Klassifikation, Diagnostik und Therapie der arteriellen ... · Die Definition und Klassifikation...

13
Homepage: www .kup.at/ hyper tonie Online-Datenbank mit Autoren- und Stichwortsuche P.b.b. GZ02Z031106M, Verlagspostamt: 3002 Purkersdorf, Erscheinungsort: 3003 Gablitz Indexed in EMBASE/Excerpta Medica/SCOPUS www.kup.at/hypertonie Offizielles Organ der Österreichischen Gesellschaft für Hypertensiologie www.hochdruckliga.at Member of the Klassifikation, Diagnostik und Therapie der arteriellen Hypertonie 2013: Empfehlungen der Österreichischen Gesellschaft für Hypertensiologie (ÖGH) Watschinger B, Arbeiter K, Auer J Drexel H, Eber B, Fasching P Grüner P, Hohenstein K Koppelstätter C, Lang W, Mayer G Perl S, Pichler M, Pilz H Rieder A, Rosenkranz AR Schernthaner G, Slany J Stefenelli T, Steiner S, Weber T Wenzel RR, Zweiker R Journal für Hypertonie - Austrian Journal of Hypertension 2013; 17 (3), 99-108

Transcript of Klassifikation, Diagnostik und Therapie der arteriellen ... · Die Definition und Klassifikation...

Homepage:

www.kup.at/hypertonie

Online-Datenbank mit Autoren- und Stichwortsuche

P . b . b . G Z 0 2 Z 0 3 1 1 0 6 M , V e r l a g s p o s t a m t : 3 0 0 2 P u r k e r s d o r f , E r s c h e i n u n g s o r t : 3 0 0 3 G a b l i t z

Indexed in EMBASE/Excerpta Medica/SCOPUS www.kup.at/hypertonie

Offizielles Organ derÖsterreichischen Gesellschaft für Hypertensiologie

www.hochdruckliga.at

Member of the

Klassifikation, Diagnostik und

Therapie der arteriellen Hypertonie

2013: Empfehlungen der

Österreichischen Gesellschaft für

Hypertensiologie (ÖGH)

Watschinger B, Arbeiter K, Auer J

Drexel H, Eber B, Fasching P

Grüner P, Hohenstein K

Koppelstätter C, Lang W, Mayer G

Perl S, Pichler M, Pilz H

Rieder A, Rosenkranz AR

Schernthaner G, Slany J

Stefenelli T, Steiner S, Weber T

Wenzel RR, Zweiker R

Journal für Hypertonie - Austrian

Journal of Hypertension 2013; 17

(3), 99-108

MED Netzwerk bietet Ihnen:

• Vernetzung von Ärztegruppen, Fachmedien und Fachgesellschaften

• Möglichkeit zum regelmäßigen fachlichen Austausch

• Zahlreiche DFP-zertifizierte Fortbildungsmöglichkeiten

Erfahren Sie mehr auf

www.mednetzwerk.at neu

Mit freundlicher Unterstützung von:

J HYPERTON 2013; 17 (3)

Arterielle Hypertonie 2013: Empfehlungen der ÖGH

99

Klassifikation, Diagnostik und Therapie der arteriellenHypertonie 2013: Empfehlungen der Österreichischen

Gesellschaft für Hypertensiologie (ÖGH)Richtlinien-Gruppe der Österreichischen Gesellschaft für Hypertensiologie*

* siehe Anhang

Eingelangt und angenommen am 1. August 2013Aus der Richtlinien-Gruppe der Österreichischen Gesellschaft für HypertensiologieKorrespondenzadresse: Univ.-Prof. Dr. med. Bruno Watschinger, Klinische Abtei-lung für Nephrologie und Dialyse, Universitätsklinik für Innere Medizin III, Medizini-sche Universität Wien, A-1090 Wien, Währinger Gürtel 18–20;E-Mail: [email protected]

Anleitung zum Gebrauch der vorliegen-

den Empfehlungen

Die vorliegenden Empfehlungen sollen behandelnden ÄrztenUnterstützung für die Diagnostik und Therapie hypertensiverPatienten bieten. Sie sind allgemeiner Natur und richten sichexplizit an Ärzte, da diese aufgrund ihrer medizinischen Aus-bildung in der Lage sind, individuell sinnvolle und notwendi-ge Abweichungen von den Empfehlungen einzuschätzen undvorzunehmen, wenn diese aufgrund einer speziellen Situation(Verfügbarkeit der Mittel, Restriktionen anderer Art, indivi-dueller Patientenwille/-bedürfnis etc.) erforderlich sind. JederArzt, der sich auf die Empfehlungen bezieht, ist dafür verant-wortlich, die Sinnhaftigkeit, Anwendbarkeit sowie deren Um-setzung im jeweiligen Einzelfall zu überprüfen. Die Empfeh-lungen richten sich primär nicht an andere Berufsgruppen undsind in ihrer Art daher nicht ohne Weiteres bzw. ohne vorheri-ge Diskussion als Grundlage für Entscheidungen andererFachgruppen, z. B. administrativer oder regulatorischer Insti-tutionen, geeignet.

Vertiefende Empfehlungen zu den einzelnen Themen wurden2012 im Journal für Hypertonie publiziert oder sind in Vorbe-reitung.

Diagnostik und Klassifikation der Hyper-

tonie

In der Bevölkerung steigt der systolische Blutdruck bis etwazum 80. Lebensjahr kontinuierlich an. Der diastolische steigtetwa bis zum 50. Lebensjahr und sinkt danach ab. Dadurchsteigt die Differenz zwischen systolischem und diastolischemBlutdruck – der Pulsdruck – ab dem mittleren Lebensalterstark an.

Dementsprechend wird das kardiovaskuläre Risiko bis zum50. Lebensjahr sowohl von der Höhe des diastolischen alsauch des systolischen Blutdrucks bestimmt, danach kommtdem erhöhten systolischen Blutdruck sowie dem Pulsdruckeine wesentlichere Bedeutung zu.

Die Definition und Klassifikation der Blutdruckwerte kanndurch unterschiedliche Messmethoden erfolgen. Häufig wird

die durch die Europäische Gesellschaft für Hypertonie (ESH)verwendete Einteilung verwendet (Tab. 1).

Die ÖGH empfiehlt für die Diagnose der Hypertonie dieDurchführung eines ambulanten 24-Stunden-Blutdruckmoni-torings. Alternativ dazu kann bei fehlender Durchführbarkeitdes Monitorings durch mindestens 30 Selbstmessungen miteinem validierten Gerät die Diagnose Hypertonie gestelltwerden. Ordinationsmessungen sollen als Screening dienen,sind aber für die Diagnose Hypertonie beim individuellen Pa-tienten nur bedingt verwertbar.

Das ambulante 24-Stunden-Blutdruckmonitoring soll beiallen Patienten mit Ordinationsblutdruckmessungen > 140/90mmHg zur Absicherung der Diagnose Hypertonie herangezo-gen werden. Dafür sind validierte Messgeräte zu verwenden.Bei Verwendung der Blutdruckselbstmessung müssen Patien-ten in der Technik der Selbstmessung strukturiert geschultund kontrolliert werden. Selbstmessungen sollen anfänglichmorgens und abends jeweils 2–3-fach erfolgen und dokumen-tiert werden, vorzugsweise durch automatische Speicherung.Da bei Selbstmessungen und 24-h-BlutdruckmessungenWeißkitteleffekte vermieden werden, liegen die damit gewon-nenen Werte im Durchschnitt tiefer als Ordinationsmessun-gen. Auch durch wiederholte automatische Messungen (3–5)in Ordination bzw. Spital in Abwesenheit von Arzt und Pfle-gekraft kann der Weißkitteleffekt minimiert werden.

Die Grenzwerte von normalem und erhöhtem Blutdruck sindfür die verschiedenen Messmethoden in Tabelle 2 zusammen-gefasst. Indikationen für die Durchführung eines ambulanten24-h-Blutdruckmonitorings wurden in Ausgabe 3/2012 desJournals für Hypertonie besprochen. Die Klassifikation derHypertonie in verschiedene Grade gibt Anhaltspunkte für dieDringlichkeit einzuleitender therapeutischer Maßnahmen, hataber vor allem epidemiologische Bedeutung. Die ambulante24-h-Blutdruckmessung erlaubt vor allem durch die hohe

Tabelle 1: Definition und Klassifikation der Blutdruckwertebei Arztmessung (mmHg)

Kategorie Systolisch Diastolisch(mmHg) (mmHg)

Optimal < 120 und < 80Normal 120–129 und/oder 80–84Hoch normal 130–139 und/oder 85–89Grad-1-Hypertonie 140–159 und/oder 90–99Grad-2-Hypertonie 160–179 und/oder 100–109Grad-3-Hypertonie ≥ 180 und/oder ≥ 110Isolierte systolischeHypertonie ≥ 140 und < 90

For personal use only. Not to be reproduced without permission of Krause & Pachernegg GmbH.

