derSchweizer Verlegerpräsident HanspeterLebrument in der „Basler Zeitung“: „Heutesind Tageszeitungen auch Wochenzeitun-gen und Spezialpublikation. Ich glaubenicht, dass die Leserschaft das wirklich er-wartet.“ So versuchen Lebrument & Co. dieKrise kleinzureden. Der aktuelle Stellenab-bau sei quasi nur ein Gesundschrumpfungs-prozess zurück auf das Normalmass nachdem konjunkturbedingten Ausbau der Zei-tungen in den letzten 15 Jahren. Doch derWurm ist nicht nur in den Reise-, Auto-,Lifestyle-, Trend- und Multimedia-Ressortsder Zeitungen drin. Alleine diese Stoffe ausden Zeitungen zu streichen, bringt kaumzusätzliche LeserInnen. Entscheidend ist,wie die Redaktionen ihr Kerngeschäft neudefinieren. Einen interessanten Vorschlagmacht Robert G. Picard, Professor für Me-dienökonomie in Jönköping. Regionalzei-tungen, so Picard, sollten sich in einem fürihr Einzugsgebiet bedeutsamen Fachgebietals Themenführer positionieren und soauch überregional wahrgenommen werden.

26. Mai: Tamedia-Sprecher Christoph Zim-mer versucht im Klartext-Blog den Zusam-menhang zwischen 106 Millionen FrankenGewinn, 32 Millionen Dividenden und derMassenentlassung bei „Tages-Anzeiger“und „Bund“ zu erklären: „Der ‚Tages-An-zeiger‘ hat in den letzten zehn Jahren vier-zig Prozent Werbeeinnahmen verloren undwie die anderen Tageszeitungen auch zahl-reiche Leserinnen und Leser. Der ‚Bund‘hat in den letzten 16 Jahren unter fünf ver-schiedenen Miteigentümern rote Zahlengeschrieben – unabhängig vom konjunktu-rellen Umfeld. Die Massnahmen, die hartsind, sind eine Reaktion auf diesen langfris-tigen Trend und kein Abbau auf Vorrat.Selbst mit diesen Massnahmen werden diebeiden Zeitungen 2008 und 2009 vermut-lich einen Verlust schreiben. [Die ausge-schütteten Dividenden] sind wie in den ver-gangenen Jahren rund 30 Prozent des Er-gebnisses, und diesen prozentualen Betragwill Tamedia langfristig ausschütten. DieAktionärinnen und Aktionäre partizipiertendamit wie übrigens auch die Mitarbeiten-den, die eine Gewinnbeteiligung erhielten,am Ergebnis 2008. Eine Zeitung, die Ver-luste schreibt, langfristig aus dem Gewinnzu finanzieren, wäre nicht nachhaltig. Klaraber ist, dass Tamedia die Mitarbeitendenmit einem Sozialplan unterstützen will.“

nil./bbü./

9. April: Lustiges liest man im aktuellen Ka-talog des Frankfurter Buchverlags Zweitau-sendeins zur „Weltwoche“. Die sei „sowaswie ein Zwitter aus Spiegel und taz“. Zwit-ter mag ja noch stimmen, aber wenn schon,dann einer zwischen SVP-Pressedienst undden Ausläufern eines einst grossen Maga-zinjournalismus.

23. April: Der Migros-Geschäftsbericht hatdas Zeug zum Selbstläufer im Blätterwald.Nach dem „Magazin“ hat nun mit der„Welt“ ein weiteres Qualitätsmedium dieBildstrecke mit den 101 Porträts von Men-schen im Alter von 0 bis 100 übernommen.Und, wen wunderts, flugs daraus im Web ei-ne Bild-, respektive Klickstrecke gebastelt.

