Klausur S 417 Strafrecht WS 2013/14 Friedrich Toepel.

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Klausur S 417 Strafrecht WS 2013/14 Friedrich Toepel

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Klausur S 417 StrafrechtWS 2013/14Friedrich Toepel

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• A.  Zu Frage 1: Strafbarkeit von S und T nach StGB?

• Strafbarkeit des S• 1.  Die erste Armbanduhr• a.  § 242 Abs. 1 StGB durch

Ansichnehmen der Uhr• aa. Fremde Sache?•

• Keine Dereliktion, • § 959 BGB: • keine Aufgabe des Besitzes in der Absicht,

auf das Eigentum zu verzichten, den Besitz der Sache aufgegeben haben müsste,

• Eigentümer des Toten ist der Erbe, § 1922 Abs. 1 BGB

• bb) Wegnahme:• Gewahrsamsbruch: -, keine Aufhebung eines

Gewahrsams des früheren Gewahrsamsinhabers durch S

• Die Uhr war im Zeitpunkt des Zugriffs des S gewahrsamslos.

• - keine von einem tatsächlichen Beherrschungswillen getragene Sachherrschaft über die Uhr

• - nach sozial-normativer Betrachtungsweise: Uhr eines Toten nicht zu der Herrschaftssphäre einer bestimmten Person zu zählen.

• Ergebnis: Diebstahl –

• b.  § 246 Abs. 1 StGB durch das Ansichnehmen der Uhr

• aa. Fremde bewegliche Sache: s. oben a aa. • bb. Zueignung:

H. M.:

• Zueignung = Manifestation der Zueignungsabsicht,

• Betätigung eines Zueignungswillens in objektiv erkennbarer Weise.

• Hier: durch das Ansichnehmen der Uhr hat S seinen Zueignungswillen (unzweideutig) manifestiert , also +.

) selbes Ergebnis durch die Zueignungsbasis bei § 246 StGB objektiv verstehenden Ansichten,

• Entfernen der Uhr von dem Gefechtsfeld / – Verbringen der Uhr zu eigener unbeschränkter

Verfügungsgewalt– in seine Gewahrsamssphäre/Einstecken der

Sachsubstanz = Aneignung • Entstehen der Gefahr des endgültigen

Sachverlustes

• Gegenteil vertretbar mit SK-Hoyer, § 246 Rn. 23 ff.:

– bereits eingetretener Enteignungserfolg hier –

• Wenn Zueignung +, übrige Merkmale des § 246 Abs. 1 StGB erfüllt.

• S ist insoweit dann strafbar.

• c.  § 259 Abs. 1 StGB• -, kein taugliches Tatobjekt • Uhr keine Sache, die i. S. v. § 259 Abs. 1

StGB „ein anderer gestohlen oder sonst durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete Tat erlangt hat“.

• d.  § 263 Abs. 1 StGB• Musterlösung: bei lebensnaher Würdigung der

Geschehenssituation keine (konkludente) Täuschung des S über seine Eigentümerstellung (und keinen diesbezüglichen Irrtum des Käufers)

• Gegenteil gut vertretbar,• Wenn Täuschung und entsprechender Irrtum +,

dann auch die übrigen Merkmale• (Vermögensschaden: kein gutgläubiger Erwerb

möglich! • Vielmehr § 935 BGB, da der Erbe, wenn auch nicht

Gewahrsam so doch Besitz hat, § 857 BGB!

• e.  § 246 Abs. 1 StGB durch den Verkauf und die Übergabe der Uhr

• Erneute Zueignung?• Problem: BGHSt 14, 38

• Rspr. verneint die Möglichkeit einer erneuten Zueignung einer einmal durch strafbare Handlung zugeeigneten Sache

• („Tatbestandslösung“)

• Literatur lässt die zweite Zueignung von der ersten als mitbestrafte Nachtat konsumieren

• („Konkurrenzlösung“)

• 2. Die Feldflasche des K• a.  § 267 Abs. 1 Var. 2 StGB• Verfälschen einer echten Urkunde gemäß

§ 267 Abs. 1 Var. 2 StGB, indem K das Heftpflaster von der Feldflasche des K entfernte?