100 J HYPERTON 2013; 17 (3)

Arterielle Hypertonie 2013: Empfehlungen der ÖGH

Anzahl an Messwerten (ca. 80–90 Werte/24 h) eine Darstel-lung der individuellen Bandbreite des Blutdruckverhaltens.Ihre Ergebnisse schließen zuverlässig Weißkitteleffekte ausund machen die Diagnose der maskierten Hypertonie (= Ordi-nationsblutdruckwerte < 140/90 mmHg bei gleichzeitig patho-logischen 24-h-Messwerten) möglich. Für die individuellePrognosebeurteilung sind neben der absoluten Höhe der Blut-druckwerte insbesondere die zirkadiane Blutdruckrhythmiksowie die nächtlichen Blutdruckhöhen heranzuziehen.

Erweiterte Diagnostik/Risikostratifizierung

Die Hypertonie stellt einen der wichtigsten kardiovaskulärenRisikofaktoren dar. Bei jedem Patienten soll eine genaueAnamnese, eine klinisch-physikalische Krankenuntersuchungsowie eine Basisdiagnostik, die in Tabelle 3 dargestellt ist,durchgeführt werden.

Über die Basisdiagnostik (Tab. 3) hinaus muss festgestelltwerden, inwieweit Risikofaktoren oder schon subklinische(= asymptomatische) Organschäden vorliegen. Diese stellen

wichtige Zwischenstufen in der Entwicklung manifesterHerz-Kreislauf-Krankheiten dar, sind einer apparativen Diag-nostik meist gut zugänglich und bedingen bei ihrem Vorhan-densein ein umfassendes kardiovaskuläres Risikomanage-ment (Blutdruck, Lipide, Diabetes, Nikotinabusus, Lebens-stil).

Die Suche nach subklinischen Organschäden betrifft Arterien(Gefäßsteifigkeit, Intima-media-Dicke der Karotiden, Karo-tisplaques, Knöchel-Bein-Index), Herz (Linksherzhypertro-phie, diastolische Dysfunktion) sowie die Niere (Albuminu-rie, eingeschränkte Nierenfunktion) – siehe Tabelle 4. Darü-ber hinaus können auch stumme zerebrovaskuläre und koro-nare Läsionen oder eine Endotheldysfunktion hypertensiveOrganschäden anzeigen.

Epidemiologie der arteriellen Hypertonie

Bluthochdruck gilt weltweit als der führende Risikofaktor fürkardio- und zerebrovaskuläre Morbidität und Mortalität.Schätzungen gehen davon aus, dass 54 % aller Schlaganfälleund beinahe die Hälfte (47 %) der ischämischen Herzerkran-kungen durch erhöhten Blutdruck bedingt sind und durch eine

Tabelle 2: Blutdruckklassifikation mit verschiedenen Mess-methoden

Methode/Kategorie Hypertonie HypertonieGrad 1 Grad 2

(mmHg) (mmHg)

Arztmessung ≥ 140/90 ≥ 160/100ABDM/24 h ≥ 130/80 ≥ 145/90

Tag (wach) ≥ 135/85 ≥ 150/95Nacht (Schlaf) ≥ 120/70 ≥ 135/85

Selbstmessung ≥ 135/85 ≥ 150/95

Tabelle 3: Basisuntersuchungen bei arterieller Hypertonie

Anamnestische Hinweise auf das Vorliegen einer arteriellenHypertonie

Positive Familienanamnese (Hypertonie, Schlaganfall, Herzinsuf-fizienz), bekannte Nierenerkrankung, Kopfschmerzen, Palpitatio-nen, plötzliche Schweißausbrüche, Sehstörungen u. a.Klinisch-physikalische Untersuchung

– Bauchumfang (Grenzwerte 102 cm bei Männern, 88 cm beiFrauen)

– Strömungsgeräusche über Arterien (Aorta, A. carotis, renalis,femoralis)

– Herzgeräusche (z. B. bei Aortenisthmusstenose, Aortenklap-peninsuffizienz)

– Hinweis auf sekundäre Hypertonieformen wie M. Cushing,polyzystische Nierenerkrankung, Coarctatio aortae, Akro-megalie etc.

Laborbefunde

– Nüchternblutzucker, HbA1c, orale Glukosebelastung (bei Dia-betes-Verdacht)

– Lipidstatus (Gesamtcholesterin-, HDL-, LDL-Cholesterin,Triglyzeride), Hämatokrit bzw. Hämoglobin

– Nierenparameter (Serum-Kreatinin und glomeruläre Filtrations-rate [eGFR], Harnstoff)

– Harnsäure– Elektrolyte (Natrium, Kalium, Chlorid)– Harnteststreifen und Sediment, quantitative Albuminausschei-

dungApparative Diagnostik

– Sonographie der Nieren– EKG

Tabelle 4: Risikofaktoren, subklinische Organschäden undFolge- bzw. Begleiterkrankungen

Risikofaktoren

– Alter (Frauen > 65a, Männer > 55a)– Positive Familienanamnese für vorzeitige kardiovaskuläre

Erkrankungen wie z. B. Myokardinfarkt, zerebraler Insult(Frauen < 65a, Männer < 55a)

– Rauchen– Dyslipoproteinämie– Viszerale Adipositas (Bauchumfang Männer > 102 cm, Frauen

> 88 cm)– Pathologische Glukosetoleranz oder Nüchtern-Blutzucker

102–125 mg/dlSubklinische Organschäden

– Herz (EKG, Echokardiographie) Linksherzhypertrophie Kardiale Dysfunktion

– Niere Einschränkung der Nierenfunktion: GFR oder Kreatinin-

Clearance 30–60 ml/Min./1,73 m2

Albuminurie (> 30 mg/24 Stunden oder Albumin/Kreatinin-Ratio im Spontanharn von > 30 mg/g)

– Gefäße Gefäßsteifigkeit

+ Pulsdruck (Brachialarterie) > 60 mmHg+ Aortale oder Karotis-Femoralis-Pulswellengeschwindig-

keit > 10 m/Sek. Karotisplaques Karotis-Intima-media-Dicke > 0,9 mm Knöchel-Arm-Index < 0,9

– Augenhintergrund Geringe Veränderungen unspezifisch; ausgeprägte Retino-

pathie bei schwerer HypertonieFolge- und Begleiterkrankungen

– Herzerkrankungen (Koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz)– Zerebrovaskuläre Erkrankungen (ischämischer oder hämor-

rhagischer Insult, TIA)– Arterielle Verschlusskrankheit– Fortgeschrittene Retinopathie (Blutungen, Exsudate, Ödem)– Diabetes mellitus– Nierenerkrankungen

J HYPERTON 2013; 17 (3)

Arterielle Hypertonie 2013: Empfehlungen der ÖGH

101

adäquate Behandlung verhindert werden könnten. Damit istdie arterielle Hypertonie für 13,5 % von vorzeitigen Todes-fällen und 6 % von Erwerbsunfähigkeit verantwortlich.

Epidemiologische Studien beschreiben, dass ca. ¼ der er-wachsenen Bevölkerung weltweit hyperton ist mit einer gro-ßen Streuung von 20–50 %. Durch Lebensstilmodifikationund verbesserte Behandlung ist ein Absinken des mittlerensystolischen Blutdrucks in der erwachsenen Bevölkerung inNordamerika und im westlichen Europa über die vergange-nen Jahrzehnte zu vermerken. Parallel dazu wird in diesenRegionen auch eine Verminderung der Schlaganfallmortalitätbeobachtet.

In der österreichischen Bevölkerung zeigte sich in wiederhol-ten Umfragen in den vergangenen 3 Jahrzehnten ein zuneh-mendes Bewusstsein für die Gefahren und Risiken der Hyper-tonie, aber keine Änderung beim Wissen über den eigenenBlutdruck. Weiterhin besteht eine Fehleinschätzung bezüg-lich der Symptome der Hypertonie. 61 % glauben, einen Blut-hochdruck sofort oder nach einiger Zeit auch ohne Blutdruck-messung selbst zu erkennen.

Die Dunkelziffer an nicht diagnostizierten Hypertonikern istvermutlich weiterhin hoch. Viele Patienten erreichen trotzBehandlung die Blutdruckziele nicht. Mögliche Gründe um-fassen mangelndes Bewusstsein, Compliance und Adhärenzsowie Probleme beim Zugang zum Gesundheitssystem, aberauch therapeutische Trägheit („therapeutic inertia“) des Be-handlers.

