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NATUR.RAUM. MANAGEMENT N r . 22 04 / 2014 DAS FACHJOURNAL DER NATURRAUMMANAGERI NNEN ÖKO- SYSTEMLEISTUNGEN messen – bewerten – kommunizieren

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NATUR.RAUM.MANAGEMENT

Nr. 220 4 / 2 0 1 4

DAS FACHJOURNAL DER NATURRAUMMANAGERINNEN

ÖKO-SYSTEMLEISTUNGEN

messen – bewerten – kommunizieren

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NATUR.RAUM.MANAGEMENT

INHALT

4 Der Wert der Natur – Ökonomie vonÖkosystemen & Biodiversität

6 Gratis, aber nicht umsonst – Öko-systemleistungen & ihre Bewahrung

8 Wert-Schätzung – ein Bundesforste-Großprojekt

10 Natur zählt. Nur wie viel? Chancen &Grenzen von Ökosystemleistungen

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NATUR. RAUM. MANAGEMENT | Ausgabe 04/2014 – Nr. 22 3

NATURWERTE & MENSCHLICHES WOHLERGEHENHerausforderungen für zukunftsfähiges Wirtschaften

LEITARTIKEL

D en Nutzen den wir Menschen aus derNatur ziehen, sind für uns selbstver-ständliche Leistungen, die vorhanden

sind und in Anspruch angenommen werden kön-nen. Durch gesetzliche Regelungen werden Be-wirtschafterInnen wie die Bundesforste angehal-ten, neben den direkt erzeugten Rohstoffen auchauf diese immateriellen Leistungen Rücksicht zunehmen und deren Bereitstellung sicherzustellen.Werden dadurch aber alle Wertkomponenten derNatur ausreichend erkannt und berücksichtigt?Können ästhetisch wertvolle Landschaften nebenbildhaften Beschreibungen vom Nutzen für denMenschen auch mit einem ökonomischen Wertausgedrückt werden? Diese und ähnliche Frage-stellungen stehen diesmal im Zentrum unserer Be-richterstattung.

Die Bewertung der Ökosystemleistungen ist in derinternationalen Biodiversitätsdiskussion ein wich-tiges Thema und wird seit 2010 im Rahmen der„TEEB-Studie“ 1 versucht den Nutzen und Wert fürdie Gesellschaft auch ökonomisch darzustellen.Ökosystemleistung bzw. ökosystemare Dienstleis-tung stammt aus der Umweltökonomie und stehtfür die wirtschaftswissenschaftliche Betrachtungdes Nutzens, den ein Ökosystem für den Menschenhat. Beispiele für Ökosystemdienstleistungen sinddie Bereitstellung von nutzbarem Trinkwasserdurch natürliche Filtration von Niederschlag, dieProduktion von Holz, die Reproduktion von Fischpo-pulationen als Nahrungsmittel sowie die Klimare-gulation und einer ansprechenden Umwelt fürFreizeit und Erholung, die Leistungen des Schutz-waldes in einem Gebirgsland oder die Landschafts-kulisse „Wald“ als Faktor für die Erholung.

Zur finanziellen Erfassung der Ökosystemleistun-gen haben die Bundesforste ein Projekt initiiert,wo nach einer Ausschreibung die Bietergemein-schaft TU Wien, Fachbereich Finanzwissenschaftund Infrastrukturpolitik, und das Büro E.C.O. - Kla-genfurt als Auftragnehmerin ausgewählt wurde.Dieser ökonomische Wert ist allerdings nur ein Teileiner Wertepyramide die auf quantitativen und

qualitativen Effekten beruht und als Basis die gan-ze Breite der Ökosystemleistungen – Biodiversi-tätsleistungen hat. Mit der Wertermittlung wirdaber der Versuch im Sinne der „TEEB-Studie“ unter-nommen, eine Vergleichbarkeit herzustellen, ohnedass damit ein „Preispickerl“ für eine Art oder Öko-systemleistung verbunden ist. Denn diese Leistun-gen sind nicht nur Preise, die am Rohstoffmarkt er-zielt werden, sondern die Darstellung der „Werteder Natur“ als gesamter Systemwert.

Für die angesprochene gesamthafte Darstellungsind daher meines Erachtens folgende Gedankenfür eine glaubwürdige Umsetzung notwendig:Ökosystemleistungen müssen als Basis desmenschlichen Wohlergehens erfasst und aufge-zeigt werden. Um den Beitrag der Ökosystemeauszuweisen, müssen deren Werte und Leistun-gen, aber auch deren Sicherung, Produktion oderInanspruchnahme quantifizierbar, somit vergleich-bar und damit besser kommunizierbar gemachtwerden. Dies erhöht die Akzeptanz für Umwelt-und Ressourcenpolitik und die Zielgenauigkeit vonMaßnahmen, zeigt aber wieder im umgekehrtenSchluss auf, wie sich die Externalisierung von um-weltschädlichem Verhalten und daraus resultie-rende Umweltkosten auswirken. Es geht aber auchdarum die Internalisierung der Werte in Unterneh-mensentscheidungen vorzubereiten und damit füruns vermehrt Grundlagen für die Integration vonUmweltgütern und Leistungen z.B. in den Forstli-chen Planungsprozessen zu schaffen. Denn damitwird die Glaubwürdigkeit als „Nachhaltigkeitsun-ternehmen ÖBf“ gestärkt und weiter entwickelt.Mit einem solchen Vorhaben folgen wir internatio-nalen Entwicklungen auch zum Beispiel in der Eu-ropäischen Union, die eine bessere Integration derunterschiedlichen Interessen bei Förderprogram-men oder der EU-Biodiversitätsstrategie anstre-ben. Wenn es auch mit unserem Vorhaben gelingtdie Ökosystemleistungen vergleichbar(er) zu ma-chen und in weiterer Folge als integrierte Bestand-teile der Managementpraxis zu leben, dann kön-nen wir zu Recht von einem zukunftsfähigen Wirt-schaften reden. <<

GERALD PLATTNERLeiter [email protected]

ANMERKUNG:1 The Economics of Ecosystems and

Biodiversity – Die Ökonomie vonÖkosystemen und Biodiversität

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ANSICHTEN

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DER WERT DER NATURÖkonomie von Ökosystemen & Biodiversität

Eine funktionsfähige, vielfäl-tige Natur trägt ganz wesent-lich zum menschlichen Wohl-ergehen bei. Ihr Beitrag wirdseit einiger Zeit auch finan-ziell bewertet. Dies birgtChancen als auch Risiken –national wie international.