• Urkunde?• mittels Heftpflaster und Fußballbildern

„individualisierte“ Feldflasche?• zusammengesetzte Urkunde =

• (1) räumlich fest mit einem Augenscheinsobjekt verbundene verkörperte Gedankenerklärung,

• (2) zum Beweis geeignet und bestimmt, • (3) die ihren Aussteller erkennbar werden

lässt.

• - Erklärungsfunktion • würde fehlen, wenn man verlangt, dass die

Gedankenerklärung in einem Schriftstückverkörpert sein muss.

• h. M. setzt jedoch keine Verkörperung in einem Schriftstück voraus

• aber Notwendigkeit, Abgrenzung zwischen Kennzeichen (= irrelevant) und Beweiszeichen (= Urkunde):

– Kennzeichen = wenn lediglich eine Kennzeichnung der Sache bezweckt ist

– Beweiszeichen = bezweckt, für eine bestimmte rechtliche Beziehung Beweis zu erbringen

Hier: mit Blick auf den „spielerischen“ Gesamtcharakter der Markierungen (Fußballbilder!) = lediglich der Kennzeichnung der Feldflasche des K dienend

Gegenteil vertretbar:Initialen = die zum Beweis geeignete und

bestimmte Gedankenerklärung des K, dies sei die allein ihm mit den einschlägigen rechtlichen Konsequenzen (Ersatz bei Verlust) zum dienstlichen Gebrauch überlassene Flasche.

Wenn Erklärungsfunktion und Beweisfunktion erfüllt, dann auch Garantiefunktion +:

(Initialen verweisen auf K als Aussteller)

• (zusammengesetzte) Urkunde?• Beweiszeichen mit seinem Bezugs objekt

hinreichend fest zu einer Beweismitteleinheit verbunden?

• Naheliegend Vergleich mit der Verbindung zwischen aufgeklebten Preisetiketten und der auf diese Weise ausgezeichneten Ware

• = zusammengesetzte Urkunden nach OLG Köln NJW 1979, 729 f.

• Gegenteil vertretbar

Strafbarkeit des S aber -, keine Urkunde hergestellt

• nach dem Entfernen des Heftpflasterstreifens lag kein Objekt mit Urkundsqualität mehr vor

• b.  § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB• aa. Wenn der mit Initialen versehene

Heftpflasterstreifen auf der Flasche = zusammengesetzte Urkunde:

• Entfernen des Streifens = Vernichten i. S. v. § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB

• = Zerstörung der Beweiseinheit

• bb. Vorsatz, Nachteilszufügungsabsicht + • (Dolus directus 2. Grades genügt für die

Nachteilszufügungsabsicht.).

• wegen Urkundenunterdrückung strafbar +, falls mit Heftpflasterstreifen versehene Flasche = zusammengesetzte Urkunde

• c.  § 242 Abs. 1 StGB bezüglich Feldflasche

•aa.  Objektiver Tatbestand

• Fremde Sache = im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland / K nur zum dienstlichen Gebrauch überlassen

• Weggenommen?• Aufhebung Mitgewahrsams von K oder des

Alleingewahrsams des K

– Soldaten der Bundeswehr hinsichtlich der ihnen für den Dienstbetrieb überlassenen Sachen Besitzdiener i. S. v. § 855 BGB (OLG München, NJW 1987, 1830)

– Aber bei am Leib getragenen Ausrüstungsgegenständen lebensfremd, Soldaten lediglich als Gewahrsamsgehilfen oder –hüter zu betrachten

– Argument, Kompaniechef habe Alleingewahrsam an der Flasche, daher Verneinung einer Wegnahme = bei gute Begründung noch vertretbar

(mit der Begründung, dass die Feldflasche durch S nicht aus dem (Beherrschungs-) Bereich der Kompanie bzw. des Kompaniechefs entfernt worden ist)