27. April: Wir haben es ja schon immer ge-sagt, meinten es aber alles andere als wohl-wollend, wenn wir die Pendlerzeitungen als„gedrucktes Internet“ bezeichneten; einendloses, buntes Durcheinander, zusam-mengestellt von einer Redaktion, die gernemal journalistische und kommerzielle In-halte vermischt. Dass wir mit unserer Ein-schätzung richtig liegen, bestätigt nun Mar-co Boselli. Der Chefredaktor von „20 Minu-ten“ sagte im Interview mit der österreichi-schen „Die Presse“, seine Gratiszeitung sei„gedrucktes Internet“.

9. Mai: Medien-Tycoon Rupert Murdochwill künftig Geld verlangen für die Online-Nachrichtenangebote seiner News Corp.NZZ-Medienredaktor Rainer Stadler hältdas für ein nahezu aussichtsloses Vorhaben:„Kaum eine Internetmedienmarke scheintderzeit so stark, dass sie den Grossteil derohnehin launischen Laufkundschaft zumZahlen animieren könnte. Die Ausweich-möglichkeiten sind zu vielfältig.“

10. Mai: Nicht nur TV-Mann StephanKlapproth kalauert gerne bei seinen Ansa-gen, auch beim „Echo der Zeit“ hat man of-fenbar eine Schwäche für den Rumpelreim:„Arthur Schopenhauer wird wieder zumGassenhauer.“

10. Mai: Zeitungsmonopole à la Tamedia/Espace/Edipresse findet MedienministerMoritz Leuenberger nicht weiter schlimm,denn: „Es gibt immer auch noch elektroni-sche Medien, Facebook, Blogs und so wei-

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Das Buch lese sich als „versteckte Auto-biographie“, schreibt Peter Bichsel im Vor-wort. Es zeichne Seiler als „Linken, Oppo-sitionellen, trotzigen Selbstdenker“ aus.Seiler, zu dessen achtzigsten Geburtstages erschienen ist, sieht die Textsammlungals Kritik an einer Gesellschaft, die „dasGedächtnis an ihre eigene Lebenszeit ein-zubüssen im Begriff ist“. Eins ist sicher:Xandi Seiler hat vielleicht fünfzig Jahrelang „daneben geschrieben“. Aber immermit sicherer Hand ins Schwarze getroffen.

Helen Brügger

Alexander Seiler: „Daneben geschrieben“, mit Zeichnun-gen von Martial Leiter und einem Vorwort von PeterBichsel. Verlag hier + jetzt, Baden 2008.

WertvolleAuslegeordnungEs ist bekanntlich „le ton qui fait la musi-que“. So auch bei der Frage: „Wozu nochZeitungen?“ Ob mit einem verächtlichenUnterton formuliert, voller Unverständnisfür das anachronistische Medium oderaber in grosser Sorge um eine unverzicht-bare Interpretationshilfe für das Weltge-schehen – die Frage klingt ganz andersund entsprechend auch die Antwort. Einebeträchtliche Bandbreite an Reaktionendeckt eine Interviewsammlung ab, in dersich eine illustre Runde von Fachpersonenzu Gegenwart und Zukunft der Zeitungäussert. So eindeutig und einheitlich dieDiagnose, so unterschiedlich die Progno-sen der ExpertInnen. Print hat Probleme,das bestreitet niemand. Das Internet ist daund verschwindet nicht mehr. Selbst Jo-nathan Landman, stellvertretender Chef-redaktor der „New York Times“, fände einVerschwinden der Zeitung aus Papiernicht weiter schlimm – vorausgesetzt, esgebe auch künftig einen Ort, wo Qualitäts-journalismus seinen Platz und den Wegzum Publikum finde. Im Kern drehen sichalle Gespräche immer auch um den Jour-nalismus und dessen Krise. Oder präziser:dessen Orientierungslosigkeit. Pfannen-fertige Rezepte liefern auch die befragtenExpertInnen nicht. Doch wenigstens ha-ben die Herausgeber hier eine Auslege-ordnung gewagt und eine Palette von rele-vanten Meinungen aus Theorie und Praxiszusammengestellt. Ein Manko des Bandesist das Fehlen von Stimmen aus demdeutschsprachigen Raum. Nick Lüthi