D ie Vielfalt der Arten und Ökosysteme1

geht stetig zurück. Täglich sterbendutzende Arten aus. Allein in Öster-

reich sind laut der „Roten Liste“ bedrohter Ar-ten weit über die Hälfte der Wirbeltiere undüber ein Drittel der Gefäßpflanzen gefährdetoder bereits ausgestorben.Wesentliche Ursachen für den Verlust biologi-scher Vielfalt (= Biodiversität)2 sind Flächenver-brauch, Umweltverschmutzung (etwa durchÜberdüngung), die Einschleppung gebietsfrem-der Arten und die Ausbeutung biologischer Res-sourcen (etwa durch Überfischung). Der Klima-wandel spielt vorläufig eine geringe, aber wach-sende Rolle bei der Gefährdung der Biodiversität.

Da Ökosysteme zunehmend ihre Funktionennicht mehr erfüllen können, gewinnt derSchutz von Lebensräumen an Bedeutung. Im-mer häufiger werden dabei die Beiträge biolo-gischer Vielfalt zum menschlichen Wohlerge-hen betont und unter dem Begriff „Ökosystem-leistungen“3 zusammengefasst:> Versorgungsleistungen (z. B. Nahrungsquel-

len, Trinkwasser, Holz, Arzneimittel)> Regulierungsleistungen (Klima, Luft- und

Wasserreinigung, Bestäubung, Schutz vorNaturkatastrophen)

> Kulturelle Leistungen (z. B. Erholungswert,Erleben und Bildung in der Natur, Spirituali-tät, ästhetische Werte)

> Unterstützende Leistungen (z. B. Bodenbil-dung, Photosynthese, Stoffkreisläufe)

STUDIE ALS IMPULSGEBER Wie Ökosystemleistungen finanziell bewertetwerden können, wurde im Rahmen der Studie„Die Ökonomie von Ökosystemen und der Bio-diversität“4 erarbeitet. Diese kommt zumSchluss, dass erfolgreicher Umweltschutz aufökonomischen Erkenntnissen gegründet seinmuss.Praxisbeispiele illustrieren die hohen gesell-schaftlichen Kosten – insbesondere für dieÄrmsten dieser Erde – durch die Zerstörungvon Lebensräumen und Artenvielfalt etwa inUrwäldern oder Korallenriffen. Allein die 3.000 weltweit größten Unternehmen verursa-chen Umweltschäden von über 1,7 BillionenEuro pro Jahr. Dabei hätte die Berücksichtigungvon Ökosystemleistungen für die WirtschaftVorteile: Zum Beispiel würde die nachhaltigeBefischung der Meere – im Gegensatz zur prak-tizierten Überfischung – die jährlichen Erträgeum über 37 Milliarden Euro steigern.

BIODIVERSITÄTSSCHUTZ IN DER EUMithilfe der EU-Biodiversitätsstrategie soll derBiodiversitätsverlust bis 2020 gestoppt und dieVerschlechterung von Ökosystemleistungenverhindert werden. Dazu sollen die EU-Mit-gliedstaaten den Zustand der Ökosysteme und

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ANMERKUNGEN:1 Ökosystem = Funktionsgemein-

schaft von Pflanzen, Tieren undMikroorganismen sowie derenUmwelt

2 die Vielfalt an Arten, Ökosyste-men und genetischen Ressour-cen (z. B. verschiedene Sorteneiner Art)

3 engl.: „ecosystem services“4 Studie von über 500 Wissen-

schafterInnen („The Economicsof Ecosystems and Biodiversity“,kurz TEEB). Es wurden mehrereTEEB-Berichte herausgegeben,u. a. ein Synthesebericht 2010.

5 „Ausgleichen“ einer Beeinträch-tigung, indem man an gleicheroder anderer Stelle Naturraumwiederherstellt oder schützt.

WEBTIPPS:> TEEB-Studie:

www.teebweb.org> EU-Biodiversitätsstrategie:

http://ec.europa.eu/environment/nature/biodiversity/comm2006/pdf/2020/comm_2011_244/1_DE_ACT_part1_v2.pdf

> „No Net Loss Initiative“:http://ec.europa.eu/environ-ment/nature/biodiversity/nnl

> Biodiversitäts-Info-Plattform:www.biologischevielfalt.at

> Europäisches Biodiversitäts-Informationssystem:http://biodiversity.europa.eu/

Ökosystemleistungen bis 2014 kartieren, derenfinanziellen Wert ermitteln und bis 2020 inRechnungslegungs- und Berichterstattungs-systeme einbeziehen.Die Europäische Kommission wird 2015 eine„No Net Loss Initiative“ vorschlagen, um etwadurch Entschädigungs- oder Ausgleichsrege-lungen Biodiversitäts-Nettoverluste zu vermei-den.

HANDELSWARE NATUR?Prinzipiell ist es zu begrüßen, dass der Nutzender biologischen Vielfalt kommuniziert wird.Bei der finanziellen Bewertung sind jedoch ei-nige Aspekte zu berücksichtigen:> Ökonomische Theorien kennen keinen abso-

luten Mangel (Knappheit ohne Ersatzmög-lichkeit). Da sich Arten oder Ökosystemenicht „nachbilden“ lassen, ist ihr Verlust ein-zigartig und nicht in Form von Euro-Beträ-gen mit anderen Ökosystemleistungen ver-gleichbar. Der Eigenwert der Natur (intrinsi-scher Wert) kann nicht numerisch darge-stellt werden.