• bb.  Vorsatz +• cc.  Absicht rechtswidriger Zueignung• Enteignung -, da Rückgabewille:?• Von Anfang an beabsichtigt, durch die

Rückgabe der Feldflasche der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen des Verlustes der „eigenen“ Flasche zu entgehen

- nicht Willen, die Flasche ihrer Sachsubstanz nach entziehen

– Wille, den Sachwert auf Dauer zu entziehen? lässt vertretbar bejahen (vgl. OLG Frankfurt, NJW 1962, 1879; OLG Hamm, NJW 1964, 1427), wenn nicht das Entziehen eines (funktions-)spezifischen Sachwerts

• Schadensersatzansprüchen entgehen in der Sache verkörperter (funktionsspezifischer) Sachwert

• Daher nach h. M.: Diebstahl -

• 3.  Die (zweite) Armbanduhr• § 246 Abs. 1 StGB durch Verraten der

Lage der Uhr• Täterschaftliche Zueignung durch S?• Drittzueignungsabsicht hinreichend, daher im

Hinblick auf die Neufassung des Unterschlagungstatbestands (noch) vertretbar:

• Tipp = täterschaftliche vollendete Unterschlagung kraft Manifestation des Drittzueigungswillens zu sehen

• (Wille des S richtete sich auf eine Zueignung durch T, damit S sich so seiner Schulden entledigen konnte)

• Aber: bloßer Tipp eher Teilnahme des S an einer evtl. Unterschlagung

• Strafbarkeit des T• 1.  Die (zweite) Armbanduhr• § 246 Abs. 1 StGB • Ansichnehmen der Uhr = Unterschlagung,

nicht anders als im Fall des S (s.o. Strafbarkeit des S unter 1. a. und b.).

• 2.  Die Inaussichtstellung gefährlicheren Dienstes

• a.  § 253 Abs. 1, 2 StGB durch Andeutung, T könne auf die Idee kommen, die gefährlicheren Patrouillengänge für S zu „reservieren“.

• aa.  Nötigungsmittel: Drohung• Drohung darstellt, das Inaussichtstellen

eines empfindlichen Übels?• nicht lediglich Warnung,

• T stellt die Verwirklichung der Ankündigung mit Bezug auf seine Eigenschaft als Truppführer als in seiner Macht stehend hin

• Übel empfindlich?• Empfindlich ist ein Übel, wenn von dem

jeweiligen Drohungsadressaten in seiner Lage nicht erwartet werden kann, dass er der Drohung in besonnener Selbstbehauptung standhält.

• Hier: zu Aufgaben des S als Soldaten gehört, auch Befehle auszuführen, die erkennbar mit Risiken für ihn behaftet sind

• Aber hier: T stellt wiederholte willkürliche Auswahl des S in Aussicht.

• bb.  Vermögensverfügung im Dreipersonenverhältnis/Näheverhältnis zwischen Verfügendem und Geschädigtem

) Rspr.:• Keine Vermögensverfügung erforderlich• Aber besonderes Näheverhältnis in

Dreipersonenverhältnissen. • zwischen dem Drohungsadressaten und

dem Geschädigten

h. L. :• verlangt Vermögensverfügung• Frage, ob in der Information, T könne sich an

bestimmter Stelle die Uhr eines Toten holen, eine solche liegen kann

• Vertretbar: unentbehrlicher Mitwirkungsakt • Aber: unmittelbar vermögensschädigende

Wirkung des abgenötigten Verhaltens eher –• Vermögensnachteil für den Erbenbesitz

(§ 857 BGB)• S hatte nicht Schutz der

Vermögensinteressen des Dritten (der Erben) wahrzunehmen

• Das gegenteilige Ergebnis vertretbar:• wenn das bloße Wissen um den Lagerort der

wertvollen Uhr eine „faktische Sonderbeziehung“ des S zum Vermögen der erst durch den Zugriff des T zum unmittelbar geschädigten Eigentümer der Uhr begründet, dann Dreieckserpressung vertretbar

• Alle weiteren für die „Dreieckserpressung“ vertretenen Kriterien

• führen zur Ablehnung Tatbestands:• keine Befugnis des S zur Verfügung über

das Vermögen der Erben der Uhr

• keine Befugnis des S zur Verfügung über das Vermögen der Erben der Uhr

• keine Vermögensinhaber eine Zuständigkeit für die Nötigungssituation, so dass zwischen ihnen und S eine Art Risikogemeinschaft bestünde.