Therapieindikation/Therapieziele

Das kardiovaskuläre Risiko nimmt mit zunehmender Höhedes Blutdrucks zu. Epidemiologische Studien weisen daraufhin, dass ab Blutdruckwerten > 120/80 mmHg das Risiko fürdas Auftreten von kardiovaskulären Ereignissen loglinear an-steigt. Es ist derzeit nicht gesichert, dass eine medikamentöseTherapie bei hoch normalen Blutdruckwerten das kardiovas-kuläre Risiko reduziert. Allerdings sollte im Falle des Vorlie-gens von einem oder mehreren kardiovaskulären Risiko-faktoren bei Blutdruckwerten in diesem Bereich eine nicht-medikamentöse Therapie begonnen und konsequent beibe-halten sowie in regelmäßigen Abständen Blutdruckmessun-gen durchgeführt werden. Änderungen des Lebensstils sind inder Lage, den Blutdruck zu senken bzw. ein weiteres Anstei-gen zu verhindern oder zu verzögern.

Für die Indikationsstellung zur Einleitung einer medikamen-tösen Therapie spielt neben der absoluten Höhe des Blut-drucks auch das Ausmaß des kardiovaskulären Gesamtrisikoseine wesentliche Rolle. Dieses wird durch Risikofaktoren,subklinische Organschäden und Folge- bzw. Begleiterkran-kungen bestimmt (Tab. 4).

Prinzipiell ist eine medikamentöse Therapie ab einem Blut-druck > 140/90 mmHg indiziert (Tab. 5). Das primäre Anlie-gen ist eine maximale Reduktion der kardiovaskulärenMorbidität und Mortalität. Dies verlangt die Behandlung allerassoziierten kardiovaskulären Risikofaktoren und der kardia-len, vaskulären und renalen Begleiterkrankungen, wie auch

das adäquate Management des Blutdrucks per se. Aufgrundgesicherter Daten kann eine Blutdrucksenkung auf Werte< 140/90 mmHg für alle Patienten empfohlen werden, diedies tolerieren. Für bestimmte selektierte Risikopopulationen(siehe entsprechende Kapitel) können die Zielblutdruckwertedavon abweichen.

Nichtmedikamentöse Maßnahmen

Ab einem Blutdruck > 120/80 mmHg soll eine Lebensstil-analyse und -beratung erfolgen. Die in Tabelle 6 angeführtenMaßnahmen können den Blutdruck möglicherweise positivbeeinflussen. Teilweise werden auch andere kardiovaskuläreRisikofaktoren (Insulinresistenz, Dyslipidämie usw.) positivbeeinflusst. Im günstigsten Fall kann ein erhöhter Blutdruckwieder in den Normalbereich zurückgeführt und eine anfangs

Tabelle 5: Therapieindikation (für spezielle Folge- bzw. Be-gleiterkrankungen siehe auch entsprechende Kapitel). DasTherapieziel bei hypertonen Patienten ist im Allgemeinenfür Arztmessungen < 140/90 mmHg, für 24-h-Messungen< 130/80 mmHg, für Selbstmessung < 135/85 mmHg.Lebensstiländerungen sind für alle Patienten, wenn erfor-derlich, unabhängig von einer medikamentösen Therapiezu empfehlen. Eine medikamentöse Therapie ist ab einemBlutdruck von > 140/90 mmHg indiziert.

Blutdruck hoch normal (130–139/85–89 mmHg)

– Keine anderen RF: keine medikamentöse Blutdruckintervention– 1–2 weitere RF: Blutdruckmonitoring (häufig); keine medika-

mentöse Blutdruckintervention– > 3 RF oder Diabetes oder chronische Niereninsuffizienz

Stadium 3 oder Zielorganschäden: keine medikamentöseBlutdruckintervention

– Kardiovaskuläre/renale Begleiterkrankungen: keine medika-mentöse Blutdruckintervention

Hypertonie Grad 1 (140–159/90–99 mmHg)

– Keine anderen RF: MED nach Verlaufskontrolle (innerhalb vonMonaten)

– 1–2 weitere RF: MED nach kurzer Verlaufskontrolle (Wochen)– > 3 RF: MED nach kurzer Verlaufskontrolle (Wochen)– Diabetes oder CKD-Stadium G3 oder subklinische Organschä-

den: MED (unmittelbar)– Kardiovaskuläre/renale Begleiterkrankungen (CKD-Stadium

≥ G4): MED (unmittelbar)Hypertonie Grad 2 (160–179/100–109 mmHg)

– Keine anderen RF: MED nach Verlaufskontrolle (innerhalb vonWochen)

– 1–2 weitere RF: MED nach sehr kurzer Verlaufskontrolle– > 3 RF oder Diabetes oder CKD-Stadium G3 oder subklinische

Organschäden: MED (unmittelbar)– Kardiovaskuläre/renale Begleiterkrankungen (CKD-Stadium

≥ G4): MED (unmittelbar)Hypertonie Grad 3 (> 180/110 mmHg)

– Keine anderen RF: MED (unmittelbar)– 1–2 RF: MED (unmittelbar)– 3 RF oder Diabetes oder CKD-Stadium G3 oder Zielorganschä-

den: MED (unmittelbar)– Kardiovaskuläre/renale Begleiterkrankungen CKD-Stadium

≥ G4): MED (unmittelbar)

RF: Risikofaktoren; MED: medikamentöse Therapie; CKD-StadiumG3: moderat verminderte GFR 30–59 ml/Min./1,73 m2; CKD-Sta-dium G4: stark verminderte GFR 15–29 ml/Min./1,73 m2

Der Hinweis auf Verlaufskontrollen bezieht sich auf die Arztmes-sung. Wenn das Vorliegen eines Bluthochdrucks durch ABDM oderSelbstmessungen gesichert ist, kann bei gegebener Blutdruckhöheund entsprechenden Begleitfaktoren eine Therapie eingeleitet wer-den.

102 J HYPERTON 2013; 17 (3)

Arterielle Hypertonie 2013: Empfehlungen der ÖGH

erforderliche medikamentöse Therapie ausgesetzt werden.Da es nur spärliche Daten dafür gibt, dass allein durchLebensstilmaßnahmen die kardiovaskuläre Ereignisrate beiHypertonikern gesenkt werden kann, bzw. weil Maßnahmenwie NaCl- und Gewichtsreduktion kontroversiell diskutiertwerden, darf der Beginn einer indizierten medikamentösenTherapie nicht verzögert werden.

Medikamentöse Therapie

Der Nutzen einer antihypertensiven Therapie liegt vor allemin der Blutdruckreduktion per se, deshalb sind prinzipiell alleblutdrucksenkenden Substanzen für die Therapie geeignet.Jede pharmakologische Therapie sollte darauf abzielen, durchErreichen der Zielblutdruckwerte die Morbidität und Mortali-tät der Patienten maximal zu reduzieren. Prinzipiell soll aufeine lange Wirkdauer der eingesetzten Medikamente geachtetwerden, um eine kontinuierliche und durchgehende Blut-drucksenkung zu erreichen.

Die Entscheidung, ob bei Therapieeinleitung mit einer Mono-oder einer Kombinationstherapie begonnen wird, muss indi-viduell erfolgen und hängt von der Höhe des Ausgangsblut-drucks sowie vom gesamtkardiovaskulären Risiko ab. Bei ho-hen Blutdruckwerten bzw. bei hohem kardiovaskulärem Risi-ko sollte mit einer Kombinationstherapie begonnen werden.

Als Substanzen der ersten Wahl bei unkompliziertem Blut-hochdruck gelten Thiazide bzw. thiazidähnliche Diuretikaniedrig dosiert, Kalziumantagonisten, ACE-Hemmer undAngiotensin-Rezeptorblocker (ARB). Betablocker der neue-

ren Generation zeigen im Vergleich zu denen der früherenGeneration deutlich bessere Begleiteigenschaften (Metabo-lik, zentraler Blutdruck), es gibt aber keine klinischen End-punktstudien mit Hypertonikern, wie dies bei den Medika-menten der ersten Wahl der Fall ist. Alphablocker, zentralwirksame Sympathikolytika und Reninhemmer werden beispeziellen Indikationen oder als Komponenten einer Kombi-nationstherapie verwendet. Vasodilatatoren wie Dihydralazinoder Minoxidil werden bei therapieresistenter Hypertonieausschließlich in Kombinationen und bei gleichzeitiger Gabevon Diuretika und Betablockern eingesetzt. Die zusätzlicheGabe eines niedrig dosierten Aldosteronantagonisten kannzu einer Verbesserung der Blutdruckeinstellung beitragen.Schleifendiuretika haben bei der Therapie der unkomplizier-ten Hypertonie keinen Stellenwert; sie spielen erst dann eineRolle, wenn zusätzlich eine Herz- oder Niereninsuffizienz mitHypervolämie vorliegt sowie in Kombination mit starkenDilatatoren (insbesondere Minoxidil).