> Weiters lassen sich die Auswirkungen desBiodiversitätsverlustes kaum vorhersagen.Da vermutlich weniger als 10% aller Artenweltweit beschrieben wurden und die Kom-plexität von Ökosystemen unzureichend er-forscht ist, werden Ökosystemleistungensystematisch unterbewertet.

> Es ist zu befürchten, dass die finanzielle Be-wertung zum Gegenüberstellen von Ökosys-temleistungen und wirtschaftlichen Vortei-len eines Projekts führt. Die „No Net LossInitiative“ wird ebenso kritisiert: Naturzer-störung könnte mit „Biodiversitätsgewinn“in einer anderen Gegend kompensiert wer-den.

NATURSCHUTZ-HOFFNUNGSTRÄGERIn der Ökologie gibt es Naturschutz-Konzeptewie das Vorsorgeprinzip: Da meist unbekanntist, ab welcher Belastung Ökosysteme irreversi-bel geschädigt sind, werden Schutzmaßnah-men vorsorglich getroffen und selbst poten-

zielle Folgen einer Beeinträchtigung berück-sichtigt.Darüber hinaus gilt das Prinzip der Ursachen-bekämpfung vor Folgenminderung: Bevor einKompensationsmechanismus5 zum Tragenkommt, sollen zuerst die Ursachen für diescheinbar notwendige Zerstörung eines Öko-systems ergründet und beseitigt werden. Dieswären bei einem Bauprojekt etwa Fragen derRaumplanung, der steuerlichen und rechtli-chen Rahmenbedingungen zur Nutzung leer-stehender Objekte oder Gründe für die stei-gende Zersiedelung.

Beide Prinzipien sind im Primärrecht der EUverankert. Wenn sie berücksichtigt werden, istdie finanzielle Bewertung von Ökosystemleis-tungen eine Chance: Sobald der riesige Scha-den gewisser Verhaltensweisen oder der enor-me Wert gewisser Lebensräume sichtbar wird,könnte dies als Teilaspekt politischer Entschei-dungen den Abbau umweltschädlicher Sub-ventionen oder die Schaffung von Schutzgebie-ten fördern.

Die Natur ist unsere Lebensgrundlage undträgt maßgeblich zu Wohlbefinden und Wohl-stand bei. Wird Wohlstand auf Basis des Brutto-inlandsproduktes oder der volkswirtschaftli-chen Gesamtrechnung dargestellt, bleiben öko-logische Aspekte unberücksichtigt. Noch fehlenin der Wirtschafts- und Finanzpolitik systemati-sche Ansätze, um den Wert der Natur zu inte-grieren – die finanzielle Bewertung von Ökosys-temleistungen könnte diesen plakativ darstel-len. Dabei sollte aber klar sein: Diese Bewer-tung kann Umweltschutz nicht ersetzen. <<

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Mag. Pia Paola Hubererstellt im Bundeskanzleramt (Ab-teilung Umwelt, Nachhaltigkeitund Verkehr) u.a. Hintergrundinfor-mationen zu Umweltthemen. Zu-vor wissenschaftliche Mitarbeiterinan der Universität für Bodenkultur.

„WENN VORSORGEPRINZIP UND URSACHENBEKÄMPFUNG BERÜCK-SICHTIGT WERDEN, IST DIE FINANZIELLE BEWERTUNG VON ÖKOSYSTEM-LEISTUNGEN EINE CHANCE.“Pia Paola Huber, Bundeskanzleramt

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EINSICHTEN

NATUR.RAUM.MANAGEMENT

GRATIS, ABER NICHTUMSONSTÖkosystemleistungen & ihre Bewahrung

Bannwald über Hallstatt

„Ökosystemleistungen“ – einsperriger Begriff. Was verbirgtsich genau dahinter? Vier Na-turraum-Projekte auf Bundes-forste-Flächen zeigen unter-schiedliche Ansätze, um Viel-falt und Wert von Ökosystem-leistungen langfristig abzusi-chern.

N achhaltigkeit ist das Leitmotiv derÖsterreichischen Bundesforste. Damites kein Lippenbekenntnis bleibt, müs-

sen die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit(Ökologie, Wirtschaft, Gesellschaft) auf allenUnternehmensebenen berücksichtigt werden.Die Bundesforste nutzen dafür u. a. das Pla-nungs- und Steuerungsinstrument der „Sustai-nability Balanced Scorecard“ (SBSC). Seit demGeschäftsjahr 2003 gibt sie, im Unterschiedzur sonst üblichen „Balanced Scorecard“1, nichtnur betriebswirtschaftliche Unternehmenszie-le vor, sondern auch ökologische und soziale.Jedem dieser drei Bereiche sind fünf konkreteErfolgsfaktoren für die Umsetzung zugeord-net. Ebenso Kennzahlen, mit denen der Umset-zungserfolg gemessen und gesteuert wird.Eine dieser Kennzahlen umfasst die jährlichumgesetzten Naturschutzprojekte der Bundes-forste. Sie sind von 185 Naturschutzmaßnah-men im Jahr 2004 auf knapp 1.000 im Jahr2013 gestiegen. Viele davon sind darauf ausge-legt, Ökosystemleistungen zu erhalten oderwiederherzustellen.

GEWÄSSERVERNETZUNG WACHAUFrüher bildete die Donau in der Wachau einMosaik aus Flussverzweigungen, Kiesbänken

und Inseln, Alt- und Nebenarmen. Durchmenschlichen Einfluss gingen diese vielfälti-gen Lebensraumstrukturen nach und nach ver-loren. Kraftwerksbau, Sohleintiefung2 und Tra-versen trennten auch die Grimsinger Au, ca. 5 km stromabwärts von Melk, weitgehend vomHauptstrom ab. Ein Nebenarm wurde praktischzum stehenden Gewässer, die Auflächen ver-landeten zusehends.

