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Klimaschwankungen während des alpinen Postglazials im Spiegel fossiler Böden Von GERHARD FURRER, HEINRICH LEUZINGER und KLAUS AMMANN 1. Einleitung Bei geomorphologischen Untersuchungen in der Mattenstufe (alpiner Rasen) unserer Alpen sind seit Beginn der fünfzi g er Jahre in künstlich an gelegten Auf- schlüssen zahlreiche fossile Böden entdeckt worden. Vor gut zwanzig Jahren zogen mit dunkelgefärbten Humushorizonten wechsella g ernde Solifluktionsdecken unsere Aufmerksamkeit auf sich. Seither sind in den Alpen auch Beispiele von anderen Schuttmassen bekannt geworden, deren ve rt ikaler Aufbau durch eine Wechsellage- rung mit – meistens nur wenige Millimeter bis Zentimeter mächti gen – A-Horizonten fossiler Böden charakterisiert ist: Es sind dies Schutthalden (HARTMANN-BRENNER 1973) und Seitenmoränen (BEELER, MÜLLER, RÖTHLISBERGER, SCHNEEBELI; unver- öffentlicht). Derart aufgebaute Schuttmassen belegen, dass die holozäne Boden- bildung auf grossen Flächen, insbesondere in der Hochgebir g sstufe, mehrmals unter- brochen wurde. Eine klimamorphologische Deutung solcher Befunde lässt Rückschlüsse auf den Ablauf des alpinen Postglazials zu: Es scheint sich in der Wechsella gerung ein mehrmaliger Wechsel von Phasen verschiedener morphologischer Aktivität wider- zuspiegeln. Diese manifestieren sich bei g enügend langer Andauer eines bestimmten Klimas im Grenzsaum zwischen Frostschutt- und Mattenstufe, indem: — Klimaverbesserungen als Phasen relativer morphogenetischer Ruhe ein Auf- kommen der Ve g etation und damit verbundener Bodenbildung zulassen; —Klimaverschlechterungen als Zeiten höherer morphologischer Aktivität Steinschlag und Solifluktion fördern und sich ausserdem in Gletschervorstössen äussern. Diese Hypothese ist in den kommenden Jahren zu prüfen. Es g eht dabei haupt- sächlich um die fol genden Fragen:

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Klimaschwankungen während des alpinen Postglazialsim Spiegel fossiler Böden

Von

GERHARD FURRER, HEINRICH LEUZINGERund KLAUS AMMANN

1. Einleitung

Bei geomorphologischen Untersuchungen in der Mattenstufe (alpiner Rasen)unserer Alpen sind seit Beginn der fünfzi ger Jahre in künstlich an gelegten Auf-schlüssen zahlreiche fossile Böden entdeckt worden. Vor gut zwanzig Jahren zogenmit dunkelgefärbten Humushorizonten wechsella gernde Solifluktionsdecken unsereAufmerksamkeit auf sich. Seither sind in den Alpen auch Beispiele von anderenSchuttmassen bekannt geworden, deren ve rt ikaler Aufbau durch eine Wechsellage-rung mit – meistens nur wenige Millimeter bis Zentimeter mächti gen – A-Horizontenfossiler Böden charakterisiert ist: Es sind dies Schutthalden (HARTMANN-BRENNER

1973) und Seitenmoränen (BEELER, MÜLLER, RÖTHLISBERGER, SCHNEEBELI; unver-

öffentlicht). Derart aufgebaute Schuttmassen belegen, dass die holozäne Boden-bildung auf grossen Flächen, insbesondere in der Hochgebir gsstufe, mehrmals unter-brochen wurde.

Eine klimamorphologische Deutung solcher Befunde lässt Rückschlüsse auf denAblauf des alpinen Postglazials zu: Es scheint sich in der Wechsella gerung einmehrmaliger Wechsel von Phasen verschiedener morphologischer Aktivität wider-zuspiegeln. Diese manifestieren sich bei genügend langer Andauer eines bestimmtenKlimas im Grenzsaum zwischen Frostschutt- und Mattenstufe, indem:

— Klimaverbesserungen als Phasen relativer morphogenetischer Ruhe ein Auf-kommen der Ve getation und damit verbundener Bodenbildung zulassen;

—Klimaverschlechterungen als Zeiten höherer morphologischer AktivitätSteinschlag und Solifluktion fördern und sich ausserdem in Gletschervorstössenäussern.

Diese Hypothese ist in den kommenden Jahren zu prüfen. Es geht dabei haupt-sächlich um die fol genden Fragen:

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— Können Solifluktionsphasen und Zeiten erhöhter Schutthaldenbildung mit Glet-schervorstössen korreliert werden?

— Inwiefern schliesst Wiederbesiedlung von Schuttmassen mit Bodenbildung Stein-schlag und Solifluktion aus?

Gletscherhochstände zu verschiedenen Zeiten des Postglazials sind in den Ost-alpen von unseren Innsbrucker-Kollegen des botanischen und des alpengeographi-schen Institutes nachgewiesen worden, während in der Schweiz Ergebnisse pollen-analytischer Untersuchun gen der Botaniker-Schulen von WELTEN (Bern) und ZOLLER

(Basel) Rückschlüsse auf vergangene klimatische Verhältnisse zulassen.Unsere Untersuchun gen nahmen im Schweizerischen Nationalpark ihren Anfang.