Prinzipiell sollten alle Substanzen – gegebenenfalls nacheiner Titrationsphase – zumindest in der Standarddosis an-gepasst an den Einzelpatienten verordnet werden. Eine wei-tere Dosissteigerung ist meist nur mit einem geringenBlutdruckeffekt, aber oft mit einer Zunahme von Neben-wirkungen verbunden. Demgegenüber ist die Kombinationzweier Antihypertensiva üblicherweise mit einem additivenund deshalb stärkeren blutdrucksenkenden Effekt verbun-den (meist viel stärker als bei Verdoppelung der Dosis einerMonosubstanz). Manchmal kann auch eine hohe Dosierungerforderlich sein, um eine ausreichende Wirkung z. B. über24 Stunden zu gewährleisten. Letztendlich müssen in vielenFällen mehrere Medikamente verabreicht werden, um dieZielblutdruckwerte zu erreichen. Die Anpassung der Ein-nahmezeitpunkte z. B. früh und abends oder auch öfterskann ebenso zu einer Verbesserung der Blutdruckkontrolleüber 24 Stunden beitragen. Grundsätzlich können alle Subs-tanzen kombiniert werden, vorausgesetzt man wählt dafürMedikamente aus verschiedenen Wirkstoffklassen (Abb. 1).Die Kombination unterschiedlicher Hemmer des RAS-Sys-tems (ACE-Hemmer, ARB, Reninhemmer) wird aufgrundder Ergebnisse mehrerer kontrollierter Studien nicht emp-fohlen bzw. wird sie als Kontraindikation betrachtet. DieWahl der Kombinationen sollte individuell an den Patientenangepasst erfolgen und zusätzlich bestehende Erkrankungenoder Zustände berücksichtigen (Übergewicht, Diabetesmellitus, koronare Herzkrankheit, Linksherzinsuffizienz,Nierenerkrankungen, zerebrovaskuläre Erkrankungen, hö-heres Alter, Schwangerschaft etc.). Die Patienten müssenauf die möglichen Nebenwirkungen der Medikamente, aberauch der Blutdrucksenkung per se wie z. B. Müdigkeit,Schwächegefühl und Schwindel, die meist rasch vorüberge-hen, hingewiesen werden. Die Gabe von Kombinations-präparaten (mehrere Wirkstoffe in einer Tablette) kann eineVerbesserung der Einnahmetreue durch den Patienten unter-stützen, wobei langwirksamen Medikamenten der Vorzug zugeben ist. Hat man den Zielblutdruck erreicht und diesenüber längere Zeit (einige Monate bis Jahre) aufrecht erhal-ten, kann versucht werden, unter engmaschiger Kontrolledie Therapie zu adaptieren und eventuell die Dosis langsamzu reduzieren bzw. einzelne Komponenten der Kombina-tionstherapie wegzulassen.

Tabelle 6: Nichtmedikamentöse Maßnahmen zur Behand-lung der arteriellen Hypertonie

– Gewichtsreduktion (Diät + Bewegungstherapie) bei Über-gewichtigen: –5 kg Körpergewicht –4,4/–3,6 mmHg

– Reduktion der Kochsalzzufuhr auf 5–6 g NaCl/Tag –5/–3 mmHg.Regelmäßige Ausdauerbelastung mit mindestens mittlerer Be-lastungsintensität von ≥ 30 Minuten/Tag an ≥ 5 Tagen der Wo-che –7/–5 mmHg, oder weniger häufig und ergänzt mit Wider-standstraining

– Dynamisches Widerstandstraining 2–3×/Woche: –3 mmHgsystolisch

– Kost mit geringem Fettanteil und wenig gesättigten Fetten,reich an Gemüse, Obst, fettarmen Milchprodukten, Fisch–11/–5,5 mmHg bei Hypertonikern, –3/–1 mmHg bei Normo-tensiven

– Reduktion eines erhöhten Alkoholkonsums auf < 30 g/Tag beiMännern und < 20 g/Tag bei Frauen –2 bis –4/–1 bis –2 mmHg

– Nikotinabstinenz senkt zwar den Blutdruck nicht, jedoch daskardiovaskuläre Risiko insgesamt

– Weitere, mäßig gut belegte bzw. umstrittene alternative Maß-nahmen, die jeweils den systolischen Blutdruck um einige mmHgsenken können: transzendentale Meditation, Biofeedback, appa-rativ unterstützte Respirationsverlangsamung

– Keine Empfehlung wegen derzeit unzureichender oder negati-ver Datenlage: andere Relaxationstechniken, Yoga und Aku-punktur, Supplementierung von Magnesium, Kalzium undKalium (außer bei nachgewiesenen Mangelzuständen)

Die gelisteten Methoden und ihre Auswirkung auf den Blutdruckbeziehen sich auf Metaanalysen und die dort ermittelten Durch-schnittswerte bei Personen mit leicht bis mäßig erhöhtem Blutdruck(sofern nichts anderes angegeben). Im Einzelfall können die erreich-ten Blutdruckänderungen erheblich von den Angaben abweichen.

J HYPERTON 2013; 17 (3)

Arterielle Hypertonie 2013: Empfehlungen der ÖGH

103

Therapieresistente Hypertonie

Wenn die Blutdruckzielwerte trotz Lebensstilmaßnahmenund einer antihypertensiven Kombinationstherapie aus min-destens 3 verschiedenen Medikamentenklassen, die optimaldosiert ist und ein Diuretikum umfassen sollte, nicht erreichtwerden, spricht man von Therapieresistenz. Diese ist mit ei-nem hohen Risiko für kardiovaskuläre und renale Ereignisseverbunden. Nach Ausschluss einer Pseudoresistenz (z. B. feh-lerhafte Blutdruckmessung, mangelnde Compliance) und ei-nes Praxishochdrucks sollten eine sekundäre Hypertonieformausgeschlossen und das Behandlungsregime sowie die Begleit-medikation überprüft werden (Tab. 7).

Zusätzlich zu den Medikamenten der ersten Wahl kann dieKombination mit Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten(Aldosteron, Eplerenon) sowie Alphablockern (z. B. Doxazo-sin) eine deutliche Blutdrucksenkung bewirken. Bei echterTherapieresistenz, nach Ausschluss der in Tabelle 7 angeführ-ten Punkte, stehen heute neben der medikamentösen Behand-lung interventionelle Möglichkeiten (renale Sympathikus-denervierung, Baroreflexstimulation) zur Verfügung.

Patienten-Compliance

Die Patienten-Compliance bzw. Adhärenz zu den ärztlichenEmpfehlungen stellt einen wesentlichen Erfolgsparameter inder Therapie der Hypertonie dar. Compliance setzt sich imWesentlichen aus patientenabhängigen, krankheitsbedingten,therapiebedingten und sozioökonomischen Faktoren zusam-men. Die Förderung der Compliance kann unter anderemdurch eine umfassende Information im Rahmen einer struktu-rierten Schulung des Patienten erreicht werden. Diese kannsowohl als Einzel- als auch als Gruppenschulung durch denArzt oder ein interdisziplinäres Team durchgeführt werden. Indie Schulung des Patienten sollen folgende Punkte einfließen:1. Leitliniengerechte Blutdruckselbstmessung und Zielwerte2. Salz- und fettarme Ernährung anhand von Beispielen

Tabelle 7: Diagnostischer Algorithmus bei Verdacht auftherapieresistente Hypertonie.

Ausschluss von:

– Pseudoresistenz

Inadäquate Messtechnik (Manschettenbreite und -länge,fehlende Ruhephase vor Messung etc.)

Inadäquates (nicht validiertes) Messgerät Mangelnde Compliance/Adhärenz

– Praxishochdruck (24-Stunden-Blutdruckmonitoring)

– Inadäquates Therapieregime

– Ungünstige Lebensstilfaktoren

Adipositas Vermehrter Kochsalzkonsum Vermehrter Alkoholkonsum

– Ungünstige Komedikation

Nichtsteroidale Antirheumatika, Kortikosteroide, Sympathi-komimetika (Schnupfenmittel), Stimulanzien (Kokain, Am-phetamin etc.), Migränemittel (Triptane, Ergotamin-Derivate),orale Kontrazeptiva, Cyclosporin, Erythropoetin, pflanzli-che Mittel, Lakritzenexzess

– Sekundäre Hypertonie bzw. häufige Begleiterkrankungen

Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom Renoparenchymatöse Hypertonie Renovaskuläre Hypertonie Primärer Hyperaldosteronismus Phäochromozytom M. Cushing Koarktation der Aorta Hyperthyreose

Abbildung 1: Antihypertensive Kombinationsthe-rapie. Grüne Linien: bevorzugte Kombinationen;grün unterbrochene Linie: mit Einschränkungennützliche Kombination; schwarz unterbrocheneLinien: mögliche, aber weniger gut untersuchteKombinationen; rote Linie: nicht empfohlene Kom-bination. Die Kombinationsmöglichkeit von Beta-blockern mit Kalziumantagonisten bezieht sich nurauf solche vom Dihydropyridin-Typ.