Unzeit-Wörter

Alexander J. Seiler blickt auf fünfzig Jah-re als Journalist, Essayist und Filmautorzurück. Zum Schriftsteller habe ihm dieGeduld gefehlt, schreibt er im Nachwortzu der Sammlung von Artikeln, Essays undFilmkritiken. So sei er Journalist gewor-den. Aber eigentlich ist Seiler Filmautor.Die „daneben geschriebenen“ Texte derSammlung sind während und neben sei-ner Arbeit als Filmemacher entstanden. Wer erinnert sich nicht an Seilers Film„Siamo Italiani“ über die Immigration derSechziger- und Siebzigerjahre? Oder anden Dokumentarfilm „Früchte der Arbeit“,der den Alltag eines Metallarbeiters in denSiebzigerjahren thematisiert? An „Sep-temberwind“ von 2002, der neue Migran-tInnenschicksale vor dem Hintergrundnoch grobschlächtigerer Demagogie er-zählt? Seiler als Filmautor erzählt ein-dringlich und engagiert Schweizer Ge-schichte von unten und hat damit eineganze Generation geprägt.In der vorliegenden Sammlung geht esnicht nur um das Medium Film, sondernum das intellektuelle Schaffen Seilersüberhaupt. Er schreibt über Persönlich-keiten wie Henry Miller, Ludwig Hohl oderFriedrich Glauser, über seinen „Abschiedvon der Partei“, über ein Foto seiner Tan-te Rosa, die am Tag des Abwurfs derAtombombe auf Hiroshima gestorben ist,über den Besuch in einem Grotto im Men-drisiotto, einen Spaziergang im Gefäng-nishof. „Zeit-Wörter“ wie „Wachstum“oder „Kommunikation“ zerpflückt er lust-voll als Lieblingsvokabeln des Neolibera-lismus und zeigt, wie sie eine Unzeit cha-rakterisieren.

Glogger mülltHelmut-Maria Glogger schreibt nicht nurregelmässig die Kolumne „Glogger mailt“auf der letzten Seite von „Blick amAbend“, nein, er macht sich auch Sorgenum die Steuergelder. Um „unsere Steuer-gelder“, genau genommen. Oder ebenauch nicht so genau genommen.Am 19. Mai schreibt beziehungsweisemailt Glogger dem „Porsche-Chef“ Wen-delin Wiedeking und hält ihm vor, zuerstgrosskotzig Geld verschleudert zu habenund nun „unsere Steuergelder anzapfenzu wollen“. „Unsere Steuergelder“ zur Sa-nierung von Porsche? Hat HansruediMerz schon wieder irgendwo Geld ver-teilt? Das kann nicht sein; für Porsche hatMerz doch gar nie gearbeitet. Oder kenntGlogger irgendeinen Geheimplan vonPeer Steinbrück? Sollen die Steuererträ-ge aus der Schweiz und aus Deutschlandder Einfachheit halber gleich zusammen-gelegt werden? Oder meint Glogger dieInternationale der SteuerzahlerInnen undgeht ganz selbstverständlich von dergrenzübergreifenden Solidarität der Die-da-oben-und-wir-bezahlen-alles-Faust-im-Sack-Mehrheit aus?Wie dem auch sei: Einen Tag später mailtGlogger an den FC Zürich und findet, dieFussballclubs müssten die Schäden be-zahlen, die ihre Fans anrichten: „Undnicht wir Steuerzahler!“ Spätestens hierwird klar, dass es Glogger egal ist, wen ermit „wir“ oder „uns“ meint. Wichtig ist ihmallein die Kumpanei mit dem Lesepubli-kum. Und dafür wählt Glogger mit Vorlie-be die billigste Masche. Melodramatischwirft er ein: „Ich habe keine Lust, um dasLeben meiner Kinder zu bangen.“ Mal ab-gesehen von der Frage, ob hier wirklichdas Lustprinzip spielt, kann man wohl mitguten Gründen werweissen, ob es ebennicht gerade auch seine, also „unsere“Kinder sind, die nach Fussballspielen als„Maskierte, Vermummte, bis zumSchwachsinn Besoffene randalieren“.Gut möglich; und dann muss man auchtatsächlich um ihr Leben bangen (mitoder ohne Lust), denn Glogger schlägtvor, dass man die Fans „sich – unter lie-bevoller Begleitung von Psychologen –mit Latten die hirnlosen Köpfe einschla-gen“ lassen soll.Ach, wenn es ein so simples Rezept dochnur auch gegen hirnlose KolumnistInnengäbe.