Seither sind fossile Böden in Solifluktionsdecken an zahlreichen Stellen in den Alpen,aber auch in andern Hochgebirgen und in der Arktis beobachtet worden. Im fol-genden werden zuerst die bisherigen Befunde anhand von neuen, im Jahre 1973gegrabenen Aufschlüssen überprüft.

2. Arbeitsgebiet und Untersuchungsmethoden

Als Untersuchungsgebiet wählten wir den Raum Munt Buffalora (2437 m)–MuntChavagl (2542 m) im SE des Schweizerischen Nationalparks. Die Solifluktions-decken an diesen Berghängen enden talwärts häufig in zungenartigen Formen vonmehreren Metern Breite, den Erdströmen (FURRER, 1954).

Um Kenntnis über den inneren Aufbau dieser Solifluktionsdecken zu erhalten,gruben wir verschiedene künstliche Aufschlüsse. An den Profilwänden liessen sich

Abb. 1. Solifluktionsdecke am Munt Buffalora: Erdströme und Girlanden (Kleinformen untenIechts), SW-Exposition.

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sodann detailliert Proben zur Weiterverarbeitung im Labor entnehmen (Methoden-beschreibung in FURRER et al., 1971). Dabei wurden bestimmt:

— Gehalt an organischem Kohlenstoff— Karbonatgehalt— Korngrössen der Feinerde— Pollenspektren— '4C-Alter

3. Zwei künstliche Aufschlüsse in Erdströmen

3.1. Morphographie, chemische und pedologische Analysen

Ein Erdstrom typischer Formausprägung am Munt Chava gl wurde an seiner Stirn-seite hangaufwärts aufgeschlossen, wobei wir den Sondier graben seiner mittlerenLängsachse entlang führten (Grabung A).

Markante Farbunterschiede in der Profilwand deuten auf einen komplexen Auf-bau des Erdstromes hin: Helle, graue Massen wechsellagern mit dunklen braunenHorizonten, welche sich über grössere Distanzen deutlich verfolgen lassen (Abb. 2).

Durch sorgfältiges Erweitern des Sondiergrabens konnten wir zeigen, dass diesedunklen Lagen im Erstromkörper eine flächenhafte Ausdehnun g besitzen.

Die Ergebnisse der Laboruntersuchungen sind in Fi g . 1 festgehalten.Die dunkelbraun gefärbten Horizonte (I–V) weisen gegenüber den dazwischen

eingelagerten Schuttmassen (P i–P 9) einen erhöhten Anteil an organischem Kohlen-stoff auf. Ebenso interessante Unterschiede zei gen die Gesamtkarbonatsanalysen:

Abb. 2. Aufgeschlossener Erdstrom am N1unt Chava gl (Grabung A). Massstab: 2 m. Beachte dasEinarbeiten der Vegetation im Stirnbereich des Erdstromes.

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Tiefe Proben Organ. C - Gehalt Ka r b o n a t - Gehalt 14C-Altert

o-

P 9

25-

V 8IV

7

50-

75

6

II5

4

3

2

1160±525BP

1440 *- 60BP

100-

C m P 1 0%

1%

2% 3% 0%

25';, 50% 75% 100%

Fig. l. Darstellung des GehalIes an organ. KohlensIoff und GesamtkarbonaI einer Probensäule imErdstrom A. (SIernsignatur: DatierIe fAh-Horizonte.)

Niedrige Werte besitzen die dunklen La gen, einen hohen Gehalt die hell gefärbtenProben.

Die chemischen Untersuchungen unterstreichen also den morphographischen Be-fund, welcher besagt, dass es sich bei den verschieden gefärbten Massen um ver-schiedenartige Bildungen handelt: Die fünf dunkleren Horizonte mit ihrem hohenC-Gehalt lassen sich als fossile Böden , um alpine Rendzinen ansprechen. Dashelle Material dagegen (P 1—P 9) deuten wir als Solifluktionsmassen (FuRRERet al., 1971).

Die zweite Sondiergrabun g, Grabun g B, erfolgte an einem anderen Erdstrom,ungefähr 25 m vom Aufschluss A entfernt. Hier setzten wir den Graben nicht anseiner Stirn, sondern an seiner östlichen Flanke an und stiessen isohypsen-parallel zur Erdstrommitte vor. Wiederum erschienen an den Profilwänden deutlichdunkle und helle Horizonte, deren Proben im Labor untersucht wurden: Die Er-gebnisse sind in Fig. 2 zusammengestellt.

Wie wir schon im Aufschluss ^A feststellten, verlaufen die beiden Kurven vomGehalt an organischem Kohlenstoff und Gesamtkarbonat gegensinnig, was FURRER

et al., 1971 ebenfalls zeigen konnten und dafür fol gende Erklärung gaben: «Jede

385 ± 140BP

1430 t 80BP

2305± 60BP

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14C-AlterTiefe, Proben s Organ. C- Gehalt Karbonat - Gehalt

o-

25- P6

50-II5

75 I I

4

3

2

100-

125 -

cm P 1 2% 3% 04:%

25% 50%

75% 100%

Fig. 2. Darstellung des Gehaltes an organ. Kohlenstoff und Gesamtkarbonat einer Probensäule imErdstrom B.

terrestrische Bodenbildung ist in unserem Klimabereich mit einer Verminderun g desKalkgehaltes im Solum verbunden» (S. 207).