Aus [Mancia G, Fagard R, Narkiewicz K, Redón J,Zanchetti A, Böhm M, Christiaens T, Cifkova R, DeBacker G, Dominiczak A, Galderisi M, Grobbee DE,Jaarsma T, Kirchhof P, Kjeldsen SE, Laurent S,Manolis AJ, Nilsson PM, Ruilope LM, SchmiederRE, Sirnes PA, Sleight P, Viigimaa M, Waeber B,Zannad F. 2013 ESH/ESC Guidelines for themanagement of arterial hypertension: The TaskForce for the management of arterial hypertensionof the European Society of Hypertension (ESH) andof the European Society of Cardiology (ESC). Jour-nal of Hypertension 2013; 31 (7): 1281–357] mitGenehmigung des Verlags.

3. Individuelle Möglichkeiten einer Ausdauerbelastung4. Antihypertensive Therapie und ihre Nebenwirkungen5. Selbstmanagement der hypertensiven Entgleisung

Das Verständnis des Patienten für seine Erkrankung und de-ren mögliche Folgen trägt nicht nur positiv zur Arzt-Patien-ten-Beziehung bei, sondern fördert auch die konsequenteUmsetzung von Lebensstilmodifikationen und die regelmäßi-ge Einnahme der antihypertensiven Therapie. Nur durchEinbindung des Patienten als aktiven und verantwortungsvol-

Abbildung siehe Printve

rsion

104 J HYPERTON 2013; 17 (3)

Arterielle Hypertonie 2013: Empfehlungen der ÖGH

len Partner im Therapiekonzept kann eine langfristige adä-quate Blutdruckeinstellung gelingen.

Publizierte Analysen der Effekte von strukturierten Schulungs-programmen zeigen signifikante Verbesserungen der kardio-vaskulären Risikoparameter sowie der Blutdruckwerte.

Spezialfälle

Kardiale ErkrankungenHypertonie erhöht die kardiovaskuläre Morbidität und Morta-lität von Patienten mit Herzerkrankungen. Eine medikamen-töse Blutdrucksenkung ist bei Patienten mit KHK, diastoli-scher Herzinsuffizienz oder mit Arrhythmien ab Blutdruck-werten > 140/90 mmHg angezeigt. Bei Patienten mit systo-lischer Herzinsuffizienz bzw. deutlich eingeschränkter links-ventrikulärer Auswurffraktion sind weitgehend unabhängigvom Blutdruck Betablocker (Carvedilol, Bisoprolol, Meto-prolol-Succinat oder Nebivolol) in langsam steigender Dosie-rung zusammen mit ACE-Hemmern (oder ARB), Diuretikaund Aldosteronantagonisten (letztere in niedriger Dosis) indi-ziert. Das Ziel ist vordergründig nicht die Blutdrucksenkung,sondern Beschwerden, Hämodynamik und Prognose durchHemmung der neurohumoralen Überaktivität zu bessern. Diegleichen Medikamente und langwirksame Kalziumantagonis-ten sind bei Patienten mit chronischer KHK mit oder ohneAngina pectoris und bei Patienten mit diastolischer Herzin-suffizienz indiziert. Alphablocker sollen zur Vermeidung ei-ner inzidenten Herzinsuffizienz nur additiv zu ACE-Hemm-ern bzw. ARB verordnet werden. Im Anschluss an einen aku-ten Herzinfarkt sind Betablocker und ACE-Hemmer Mittelder ersten Wahl.

Bei KHK-Patienten besteht in Observationsstudien eine J-för-mige Beziehung in der Relation von systolischem und dia-stolischem Druck zu Morbidität und Mortalität. Tiefe diasto-lische Werte sind Ausdruck einer erhöhten Gefäßsteifigkeit,vermutlich mit einer geringeren Koronarperfusion assoziiertund stellen besonders für nichtrevaskularisierte Patienten einRisiko dar. Das Therapieziel ist auch bei der KHK ein systo-lischer Blutdruck < 140 mmHg. Dabei sollte der diastolischeBlutdruck nicht < 70 mmHg gesenkt werden, was meist mög-lich ist, da Antihypertensiva den systolischen BD deutlichmehr als den diastolischen BD senken. Linksherzhypertro-phie ist eine wesentliche Zielorganschädigung, die selbst beiasymptomatischen Hypertonikern mit schlechter Prognoseeinhergeht. Wegen der stärkeren Rückbildung der Linksherz-hypertrophie werden ARB, ACE-Hemmer oder Kalzium-antagonisten als Erstmedikation bevorzugt, reichen aber sel-ten aus für eine ausreichende Blutdruckkontrolle.

Bei Patienten mit tachykardem Vorhofflimmern sind primärBetablocker und in zweiter Linie Kalziumantagonisten vomNichtdihydropyridintyp indiziert. Da der Bluthochdruck diehäufigste Komorbidität bei Vorhofflimmern und vermutlichauch eine reversible Ursache dieser Rhythmusstörung dar-stellt, ist eine antihypertensive Behandlung zur primären Ver-hinderung von Vorhofflimmern sinnvoll, wobei bei allerdingsinkonsistenter Datenlage der Einsatz von ARB oder ACE-Hemmern bei Patienten mit hypertonieassoziierter Linksherz-hypertrophie vorteilhaft sein dürfte.

Arterielle ErkrankungenEine periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) gehtzumeist mit ausgedehnten atherosklerotischen Veränderun-gen in zahlreichen Strombahnen einschließlich extra- undintrazerebralen Gefäßen, Koronararterien und Aorta einherund wird durch Diabetes und Zigarettenrauchen massiv geför-dert. In asymptomatischen und frühen klinischen Stadienkommen alle üblichen Antihypertensiva infrage, bevorzugtwerden Hemmer des RAS und Kalziumantagonisten. Gene-rell sind Betablocker bei PAVK nicht kontraindiziert. Auspathophysiologischen Überlegungen sind Betablocker derersten Generation (Propranolol, Sotalol) zu vermeiden. Aufalle Fälle soll eine Blutdrucksenkung schrittweise untergenauer Kontrolle der Symptome (Kognition bei zerebralenDurchblutungsstörungen, Gehstrecke bzw. Schmerzen beiperipherer Verschlusskrankheit) erfolgen. Die Progressionvon Karotisstenosen kann durch Blutdrucksenkung verlang-samt werden, Kalziumantagonisten und ACE-Hemmer habensich als wirksamer als Diuretika und Atenolol erwiesen.

Bei Patienten mit chronischer Aortendissektion oder mitAortenaneurysma wird eine rigoros überwachte Blutdruck-senkung auf Zielwerte < 135/80 mmHg, bei akuter Aorten-dissektion auf < 100 mmHg systolisch mittels einer Betablo-cker- und RAS-Hemmer-basierten Therapie empfohlen.

Zerebrovaskuläre ErkrankungenBluthochdruck ist der wichtigste beeinflussbare Risikofaktorfür zerebrovaskuläre Ereignisse. Zwischen systolischem unddiastolischem Blutdruck und dem Auftreten zerebrovaskulä-rer Ereignisse besteht altersunabhängig eine positive, konti-nuierliche loglineare Beziehung, die im systolischen Bereichbei 110 (115) mmHg, im diastolischen bei 70 (75) mmHg be-ginnt und bis in hohe RR-Bereiche nachweisbar ist.

Die mittels ABDM erhobenen Blutdruckwerte – insbesonderedie nächtlichen – erwiesen sich im Vergleich zu den in derOrdination gemessenen als sensitivere Marker zerebrovasku-lärer Ereignisse.

Die effektivste Methode zur Primär- und Sekundärpräventiondes Schlaganfalls ist die Senkung eines erhöhten Blutdrucks.Dafür eignen sich alle Antihypertensivaklassen und -kombi-nationen, vorausgesetzt sie senken den Blutdruck möglichstin den jeweiligen Zielbereich. In einigen Studien und Meta-analysen gibt es Hinweise auf eine zerebroprotektive Wir-kung von Kalziumantagonisten und ARB.

Während der akuten Phase eines Insults zeigen ca. 75 % derBetroffenen deutlich erhöhte Blutdruckwerte, wobei nur beider Hälfte dieser Patienten eine Hypertonie anamnestisch er-hebbar ist. Meist sinken diese erhöhten Blutdruckwerte imLaufe einer Woche spontan wieder ab. Derzeit gibt es – unab-hängig von der Blutdruckhöhe – von hypertensiologischerSeite keine Empfehlung für eine medikamentöse RR-Sen-kung in der ersten Woche nach einem ischämischen Schlagan-fall, da ein diesbezüglicher Benefit in Studien nicht ausrei-chend belegt werden konnte. Bei sehr hohen Blutdruckwerten(> 220/110 mmHg) kann aber unter Berücksichtigung der in-dividuellen Situation eine maßvolle Blutdrucksenkung ange-zeigt sein, wenn nicht ohnehin andere Indikationen (Lungen-

J HYPERTON 2013; 17 (3)

Arterielle Hypertonie 2013: Empfehlungen der ÖGH

105

ödem, Koronarinsuffizienz oder Aortendissektion) eine un-mittelbare Blutdrucksenkung erfordern. Bei geplanter syste-mischer Thrombolyse muss der Druck < 185/110 mmHg ab-gesenkt werden. Liegt dem Schlaganfall eine intrazerebraleBlutung zugrunde, könnte eine rasche Blutdruckreduktionauf 140/90 mmHg nach den Ergebnissen einer großen rando-misierten Studie zu einem besseren funktionellen Outcomeführen. Die Studie INTERACT 2 (Blutdruckziel < 180 oder< 140 mmHg systolisch bei akuter intrazerebraler Blutung)zeigte jedoch keinen Unterschied im primären Endpunkt (Tododer schwere Behinderung), allerdings war die stärkere Blut-drucksenkung auch nicht nachteilig.