Dieser Entwicklung steuerten zahlreiche Pro-jektpartnerInnen3 im Rahmen zweier LIFE-Pro-jekte4 (2003-2008, 2009-2014) entgegen: Zu-erst wurde der Nebenarm Grimsing durch eineneu geschaffene Einstromöffnung wieder anden Hauptstrom angebunden. Im Folgeprojektwurde dieser Nebenarm flussaufwärts durchden Nebenarm Schallemmersdorf verlängert.Die beiden zusammenhängenden Nebenarmebilden nun ein rd. 2 km langes Fließgewässer,das wieder dauerhaft durchströmt ist – auchbei Niederwasser. Die natürliche Flussdynamikkann dort wieder abwechslungsreiche, stand-orttypische Lebensraumstrukturen schaffen,wie Kiesbänke, Kolke, Buchten, Totholz oder insWasser eingetauchte Ufervegetation. Von ih-nen profitiert eine Reihe von Tierarten im undam Gewässer, die nach der Flora-Fauna-Habi-

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ANMERKUNGEN:1 ein gängiges Planungs-, Mess-

und Steuerungsinstrument fürUnternehmen

2 Wird der Schotter- & Sediment-Nachschub aus dem Flussober-lauf unterbunden (z. B. durchein Kraftwerk), gräbt sich der„Flussboden“ (Sohle) immer tie-fer in den Untergrund

3 u. a. „Arbeitskreis Wachau“, ÖBf-Forstbetrieb Waldviertel-Voral-pen, „via donau“ & NÖ Landes-regierung

4 LIFE = EU-Förderschiene fürUmweltmaßnahmen, v. a. in Na-tura 2000-Gebieten

5 EU-Richtlinie zum Erhalt natür-licher Lebensräume sowie wild-lebender Pflanzen und Tiere

6 Legt Umweltziele für alle euro-päischen Oberflächengewässerund das Grundwasser fest

7 siehe NRM-Journal Nr. 6, S. 6-78 u. a. als „Good Practice“-Beispiel

im thematischen Booklet „Nach-haltiger Tourismus & Natur-schutz“ des „SURF“-Projektes;siehe NRM-Journal Nr. 11, S. 11

9 Ramsar = Übereinkommen zumSchutz international bedeuten-der Feuchtgebiete

10siehe Kasten Seite 911 siehe NRM-Journal Nr. 8, S. 10-11

bzw. Nr. 12, S. 8-1112 siehe NRM-Journal Nr. 7, S. 10-11

bzw. Nr. 8, S. 11 bzw. Nr. 14, S. 1113 Lebensräume, die mehr Kohlen-

stoff aus der Umgebung auf-nehmen als sie an sie abgeben

14 siehe NRM-Journal Nr. 7, S. 8-9

WEBTIPPS:> SBSC:

www.bundesforste.at/unter-nehmen-nachhaltigkeit/nach-haltigkeit/strategiematrix.html

> Grimsinger Au:www.life-mostviertelwachau.at

> Moorallianz in den Alpen:www.alpen-moorallianz.euwww.surf-nature.eu/fileadmin/SURFNATURE/Publications/SustainableTourism_DE.pdf

> ÖBf-Klimaschutz:www.bundesforste.at/unter-nehmen-nachhaltigkeit/nach-haltigkeit/umwelt-und-klima-schutz.htmlStudie „Moore im Klimawan-del“: www.bundesforste.at >Service & Presse > Publikatio-nen > Studien

tat-Richtlinie5 geschützt sind (z. B. Barbe, Hu-chen, Biber, Fischotter). Fischökologische Ver-besserungen tragen wesentlich dazu bei, dassdieser Donauabschnitt den „guten ökologi-schen Zustand“ laut EU-Wasserrahmenrichtli-nie6 erreichen kann. Die Umsetzung erfolgtezum Großteil auf Bundesforste-Grundstücken.

Insgesamt dienen derartige Projekte zum Wie-derherstellen intakter Gewässer und Auennicht nur dem Artenschutz, sondern sichernauch Ökosystemleistungen wie Fischerei,Hochwasserschutz und Erholung.

TOURISMUS & ERHOLUNGMoorallianz in den AlpenDas grenzübergreifende Projekt „Moorallianzin den Alpen“7 (Salzburg, Tirol, Bayern) beweist,dass Naturschutz und Tourismus kein Wider-spruch sein müssen, selbst in so sensiblen Le-bensräumen wie Mooren. Im Gegenteil: Vielfäl-tige Leistungen der Natur sind die Grundlagefür einen nachhaltigen Tourismus. Den Bun-desforsten und anderen PartnerInnen ist es imRahmen der Moorallianz gelungen, selteneMoore zu erhalten und gleichzeitig ihren Wertfür einen naturnahen Tourismus aufzuberei-ten: Gemeinsames touristisches Marketing (z.B. Website, Film) macht auf die Moor-Regionenaufmerksam, die geschaffene Infrastruktur (z.B. Lehrpfade, Beobachtungsplattformen, Exkur-sionen mit eigens ausgebildeten Moorführer-Innen) erleichtert das Naturerleben vor Ortund trägt zur Umweltbildung als auch zur Be-sucherlenkung bei. Insgesamt stärkt der natur-verträgliche Tourismus regionale Strukturenund erhöht die Wertschöpfung vor Ort.Neben anderen Auszeichnungen8 wurden dieMoore am Pass Thurn (Mittersill, Salzburg)mittlerweile auch zum Ramsar-Schutzgebiet9

erklärt.

RuhegebieteGerade in Zeiten der oftmals lärmenden tou-ristischen Events ist es wichtig, dass es auchGegenpole gibt – Regionen, in denen ein ganzbesonderer Naturwert dominiert: Ruhe. Vondieser Ökosystemleistung profitieren wir Men-schen zumindest bei Tourismus und Gesund-heit: Ruhe zieht Einheimische und Gäste an,die „abschalten“ wollen – was wiederum nach-weislich positive Auswirkungen auf ihr Wohl-

befinden hat. In Tirol und Salzburg existiert so-gar eine eigene Schutzgebietskategorie, in derLärmbelästigungen ausdrücklich verbotensind: Ruhegebiete bzw. -zonen10.