Zur Abklärung der Frage, ob es sich bei den kohlenstoffreichen Horizonten umfossile Böden handelt, welche in situ gebildet wurden, zogen wir Dünnschliffanalysenheran. Sie entstammen einem weiteren Erdstrom des Formkomplexes am Chavaglund wurden in verdankenswerter Weise von Dr. H. VÖLK. (Heidelberg) interpre-tiert, welcher uns fol genden Befund übermittelte:

Bei den Proben handelt es sich um mehr oder weniger humose Horizonte einerfossilen alpinen Rendzina (Protorendzina), die sich in situ befinden. Von dem ur-sprünglichen O-(A 11-)C-Profil ist nur noch (A 11-)C erhalten. Der am Rande derHumusbändchen festzustellende Über gang zu humusarmem und humusfreiem Ma-terial sowie die Erhaltung der Humusfiecken selbst lassen keinen Schluss auf einenTransport des Bodens oder einen Abschervor gang der Böden zu.

3.2. Pollenanalysen in der Grabun g A (K. AMMANN)

3.2.1. Methodisches und Einleitendes

Die 16 Proben wurden in verdankenswerter Weise durch Frl. TH. BERGER nachder in Bern üblichen Methode aufbereitet (vgl. WEGMÜLLER 1966 und MARKGRAF1969). Herr Prof. Dr. M. WELTEN stellte mir die Institutseinrichtungen zur Ver-fügung, wofür ich ihm ebenso wie für viele wertvolle Diskussionen herzlich danke.Analysiert wurden die Proben im Mikroskop Leitz Ortholux II mit durchwe gs neugerechneten apochromatischen Objektiven 25x , 40 x und 100 x . Pro Präparat wur-

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den womöglich 400-500 Pollenkörner und Sporen aus gezählt. Um weni gstens roheAnhaltspunkte über den Pollengehalt des untersuchten Materials zu erhalten, wurdedie Anzahl Pollen und Sporen im Präparat pro cm' ermittelt (Beschreibung undKritik der Methode bei WELTEN 1952, S. 18/19).

In allen Proben liess der Erhaltungszustand der Pollen und Sporen sehrzu wünschen übri g : Pintts z. B. lag vielfach nur in Bruchstücken vor, Corylus undAbuts waren meist stark deformiert , klein und ohne Oberflächenmerkmale, weshalbbei Alnus auf eine Abtrennung der Grünerle verzichtet wurde. Man durfte froh sein,Chenopodiaceen und Caryophyllaceen unterscheiden zu können! Selaginella-Mikro-sporen zeigten oft in erklecklichen Prozenten keine Stacheln mehr, während dierobusteren Botrychium-Sporen gut kenntlich blieben. Bestimmungskummer bereite-ten auch die dünnwandigen, stark zerknitterten Cyperaceen-Pollen. Leider bliebenbis auf wenige Ausnahmen die meisten ligulifloren und tubulifloren Compositen un-bestimmbar die so wichtigen Merkmale der Stacheln waren nicht genügend klarerkennbar.

Die vom üblichen Bild etwas abweichende Darstellun g der Resultate inFig. 5 sei kurz begründet: Da das analysierte Profil nicht als an Ort und Stelle

kontinuierlich gewachsen gelten kann, wurde auf die Diagramm-Darstellung inzusammenhängenden Kurven verzichtet und eine solche in Einzelsäulen gewählt.Postuliert man für das Gebiet des Aufschlusses diskontinuierliche, grossklima-abhängige Solifluktionsvorgänge, so ist in den Schichten zwischen den dunkelnHorizonten I—V mindestens je ein «Hiatus» zu vermuten. Es ist fra glich, ob die zu-sätzliche Pollenanalyse von Zwischenproben weiterhelfen würde, haben wir es dochnach FURRER et al. 1971, S. 255, mit Solifluktionsmassen zu tun, wie seine situ-metrischen und auch seine morphometrischen Messungen ergaben.

In die erste Berechnungssumme B 1 wurden zunächst alle ausgezähltenPollen und Sporen ein geschlossen (ausgeschwärzte Säule) und zwar aus der Über-legung heraus, dass es hier vor allem um die Beurteilung und den Vergleich dereinzelnen Pollenspektren untereinander geht. Auf das Suchen nach den in Pollen-zonen erkennbaren Abschnitten der Vegetations geschichte wurde an gesichts derjungen Radiokarbondatierun gen verzichtet.

Da es hier speziell um das Erfassen alpiner Rasen- und Pionierarten ging,wurde in einer zweiten Berechnun g B 2 der Fern- und Re gionalflug (fast iden-tisch mit der Baumpollensumme und damit mit Pinus) sowie alle Selaginella-Mikro-sporen und auch die monoleten Sporen aus der Summe ausgeschlossen (nicht ausge-schwärzte Säule). B 2 wird im folgenden nur dann in die Diskussion mit einbezogen,wenn sich daraus neue Gesichtspunkte ergeben.