In der Sekundärprävention nach Schlaganfall oder TIA solltebereits ab einem systolischen RR von 140–159 mmHg eineantihypertensive Therapie mit einem Zielwert < 140 mmHginitiiert werden, bei älteren Patienten können diese Grenzenetwas höher angesetzt werden. Für den Benefit eines Thera-piebeginns bei hoch normalen RR-Werten bzw. einem RR-Ziel < 130 mmHg gibt es keine Evidenz.

Die Bedeutung des Bluthochdrucks für die Entstehung von„white matter lesions“ sowie sein prädiktiver Wert hinsichtlichder Entwicklung einer vaskulären Demenz gilt als gesichert.Ob jedoch eine medikamentöse Blutdrucksenkung die Ent-wicklung von „white matter lesions“ und das damit verbundeneSchlaganfall- und Demenzrisiko verhindern oder zumindestreduzieren kann, muss erst durch Studien belegt werden.

Diabetes mellitusPatienten mit Diabetes mellitus haben 2–3× häufiger eineHypertonie als Patienten ohne Diabetes, Hypertoniker wiede-rum haben ein 2,2-fach erhöhtes Risiko, innerhalb von 5 Jah-ren einen Diabetes zu entwickeln. Häufig findet sich bei Dia-betikern eine isolierte systolische Hypertonie. Das oft beob-achtete Fehlen der physiologischen Nachtabsenkung („non-dipping“) geht häufig mit einer erhöhter Albuminausschei-dung bzw. Linksventrikelhypertrophie einher.

Die Blutdrucksenkung ist eine der wichtigsten Maßnahmen,um die hohe kardiovaskuläre Morbidität und Mortalitätbei Patienten mit Diabetes mellitus zu senken. Obwohl dieLebensstilmodifikation ein wesentlicher Teil des Therapie-konzepts bei Patienten mit Diabetes mellitus ist, sollte beiÜberschreiten des Zielblutdrucks sofort mit einer medika-mentösen antihypertensiven Therapie begonnen werden. DieZielwerte für die Blutdrucksenkung betragen in jedem Fall< 140/90 mmHg. Bei Patienten mit Albuminurie (> 30 mg/g)werden in internationalen Guidelines (ESH, KDIGO) niedri-gere Zielwerte (< 130/< 80 mmHg) empfohlen, auch wennder Evidenzgrad hierfür aufgrund der kontroversen bzw. limi-tierten Studienlage deutlich schlechter ist. Neben der renalenSituation muss auch die Gesamtsituation des Einzelpatienten(z. B. KHK) für den individuellen Zielwert berücksichtigtwerden. Sehr niedrige Blutdruckwerte (< 120 mmHg systo-lisch) sollten insbesondere bei Patienten mit koronarer Herz-erkrankung oder mit peripherer arterieller Verschlusskrank-heit vermieden werden.

Bei Patienten ohne Folge- oder Begleiterkrankungen wirddurch alle Antihypertensiva der ersten Wahl eine vergleich-

bare Blutdruckreduktion und Senkung des kardiovaskulärenRisikos erreicht. Der Großteil der Patienten mit Diabetes undHypertonie benötigt eine antihypertensive Kombinations-therapie, um den Zielblutdruck zu erreichen. Es sollen ACE-Inhibitoren oder ARBs in der Erstlinientherapie eingesetztwerden, auch wegen ihres günstigen Einflusses auf Proteinu-rie und Albuminurie. Unter einer Betablocker- (gilt nicht fürCarvedilol und Nebivolol) und Diuretikatherapie kann sichdie Stoffwechsellage verschlechtern. Trotzdem sind Betablo-cker bei Patienten mit kardialen Komorbiditäten (koronarerHerzkrankheit, Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern) indiziert.Bei Patienten mit diabetischer Nephropathie sind Substanzen,die die Aktivität des Renin-Angiotensin-Systems reduzieren(ACE-Hemmer, ARB), zu bevorzugen. Eine Kombination un-terschiedlicher Hemmer des RAS ist bei Diabetikern kontra-indiziert.

Metabolisches SyndromErhöhte Blutdruckwerte sind zusammen mit viszeraler Adi-positas, Dyslipidämie und Insulinresistenz Komponenten desMetabolischen Syndroms. Da es sich vielfach um einen prä-diabetischen Zustand handelt, sollen Betablocker und Diure-tika bzw. deren Kombination wegen möglicher Verschlechte-rung der Insulinsensitivität und Auslösung eines klinischmanifesten Diabetes vermieden werden. Die primäre Gabeeines RAS-Hemmers wird empfohlen, falls erforderlich er-gänzt durch einen Kalziumantagonisten.

NierenerkrankungenEine Hypertonie kann Ursache, aber auch Folge einer Nieren-erkrankung sein. Sie trägt zur Progression renaler Erkrankun-gen bei und beeinflusst das beträchtliche kardiovaskuläreRisiko renaler Patienten ungünstig.

Der Zielblutdruck (es wurden allerdings nur wenige randomi-sierte Studien durchgeführt, die den Zielblutdruck bei Nieren-patienten untersuchen) liegt bei diabetischen und nicht-diabetischen Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktionund/oder einer Albuminurie < 30 mg/24 Stunden oder einerAlbumin/Kreatinin-Ratio im Spontanharn von < 30 mg/g bei< 140/90 mmHg. Bei Patienten mit Albuminurie > 30 mg/gwerden in internationalen Guidelines (ESH, KDIGO) niedri-gere Zielwerte (< 130/< 80 mmHg) bei allerdings schwäche-rem Evidenzgrad empfohlen. Die Gesamtsituation des Ein-zelpatienten (z. B. KHK) muss für die Festlegung des indivi-duellen Zielwerts berücksichtigt werden. Um die Zielblut-druckwerte zu erreichen, ist meist eine antihypertensiveMehrfachtherapie erforderlich. Besonders bei Patienten mitAlbuminurie oder Proteinurie sind ACE-Hemmer oder ARBMittel der ersten Wahl. In einer Studie hat sich die Kombina-tion eines ACE-Hemmers mit einem Kalziumantagonistenvorteilhaft gegenüber einer Kombination mit Thiazid erwie-sen. Bei Patienten mit diabetischer Nephropathie ist diegleichzeitige Gabe unterschiedlicher RAS-Hemmer kontra-indiziert. Der gemeinsame Einsatz dieser Substanzen sollteauch bei nichtdiabetischen Nierenerkrankungen vermiedenwerden.

Der nephroprotektive Effekt einer Blutdrucksenkung ist auchbei sehr weit fortgeschrittener Niereninsuffizienz nachgewie-sen. Vorteile einer Reduktion der Albuminurie/Proteinurie

106 J HYPERTON 2013; 17 (3)

Arterielle Hypertonie 2013: Empfehlungen der ÖGH

werden postuliert, wenn auch formal nicht nachgewiesen. Beihöheren Graden der Niereninsuffizienz kann es zu einerKumulation von Antihypertensiva und einer Zunahme vonNebenwirkungen einzelner antihypertensiver Medikamenteoder Medikamentenkombinationen (z. B. Hyperkaliämie,Verschlechterung der Nierenfunktion bei RAAS-Blocker)kommen. Eine begleitende Überwachung der Laborpara-meter (besonders der GFR) und des klinischen Zustands-bildes ist erforderlich. Ab CKD-Stadium G3 (GFR < 60 ml/Min.) sollten schon etwa 3–7 Tage nach Therapiebeginn mitRAS-Blockern Kalium und Kreatinin kontrolliert werden.Aldosteronantagonisten sollen bei fortgeschrittener Nieren-insuffizienz ab CKD-Stadium G4 (GFR < 30 ml/Min.) nichteingesetzt werden. Auf den Volumenstatus ist bei renalenPatienten besonderes Augenmerk zu legen (Blutdruckanstiegbei Hyperhydratation, Anstieg der Nierenparameter bei De-hydratation).

Geschlechtsspezifische FragenBei Frauen vor der Menopause ist der Blutdruck im Durch-schnitt niedriger als bei gleichaltrigen Männern, postmeno-pausal steigt jedoch der systolische Blutdruck oft deutlich an.Nutzen und Wirkung einer blutdrucksenkenden Therapie wieauch das Ansprechen auf unterschiedliche antihypertensiveSubstanzen sind prinzipiell bei beiden Geschlechtern sehrähnlich: Betablocker zeigen bei Frauen eine etwas geringereEffizienz, Thiaziddiuretika können bei Frauen die Rate vonSchenkelhalsfrakturen reduzieren. Einige Nebenwirkungenwie Hyponatriämie und Hypokaliämie bei Diuretikagebrauch,ACE-Hemmer-Husten, Ödeme und Flush bei Verwendungvon Kalziumantagonisten treten bei Frauen häufiger als beiMännern auf.