HARRI HOLZER

Weichert, Kramp, Jakobs (Hrsg.): „Wozu noch Zeitun-gen? Wie das Internet die Presse revolutioniert“. Van-denhoeck & Ruprecht, 2009, Göttingen.

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Das Schweizer Medien-Magazin Nr. 3, Juni 2009, 29. Jahrgang Erscheint sechsmal im Jahr.

REDAKTIONNick Lüthi, Monbijoustrasse 33, Postfach 478, 3000 Bern 14, Tel. 031 382 45 57, Fax 031 382 04 65. E-Mail: [email protected]

www.klartext.ch (Passwort für gesicherteTexte ab 22. Juni 2009: rendite)

Redaktionelle MitarbeitHelen Brügger, [email protected], Tel. 079 543 46 06. Bettina Büsser, [email protected], Tel. 044 368 40 88. Edzard Schade, [email protected], Tel. 044 242 83 73. Produktion: Irmgard Imstepf, [email protected]

HERAUSGEBERINStiftung KLARTEXT, Marianne Erdin Garbagnati, Postfach 478, 3000 Bern 14. Stiftungsrat: Marianne Erdin Garbagnati (Präsidentin), Ursula Ganz-Blättler, Judith Huber, Rolf Hürzeler, SilviaLuckner, Peter Meier, Emil Müller,Adrian Scherrer.

VERLAGStiftung KLARTEXT, Bernhard Ott,Postfach 36, 8201 Schaffhausen, Tel. 052 633 08 33, Fax 052 633 08 34. E-Mail: [email protected]

ABONNEMENTEStiftung KLARTEXT, Irmgard Imstepf,Postfach 478, 3000 Bern 14, Tel. 031 382 45 57, Fax 031 382 04 65.E-Mail: [email protected] für die Schweiz:Privat-Jahresabonnement: Fr. 80.–Geschäfts-Jahresabonnement: Fr. 150.– Jahresabonnement für Personen in Ausbildung: Fr. 50.– Alle Preise inkl. 2.4% MWSt.Bezugspreis für das Ausland: Jahresabonnement: Fr. 90.–.

