Koch - Neofaschistische Bewegungen (Skorzeny)

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GiinterKoch " " . Als/Mutprobe: MORD' Uber Bewegungen " " in kapitalistischenLiindem Militarverlag der Deutschen Demokraiischen. . Republik

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GiinterKoch " "

. Als/Mutprobe: MORD'

Uber neofaschistis~he Bewegungen " " in kapitalistischenLiindem

Militarverlag der Deutschen Demokraiischen .

. Republik

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ISBN 3-327-00524-9

Inhalt· Prolog 5

EinAbend im Dezember 6 -Tote konnen nicht mehr reden 55

Braune Spuren 59. Offiziersanwfuter mischten mit 69 Die Quellen blieben im dunk~ln 72-SymbolischeJudenverbrellriu,ngals «Witz» 75 N azioberst als Gast der Burideswehrhiftwaffe 77· Kranz der Bundeswehr fUr SScMorder 87 In Uniformzum K~eradschaftsabend 84.

, Ehemaliger Bundeswehrgener;:tl an der Friedensfront 87

, «Bock, .einen Tiirken aufZllllljsch~n» 89 «Niitzliche ldioten» in-FuBballstadien 95 Bitten! Erfahiungen deutscher Geschichte 700 Hitlerstellvertretyr als Mfutyieridol 705 Nurdie Spitze des Eisbergs 707 Die bntune-8aatgingauf 720 «Spinn~» oder «Odessa» 124-

~ -Bueht ins Geiangnis 129

. SpurenflUu1en auch ins poIizeidepartement· 737

Sturmangriff in deIiArderinen 747

3-.

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AufmarSc~ iDl<<Tal derGef8.IIenew) .745 Schiisse inder Calle Atocha 753.. .

Post fUr Mi~r AIberthy 757 . Anonym.e Geldspenden aus der Hochfinanz .' 777

Flitterwochen im .. «N azikonzentrationslager» 776

\ Verrater verfallen der Feme 782 SchIagzeilen fur «Obe~turmba.nn1'iihreD> CoIlin797 Chance auf friedliches Zusanunenleben wahren 205

Epilog ' .. 272 ".

Zusammenstellung iiber Q.eonaZistische und paramilitiirische Bewegungen sowie weitere rechtsradikale Orgarusationen, Gruppen,'

., Vereine in der BRD und in Berlin (West) 213

An:m.erkungen, Queilen, und Zitatennachweis .' 279

-. '

Prolog «lhr aberlemt, wie man sieht statt stiert

, Und handelt, statt zu redennoch und noch. So was hatt einmal fast die Welt regiert! Die Volker'wurden seinerHerr, jedoch DaB keiner uns zu friih da triumphiert - . Der SchoB ist fruchtb~ noch, aus d~m daskroch.»

Epilog des Stiickes «Der a~altsame Aufstieg des Arturo Ui» v'on Bertolt Brecht, geschrieben 1941 iIll Exil.

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'I 'I

il Ii, 11 II II , I II ! j

Ii

,EinAbend imDezember

Genau zur vorausberechrteteri Zeit bog, der kleine VW von der Stadtautobahn ab und verlieB,Niirnberg a).lf der Bunde~~ straBe 4 in Richtung Norden. Massenhaft rollte Blech iiber den Asphalt. Ladensch1uB. Auziigiges Fahren warnicht~ denken. Den jungen Mann hinter dem Lenktad storte das

, nicht. Staus hatte er einkalkuliert.,' ,

, Er fingerte aus der Paclumg eine Zigarette und ziindete sie an. 1m schwachen Schein der Gasflamme war kurz sein Gesicpt zu sehen.' Zeugen hatten es spater als zart,' fast ~adchenh~t beschrieben. Dazu vielleicht die aufgeworfenen Lippen erwlihnt und blondes, ll:)ckiges Haar, das kurz geschnit­ten den Kopf wie eine Periicke umschloB. Auffallend eine langliche Nar!Je' auf der rechten Wange. Aber fUr'dieses Verbrechen, das minutios ablief wie der CountdoWn eines Raketenstarts, ga~ es'keine Zeugen. , " ,

Es fing an zu rueseln, die Scheiben beschlugen: Der Mann setzte den Wischer in Gang, kurbelte ein Fenster herunter

" undbeobachtete die Leute in den Wagen neben ihm. Er sah vor allem wohlsituierte' Familienvater, die ihre Weihnachts­einkaufe nach Hause brachten. Wie selbstgerecht die inihren

,'klotzigen'Limousinen hockten! Der Teufel mochte $iSllen, durch welche Betriigereien oder miesen Geschlifte die zu,

, sovielKnete gekommen waren. In fiirif Tagen wiirden sie in der Christmesse sitzen, und fromme Lieder, singen. Friede auf, ' Erden und den Menschen ein Wohlgefailen.Ja, ScheiBe"

In die Kolo!11le kam Bewegung. Der junge Mann schob den Gang $. gab behutsanl Gas; Mit seinen Gedartkenwar er dabei ganz woanders. Er IOste eine Hand yom Lenkrad und

.6

tastete zuni N ebensitz hiniiber. Hart und kiihl spiirte er unter def Wolldecke die Beretta-MPi, Kaliber 9 mm.,

, Urn diese Zeit legte Shlomo Levin in seinem Haus in Erlangen die «Italienische Sinfonie» von Mendelssohn Bartholdy auf. Der 69jiihrige Verleger, klein von Statur' mit ansehnlichem Bauch, dem Habitus nach ein Gemiitsmensch, liebte die Bee schaulichkeit stiller Abendstunden besonders im Winter. Frida Poeschke, Levins zwolf Jahre jiingere LebensgeHihrtin, hatte noch in der Kiiche zu tun.' In de'r ganzen W ohnung duftete es verfiihrerisch nach Weihnachtsgeblick., , "

In einenSessel hingestreckt IauschteLevin der Musik. Er war mitsich zufrieden, wiewohl in der Welt noch manches im argen lag. Urn so mehr Gewicht hatten fUr ihn l~kale Ereig~, nisse, wie das Gelingen der gemeinsamen kleinen Festlichkeit fUr christliche und jiidische Waisenkinder. Er hatte die vor­weihnachtliche Veranstaltung angeregt: Gegen einige Stim~ men im V orstand. Der Erfolg gab ihm recht. Sogar der Ober­biirgermeister war gekommen. GewiB,' ein kleines Beispiel

\ nur von Toleranz lmd Harmonie zwischen Menschen untet-' schiedlichen Glaubens, ,aber ein Beispie~ das Mut maChte. LeVin dachte bekUmmert an das nun schori seitjahrzehnten

,,' andauemde BlutvergieBen im N ahen Osten, und unvers~hens , kam ihm Lessings Ringparabel in den Sinn. Wann enCllich wiirde die'Menschheit aus ihrer Kriltur, ausihrer Geschichte , , lemeri?

Frida Poeschke, die Wangen erhitzt, sah zur Tiir herein und ' , fragte'ihn irgend etwas. FreUndlich gab er Antwort und bCJt zugleich seine Hilfean. Sie wehrte llichelnd ab und vet­schwand wieder in derKiiche. Levin blickte ihr zartlich nacho /" Gut lebten sie,tusammen, die Niehtjiidin und er.Anfangs

, war ihre Gemeinschaft im Bekanntenkreis auf kiihle Distanz,' auch auf Ablehnung gest<;>Ben. BeiLeuten" von denen sie soviel IntoleranZnie,vermute.thlitten. Mit der Zeit aperdings

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erschien es selbst ehemalig~n Skeptikem unter seinen Freun­den durchaus niitzlich undiiberzeugend, daB es zwischen seinem Wirken als Vorsitzender der Gesellschaft fUr christ­~ch-jii~che Zu~ammenarbeit in Erlangen ~d seinemAlltag . m den elgenen VIer Wanden keinen Widerspruch gab. _

Wenn erehrlich zu sich selbst war, muBte er eingesh~hen, daB. es . auch fUr ihn ~in komplizierter Weg gewesen war.· Viele V orurteile hatte er iiberwinden .miis~en. In Palastina gebciren, in Deutschland aufgewachsen, dann emigriert und _nach vi~len Jahren in die BRD gekommen, hatte es lange gedauert, bis in fum Erkenntnisse gereift waren, die seinen heutigen Standpunkt bestimmten. . -.

Die «Italienische Binf0nie» war verklung~n.riie Standuhr schlug halb sieben. Levin erhob sich achzend,-es machte ihm einige Miihe, aufzustehen. Er drehte die Platte um und legte H~lz im . ~amin nacho Den massigen Kopf ein wenig ZIp" Selte genelgt,. wartete er auf die ersten vertrauten Tone von Mendelsso~s Ouvertiire zu Shakespeares «Ein Sommer­nachtstraum». Darin machte Shlomo Levin es sich m seinem Sessel wieder- bequem.

Er h<;ltte noch knapp dreiBig Minuten zu Leben:

Unversehens loste de,r Stau sich auf. Motoren, iibertourt geschaltet, jaulten. Die Wagen vor und nebenihin schossen los wie bei einem Autorennen. Uber den. nassen Asphalt geistertenrote· Lichtschleifen. Wahnsinnspilotenbeim

. Liickenspringen. Ein Mercedes hinter ihm lieB aggressiv sein SignalhomhOren und in kurzen Abstanden samtliche Schein-werfer aufblitzen. '

Der junge Mann betatigte den Blinkefund wechselte!nit sei~ nem uralten VW"Kafer gemachlich itidie Kriechspur. ~r *r­cedes streifte fast seinen Kotfliigelund raste an ihm vorbei, als sei der Teufel hinterihm her. Idiot! schimpfte.der JUDge Mann hut vor sichhin. Er hatte keine Lust, in einen Unf~ verwickelt

Zll werden: Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Er schaute auf . die Uhr und sah, da(3 er noch reichlich Zeit hatte.

Er bog ab auf die EuropastraBe 5, fuhr iiber eine Briicke. Tief unter ihm glitzerte im fahlen Mondlicht Wasser: Der Main-Donau-Kanal. Alles lief bislletwie geplant: Er wiirde

- sich der Stadt nicht'von Norden oder Siiden, sondem vom . -Nordwesten nabem. Auch seinen Fluchtweg hatte er so aus-gewahlt, daB ein moglicher Verfolger zwischen ihm und dem RaumNiimberg keinenZusammenhangherstellenkonilte.Ap inRichtung Bamberg, dru:.m einenHaken schlagen nach Wiirz­burg. boch langevorherwiirde er an einer uniibersichtlichen . Stelle die LandstraBe verlassen und iin Steigerwald unterc tauchen. Oft genug war er die Strecke abgefahren. 1m

.- Labyrinth der Waldwege und Schneisen fand er sich mit.ver-bundenen Augen zurecht. . .". .

Schon vor dem Verlasseri. der LandstraBe wiirde er die . Scheinwerfer ausschalten und dann mit gedrosseltem Motor fastgerauschlos durch den einsamen Forst fahren. Die MPi" lag dann langst auf dem schlickigen Grund des Main-Donau­Kanals.

·Erschaltete das Radio ein. Eine helle Kinqe]'"stimme sang: " «Es ist ein Ros'entsprungen ... »Jab iiberfiel ibn Heimweh.

Er litt ofter unter solchen StimmungsschwaIikungen in den letztenJahren. Em: Gefiihl von HeimatIosigkeit, das _ihn trau­rig undhilflos machte. Es schniirte ihm fast die Kehle ab:

Er sah sich vor dem glitzemden Li<;:bterbaum. Er hatte eme weiche, helle Stimme. «Esis! ein Ros' entsprungen ... » Das Lieblingslied seiner Mutter fu derWeihnachtszeit. Wie oft hatte er das singen mUssen. Er wollte einen anderen Sender einstelle~ doch er hattenichtdie Kraft dazu. Automatisch / lenkte er den iangsani dahinrollenden Wagen und g~b sich" . sentimental seinen Erinnerungen hin. -- - . -Nachdemerg~sungeri. hatte, durfte er sich die Geschenke

angucken. Et Wurdereichli~be~?ienkt, obwohl die Mutter·"

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,sonstsehr sparsam war.Sie nahin ibn dannindie AnD:e, kiiBte ibn ab und weinte. S~in Gesicht ~de ganz naB von ihren Triinen. Werui er fragte, warum wein$t du denn,Mama, strlcb sie ibm lib-ers Haar. und . sagte nur, das verstehst du noch nicht, mein Haschen. Immer sagte sie Haschenzu ihm. Auch, wenD. andetedabei waren,und erwar immerhin fast

.ze.hn. .

Das anderte sicherst, als Raimund aufkreuzte. Onkel RaF · mund sollte er ibn nennen, verlanste seine Mutter. Quatsch, · sagte Raimund in seiner knappen; schneidigen Art, nenn mich Raimund' und basta! Wir beide sind doch richtige Manner, . was? Wir werden uns scho~ vertragen; Und er knuffte ibn mit angespitzter Faust in dieSeite, daB ibm die Rippen nach einer W oche nom weh taten.

Seitdiesem Tag anderte sich vieles in seinem Leben. Wich­tig fur .ibn: Die Mutter dutfte ibn Dicht mehr Haschen nennen, sondem nur noch so rufe~ wie er hieB, Uwe., Haschen sagte' sie nicht mehr, obwohl. er es· nun marichmal gem gehOrt · hatte. Aber' die Mutter tat nur noch, was Raimunq wollte: Sie hatte wohl machtigen Respekt yo!' ibm und traute sich nichL

'An den, Vater konnte sich Uwe B. nicht'erinnem~ Was er von ibm wuBte, hatte man ibm nach undnach erzahlt. Die . Eltem besaBan eine kleine Drogerie, doch das Geschaft warf nicht vi~l abo Das lag nicht· nur an dem- ungiinstigen Ort . am Rande der Kleinstadt in der Eifel. D~:r Vater, 1945 mehr to~ als lebendig aus dem Krieg zuriitkgekehrt, hatte resigniert. Dun fehlte jeglicher Schwung und die Kraft;· im Buhlfn urn

. die Gruist der Kunden mitzuhalten, ausdem hescheidenen : Laden einen Shop zu machen. Mit nichteininaldreiBigJahren war er verbraucht,ein alter Mann. Das hatte seine.,.-or-geschichte. . '

.' V onklein auf kr3nklich, warsein Vater bei der ¥usterung , zuriitkgesteiIt worden, als sich die AbiturIq'!-Sse 1944 geschlos-

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'~en freiwillig ~ 'Waffen-SS gemeldet hatte.nas sollte die Antwort der HitleIjungen auf das Att«:ntatvom 20.Julisein.

. Heimlichschlich er sich zumStabsarzt - im ZivilberufDenna­tologe und ein Freund der Familie -'und versuchte, ibn urn-zustimmen. Wenn aIle einriitkten, wollte er nicht zuriick­

. bleiben. Er wurde-so 'schon genug gehanselt v,on seinen Kame­raclen und den Madchen. DerweiBhaarige MedizinaIrat, nur noch fur Musterimgen dienstverpflichtet, hatte ibn verstand­nislos angesehen. Er solle doch froh sein, ilaB ibm die Ehre des Heldentods fur den FUhrer erspart bliebe. Dax:aufhin war sein Vater aufgesprungenund hatte den alten Doktor an­geschrierr. Er ,;erlimge die ~escheinigung!'.AndemfalIs werde er ibn wegen feindlicher AuBerungen bel de; Gestapo an-zeigen. . , ,

So wurde er einberufen. Kamaber nicht zur Waffen-SS, sondem in die Schteibstube einer riitkwartigen Einheit des Heeres. Weibnachten 1944lieBen sich fUnf ehemalige Klassen­kameraden kriegstrauen. Der V at~r hekatete Luise Hartlieb, die Tochter des Drogisten aus d~r Slidstadt, ein bleiches, schlichtemes Madchen, vdnden Jungen kaurn beachtet. In. amerikanischer Gefangenschaft,im beriiehtigten Lager Bad, Kreuznach, erkrankte sein Vater an Tuberkulose und wurde vorzeitig entlassen. Von den 23 Freiwilligen seiner Abitur­kIasse keluien 18 gar nichtund zwei als Invaliden ausdem Feld zuriitk. Nur drei liberlebten aIle Gefahren ohne sicht-baren Schaden. ,

. Kiturn ein Jahr nach der Entlassung des Vaters aus der Gefangenscl:taft wurde Uwes Schwester geboren, Dach das Madchen liberlebte den erstt!n Monat nicht. Den friihen Tod ihres Kindes maehten sich die jungen Eheleute gegenseitig ztim Vorwurf. Der Mann lastete seiner Frau an, siehabe das zarte Baby· nur Ul1ZUi"eichend namen k6nnen und es oben­drein falsch.behandelt. Sie hieltibm mangeIhde ubenskraft vor die er dem Kind vererbthabe. In ihrer Rat- und Hilfc ' - ' -

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.lo§igkeit machteri * -sich gegenseitig das Leben zur Holle. Nach Jahren,als seine Eltem schon uicht mem daniit

gerechnet hatten, kam einJunge zur Welt: Sie nannteri ihn Uwe. Dieser Junge war er. . - -

Das Erlebnis der spaten Mutterschaft gab der verharmten Frau neuen Auftrieb. Der Sohn wurde fur Llrlse zum bestim­menden Lebensinhalt. Von klein auf verhatschelte und ver­ziirtelte sie das Kind. Den Vater hielt sie von ibm fern. Er ~e wahrenddessen, gemeinsam mit der8.chwiegermutter, die alles be§ser wuBte, lustIos das Geschaft.

- Die Liebe derMutter zeigte schon bald tyr.;mnische Zuge. Stets bekam Uwedie besten Happenserviert, und er muBte es.sen, a~~ wenn erschon satt war. hn Friihling, wenn andere -Kinder langst mit Socken oder barluB henllnIiefen, wurde er ge~gen, weiter ein Leibchen ~d s!;!lbstgestrickte lange Striimpfe zu tragen wie im tiefsten Winter: Amnahen Guter­bahnhbf in den Waggons Verstecken spielen, das Klettern ~uf

, die Kastartienbaume an der Molkerei, alles war ibm verboten. ,I Das kannst du nicht. Da,s ist zugefcihrlich.Du muBt dich . schonen. Sieh dir Vater an,willst du auch so krank wer­

den wie er? Solche Ermahnungen wiederholte~ sich iiber Jahre. -

Schlimm wurde es fur ~ als er in die Schule katn. Die . Mutter brachte ihn nicht uur in den ersten Tagen hin. Noch

in der zweiten und dritten Klasse lieferte sie ihn morgens am _ S~~tor ab, und nach dem Unterricht wartete sie regel­

maBlgan dem roten Backsteingebaude auf ihn. Da halfen " weder Tranen noch lautstarke Proteste. --

Uwe schamte sich imetwegen. In der Klasse galt erals Muttersohnchen,und der bissige Spott seiner Mitschiiler ver­folgte ihn bisinden SchIaf. Manchmal ware er am liebten von zu Hause weggelaufen. Eimnalwiinscil.teer sogar, die-Mutter ware tot. Ein Wunsch, der ihn bald reuteund ibm zu- .

. satzlich Seelenqualenbereitete.--

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.Damals war der Vat{!r schon langst gestorben. Es war, als , hatte er mitder Zeugung des Sohnes seine eigentliche Lebens~ .

aufgabe erfiillt. Sein Leiden hatte sichverschlimmert.Er b~gann Blut zu spucken. Stand -dennoch Tag fur Tag im Laden, wo eskaum etwas zu verkaufen gab in jener Zeit. ErverijeB diese fur ibn freudloseWelt, als Uwe seine ersten . eigenen Schritte in dasLeben tat. Sein Vater wurde nicht mal fiinfunddreiBig. - .

-Das Warnschild fur die S-Kurve. Uwe nahm Gas weg,.lieB sich von einem nachfolgenden Lastwagen iiberholen, bog dann scharf rechts ein und fulrr aufdem Feldweg mit abgeblenc detem Licht ein paar hundert Meter bis zu einem ausgedehn~ ten Busch. Jeder zufaIlige Beobachter wiirde annehmen, er miisse seine Notdurft verrichten. Er hockte sich vor das Auto, dann hinter das Heck. Das Werkzeug lag griffbereit. Das Aus-

_- wechselnder Nummernschilder dauerte nicht mal drei Minuten .• Er war kein biBchen aufgeregt. Ab sotort war der VW nicht mem in Niirnberg, sondern in Koln zugelassen. Die ab­ge_schraubten Schilder verstaute er im vorbereitetenVerste~ unter der Gummimatte. Zufrieden fuhr er zuriick zur LaI).d-

· straBe. hn Radio spielten sie noch imIDer Weilinachtslieder. Doch

s~iIie wehn;tiitige Stimmung war. wie weggeblasen. ScheiB­-gefiihlsduselei. Gelobt-sei, was hart macht! Das war einer der ersten Spriiche, die ibm Raimund-eingeb~ut hatte.

Ach ja, der,Raimund. Was mochte aus demgewordEm sein? Als er ibn kennenlernte, damals, vor nahezu15 J ahren,bereiste dieser rus ArzneimitteIvertreter im Stidwesten von Koln die Provinz zwischen Kbblenz, Trier und Aachen. Ein energischer Mann mit sympathischer.· Ausstra.4Jung, der .lachen konnte -\vie ein groBer Junge und dabei zwei Reihen praci?-tiger Ziihne zeigte. Er War hochgewachsen, breitschultrig und hatte drink-

· les, glattes Haar,imIDer einen Scherz oder eine deftige Zote · auf den Uppen. Ein Typ, der den Fr.auen gefiel.-Wo ermit

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seinem OpeI~Kadett auikreuzte, war immei was los;undbei den Kindem machte er sich mit kleinen Geschenken beliebt. Das waren z. B. Probeflaschchen mit, billig-en Dufiwassern,

. abgefiillt in gHiseme Piippchen oder Afftm, 'Elefanten und andere Tiere mit SchraubverschluB.

, Uwe war knapp zebnJahre alt, als Raimund eines Tages in der kleinen Drogerie auftauchte,seine.Mutter als neue Kundin gewann und ihr auf der Stelle eine Menge Ware aufschwatzte. Die Marktlage hatte sich im V ergleichzur ersten N achkriegs-

, zeit in den 60er Jahrengrundlegendgewandelt. Wer genugend Gel4 hatte, konnte alles Gewiinschteim UberlluB kaufen. DasbUhdesdeutsche Wirtschaftswunder hatte auch daS ver­schlafene Stlidtchen ill der Eifel erreicht. '

Es 'blieb ,nicht bei jeIiem ersten Besuch. Raimund nistete sich.bei ibnen ein und stellte a1s erstes den La~en auf den Kopf. GroBe' Schaufenster, pelle Wlinde, mbderhe Beleuchtung, ubersichtliche Regale ~ die Drogerie warnichtwiede:rzuer7 kennen. Luise auch nicht. Das lag nicht nur an der neuen Frisur. So heiter und ausgeglichen hatte lJwe' seine Mutter fruher nie edebt. Aber auch se~ Leben verlinderte ~ich grurid-legend. '

Als er einmal vorzeitig a:us der Schule nach Hause kam, wurde erungewollt Zeuge einer erregten Auseinandersetzung zwischen Raimund und seiner Mutter. Sie stritten sich seinet­wegen. Einen Wasclilappen hast du erzogen, schimpfte Raimund mit seiner harten Stinune, di:ekeinenWiderspruch

" duldete. EineMemme. Heult bei jeder Gelegenheit, anstatt ,sich zu wehren. Was soIl das mal fUrein deutscher Mann 'werden! Das werde ich'lindem.. .,' ,

" UIid. es, ~de anders.W e~ er, heute zuruCkdachtc,an Jene ZeIt, kam ihm das alles ganz Iustig vor,erfiillte ibn so etwas

, wie Stolz darauf, wie weit er ,es seitdem gebracht hatte. Was war er aberauch fUr ein ScheiBketlgewesen! DaffiaIS aIler­dings war er manchm.al.vot Angst fast gestorben.