Frauen, bei denen der Eintritt einer Gravidität möglich ist,sollten nicht mit ACE-Hemmern, ARB und Renin-Inhibitorenbehandelt werden. Orale Kontrazeptiva der neueren Genera-tionen führen selten zu einem nach Absetzen rasch reversib-len Blutdruckanstieg. Risikofaktoren dafür sind u. a. eine be-stehende Hypertonie, positive Familienanamnese, Alter > 35Jahre, Nierenerkrankungen, vorbekannte Schwangerschafts-hypertonie und Adipositas.

Unter oraler Kontrazeption steigt das Schlaganfallrisiko. DerBlutdruck sollte bei Einnahme einer oralen Kontrazeption

überprüft werden, bei unkontrollierter Hypertonie sollte keineorale Kontrazeption durchgeführt werden.

Eine Hormonersatztherapie beeinflusst sehr selten einen be-stehenden Bluthochdruck.

Das Vorliegen einer erektilen Dysfunktion kann als unabhän-giger kardiovaskulärer Risikofaktor angesehen werden. ImVergleich zu den älteren Antihypertensiva haben neuereMedikamente (ARB, ACE-Hemmer, Kalziumantagonisten,vasodilatierende Betablocker) einen neutralen oder sogargünstigen Effekt auf eine erektile Dysfunktion. Phospho-diesterase-5-Inhibitoren können bei unkomplizierter Hyper-tonie und antihypertensiver Mehrfachtherapie (Ausnahmen:Nitrate und vermutlich Alphablocker) ohne Probleme einge-nommen werden und dürften die Adhärenz zur antihyper-tensiven Behandlung sogar verbessern.

Hypertensiver Notfall/Hypertensive EntgleisungAls hypertensiven Notfall bezeichnet man eine deutliche kri-tische Zunahme bzw. Erhöhung des Blutdrucks verbundenmit drohender oder progressiver Organschädigung (Tab. 8).Die absolute Höhe des Blutdrucks ist dabei weniger relevantals der relative Anstieg vom Ausgangswert. Daher ist es nichtsinnvoll, für den hypertensiven Notfall absolute Grenzwerteanzugeben, da je nach relativem Anstieg und Status des Pati-enten ein hypertensiver Notfall auch bei weniger hohenBlutdruckwerten auftreten kann. In der Regel findet man je-doch diastolische Blutdruckwerte > 100–120 mmHg undsystolische Werte > 180 mmHg.

Der hypertensive Notfall sollte unverzüglich stationär (Über-wachungsstation = „intermediate care unit“ [IMCU]) behan-delt werden. Die blutdruckspezifische Therapie hängt von derzugrunde liegenden Ursache ab (von allenfalls vorsichtigerBlutdrucksenkung beim ischämischen Insult bis zur raschenund aggressiven Blutdrucksenkung beim akuten Lungen-ödem und bei der Aortendissektion). In den meisten anderenFällen ist eine Senkung des arteriellen Mitteldrucks um 25 %des Ausgangswerts innerhalb von 30–60 (max. 120) Minutenmittels intravenöser Therapie anzustreben, für die folgenden6 Stunden gilt ein Blutdruckzielwert von 160/100 mmHg.

Mittel erster Wahl ist in den meisten Fällen Urapidil, aberauch Nitroglyzerin (insbesondere bei akutem Koronarsyn-drom und Lungenödem). Clonidin und Nitroprussid könnenin Einzelfällen indiziert sein. Bei persistierend hohen Blut-druckwerten kann eine kontinuierliche i.v.-Gabe von Nifedipinoder Nitroprussid-Natrium eingesetzt werden. Bei Aorten-dissektion wird die Gabe von Esmolol als Dauerinfusion emp-fohlen. Die sublinguale Applikation von Nifedipin ist wegender schlechten Steuerbarkeit und der Gefahr einer zerebralenoder kardialen Ischämie kontraindiziert.

Als hypertensive Entgleisung (oft auch Krise genannt) be-zeichnet man einen ausgeprägten Blutdruckanstieg ohneOrganschädigung. Somit wird eine hypertensive Entgleisungmeist im Rahmen des Arztbesuchs oder bei der Blutdruck-selbstmessung festgestellt. Bei der hypertensiven Entgleisungkommt der Beruhigung des Patienten eine wesentliche Rollezu. Die Behandlung erfolgt in Abhängigkeit von der Ursache

Tabelle 8: Mit einem hypertensiven Notfall assoziierte Er-krankungen

– Maligne Hypertonie/Papillenödem– Hypertensive Enzephalopathie– Ischämischer Insult– Intrakranielle Blutung– Akute Aortendissektion– Akute Linksherzinsuffizienz/Lungenödem– Akutes Koronarsyndrom– Niereninsuffizienz– Phäochromozytom– Medikamente (z. B. Cyclosporin A)– Andere Substanzen (z. B. Kokain)– Rebound nach abruptem Absetzen von Antihypertensiva

(Clonidin)– Eklampsie

J HYPERTON 2013; 17 (3)

Arterielle Hypertonie 2013: Empfehlungen der ÖGH

107

grundsätzlich mit oralen Antihypertensiva. Hat der Patientz. B. seine Medikation vergessen oder selbstständig abgesetzt,sollte die Therapie wieder gegeben und der Blutdruck engma-schig kontrolliert werden. Mögliche Auslöser wie neu verab-reichte Pharmaka (insbesondere nichtsteroidale Antirheuma-tika) sollten abgesetzt werden.

SchwangerschaftPhysiologischerweise fällt der Blutdruck im 2. Trimenon umca. 15 mmHg systolisch ab und erreicht im 3. Trimenonwieder die Ausgangswerte. Eine Hypertonie in der Schwan-gerschaft ist mit einer erhöhten mütterlichen und kindlichenMorbidität und Mortalität assoziiert. Eine enge Kooperationmit einer geburtshilflichen Spezialabteilung ist unabdingbar.

Tritt eine Hypertonie (> 140/90 mmHg) nach der 20. Schwan-gerschaftswoche erstmals auf, wird sie als Schwangerschafts-hypertonie, in Kombination mit einer Proteinurie (> 300 mg/Tag) als Präeklampsie bezeichnet. Im Gegensatz zur chroni-schen (d. h. auch bereits vor der Gravidität bestehenden) Hy-pertonie normalisiert sich der Blutdruck bei diesen Patientin-nen innerhalb von 6 Wochen nach der Geburt. Das Risiko,später eine Hypertonie zu entwickeln, ist jedoch erhöht. Dieeinzige kausale Therapie der Präeklampsie ist die Entbindung.Bei milder Hypertonie wird eine Lebensstilmodifikation (Ver-meidung körperlicher Belastung, Bettruhe in Linksseitenlage,keine Gewichtsreduktion, Alkohol- und Nikotinkarenz) unterengmaschiger Blutdrucküberwachung (z. B. auch Selbstmes-sung) empfohlen.

Ab Werten > 160/110 mmHg muss (meist unter stationärenBedingungen), ab > 150/95 mmHg soll bei persistierenderDruckerhöhung ebenso bei Werten > 140/90 mmHg beiPräeklampsie, Organschäden oder Beschwerden mit einermedikamentösen Therapie begonnen werden.

Empfohlen werden α-Methyldopa, Urapidil, Labetolol undKalziumantagonisten (nicht gemeinsam mit Magnesiumsul-fat). Nifedipin ist der einzige, in dieser Situation getesteteKalziumantagonist. In hypertensiven Notfallsituationen inder Schwangerschaft ist die i.v.-Gabe von Labetalol zu bevor-zugen (Alternativen stellen hier Natrium-Nitroprussid undNitroglycerin i.v. dar).

Betablocker können das fetale Wachstum hemmen (wenn siefrüh in der Schwangerschaft eingesetzt werden). Diuretikasollen bei bestehendem Volumenmangel wenn möglich ver-mieden werden, ACE-Hemmer, ARB und Reninhemmer sindkontraindiziert. Alle Antihypertensiva werden in die Mutter-milch abgegeben, vor allem Propranolol und Nifedipin inhoher Konzentration. Die NICE-Guidelines 2011 halten beispärlicher Datenlage in der postpartalen Stillphase Labetalol,Captopril und Enalapril für anwendbar.