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KLARTEXTNZZ: „Männerbund“und Bistro-Possebbü./ Bei der NZZ kann sich die Redaktionvia internes Blog an der Diskussion um dieNZZ-Neugestaltung beteiligen. DieserProzess läuft unter dem Titel „SoundingBoard“, ein Wort, das alteingesessenenRedaktorInnen nicht zu ihrer Traditions-zeitung zu passen scheint. Wobei manchevon ihnen nun nicht mehr mitdiskutieren:Mehr als zehn langjährige MitarbeiterIn-nen aus den Ressorts Wirtschaft und Aus-land haben die Frühpension angetreten.Knapp dreissig Stellen wurden so gestri-chen; der Abbau war Ende 2008 ange-kündigt worden. „Es wurde aber im Hausnie transparent gemacht, wo und wie dieStellen abgebaut wurden. Es hiess, das seiSache der einzelnen Ressorts“, ist aus derNZZ zu hören. Zu hören ist auch, dass dieneue NZZ – sie soll am 9. 9. 09 erstmalserscheinen – mit hoher Wahrscheinlich-keit eine Dreibund-Zeitung sein wird.Bund eins soll Ausland, Inland und Zürichumfassen, Bund zwei – intern „Männer-bund“ getauft – enthält Wirtschaft, Börseund Sport, Bund drei Feuilleton und Beila-ge-Themen. Möglicherweise wird dasLayout fünfspaltig, und man will vermehrtFrauen und Junge ansprechen – dennochsoll die NZZ „ihr Gesicht bewahren“. Ganz und gar nicht angesprochen gefühlthaben sich offenbar viele NZZ-Journalis-tInnen von der Idee der Unternehmenslei-tung, das NZZ-Bistro an der Falkenstras-se für das Publikum zu öffnen – und fürdie NZZ-Leute zu verteuern. Zwischen-zeitlich mussten sie auch für ein Glas Lei-tungswasser bezahlen, 70 Rappen proGlas. Das alles hat zu einer schlechterenNutzung des Bistros geführt, zu regel-rechten Boykott-Aktionen. Aus den Res-sorts Wirtschaft und Inland etwa hörtman, heute sei quasi niemand mehr im Bi-stro anzutreffen, obwohl die Redaktions-mitglieder ihr Wasser wieder gratis krie-gen. Findige Köpfe überlegen sich nun, ob

Bistro-Öffnung und Wasserverteuerungganz gezielt erfolgt seien. Denn, so heisstes, die NZZ bezahle jedes Jahr 1,2 Millio-nen Franken für die beiden Bistros inZürich und Schlieren. Dasjenige in Schlie-ren kann sie nicht schliessen, denn dortwird Schicht gearbeitet. Wird hingegendas Falkenstrasse-Bistro weiterhin soschlecht genutzt, geht es womöglich zu –und die NZZ spart.

Verblöden mit Rogernil./ Wetten, dass auch Roger Federer der-einst – aber hoffentlich erst in sehr, sehrferner Zukunft – das Racket abgeben undirgendwann sogar das Zeitliche segnenwird? Nun, mit dieser nicht besonders ge-wagten Prognose stehen wir in der Me-dienlandschaft derzeit allein auf weiterFlur. Nach Federers Sieg am French Openin Paris übten sich die euphorisiertenSportredaktorinnen und Blattmacher inkollektiver Esoterik und verklärten denBasler Tennisspieler flugs zum Unsterbli-chen. „Federer macht sich unsterblich“, ti-telte etwa der „Bund“. Schon Tage vor demSieg in Paris wusste der „Blick“, dass Fe-derer nur noch wenige Schritte vor derUnsterblichkeit steht. Vor allem aber wa-ren es die Online-Redaktionen, die vorlauter Roger, Roger fast überbeissen woll-ten. Egal, wo man hinklickt im deutsch-sprachigen Netz: unsterblich, unsterblich,unsterblich. Da war es nur noch ein klei-ner Schritt zum Göttervergleich, der na-türlich auch nicht fehlte. Vom Tennis-Gottschrieb bild.de, den Aufstieg in den Olympwollte swissinfo.ch beobachtet haben.Während es auf den Redaktionen inDeutschland und der Schweiz kein Haltenmehr gab, zeigte man im englisch- undfranzösischsprachigen Raum schon mehrZurückhaltung und sparte mit den dümm-lichen Unsterblichkeitsmetaphern. Undwie gesagt: Wir behaupten weiterhin, Ro-ger Federer sei ein sterblicher Mensch ausFleisch und Blut. Die Wette gilt!

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34 | SPOTS | KLARTEXT | NR. 3/2009

ständiges Profil zu entwickeln und sich alsunverzichtbarer Teil der SRG-Familie zupositionieren.