• ein normatives Näheverhältnis zwischen S und dem betroffenen Vermögen (nicht bereits durch zufälliges Wissen des S um den Lagerort der Uhr

• § 253 StGB nach diesen Ansichten -

• b.  § 240 Abs. 1, 2 StGB• +, durch Drohung • Verwerflichkeit i. S. v. Abs. 2 + (gezielte

willkürliche Beauftragung eines Untergebenen mit gefährlichen Aufträgen zum Zweck der Durchsetzung eines außerdienstlichen Interesses)

• besonders schwerer Fall nach § 240 Abs. 4 Nr. 3 StGB -, da Soldaten Amtsträger

• (iSd § 11 Abs. 4 Nr. 2 StGB)

• c.  § 241 Abs. 1 StGB -• nicht mit einem Verbrechen gedroht

• Strafbarkeit des S als Teilnehmer an der Unterschlagung des T, §§ 246 I, 26 StGB

• Wenn Tipp des S, T nicht täterschaftliche Unterschlagung auf der Grundlage eines Drittzueignungswillens:

• Dann Anstiftung

• aa. Objektiver Tatbestand: ) vorsätzliche, rw Haupttat ) Hervorrufen des Tatentschlusses: +• S hat durch den Tipp unmittelbar auffordernd

auf T eingewirkt

• Vertretbare Ablehnung der Anstiftung: • Nach Lehren von Jakobs und Puppes• eine Art „Unrechtspakt“ zwischen Anstifter

und Angestiftetem ist erforderlich

• bb. Subjektiver Tatbestand:• doppelter Anstiftervorsatz (bezogen auf

und ) + • Strafbarkeit gemäß §§ 246 Abs. 1, 26 StGB

+ • 3.  Ergebnis• S: §§ 246; (274); 246, 26; 53 StGB• T: §§ 253 (240); 246, 53 StGB

• B.  Zu Frage 2: Handlungsmöglichkeiten der Staatsanwaltschaft

• Grundsatz: Legalitätsprinzip,• Staatsanwaltschaft grundsätzlich verpflichtet,

bei Anhaltspunkten für eine Straftat zu ermitteln

• und bei hinreichendem Tatverdacht Anklage zu erheben

• (§§ 152 Abs. 2, 160, 170 Abs. 1 StPO)

• Hier:• Einstellung der Taten des S und des T nach

§ 153c Abs. 1 StPO• Ausübung von Ermessens hinsichtlich der

Einstellung von Auslandstaten• Entscheidender Ermessensgesichtspunkt im

vorliegenden Fall:• ob öffentliches Interesse an der Verfolgung der

fraglichen Taten besteht • in Bezug auf T zum Nachteil des S:• T hat seine dienstliche Stellung missbraucht. • Durch Erwägungen der Generalprävention kann

hier öffentliches Interesse bejaht werden

• Hinsichtlich des S als auch in Bezug auf T:

• Straftaten durch Bundeswehrangehörige im Auslandseinsatz sind geeignet, dem Ansehen einer staatlichen Institution erheblichen Schaden zuzufügen und so die Rechtstreue der Bevölkerung zu erschüttern.

• Einstellung der Taten des S näher liegend als eine solche seines Vorgesetzten.

• §§ 153, 153a StPO:• Durch S und T verwirklichte Delikte =

Vergehen, • kommt grundsätzlich auch die Einstellung

nach §§ 153, 153a StPO in Betracht;• möglicherweise Differenzierung:• Einstellung gegenüber S gegen K ohne, • weitere Taten des S und des T nur gegen

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