Klassiker der Weihnachtszeit

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A tavola! 5 / November 2011 Dolci e dessert Panetton e e Pandor o 26 PANETTONE UND PANDORO Klassiker der Weihnachtszeit Der traditionelle Dolce und seine typisch italienische Geschichte D er Panettone kann auf italienischen Tafeln zur Weihnachtszeit nicht feh- len. Traditionell wird er mit Rosinen und kandiertem Zitronat hergestellt, aber auch mit Cremen jeglicher Art (Panettone farcito oder Pandoro), hoch oder niedrig, mit Scho- koladenglasur oder Likör. Wie auch immer: Der Panettone ist und bleibt eines der Sym- bole des italienischen Weihnachtsfestes. Ursprung An seine zweifellos mailändischen Wurzeln sind zahlreiche Legenden gebun- den. Der Historiker Ludovico Antonio Mura- tori (1672-1750) führt das Entstehen dieser Süßspeise auf noch ältere Zeiten zurück und bringt sie mit einem Brauch heidnischen Ursprungs in Verbindung, der in der Lom- bardei bereits in den ersten Jahren des 3. Jahrhunderts verbreitet war: Vor dem aufge- tragenen Weihnachtsessen goss das Famili- enoberhaupt ein wenig Wein aus dem eige- nen Glas auf einen angezündeten Holzklotz, gemeinsam mit einem kleinen Bündel Wa- cholderzweigen und -beeren, woraufhin er das „große Brot“ - also den Panet- tone - zerbrach, nachdem er auf seiner Oberfläche ein Kreuz eingeschnitten hatte und ein wenig davon an alle Familien- mitglieder verteilte. Ein kleiner Teil dieses Brots wurde schließlich bis zum folgenden Weihnachtsfest aufbewahrt. Das für diesen Anlass mit besonderer Sorgfalt zubereitete Brot wurde so zum Symbol der Familie. Im Laufe der Zeit verbreitete sich der Brauch, dieses Weihnachtsbrot ausschließlich mit weißem Weizenmehl zuzubereiten, das die Einzigartigkeit und Besonderheit dieser Speise unterstrich. Daher wurde es „pan del ton“ (etwa „Luxusbrot“) genannt, woher sein heutiger Name „panettone“ stammt. Um diese antiken Rituale verstricken sich zahlreiche Legenden, von denen eine erzählt, dass der Name „panettone“ von der Bezeichnung „pane di Toni“ („Brot von Toni“) stammt, also vom Namen eines Kü- chengehilfen am Hof von Ludovico il Moro, der dieses Brot erfand. Dieser Legende nach verbrannte der Hofkoch das Dessert für ein Weihnachtsbankett: Die Situation wurde vom Küchenge- hilfen Toni gerettet, der ein Süßbrot aus Butter, kandierten Früchten und Teigresten zube- reitete. Dieses hatte einen derartigen Erfolg unter den Gästen, dass der Fürst nach ihrem Namen fragte und als Toni erklärte, dass er noch nicht darüber nachgedacht hatte, ent- schied sich der Fürst für „pan del Toni“. Eine andere Legende schreibt die Er- findung der Süßspeise der jungen Ughetta zu, einer Nonne in einem sehr armen Klos- ter: Um Weihnachten gemeinsam mit ihren Schwestern zu feiern, fügte Ughetta dem Brotteig ein wenig Zucker, Butter, kandierte Früchte und Rosinen (eigentlich „uvetta“, auf mailändisch „ughetta“) hinzu und schnitt mit dem Messer ein Kreuz auf der Oberflä- che ein, um die Speise zu segnen. Der Panettone heute Im 20. Jahrhundert beginnt der Export des Panettone - und damit sein weltweiter Erfolg, der auch heute noch andauert. Nun wird die hohe Form des Panettone zum Klas- Bilder: Bauli 3, At 2 AT_2011_06_v33.indd 26 16.10.2011 14:37:10

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26 A tavola! 5 / November 2011

Dolci

e des

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Panettone e Pandoro

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PANETTONE UND PANDORO

Klassiker der WeihnachtszeitDer traditionelle Dolce und seine typisch italienische Geschichte

Der Panettone kann auf italienischen Tafeln zur Weihnachtszeit nicht feh-len. Traditionell wird er mit Rosinen und kandiertem Zitronat hergestellt, aber auch mit Cremen jeglicher Art (Panettone farcito oder Pandoro), hoch oder niedrig, mit Scho-koladenglasur oder Likör. Wie auch immer: Der Panettone ist und bleibt eines der Sym-bole des italienischen Weihnachtsfestes.