3.2.2. Die heutige Vegetation des weiteren und engeren Untersuchungsgebietes

Diese An gaben entstammen den fol genden Vegetationskarten und Schriften: BlattCAMPELL und TREPP 1968, SCHMID 1943 Blatt 4, STüSSI 1970, ZOLLER 1964 undZUBER 1968.

Die tieferen Südla gen des Spöl- und des Fuorntales sind beherrscht durch dieWaldföhre (Carici-Pinetum engadinensis und Erico-Pinetum). Daran schliessen siCh

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nach oben aus gedehnte Bergföhrenbestände an (Erico-Mugetum und, flächenmässigweni ger bedeutend, Rhododendro hirsuti-Mugetum). Am Nordhan g des Munt Chavaglstocken Arven vermischt mit Ber gföhren und Lärchen von ca. y1800 m bis gegen2200 m (Rhododendro-Vaccinietum cembretosum und mu getosum). Am Südhan g desMunt Chavagl finden sich bis über 2200 m ausgedehnte Erico-Mu geten, darüberschliessen sich in der alpinen Stufe weite, lockere Rasen der Polstersegge (Cari-cetum firmae) und alpine Schuttfluren (Thlaspietum rotundifolii s. 1.) an, beide anOrten mit stärkerer Han gbewegun g. Kleinere Flächen gerin gerer Han gbewegun g be-siedeln das Blau gras und die Horstse gge in den dichten Rasen des Seslerio-Caricetumsemperivirentis und auch die Krummse gge mit ihren Be gleitern (Caricetum curvulae).

Für den Fern- und Re g ionalflu g dürfen wir deshalb an unserem Unter-suchungsort vor allem mit Pines-Pollen rechnen, um so mehr, als Picea im Gebietnur kleinere Flecken beherrscht (Piceetum subalpinum) und auch als Einzelbaumnach ZOLLER 1964 gerade in den Kalkgebieten des Ofenpasses relativ spärlichauftritt.

Der Nah - und Lokalflug wird sich hauptsächlich aus Arten der oben be-schriebenen dicht geschlossenen Rasen und den offenen Schutt gesellschaften zu-sammensetzen. Wie stark er sich aber abzeichnet, hän gt im wesentlichen Masse abeinerseits von der effektiv produzierten lokalen Pollen- und Sporenmenge, anderer-seits von der Gunst der jeweiligen Einbettun gs- und Lagerungsverhältnisse.

3.2.3. Einzelergebnisse der Pollenanalysen

1. Verhältnis Baumpollen zu Nichtbaumpollen (BP/N BP)

B 1: Es fällt höchstens der niedrige Wert der BP in I auf, doch wird dieser in P3noch niedriger: in I wird das BP-Prozent durch den hohen Selagiuella-Wert gedrückt,in P3 zusätzlich noch durch die monoleten Sporen und die Ligulifioren. Nur pro-zentual weist die Probe I weniger BP auf als etwa die Probe P2, denn I enthältschätzungsweise 200mal mehr Pollen als P9.

2. Pines

B 1: Erwartun gs gemäss erhalten wir für unseren Untersuchun gsort unweit ober-halb der Waldgrenze relativ hohe Pinus-Prozente. Die Re gel, wonach in Zeiten ge-rin gerer lokaler Pollenproduktion die Pinus-Werte höher lägen, lässt sich anhandunserer Resultate nicht verifizieren: die Proben Po und P i weisen trotz gerin ger lokalerPollenproduktion nur verhältnismässi g kleine Pinus-Werte auf; auch wird das Pines-Maximum mit 37% ausgerechnet in der Probe V erreicht (mit hohem Pollengehalt),ein kleinerer Pinus-Gipfel trifft die Probe III.

3. Übri ge Bäume und Sträucher

B 1: Nur in wenigen Prozenten zeichnen sich neben Pinus andere Gehölze ab:Corylus und Abuts zeigen kaum diskussionswürdi ge Maxima oder Minima. Als Ein-zelkörner fanden sich Larix, Juniperus, Ouercus, Tilia, Castannea, Fagus und Fraxinus.

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4. Kulturzeiger

B 1: Mit dem für eini ge Arten bekannten Vorbehalt des Nachweises im Spät-glazial (WELTEN 1972) lassen sich Juglans, Chenopodium, Plantago lanceolata, P. majorund Urtica dioica als Kulturzeiger zusammenfassen. Zu ihnen gehören auch die imProfil zufällig georteten Einzelpollen von Getreidearten. Hier gilt wiederum, dasssich die Proben I–V kaum abheben von den Proben P1–P9.

5. Arten alpiner Rasen und hochgrasige bis hochstaudige Arten

B 1: Dazu seien Thalictrum, Lycopodiurn cf. alpinum, L. clavatum, die Umbelli-ferae, Ranunculus, Cirsium, Prenanthes-Typ, Rosa, Potentilla-Typ, Gentiana, Astrantia,Ericaceae. Silene acaulis-Typ und Centaurium gerechnet. Aster alpinus, die Cruci-ferae und die Scrophulariaceae dagegen können ebenso gut in offeneren Pionier-rasen vorkommen. Entsprechend schwierig ist es auch, den Schwerpunkt ihres fos-silen Vorkommens den Bodenhorizonten I–V oder den Solifluktionsmassen zu-zuordnen.