KLIMASCHUTZEine ganz andere Ökosystemleistung wirdkünftig sicher an Bedeutung gewinnen: derBeitrag bestimmter Lebensräume zur Klima-regulierung. Wälder z. B. nehmen große Men-gen des Treibhausgases CO2 aus der Luft aufund speichern den darin enthaltenen Kohlen-stoff langfristig.11 Die Klimaerwärmung wirddadurch abgeschwächt. Auch funktionsfähigeMoore können beträchtliche Mengen CO2 bin-den. Daher setzen sich die Bundesforste aktivfür den Erhalt intakter bzw. die Renaturierungbeeinträchtigter Moore auf ihren Flächen ein(471 Moore, 1.675 ha).12

Eine eigene Klimaschutzstrategie gibt seit 2011Ziele und Maßnahmen der Bundesforste beimKlimaschutz vor. Sie fußt auf drei Säulen:> angepasster Waldbau, damit Bundesforste-

wälder und -waldböden als „Kohlenstoffsen-ke“13 dienen können

> Reduktion des betrieblichen CO2-Ausstoßesum 16 % zwischen 2010 und 2020, v. a. beiHolzernte und -transport (sie machen 83 %aller CO2-Emissionen aus)

> Unterstützen internationaler forstlicher Kli-maschutzprojekte14

Überprüft werden die Fortschritte seit 2009durch eine jährliche Klimaschutzbilanz – in dereuropäischen Forstwirtschaft bislang einzigar-tig. In ihr werden die jährlichen CO2-Emissio-nen aus dem gesamten Unternehmen (v. a. ausEnergie- und Treibstoffverbrauch) den CO2-Sen-ken (z. B. nachhaltige Forstwirtschaft, Moorre-naturierungen) gegenübergestellt. 2013 mach-te die Netto-CO2-Senke (rd. 1,1 Mio. Tonnen) das46-Fache der CO2-Emissionen (rd. 24.000 Ton-nen) aus. <<

NATUR. RAUM. MANAGEMENT | Ausgabe 04/2014 – Nr. 22 7

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EINSICHTEN

NATUR.RAUM.MANAGEMENT

WERT-SCHÄTZUNGEin Bundesforste-Großprojekt

Netzfischerei am Grundlsee

Mit einem großen Modellpro-jekt betreten die BundesforsteNeuland: Erstmals wird um-fassend erhoben, welche Öko-systemleistungen auf ihrenFlächen erbracht werden. So-weit möglich, wird der Nutzendieser Leistungen dann wirt-schaftlich bewertet.

W ie viel ist eigentlich saubere Luftwert? Oder die Vielfalt an Pflanzenund Tieren? Die Leistungen der

Natur lassen sich doch nicht konkret bewerten,oder? Manche ExpertInnen behaupten: Genaudas ist das Problem. Denn die momentanenWirtschaftsmodelle nehmen natürliche Res-sourcen, die keinen definierten Wert oder Preishaben und für uns alle (scheinbar) ausreichendvorhanden sind, kaum wahr. Solche Ressourcenlaufen Gefahr, übermäßig genutzt und beein-trächtigt zu werden.1

Die TEEB-Studie2 empfiehlt daher, Naturgüterund -leistungen in einen wirtschaftlichen (fi-nanziellen) Wert umzurechnen. Auf diese Wei-se soll der Nutzen, den die Natur dem Men-schen bringt, anschaulicher, vergleichbarer undin unserem Wirtschaftssystem berücksichtigtwerden. Man verspricht sich so nachhaltigereEntscheidungen in Politik und Wirtschaft.

LEISTUNGEN BEWAHRENDie Leistungen, welche die Natur für uns Men-schen bereitstellt, sind keineswegs selbstver-ständlich. Nur funktionierende Ökosystemekönnen z. B. vor Naturkatastrophen schützen.Die Bundesforste als größter Naturraumbe-treuer und größter Forstbetrieb Österreichs (rd. 511.000 ha Wald, davon mehr als 340.000ha Wirtschaftswald) tragen hier eine besonde-

re Verantwortung: Sie nutzen zwar die natürli-chen Ressourcen des Waldes, aber im Sinne derNachhaltigkeit. Ökologischen, gesellschaftli-chen und wirtschaftlichen Interessen wirdgleichermaßen Rechnung getragen. So sichernsie wichtige Ökosystemleistungen ihrer Wälderlangfristig (z. B. den Schutz vor Lawinen undSteinschlag durch rd. 152.000 ha Bundesforste-Schutzwald) – und damit die Wirtschafts-grundlage des Unternehmens als auch die Le-bensgrundlage vieler anderer Menschen. Au-ßerdem hat sich herausgestellt, dass sich derErhalt von Ökosystemleistungen durch über-legtes Naturraummanagement auch wirt-schaftlich rechnet3: Fast immer ist er günstigerals ein nachträgliches „Reparieren“ beeinträch-tigter Lebensräume.

ÖBF-MODELLPROJEKTMit einem großen Modellprojekt betreten dieBundesforste nun Neuland: Sie wollen umfas-send erheben, welche Ökosystemleistungenauf der gesamten Bundesforste-Fläche4 er-bracht werden. Anschließend wird dem ökolo-gischen, gesellschaftlichen und wirtschaftli-chen Nutzen all dieser Leistungen ein Gegen-wert zugeordnet. Damit verfolgt erstmals inÖsterreich ein Unternehmen flächendeckenddiesen Ansatz. Bisher waren dazu nur anlass-bezogene kleinräumige Projekte oder solcheauf nationalstaatlicher Ebene vorhanden.