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Gelobt sei, was hart macht. Eines Abends,kurz nach Laden­schluB, riefRainuind ibn zu sich. Er muBte sich zWischen seine Knie stellen. Weshalb zitterst du?' fragte Raimunei, hast du etwa Angstvor mir? Uwe sah mit groBen Augen zu seiner

. Mutter bin und schuttelte kaurn merklich den Kopf. Guck mich an, wenn ich. mit dir rede, befahl Raimund. Uwe zuckte , gehorsamherum. Ich werde einen richtigen Mann aus dir'

, machen, sagte Raimund sanft. Das mochtest du doch weroen? ' Der Junge nickte zaghaft. Bisher allerdings, Raimund sah ihm direkt in die Augen, bist du ein Waschlappen. Vor allem hast ciu Angst. Eine Schande ist das. Wir werden das lindern, wir'

, beide,du und"ich. WennkiinftigjemandAngst haben wirei, dann andere ~ vor dir. Bist du einverstanden? Uwe nickte

, folgsam. , Dann zog Raimund den Stock aus einem Lederetui. Der, .Junge starrte auf das Instn~ent, wie etwa eiIi K~cheIi eine zi41gelnde Schlange anstarrt. Seine Mutter hat(:e ibn nie geschlagt:n, aber natiirIichwuBte er, Was ein Rohrstock war. Ich habekeinen Grund, dich zu sfrafen, edliuterte Raimund freundlich, es geht lediglichdarum, dich abzuhlirten. In Uwes Ohren begann es seltsam zu rauschen. Schmerzen ertragen, ohne zu schreieI!: Raimunds Stimme kani plotzlich von weit . her, Wenn man einen Ochsen drischt, briillt er; Ein Mensch aber muB sich beherrschen konneri. Das kann man lemen. Mehr verstand der Junge nicht. Er muBte sich uber ein Knie beugen, Raimund zog ihm, die Hosen str~. Ein tiickisches Pfeifen, dailn horte Uwe gellende Schreie und begriff; daB er es war, der so schrie.

Spliter, nach dem Abendbrot - er natte kaurn sitzen konnen, So brannte ihm der Hintem; und nur mtilisam einpaar Bissen :' heruntergewiirgt :::., kamen sie an sein B~tt. Seine Mutter sah " ibn schuldbewuBt anund b~t mit den Augen urn Verzeihung. Ware Raimund nicht c:iabeigewesen, hlitte er sich ihr an den HaIs geworfen una sich ausgeheult. ,So aber unterdriickte er

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die Tranen und dreJIte 8ich zur W and~ Er hOrte Schritte und wuBte, Raimund hatte die Mutter hinausgeschickt. Unwillkiir-lichbegann seinKorperru zittern. ~ ..

Raimurid zwang ibn mit sanfter Gewalt, sich umzuwenden, lachelte ibm aufmunternd zu. Brauchst dich nicht zu ver­stecken, Uwe, du hast dich p~a gehalten. AIle Achtung. Er 1muffte ibn in die Rippen. Jetzt bist du ein Kadett; WeiSt du, was das ist? Ein kiinftiger Offizier. Ich war friiher mal auf einer Kadehenanstalt, man nannte sie bloB anders, damals. N.P.E.A. hieBen die. Nationalpolitische Erziehungsanstalt, wir sagten meist Napola. Dahaben wiralles gelernt: Schi~Ben, Reiten, Fechten, Segelfliegen und Boxen natiirlich. Dei kam nicht jeder hin. Wir waren die Elite. Schule wie auf dem Gym­naSium. Unsere Erzieher hatten in Oxfort studiert, .an der Sorbomie oder andereIi beriihmten Universitaten in der Welt. Sie trugen Uniform wie wirundhatten den Rang von Offizieren der Waffen-SS. Prachtige Kerle. Wenn du willst, erzahle ich dir mehr davon. Und nun schlag mich in die Fresse, aber richtig.

Der Junge sah Raimund entgeistert. an. N a los! ermunterte ibn der Altere, schlag zu! Da Uwe keine Anstalten machte,

. der Aufforderung zu folgen, fing Raimund an, ibn zu knuffen und zu boxen. Er beschimpfte ibn als FeigliIig, Schlapp­schwanz, Bettnasser und mit anderen heleidigenden Ausc driicken, bisderJunge - vOr Wut weill im Gesicht - sichjah aufbaumte und eine Faust mit aller Kraft nach vorn an den Kopf des Mamies stieB. Der fing die Hand im letzten Moment ab und verdrehte den Arm des Angreifers, bis' Uwe vor Schmerz winselte und bat, ibn ·loszulassen. Kaum· war der Junge frei, stiirzte er .s.ich, mit beiden Fausten wild um sich : schlagerid, erneut auf semen Peiniger. Rhlmund weml sich hicht. Et begniigte sich damit, die argsten, Treffer mit q.us­gestreckten Handen abzufangen wie heim Boxtraihing, dazu lachte. er mit· oIfenem ~und und spornte . den Jungen an,

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kraftig zuzuschlagen, rrnnier weiterzumachen, bis auch Uwe . unter Tranen lachte, schlug und schlug und sich schlieBlich -erschopft aufs Kissen fallen lieB. .

Bravo, freute sich Raimund, so ist es richtig! SelbstbeheIT~ schung. Aber nichts gefallen lassen. Und wenn's drauf an­kommt; immer rus erster zuschlagen. Ohne Bedenk~n. Den

. inneren Schweinehund besiegen, Ausdir kann was werden, . Kadett. , Die Hinterbacken brannten, der verdrehte Arm tat ibm·. weh - dennoch fiihlte sich Uwe aufeine ibm bisherunbekannte Art gliicklich und stark. Als seine Mutter nochmal besorgt nach ibm sah, s~ef er langst, tief undentspannt. .

Sie Setzten diese Ubungen fort. Zwei-~bis dreimal in der W oche. Variierte Programme •. Nicht nur Stockschlage auf den Arsch. Wiederholt schliIgen sie sichgegenseitig-abwech- . selnd die rechten Zeige~und Mittelfinger so lange aufein­ander, bisdie Haut anschwoll, sich violett verfa.rbte, manch- ' mal auch aufplatzte; Raiinund probierte offenbar aJle~ mit ibm aus, was . er aus seiner Kadettenzeit· kannte. Er nannte das'Uberlebenstralning und bestand darauf, daB Uwe sich freiwillig dazu bereit fahd. Und tatsachlich hatte der Junge mit der Zeit einen ibm selbst nicht erklarlichen SpaB daran, sich auf diese Art zu beweisen.· Die Anerkennung dieses Mannes bedeutete ibm viet

Unerschopflich warenRaimunds Ideen fiirMutproben.1rri . Garten errichteteil sie zum Beispiel einen Scheiterhaufen. Vor ibm sprang Raimund durchdas Feuer. Dann lockte und ruohte

. er so lange, bis Uwe seine Angst iiberwand und ebenfalls durch die lodernden Flammen sprang. N atfulich sprang er zu kurz, seine Jacke fmg Feuer. RaiIilund griff sofort zu und / stopfte ibn in die .bereitstehendeTonne ~t Regenwasser. Es. zischte kurz, roch ein billPIen versengt, sonst kam nichts zu Schaden. .

Wichtigste Ubung aber blid> das Training mit dem Rohr~

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!"C:., stock. Mit Riicksicht auf die Nachbam hatteRaimund fur 'diesen Zweck einen Rauin im K~Uer eingerichtet. Die Mutter .

hatte daraufbestanden, nachdem Uwes Gebriill noch drei Hauser weiter ~ horen gewesen war. Aber dai passierte nur " nochin der Anfangszeit: AUmii,hlich wurde Uwe soabgehartet, daB w.n Stockschlage selbst'auf den nackten Hihtern nichts ausmachten. Raimund kOnllte zuschlagen, wie er wollte, der Junge spannte die Muskeln'an, biB die,Ziihn!! zusammen und ' schwieg. H6chstens, daB er mal keuchte und tief du.r'chatmete. ' fu die Schule mllBte er manchinal ein W asserkisseri mitn~- ' men, sonst hatte er nicht sitzen k6nnen. Doch sein Selbst­bewuBtsein stiegbetriichtlich. W ~nn er auf der StraBe an den Leuten vorbeiging oder in der'Pause ,das' Gewimmel cler Jungen und Madchen mn. sich herum beobachtete, dachte er manchmal: Wenn die wiiBten!

Als der elicke Radecke spater auf dem Schulhof wieder mal sp6ttisch Girlface Zu ihm sagte, sprang Uwe den als Klassen­stiirksten gefUrchteten Gaitwirtssbhn ohne Wamung an, riB illIl ziJ. . Boden, rammte ihm den. Ellenbogen in die Magen­grube, drosch ihm die Nase blutig, traf dem am Boden Liegen­den mit voller Wucht in die Rippen,bis endlich der aufsicht­fiihrende Lehrer und ein SchUler der Zw6lftenihn packten.

Radecke fehlte zwei W ochen beim Unterricht. Der V orfall sprach sichherum im Ort. Seine Mutter wUrde in die Sc::hule bestellt. Sie, schickte Raimund mit einer V ollmacht. Es geschah das erste Mal, daB' der ehemalige V ertreter,der den Job aufgegeben hatte und sich nur noch ,umdie Drogerie kiimmerte, als sein Stiefvater auftrat. Das erhOhte Uwes An-sehen, nichtnur in seiner Kl~se.' " ,

Als Raimund zuHauseyon dem,GespracIi e~te, knuffte er ibm vergniigt in die Rippen. Nur nichts gefallen lassen. Schon gar nicht von den Roten, die Deutschland an die Amis und an die Russen verk,aufen wollen. Damit spielte Raimund offenbar darauf an; daB Radeckes Gaststatte Ver- ' kehrslokal der SoziaIdemokraten war, und auch die Friedens­union hielt dort ihre Versamnilungen abo Daran h'!tte Uwe .' iiberhauptnicht gedacht, als er auf den dicken Radecke los- ,. ging. ' Was Raimund da sagte, kam ihm gelegen. Er hatte der­Riickkehr des «Stlefvaters» yom Direktor eigentlich mit gemischten Gefiihlen entgegengesehen. Das eirideutige Lob freute ihn nun besondefs. fuder niichsten Zeit registrierte Uwe mit Befrledigung, daB es niemarid mehr wagte, ihn Girlface zu nennen. R~und stammte aus Gedern, einem Stadtchen in Hessen, ,

in der Niihe von Frankfurt am Main. Hier hatte er seine Jugend verbracht. Und wiederholt erzahlte er Uwe yon jenem besonderen Tagim Sommer 1933, da die Kinder schulfrei hatten, die gauze Stadt festlich geschmiickt war, ausallen H~usern Hakeukreuzfahnenhingen und abertds Musik­kapellen und ein FaCkelzug:durch die StraBen marschierten. \ Es gab gleich zweifachen Grundzum Feiern, erklarte der Mann dem aufmerksam lauschenden Halbwiichsigen stolz.' Erstens war-es in kurzer Zeit "gelungen,die einfluBreichsten , Juden aus Gedern zu vertI'eiben, und zweifenshatte Adolf Hitler die ihm yon den Gederner Stadtvatern angetragene Ehrenbiirgerschaft «mit aufrichtiger Freude» angenommen. ,

Der Sacllverhalt war klar. 'Radecke hatte Uwe offensicht­lich provoziert. Dennoch, der Direktor sUchte nach passe.en Worten, war es n6tig, so heftigund unkontrolliert zu reagie­ren? So habe man den UWf; bishernicht gekannt. Der Direktor belieB es bei einer Ermahnung. _

, "

ZiI seineml4. Geburtstag erhielt Uwe von Raimund ein riesiges Paket. Da si(;hdie Knote~ so sChnell nicht lOsen lieB~.n, ,nahm derJunge sein Fahrtenmesser tmd schnitt die ~dillur

. kurzerhand durch. Er traute seinen, Augen nicht. Schwarze Stiefe~ schw~ Kluft, dazu Koppelund Schulterriemen":', . eine komplette Montur. Begeisteit war er dem vaterlichen Freund an den Hals gesprungen.

18 19

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. Women spater, im Aprll1970, nahm' R~Und ibn zum " ersten Mal mit in seine Geburtsstadt. N atiirlich hatte er die neue~ Sachenangezogen. RaimUndstoppte seinen Audi.- die Zeiten des Opel-Kadetts waren langst vergessen - vor einer Diskothek Uwe sah eine Menge Leute, vor allem altere Herren, manche in feldgrauen Uniformen. Fast alle - festlicil gekleidete Zivilisten wie Uniformierte - trugen sichtlich stolz Orden lind Ehrenzeichen aus, der Nazizeit.Junge Burschen, in Wcher Kluft wie er, standen vor einem riesigen Hitler­bild Ehrenw~ciIe. Jemand stimmte das Deutschlandlied an, . und alle' rissen den rechten Arm hoch. Em hagerer Mann mit schlohweiB~m Haru: und ~ineJ:p.,SchmiB im Gesicht wetterte gegen die Verzichtspolitik der Bundesregierung, verurteilte die Ostvertrage und nannte Willy Brandt einen Vaterlands­verriiter.

So erlebte,Uwe in,'Gedem seine erste Geburtstagsfeier des FUhrers, denn Adolf Hitler war noch immer Ehrenbiirger dieset Stadt im WeUeraukreis in Hesse,n unter CDU-Biirger­meister'Schwarz. Seitdem war der 20. April fur Uwe ein besonders wichtiges Datum.

. Der Familienrat - das waren seine Mutter und Raimund, die Oma war schon vor Jahren gestorben - hatte beschlossen, daB er so schnell -me moglich ins Geschiift einsteigen sollte. tier Laden lief erstaunlich gut. Das Zeitalter der Chemie war angebrochen. Geschick.te Werbung hatte den Leuten Bediirf­nisseeingeredet, ohne die sie plOtzlich glaubten, nicht mehr leben zu konnen. W aschmitte~ Enthiirter, Weichspiiler, WeiBc

macher in verwirrender Vie~ em kaum noch iiberschau­bares SortUnent von Erzeugnissen zur Korperhygiene und Kosmetik. Rairp.Und spielte mit dem Gedanken, im Zentrum eine Filiale zu eroffnen. Die sollte Uwe iibemehmen. :t

Er biB sich also noch bis zur mittleren Reifedurch und begann"in Andeinach eine Lehre als Drogist. Dann' kam fur sie alle der Hammer. Eine iiberregionale Handelskette knallte

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, Ihnen einen Supermarkt ~or die Nase. D~ gehorte ein Riesendrugstore, natiirlich alles mit Discountpreisen (Rabatt). Raimund war auBer sich. Ohne Miihe hatt~ er herausgefun­den, daB die Handelskette von jiidischen Geldgebem finan-

" ziert wurde. Die hat man auch vergessen, in Auschwiti zu ver­, , gasen, schimpfte Raimund. Da siehst du's wieder m~Uwe:

Jeder lebendige Jude i$t einer zuviel. . Nach einem knappenJahr war we Tante-Emma-Drogerie

pleite. Sosehr Raimundsich miihte, dieAbzahlung der Kredite zehrte an der Subst~ sie kamen immer tiefer in die roten Zahlen .. Die Mutter Ii:I.UBteden Laden dichtmachen. Damals hatte sic1i Uwe geschworen; Racheru nehmen. Zunachst rririBte der Supermarkt wieder versCh.winden. Er wollte sich abends einschlieBen lassen und Brandsatze legen. Raimund hielt nichts von dieser Idee.

Meinst du etWa, ich trau' mich nicht?! fragte Uwe herauS-' fordemd. Er stieB dabei ein Bierglas urn, denn sie hatten schon, einiges getrunken. Raimund winkte abo Dann bauen sie was N eues hin. Die sind doch alle versicheri:. Das ganze jiidisch

, . verseuchte System muB weg. , "

Seit Uweausgelemt hatte, War er arbeitslos. Der Drogist in Andemach konnte ibn nicht behalten, soviel warf das, Geschiift nicht abo Eine Weile war Herumgammeln ja ganz schon. Aber auf die Dauer ohne Knete, nur so die Zeit tot~ schlagen, dakam er sich allmahlich ganz schon beschissen vor. Seine Mutter steck.te ihm zwar manchmal 'ne Mark extra zu,

. doch viel half das nicht. Die Mutter tat ihm leid. Raimund hatte sich abgeseilt, war

nach Miinchen gegangen. Kameraden hatten ihm in der freien -Wirtschaft einen Job besorgt. N ad? der Pleite mit dem Laden hielt ibn offensichtlich nichts niehr in dem Nest m der Eifel.:­Luise sollte dasldeine Hausverkaufen, hatte er gemeint, und nachkommen. Das warwohl nurso dahingeredet, und seine Mutter WuBte das. Diebeiden Warenfertig miteinander. .

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I.

" I

Thm gegeniiber hatt~ sich Raimund weiter anstandig ver­halten, da korinte er nic4t !Ueckem. Efues Tages nahm ihn Raimund auf eine Fahrt nach Bayem mit. UntelWegs efzahlte er ihm Wunderdingevon einem Haudegen der neuen Bewe­gung, der unerschrockene Kampfer Umsich geschart habe, urn Deutschland zU retten, wie eiIist Hitler es getan hatte. Er verfiige iiber Waffen, sogar iiber SchiitzenpanzelWagen, daran wiirden aile ausgebildet. Und weiBt du, waS der noch hat? fragte Raimund denatemlosJauschendenjungen, einen Puma. Ein ausgew~chsenes Raubtier. Und mit dem spaziert er manchmal am hellichten Tage im ,gefleckten Kampfanzug durch die Innenstadt von Niimberg, alshatte er 'nen Dackel an der Leine. '_

Noch bevor Uwe ihn zum ersten Mal gesehen hatte, war-er begeister:t von dem Haudegen, der sich einenPuma hielt und in einem SchloB residierte. Begeistert und neuSierig. Biwak und Lagerfeuer, dasstellte ersich romantisch vof, echte Kame­radschaft, Und als Raimund ihm noch versiclierte, jeder er­halte dort einen festen Sold, freie Unt~rkunft und Verpflegung

. :und habe die Chance, sich hothzuarbeiten,sogar bis zum " Offizier, da war Uwe Feuer und FIamine.

Unweit von Nil,rnberg gelangten sie in die Gemeinde Ermreuth, f"uhten durch einen verwilderten Park und hielten vor einem: schloBartigen Gebaude. Abgeblatterter Piltz, Risse im Mauerwerk, ein Bau, der etwa vordreihundert Jahren seine BIiitezeit hatte. Vor dem SchloB parkte em abgewrackter SchiitzenpanzelWagen mit Bundeswehr-,Kennzeichen_ Ab­seits wui&miiber ein Forderband gepreBte Strohballen in eine Scheunetransportiert. Man sab Manner mit StahIhelmen und Leute, die aussaben wie Landarbeiter. In diesem SchloB

, e~st «Gaufiihrerschule der NSDAP», befand sichseitMai 197' die Kommand~zentrale der «Wehrsportgruppe (WSG} Ho:ffmann». " " " " _ '

Raimundund Hoffmann kannten sich offenbar.,Wie Uw~

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,Ehemals «Haupt~ quartier>J.der «WSG Hoffmann»:

_Schlofi Ermreuth

'spiiter erfuhr, waren sie sich kurze Zeit zuvor begegnet,: als die WSG fur einen Kameradschaftsabend ehemaIiger An­gehOriger der Waffen-SS in Passau den Saalschutz iibemomc

meI\ hatte.Der Chef, wie Karl-Heinz Hoffmann auBerdienst­lich aIlgemein genannt wurde, imponierte dem Neuling -yom' '" ersten Augenblick an. Gewaltiger Schnimzbart, energiseher Blick, soldatische Haltung und eine Stimme, diezu befehlen gewohnt war. Erheblich jiinger als Raimund, sein ,V orbild ~ . den letztenJahren, war der AlterSunterschi.eozwischen ihnen jedoch groB genug, daB Uwe ihn sofort als absolute ltespekt-_person,akzeptierte. ",' , ,

Die Jahre auf SchloB Ermreuth waren' die bisher schonste 'Zeit seines Lebens. Er diente von der Pike auf. Am Anfang muBte er sich'gam schon durchbeiBen. Die «Alten» versuch~­ten, ihmdas Leben sauer zu machen,dabei waren sie kaurn alter rus er. AIlerdings hatte er datnaIs noch ausgesehen wie grad sechzehn, weilsein Gesicht glatt war wie ein Kinderpopo; Zu seinem Leidwesen wollte, ihm kein Bart wachsen, obwohl er fast neunzehn war; Einer schikanierte ihn mit V orliebe,

• z. B. beim Waffenreinigen. Auf Weisung vom Chef hatte-er '

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Neunilzi Karl-Heinz Hoffmann

yom ersten Tag an einen -K;uabiner erhalten, das war bei Neuen _sonst erst nach einer Probezeit ublich. Zwar war der Lauf yom zugeschweiBt, das entsprach den gesetzlichen V or­schriften, darin kannte Hoffmann sich aus, aber es war ein echter Karabiner. Der Ausbilder hatte zuvor-bei derBundes­wehr gedient, ein. gewisser Dieter Epplen, ein vierschrotiger GroBkotz, det den SpieB herauskehrte und damit -angab, er konne Zeitziinderbomben basteln. Damals hatte Uwe nieht gealmt, daB das nicht nur Angeberei war.

Exerzieren, W aff~ reinig-en, SchloB auseinandemehmen, . wieder zusammenbauen. Ausbildungim Geliinde. Stellungen - ausheben, ausschwarmen in Kette, Tamung unter verSchie-

denen Bedingungen, operativ-taktisches V orgehen 31s Spiih­-truppund im,StoBtruppeinsatz init Nahkampfiibung Mann gegen Mann. SchlieBlich Rangertraining, Ausbildung als Einzelkfunpfer, Kunst des lautlosen Totens. " _

Disziplinv:erstoBe wtrrden mit drakonis&en Strafet geahn­det. Stockschlage auf die nackten FuBsOhlen, Papageien­schaukel und Tigerkafig - das hatten sie den «Green Berets» -der US Army inVietnam abgeguckt -, Kiingtll1lh und SpieB-

'24

rlitenlaufen. Ein Kiinguruh muBte in vorgegebener Zeit bei . praIler Sonne oder klirrendem Frost, den feldmarschmaBig -_.gepackten Tornister vor den Bauch geschnaIlt, dret Kilometer

durchs Geliinde hupfen. Zu Bettnassern, auch die gab es, kam dM N achtgespenst. 1m tiefsten Schlaf wurde dei- Delinquent gepackt, aus dem Bett gezerrt Und geknebelt. pann rieben sie ihm den nackten Hintem mit schwarzerSchuhcreme ein. .

Uwe muBte emmal SpieBrutenlaufen. Das machte ihm < nichts aus. Er war abgehartet unci,; Schlimmeres gew6hnt.

Trotzdem horte dieser Epplen nicht' auf,ihn vor versammel­ter Mannschaftzu verscheiBem. Er hatte einen Mlind wie die Bardot. Und statt Uwe nannte 'er ihn Brigitte. Die game Truppe wieherte. Wieder war Girlface sein Spitzname. Es war Zorn V erriicktw~rden. Aber er hatte sich geschworen: Denen wiirde er es noch zeigen.