Es gelingt dies eher mit der erstgenannten Artenreihe: besonders Cirsiurn, derPrenanthes-Typ und die Rosaceen (inkl. Potentilla-Typ) fanden sich zwei- bis mehr-fach in den Horizonten I–V, nicht aber in den dazwischen lie genden Solifluktions-massen. An Einzelfunden aus den Proben I–V seien noch genannt: Gentiana. Cen-taurium. Silene acaulis-Typ, Lycopodium cf. alpinum, die Ericaceae und Astrantia.Sie alle wurden in den relativ pollenreichen Proben P3 und P7 nicht festgestellt.Dieser Befund widerspricht wenigstens z. T. der Ansicht, dass nur dank schlech-terer Pollenerhaltung diese Arten in den Solifluktionsmassen fehlen.

6. Pionierarten

B 1: Auffallend auf die Solifluktionsmassen Po–P9 beschränkt sind die Caryo-phyllaceen-Funde (vgl. aber Silene acaulis-Typ im obigen Abschnitt!). Zweimal ge-lang eine genauere Bestimmung; sie ergab den Cerastium uniflorum-Typ, von demC. latifolium nicht ab getrennt wurde. Beide Arten können nach ZOLLER 1964 auch inKalk gebieten vorkommen.

Eher gleichmässi g sowohl auf die Horizonte I–V wie auf die Solifluktions-massen verteilen sich die Einzelfunde von Salix.

7. Selaginella, Botrychium

B 1: In allen Proben beeindrucken die hohen Selaginella-Prozente, besondersaber die Maxima von 72% in P3 und 79% in I. Die Werte dieses indifferenten,boden- und gesellschaftsvagen Moosfarnes sind in vielen Diagrammen höherer Lagenin den Alpen dargestellt. Es fällt dabei auf, wie verschieden die Art in Erscheinungtreten kann: gleichmässi g über die Schichten verteilte Einzelfunde, nur schwach ge-zackte Kurven finden sich ebenso wie extrem hohe Maximalwerte, die sich auf nurdünne Straten beschränken. Unter günsti gen Bedin gun gen gelingt es offenbar denkleinen, oft im dichten Rasen versteckten Pflänzchen, sich rasch auszubreiten.

Hohe Selaginella-Prozente können aber nicht immer als Ausdruck besserer Klima-

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bedin gun gen gewertet werden: die eigenen Erfahrungen in der Oberaar und z. B. auchdas Diagramm R I (Rostocker Hütte I) von BORTENSCHLAGER in PATZELT 1973lassen Selaginella-Gipfel auch mit Klimarückschlä gen in Verbindung brin gen. So-lange wir nicht mehr wissen über die Pollenspektren unserer heuti gen alpinenRasengesellschaften und insbesondere wie sich darin Selaginella als tüchti ger Sporen-produzent abzeichnet, ist es wohl verfrüht, irgendwelche weitreichende Schlüsse zuziehen.

B 2: Angesichts der oft erdrückend hohen Selaginella-Werte lag es nahe, sie ineinem zweiten Berechnun gs gan g von der Gesamtpollen- und Sporensumme auszu-schliessen (vgl. 3.2.1.).

Botrychium ist in den Proben I und IV, aber auch in P3 in bemerkenswerterAnzahl gefunden worden (um 2%); in den übri gen Proben blieb es bei wenigenEinzelfunden. Es handelt sich um Botrychium lunaria, eine ebenfalls indifferente,boden- und gesellschaftsvage Art. Nach ZOLLER 1964 kommt sie auf Weiden, magerenMähwiesen, in lichten Nadelwäldern, aber auch öfters in ruhendem Kalkschutt vor.Es verwundert deshalb kaum, dass sich diese Sporenform sowohl in den ProbenI–V als auch in P 3–P 9 vorfand.

B. Verschiedene NBP-Familien

B 1: Die Cyperaceen, Gramineen und die ligulifloren und tubulifloren Com-positen seien hier nur summarisch behandelt. Ihre Prozentwerte sind aus Arten zu-sammengesetzt, deren Ökologie sehr verschieden sein kann, beispielsweise Cype-raceen: Carex firma/Carex davalliana. Gramineen: Sesleria coerulea/ Deschampsiacaespitosa. Liguliflorae: Crepis .jaquinii/Crepis aurea. Umbelliferae: Chaerophyllumhirsuturu;Atharnanta cretensis. Monolete Sporen: Dryopteris disjuucta/Dryopterisrobertiaua.

Entsprechend schwierig bleibt die Interpretation der Prozentschwankungen. Ein-deutig mehr Gramineen enthalten die Proben Poo–Ps; ob man daraus lrgendwelcheRückschlüsse auf die damalige Vegetation ziehen kann, ist fraglich. Auffallendniedrig bleibt der Wert der monoleten Sporen in der Probe I.