Ältere und hochbetagte Patienten, isoliertesystolische Hypertonie (ISH)Die bei > 65-Jährigen vorherrschende ISH ist hauptsächlichFolge einer erhöhten Gefäßsteifigkeit. Bis etwa zum 80. Jahrprofitieren die Patienten von einer Blutdrucksenkung ähnlichwie jüngere, auch die Zielwerte sind die gleichen, sofern einsystolischer Blutdruck < 140 mmHg gut toleriert wird. Die

Wahl der Medikamente wird in erster Linie durch Komorbidi-täten bestimmt. Bei > 80-Jährigen in gutem Allgemeinzu-stand kann eine behutsame Senkung von mehrfach sorgfältiggemessenen systolischen Werten von > 160 mmHg auf etwa140–150 mmHg die kardio- und zerebrovaskuläre Morbiditätsowie die Gesamtsterblichkeit reduzieren. In dieser Alters-gruppe ist eine Blutdruckmessung auch im Stehen zum Er-kennen einer Orthostase zu empfehlen. Der systolische Blut-druck sollte dabei nicht in den hypotensiven Bereich absin-ken.

Für Menschen über dem 85. Lebensjahr sowie für gebrechli-che oder bettlägerige alte Patienten können wegen Fehlensvon Therapiestudien keine verbindlichen Empfehlungen ab-gegeben werden. Die Hypertonie beeinflusst in dieser Patien-ten- und Altersgruppe die Mortalität nicht signifikant; inepidemiologischen Längsschnittstudien zeigt eine medika-mentöse Blutdrucksenkung bei > 85-Jährigen keinen Über-lebensvorteil, jedoch – beschränkt auf fitte alte Menschen –eine Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse.

Hypertonie im Kindes- und JugendalterEine Hypertonie, die im Kindes- und Jugendalter auftritt,bleibt in der Regel auch im Erwachsenenalter bestehen. Esgibt zwar keine Daten, die eine direkte Kausalität zwischenkindlicher Hypertonie und späteren kardiovaskulären Ereig-nissen, wie Myokardinfarkt, zeigen, allerdings sind Markerwie Linksventrikelhypertrophie oder Intima-media-Dickedurchaus geeignet, diesen Zusammenhang herzustellen.

Es ist wichtig, den Blutdruck von Geburt bis in das Adoles-zentenalter als eine dynamische Größe zu betrachten undNormwerte heranzuziehen, die sich an Alter und Größe orien-tieren. Vor Kurzem wurden hierfür Blutdruck-Perzentilen vondeutschen nichtadipösen Kindern publiziert, welche mittelsoszillometrischer Methode erhoben wurden. Ab einem Altervon 3 Jahren sollten im Rahmen von medizinischen Routine-untersuchungen (z. B. Mutter-Kind-Pass) Blutdruckmessun-gen erfolgen.

Eine Hypertonie liegt dann vor, wenn der Blutdruck in 3 un-abhängigen Messungen über der 95. Perzentile liegt. NachFeststellung einer Hypertonie sollte eine weitere Abklärungund Suche nach Ursachen von einem dafür ausgebildetenArzt bzw. Zentrum angeschlossen werden. Diese Abklärungsollte auch eine 24-Stunden-Blutdruckmessung beinhalten,da auch von einer hohen Rate an Weißkittelhypertonie auszu-gehen ist und so unnötige weitere Diagnostik und Behandlun-gen verhindert werden können. Hauptursachen einer verifi-zierten kindlichen Hypertonie sind renale und vaskuläre Er-krankungen, bei Adoleszenten steigt aber der Anteil an pri-märer Hypertonie deutlich an.

Ziel einer Behandlung sollte, neben der Behandlung der Ursa-che, eine Senkung des Blutdrucks in den entsprechendenNormbereich sein, wobei teilweise auch die 50. Perzentile(Nierenerkrankungen mit Proteinurie) angestrebt wird. BeiBestehen einer sekundären oder symptomatischen Hyperto-nie und/oder Organschäden (z. B. Linksventrikelhypertro-phie) ist eine medikamentöse Therapie indiziert. In ersterLinie kommen hierfür ACE-Hemmer, ARB, Betablocker,

108 J HYPERTON 2013; 17 (3)

Arterielle Hypertonie 2013: Empfehlungen der ÖGH

Kalziumantagonisten und Kombinationen mit Diuretika zumEinsatz.

Addendum

In diesen Empfehlungen wurden auch wesentliche Überle-gungen aus den 2013 ESH/ESC Guidelines for the Manage-ment of Arterial Hypertension, den 2012 KDIGO ClinicalPractice Guideline for the Management of Blood Pressure inChronic Kidney Disease und den NICE Guidelines 2011 be-rücksichtigt.

Die Richtlinien-Gruppe der Österreichi-

schen Gesellschaft für Hypertensiologie

Klaus Arbeiter1, Johann Auer2, Heinz Drexel3, Bernd Eber4,Peter Fasching5, Peter Grüner6, Katharina Hohenstein7,Christian Koppelstätter8, Wilfried Lang9, Gert Mayer8, SabinePerl10, Max Pichler11, Heidemarie Pilz12, Anita Rieder13,Alexander R. Rosenkranz14, Guntram Schernthaner15, JörgSlany16, Thomas Stefenelli17, Sabine Steiner18, BrunoWatschinger7 (Koordinator), Thomas Weber4, René R. Wen-zel19, Robert Zweiker10

1Pädiatrische Nephrologie, Universitätsklinik für Kinder- undJugendheilkunde, Medizinische Universität Wien; 2Abteilungfür Innere Medizin, Krankenhaus Braunau; 3Abteilung für In-nere Medizin, Landeskrankenhaus Feldkirch; VIVIT-InstitutFeldkirch; 4Kardiologische Abteilung, Klinikum Wels-Gries-kirchen; 55. Medizinische Abteilung mit Endokrinologie,Rheumatologie und Akutgeriatrie, Wilhelminenspital, Wien;6Universitätsklinik für Innere Medizin II, Landeskrankenhausund Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Salzburg;7Klinische Abteilung für Nephrologie, Universitätsklinik fürInnere Medizin III, Medizinische Universität Wien; 8Univer-sitätklinik für Innere Medizin IV (Nephrologie und Hyper-tensiologie), Medizinische Universität Innsbruck; 9Abteilungfür Neurologie, Neurologische Rehabilitation und Akutgeria-trie, Barmherzige Brüder, Wien; 10Abteilung für Kardiologie,Universitätsklinik für Innere Medizin, Medizinische Univer-sität Graz; 11Facharzt für Innere Medizin/Kardiologie undIntensivmedizin, Salzburg; 12Fachärztin für Innere Medizin,Wien; 13Institut für Sozialmedizin, Zentrum für Public Health,Medizinische Universität Wien; 14Klinische Abteilung für Ne-phrologie, Universitätsklinik für Innere Medizin, Medizini-sche Universität Graz; 151. Medizinische Abteilung, Kranken-

haus Rudolfstiftung, Wien; 16Editor, Austrian Journal ofHypertension; 171. Medizinische Abteilung, Sozialmedizini-sches Zentrum Ost, Wien; 18Universitätsklinik für Innere Me-dizin II, Klinische Abteilung für Angiologie, MedizinischeUniversität Wien; 19Abteilung für Innere Medizin, Allgemei-nes öffentliches Krankenhaus Zell am See

Interessenkonflikt

BW: Honorare für Vorträge oder Advisory-Board-Teilnah-men von Sandoz, Takeda, Kwizda, MSD, Boehringer-Ingelheim, Daiichi-Sankyo, Merck, Novartis, Medtronic undMenarini.

TW: Honorare für Vorträge oder Advisory-Board-Teilnah-men von Novartis, Takeda, i.e.m., AstraZeneca, MSD,Medtronic, Servier, Daiichy Sankyo und Boehringer-Ingelheim.

JS: Honorare für Vorträge oder Advisory-Board-Teilnahmenvon Novartis, Takeda, Menarini, Kwizda, AstraZeneca, MSD,Servier und Daiichi Sankyo.

BE: Honorare für Vorträge oder Advisory-Board-Teilnahmenvon AstraZeneca, Daiichy Sankyo, MSD, Servier und Takeda.

MP: Honorare für Vorträge von Boehringer-Ingelheim, MSDund Takeda.

JA: Honorare für Vorträge oder Advisory-Board-Teilnahmenvon Takeda, Boehringer-Ingelheim, Daiichi-Sankyo, Medtronic,Menarini und AstraZeneca.

RZ: Research Grants: MSD, Austrian Research Center, GSK,Boso, IEM und Sanofi. Advisor/Consultant/Speaker: Takeda,MSD, Daiichi-Sankyo, AstraZeneca, Menarini, Boehringer-Ingelheim, medahead und Update Europe.

SP: Vortragshonorare von Takeda.

CK: Honorare für Vorträge oder Advisory-Board-Teilnahmenvon Medtronic, Novartis und Gebro.

RRW: Honorare für Vorträge und beratende Tätigkeiten vonAstraZeneca, Boehringer-Ingelheim, Menarini, MSD, Novartis,Fresenius und Takeda.

KH, GS, SS und KA verneinen einen Interessenkonflikt.