/

Mitglieder der « Wehrsportgroppe» bezm, Manover. :' im Baynschen Wald

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Ver harte Kern der WSGwohntein karg eingerkhteten - Stubenauf ScllloB Errirreuth.Aber Anhanger kamen aus gam

Bayern: Unter ibnen eine gauze Reihe ehemaliger Bundes­wehrsoldaten, die Gastrollt;n gaben oder auchstandig blieben. An manchen W ocheminden, wenn sie ins Feld riickten und irgendwo Uri Bayerischen Wald biwakierten, kamen nUt TroB an die 600 Leute zusmrunen. Sie wurdeRaus Gulaschkanonen verpflegt, die sich Hoffmarui dank sein~n zahireichen undurch­sichtigen B,eziehungen ~benfalls von der Bundeswehr ver-sctuifft hatte.. '

Sie zogen nicht nur ins Manover, sie hatten auch' Front- ' emsatze. Spezielle SfoBtrupps der WSG demolierten bei Uber­raschUIigsangriffen die Schaufenster fortschrittlicher Buch­laden ,ill Niimberg, Bamberg und Regensburg, uberfielen GaStstatten, die als Trefljmnkte cler Roten galten, und provo": zierten SchHigereien. Oft ubernahmen sie bei Veranstaltungen der NDP oder des «Stahlhelms» den Saalschutz. Wiederholt operierten sie gememsam mit dem «Sturm 7», einer Truppe nach dem V orbild der «WSG Hoffmann» im Raum Hanau, mit cler vomBundeswehrleutnant Michael Killmen in Hamllurg gegriindeten «Aktionsfront N ationaler Sozialisten» (ANS); dem «KoIlll;IlaiIdo Leo SchlCj.g{~tel'» im Badischen und

: mitanderen Kameraden. ,So z.B. trafen sie sich im November .1978 in der bayerischen Landeshauptstadt, ziindeten Fackeln an, veranstalteten aus AnlaB des 55.] ahrestages des «Marsches ' zw: Feldhermhalle» in Miinchen eine Gedenkfeier und legten

"Krii.nze nieder. ' " Der Chef legte graBten Wert darauf;daB Qie Aktionen der '

WSG, generalstabsmaBigvorbereitet und -sofern dies erfor­derlich schien -llberregionaIkoordiniert wurden. Dies geschah u. a.im Herbst 1978. HoffmanIl hatte Uwe zunehmend zu. Arbeiten im Stab herangezogen~ Diesmal erhielten vor anem die Juden Denkzettel. In Hamburg, Westberlin, Dusseldorf, Hannover ynd in canderen Stadten wurden judischen Fried- "

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«Fronteinsatz» der Neonazis aufjiidischen FriedhOferz

hofen Besuche abgestattet. Am nachsten l\1or'S'en prangten 'Hakenkreuze an umgestoBenen Grabsteinen, an Synagogen"

, an den Wanden judischer Geschafte und Kaufhauser. ZumFronteinsatz auf dem Judenfriedhof in Augsburg

hatte Uwe sich freiwillig gemeldet. Das war eher pach seinem Geschmack, als irgendwo im' Wald TrapPer und mdianer zu spielen. Siekehrtenohne Ver'luste insHauptquartierzri: ruck. Reibereien hatte er nur mit Epplen, der wohl neidisch war, weil der Chef ibn bevorzugte. ,

Dann kam der Abstecher nach Manriheim. Sie fuhren zu imterschiedlichen Zeiten in zwei -Autos hin, getreudem Motto: Getrennt marschieren, vereiIlt schlag-en! Es war 'am 10. Qktober, derTag sollte fUr ibn unvergeBlichbleiben. Auf die Sekunde genau stfumten sie die Buchhandlung «Wissen und Fortschritt». Aufldeber hatten sie vorbereitet: «Kauft' ,nicht beiJuden!~> Dazujede'Menge Hakenkreuze. Bald gab

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, ~s an d~nSchaufenstem kein frei~s Beckchen ~efu.. Eben hatten sie den Brandsatz an der Till deponieit lind w~en gerade dabei,ibn anzuiiinden, da harten sie eilige Schrltte und aufgeregte Stimmen.

Mehrere junge Leute, linke Stude~ten vermu.tlich, fielen iiber sie her ImHandgeniengewurde er abgedrangt. Ein

, stfunmiger BurscheverSuchte ibn festzuhalten und redete was , von Po~i. Da zog er sein Rasieffi.1esser, das er stets bei sich

, trug. So ein altmodisches Rasiermesser zum Aufklappen, das noch von seinem V ateraus der Drogerie stammte.

Der Bursche erkannte die Gefahr und packte sein, Handc gelenk. Uwe riB 'sich mitallerGewalt los, strauchelte und spiirte im 'selben Moment ein viehisches Brennen im Gesicht Er schTIe wild auf. Der Angreifer wich· zuriick. Die Schreck ~ s,ekuhde,des Gegneisnutzte Uwe zUr Bucht.

• Auchdie Kameraden hatten sich freigeklimpft. Uwe sprang in das anfahrende Auto. Die NuInmemschilder hatten sie vor­,sichtshalber unkeimtlich gemacht. PlOtzlich starrte Epplen ibn imHalbdunkelan. Mann, wie siehst du denn aus? Zum ersten Mal, seit sie sich karuiten, klangdie'Stimine des Vier­schratigen besorgt. Uwe faBte an die brennende Wange. Seine Hand war blutbeschmiert. Blitzschnell kam ibm da ein Gedanke. So ,eine ScheiBe, keU(;hte~r gepreBt, der rote Hund hatte ein Messer.

Vor der Front wurde er fiir bes<;>ndere Tapferkeit vor dem Feind ausgezeichnet. Karl-Heinz Hoffmann heftete ihm den hOchstenOrden der Wehrsportgruppe - Totenkopf im sil­bemen Eichenlaubkranz mit Maschinenpistole und geifemden Schlangen - an die Uniform. Diesen Augenblick wiirde Uwe als die schanste Stunde seines Lebensin Erinnerungbehalten, und er wiinschte sich, seine Mutter und vor allem R&nund " hatten ibn miterlebt. Dann emannte ibn der Chefzu seinem Adjutanten. ' ',;'

Uwe,stand damit hochrotelIl Kopf in stnmime~ Haltimg.

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Die Schnittwunde im Gesicht war geklammert' worden. Der " Verband gab ihm 'ein verwegenes Aussehen. Aus den Augen­

winkeln beobachtete er, daB Epplen am iechten Biigel eine Grimasse zog. Das sollte dem nocli leid tun, dachte Uwe. Er wiirde dem abgehalfterten Bundeswehrhelni schon bei­bringen, wer bier kiinftig zu parieren hatte. Jetzt gehOrteer zur Elite.

Er bekam ein anderes Zimmer1 3nein fiir sich, gleich neben den RaUmlichkeiten,'die Karl~Heinz Hoffmann und Franziska

, Brinkmann privatbewoIuJ:ten. Wie gemunkelt Wtirde, gehOrte SchloB Ermreuth eigentlich der etwadreiBigjahrigenhiibschen Frau. Sie ;tIatte es gekauftund das Anwesen dem Chef ius Kommandozentrale undHauptquartierder Wehrsportgruppe geschenkt. Hoffmannriannte sieseine Lebensgefcihrtin. Mit der Brinkmami kam Uwe gut aus. Siewarnett zu ihm. Ofter wusch sie sogar seine Klamotten und a91tete darauf, daB er immerein sauberes Herod trug. Manchmal durf"te er mit den beiden in den Privatraumen, essen. Sie waren fast so etwas wie eine Familie. ,

In der Kiiche bingen iiber dem Tisch gerahmte Spriiche: Leben ist Kampf. Wer leben will, der klimpfe also! - Daneben: Nur ein Volk, das sich selbst aufgibt, ist verl6ren! "7 Und weiter: Geschwatz iiber DeIllokratie unp Angst vot: Chauvinis­mus sind Zeichen von Impotenz! - Darunter: Das ist notwen-

, dig: Absolute Autoritat jedes FUhrers nach unten und Verant­wortlichkeit \Ton 'unten nach oben. - Und schlieBlich: Der Auslese del' Tiichtigen obliegt die Fiihrung der Gefolgschaft. Der Starke ist am: m1ichtigsten allein.1

./ SeiIie ganze Weltanschauung hatte Hoffmann da an die Wand gepinnt. Als erUwe, in die Texte vertieft, davor stehen sab, Dickte der Chef wohlwollend.Alles aus Hiders «Mein /' Kampf», sagre er stolz.

Uwe hatte ein respektvolles Gesicht gemacht.Eslag ibm, d;p:an,sich die Gunst des Hauptmanns zu bewahren. Er War

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'.~;-i--···---------·-- -- -~

~angsnicht schlau damus geworden, obHoffmann ibm die '. Story von der' Messerstecherei m Mannheim abgenonunen "oder oh er ihn durchschaut hatte und nur' so tat, als wiirde erder Geschichte von emer Verletzung beim Frontefusatz . Glauben schenken; Manchmal hatte der Chef die Miri1ik emes Eisbaren. Aber hatte er ilm sonstzu semem Adjutanten gemacht? . '

Die neue Dii'mststeIlung, die Rangabzeichen an der Uni­form gaben ibm em· Gefiihl der Macht, das er bisher nicht gekannt hatte unddas ihnberauschte. Als der Verband ent­femt worden war, die feuerrote. Narb~ .al1mahl:ich verblaBte,' stand er oft heimlich vor dem Spiegelund'iibte Komman­dieren. Er preBte die Zahne aufemander, bis die Unterkiefer­knochendeuilich hervortraten und kniff das linke Auge zu~

'sanunen. Er wollte' grimmig aussehen. Die Leute sollten Respekt vor ibm haben.' Nichtnur Respekt, Angst. Zittem sellten sie vor ibm. "

Bald hatte er den Ruf, strengster Ausbilder der WSG zu sem. bas machte ihn stolz. Auch Epplen zwang er, bei ibm zu Kreuze zu kriechen. Der Vierschrotige war so blod gewesen, ibm dazu auch noch den V orwandzu lief em. Er hatte emen N euen, der nach Hingerem Uben dasGewehr inuner noch nicht vorschriftsmaBig prasentierte, m emem, Anfall von Jahzom' krankenhausreif geschlagen., DoppelteFraktur des. rechten Unterkiefers lautete die Diagnose, undder Ant lieB

. anfrage~ wie dieser' angebliche Unfall passiert .sei. Scilche , Art Aufsehen m der zivilen Offentlichkeit hatte der Chef gar

nicht gem. Das schadete dem Image seiner Truppe. • Uwe setzte beim Chef durCh, daB Feldwebel Ep-plen degra­

diert wurde und wieder ~annschaftsdienst schieben m~te; . AlsEpplenwenig spater'ztiirt ersten Mal mit Stahlhelmlnd in voller Montur bei gliihender Hitze vor demSchloBeingang Posten stand, wuBte der Adjutant es so efuzurichten, daB er mit dem Chefund auch allemx-mal raus- una reinzugehen

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Der«C~ef» betritt die Kommando­zentrale

hatte. Urid jedesmal muBte Epplen vor ibm zlilllu~knirschend Mannchen bauen. ' , '

In emem Brief an seme Mutter m der Eifer hahe Uwe geschrieben: Ich bin nun die rechte Hand, des Chefs und fiihle ' mich wohL Schade, daB Du das hiernicht alles miterleben kannst. Dem dapkbarer Sohn. ,

Sem Verhaltnis zu Hoffmann wurde irillner vertrauter. So ' empfand es jedenfalls der Ad.jutant, wenn sie. bei Bier, und Apfelkom oder trockenem Landwem abends zu dritt zusam~ mensaBen. Wenn er mStinunung kam, erzahlte der Chef interessante Episoden aus derZeit, alserm Niimberg !,loch Wirt der populiiren Bierkneipe «Rotes RoB» gewesen war. Gelemt hatte er ja Graphiker und Scliildermaler. In hand­festen Ausemandersetzungen mit V ertrett;!m, der lokalen Zu-

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hlilterWelt hatte ~r seinenRuf als gnadenloser Schlager begriin­det. Fiir mich fangt der Fight erst an, wenn deF Gegner am

.- Boden liegt.· Dieser Satz Hoffma.nnS gefiel Uwe beS9nders . gut, und er n9tierte ihn sogar in seinem Kalender. Franziska

kannte alle diese Geschichten w~hl sch~n. Um so m~hr genoE

,-\ /

der·Chef diE! Bewundefung seines Adjutanten. ' ,Endlichhatte Uwe ~einenPlatz:iI.!ILeben undAnerkennung

gefunden, wurde er beachtet und respektiert, da machten sie ihm alles kaputt. Thr Angriff erfolgte ebenso iiberraschend wie heimtiickisch: Es geschaham30.Januar1980. Ausgerechnet 'den J ahrestag der Machtergreifung desFiihrers hatten sie sich ausgesucht. Das war infam und gewiB kein Zl,lfall. '

V onklem auf hatte Uwe.vor allem in den Morgenstunden einen festen Schlaf. Er kam erst zu sich, als derUberfall schon in yollem Gange war. Ungewohnter Uirm machte ihn wach. Yom Hof her t6nten Stimnfen, Hunde bellten. Uberdie Treppenim SchloG polt~rten Stiefel. Automatischguckte er auf seine «Citizen». Punkt 'seChs Uhr. DrauBen wares noch stockfinster. P16tzlich flammten Scheinwerfer auf. Der junge Mann ~ Fensterfuhrerschrockenzuriick.Da unten w:immelte es von Polizi,sten.

Im Pyjama hetzte er hiniiber ins Schlafzimmer des SchloB­herm, inn Hoffmann zu warnen. Er kam zu spat: Die Polizisten standen bereits. links und rechtS!, von den Betten. MPis im ' Anschlag. Hoffmann, ebenfalls im Schlafanzug, trat den Ein­dringlingen mit geladener und entsicherter Pistole entgegen .. Als er die Walther hob, schrie Franziska auf und verschwand unter der Zudecke. Die Waffe weg! donnerte der Anfiihrei " des Polizeikommandos, das Gelande ist umzingelt, jeder Widerstand zwecklos. ' '

Zlilmeknirschend lie,S der Chef sich entwaifnen. Da krlch Django unter dem Betthervor und fauchte die Manner aD, die seinen Herm, bedrohten. Entsetzt starrten die Polizlsten auf den ausgewachsenen Puma und wichen angstlich zuriick.

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. Be.i ,allem Ernst der Situation, die Szene, entbehrte nicht un­freiwilliger Komik. Der' Chef grinste deim auch iiber diese HasenfiiBe der Staatsmaeht. Das imponierte Uwe machtig .

Nehmen Sie das Vieh an die LeiIie, oder wir knallen es abo Die Stimme des PolizeioffIziers iiberschlug sich fast. Der Chef kraulte Django lassig im Nacken, und der Puma gab Ruhe. Der PolizeioffIzier hatte sich gefaBt und Hoffmann ein amt-.- \,.,

liches Schriftstiick iiberreicht. Danach war die Wehrsport-gruppe ab sofort verboten, ihr Verm6gen beschlagnahmt.

Die Bullen - wie sie spater aus den Zeitungen erfahren hatten, ~aren rund 500 Beamte imEinsatz gewesen - durch­

, suchten das SchloB undden Garten. Sie schleppten weg, was nicht niet- und nagelfest war, wuchteten es aufmehrere Last-

, kraftwagen und aufTieflader. Zentnerweise Karabiner, Hand­granaten, Pistolen, Munition, Uniformen, die mit Totenkopfen verziert waren, Rangabzeichen, Bajonette, Biisten von Hitler, Franco lind Mussolini, jede Menge Geschirr mit eingebrann- ' tem Hakellkreuz, Waschk6rbe voll Biiche,r. «Mein Kampf» war dabei, Rosenbergs «Mythos des 20.Jahrhunderts», dam «Mein W eg nach Scapa Flow» von Prien,dem U -Boothelden, Kriegserinnerungen von Oberst Rudel, dem Flieger-As in seinem Stuka, und die ganzen wertvollen Sachen.

Mit fll1St~ren Mienen hatten sie iusehen miissen, Wie der Feind sie entwaffnete. Krader, Jeeps, Mannschaftswagen -al1emit Tarnanstrich -, ihren besonderen Stolz, eine Zwei­Zentimeter-Flak, hievten sie aus dem Keller hoch, und auch

, der tonnenschwere Schiitzenpanzerwagen, der sich gerade in Reparatur befand und dem, Chef bei den Man6vern ImBaye­rischen Wald kiinftig als Fiihrerpanzer dienen sollte, wurde

, b~schlagnahmt. Alles kam aus den Bestanden der Bundes­wehr, war ehrlich erworben und bezahlt: Hoffmann standen Tranen in den Augen. Sie hatten sein Lebenswerk zerst6rt:

Dann riickte das Kommarido wieder ab von SchloG Erm­reuth. Die WSG war.nun zwarverboten, aber sie wiirde weiter-

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~ leben, d~ lieB der Chef yom ersten Augenblick an keinen " Z~eifel. Sie ergaben sich nicht, sie waren nur der Gewal~ einer

feindlichen Ubermacht gewichen. Immerhin: Keiner war ver- . haftet oder auch ~ur festgenommen worden! Nichf mal det Chefl

Schon knapp vier W ochen nach dem Schreck im Morgen­grauen, wie Hoffmann die Ereignisse des 30.Januar im Kreise ,des verbliebenen harten Kerns seinerAnhangerkaltlachelnd heruntergespielt hatte, zeigten sie, daB sie nicht damn di.u:hten, aufzugeben. '. . .

An einem W ochenende Anfang Miirz donnerten sie mitzwei . Fahrzeugen in dieN Umberger Innenstadt und lieferten der

-Polizei eine regelrechte StraBenschlacht. Sie rannten durch die FuBgangerzone und schrien: StraBe frei! Weg mit dem Judenstaat! Freiheit fur Rudolf HeB! und andere solche-Paro­len. Dann ging die Bambule erst richtig los. W ~r es wagte,

Ausrlmung ~us alien Bestiinden der Bwideswehr

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Wie diese jungen NeiJnazis im Friihjahr 1985 in Aachen, so provozierte die Hoffniannhande einst in Nilmherg regelrechte

Stiafienschlachten

sich-ihnenin den Weg zu stellen, wurde niedergemacht. Fill aufmiipfige Passanten und Polizisten hatten sie ihre geballteil Ladungenvorbereitet: Faule Eier und Farbbeutel.

Wiihrendsich das Gros des StoBtrupps taktisch georquet zuriickiog, lieBen sich -der Chef, sein Adjutant und zwei weitere Freiwillige widerstandslos festnehmen und'abfiihren. D~ hatteHoffmann vorher allesgenaumit ihnen besprochen. TImen war's egal, was passierte. Hal.lptsache, die «WSG, Hoffma:rin» erregte weiter Aufsehen,blieb im Gespriich. Schoq nach drei Stunden setzte man sie wieder al,rl' freien FuB. Der

, Chef htte richtigkalkuliert. Die Zeitungenam nachsten Tag waren' voll von wem Husarenstuck, sogar im FemsehEm ,brachte man eine N achricht. Die «WSGHofflnann» hatte Iiach

, wievor ihre Schlagieilen. Das Wurde natiirlich im Hauptqu~­tier aufSchloB Errnreuthg~biiIll-endgefeiert. '

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Doch es gab eingerichtliches N achspieL Sie wtrrden zum Laridgericht Tiibingen bestellt. Offensichtlich hatte man denl ProzeB von Niimberg In das Nest bei StUttgart verlegt, um fur die WSG nicht emeut unfreiwillig Publicity zu machen.

-. Aber auch dieser Scr.uB war mi.chhinten losgegangen. Die Rechtsverdreher in der Provinz wuBten mit-ihnen anscheinend nichts Rechtes anzufangen. N ach langem Palaver verkiindete man die Urteile. Wegenschweren Landesfriedensbruchs und gefahrlicher Korperverletzung erhielt der Chef eine Freiheits­strafe von siebeneinhalb MonateIi,Uwe und die anderen bei~ den jeweils sechs W ochen - mit Bewahruhg! Sie standen vor der Anklagebank, guckten sich an und hattenam liebsten laut 10sgelachL

Eine Zeitlang waren si~ - abgesehen vomzivilen Personal-' nur noch zu dritt im SchloB. Wiederholt verlieB der Chef

, Ermreuth in &einem offenen Jeep, Djang6 auf dem Riicksitz. Ohne seinem Adjutanten etwas zu sagen. Offenbar fuhr er heimlich zu irgendwelchen Verabredungen. Das war un­gewohnlich. Sonstmeldete sichHoffmann, wenn erdas Haupt­quartier verlieB, stets militarisch ab, iib~rgab ihm fur die Dauer seiner Abwesenheit das Kommando, und die Posten salutierten. Naja, Posten hatten sie schon nicht mehr. Trotz­demo Uwe fiihlte sich ein biBchen gekrankt, weil der Chef sonst keine Geheimnisse vor ihm hatte. Aber vielleicht reagierte er einfach zu empfindlich und blldete sich nur ein"daB Hoffmann

,ihm nicht mem bedingungslos vert:!aute. Tagelang sChlich er um den Chef hel"llIll: unq, wagte nicht,direkt zu fragen. Da loste sich das Problem von selbst. _

Eines Abendsim SRatsomme.r saBen sie am Fernseher. In der Tagesschau wurde gerade die Nachricht verlesen,der SPD-V orsitzende Willy Brandt habe eine EillIadung + KPdSU~GeneralsekTetar Leonid Breshnew angenommen und

. werde, demnamst emeut nach Moskau reisen. Hoffinann hatte verachtlich durch die Na:se geschnieft und den Kasten

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ausgeschaltet.' Mit mir konnen sie' das nicht machen. Es ist an der Zeit, Zeichen zu setzen. Das war mehr laut gedacht als gesprochen. Der ChefhatteUwe angesehen, als habe er zuviel" gesagt. Top secret, verlangte Hoffmann.

AIs ani 26. September 1980 die Nachricht yom Bomben- -. attentat auf dem Miinchner Oktoberfest iiber die Rundfunk-:

, und Femsehsellder ging,2 hatte IJwe sofort eu1en bestimmten Verdacht: Epplen. AIsdann in dennachsten Meldungen der Name Gundolf Kohler fie~ war er sicher, daB die WSG und der Chef mit dem Arisc41ag vgendwie zu tun hatten. Und nicht nur irgendwie. Ei hatte ein fabelhaftes N amensgedacht- ' nis, wiesich das gehorte fur einenrichtigen Adjutanten.

Er bffiuchte nicht lange zu suchen: l':in Gundolf Kohler stand in der Kartei. Geboren in WUrttemberg, Vater GroB­bauer, Vizevorsitzender der CDU-Ortsgruppe. Diente als­Zeitsoldat beim panzergrenadierbataillon der Bundeswehr in Inullendingen,wegen eines Horschadens '!-US der Armee ent­lassen, Geologiestudent. Besondere Hobbys: Feuerwaffen und Sprengstoff~. ,Ganz helli war ihm geworden, als er das las. Und ein Gedanke zuckte ihm durcJ!. den Kopf: Das Material mUBte. er so schnell wie moglich vernichten! Aber durfte er das iiberhaupt? Er muBte zumindest den Chef infor­mier~n.Dann fiel Uwe noch etwas ein: Es existierte ein Foto, das den Kohler mit prasentiertem Gewehr bei einem WSG­Appell zeigte. Und spater,da war der lan-gst wieder an seine -Uni zuriickgegangen, hatte erdem Chef sogatmalgeschrieben. Uwe erinnerte sich genau an einen Briefwechsel. Das'war ja alles aurch seine Han-de gegangen.

Zuerst fand er das -Foto, auf 'der, Titelseite ihrer Schrift , «Kommando -, Zeitung der WSG fur den europilischen

Freiwilligen», Nr. 4 vomJuli 1979.3 Auch der Briefwechsel war korrekt abgeheftet. «Jch will in meiner Heimatgemeinde eine Wehrsportgruppe bilden», schrieb Gufidolf Kohler und bat' Hoffmailnum Hilfe. Der Chef empfahl ihm:,sich mit dem

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Dcr mutmafiliche Attentiiter von MU[lChen, Gundolf Kohler (2. v.I.)

Ttibinger Studenten und CSU-Sympathisanten AXel Heinz- . manD. in Verbindung zu setzen, der ahnliche. Plane hatte.4

Nun war GundolfKohler tot.Wie es hieB, hatte der Ziinder zufriih funkti~Oiert. Armes Schwein, da~teUwe, und eine ganZe Zeit beschiiftigte ihn die Uberlegung,ob wohl sein spezieUer Busenfreund Epplen bei dem Coup mitgemischt habe. Vielleicht hatten sie zusanunengearbeitet?· Oder wer sonst? Experten fiir den Umgang mit Sprengstoffen - alle~

samt altgediente Bundeswehrsoldaten - hatten sie ge~ . gehabt in der WSG ~ DaB derKohler im Alleingang gehandelt hatte, wie von amtlicher Seite eilig beh~lUptet wurde; glaubte wohl keiner. Das stand sogar in der Zeitung. .