B 2: Der Ausschluss der vielen Sporen und BP lässt die Prozente der Cyperaceen,Gramineen und Liguliflorae hochschnellen, so besonders stark (um das 4- bis 8fache)in den Proben I. P3, P4, P5, P5, P7, IV, Ps, V und Pg. Die Prozentsäulenreagieren nun etwas sinnvoller auf die Horizonte I–V, jedoch nicht immer: dieCyperaceen erscheinen nun wenigstens für die Proben I, II, III und schwach auchfür V erhöht, in den Solifluktionsmassen dazwischen erniedrigt. Die Gramineen,ausgenommen in II, zeigen gegenläufiges Verhalten: mehr oder weniger schwachausgeprägte Minima treffen die Horizonte I–V.

9. Ephedra

Es wurden zwei Körner des Ephedra distachya-Types (in Poo und P4) und ein Korndes E. fragilis-Types (in P3) festgestellt. Die Möglichkeit einer Umlagerung spät-glazialen Ephedra-reichen Materials muss hier im Auge behalten werden. Doch scheinteine primäre Einbettung von E. distachya-Typen in nach-präborealen Sedimenten

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ebenfalls möglich, wie schon WEGMÜLLER 1966, MÜLLER 1972 und KÜTTEL 1974 ge-funden haben. Diese 3 Einzelfunde werden als Fernflug interpretiert.

3.2.4. Schlussfolgerungen, zugleich Zusammenfassung

Ziel dieser Analysen war es, aus den Pollenspektren der Probenserien Poo–Ps undI–V Rückschlüsse auf die jeweils herrschende Ve getation zu ziehen. Bedenken wirdazu folgendes:

a) Je nach der Höhe der lokalen Pollen- und Sporenproduktion bildet sich auchein Regional- und Fern flug der nahen Waldstufe ab.

b) Die Einbettungsverhältnisse dürften recht wechselhaft gewesen sein: in Zeiten mitgutem Vegetationsschluss sind wohl allgemein mehr Pollen und Sporen ein-

gelagert worden, ganz unabhängig von der produzierten Menge.c) Nach der Einbettung muss gerade am Untersuchungsort mit grösseren soliflui-

dalen Bewegungen und dadurch mit Umla gerungs- und Korrosionsvorgängen ge-rechnet werden. Zumindest theoretisch wäre es also möglich, dass in die Soli-fluktionsmassen Körner von Arten ein gearbeitet wurden, die ei gentlich dichtenVegetationsschluss anzei gen würden. Die Pollen und Sporen können während derFliessvor gän ge (z. T.?) stark gelitten haben, so dass die Analyse nur noch einenBruchteil davon erfasst. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass in Zeiten höherer mor-phologischer Aktivität die lokale Pollenproduktion schwächer war und eher vonPionierarten herstammt; auch fiel wohl mehr pollenfreies Bodenmaterial an.

d) Wir müssen auch vertikale Bodenumwälzun gen durch "down wash", Tiere u. ä.berücksichtigen, wie sie WELTEN 1958 diskutiert.

Eingedenk dieser vier Punkte a) bis d) bleibt uns nur wenig Interpretations-Spielraum:

Die Horizonte L–V sind durch mehr oder weni ger dichte alpine Rasen ge-bildet worden. Besonders aus geprägt lässt der Horizont I ein Pollenspektrum er-kennen, das einen gut entwickelten alpinen Seg gen-Rasen widerspiegelt. Die ProbenPoo—P9 zeigen keine nennenswerten Spuren eines dichten Vegetationsschlusses (Aus-nahme evtl. P3: Nur 2 cm ob I entnommen, enthält sie mö glicherweise noch Ma-terial aus dem fAh I, auch tierischer Transport kann hier gewirkt haben).

Diese Aussa gen stützen sich auf fol gende Befunde:

a) Einzelpollenfunde. Viele Arten alpiner Rasen und hoch grasi ge bis hochstau-dige Arten (vgl. 5. in 3.2.3.) sind nur in den Horizonten I–V anzutreffen; Pionier-arten (vgl. 6. in 3.2.3.) bleiben in den Proben Poo—P9 lokalisiert.

b) Prozentuales Verhalten der Cyperaceen und Gramineen. Cyperaceen-Maxima sind gekoppelt mit Gramineen-Minima in den Horizonten I–V und um-gekehrt Cyperaceen-Minima mit Gramineen-Gipfeln in den dazwischen liegendenSolifluktionsmassen. Erfahrungen aus Analysen in der Oberaar (Grimsel) zeigen,dass erhöhte Gramineen-Anteile und gleichzeitig gesenkte Cyperaceen-Anteile mitKlimarückschlagsphasen in Beziehung stehen können.

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c) Geschätzter Pollen g ehalt des Materials. Alle Horizonte I–V sind pollen-reicher als die Solifluktionsmassen. Ein besonders ausgeprägtes Maximum weistder Horizont I auf.

Gestützt auf diese Befunde und auf die chemischen und pedologischen Analysen(Kapitel 3.1.), geht man wohl kaum fehl, Rückschlüsse auf das Klima zu ziehen:in klimagünstigen Zeiten schwacher morphologischer Aktivität wuchs ein alpinerRasen auf. Dieser wurde später in Phasen solifluktionsfördernden Klimas wiederüberschüttet; dieser Zyklus wiederholte sich mehrmals.