8 NATUR. RAUM. MANAGEMENT | Ausgabe 04/2014 – Nr. 22

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ANMERKUNGEN:1 siehe auch http://media.arbei-

terkammer.at/PDF/Oekono-mie_Beilage_Falter_2014.pdf

2 „The Economics of Ecosystemsand Biodiversity“; siehe Seite 4bzw. www.teebweb.org

3 u. a. im Bericht „TEEB for natio-nal and international policymakers“; www.teebweb.org >Publications

4 BAFU = Bundesamt für Umwelt(Schweiz)

5 GIS = Geografisches Informati-onssystem

6 siehe Kasten auf dieser Seite7 Künstliche Lichtquellen können

Organismen in ihrem natürli-chen Hell-/Dunkel-Rhythmusbeeinträchtigen

8 siehe auch Gewässervernet-zung Wachau, Seite 6

WEBTIPPS:> Ökosystemleistungs-Indikatoren:

www.bafu.admin.ch/UW-1102-Dwww.umweltgesamtrech-nung.at > Anwendungsgebiete> Indikatoren

LITERATURTIPP:> www.eustafor.eu/failid/File/

Publications/Eustafor_eco-system_report_2011.pdf

VorstudieDie nötige Methodik arbeitete das Umwelt-bundesamt in einer Vorstudie aus (im Auftragder Bundesforste und in Kooperation mit demWWF): Zuerst erhob es die einzelnen Ökosys-temleistungen auf Bundesforste-Flächen. Da-raufhin wurden 17 von ihnen ausgewählt, diegenauer weiterbearbeitet und bewertet wer-den sollen.

Diese 17 Ökosystemleistungen können, aufbau-end auf dem sogenannten BAFU-Klassifikati-onssystem4, vier „Nutzen-Kategorien“ zugeord-net werden:> wirtschaftliche Leistungen

(7 Ökosystemleistungen: Trink- & Brauch-wasser, fruchtbarer Boden für die Landwirt-schaft, Holz, Bestäubung, Wild & Fische,wertvolle Natur- & Kulturlandschaften fürdie kommerzielle Nutzung im Tourismus, er-neuerbare Energien)

> Gesundheit(6 Ökosystemleistungen: Ruhe, natürlicheDunkelheit, lokale Klimaregulation, Erho-lungsleistung, Identifikation mit der Land-schaft, Naturbeobachtung)

> Sicherheit(3 Ökosystemleistungen: Erosions-, Hoch-wasserschutz, Speicherung von CO2)

> Natürliche Vielfalt(1 Ökosystemleistung: biologische Vielfalt)

HauptprojektDie Vorstudie ist mittlerweile abgeschlossen.In ihr wurden auch 50 Bewertungsindikatorenentwickelt. Mit diesen Indikatoren soll nun imHauptprojekt erhoben, quantifiziert und aufGIS-basierten Karten5 dargestellt werden, wel-chen direkten und indirekten Nutzen die 17Ökosystemleistungen für den Menschen ha-ben. Speziell in den Kategorien „Gesundheit“,„Sicherheit“ und „Natürliche Vielfalt“, wo eskeine gängigen Marktpreise gibt, könnte die fi-nanzielle Nutzen-Bewertung auf der Bundes-forste-Gesamtfläche schwierig werden. Wel-chen Beitrag leistet etwa der Aufenthalt in an-sprechender Natur zum menschlichen Wohlbe-finden? Oder auf Bundesforste-Flächen ohneLärmbelästigung6 und „Lichtverschmutzung“7?Wie groß ist die Schutzleistung von Flächen,die Hochwasserspitzen dämpfen können (z. B.Auen, Altarme, Überflutungsflächen, Moore)?8

Möglicherweise können hier quantitative oderqualitative Daten auch aus Umfragen, Gäste-verhalten oder Fallstudien auf Bundesforste-Teilflächen abgeleitet werden. Falls metho-disch zulässig, werden daraus Rückschlüsse fürdie gesamte Bundesforste-Fläche gezogen.Zusätzlich zur aktuellen Bewertung sollenauch Entwicklungstrends dargestellt werden:Wie verändern sich Ökosystemleistungen bis2050 bei bestimmten Szenarien (geänderteLandnutzung, Klimawandel, Einbringen vonNährstoffen oder Arten, demografische, sozio-logische oder technische Entwicklungen)?

Das Hauptprojekt wurde EU-weit ausgeschrie-ben, die Vergabe an einen Auftragnehmer ist be-reits erfolgt. Es beginnt im Herbst 2014 und läuftfünf Jahre lang. Seine konkreten Ergebnisse wer-den intensiv kommuniziert. Denn eines ist nochviel entscheidender als Ökosystemleistungenmethodisch exakt zu bewerten: dafür zu sorgen,dass die gewonnenen Erkenntnisse auch tat-sächlich in umwelt-, gesellschafts-, wirtschafts-und unternehmenspolitische Planungen undEntscheidungen einfließen. <<

NATUR. RAUM. MANAGEMENT | Ausgabe 04/2014 – Nr. 22 9

Aufgaben> Schutz der Natur und Landschaft> Erholungsmöglichkeit abseits von

Lärm und Intensivtourismus> Absolut verboten sind (lt. Tiroler Na-

turschutzgesetz):> Jede erhebliche Lärmentwicklung> Errichten von lärmerregenden Be-

trieben, Seilbahnen zur Personenbe-förderung und Straßen für den öf-fentlichen Verkehr

> Starts und Landungen von motorbe-triebenen Luftfahrzeugen

In Österreich> Nur im Tiroler und im Salzburger Na-

turschutzgesetz (dort: „Ruhezone“)vorgesehen

> Tirol: 8 Ruhegebiete (ges. 1.325 km2

bzw. 10,5 % des Bundeslandes)> Achental-West (seit 1989; Karwen-

del; 38,1 km2)

> Eppzirl (seit 1989; Karwendel; 33,4 km2)> Kalkkögel (seit 1983; Stubaier Alpen;

77,7 km2)> Muttekopf (Lechtaler Alpen; seit

1991; 38 km2)> Ötztaler Alpen (seit 1981; 405,5 km2)> Stubaier Alpen (seit 1983; 348,9 km2)> Wilde Krimml (Kitzbüheler Alpen;

seit 2000, 4,32 km2)> Zillertaler Hauptkamm (seit 1991;