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AU der 9 Kilogranun-schweren englischen Werfergranate vom Kaliber 10,7 Zentimet~r war manipuliert worden. Der Spre~gkorper War zerlegt und zusatzlich mit Metallteilen gefiillt worden, tim die Splitterwirkung bei der Explosion zu erhOhen. Das hatten die Sprengstoffexperten des Bundes-. kriminalamtes einwandfrei riachgeWiesen.5 Solche gefahrliche Prlizisionsarbeit war fiir Kohler eine Nummer zu groB gewe­sen, darin bestand fiir Uwe kein Zweifel. KohlermuBte Helfer gehabt haben. .

Mit Hoffmann konnte er tiber diese Fragen nicht gleich sprechen. Der Chef und 5 Kameraden - offenbai willkiirlkh

· . '. herausgegriffen, weil.ihre N amen in den Akten der Polizei als ehemalige WSG-Mitglieder einlagen - waren noch am 26. September weg~ndes Verdachts der Beteiligung an dem <

.. Bombenmassa.ker von Miinchen festgenommen worden. Uwe . empfand es beinahe.als Make4 daB er von den BehOrden iibersehen worden: war. .

Schon AUfaiig Oktober muBte~die Miinchner Staatsanwalt­schaft die Verdachtigenwieder auf freien FuB setzen. Die Indizien reichtennicht aus, undBeweise gabes nicht. Hoff~

· mann Iud die Truppe demonstrativ in den Ermreuther Doif- ". gasthof ein und gen()B seinen ~ieg. Vom Bombenattentat·

· wurde nicht eine Silbe geredet. Unausgesprochen hatte der Chef das-Thema Miinchner Oktoberfesf mit einem Tabu-belegt. Uwe htitete'sich, daran zu riihren. .'

Es wirrde still auf SchloB Ermreuth. Tagelang bekam der · Adjutant seinen Hauptmann kauill zuGesicht. Von Fran­

ziska erhielt er <lie AUtwort: Der Chef arbeitet. Uwe wagte eS nicht, ihnzu stOren.Emes Tages ging Hoffmann mit festem_ Schritt nur wenige Meter. an ibm vorbei. Uwe nahm Haltung

.' an und salutierte. :boch der Chef beachtete ihn tiherhaupt nicht.frgenclwelclle Papiere,unterm Arm, verschwand er im . groBen Saal und schloB sich ein. . .

Wenige Miriutenspater wardem Adjutanten, als hatte der

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.. Chef ibn gerufen; Do,ch auf halbern Weg blieb Uwe erst~unt . stehen und lauschte. Da war lautstark ein Streit im Gange. Dei: Uirm kaIh aus dem groBen saat. Er wollte dem Chef zu Hilfeeilen, da wurde ihmbewuBt, daB es nur Hoffmanns $timme war, die von den W~dendes. riesigen Raumes Wideihallte. Der Chef hielt eine markige Rede an eine imagi­nare Zuharerschaft.

Was er sagte, beeindruckte Uwe stark. Fast mehr noch wid Hoffmann sprechen konnte, mit welchem Feuer. Das mtiBte im Rundfunk gesendet werden oder im Femsehen. Aber in den Chefetagen dort saBen ja wie tiberall die falschen Leute.Alle jtidisch verseucht. Gerade wollte Uwe diesen Gedanken weiter ausspinnen, tOnte' emeut Hoffmanns Kome mandostimme durch das SchloB. Genau dieselben W orte, die er eben schon gehart liatte, der an Hitlerreden erinnemde zerhackte, Sprechrhythmus, das drohende Anschwellen det Stimme, die wirkungsvollen Kunstpauseu"- kein Zweifel, der Chef nalun seine Rede,mit dem Recorder auf und harte das Bandab.

Irgendwashatte der Hauptmann in petto; Wie ~beirrt er an die Wiedergeburt Deutschlands glaubte .. Und ~r war der Adjutant! Uwe hatte das Empflnde..n, Zeuge eines groBen Augenblicks der Bewegung zu.sein. Und platzlich schlimte er sich, weil er gelauscht hatte. Leise schlich er in seiri' Zimmer ~ck.Thm war, als hatte er etwas gutzumachen. Sorgsam schrieb er:. Unsere Ehre heiBt Treue - bis in den Tad! Dann heftete er das Blatt an die Wand.

Eines Morgens rief Hoffmann seinen Adjutanten zur Be­fehlsausgabe.Alle atmeten auf. Endlich war es SchluB,mit dem Herumgammeln.DieAusbilduilgim GeHinde - zrinachstnicht in den Waldem der Umgebung, soridem beschrankt auf cJn SchloBpark - 'wurde wieder aufgenommen,auch das Exer­zieren und daS Training Un N ahkampf und Messerwerfen. Postenwurden emgeteilt, Putz- und Flickstunden sowi~

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Spindkontrollen angesetzt - alles war ~e friiher, nur daB sie . jetzt einziemlich kleiner Hiuifen waren .

V oriibergehende Verwirrung gab es, als der Chef eine, SchieBtibung. ansetzte. Womit denn schieBen? Die Waffen

, waren doch beschlagnalunt und abtransportiert worden. Aber wieder mal zeigte sich, was fiir ein Fuchs der Chef war. Schon vor der Griindung der WSG Anfang 1974 hatte er sich etliche Pistolen 1;IIld Revolver zugelegt, eine ganze Saminlung, hatte bei den BehOrden in Niimberg entsprechende Waffenscheine beantragtund sieauch erhalten.Dieses Arsenal war von der Po1izeiaktion selbstve~sti:indlich verschont geblieben.

Nun konnten sie sich auf dem SchieBstand wieder erbitterte Gefechte liefem. Meist erzielte der Chef die meisten Treffer. . Aber auch Uwe hatte eingutes Auge und eine ruhige Hand: Einmal, als der Adjutant besser war ali;' sein Kmnmandeur, meinte Hoffmann beilaufig, auf Pappkam~raden zu schieBen, sei eigentlich kein Kunststtick. Mancher Champion' vom SchieBstand wiirde gewiB das groBe Zittem kriegen, weim er :einen Menschen unVisier batte.

Die anderen lachten nur blade. Uwe aber fiihlte sich von dieser Bemerkung des Chefs herausgefordert. Kommt gam clarauf an, erwiderte er schneidig.· Einem' Feind Pardon zu·. geben ware in meinen Augen glatt Verrat. Das hatte er gut ,gesagt. Er war ganz stolz auf den Satz. Nicht immet-:fielen ibm zur rechten Zeit die richtigen W orte ein. Aber diesmal,-

',war das gekommen wie.aus der Pistole geschossen. . Det Chef fuderte ibn, so eine Mischuilg von Erstaunen

, und offener Bewunderung im Blick, als wollte er sagen,-alle Ac::htung, Adju, das hlitte ichdir gar nichtzuge,traut.

Von dem Tag anverhielt sich Hoffmann ilim gegentiber :\lOch kameradschaftlicher, als ware er sein groBer Bruder; Er

, behandelte-ihn kaum noch wie einen Untergebenen, sondem . faSt wie seinesgleichen. Vor allem, wenn sie alleip waren.

Bei so einer Gelegenheitlegte derChef nach einern spannen- '

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den SchuBwechsel plotzlich die Pistolen weg und'bedeutete ihm, en moge mitkommen, er habe etwas Besseres fUr ihn~ ' .. Hoffmann fiihrte ihn insein Schlafzimmer. Erriickte Franziskas N achtschdinkchenzur· Seite und lost~ an einer bestimmten Stelle derHolztafelung, gar nicht sehr hoch.iiber dem Parkett, behutsamzwei Kupferschrauben. Die versenkten Kopfe waren geschicktversiegelt,-man hatte schon eineLupe nehrilen miissen, urn da Unebenheiten in der Wand zU entdecken.

Den Chefnahm die Verkleidung ab undholte aus demHohl­raum mit der Miene eines Zauberkiinstlers eine Maschinen- . pistole heraus. Es war eine Beretta, Kaliber 9 Millimeter.

Beim Hinausgehen sah Uwe, dpj3 noch immer diese Zeit­schrift auf dem N achtschrank des Chefs lag. Dun war das Blatt schon ofter dort aufgefallen,und er hatte sichim stillen gewun­dertiiber dieseunveranderte Einschlaflektiire. hnmer war

- dieselbe Doppelseite aufgeschlagen: 'Er kannte auch den Inhalt des Artikels. Hoffmann selbst hatte ihm die Zeitschrift zu zu lesen gegeben. Das war kurz danach,als er ihn zu seinem Adjutanten befOrdert hatte. . _

Es handelte sich urn em Heft der itaiie;i1ischen lliustrierten «Oggi» yom: J anuar .1977. In einer ausfiihrlichen Bildreportage . wurde iiber die. «Wehrsportgruppe Hoffmann» berichtet. Dazu ein Kommentar; der vor Angriffen auf den Chef strotZte. 1m Bayerischen W al~.treibe,·ein neuer klemer Hitler sem Un~ wesen, vergifte die Hirne junger Menschen; Unter IDnweis

- auf die Opfer der Jahre Zwischen 1933 und 1945 Wlirdedie Weltoffentlichkeit davor gewarnt,. diese Entwicklung zu ver­harmlosen.Von der Bundesregierung verlangte der Verfasser, Hoffmann entschiedendas Handwerk zu legenund die WSG zu verbieten. Unterschrieben warder Hetzartikel von ein~m _gewissen Levin, Shlomo LeVin. EiU Jude. Natiirlich. 'J:lst konnte das gar nicht anders sein; Auch ein Foto von dem Kerl' war abgebildet. '

Mit der Beretta gingen sie inden Keller .. Da hatte Hoff~.

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_mann .. einen speZiellen SchieBstand'eingerichtet mit stark .. · · schallschluckenden Wanden. Was dann folgte; war fUr ihnwie

ein-Marchen. Erhatte noch nie eine Maschinenpistolein der Hand gehabt. hnmer nur Karabiner mitzugeschweiBtem Latif oder Pistolen, Der Chef gab ihmdie MPi. Er prUfte die Waffe, legte an, konzenfrierte sich, suchteden Druckpunkt und schoB eine Salve. Auf Anhieb traf er ins Schwarze!

Der Chef brachte ihm di~ Scheibe, nannte ihn ein Natur- . talent und sagte, das macht dir so schnell keiner nach, bist ein' Mordsker~ Adju .. Uwe ware fast geplatzt vor Stolz. Hoff­mann stellte dje Seheibe wieder an ihren Platz, alssei er hier Adjutant und nicht Chef; Wahrend sich nun Hoffmann in Positur stellte, sagte er zu UW~ leichthin, so iiber die Schulter

. weg:Als du vorhin geschossen hast, sahst dli zurn Fiirchten aus.A!J. w~nhast du gedacht beim Zielen? '.

Die Frage hing im Raurn, fast bedeutungslos. Doch mit jedem Herzschlag bekam si~ mehr Gewicht. Als Uwe sich nicht gleich auBerte; setzte Hoffmann die Waffe wieder ab und blickte seinem Adjutanten fest in die Augen. Lauemd, erwartungsvoll, fordemd. Und plotzlich reagierte Uwe, spon­tan, als sei ihm soeben bewuBt geworden,was verschwom-

· men langst in ihm war. An Levin, das Schweint schri~ er, riB - clem Che(die MPi aus den Handen und driickte ~b. Er

feuerte das gauze Magazin leer. _ Alles Weitere geschah fast automatisch, als folgten die Ablaufe einerinneren GesetzmaBigkeit. Sie hatten nie direkt

· davon geredet, . aQet es war wie eine geheime A-bsprache.· Alles lief so ab,wie es abl<i.ufen muBte. - ___ '" , -Eines Tages, nach dem gemeinsamen Friihstllckmit dem .

Chefund Fr3.llziska, bemerkte Uwe .auf clem Tisch in seine~ _Zimmer. einen kleinen weiBen Zettel.Es war ,eine Visiten­karte. ShlomoLevin, stand da, Erlangen, ~azuStraBe,Haus­nummer und TelefonanschluB. Erlangen.! Das war keine zwan-Zig Kilometer von SchloB Ermreuth entfe~t! -

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Ohne Kommentatwarl ibm F~ska denAutoschliissel zu, als er sie fragte, ob er mal wen alten VW aus demSchuppen

, holeti diirfe.Er fuhr schnurstracks nach Erlangen, suchfe die StraBe und sah sich Levins Haus an. Spater gnig er weniger leichtsiilnig vor., Er kontrollierte - die Autokarte auf dem Nebensitz -' alle moglichenVerkehrsverbindungen der nahe~' ren undweiteren Umgebung,erkundete FemverkehrsstraBen, LandstraBen und Feldwege. HauptsachliCh .interessierten iljn weruger frequentierte, Querverbindungen. Tagelang fuhr er . in dem Dreieck zWisclren l\l"iimberg, Bayreuth, Bamberg und. Wiirzburg herum, durchkurvte das Fichtelgebirge und den Steigerwald. Er machte sich Notizen, fertigte Skizzen an, bis ibm kl<i.r wurde, daB das alles im Grunde ziemlich sinnlos war und ibm nur als V orwand diente, die Entscheidung hinaus­zuiogem. Ein unbestirtuntes Gefiihl der Angst machte ibm

, zu schaff en. Diesen inneren Schweinehun.d muBte er besie­'gen!

Inder Folgezeitkonzeritrierte er sich darauf, die Gewohn­heiten der Menschen in jenem Viertel von Erlangen zu stu­

'dieren, in dem Levin lebte. Stundenlang - zu den vetschieden­sten Tages-und N achtzeiten - beobachtete er dessen Haus.

hn SchloB gewohnte man sich offenbaran seine Ausfliige. Auch daran,. daB er ziemlich unregelmaBig und oftmals auch spat in der N acht heimkehrte. In der Kiiche stand dann .. Abendbrot fur ihn bereit, zurechtgemachte Brote, vorsorglicli abgedeckt.hn Kiihlschrank fand er teichlich Bier und Apfel-kom. -

Wenn sie sich begegneten, lachelte ibm der. Chef aufmun­temu zu, sah ihn dann fragend an, und der Adjutant nickte mitden Augen. Alles inOrdnung;hieB das, keine besonderen

. V orkommnisse. Hoffiriann stt~llte keine Fragen, mischt"ich nicht durcp irgendwelche Hinweis~ ein. DaB er ibm vollig freie Hand lieB, starkte Uwes SelbstbewuBtsein enonn.Sie handel­ten in stillem Einvemehmen. Es war wie bei eirter Verschwo-

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;rurig. Under war entschlossen, den Chef nicht zu. ~nttau-' schen.

, Er entschied sichfiir die Beretta. N achteil: Die MPi machte einE!ll holli.Schen Larm. Der Chef· verstand ihn sofort. Man miiBte einen Schalldampfer basteln, sagte Hoffmann, als gmge es urn die alltaglichste Sache' der Welt. Er sagte nicht, da muBt du dir .einen Schalldampfer basteln, er sagte auch nieht, ich werde dir einen Schalldampfer basteln, er sagte' <<Illan~). Tatsachlich saBder Chefdann schon am nachsten Abend am Kiiehenti,sch und priemelte herum. Blechschere, HobbyschweiBer, Manschetten, leere Spraydosen, Drahtbiir-

.. sten sowie anderes Werkzeug und Zubehor lagen bereit. • Nach ein paar Stunden war dasDing fer1;ig.1?razisionsarbeit.

Das hatte Uwe dem Chef gar nicht zugetraut. Obwohl es schon lange nach Mittemacht war, gingen sie noch in den Keller. Das Gerat muBte schlieBlich ausprobiert werden. Es funktionierte hervorragend. Einzelfeuer: Blubb! Eine Salve: Blubb, blubb, blubb! Es klang ungewohnt durnpf, irgendwie weich und harmlos. Fast angenehm .. . Uwe legtedie Stunde X auf den 19. Dezember fest.Es war der letzte' Freitag vor WeihnCichten, das schien ibm giinstig. Zeitp~t des Angriffs: 19 Uhr. Seinen Beobachtungen nach saB Levin urn diese Zeit stets vor dem Femseher. Dcis Abend-

. brot wurde in der Regel gegenl8.15 Uhrgemeinsam ein­

. genommen. Danach wirtschaftete die Frau -mit urngebun­dener Schfuze, die Haare unter einem Tuch - in der Kiiche, die vom Hauseingang iirindestens 8 Meter entfemt. war. Er wiirde kurz. vor 19 Uhr lauten. Mit Sicherheit war damit zu rec1men, daB der Mann zur Tiir kam, urn zu offnen.

Die Sache selbstWiirde nur Sekunden dauem. Danach hestand berechtigte Hoffnung, unerkannt zu entkommen . Diese abendliche V~site war seine ganz personliche Revanche fiir den Schreck in -derMorgenstunde am 30.januar, Er, Adjutant des Chefs, Wiird~gefeiert werden als ein lfeld der . Bewegung.

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Sie verabs~edeten sichnicht. Er Iud dasMagaZin,wik­kelte di~ MPi in eine :qed<.e, ging in den Schupperi und startete den VW. Als er YOm SchloBhof fuhr, bEjwegten sich oben hinter dem IIlittleren Fenster ~SchattEm. Er war sicher: Der Chef und Franziska schauten ihmnac4. Fiir den Bruchteil einer SekWlde leistete Uwe in Gedru:tken Hoff1nanns Fteundin Abbitte.Weil er seine Sonnenbrillein der Aufregung nicht findenkonnte, hatte er aus dem Schlafziininerdie von Fran­ziska tnitgenommen. Er schalt sich tOricht, aber die V orstel- . lung, daB er sich hinter dUnklen Glasern wiirde verstecken konnen, beruhigte ibn. ~

Urn seine Spuren zu verwischen, fuhr er zunachst, von E~euth zu emem Supermarkt :nach Forchheim. Er vergaB nicht, an Blurnen zu denken. Diesen Kauf inszemerte er einzig und allein fUr einen moglichen Beobachter. Man sollte deDken, er wolle eine Freundin besuchen.

Auf dern Par:kplatz und bei d~r Weiterfahrt bemerkte er keinen Verfolger. Depnochfuhr er erst in Richtung Wiifzburg un~ dann aufder Europasti-aBe 5bis nachNiirnberg hinein, obwohl es riskant war, IIlit der MPiaiJ. Bord durch den V or­weihna~tsverkehr zu, kurven. Aberletztlich war daS 'game Leben ein Risiko! Jedenfalls hatte er nun die GewiBheit, keinen Schatten zu haben. Seit dem Verbot ,der WSG und mehr noch nach demBombenattentat auf dem Miinchner Oktoberfest wurde das Hauptquartier'zeitweise observierl. Das hatten, sie eindeutig festgestellt, V orsicht war deshalb angebracht. U~d bisher klappte ja alles reibtmgslos~

Das Ortsschild von Erlangen. Nun wurde es ernst.

Shlomo Levin hatte eb~n den Fernseher eingeschaltet, urn, ' wie an jedem Abend, die «HEUTE»-Sendung des ZDF ..

" sehen, als die Flurklingell~utete. Unwi)lighob der Mann den Kopf. Er erwartete keinen Besuchund liebte es llicht, un­angemeldetgestOrt zu werden . .tml anderen Ende'der Woh-

. -. ."

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nun? ~g die Kiichentiir auf. Wnur, ich geh' schon, rief leVIn m,den Korridor und setzte sich in BeweiuIlg. Ganz

. k~ sab er noch das vertraute, yom Backen erbitzte Gesicht semer Lebensgefahrtin FridaPoeschke, die ibmzulachelte

,und wi~der in der Kiiche verschwand. Appetitlicher Duft nach frischen Lebkuchen war die letzte erfreuliche SiIines-, . wahmehmung,im Leben des Shlomo Levin. ' .

Es 'ging alles so schnell, an ,Einzelheiten konnte sich Uwe spater kaurn erinnern. Er war, hellwa'ch, .' in einem Z t" d" ' .. uBe . ' us an

· ~ rster Erregung, doch es kam ilim alles irgendwie ~wirk~ , lich vor. Als habe er das im Traurn erlebt oder in einem'Film gesehen, nur IIlit dem Unterschied, daB erZuschauer war und rugleich IIlit~ielte,sogar als einer der Hauptdarsteller.

· Uwe h~~te s~ch Franziskas S6nnenbrille aufgesetzt und stand, vor der Tur, die Waffe im Anschlag, unter der Decke verbor~ .

· geIl· Er.horte schliirfende Schritte, die AuBenbeleuchtung wurde emgeschaltet :- auch das noch! zuckte es dem jungen ~ann d~ch d~n Kopf, e~ fiihlte sicllpli:itzlich ungeschiitzt, ~e auf emer Biihne, nur das PublikUJ)1 fehlte noch, dann ware ~e Theaterauffiihrung korriplett gewesen -, dann sab er sich ememalten Mann gegeniiber. Bevor Levin auch nur einen Laut a~~e~ konnte,trafihn 'die er:ste Kugel in die Brust, Der 6.9Jahrige sab den Todesschiitzen an, Erstaunen, Nicht­begre~en und jahe Angst ~ den weit aufgenssenen Augen.

. Da driiekte Uwe nochzweunal abo Die im Keller sofreund'­lich a!>gedampften Schiisse drolu:1ten ibm bier wie Kanonen­d~nne~ in den Ohren. Mein Gott, dachte der Morder; gleich

· wrrd die ganze StraBe zusanimenlaufen. . Levin war ~autl~s zusammengesunk~n und iag m: seine~

Blut. Uwe stieg uber die Leiche hinweg, sorgsam darauf beclacht,ni~t in die rote Lachezu treten: Vollig uhn).Qtiviert drehte er slch noch mal urn und schoB seinem bereits toten Opfero a~s nachster Nahenoch eine Kugel in die Stirn. Ein

" Schrel lieB ihn herunizucken. Eine fnlu standpli:itzlich im

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Korridor, mitoffenem Mwui, Entsetzen im Blick. Fast auto­matischkriimmte ~ieh der Finger am Abzug. Mite~nfalls vier Schussen Wtete Uwe die Zeugin seiner ersten Bluttat, die 57ja1;u:igeFrlda Poesci1ke, Le~s Lebensgefahrtin. '

, Die' W olldecke, fiel, auf den Boden, er bikkte sieh schnell, hob sie aufund wickeltedie MPiwieder ein. Beider hastigen '

, Bewegung rutsehte ihm die Sonnenbrille von der.Nase. In der Aufregung aehteteer nieht darauf.- Diese am Tatort zuriick­gelassene SOIIDenbrille War spater fUr die Ermittlungsbehor­den einwiehtiges Indiz, das einen Zusammenhang zwisehen dem Doppelmord in Erlangen und SchloB Ermreuth her­stellte.

Uwe zog ~e Haustiir hinter siCh zu. Die AuBenbeleuehtung blieb eingeschaltet. Sie erregtespater die Aufmerksamkeit

, der N aehbam. Uwe wollte losrennen, doeh er zwang sich, langsam zu gehen. Seine Sorge erwies sieh ,als grundlos. Auf ,

, 'der StraBe blieb alles ruhig. Er hatte offensiehtliehe:inen giin­stigen Zeitpunkt gewahlt. Die Leute waren alle in ihren W oh­nungen mit Weihnachtsvorbereitungen besehaftigt.

Es war kalter geworden. Es nieselte nieht mehr, stattdessen fiel Schneeregen. Dicke Flocken tanzten im bizarren lieht der StraBenbeleuehtung. Kaurn beriihrten sie die' Erde, schmolzen sie weg. N aeh ein paar Metem hatte Uwe nassc FiiBe. Der VW stand neben vielen anderen Fahrzeugen einige SeitenstraBen entfemt. Er hatte das Auto auch direkt vor Levins.Haus parken konnen, daehte Uwe argerlich, so wenig Verkehr war .auf.der StraBe.