Letztlich dürfte aber der Beweis für die Richtigkeit dieser Aussagen nur er-bracht werden können, wenn es gelingt, am Munt Chava gl ein System von bewie-senermassen synchron gebildeten fossilen Humushorizonten aufzubauen, das sich gutin die klimageschichtlichen Vorstellungen, wie sie mit anderen Methoden erarbeitetwurden, einordnet. So dürften lokale Zufälligkeiten eines Einzelprofils auszuschliessenund Zusammenhän ge mit dem Grossklima erkennbar sein.

3.3. Radiokarbon — Datierungen

Zur zeitlichen Einstufung der verschiedenen Bodenbildungsphasen dienten uns'4C-Datierun gen, welche wir Prof. Dr. M. A. GEYH, Hannover, verdanken (Tab. 1).

Tabelle 1. 14C-Datierungen der Grabungen A und B (vgl. Fig. 3 und 4)

Probe Im. Nummer Alter BP Fehler

1/I Hv 6128 705 110Grabung A 1/II Hv 6127 440 140Profil 1 1/IV-V Hy 6125 430 100

Grabung A 2/I Hv 6123 1440 60Profil 2 2/111 Hy 6121 1160 525

Grabung AStirnprobe

St Hv 6124 790 115

I Hy 6118 2305 60Grabung B H Hy 6117 1430 SO

III H y 6116 385 140

Grabung A (Fig. 3)

Die schematische Darstellung zeigt uns die Verhältnisse im Erdstrom A, in wel-chem sich fünf (bzw. vier, da fAh IV und V zusammenlaufen) fossile A-Horizonteunterscheiden liessen. Die Datierungen entlang Profil 2 ergaben für den unterstenBoden 2/I ein Alter von 1440+60, für 2/III ein solches von 1160+525. Die Aus-sagekraft dieser Datierung ist infol ge ihres grossen Fehlers gering.

1/IV-v: 430 ± 100

1/II: 440 ± 140

1/1: 705 ± 110

2/III: 1160 ± 525

2/I: 1440 ± 60

St: 790 ± 115

Profil 1

Profil 2

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Fig. 3. Schematische Darstellung der Grabun g A. Sternsignatur: datierte fAh-Horizonte.

Im Vergleich mit dem seitlich an geordneten Profil 1 fällt auf, dass hier durch-wegs kleinere Werte, also jüngere Daten, ermittelt wurden, die sich allerdin gs nichtwesentlich voneinander abheben.

Von besonderem Interesse ist – im Zusammenhang mit der Morphogenese desErdstromes – eine Datierung in der Stirnregion, welche das Alter von 790+115Jahren BP ergab: Wir besitzen damit drei Analysen desselben fAh-Horizontes,nämlich:

2/l: 1440= 60 Jahre BP (Mitte)1/1: 705-110 Jahre BP (Seite)St: 790+115 Jahre BP (Stirn)

Die Interpretation von 14C-Daten fossiler Böden bereitet Schwierigkeiten, damannigfaltige Störfaktoren (zirkulierende Huminsäuren, Kontaminationen, Perkola-tion u.a.m.) vorhanden sind, welche die Aussagekraft der Zahlenwerte relativieren(GEYH, M. A. et al., 1971, S. 75). Wichtig ist, dass Bodendaten im a llgemeinenals Minimalalter anzusehen sind, da die Verunreinigun gen meist aus jüngerem Ma-terial bestehen. Allerdings werden die zu erwartenden Fehler dieser Art bei den dis-

III: 385 ± 140

II: 1430 ± 80

2305 ± 60

Jahrgang 120 G. FURRER, H. LEUZINGER, K. ANIIANN. Klimaschwankungen im Postglazial 27

kutierten Ergebnissen vernachlässigbar klein sein, weil die Böden humusreich warenund sie sehr jung sind.

Mit der gebotenen Vorsicht können wlr bei den ermittelten Daten von einerUnterbrechung in der holozänen Bodenbildungsphase sprechen.

Der Aufbau des Erdstromes lässt vermuten, dass diese Unterbrechung infolgeÜberfliessen der Böden durch Solifluktionsmassen entstanden ist. Zum zeitlichenAblauf dieses Geschehens geben uns die drei erwähnten Daten aus dem basalenfAh-Horizont der Grabun g A Auskunft:

Talwärts fliessende Solifluktionsmassen deckten um 1440 BP, also um etwa500 n. Chr. jene Teile eines alpinen Rasens zu, welche heute in der Erdstrom-mitte, ungefähr 250 cm von dessen Stirn entfernt liegen. Rund 700 Jahre später,um 1200 n. Chr. be gruben die Solifluktionsmassen fast gleichzeitig die Ve ge-tation, welche vor und an der Seite des Erdstromes wuchs.

Die Fliessbewegun g erfolgte nicht gleichmässig (mit einer errechneten Geschwin-digkeit von 2,5 bis 3 mm/Jahr), sondern sie wurde von mehreren Ruhephasenunterbrochen, welche durch die Bodenbildungen repräsentiert werden; die vorhan-denen 11 C-Daten erlauben uns allerdings keinen Rückschluss auf die zeitlicheDauer solcher Ruhe- bzw. Fliessphasen. Wir können lediglich annehmen, dass zwi-schen zwei Daten auf eine Solifluktionsphase eine Zeit morphologischer Ruhefolgte , in welcher pollenreiche Böden entstehen konnten.