379 km2)> Salzburg: noch keine Ruhezone ausge-

wiesen

ÖBf-Flächen> 7 Ruhegebiete gesamt (591,62 km2

bzw. 6,9 % der ÖBf-Gesamtfläche)

> www.tiroler-schutzgebiete.at/schutzgebiete/ruhegebiete.html

> www.tirol.gv.at/statistik-budget/tiris/tiris-kartengalerie/schutzgebie-te-naturschutz

SERIE SCHUTZGEBIETE

7) RUHEGEBIETE

BISHER ERSCHIENENTEIL 1 „Nationalparks“ (Ausgabe 04/2012)TEIL 2 „Natura 2000-Gebiete“ (01/2013)TEIL 3 „Wildnisgebiete“ (02/2013)

TEIL 4 „Naturparke“ (03/2013)TEIL 5 „Naturschutzgebiete“ (01/2014)TEIL 6 „Biosphärenparks“ (02/2014)

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ANSICHTEN

NATUR.RAUM.MANAGEMENT

NATUR ZÄHLT. NUR WIE VIEL?Chancen & Grenzen von Ökosystemleistungen

Nationalpark Kalkalpen, Haselschlucht

Kann das Konzept der Ökosys-temleistungen die Natur fürWirtschaft und Politik „sicht-barer“ machen? Oder machtman damit den Bock zumGärtner, indem man Markt-mechanismen die Lösung vonUmweltproblemen überlässt?Zwei ExpertInnen diskutierenPro und Contra.

Wo bieten sich Chancen durch das Erfassenund Bewerten von Ökosystemleistungen?von Grünigen: Erstens bei der Quantifizierungund der Kommunikation jenes Beitrags, den dieNatur für unsere Gesellschaft leistet. Zweitensbei der besseren Akzeptanz für Umweltpolitik.Und drittens beim Verbessern der Zielgenauig-keit von umweltpolitischen Maßnahmen.

Was bedeutet das, z. B. auf einen Schutzwaldbezogen?von Grünigen: Ein Schutzwald erbringt Leis-tung, indem er Gebäude und Infrastrukturschützt. Würde er wegfallen, müsste man dieseanderweitig schützen. Wenn Sie der Bevölke-rung das klarmachen können, dann hat dieserWald – und sein Schutz – im politischen Dis-kurs ein größeres Gewicht.Heuwieser: Ich finde, das Konzept der Ökosys-temleistungen ist ein sehr ökonomisches undauf den Menschen zentriertes. Es geht nur umdie Dienstleistungen, welche die Natur für denMenschen bietet. Natur wird immer mehr et-was, das getrennt von uns ist, das gemessen,bewertet, kontrolliert werden soll. Genau dasist aber oft nicht möglich. Man kann Lebennicht einfach so ökonomisch darstellen. Ich fin-de, das Zitat von Albert Einstein bringt es aufden Punkt: „Nicht alles was zählt, kann gezähltwerden. Und nicht alles, was gezählt werdenkann, zählt.“

Womit wir schon bei den Grenzen des Ökosys-temleistungs-Modells wären.von Grünigen: Es stimmt: das ist ganz klar einauf den Menschen bezogenes Konzept. Außer-dem handelt es sich um eine modellhafte Ver-einfachung der Realität. Und drittens ist dieVerfügbarkeit von Daten häufig ein Problem.Aus diesen Gründen ist es wichtig, dass manes als ergänzendes Konzept sieht – und nichtals einziges.Heuwieser: Der Trend geht aber dahin, dassÖkosystemleistungen das Hauptkonzept wer-den. Es steht die zählbare Natur im Vorder-grund. Es wird nur das gemessen, was bere-chenbar ist. Zum Beispiel an einem Fluss: DieEnergieproduktionsleistung kann berechnetwerden, nicht aber der ästhetische Wert. Weilletzterer nicht in der Rechnung aufscheint, istdie Konsequenz dann wahrscheinlich ein Stau-dammbau.von Grünigen: Das Beispiel des Flusses zeigtgut, dass sich die Gewichtung verschiedenerÖkosystemleistungen nur in einem Diskursklären lässt. Es ist aber der bessere Diskurs,wenn man über alle Ökosystemleistungen desFlusses gut informiert ist.

Könnte man sagen: Dieses System ist noch nichtausgereift, aber es ist immerhin das beste, das wirhaben?Heuwieser: Dem möchte ich widersprechen. Ich

10 NATUR. RAUM. MANAGEMENT | Ausgabe 04/2014 – Nr. 22

Mag. Magdalena Heuwieserist Koordinatorin von „Finance& Trade Watch“ – einer Platt-form österreichischer NGOs1,die sich kritisch mit dem The-ma „Finanzialisierung der Na-tur“ auseinandersetzt.www.ftwatch.at

Stefan von Grünigen (M.A.) istEnergie- und Umweltökonomund Bereichsleiter beim priva-ten Beratungs- & Forschungs-unternehmen econcept AG.www.econcept.ch

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ANMERKUNGEN:1 NGO = Non Governmental Or-

ganisation (Nichtregierungsor-ganisation)

2 siehe z. B. auf www.umweltge-samtrechnung.at

3 MAES = Mapping & Assessment ofEcosystems and their Services;http://biodiversity.europa.eu/maes

WEBTIPPS:> Biodiversität:

www.biodiversityknowledge.eu> Ökosystemleistungen:

www.biologischevielfalt.at >Leistungen der Natur > Ökosystemleistungenwww.biodiversity.de/index.php/biodiversitaet/downloads/1202-faktenblaetter-oedlwww.naturtipps.com/oeko-systemdienstleistungen.htmlwww.naturkapital-teeb.de

> Kritik:www.ftwatch.at > Finanzialisierung der Naturwww.boell.de/de/2014/02/25/vom-wert-der-naturwww.boell.de/de/2014/01/30/neue-oekonomie-der-naturwww.biomotivation.eu > Outcomes > Policy brief No. 1www.fern.org/sites/fern.org/files/Biodiversity2_DE_0.pdf

LITERATURTIPPS:> www.sib.admin.ch/uploads/

media/UM-193-D.pdf> http://unstats.un.org/unsd/

envaccounting/eea_White_cover.pdf

würde sagen, es ist das schlechteste System.Auch in Zukunft wird und darf es nicht möglichsein, die Natur in Modelle und Rechnungen zupressen. Ein Beispiel: Es reicht doch, dass mansagt, durch ein Bauprojekt wird eine große An-zahl von Tieren ihr Leben lassen und mehrereGemeinden werden keine Lebensgrundlagemehr haben. Dazu muss nicht noch der konkre-te Wert der Arten festgelegt werden.