Er fuhr bis zum Main~Donau-Kanal, wisehte die Be~tta griindlich ab, namn das.Magazinherallil und warf die MPi ins Wasser. Das Magazin wiirde er spater in -einem Gully versehwinden lassen: ' "

Weit und breit' War kein Menseh zu sehen. Der Schnee­regenhing wie ein grauer Schleier in der Luft und schluckte, jedes Gerausch. Selbstseine eigenen Schritte auf dem Kies

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" kIangen ihmfremd ~d bedrohlieh. A1s Uwe frosteliid wieder in den Wagen stieg, verwarf er voil: einer Sekunde zur anderen' seinen in Wochen bis ins Detail vorbereiteten urnstandliehen Fluchtplan.Seine iibertriebene V orsieht erschien ihm mit einem Malllicherlieh. Er wollte nach Hause. Auf kiirzestem Weg., Diese verdammte Stille, diese Einsamkeit in Kalte und Nasse machten, ibn a.lh:llahlieh wahns~g. <Er muBte niit

, jemandem reden. ' " , " Als ersieh zu dem· EntschluB durehgerungen hatte, auf

direktem Weg zumHauptquartier zu fahren, wurde ihm sofort wohler. Eine fast euphorisehe Stimmuiig iiberfielihn. Er hatte die Mutprobe bestanden. GI_~d bestanden sogar. In weni-, gen Minuten wiirde er vor dem Chef stehen und den V ollzug melden. Aliftrag erfiillt, keine besonderenV orkommnisse.

Als er plotzlieh im Raurn stand, sahen ibn der Chef und Franziska an, wie eine Geistererscheinung. Offenbar hatten sie " Dieht mit seinerRiickkehr gerechnet. ZUII)indesj nieht so frUh­zeitig. Und sein Aufzug muBte sie erschreckt haben. N atiirlieh hatte Uwe nieht ineinen Spiegel gesehen. Als er das Mienen­Spiel der heiden wahrnahm, guckte er priifend an sieh her­unter.Das war wie ein Reflex.Jah wiirgte es ibn im Hals. 'Er sah aus wie ein Schlachter. Die Hosen, sem, Parka, die ' Anne ~ alles war blutbesudelt. Sieher sah er im Gesieht nieht

, anders am. Keiner sagte etwas.' Uwe fiihlte, daB er im naehsten Moe

ment losheulen wiirde. Er war am Ende mit den N erven. Da, trat Hoffmann an ibn heran. Er stellt~ieh in Positur und salutierte. Meinen Gliickwunseh zur erfolgreiehen Riickkehr vom Fronteinsatz, sagte der Chef, und seine Stimme klaug urn .

"einiges zu forseh. Die WSG ist stolz auf dieh und WirddeineIi ' Mut und deine Treue nie vergessen.In Anerkennung deiner

,,' Tapferkeit ernenne ich di~ ZUm Leutnant der WSG. Urn die Situation zu iiberbriicken, hatte Hoffmanngeme

noeh weitergesproeh~n, aber er wuBte nieht, was ernoeh sagen

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~oll~e. Sicher hatte, er seinein Adjutanteneiniges' ~getraut. DochdaB dieser U~e den ~ten LeVin wirklich umlegen

, wiirde, einfach so; wie femgesteuert, schienihm ,unwahr-scheinlich. ' "

Es war, als hatte, der junge Mann die Gedanke~ seines , Chefs gelesen. Der drahtige,Korperstraffte sich,er hob die, blutbeschmierte Hand zuni GruB, und dankte fUr die Beforde­rung. Alles fUr,De¥tschland;schmetterte Uwe ~ de~ Raum.

'Jedenfalls wirddieses Scbwein uns nich~ meIy m di~ Que~ kominen. Und seine Putze habe ichglelch IDI~ erledigt.Wle um sich zu rechtfertigen; fiigte er fast, fliistemd hinzu: 1ch wollte das gaI'nicht, aber die hat zugeguckt, die hat doch alles gesehen! Und von,den Schreckensbildern; die ibn verfolgten, gepeinigt, brach ermm wirklich,inhemm.ungsloses Schluchzen

. . I . ~. , ' ,

Hoffmann 'nahm ibn um die Schultem. Zieh erst mal deine Klamotten aus,und geh unter die Dusche,sagte er fast vater" lich. Frahziska macht uns inzwischen etwas zu essen. Dumufit uns nichts erziihlen. Alles'ist in Ordnung. Die Hauptsache, du bist wieder da Hat dl.ch jemand gesehen?

Uwe schutteltedenK0i>f. ' Bist du sieber?, ,Uwe niekte heilig. " " ' , ' Gut, also, mach dich erst mal frisch, verfiigte derC~ef,

, dann werden wit gemeinsam feiem und weitersehen. Eur verstanden? ' .

Einen Moment verharrte der jooge Mann; als musse er die' We.isung durchdenken, Dann nickte er eme~t, m~te ein,e vOrSchriftslIlaBige Kehrtwendung und marschiertehinaus. , , Sie saBen bis gegen Mittemacht zusantmen; aBen;,schwatz~ , ten und tranken. Aber so richtige Stimmung wolltenicht aft­komtO.en. Jeder von ibnen warwohl Zu sehr mit seinen eigenen Gedanken beschaftigt.' ,',' ' ; , '

Uwe fiihlte sich - nun, da alles' vollbracht war, worauf er ,

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, in del) letzten W ochen seine gauze Kraft lind Allfmerksamkeit konzentriert hatte -: irgendwie ausgelaugt, schlapp. Er hatte mcht sagen konnen; was er eigentlich erwartet hatte nach ' seiner Heldentat, doch so richtig frob, wirklichzufrieden war er nicht. Der Chef hatte ibn zuni WSG-Leutnant befordert. Nicht einmal dariiber konnte er sich freuen. Nun war er Offizier - aber ein Offizler,ohne Mannschaft. Im Grunde war Jhm kiai-, was ibn be'drUckte: Die Zuktinft machte ilun Sorgen., ErwuBte nicht, wie es weitergehen wiirde mit ihm. ' '

Kari-Heinz Hoffmann war \Ull'iIhig in Jener N acht, und es , kostete ibn einige Anstrengungen; moglichst heiter und gelo~t ro, erscheineIi. N atiirlich hatte er Levin gehaBt und den judi- . schen Verleger in Gedanken langst zuni T ode verurteilt, schon; um damit em Zeichen zu setzen. jemandem den Tod zu wiinschen; das ging bei'ilun schnell und war unkompliziert. , Doch ibn tatsiichlich auch UlllZUbringen; das war schon eine andere Sache. Er hatte es nie gewagt, nach,Erlangenzu fahren Und die beiden; den, Leyin und dessen 1sqe, einfach abzu~ knallen. Er hatte, seine Rachegefiihle nur in W unschtratpnen ',und in abfaIligem Gerede ausgelebt ~d den HaB auf Levin schlieBlich auch seinem Adjutanten ins Herz gepflanzt. Als er bemerkte, daB die Saat aufging, lag ilun daran; die Dinge imiller weiterzutreiben; bis auf die Spitze, und herauszufinden; wozu ein Mensch wie Uwe tatsiichlich fcihig war,wohiner ibn mit Disziplin und Gehorsam wiirde bringen konnen. Das Ergebnis uberraschte ibn selbst. Er hatte clem Btirschen diese Konsequenz nicht zugetraut. , Der Chef empfand Gemigtuung,aber auch Sorge. Der

Doppelffiord belastete sem Gewissen nicht. DoCh er mufite , ,verdantmtaufpassen. Wer so einfach zwei Menschen umlegte, war unter Bmstanden Zu noch ganz andeien Dingen fcihig; Dieser Uwe in seinem Fanatismus, mit seinem blinden Gehor-, • sam wurde ilun allmahlich unheimlich. Der durfte ilun nicht aus der Kontrolle geraten; sonst konnte es leicht auch fUr ibn

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Page 27: Koch - Neofaschistische Bewegungen (Skorzeny)

'> Tasche stopfte. Hoffmann verzog miBbilligend das Gesicht, verkniff sich jedoch eine Bemerkung. Statt dessen fragte er

- zum x-ten Mal, ob der PaB auch in.Ordnung sei. Uwe bestii­. tigte das ebenfalIs· zup1 x-ten Mal und fiigte gereizt hinzu:

/ BrauchsLkeine Angst zu haben, ich lasse mich schon nich! erwischen, Wieder schluckte Hoffmann eine Erwiderung

,··iunter;

. Die Zeit driingte. Das Notwendige hatten sie besprochen. Uwe sollte mit dem «Intercity» von Niirnberg nach Frankfurt

. am Main fahren. Der Weihnachtsverkehrwiirde an diesem SamstagvoUeinsetzen. Da war die Falrrt per Bahn schneller und sitherer als auf der verstopften Autpbahn bei Schnee-

. matsch lind. Glatte. In Frankfurtblieb geniigend Zeit, die nachste Maschine nach Beirut zu nehmen. In der arabischen

'. Krisenzone am ostlichenMitteImeerrand,nurvierFlugshmden yonder Mainmetropole entfernt, aufierte der Chef zuversicht­lich, wiirde:n sich schon gleich nach der Landung·seine Spu­ren verwischen. Vor allem fUr inogliche Verlolger sei diese Region ein hellies Pflaster. Ermittler aus Europa seiendort hOchst ungern gesehen, und sie wiirden sich zwischen den

, diversen Biirgerkriegsfi:onten und Spannungsherden ohnehin katnn zurechtfinden.

Sie vereinbarten einen Code, mitdem sich Uwe nochein" mal vor dem Abflug ausFrankfurt und dann spater aus dem

. Libanon melden sollte. SchlieBlich vertraute derChef seinem scheidenden Adjutanten noch 'die Adresse eines Mittels-

.. mannes im Nahen Osten an; mit dem er vor Jahrenillegale . Waffengeschafte abgewickelt hatte.

Uwe nickte nur. Er war auffallend schweigsam geworden. Melde dich, wenn du irgeridwo untergekomillen bist, ver­suchte Hoffmann ibn aufzum,untem; und er fand dabeiden Ton des besorgten aItereIi Bruders, auch wenn du Geld oder

, " sonst Hilfe brauchst. Wirst es schon schaf(en, alter Junge! ,;Ich weide mich weiter urn dich kiinimern, kannst dich drauf

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Page 28: Koch - Neofaschistische Bewegungen (Skorzeny)

-v~rl~sen. Zum Abschied umarmten sie,sicltnich:t,siesalu~ 'tierten: , Franziskabrachte UwenachNiirnberg.Hoffm~lieBsich­wie schon am Abend zuvor - wiihrendde~n heim zivilen SchloBpersonal. sehen, untj!mahm dann~ den Puma an der 'beine _ einen. ausfiihrlichen Spaziergang durchs Don und kehrte zum Friihschoppen ii:n Gasthof von Ermreuth eiJ:l. Vorsorge fiir. ejri hieb- und stiCbfeste< Alibi. Sew Adjutant saB umdiese Zeit bereits im Flugzeug nachBeirut.

Tote konnen nicht mehrreden . . . , '

An jenem Samstag, deril20. Dezember 1980, verlorei:1 sich die Spurenvon Uwe. Der Lebensabiill des ehemalig~nAdjutan­ten von Karl-Heinz Hoffmann wurde anhand von AuBerungen friiherer Fr~unde und Bekannte, unter Verwendung von Zeugehamsagen vor Gericht, von Gerichtsprotokollen und anderenamtlichen Dokumepten sowie von Pressenotizen und

. personlichenAufzeichnungen nachgestaltet. Es gilt als sicher, daB Hoffmann im erstenHalbjahr 1981

wiederholt in den. N ahen Osten geflogen ist. Meist' wahlte del: Chef der verbote~en neonazistischen Wehrsportgruppe die Route tiber Damaskus. Ungekliirt blieh ob der selbst­emannte H~uptmann oder' Obersturmfiihrer: - wie er sich nach wie vor anreden lieB - beidiesen Reisen auch mit Uwe zusammentraf.N ach Lage def Dinge ist das sehr wahrschein- .' lich: AbeT es gibt keine Zeugen, keine Beweise.

,Als im Friihjahr 1981 dann das Geriicht in Umlauf gesetzt wurde, . Hoffmanns .ehemaliger Adjut~t sei spurlosver­schwunden, vernlUteten selbst Kenner der Szene zufkhst keinen ZUSamInenhang mit den Nah9stvisiten des Chefs. Damals waren 9ie Hintergriinde des Doppelmords von Erlangen noth weitgehend unbekaimt. .

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. - -, Neofaschist Hoffmann, selhstemannter «OberstunnjUhrer», verschob auch Waffen aus Bundeswehrbestiinden an Gesinnungs-kumpane in Libanon . .

Grundlegend anders stellt sich: die Situation nach dem ProzeB gegen Hoffmann von 1984 bis 1986 vor dem/Land- .

gericht Niirnberg dar, wo der Chef der verbotenen WSG u.a. wegen Mordes an dem Erlanger Verleger Shlomo Levin und dessen Lebensgefahrtin FridaPoeschke angeklagt worden .

'war. Hoffmann schob rigoro!! alle Schuld auf UweBehrendt / abo Der jedoch -so war nun zu hOren -habe 1981 in Liban~n , '

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Page 29: Koch - Neofaschistische Bewegungen (Skorzeny)

angeblich Selbstmord begangen. « ... doch istdas nach wie :or ein dunkler Punkt», schrieb dazn die «Frankfurter Allgememe Zeitung».6 , '

Zwangslaufig dfcingen sich Parallelen auf. Wie bekannt, ,war'dermutmaBliche OktQberfestattentaterGundolfKohler­ehenials aktives Mitglied der Monate zuvorverbotenen «WSG .Hoffmann» - einsder dreizehn,Miinchnei Todesopfer. Der Ziinder hatte zu friih funktionierL War dastatsachlich ein KonstruktionSfehler - oderdie eingeplante Liquidierung des Taters? '

Und nun der Mordfall Levin.Der Vorsitzende der Schwur­geriChtskammer in N~berg muBte sich bei diesem Verbre­chen mitder Vemehmung von mehr als 100 Zeugen und 28 Sachversilindigen begniigen, denn auch hier konnte def mutmaBlic}Ie Hauptschuldige nicht mehr gehort werden, weil er tot war. Angeblich hatte er Selbstmord veriibt. Irgendwo im Nahen Osten. Vielleicht in Syrien? Oder in Libanon? Nie­mand vermochte das zU sagen. Auch der genaue Zeitpunkt blieb im dunkeln .. Von dem angeblichen Selbstmorder gibt es keine einwandfreiidentifizierte Leiche, keinen Totenschein, ,kein Grab. Er sei irgendwo in derWiiste verschollen,hieB es verschwommen .

. Ob Hoffmann selbst oder ein vonihm ged1IDgener Morder aus den Reihen seiner Kurnpane den ehemaligen Adjutanten

, aus dem Weg geraurnt .hat, magdalllngestellt bleiben. Nach bisherigen Erfahrungen war es nicht Hoffmanns Art, sich· selbst die Hande schmutzig zu machen. Auf jedenFall blieb def Chef auchbei diesem Verbrechen - dem Doppehnord von Erlangen ~ im Hintergrund und konnte letztlich seinen Kopf aus der Schlinge ziehen. . " .

Doch wir sind denEreignissen zu weit vorausgeeilt. Itver­dient festgehalten zuwerden,,.-ffi!.B seit dem Verbot def«Wehr­sportgruppe Hoffmann» durchdie BehOrden der BRD rund anderthalb Jahre vergehen muBten, ehe der Anfiihrer dieser

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rrachweisbar verbrecherischen, neonazistiSchen und paramili­tfuischen Organisation hinter SchloB und Riegelgebracht wilrde. Und emeut gingenJahre ins Land, beY~r im Herbst 1984 in Niimbergs beriihmtem Schwurgerichtssaal,600 - in dem fast vier Jahrzehnte zuvor die, Hauptkriegsverbrecher des Hitlerregimes abgeurteilt worden waren - ein ProzeB gegen Karl~Heinz-Hoffmann begann.

Urn es gJeich vorauszuschicken: Die Untaten der Naziver-' , brecher fanden damals vor dem Intemationalen Tribunal ihre

gerechte, SUhne. Die Untaten' des Neonazis Hoffmann da~ gegen, der seinen Gefolgsleuten u. a immer wieder eingeham­mert hatte: «Eine Demokratie ist impotent, eine Diktatur, die

. den richtigen Mann an der Spitze hat, kann fUr das V olk alles tun», blieben weitgehend ungesiihnt. . .

Mitte Juni 1981 war Karl-Heinz HoffmariD. auf dem Frank­furter Flughafen festgenommen worden, als ereineMaschine

. nach Beirut besteigen wollte. Dem Neonazi von SchloB Errnreuth wurde vorgeworfen, er habe yonder Bundeswehr ausgemusterte Militarautos und anderes Krieg~material in deri NahenOsten an die rechtsextremistis41e Falangebe­wegung geliefert. Vermutlich ging es de-n BundesbehOrden primar nicht dai1:un, die Unterstiitzung rechter Kriifte in Libanon ru unterbillden, sondem allgemein urn VerstoBe gegen das Waffengesetz. Wie sich spater herausstellte, hatten abtriinnige Hoffmanngefolgsleute, die an den illegalen Waf­fengeschaften beteiligt werden sollten und sichbetrogeri fiihlten; den Chefhochgehenlassen. ' .

Tage danach wurde 'das 'altertiimliche SchloBin Mittel­'~en emeut, von einem Polizeikommando umstellt. Em SpeziaJistentrupp des bayrischen Landeskriminalamts durch­kammte . Hoffmanns Hauptquartier unddie umliegenden Waldregionen. Mit Spitzhacken, Schaufeln und PreBlufthain­mem bearbeiteten die Beamten dasmorbide Gemauer auf der Suche' nach Beweismaterial. S~iirtrupps mit Spezial-

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Page 30: Koch - Neofaschistische Bewegungen (Skorzeny)

baggem und Magnetsonden suchten frankische Hohlenah Mehrere Tage blieb das ,Gelande hennetisch abgeriegelt. Neben zahlreichen Handfeuerwaffen brachte die Aktion groBere¥engen falscher Dollars und 2 Kilogra:mrn hoch- , brisanten Sprengstoff derSorte TNT zutage. Zugleich wurde neonazistisches Propagandamaterial sichergestellt.«Die WSG ' kampft dafii~'», 'heiBt es darin unter. andetem, «Amerikaner und RuSsen und das Bonner System aus Deutschland zu ver­treiben, notfal1s mit Gewalt.»

Erst dreiJahre spater begann der bereits erwahnte ProzeB vor einer Schwurgerichtskammer des Landgerichts Ni.irnberg. Er endete im Juni 1986 nach fastzweijahriger Verhandlung mit einem Triumph fUr Hoffmann. Trotz erlreblicher Beden­ken, so der Vorsitzende Richter Rudolf Knoob in seiner vier­einhalbstiindigen Urteilsbegriindung; habe dem Angeklagten

, 'eine Beteiligung an der Ermordung des Erlanger Verlegers Shlomo Levin und dessen Lebensgefahrtin Frida Poeschke

, 'im Dezember 1980 nicht einwandfrei nachgewiesen werden konnen. hn Z~eifel habe das Gericht deshalbzugunsten des Angeklagtenentscheidenmti~seri~ Der Oberstaatsanwalt hatte' den 48jahrigen ehemaligen Graphiker zumindest als ~(geistigen

, Urheber» des Doppelmordesbezelcl:inet und'«lebenslanglich» gefordert:' '. " ,:'

, Als erwiesen sah dasGericht an, daB Hoffmann in Heidel­berg wie in, Libanon falsche US-Dollamotenherstellen lieB. FUr .schuldig befunden wurdeder Anfiihrer der Wehrsport­gruppe auch'des illegalen Waffen-, Munitions- und Spreng.: stofibesitzes, der unerlaubten Herstellung eines Schal1-dampfers,der Freiheitsberaubung und der gef~lichen Kor-. perverletzung. Wegen dieser Vergehen wurde Karl-Heinz Hoffmann zu insgesamt neuneinh31b Jahren Gefcingrus'ter- , -urteilt. Die '39jahrige Mitangeklagte Franziska Birkmann" gegen die dieStaatsanwaltschaft IJahr und 3 Moj:mte gefor- , deft hatte, erhieltwegen Nichtanzeigens einer geplanteri Stnif-" tat 6 Monate Haft. "

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. Ungeklartin dieserll bi~lang groBten NeonaziprozeB der ' BRD blieben die Fragen nachden HintermanneinHoffmannS die noch heute tiber. einel! FreundesIcreis betrachtliche Geld~ suriunen auf sein Konto tiberweisen. Auch die Vielzahl der . Querverbindungen dieser Wehrsportgruppe im Ni.irnberger RallID zu ahnlichen Neonaziorganisa.~onen etwa in Hamburg, Hanau, in M~ Koln, Hannover, Stuttgart,' 1m Raum Schleswig-Holstein ,und in anderen ,Gegenden der Bundes­republik kamen mit keinem Wortzur Sprache. Ganz zu .

,schweigen von den intensixen Beziehungen Hoffmannsund seiner WSG zu ne0na.z!~tischen und paramilitanschen Grup­pe~ und Verbanden inOsterreich, ltalien, Belgien, Frarikreich, GroBbritannien, Spimiert und in den USA. . ,

Diesenaheliegenden Fragen wurden von derStaatsaJwalt­schaft nicht aufgew()rfen und, auch vom V orsitzenden des Gerichts sorgsam ausgeklammert. '.

Braune Spw-en . Nach delJl Verbot der «W~hrsportgtuppe Hotfutann» Uild der , Verurteilung ,ihres Anf'iihrers versuchtendie Behorden der , ERD, im Land und vor al1em gegentiberdeiWeltoffentlich-

keit den Eindruck 'zu erwecken,aIS sei daririt das Problem Neofaschismus obeseitigt, als' gabe es zwisChen Schleswig-, Holstein und Bayem eine von paraniilitiirischen Oi-ganisatioc nen ausgehende Gefahr· nicht memo Und Generalbundesc anwalt Rebmann behauptete bis,zum, Herbst 1987 4nmer wieder, in der BundesrepublikDell~~chland bestehe keine Gefahr von rechts, weil ,es gelungen sei, al1e terroristischen Gruppen dieser Orientierungzu zerschlagen. Die Tatsachen

, ; belegen leider eine)) anderen Sachverhalt. ,',

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Entschieden reallstischerals der Generalbundesanwalt beurteilte zum Beispiel das BRD-Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» die Lage, wenn es schrieb: «Es hat lange gedauert,

. ehe deutsche Strafverfolgungsstellen begannen, Leute ~e Hoffmann emst zu nehmen uild amEnde auch hinter SchloB und Riegel zu bringen ... Diese amtliche, Milde nach rechts

, schliigt b~ heute durch .' .. » «Der Spiegel» meinte denn auch, Hoffmanns Organisation sei nur eine Gruppe «der mmdeut­.lichen Hitler-Bewegung» gewesen, nur em «Beispiel fUr das gefahrliche Anwachsen von Kampfergruppen am rechten

...Rand der Bundesgesellschaft».7 '. . i

Aus der Fiille vorliegenden Materials im folgenden nur einige Fakten, die diese TheSe besUitigen. '..

In Bielefeld verhaftete ein Polizeikommando auf erner Ver­anstaltung der ;<Deutschen V oiksunion» '(DVU) am 12. m . 19803 Neonazis, die Waffen bei sich trugen. Die DVU war 1971 yom Miinchner Rechtsanwalt Dr.Gerhard Frey und Erwin' Arlt gegriindet worden. Im Aktio~rogramm dieser

. rieofaschistischen Gruppe he,illt 'es u. a.: «Deutschland den Deutschen! .,. Die Auswahl der Gastarbeiterschaft, wobei verwandte Kultirrkreisezu bevorzugen sind, muB mit groB­ter Sorgfalt erfolgen. Kriminelle, Kommunisten .und Anar­chisten sind auszuweisen bzw. abzuschieben.» Die DVU be­hanptete, die Ermordung von 6 Millioneri Juden durch die Nazis sei eine Liige;' und forderte eine' Generalanuiestie fUr NS-Verbrecher. ImJanuar 1972 hatte Frey als Koordinie­rungsgremium der Alt-.und Neonaziszenein.der BRD e~en sogenaImten Freiheitlichen Rat gegriindet. In diesem ~at. srnd def «Arbeitskreis V oikstreuer Verbande», die revanchistische «AktioIl Oder-NeiBe»~ die «Deutsche V oiksunion», der «Deut­sche Block», die «Wiking-Jugend», def <1ugendbtind Adler», der «Stahlhelm-Kampfbund fUr Europa» und weitere neo­faSchistische und paramilitiirische Organisationen vertreten. .