(Un)dank für Treuehb./ Bis vor Kurzem erhielten alle pensio-nierten Angestellten von Edipresse einGratis-Abo für einen Edipresse-Titel nachihrer Wahl, sozusagen anstelle der Uhr,die Pensionierte anderer Betriebe nachJahrzehnten treuer Dienste erhalten.Doch jetzt heisst es sparen. Kleinviehmacht auch Mist, muss sich ein Edipres-se-Chef gedacht haben und liess seinenlieben ehemaligen Mitarbeiterinnen undMitarbeitern eine Abo-Rechnung schi-cken. Ein noch angestellter 63-jährigerMitarbeiter befand sich zu seiner Überra-schung auch unter den Adressaten. „Aha,man hat Sie noch nicht frühpensioniert?!“,war die Reaktion der zuständigen Stelle,als er sich nach dem Grund für die Rech-nungsstellung erkundigte.

Ende von Swissinfowird angedachtnil./ Auch Swissinfo muss den Gürtel en-ger schnallen: Sieben Millionen Frankensollen weg, mehr als ein Viertel des ak-tuellen jährlichen Aufwands. Von diesemSparpotenzial geht die SRG-Spitze aus.Bis Ende Jahr geht ein Gremium unter derLeitung der Direktoren von Swissinfo,Schweizer Radio DRS und WestschweizerFernsehen TSR über die Bücher und willherausfinden, wie sich diese Vorgabe um-setzen lässt. Das teilte die SRG am 8. Ju-ni mit. Drei Varianten stehen dabei im Vorder-grund: swissinfo.ch bleibt eigenständig,produziert aber wesentlich günstiger alsheute. Oder aber das ehemalige Schwei-zer Radio International verschwindet undwird TSR oder SR DRS einverleibt. Nichtangetastet werden darf bei allen drei Va-rianten der Leistungsauftrag des Bundes,der die SRG verpflichtet, ein mehrsprachi-

ges Informationsangebot bereitzustellen.SRG-Kader sehen das grösste Sparpoten-zial bei den Angeboten von Swissinfo inden drei Landessprachen Deutsch, Fran-zösisch und Italienisch. Mit den Websitesvon Radio- und Fernsehen gebe es Dop-pelspurigkeiten. „Diese sind nicht einfachaufrechtzuerhalten, wenn man mehr Effi-zienz fordert“, kommentiert etwa derWestschweizer Radiodirektor GérardTschopp. „Swissinfo muss sich überlegen,ob sie ihre Angebote nicht anpassen, kom-plementär gestalten müsste“ (siehe Inter-view auf Seite 22). Was so viel heisst wie:Die Redaktionen mit „exotischen“ Spra-chen, wie etwa Japanisch, Chinesischoder Arabisch, blieben erhalten, das übri-ge Angebot würde in enger Zusammenar-beit mit den Online-Redaktionen von Ra-dio und Fernsehen erstellt. Unter publizistischen Gesichtspunktenwürde eine solche Lösung nicht zwingendzu einem Verlust führen. Denn swissin-fo.ch hat es in den zehn Jahren seit seinerGründung nie recht geschafft, ein eigen-

BACKKUNST IM HISTORISCHEN WANDEL

Unter Roger de Weck isst, wer kein Brot hat, halt Kuchen. Und esgilt: Brot – und (europäische) Spiele.

Esther Girsberger und Philipp Löpfe müssen kleinere Brötchenbacken. Und es gilt: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.

Peter Hartmeier versuchts mit einem Königskuchen: grossesStück in der Mitte, darum herum kleine Brötchen, die aufge-hen sollen. Doch es gilt: Nicht alles, was Hefe drin hat, dehntsich aus.

Ab 2009: Res Strehle/Markus Eisenhut: Keine Spiele, keinGesang. Es gilt: Kein Brot ist hart. Aber hart ist: kein Brot*

* „kei Brot ha“ (Schweizerdeutsch) bedeutet: keine Chance haben.

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