Was schlagen Sie stattdessen vor?Heuwieser: Wir müssen verhindern, dass Na-turschutzregulierungen immer mehr in markt-förmige Mechanismen umgebaut werden. Der-zeit wird letztendlich versucht, Gesetze zu Prei-sen zu machen. Profitieren werden Konzerne,weil sie viel Geld haben und sich dann leistenkönnen, die Natur weiter zu zerstören.von Grünigen: Ganz wichtig ist, dass Ökosys-temleistungen einen Paradigmenwechsel er-möglichen: Heute sagen Politiker oft: „Wir kön-nen uns keinen Biodiversitätsschutz leisten,weil unsere Bevölkerung Wohlstand will“. Dasmüsste man aber umkehren und sagen: „Wirkönnen uns keinen Biodiversitätsverlust leis-ten, weil unsere Bevölkerung Wohlstand will“.Heuwieser: Ja, da stimme ich Ihnen zu. Wobeibeim Wohlstand klar sein muss, dass er nichtgleichbedeutend mit Wachstum ist und wirmit unserer Produktions- und Konsumweisenicht so weitermachen können wie bisher.von Grünigen: Genau. Wir müssten frühzeitigfeststellen: „He, Moment mal, wir knabbern anunserem Naturkapital, wir haben eigentlichkeinen Wohlstandsgewinn, sondern einenWohlstandsverlust, wir müssen unsere Politikändern!“ Und hier kann das Konzept der Öko-systemleistungen einen Beitrag leisten.Ein Ansatz zur „Inwertsetzung“ der Natur ist,

ihren Wert auch finanziell auszudrücken. Daswird manchmal stark kritisiert.von Grünigen: Ich glaube, man muss die Quan-tifizierung ganz klar von der Umrechnung inGeldeinheiten trennen. Letzteres ist oft einegroße Herausforderung – und auch nicht im-mer nötig. Nach meiner Erfahrung hilft im po-

litischen Prozess eine einfache Quantifizierungin gängigen Einheiten oft schon sehr – also z. B. in Kilogramm, Anzahl oder Quadratmetern.Heuwieser: Wie gesagt: Ich bin auch bei dieserscheinbar einfachen Quantifizierung schonsehr skeptisch. Die Umrechnung von Ökosys-temleistungen in Geldwerte wird jedenfallszur Konsequenz haben, dass dann auch derSchutz wichtiger Ökosysteme von ihrer wirt-schaftlichen Rentabilität abhängt. Natur wirdimmer mehr zur Ware und am Markt gehan-delt werden.

Wenn man den Wert von Ökosystemleistungenermittelt hat – was dann?von Grünigen: Die vierte Chance der Ökosys-temleistungen ist, die Leistung der Natur auchin der volkswirtschaftlichen Berichterstattungzu erfassen2. Dies gäbe ein Gegengewicht zurklassischen, rein ökonomischen Messung desWohlstandes eines Landes.Heuwieser: Das Einbeziehen von „Naturkapi-tal“ in die Gesamtrechnung ist ja leider ein de-klariertes Ziel der EU, z. B. mithilfe von MAES3.Und was bedeutet das in unserer krisenanfälli-gen Zeit? Wenn ein Land ein sehr hohes Natur-kapital besitzt, dann kann es nach solchen Be-rechnungen viel einfacher etwas davon verkau-fen, damit Geld in die Kassen fließt. Und daswird automatisch der folgende Schritt sein.

Wie sollte es Ihrer Meinung nach mit dem Kon-zept der Ökosystemleistungen weitergehen?Heuwieser: Meiner Meinung nach sollte dieserAnsatz nicht weiter ausgebaut werden. Die Ten-denz geht aber ganz klar in die andere Richtung.von Grünigen: Ich würde mir wünschen, dass sichdie Ökosystemleistungen als eine Ergänzung zuanderen Konzepten weiter etablieren und imDiskurs um Umweltfragen eine wichtigere Rollespielen. Dieser Prozess muss jedoch weiter kritischbegleitet werden, damit die genannten Heraus-forderungen gemeistert werden können. <<

Die Fragen stellte Uwe Grinzinger.

NATUR. RAUM. MANAGEMENT | Ausgabe 04/2014 – Nr. 22 11

„MAN KANN LEBEN NICHT EINFACHSO ÖKONOMISCH DARSTELLEN.“Magdalena Heuwieser, Finance & Trade Watch

„ES IST WICHTIG, DASS MAN ÖKO-SYSTEMLEISTUNGEN ALS ERGÄN-ZENDES KONZEPT SIEHT – UNDNICHT ALS EINZIGES.“Stefan von Grünigen, econcept AG

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UW 686 DAS | Papier: Claro-Bulk | Druck: F. Berger & Söhne Ges.m.b.H., 3580 Horn. Das Unternehmen ist PEFC-zertifiziert und hat für dieses Produkt Papier eingesetzt, das nachweislich aus nachhaltiger Waldwirtschaftstammt. Die Herstellung ist nach der Umweltzeichen-Richtlinie UZ 24 für schadstoffarme Druckerzeugnisse erfolgt.