Ubrigens,als WSG-Chef Karl-Heinz Hoffmarin in eine~

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Der Miinckner Reckts.anwaltund Nazi Gerhard . Frey (r.) 7977 auf einer HetZlieranstal­tung gegen die Bonnet Ostvertriige-

ersten ProzeB 1976 unter AnkIage-gestellt und ain Ende lecllg­lich wegen «ungese~chen Uniformtragens» zu eine~ Geld­strafe von 8000 DM veiurteilt wurde, war es Altnazi Gerhard Frey un~ dessen «Druckschriften- und. Zeitungsverlag» in Miinchen, der diese Kosten iibemahm. ,

.A1s Heralisgeber der «Deutschen National-Zeitung» und zahlreicher anderer neofaschistischer fublikationen, die perioc dischin ~iner Auflage von mehr als 100 OO() Exemplaren er­scheinen, griindete Frey bereits im November 1980 Unter dem Motto «Deutschlandsoll deutsch bleiben!» die Organisation «Initiative fur 1\.uslanderbegrenzung» (IfA). Tm Zusainmen- . hang'mit der rapide zunehmenden Mass~narbeitslosigkeit in der BRD p~ozierte die HA seit Mitte der 80er Jahre erne Welle des Chauvinisnius und 'der Gewalt, der zahlreiche in

. . der Bundesrepublik -lebende Auslander zum Opfer fielen. . Von diesen btutalen~ V erbn~chen, begangen vor' allem von

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Page 32: Koch - Neofaschistische Bewegungen (Skorzeny)

Frank Schubert (l.), Morder zuieier Schw.e.i~er Grenzbea1(lier, hatte Kontakt zur «WSG Hoffmann» ululzur «NS-Gruppe

Muller» in Mainz

sogenannten Skinheads (aufg~hetzten jungenLeuten~~k~­geschorenen Kopfen), wird an anderer Stelle ausfiihrlich berichtet. . ..

Am 15. Oktober 1980 iiberfielen 2 Rechtsexttemisten eine Sparkassenfilialein Zwirlgenberg (Kre~s BergstraBe} un~ er~ beuteten 34 000 DM. Einer der Tater solI nach ~rkenntnissen 'der Pomei der NeofasChlst Frank Schubert gewesen sein, der friiher ebenfalls in Kontakt zur «WSG Hoffmann» stand. Schubert war spater in der neofaschistischeri (~V o~ss~zialisti­schen Bewegring Deuts~~ds» (VSBD) aktlv, ~e Sl~ ~' gegen «Zionismus, Kapltalismus und Ko~urusmus~, ... eine «Volksgemeinschaft aller Deutschen» emsetzt unter dex.u Motto: «Wir sind nicht die Letzten von gestern, sondem.die Ersten von morgen!»

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NeonaziStische . Zeitschrift

Beidem Versuch, Waffen· und Sprengstoffin die BRD zu , schmuggeln, erschoB Frank Schubert am 24. Dezember 1980

an der SchweizerGtenze zwei Zollbeamte und naltm sich an­schlieBend auf der Flucht das Leben.

Mehr als 600 Altnazis und N eofaschisten au:; allen Teilen . der BRD versammelten sich am 5. Januar 1981 inAurniihlebei ' . Hamburg, urn dem ehemallgenQroBadmiral 'derNazi-. U-Boot-Flottille und Hitlemachfolger Karl Donitz «dasletZte Geleit» zu geben. Die vom letzten K~mmandeur der «Leib­standarteAdolf H~tler», Otto 'Kunim, 1951 gegrundete

.«Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Soldaten der ehe­maligen Waffen-SS e. V.» (HIAG) war ebensovertretenwie der «Freizeitverem Hansa», ein Samme1I:>eckeri verschiedeIjer

\ rechtsradikaler Gruppen irn Rauin Hamburg, . und die

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Eiizeiler KranzsckleiJen , for den als Kriegsverbrecher

verurteilten DOnitz.' ,

, «Wikingc]ugend», die zahh:~iche Auslandsverbindungen. zu neofaschistischen Gruppenu. a. in Belgien, Frankrelch, Spanien und den Niederlanden unterhalt., , '

I Am 19. Februar 1981 verurteilte, das Oberlandesgencht Celle 5 Mitglieder der neofaschistisChen Terrororganisation «Braunschweiger G~ppe»; die mit selbstgebastelten Bomb~n fortsclnittliche Buchladen, Buros der GewerkSchaft SOWle Synagogen und andere judische KultsUitten stark beschadigt

" oder ZerstOrt hatten. ' , , Nach amtlichen Angaben schandeten allein im]alu: 1980

Rowdys aus dem neofaSchistisch~n Lager in der BRD 42 judi- , sche Friedhofe und KultsUitten. In 44 Fallenkam es zu Gewalt-androhungen gegen judische Mitbtirger., '..

Einen Eindruck von der GefahrliChkeit neofl)S~s~sche~ und paramiliUirischer Bewegungen in der BRD venrutteit(!!l' ein Bericht, den das Bundesjustizministeriumim]anuar 1981 intern veroffentlichte.' Danach Willden allein in den letzten 3] ahren in der Bundesrepublik bei Rechtsrndikalenverschie- '

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denster Richtufigen tiber 500 SchuBwaffen, darunter 43 Ma-{ schinenpistolen, mehr als 27 000 SchuB Munition, nahezu ' eineinhalb Tonnen Scpwarz- und Treibladungspulver, fast 20 Kilogramm Sprengstoff, uber 120 Granaten und Hand­granaten, mehr als 20 - teils selbstgebastelte ~ Spreng~orper, 20 Raketen, auBerdem ~en, Bomben, Flakniunition, Sprengkopfe fUr panzerfauste und anderes Kriegsmaterial sichergeliteUt. Durch neonazistische Gewalttaten seien 16 Per­sonen getotet worden, 2 Neonazis kamen bei derDurch­fiihrung ihrer V erbrechenuffis Leben. AuBerdem wurden bei von Neonazis veranstaltelen SprEmgstoffanschlagen und b,ei Schie6ereien 227 Menschen zum Teil schwer verletzt.B '

Diese alani:rierenden Zahlen und zunehmende Proteste anti­faschistisCher und demokratischer Krafte veranlaBten die Sicherheitsbehoi:den der BRD im Man 1981 zu eiller bund~s­weiten Aktion gegen die - wie es offiziell,hieB - «rechtsradi­kale Sztme». Die Polizei durchsuchte rund 450 W ohnungen ' und konnte «zahlreiche W affen sowie umfangreiches Propa­gandarnatecial» sicherstellen. Eine auf~chluBreiche N achncht am Rande: 1m AnschluB an diesen Einsatz muBte der Chef der Kriminalpolizei Recklillghimsen, Ernst-Albrecht Lohmiil-' ler, wegen Verbreitung neonazistischer Schriften yom Dienst suspendiert werden.

Eben{alls im Friihjahr 1981 hatte sich Thies Christophersen , vor dem Landgericht Flensbur& zuverantworten.Der i\grar­journalist aus Schleswig~Holst,ein ist Griinder der 1971 als «pOlitischer Freundeskreis» gegriindeten «Biirger~ undBauern­

'initiative e. V.» (BBI). Internationales Aufsehen hatte im Friihjahr 1973 ein von fum als sogenannter Erlebnisbericht veroffentlichtes Pamphlet~tdem Titel «Auschwitz-Luge»,' erregt, indem er die Judenvernichtung bestritt und das Leben

,.in Auschwitzals einen angenehmen Arbeitsaufenthalt dar­stellte.Christophersen war angeblich in Raisko, einem N ebenc lager des KZ Auschwi~ als Sonderfiihrer fUr Pflanzenzucht

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In derBRD itizhehindirt gedruckt undverbreitet

tatig gewesen. Die «Aus&witz~Llige» konnte in der BRD bis 1976 in einer Auflage von 100 000 Exemplaren' gedruckt und verbreitet werden. Hinzu kamen, 30 000 Exemplare iIi englische~ Sprache. Das Landgericht 'flensburg verurteilte Christophersen wegen «Yerunglimpfung des Staates so)Vie des Andenkens Verstoibener» zu eiJJ.~r Fniiheitsstrafe von lediglich 11 Monaten., "

Schon bald nach dem Verbot dt;r «Wehrsportgruppe .floffmann» hauften sich aus mehrerenBundeslandern fufor­'mationen liber die Bildungvon N achfolgeorgariisationen.

, Bei Hannover griindete der Arzt und NeonaZi Uwe Jiirgens , eine «WSG Niedersachsen»; In del' Nahe von Augsburg hi..e,!t ' , eine Gruppe schwarz uniformierter junger ~ute,ausgeriisilt

mitWaffen, mlJitlirischem Schanzgerat lind Fahrzeugen, erst-, malsEnde, M1irz 1981 Nachtiibungen ab; Auf Flugblattern 'und Aufklebern mit NS-Parolen bezeic}mete sich <Ue Rotte"

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Lagerfeuerromantik als Leimrute der « Wiking-jugend» ...

... und Aufforderung zur Gewalt

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als «Bundeswehr-Fan-Club»: Die «Wehrsportgruppe Schles­wig-Hol~tein» ;... gegriindet' vom' NPD-Vorsitzenden in Schleswig, Uwe Rohwer, der rugleich a1s «Ga~r» der «WikingJugtmd» fungierte - aktivierte a1s Ableg~r ~e p~­milit1irische «W ehrsportgruppeTheone und. Trammg». Die «WikingJugend» wendete sich gezielt an die nah~zu eine halbe Millionjunger Leute; die in de:r B@ ohne Lehr- oder Arbeitsstelle sind, und lockte mit Lagerfeuerromantik Dnter dem Slogan: «Sag dem tristen Alltag <Lebewohl> - bei uns ist immer was los!» wurden <<Sport, Spiel, Singen, Wandern,

. Musizieren und Gelandespiel auf Fahrt und im Lager» an­gepriesen. Als. «Trainings-Zentrum» diente· U. a. . Rohwers «Wiking-H()f» in Dorpstedt. .

Was so harmlos-romantisch beg-ann, miindete fUr viele der Jugendlichen in paramilit1irischeruD.d~u~tische:Grund­ausbildung im Sinne des Neonazismus. Auf diese WeISe scharf

" gemacht, wurden und ~erdenMitgliederder«Wiking-Jugend» n.h-- kriminelle Terrorakte miBbraucht. Auf das Konto der «Wehrsportgruppe Schleswig-Holstein» ~d der «Wiking-. Jugend Gau Non!» kommen u. a. der Uberfall. a~ .eineu KoIner Gastwirt, der seine Raumlichkeiten der ~ozialistischen Deutschen ArbeiteIjugend zur V t;rfiigung gestellt h~~te, der Uberfall aUf einBuro der VVN in Hamburg, der Uberfall auf einen KoIner Waffenh.andler, Beute 60 000 DM.

Uingst richteten sich die Aktionen und die Propagan~a der neonazistischen und paramilitarischen Bewegungen m der BRD nicht nur gegen die Staaten des '. W arschau~r Pakts sowie gegen aIle fortschrittlichen und demokratischen Kriifte

, imeigenen Land, sondem auch gegen Einri~tunge.n. der NATO. EinAnschlag der«WikingJugend» auf emMumtio~­depot der Bundeswehr.in Reinbekbei Hamburg ~omle m .

.' letzter Minute noch vereitelt werden. Kaum zwel Monate . spater iiberfielen Mitglieder der «Wehrsportgruppe Schleswig­'Holstein» auf dem TruppeniibungsplatzBergen-Hohne aus

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dem Hinterhalt eine NATO-Streifennd entwaffneten sie. Tage d3.rauf war das Biwaklager holliindischer Soldatenauf demselben Truppeniibungsplatz Ziel eines n3chtliChen Uber­iaschungsangriffs. Die NeoDazis aus Schleswig.,Ho1$tein ver-

o letzten 1 Soldaten und erbeuteten 4 Ma....minenpistolen sowie Munition.

Alamrierendeneofasclnstische und antisemitische Ten­denzen machten sich zunehmend ~ch in derBundeswehr bemerkbar.

Offiziersanw~mjschten mit

Bei einer Razzia in der Gaststiitte cAmKaDaI .. imHambmger ' Stadtteil Uhlenhorst· konnte diePo1izei im Friihjahr 198f mehrere junge Manner stellen, die zum Kreis der veIImtenen neofaschistischen Or~on cSA-StuniJ 8. Mai .. gehorten. Diese Vereinigung war im Mai 1977 von Bundeswehrleutnant Michael Kiihnen gegriindet worden. Auchnach ihrem Verbot Anfang der 80er Jahre wurde ihre Schrift cOer Sturm, SA-Kampfblatt fUr Hambmg und Umgebung» konsp~

.hergestellt und verbreitet. , Die Polizeiaktion, so hieB es in einer SendUng im 3. Pro-:

gramm des BRD-Femsehens, war erst nach wiedemolten Beschwerden und Protesten einer «Biirgerinitiative UhIen­horst» ausgelost worden. Die Einwohner batten vom Innen-

. senator der Hansestadt ep.ergische MaRrial;!men gegen eine ' , zunehmende ~erroriSierung dun:h neonazistische Elemente

gefordert. Die Neonazis zogen durch das StadtvierteI, griihl­ten «Sieg Heil!» urid <1uda verrecke!», sangen das «Horst­Wessel-Lied», pobelten Pilssanten an und bedrohten sie, bespriihten Autos und Wande . mit nazistischen Parolen.

. Treffpunkt derHorde war die Gaststiitte «Am Kana1», in der es nadi AQ$sagen alterer Biirger zuging «Me in einem Sturm- ' ~okal der N azizeit».

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Diese Razzia ware einRoutineeinsatz geblieben, dessen ErgebniS man stillschweigend zu den Akten gelegt hiitte. Doch bei der Feststellung der personalien - wie es im amtlichen Proto­koll heiBt - stieBen die Polizisten daraut; daB sich unter den -NeonaziS 2 Studenten der Bundeswe~hochschule Hamburg befanden. Das'machte den Fall brisant. Wochenlang wurde

, dieser Skandal vertuscht, bis eine Hamburger Lokalzeitung dazu' eine N otiz veroffentlichte. Das BRJ)-Verteidigungs­ministeriurn auf der Bonner Hardthohe versuchte diese er­neute Neonaziaffare in der Bundeswehr mit der Bemerkung'

. heruntetzuspielen, ~s handele sich' urn «Eirizelfalle»" die «sorgfaltig untersucht» und «streng geahndet» wiirden. Die

, N amen der neonazistischen Offiziersanwarter blieben geheim. ~ Es lieS sich nicht feststellen, ob sie von der Fiihrung der Bundes­w~hrhochschule Hamburg weiterhin_ fUr geeignet befunden

. wurden, kiinftige Erzieher junger Soldaten zusein. Dem aufmerksamen Beobachter' der Szene drangen sich

Parallelen zu iilmlichen V orkominnissen etwa an der Hoch­schule d~r Bundeswehr in Miinchenauf. Dort hatten in der N acht VOID 29. zum 30. August 1985 3 Bundeswehrleutnante t:ffid 'I Fahnrich. wahrend einer Geburtstagsfeier N aZischall~

. platten abgespieltund dazu faschistische Lieder gesungen. Auch damals lieS BRD-Verteidigungsminister Womer er­kHiren, <~E~lfalle dieser Art» erlaubten «keine Riickschliisse auf .die :Bundeswehr als" Ganzes oder ~e studierenden Offiziere~>. . - . . .

Solche Beteue~gen bleiben fragwiirdig arigesichts der . !Fiille von Tatsachen, die leider anderes belegen. Zu diesen Tatsachen gehortein ak~enkundiger Vorfall, ebenfalls ander Hamburger Bundeswehrhochschule, der fUr uhs beinahe· unglaubhaff klingt. <<G~stapo und Jude» war an dieser bedeu-, •

. 'tenden Ausbildungsstlitte, des Fiihruhgsnachwuchses der Buildesw'ehr eine Zeitlang beliebtes «Spiel» einiger Leutnante, undman ivetteiferte gerade~ im Erfinden «origineller J uden-

.70

.. witze». Ein anderer Hamb~erOffizier - ergehOrt inzwischen der Bundeswehr nicht mehr an - wurde ej-tappt, als er sich als plakatkleber der neofaschistischen «Aktionsfrorit Nationaler Sozi~ten». (ANS) betiitigte. GrUnder auch dieser Organisa- . tion war der befeits erwabnte Bundeswehrle1,ltnant Kiihnen. 1m Propagandamaterial der ANS, die ihreAbsicht verkiindete an' ~en Wahlen zw: Hamburger BiirgerSchaft te~ehn1en: erklarte der «FUhrer» Kiihnen, Hitler sei lnit/~dem Feind im Innem» viel zu nachsichtig urngegangen,' nur ,d~shalb habe das «Tausendjahrige Reich» vorzeitig geeudet. . .

. Es wirft ein ~ezei~endes Licht auf die .Gesetzgebung· iri der BRD, daB die «Aktionsfront Nationaler Sozialisten» lange ~.eit ~s «gemeinniitziger V erein» aner~t war und Speuden fUr diese N eonaziorganisation von der Steuerabgesetzt 'Verden konnten. .

_ Als die ANS; die an zahlreichen Raubiiberfallen - u. a. ~tif eine Zwei?stelle der Hamburger Sparkasse-..:.beteiligtwar, un Dezember 198~ ~endlich formell verboten wurde, verhan- . delte die Fiihrung bereits einige Tage spater init ihren Gesin~

. nungskumpanen der 1979gegriindeten «Freiheitlichen Deut­schen kbeiterpartei» (FAP) mit dem ZieI, die ANS-Kader in die FAP zu iiberhehmen. Diese neonazistische Terror­prg~sation -' urspriinglich auf den Raw:il Stuttgart be­scltrankt - verbreitete sich,seitdem auch in anderen Bundes­landem, vor allem in N ordrhein-Westfalen. ' , Neonazi Kiihnen, im Laufe derJahre wiederholt verhaftet venirteilt un~ wieder auf freien FuB gesetit, wurde ~ Januar 1985 zu einer Haftstrafe von 3 Jahren und.4 Monaten yerurteilt. Aug cler Bundeswe'br hatte man ihn wegenseiner

. ,neonazistischenAktivitaten vor allem aisFijhrer des «SA-Stunns 8. Mai» im Herbst 1977 entlassen. .

71

Page 37: Koch - Neofaschistische Bewegungen (Skorzeny)

, M~IKiiJuW,. (r. nebentler Falme), Ex-Leutnantder Bundes­wehr, utllleine HUTtie seiner Neonazis in Hamburg

Die ~ blieben im dunkeln ,

EngeKontakte unterlrielt Kiihnen zu den Neonaziorganisa­tionen 'vmi Christophersen ,(<<Auschwitz-Luge»), Rohwer (<<Wiking:Jugeruh», zum .. Kamp~und Deutscher Soldate~,. (KDS) des ehem;iligen' Reichsarbeitsdienstfiihrers Erwin Schonbom und zur .. Welu:sportgruppe Hoffmann», in der­wie schon' erwahnt - zablreiche friihere AngehOrige der Bundeswehr a1s Ausbilder dienten. AufsChluBreich in diesem ZusammenhaDg, was der bayrische Ministerpriisident und CSU-Vorsitzende FraI,lZJosef StrauBnoch im Mfu'z 1980-zwei Monatenach clem Verbot der «WSG Hoffmann» -gegenuber ,clem fi:anzOsischen Femsehen, a~rte: «Die~r Hoffmann, der wirklich Wie ein Kasper, ausSleht ... mem, Go~ wenn em Mensch sich vergnugen will, indem er Sonntag auf dem Land mit einem Rucksack und einem mit Koppel gescb10ssenen Kampfanzug spazierengeht, dami soU

, manihninRuhe 1asseIP.9

Inzwischen ist es 3ktenkundig;daB der «KaspeD> bel, weitem ~cht nur uber Rucksack, Kampfanzug und Koppel verfiigte: Uber" dunkle KanaIe, gefordert von Fieundeskreisen, deren 'Beziehungen und Verbindungen' bis in die Chefetagen des Bundeswehr-Beschaffungsamtes ,in Koblenz reichen, bekam Hoffmann flir seine Truppe von der Bundeswehr abgebuchte, aber durchaus noch brauchbare Gelande" und PanzelWagen sowie:Krafirader, Tamuniformen, Stahlhelme, Gewehre und Maschinenpistolen, Finnmesser, Feldstecher, Stiefel, Patronen­taschen, Tornisterund weitere militarische Ailsriistungs-' gegenstande. " ",',','

Aberwer warenkonkret di~ Lieferanten? Wie wurden diese fragwiirdigen Geschaftezwischen der Bundeswehr und Nazi­Hoffroam't abgewickelt? Auchdiese Fragen hat das Nfun­berger Gericht im ProzeB gegen Hoffmann von 1984 bis 1986 ausgeklammert. ' '-.

Doch daBder «KaspeD> nicht bloB spazierenging, war schon damals kern Geheimnis mehr. Hoffmanns Soldner erhielten nicht nur gute Bezahlung und gutes Essen, es wurde au~ «barter Dienst» verlangt. Bei Aktionen gegen linke Buchladen,

,beim Saalschutz fUr Kameradschaftstreffen der Waffen-SS oder im Gelande. Die von ehemaligen BundeswehrangehOri-

'gen gedrillten' WSG-Mitglieder muBten, zum Beispiel in 48 Stunden 120 Kilometer marschieren, 10 Kilometer Dauer-

,lauf ohne Gepack in 40 Minuten schaffen,im Gewichtheben das eigene ~?rpergewicht abziiglich 10 Kilogramm stemmen ~d'5 Tage Uberlebenstraining unter extremenBedingungen uberstehen.JederWlJIde dazuim Nahkampf und in;l Messer-weden ausgebildet. ' , , Die «WanderliedeD> dieser neofaschisfischen Landsknechte sChlieBlich klangen etwa so:«Legt sie urn, die roten Saue, ' macht sie nieder, Mann fUr Mann,'kriechen aus den LOchem

,neue, keine Angst,auch sic sind dran».10 '

, 'An dieser Stelle fUr V ergeBli~e eine kleine Erinnerungs-, '

73

Page 38: Koch - Neofaschistische Bewegungen (Skorzeny)

. hilfe: Wi£! e; fur die IIitl~rfaschisten war, so istauchfur die Neonazis in der BRDalles «links», was sich auBerhalb wer Horden bewegt, inklusive - wie es in einem Flugblatt heiSt -der<1udenparteien KPD, SPD, CDl!. und CSV».ll .. '

Milita.nsche Ausriistungsgegenstande aus Bestanden der Bundeswehr wurden in den vergangenen Jahren von der Polizei ofter in der rechtsradikalen Sz€me, der BRD geortet. Doch die verschiedenen Gruppen undSplittergruppen, Ver­bande, V erein~ und Organisationen der Neonazis in de~ BRD, mit einer verwirrenden Vielzahl von Namen und Abkurzun­gen sind nur schwerzu uberschaue~. Oberflachlich ben:achtet, scheinen sie' zudem heillos zerstritten. Das macht -Sle dem AuBenstehenden, den Vnbeteiligten und nicht zuletzt den StrafverfolguilgsbehOrdenin der BRD und de~Ausland gegeniiber harmI0s. «Eine Handvoll Unverbesse~~ch~. Fana­tische Krakeeler. Jugendliche Spinner.» So ~d. ahnlich lau­teten denn' auch lange Zeit die Kommentare m der ~~-'

'Offentlichkeit. Doch dieser Schein triigt; Die augenfallig: . Zersplitterung ist nicht Schwache; sondem di~ Starke neon~­

stisch'er tindparamilita.nscher Bewegungen ~.d~r BRD, erne der Grundlagen ihrer Existenz in der gegenwi;i.rtlgen Et~ppe.'