Grabung B (Fig. 4)

Im Erdstrom B fanden wir drei fossile Böden, deren Altersbestimmun g Wertevon 2303_60 BP, 1430=80 BP und 383 140 Jahren ergaben. Interessant ist dieseGrabung insofern, als hier – nur wenige Meter vom ersten Erdstrom entfernt –ledi glich drei flächenhaft ausgebildete fAh-Horizonte aufgeschlossen werden konn-ten. Ihre 14-C-Alter schliessen ungefähr zwei Jahrtausende ein. Damit unterscheidet

Fig. 4. Schematische Darstellung der Grabung B. Sternsignatur: datierte fAh-Horizonte.

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Fig. 5. Munt Chavagl, Grabung A.

30 Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich 1975

sich Grabung B vom Aufschluss A deutlich, sieht man von der Mö glichkeit ab, dassunter Umständen noch weitere Bodenhorizonte (nicht flächenhafter Ausdehnung) imErdstromkörper verborgen liegen. Die Vermutung liegt nahe, dass diese Solifluk-tionsformen in ihrer Genese Ei g engesetzlichkeiten aufweisen, und daher nichtvorbehaltlos miteinander korreliert werden dürfen.

4. Zusammenfassung

Künstliche Aufschlüsse an Erdströmen im Raume Munt Chavagl/Munt Buffaloraliessen durchwegs den komplexen Aufbau dieser Solifluktionsformen erkennen:

Mehr oder weniger gut erhaltene fossile A-Horizonte alpiner Rendzinen Wech-sellagern mit hellem Solifluktionsschutt.

In Laboruntersuchungen zum Chemismus des Substrates konnte dieser Befundbestätigt werden, und Radiokarbon-Daten der Böden lieferten uns erste Hinweise zurFormgenese. Während die 144 C-Daten zur absoluten zeitlichen Fixierung dienen,lässt die Pollenanalyse Rückschlüsse auf die Ve getations geschichte im Untersuchun gs-gebiet und bestimmte Aussa gen zum Klimaablauf zu.

Wir fassen nun die einzelnen Untersuchun gsergebnisse hinsichtlich ihrer klima-morphologischen Aussa gekraft zusammen und versuchen so, Formgenese und Klima-geschehen nachzuzeichnen:

Um etwa 500 n. Chr. begrub ein Erdstrom einen gut entwickelten alpinenSeggen-Rasen unter sich und stiess im Laufe der nun fol genden 700 Jahre ungefähr200 cm vor. Diese Vorstossphase – repräsentiert durch solifluidale Schuttmassen –wurde mehrmals von Zeiten morphologischer Ruhe unterbrochen, in welchen an derBodenoberfläche ein mehr oder weniger dichter Ve getationsschluss entstehen konnte.In den damals gebildeten Böden liessen sich Pollen hoch grasi ger bis hochstaudigerArten alpiner Rasen nachweisen, welche auf einen solifluktionshemmenden Klima-charakter deuten. Die zwischen den Böden ein gela gerten Solifluktionsmassen be-sitzen dagegen einen ver gleichsweise gerin geren Pollen gehalt. Unter den in Ab-schnitt 3.2.4, Punkt c) gemachten Vorbehalten dürften wir annehmen, dass in morpho-logisch aktiven, solifluktionsfördernden Zeiten eine gerin gere lokale Pollenproduk-tion stattfand, welche eher von einer Pionierflora stammte.

Die jüngsten fossilisierten Bodenbildun gen datieren sowohl in Grabun g A wieauch in Aufschluss B aus frühneuzeitlichen Jahrhunderten; ihre Überdeckung mitSolifluktionsschutt dürfte mit den jün gsten Klimarückschlä gen im 17. und 19. Jahr-hundert in Zusammenhang gebracht werden, wenn es gelin gt, die verschiedenen Gra-bungen stratigraphisch miteinander zu verbinden.

Eine auffallende Übereinstimmun g er gab sich auch zwischen dem Boden 2/I vonGrabun g A und II aus Grabun g B: Obwohl der strati graphische Nachweis nichterbracht wurde, könnten diese beiden Böden auf grund ihres 14C-Alters identisch sein.Es wäre denkbar, dass die relativ mächtigen Solifluktionsla gen im Liegenden dieserBöden zeitlich der <Göschener Kaltphase II> von ZOLLER 1966, bzw. den Gletscher-hochständen der ersten nachchristlichen Jahrhunderte. die PATZELT 1973 in den Ost-

Jahrgang 120 G. Fovucv B. LEUZINGER, K. Au,*mm im Postglazial 31

alpen nachgewiesen hat, zuzuordnen sind. Die PoUrnopcktoen der PcobooPoo-PuioAufschluss A sprechen jedenfalls nicht da2e2co ` auch nicht 2egeo die Annahmedocrü6eorgionu|cokrüfti2eoIIabpbuoc.

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