Ursprung

An seine zweifellos mailändischen Wurzeln sind zahlreiche Legenden gebun-den. Der Historiker Ludovico Antonio Mura-tori (1672-1750) führt das Entstehen dieser Süßspeise auf noch ältere Zeiten zurück und bringt sie mit einem Brauch heidnischen Ursprungs in Verbindung, der in der Lom-bardei bereits in den ersten Jahren des 3. Jahrhunderts verbreitet war: Vor dem aufge-tragenen Weihnachtsessen goss das Famili-enoberhaupt ein wenig Wein aus dem eige-nen Glas auf einen angezündeten Holzklotz, gemeinsam mit einem kleinen Bündel Wa-cholderzweigen und -beeren, woraufhin er das „große Brot“ - also den Panet-tone - zerbrach, nachdem er auf

seiner Oberfläche ein Kreuz eingeschnitten hatte und ein wenig davon an alle Familien-mitglieder verteilte. Ein kleiner Teil dieses Brots wurde schließlich bis zum folgenden Weihnachtsfest aufbewahrt. Das für diesen Anlass mit besonderer Sorgfalt zubereitete Brot wurde so zum Symbol der Familie. Im Laufe der Zeit verbreitete sich der Brauch, dieses Weihnachtsbrot ausschließlich mit weißem Weizenmehl zuzubereiten, das die Einzigartigkeit und Besonderheit dieser Speise unterstrich. Daher wurde es „pan del ton“ (etwa „Luxusbrot“) genannt, woher sein heutiger Name „panettone“ stammt.

Um diese antiken Rituale verstricken sich zahlreiche Legenden, von denen eine erzählt, dass der Name „panettone“ von der Bezeichnung „pane di Toni“ („Brot von Toni“) stammt, also vom Namen eines Kü-chengehilfen am Hof von Ludovico il Moro, der dieses Brot erfand. Dieser Legende nach verbrannte der Hofkoch das Dessert für ein Weihnachtsbankett: Die Situation wurde

vom Küchenge-hi l fen

Toni gerettet, der ein Süßbrot aus Butter, kandierten Früchten und Teigresten zube-reitete. Dieses hatte einen derartigen Erfolg unter den Gästen, dass der Fürst nach ihrem Namen fragte und als Toni erklärte, dass er noch nicht darüber nachgedacht hatte, ent-schied sich der Fürst für „pan del Toni“.

Eine andere Legende schreibt die Er-findung der Süßspeise der jungen Ughetta zu, einer Nonne in einem sehr armen Klos-ter: Um Weihnachten gemeinsam mit ihren Schwestern zu feiern, fügte Ughetta dem Brotteig ein wenig Zucker, Butter, kandierte Früchte und Rosinen (eigentlich „uvetta“, auf mailändisch „ughetta“) hinzu und schnitt mit dem Messer ein Kreuz auf der Oberflä-che ein, um die Speise zu segnen.

Der Panettone heute

Im 20. Jahrhundert beginnt der Export des Panettone - und damit sein weltweiter Erfolg, der auch heute noch andauert. Nun wird die hohe Form des Panettone zum Klas-

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siker, der heute allseits bekannt ist, dank des Erfindungsgeistes von Angelo Motta, der die erste Panettoneform aus dünnem Papier herstellte und so den Teig vertikal aufgehen ließ. Gleiches gilt für den Pandoro, der sich vom runden Panettone durch seine Stern-form absetzt. Beim Pandoro wird gänzlich auf Kandiertes verzichtet, heute wird der luftig-lockere Teig gern im Nachhinein mit Schokoladen- oder Patisserie-Creme gefüllt und mit Puderzucker bestreut.

Zubereitung

Die Zubereitung des Panettone ist lang-wierig und wird auch heute noch, in einigen Backstuben, wie ein wahres Ritual durchge-führt: Der erste Schritt ist die Zubereitung der „Mutter“, der natürlichen Hefe, die mit ei-ner Mischung aus Wasser und Mehl herge-stellt wird und geraume Zeit an der Luft ruht (bis zu 36 Stunden).

Dem perfekten Gelingen der „Mut-ter“, deren Reifung sorgfältig vom Kondi-tor überwacht wird, sind die Konsistenz

des Teiges und seine Zartheit zu verdan-ken. Die „Mutter“ wird daraufhin ver-schiedenen „Auffrischungen“ unterzogen, d. h. Zusätzen von Wasser und Mehl, die die Wirkungskraft der Hefe verstärken und alle 4 Stunden durchgeführt wer-den. Folgend werden Zutaten des „ers-ten Teigs“ hinzugefügt - also Mehl, Eier, Zucker, Sahnebutter und Wasser. Den so erhaltenen Teig lässt man nochmals auf-gehen, bevor man ihm schließlich kan-dierte Früchte und Rosinen beifügt. Nun wird der Panettone in die Formen gege-ben, woraufhin man auf seiner Oberflä-che ein Kreuz einschneidet. Das Backen erfolgt in großen Öfen, dann kommt die Abkühlung - sie dauert etwa 12 Stunden, und dabei wird der Panettone umgekehrt aufgehängt. Damit wird verhindert, dass der extrem aufgegangene Teig aufgrund seines Eigengewichts zusammenfällt. Nachdem er wieder aufgestellt wurde, ruht der Panettone weitere 10 Stunden, dann ist er bereit zum Verzehr.

Den besten Geschmack und die ideale Konsistenz hat der Panettone bei Zimmer-temperatur - oder auch etwas mehr.

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