Die'rechte Propagandaschrift «NS-Kampfruf» hatte smon 'vor Jahren die Devise herausgegeben, eine «straffe Zus~en­fiihrung» a,ller Krafte,zu einer «einheitlichen NS-,Orgarusatlon» unbedingt zu vermeiden: Bisher habe sich, <<n~ d~ Zellen­system als PIaktikabel erwiesen».12 VIJ.d der b'eruchtl~e Ver­fasser der «Auschwitz-Luge», Thies Christophersen, erner der fiihrenden Naziideologen in derBRD, stellte fest: «Wir miis­senweiter; wie bisher, in kleinen Gruppen arbeiten. NJlI so werden wir auf die Dauer Erfolg haben. Ein groBer Zus, menschluB wiirde sofort verboteIJ. und zerschlagen we-den.»13 . , ,'':' ' . ':

Diese Zitate bediirfen jedoch der notwendigen Erganzung , 'd~ch eihen Ausspruch von Michael Kiihnen, der halb Dro-

,74

,hung, halb Eingestandnis iSt. «Wirim '<Ilationalen Lager>-», erklarte ,der ehemalige Bundeswehrleutnant. vor seinem ProzeB in Celle einem Journalisten, «sind gar'nicht so zer-'" splittert, wie es scheint Erst mal k~nnen wir Fiihrungsleute . lIDS alle von ~ord bis Sud; Vnd wir sind jederzeit in der Lage, koordiniert zuzuschlagen.» 14, ' ' ' "

Vnter dieseni Aspekt - derkoordinierten Vorbereitung neonazistischer . und paramilitiirischer Gruppen auf einen «Tag x» - erhielt die Entdeckting geheimerArsenale wie des umfangreichen Waffenlagers im Suesinger Wald bei Uelzen in der Liineburger HeidebesondereBedeutung: In 33 Erddepots fanddie Polizei dort 88 Kisten mit 50 Bazookas

, '., , 258 Handgranaten, 300 Kilogranun Sprengstoff und anderem Kriegsgerat" das naChweisbar ausBundeswehrbestanderi ' stammte. .. Dieses umfangreiche Magazin, so wurde abwiegelnd der OffentliChkeit erklii.rt, hatte' ein gewisserLembke, Jahrgang

, 1937, angelegt. Vnd zwar ganz allein. Das habe er def Polizei auchzu, Protokoll gegeben. Vor Gericht allerdings konnte der Marm nicht mehr verno'mmen werden~ Er erhangte sich ' wahrend der Vntersuchungshaft ~ semer Zelle~ Selbstmord, , notierten die .Behorden. Das Verfahren wurde eihgestellt. Hintergriinde und Hintermiinner blieben.- wie beimBomben­massaker auf, dem Miinchener Oktoberfest und wie beim DOppelmord in Erlangen - auch hier im dunkeln.

Symbolische Judenverbrennung aIs «Witz»

Den Hinweis auf eine Vrsache rteofaschistischer undanti-,· semitischer Tendenzen in ,del" Bunde~ehr wie uberhaupt ,der Anfalligkeit der jungen Generation der BRDin' dieser Wichtigen Lebenshaltung gab - sicher unb~absichtigt ~ ,aus~ getechnet eine JustizbehOrde in Miincp,en. Das Bayrische

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Page 39: Koch - Neofaschistische Bewegungen (Skorzeny)

, ~!

Verwaltungsgericht in der ~deshauptstadt eritschied am . 14. August 1979, die fristlose Entlassung von 5 Leutnanten, Studenten der Bundeswehrhqchschule in MOOchen, sei nicht rechtens. Was war geschehen? Die Offiziere, alle eingetragen im Fachbereich J'adagogik, hatten im Februar' .1979 bei der . Junggesellen-Abschiedsfeier eines Kommilitonen Nazilieder gesungen und «Sieg Heil!» gerufen. SchlieBlich hatten sie auf dem Hof der Bundeswehrhochschule em Feuer entziindet und .. miter Gejohlti Pappkartons fu die Flammen geworfen. «Los, I

leg noch einen Juden nach!» hatten sie sich gegenseitig lachend . atifgefordert . Einem imaginarell Vorgesetzten wurde mit erhobenem Arm zackig gemeldet: «Herr General, ich melde,

. weitere 1000 Juden erfolgreich verbrannt!» 'Das Bayrische Verwaltungsgericht MOOchen erkannte also,

die daiaufhin erfolgte Entlassung der Bund~swehroffiziere «sei 'nicht reChtens». In der Urteilsbegriindung heiSt es u. a.: «Bezliglich des oder der Rtife am Feuer <Leg (oder legt) noch einen Juden nach!> erscheint es der Kammer glaubhaft, daB . diesel'Rtif nicht Ausdruck eines latenten Antisemitismus .. .,' sondem a1s - allerding( makabrerundh6chstgeschmackloser-

, Witz gedacht war. Hierbe~ ist zugunsten des Klagers und sd­ner Kameraden zu beriicksichtigen, daB sie der N achkriegs­generation angehoren und im Rahmen ihrer. Erziehung, ins­besondere ihrer Schulausbildung, tiber den N ationalsozialis­mus, seine politis chen und sozialen Hintergriinde sowie seine Greueltaten, vor allem gegenJuden, nach ihren Bekundungen offenbar in der Regel gar nicht oder nur hochst unzureichend unterrichtet wOrden. Eine Auseinandersetzung mit diesem Teil der jiirigeren deutschen G~schiChte und eine Atifarbeitung

.' der damit. verbundenen historischen, Schul~e hat ~er bei ihnen. nicht stattgefunden ... DaB der Klager und seme KameradenmitdieserpolitischenundgeschichtlichenNalvual:-m

_~ niclit' vereinzelt dastanden, zeigen nicht zuletzt die , allgememgrasslerenden 1udenwitze>. Einige der Zeugen

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ha~ bekundet, d<l8 sich zu der :&agtichen Zeit auch andere Studierende der Bundeswelu:hocbsck-1 ·.T d· ';. · te Ende d' . . . .we ~u ,enWItze> erziilil-

n .. .» es Zitats. - .

be~eteint ~ebr:acb.t,~ ~inmal zu betonen: Bei diese~ · '. enswe~ Eingestiindnis handelt es Sich urri Auszli e aus. emer ~rteilsbegriindung des Bayrischen Verwal . g_ genchts Munchen)5 .. tungs

Naziobezst aJs Gast der Bundeswehrluftwaffe

Au6er der «1lIlgelliigeilden Unterrichtnn...,.;de·· .' . ration in der ERD tiber«denN . ''''~~.' r~ Ge~~-

'; schen und sozialen '. .. ~us, seme politi~ · . HinteIgriinde SOWIe seme Greueltaten» lStobne Zweifel auch die Vorbildwirkung" rbe . Al

...... ...:- d. . un. ve sserlicher Ll.Ia.Ld-'> un erne h-..~ ... ...:I;~ T-.l= wehrmitv ~:o~~~<;; .tcwitionspflege der Bundes-

· e~twortlich fiir:umper wieder in den Streitkriiften der. B~ rn Erscheinung tretefide neofaschistische und antiseIll1tische Tendenzen. .

Erstdurch. Zeitungsveroffentlichungen wurd '.. ' N be 1976

• . . e un ovem-r erne Mfare pub1ik, in die Hans-U1rich Rudel '-

e~ema1s 0hers! der Naziluftwaffeund von HitleihOchst deko-· nerter Wehnnachtsoffizier - und das Anft.J'i~~n... . ch d 51 Imm

• . . ............ "'-'5"ges wa- c

er« ebnann» del' Bundeswehrluftwafli . B ' be

'. F ;b ern, remgarten I reI urg verwickeltwaren. Der ehemalige Stukatli

der N aziluftWaffe, der u. a. 500 nissisch ~. . . eger . nnd 1 britisches Scblach . " e anzer verruchtet .

. ," tscbiff versenkt hat, war nach dem zweltenWeltkrieg. erst einmal Pin.'·m> . Jahre' . Arg' • • . ~- rn . entinien nntergetaucbt. Aber bereits.Anfang der 50erJahre . te

behind d . . reIS er

nn ert mch die BRD und riihm .. . .. fli tlich. . .(" te Slch WIederholt (~en . semer KriegStaten fiir den cEndsieg des Fiihre .' Zugleich bemiihte '....L Ko' .' . • .rs».

. er ~UJ. urn ntakte zu verbotenen nazisti-schen Banden, die Slcb cBmderscbaft» und «F". ..... ..... ehemaliger Soldaten» nannten. Rudel scharte ~g · schlossene Gesiiui .... .....t;...,.. .' . '. «zu em» ent-

. .' . .~ ... 1iDde urn Slch und plante, die im

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Page 40: Koch - Neofaschistische Bewegungen (Skorzeny)

,

Idol der Naziluftwaffe kandidiertefor den Bundestag

Zuchthaus Werl und im Spandauer Gefcingnis einsitzenden Kriegsverbrecher «im Handstreich» zu befreien. Das s~ekta­kuHire Untemehmen wurde vorzeitig publik, RlJ.del schien es ratsam, si~meut nach Argentinien abzusetzen. Der Sk~dal geriet in Vergessenheit. Und schon. einparu::. Monate spat~r, im Dezember 1951, war er wieder da. Er gehorte ,zu den .Mit­begriindem der«Deutschen Reichspartei» (DI~~P), ~DJ.em

, Sammelbecken hartgesottener Nazis und Militanstenm der BRb und kandidierte 1953 - aIlerdings; ohlle Erfolg - zu , . den Bundestagswahlen. ' .. '

Ineinem Interview mit der «Bild>>-Zei~un~ verteldiie Rudel ausdriicklich die Verbrechen des Nazrregtmes und r Hitlerwehrmacht und erkUirte: «Wenn wir denKrieg gew~n-

ha··tten, wiirden heute aIle den Arm heben und <Sleg nen ". . H il' I rufi n ,·w· enn man,ffilT .. ' .vorwirft, ultrakonservatlv zu e.>. e ...

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Pressemeldung roste Bundirwehrskandal aus '

8ein, dann bin ich sehr stolz darauf.» Die Anfang der 70er Jalrre eine. Phase der Entspannung in Europa einleitenden Ostvertrage der BRD kommentierte Rudel so: <1eder ansUin- . dige Deutsche hat die Pflicht, gegeri diese Verzichts- und Unterwerfungsvertrage zu kampfen, das sind wir unseren ' gefaIleIien Kameraden und unserem Vaterland schuldig.» , UnermiidIich -und unbehindert "- wirkte das einstige N azi~

idol als Mentor fUr neonazjstischen und / paramiliUirischen , Nachwuchs in der BRD sowie aIs Festredner auf'Veranstal-tungen von Solda:ten- und SS-Traditionsverbanden. <

Dieser Rudel nun Wurde zusammen mit an:deren friiheren AngehOrigen des Sturzkampfgeschwaders 2 der Naziluft- , waffe - mit ausdriicklicherGene.tmngung des Kommanrueren­den Generals def Luftflotte der Bundeswehr Walter Kru" pinski - vom Aufldarungsgeschwader 51 in Bremgarten bei Freiburg zu einem «T~ditionstreffen» eiIlgeladen., Nazi­Exoberst Rudel iiberreiChte dem Bundeswehroberst Fritz SChade auf dem Kasemengelande vor einer angetrete~en Staffel einen WID:tpel mit Wappen rind signierte am nachsten Tag im Rahmen eines Friihschoppens im Offizi~rskasino seine Memoiren.

Page 41: Koch - Neofaschistische Bewegungen (Skorzeny)

Als dieser Skandal bekannt wt.mle, verteidigten det Luft­flottenehef der Bundeswehi:" Krupinski und sem Stellvertreter Generalmajor K3rl-HeinZ Fr.mke die EinIadung des Nazi­obersten aucb. noch. Vor der iIl-temationaleri Presse erldarte Drei-Steme-Genera1 KrupinSki, Traditionspflege sei notig. Sch1ieBlieh stehe die Bundeswehi:". ill- der Tradition ihrer

V organgerarmeen ... Nun erregte die Affiire international Aufsehen und'~de

aueh im BoDner BUndestag diskutierL Der dama1ige BRD­Verteidigurigsminister LeberSah keine and~re :tdOglichkeit, als Krupinski und Franke zu en~n. Doch der V orfall war damit nieht ungeschehen zu machen. Weleheriegative Vor~ bildwirkung diese Art TraditionspjIege auf junge Bundes­wehrsoldaten haben kann, lii8t sieh denken.

AufschluBreieh ist eine A.uBerung von Manfred Womer, Verteidigungsminister der Regiemng in Bonn und neuer­dings aussiehtsreichster Kandidat fUr den 1988 vakant wer" denden Posten des NATO-Genera1sekretiirs, zu dieser A:lfare. Der damalige CDU-Bundestagsabgeordnete, Reserveoffizier der Bundeswehr und CDU-Wehrexperte bemerkte dazu:.

«Ieh kenne die politischen Auffassunge~ von Oberst a. D. Rudel nicht. Selbst wenn ieh sie gegebenenfalls miBbilligen moehte, wiirde das meinen hohen Respekt vor der J:teraus­ragenden Tapferkeit und der vorbildliehen soldatisehen Haltung des Oberst 'Rudel im zweiten Weltkrieg keinen Abbrileh tun. leh sage das bewuBt als AngehOriger der Nach­kriegsgeneration und als Soldat det Bundeswehr.»16

Als Rudel Ende 1982' starb, machten Beobachter unter den Trauergasten neben Alt- und Neonazis sOwie Vertretem des

. «EIu-enbundes Rudel, Gemeinschaft zum Schutz der Front' soldaten»,des «Kampfbundes Deutscher Soldaten» und wei­terer Traditionsverbande aneh etliehe hocbkariitige Offiziere, der Bundeswehrluftwaffe aDS. In:ErinIJerung an das DesaSter' von Bremgarten batten die Herren es a1lerdings vQrgewgen,

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~azi-RmJel (in: ZivilJ Dei a.e;. Bundeswehrmftwaffe

in dezentem Zivil' ill e~einen. Obne eine' demonstrative «Ehfenbezeigung» der Bundeswehr fUr einen <<verdienstvollen Frontkameraden» verlief die Trauerfeier dennoch nieht. :rID Augenblick, da der, Sarg mit Rudels sterbliehen Uberresten beigesetzt wurde, donnerten mehrere Staffeln der Bundes­wehrluftwaffe in Fo:n:ruition im Tieffiug tiber den Friedhof. Auf Anfragen vonJoumalisten wurde Spater von derHardt­

,hohe erkl1i:rt, es habe sieh da urn ein <<rein zufaIliges Zusam-mentreffen» gehandelt. . . '

. Kranz der Bundeswehr fUr SS-Mijrder .

Apropos TraditionSpflege. In· einem eIitspreehenden ErlaB des Bonner VerteidigungsministeriumsheiBt eS dazu unter Punkt 23: «Verbande, Schiffe undUnterkiinfte der Bundes­wehr konnen mit Zustimmurig des BundesmiIriSters fUr Verteidigung nach Personlichkeiten benannt .werden, die' in '/ Haltung undLeistuDg beispielhaft ware~17 .

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Page 42: Koch - Neofaschistische Bewegungen (Skorzeny)

SS -Triflen im Hunsrilck. Auch Bundeswehrsoldaten nahmen teil , -"

Eine sehr versChwonu:nene FonnUlierung. Beispielhaft -wofiir?

Offenbar zahlt zu den <<in_Haltung und Leistung» beispiel-haften Pers6nlichkeiten nach Auffassungder Hardth6he auch der Naziadmiral Ltitjens. Der. hatte sich und das' Schlacht­schiff «Bismarck» 1941· im Atlantik «heldenhaft» selbst ver­senkt. Hunderte Matrosen starben eineIi sinnlosenTod,.nach­dem. Ltitjens zuvor noch kernige Treuebekenntnisse und Durchhalteparolen an den «FUhrer» hatte funken lassen. Den N amen dieses «HeIden» tragt einLenkwaffenzerst6rer der BtiIldeswehrmarine.

Es gibt in derBRi) auch Lettow-Vorbeck-Kasemen, benanrit nach e.inem gnadenlosen .~nente~ der Kolo~" politik des 'letzten deutschen Krusers m Afrika, der. spater maBgeblich am Kapp-Putsch be.teiligt war, mit dem die Weimarer Republik gestiirzt werden sollte.Die· AufZlihlimg lieBe'sich beliebigfortsetzen. "

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Prof Oswald Hahn, Ordinarius in Niimherg, / verherrlicht Nazihelden

" Im erw1i.hnten TraditionserlaB - wn einenweiterelj AspekL ziI nennen- fehlt der Hinwej,s, daB jede Traditionspflege mit '." cler friiheren Waffen-SS zu unterbleiben habe. Zufall oder Absicht? Jedenfalls hatte das FQIgen. . . . ,

Der Mtinchner «Pressedienst DemokratischeInitiative» hat in einer Dokwnentation ~ehr a1s ein Dutzend offiziell~r Kontakte zwischen Angeh6rigen o,der-Einheiten derBundes­wehr'und Verbfulden der «HIAG» (Hilfsgemeinschaft auf G~gense~tigkeit ehemaliger Angeh6riger der Waffen~SS) nachgeWlesen .. So legte eine Abordnung der Bundeswehr':­~usdrticklich im Auftrag des Bundesveiteidigungsministe~ nwns! r- am Grab. des friiheren estnischenSS-Standarten­fiihrers Rebane in Augsbirrg sogareinenKranz nieder. In ,~_ diesem Fall wurde die Sachespater als ein Versehen bin- . gestellt. . . . . .-

Zum geistigen Klima, .das neonazistische tindantisemiti­s~e Tendenzen inder- Bundeswehr n~ geh6rt auch' das W rrken von Oswald Halm, Ordinarius fur Betriebswirtschaft

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Page 43: Koch - Neofaschistische Bewegungen (Skorzeny)

der Niirnberg~r Universitat. Der Professor und Reserve­offizier der Bund~sWehr lauft nieht nur fast stiindig in Uniform herum. III seinen Vor1esungenbezeichne~ er Manner wie den Generaloberst der" Naziwelu:nladIt Alexander Lohr '

- unverhohlen als «Vorbilder fUr die heutige Jugend». Lohr lieS -im zw~iten Weltkrieg u. a. Belgrad ,bombardieren, und

, er war als HitleiS Oberbefehlshaber «Slidost» 1942/43 und 1945 fUr' die Deportation von mehr als 60000 Juden aus Grieehenland, Albanien und Rhodosverantwortlieh.

<~Im Keller der 'Niirnberger Universitiit», so sthrieb die «Sliddeutsehe Zei~ im Juli1985, «treffen sieh Offiziere der -Bundeswehr, dazu Polizisten iI\ Uniform soWie dezent

. gekleideteaItere Herren und ein paar j~ Mannei'. Hof1i~ aber bestimmt weisen Kontrolleure am Eingang alle ab, die nieht zu diesem abendliehen Treffen emgeladen wurden .. : Den Horsaal schmlickt ein Konterfel des Gerieralobersten Alexander LOhr ... Professor Oswald Hahn haIt eine Gedenk­vorlesung zu Ehren des Generals; der jetzt hundertJahre _alt gewordenware, hatte Urn nieht~in Trib~ in~ugoslaWlen wegen seiner Verbreehen gegen die Menschlichkelt zum Tode verurteilt .. »

--In'Unifo~ ~ Kameraclschaftsabed

Bei emeni solehen politisehen Klima in Teilen,des Offizie.rs: korps der Bundeswehr verwundert schon ni~~ m~, was ~~ch 3m Sonntag, dem 19. April 1987, auf dem Geliinde em~rGart.

, nerei in Mainz-Gonsenheim zugetragen hat. Nach Embruch der Dunkellieit glieh das Anwesen einem Wa1lfahrtsort. Am allen Himmelsriehtungen niiherten sieh Einzelpersonen und kleine Gruppen zu FuBder Giirtnerei Die polizeiliehen lenn. zeiehen ihrer in den SeitenstraBen parkenden Autos wiesen auf-Stiidte Und Gemeind~n in verschiedenenBundeslandern hiD. Uber der Szene lag Stille. Es wurde nieht gesprochea

, ", ,\

Fast eiltstand der Eindruck einer Versehworung. Unter den stummen Passanten scih man aueh Angehorige' der Bundes- . wehr in vollem Wichs, in deF Mehrzahl jedoeh Zivilisten. Manehe lieBen unter, dem aufgeschlagenen Mantel, gcinze Reilien von Orden und Ehrenzeiehen aUS der Hitleriira bOO­,ken. Uberall am Zaun der Giirtnerei lungerterrvermUlllIDte ,Gestalten herum,die offenbar den Auftrag' hatten, den Ort derZusammen1runft abzuschirmen. Posten am Torkontrollier­ten jedender Ailkommlinge.

III einer Wellbleehbaracke, die er zu einernamtisehenKult­stiitte umfunktioniert hatte, empfing_ein biederauSsehender _' Mann mit Bauchansatz und Halbglatze die Gaste: der lIaus~ herr Curt Miiller. Hacken knallten'zusaInmen, reehte Arme worden hochgerissen, «Sieg Heil!»-Rufe ersehallten, Und gemeinsam sang man einleitend' das«Horst~Wessel~Lied».

_ Nach einem kriiftigen ImbiB win-de der Rimm veI;dJIUkelt. ' Uber die Leinwand flimmerte der «FUhrer» - yom PUblikunt mit frenetischem Beifall begriiBt - auf einem der Reichspartei­tage zu Niirnberg, der «FUhrer» in Bt:rehtesgaden, der «FUhrer» auf dem Obersalzberg, der «FUhrer», schlieSlich :iin offenen Mercedesbei der Fahrt dureh den Triumphbogen und liber die Champs-Elysees im eroberten Paris. . . '

Wiederum Beifall, «Hurra»-Geschrei, nieht nur der. Wein hatte die Gemliter erhitzt. Punkt Mittemaeht stimmte jemand «Deutschland, Deutschland liber alles ... » an. So feierten sie

, den 98. Geburtstag VOIl Adolf Hitler. , , , Nieht nur zti besonderen «Gedeilktagen» war die Giirtne-: rei Miiller in Mainz-Gonsenheim em ,beliebter Treffpunkt

, von Mitgliedem und Sympatlri~anten der reehten Szene in der BRD.Beinalte in jeder Woeh~ veranstaltere Neonazi Miiller m seiner Giirtnerei Kameradsehaftsabende, und nieht

., wenige junge Leute - unter ilmen fasf inmler die besonders _ eingeladenen «Kameraden von deiBundeswe~ - kamen

,.' ZWilichstaus reinerNeugier oder weil sie Langeweile hatten.,'

Page 44: Koch - Neofaschistische Bewegungen (Skorzeny)

'" '"

AlJe Orden, alter.· Geist - ViJrbild for die Bundesweltr?

Nichtselten fanden sich an die 50 Besucher em: Bei preis­wertern Bier und belegten Broten erzahlte der G3.J::Inermeister angeblich eigene Kriegserlebnisse, rnari~al las rnanaus Blichem liber Prien, Rudel und andere «Helden»der Hitler­zeit vor. Dazu wlli-den gelegeritlich Fihne wie_ «Spiihtrnpp Hallgarten», «W unschkonzert», «U -Boote westwarts» und andere Streifen, die das Naziregimeund die Hitlerwehrmacht verherrlichten, gezeigt. 1 ; ,I, ,

Die BehOrden sahen bisher keinen GrUnd einzugreifen. VerbotsfOI:derungen des Landesverbandes der VVN - Bund der AntifasChisten Rheiriland-Pfalz wurden mitdern Berner" kenzutiickgewiesen, es handele sich ~mgeschlossene Veran­staltungen auf einern privaten Grundstiick" daher r,be es, rechtlich keine Handhabe. Ein Mainzer CDU-Stadtfat fand

, nichts dabei, Nazi-Miillersogar noch zu loben, denn «schlieB~ liCb hole er ja die jungen Leute von der StraBe».

Fiir Joumalisten, die von Miiller mit sichtlichern Stoh; auch',

86

im Wohrihausherumgefiihrt Wurden unddie liberall Hitler­. portriits und Hakerikreuzfahnen sahen, hatte dieG1i.rtnetsfrau U~el M~er eine iihrilich frappierende Erklarung parat: «Ach, WlSsen Sle, andere Leute hangen sich Fotos von riackten Frauen auf, und rnein Mann eben das, was er ,halt verehrt.»

Ehemaliger BundeSwehrgeneral , an der Friedensfront

Es ware falsch und ist keineswegs b~absichtigt, bei der Unter­suchung neofaschistischer und antisemitischer Tendenzen in der Bundeswehr zu verallgemeinem. Es Uegt dem Autor fem, S~ldaten oder Offiziere der Bundeswehr zu verungJ.4npfen. Nlcht wenige junge Mfumerin der BRD sahen und sehen ~ehmend gerade in den letztenJahren im'freiwilligen Bei~ tritt zur Bundeswehr ihre' einzige Moglichkeit, det Dauer­arbeitslosigkeit zu entkommen. Undes gibt, zahlreiche' Bei­spiele, da sich SoIdaten, auch Unteroffiziere und Offiziere der

, Bundeswehr; rnitunter trotz ausdriicklichen. Verbots' ilJi.er ' Vorgesetzten,ri:mtig urid in voller Uniform an Friedens­dernonstrationen, an Protestversammlungen g~gen di~ Statio- . nierung'amerikanischer Atomraketen in der BRD, an Kund-. gebungen gege~ .die selbstnIorderischen Stemerikriegsplane der USA beteiligten und dafiir disziplinarisch: bestraft ,wUrp.en.

. ". YVie bekarint, wurdendie Atornraketen der USA gegen den Willen der Mehrheit der Bevolkerung in der BRD dennoch stationie~: Das. veranlaBte zunehmendAngehOrige der Btin-

, deswehr, uber ihre ganz personliche Zukunft nachzudenken. Esw.~st die Zahl veraritw0;tungsbewuBter Soldaten, Unte'r­o~er~ und Offiziere, die von derErkenntnis ausgehen, daB es ill e~ern A~tiIkries: keinen, Sieger und Besiegten rnehi . geben wrrd .. In ~esern Smne dell!onstrierten am 27. Juni 1987 ~ehr als. fiinfzig Bundeswehrangehorige durch' die' KoIner.

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Jnnenstadt. Gemeinsam mit Hunderten Kiinstlem und Ver, tretem def zivilen Friedensbewegung setzten sic1i die Solda­ten und Offiziere fUr, die doppelte Null-LOsung bei Mittel­streckenraketen ein Und forderlen von der NATO' - ahnlich, wie, ~ die Staaten?des Warschauer Vertrages seit langem feierlich erklart hatten - den. Verzicht auf den Ersteinsatz

von Atomwaffen. Auf einer abschlieBeuden Kundgebung bezeichnete

Bmldeswehrmajor Helmuth Priess die doppelte Null-LOsung als einen'erstenSchritt ~ einem atomwaffenfreien Europa

", ..Dakisollten die 72 USA-Mittelstreckenraketen Pershing la der Bundeswehr nicbt ausgeklammert werden.

Di~se Friede~ak.tion der BundesWehrangehOrigen im JUni 1987 in der Kolner Innenstadt ist auch ein Ergebnis von V or­bildwirlrung anderer' Art. Gemeint ist die verantwortungs­bewu8te Haltullg des ehemaligen Bundeswehrgenera1s Gert

. ,Bastian aus Wiirz~g, eines der Trager der Krefelder Ini~- , 'tive gegen die Atomriistung der NATO;der nun schon selt

. Jahren in den vordersten Liniep dei Friedeusfront in der

BRD kampft. . Das Beispiel dieses ehemaligen hohen Offiziers und Patrio-

ten wie das mQtige Auftreten jener, groBen Gruppe von Bundeswehrangehorigen in Koln weckt Hoffnung und gib~ Zuversicht, daB is den demokratisch gesinnten Soldaten und Offizierim gelingen Wird, den EuifluB . der neofaschistischen

mid' antisemitischen Kriifte in del' Bimdeswehr mehr und mehrzuriickzudriingen. '

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«Bock,.einen Tiirken aufzumischen»

Die erste Nachmitlagsvorstellung anjenem Samstag enru:te gegen 17 Uhr: Das Filmtheater war nur etwa zur HiiIfte besucht, doch ~arnazaD und Veli Avci hatten sich amiisierL ~ilintheaterwar iibrigens reine H6chstapelei;,bei diesem Kino

. ,m der Hamburger Altstadt handelte es sich mebr, um eine sogenannte Hohkiste, die schon auf AbriB stand, nachdem keine der neuen KinokettE!ll Interesse gere~ hatte. 1m letzten Moment hatte man dann aus der Bruchbude ein Kino fUr Tiirken gemaclJ.t. Rier liefen nur Streifen ,aus der Tiirkei in ~e, und fUr die Briider Avci gehorten seitdem Kinobesuche zu, den wenigE!ll Vergniigungen, die sie sich leisteten. ' .

Mit den Yilinen kam ein Stiickchen Heimat zu ibnen in die _ Bunde~uhlik Deutscl:lland, wo .sie sich nach Jahren noch wie Fremdkfuper fiihlten. Von den gr~Bartigeri Versprechun­gen derAgenten zu Hause in der 'Ciirkei, mit denen man sie hierhergelockt hatte" war kaum etwas eingehalten worden. Andererseits hatten sie zumindest ihr Auskommen. Und wenn sie im Kino saBen, fiihlten sie sich fUr zwei StundensOgar wie zuHanse. . "

. VOIWeibnachtlicher Trubel belebte die StraBen. Letzter veIkaufsoffener langer Sonnabend V9r dem Fe~t. Ein Lands­~ ~llt: sich zu ibnen, undgemeinsam gingen sie ein Stuck. Die Bruder besprachen noch, womit sie iliren Madchen eineFreude machen konnten. Be~or sie frohlichauseinander- .:::' gingen, verahredeten sie fUr den 'Abend ein Treffenin Rama741DS Zimmer.Zu dieser Verabredung sollte es nicht

'mehrkorumen." , " . "

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In einem schrottreiien Borgward hockten zut selben Stunde, 7

5 Burschen, deren Aufmachung sich iihnelte. Mansah solche Typen immer b,aufiger in den Bahnhofsvierteln, in FUBganger­zonen und nicht zuletzt auf den Zuschauertribiinen der Sport- , stadien in Hamburg, Frankfurt am Main, Koln, Miinch.e~ Stuttgart"Wl~ Westberlin: Kahlgeschorene Kopfe o.der milli­meterlanger Stoppelhaarscluiitt (B~te )'. s~uddlige He~-

, den, Piloten- oder Lederjacken m Olivgrun, d~meISt schwarze Rohrenhosen oderurngekrempelte Jeans ID1tHo~en­triigern,dazu benagelteSchniirsti~fel, auf Hochglanz pbli~.

Wer diesen Skinh~ads begegnete, ging ihnen vorsorglich aus dem Wege . .Sie galten als unberechenbar und gewalt- ,

, Jatig. Zuviel HaB hatte sich ailg.estaut in den jungen Leuten, die meist seit Jahrenohrie Arbelt und ohne Hoffnung waren, eines Tages teilzuhaben an den Segnlingen ~~r so~~n:umten W ohlstandsgeseUschaft, die sich betrogen, UberflUSSl~ und auch hilflos fiihlten. Sie haBten alle, denen es anscheme~d besser ging als ihnerr.-Docr ihre J\ggressi~tat ;richtete slch vor allem gegen Auslander, dem~ngaben Sle die Schuld an ihrer Misere. ',' , " ". .

.' Die Skins in dem klapprigen Auto waren 18, bIS 21Jahre ~t, Wirkten aber alter: Das lag nicht nur an ihren Glatzen. Sle waren nicht mehr ganz niichtem.lhre Gesichter wirkten ~ob, abgesturnpft. Sie lieBen Bierflaschen ~eisen ~d l~gweilten . h' Eh das Kanakenkino ist aus»,die LedeIJacke hinter dem SIC.«" ' , ch B ck,

Lenkrad unterdriickte ein Giihnen, <<ich hatte e, ~ ,0 ,

eiflen Tiirken aufzumischen.» Die Runde knurrte Beifall. Im Lichtkegel,der Scheinwerfer tauchten 3 M~er auf, dem, HabitUs nach Siidlander. Einer von ihn~n trug emen auffallen­den Schnauzbart. Sie redeteri und lachten miteinander und entschwanden im Halbdl.i11kel der StraBenbeleuchtung.:tle, wie war's denn mit denen da vom?» meldete sich eine~ vom

, Riicksitz.«Los, Ralp}ll, mach Power.». '_ Das alte Auto roUte' eine Weile mit Abstand hinter dem

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Trio her. Da gingen 2der Manner ~ erne andere Richtung . davon., Die , Bailde ,behielt den Schnauzbartigen Un Auge.

Ramazan Avci mochte gespiirt haben, daB er verfolgt W].lfd~. Er beschleunigte den Schritt. Der Wagen fuhr bis zu fum

, " heran.Jetzt hatten sie schon die Fenster heruntergekurbelt, , grOlten durcheinander, beschimpften ihn. Der Tiirke antwor~ tete nicht. Er sah sich nach Hilfe urn, doch die Leute, die an fum vorbeigingen, guckten weg, taten zumindest so, als bemerkten sie nicht, daB hier em Auslander von emer Horde Skinheads bedroht wurde.

Ramazan A vci rannte pli)tzlich los und versuchte,' auf'die andere' StraBenseite ill gelangen. Da gab' der 22jabrige Ralph L. VoUgas. Das Fahrzeug schleuderte den Tiirken zu Boden.Im nachsten'Augenblick sprangen die 5 Burschen aus, dem ~Auto und stiirzten sich auf ihr Opfer. Mit zerschla­genen Bierllaschen und einem Kniippel miBhandelten sie den Wehrlosen, sie trampelten auf ihni herum, his er kein Lebens­zeichen melIT von sich gab. Ein paarNeugierige waren stehen­g!:!blieben, aber niemand schritt ein. Die Skinheads konnten in ilrrem Wagen unerkannt en~ommen.

Der Rettungsdienst brachte den BewuBtIosen ins Ktanken­haus. Hier erlag der ,26jahrige tiirkische Arbeiter Ramazan Avcikurz'darauf seinen schweren Verletzungen.

Dieses Verbrechen geschah am 21. Dezember 1985. Anfang • Juli 1986 verurteilte ,die GroBe Stratkammer des Landgerichts Hamburg im sogenannten SkinheadprozeB die 5Angeklagten zu Freilieitsstrafen zwischen 1 und 10 Jahren,' Das Gericht

, ,blieb damit erheblich unter dem von der Staatsanwaltschaft geforderten StrafrmtB. Als in der Urleilsbegriindung die Auf~

, fassung.- vertretenwurde, die Tater «hat~en nlcht gratiSam , 'gehandelt, well ihr Opfer wahrscheinlichsofort besinnungs­los gewesen sei»,kam es im Saal zu Unmut und zu Zwischen-

, "nifen. Auch als der V orsitzende' Richter betonte, es habe sich nicht urn einen politische!1 ProzeB gehandelt. Die Skinheads

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Traueumden ron neofaschistischen Skinheads in Hamburg ermmdeten Turken Ramazan Avci

seieniwar «grundsatzlich auslanderfeindliCh», - doch Aus­llinderhaB und auch die Tatausfiihrung «reichten a1s uiedriger Beweggrund nicht aus}>. Deshalb habe das Gericht die Tat nicht a1s Mord, sondem als gemeinschaftlichen TotsChlag

gewertet.18 Dem Beobachter des Prozesses fiel auf, daB sich das Gericht

.von vornherein und kommentarlos IIdt der allgemeinen Moti­vation «Ausla.llderhaB» zufrie'dengab und keinerlei· Mjihe darauf verwandte, genauere Motivforschung zu betreiben. Dabeihatte ein ermittelnder Kriminalist das Gericht im Mai . 1986· darauf hingewiesen, daB ~dest einer· der beiden.

.. Haupttliter in engem Kontakt zur Hamburger NeonaziS7PDe' stand.19 . .. .

In del' gesamten Bundesrepubllk und iWm in weLrlin baben sich die NPP und· deren aggressiver Sto8trnpp mit demNamen «Freiheitlich~ Deutsche Arbeiterpartei» (FAP) -sie 1st zugl~ich N achfolgeorganisation der verbotenen Terror-

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bande des ehema,ligim Bundeswehrleutnants Kiihnen - die <1uns:e~ Nationaldemokraten» und weitere. neofascbistIsme Gru~ple~gen in den letzt~n Jahren mit eipigem ·ErfoJg bemiiht, Cliquen von Skinheads sowie Motorrad-undFu8ball­f~ubs zu unterwandem. Die Skinheads, meist junge Leute zwisch~n 16 und :5 Jahren, ohne Lehrstelle und ohne Arbeit, pro~es~erten.zunachst nurmit ihrem Ausse4eri gegen gesell­schaftliche Verhaltnisse, die ihnen keine Chancen bieten. ~och schon bald erwiesen sie· sich als besonders anfallig fUr die, chauvll:iistischtm Parolen der Rechten, die ihnen' weis­zumachen versuchen, vor allem die Auslander seienan ihrem Elendschuld. .. .. . .

. In einem Flugblatt der Fe\P heiBt es u. a: «Wir haben es satt, W ~stcleutschland zum Tummelplatz fUr tiirltische Rauschgiftbanden und italienische· Mafiosi verkommen zu l~en. l!1lS .geHillt es ganz und gar nicht, daS ·nach jede~ Buschkrieg m Afrika .ein weiterer Negerstamm siCh in der Bun~~srepublik niederlliBt mit der Behauptung, sie seien < ~olitisch Verfolgte>. Wir fordem: getrennte Schulklassen fUr Deutsche und Auslander! SchluBmit dem Schemasylan­tentum! Riickkehr alIer Auslander in ihre Heimatlander!,.20 Un~ die Zeitschrift ~<Klar:ext», ehemals, Organ de~ <1ungen N ationaldemokraten», die sich inzwischeil <<unabh·· . . . . . angxg»

· nennt, locker aufgemachCund ganz dem jeweilS aktuellen SlangJungendliche~ angepaBt, Wnte: «Deutschland soIl weder dieser Ami-Puff mit einem tiirkischen Pfortner noch diese rus- . sische Kohlsuppen-Republik» sein. .

· . Sol~eSprii~e verfehlten we Wirkung nicht. Dcis zeigte . slch mcht nur m ~er feigen Ermordung von Ramazan Avci Am ~4.Juli 19~~ h~tten~. Skinheads ebenfalls in Hamburg

· berelts den 29jahrigen turkischen Bauarbeiter Mehmet K ni~detgeschlagenund mit einer Betonplatte den SChadel zer~· triimme~.~Bochumer Lok,al «WickillercStiibchen»p6belten

<neofaschistisch verhetzte Skins den Sinti Johann Matz an.

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Polizeischutz for junge Neonazis in Osnabriick

Thr Opferwurde anschlieBend gejagt wid aUf offener S~rai3ezu Tode getrampelt. In Westberlin, beginge~. ~ Skinheads einen - nach eigener Arissage - «generalstabs~aBlg gepl~ten» Mord an einer 32jahrigen Prostituierten, weil auch «Turken, Perser und anderes Gesocks» zu wen Kundert zahlten. Des

",Sexu~ords an einem 16jahrigen Tiirkenmadchen wurde im, April 1986 ein 17jahnger Skinhead, ~ ~ugsburg tiberfiihrt. Der 'Tater hatte kurz zuvorin Passau an emer StraBenschlacht

'gegen Demonstranten teilgt!llommen, die eine Zus~en­,rottung def vom MiinchnerVerleger Gerhard Frey ge~en 'neomizistischen Deutscheil V olksunion (DVU) verhindem ,

wollten. .. d Mit Beunruhigung registriertedi~ Offentlichkeit. in ,er

Bundesn;;publik Deutschland eine EntWickiung, aufdie hon ' de~ ehemallge V orsitzende' des BRD-Gewerkschaftsbundes Heinz Oskar Vetter mahnend aufmerksam gemacht hatte. Unter Hmweis auf wachsende Jugendarbeitslo~igkeit und

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" '. fehlende Freizeitbeschaftigungen fUr junge Leute erldarte der "Gewerkschaftsfiihrer, daB die Rechtsextremisten <~Zulauf vor

allem aus den Kreisen jener Hoffnungslosen 'erhalten \Vfuden, , die keine Chanceri sehen, in nalter Zukunft in geordnete . , ArbeitsverhaItnisse zu kommen».

MiChael Ktihnen, seinerzeit noch Bundeswehrleutnant, nannt~,bereits damals ,«das Heer der Unzufriedenen» als die Zielgruppeseiner neofaschistischen Bewegung. In jiingster Zeit orientierte der neue «FUhrer» seine Gefolgschaft noch aus dem Gef<ingnisheraus darauf, c!.as «diffuse Unbehagen» ins­besondere,unter den, «Skinheads up<i'pri,litanten FuBballfans» flir die Rekrutierung neuer <<pOlitischer Soldaten» zu nutzen.

«N titzliche Idioten» in FuBballstadie~

, '-Spatestens seit dem Drama uri Frtihjahr 1985 beim Europa­pokal-FuBballspiel im Heysel-Stadion zu Briissel21 ist-deutlich geworden, welch verheerenden EinfluB neonaiistische Elemente in FuBball-«Fan»'-Klubsbereits erlangt haben. Nicht nur unter den Schlachtenbummlern aus Liverpool gab es Anhanger der «National Front»(NF) - einer Bewegung briti­scher Fas,chisten und Rassisten -,.auch neonazistische Provo­kateure aus der BRDhatten. die Katastrophe mit ausgelost.

Sie tragen Anstecker rillt SS-Runen, und Hakenkreuzen, am Arm Aufnaher mit Texten wie «Ich bin stolz, ein Deut­scher zu sein» oder «Deutschland ist groBer als -die Bundes­

'republik», und'sie gehOren solchen FuBball-«Fan>>-Klubs an ' wie der «Adlerfront» in Frankfurt am Main, den «Lowen» und «Donnergottern» in Hamburg oder der «Bo~ssenfront» in Dortmund.' ,,', ,

Anfiihrer, des neonazistischen Dortinunder FuBball-«Fan»­Klubs «Borussenfront» ist der 33jahrige Siegfried Roland -

, Borchardt, der sichnut V orliebe <~SS-Siggi» nennen la.i3t.

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Er hatte sich wiederholt wegen· Landfriedensbruchs vor Gericht zu verantworten, kam jedoch :meist mit Verurteilung auf Bewiihrtmg davon; In der Offentlithkeit zeigten die «Borussen» ihre neofaschistische Gesinnung :aurch das Groh~ . len vORNaziliedem und «Sieg-Heil»-Rufen in FuBballstadien, gegnerische Spieler undSchiedsrichterwurden von ihnen im Sprechchor <<nach Auschwitz zum Vergasen» geschickt. Rund um den Borsig-Platz in Dortmund, wo sie ihre Stammkneipe haben, verbreitete die «Borussenfront» unter der Bevolkerung Angst und Schrecken. He~agden auf Auslander, von denen besonders viele in dieseril Altbaugebiet wohnen, galt bei­ihnen a1s speziellerJokus. . ' -

Die V orstiinde, Trainer und Spieler. von uber 40 FuBball­vereinen in def BRD und in Westberlin haben sich ~chen einem Appell angeschlossen, mit demsich die Interessen­gemeinschaft der Borussia-«Fan>>-Klubs an die FuBball­arihiinger gewandt hat. Darin heiBt es u. a.:-«Bleibt faire Fans, unterstiitzt unsere Borussia wie bisher. Deutsche und Aus­lander gemejnsam!. LaBt. Euch nicht umfunkti0Irieren! Nazi­schmierereien und auslanderfeindliche Gesange hab~n im Stadion nichts zu suchen! Mit FuBball hatdrui nichts mehr zu tun!,,22

Uber Hintergriinde und Ursachen der neonazistiSchen' Unterwanderurig von FuBballfanklubs auBerte der bekannte -Bundesliga~ -!IDd mehrfache BRD-Auswahl-Spieler Ewald Lienen: «NeonazistischeG~ppenhaben es sich zum Ziel gesetzt, ihren EinfluB auf Jugendliche auszudehnen. Dabei kommt ihnen die Gewalttatigkeit sowie die Auslanderfeind­lichkeit bestimmter FuBballfanklubs entgegen. Die Absicht der Neonazis ist in diesem'Fall weniger die Vermittluni < politischer Ideale> . SIe sind hauptsachlich auf der Suche nacH Mitlamern, die sie als mutzliche Idioten> zur Verbreitung ihrer Bewegung leicht beeinflussen und ,aqf vorgegebene Feindbilder.einschworen komen. Besondersansprechbar sind-

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'dabei na~li~ J~gendliche ohne Arbei~platze und Zulmnfts­perspektive, .~e· m aggressiver Verzweiflung aufgrund ihrer ~bens~~tande nach dem Wir-Gefiihleiner Gruppe suchen, nnt der Sle ilireAggressionen ausleben konnen.>,23

. Die Terroraktioneri der <<nutzlichen Idioten» blieben niclit . auf FuBballstadien beschriinkt. N ach und nach driftete die «Bo~s~nt» ~ter Fiihrung von SS~Siggi imIner ein­deutiger m das Kielwas~erder Neonaziszene abo Sie uber­n~ - ffu:reichlich Freibier und einen Schlag Erbseneintopf

_ aus der Gulaschkanone - den «Ordnungsdienst» bei NPD­Ve~~tungen, unterstiitzte den WaJ.llkampf dieser Neo-' nazIpartel. Dabei festigte sie ihren Ruf einer Bande ubler. Schlager, die alles niedermachten, was links von ihnen stand. . Dazu gehOrten CDU und CSU sowieFDP Und SPD und auch die Griinen. '"

Inzwischen ist es kein Geheimnismehr, daB etwa 40 An- . gehOrige der «Borussenfront»auch Mitglieder der NDP bzw. ihres StoBtrupps, . der «Freilieitlichen Deutschen. Arbeiter­partei» (F AP), sind. Bei der Landtagswahl in N ordrhein-W est~ ,falen am 12. Mai 1985 fungierte SS-Siggi -Borchardt im Raum Dortmund als S~itze~andidat dieser relativ neue~ Gruppie­~g der NeonazJ.szene m der BRD. Einen Monat spaterwurde er m Dortmund vor Gericht zitiert. Verhandelt wurde - mit fast zwei Jalrren Verziigerung! - eine Straftat v~ni August 198? ~amals hatte SS-Siggi seine Kumpane nach einem He~lel des Bundesligisten DortmUnd. zu ge~alttatigen Ausemandersetztmgen aUfgehetzt, in deren Verlauf mehrere

_ Tiirken miBhandelt worden waren. Borchardt erhielt nur ein . Jahr Gefangnis. Doch selbst dieses skandalos milde Urteil wurde ein halhes Jalrr spater aufgehoben. Inder Berufungs­verhandlung Un Januar 1986 sprach das Landgericht Dort­mund den Anfiihrer des neonazistischen Schlagertrupps «Borussenfront» vom V orwurf des schweren Landfriedens-

, bruchsfrei. Obwohl SS-Siggi wegen neonazistischer Um-

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.. tnebe bereits mehrfach vorbestraft -war, beriefen sich die" Berufungmchte:.; a¢' «die,Widerspriichlichkeit von Zeugen- , aussagen» .Ui:td entschieden «im Zweifelfiir den Angeklag­teri».24 " ' .

. DaB «widerspriichliche Zeugenaussagen» geradezu zui: T aktik der N eonazis beimAuftreten vor Gericht ziihlen, wurtle hum em Vierteljahr danach sogar aktenkundig~ 1m Mai 1986 . verurteilte ein Frankfurter Schoffengericht den wegen neo­naiistischer Gewalttaten ,mehrfach vorbestraften Dietmar, 'Gumbricht zu 1 Jahr und 4 Monaten auf Bewiihrung. Der 20jiihrige~Neonazihatte bei einer Protestakti?n g~gen die Griindung' einer KreisorganisatiQn der FAP m D~e~b~g 2 Antifaschisten derart zusammengeschlagen, daB sle m em

. Krankenhaus eingeliefert werden muBttm. Bei diesem Gerichtsverfahren wurden die als Zeugen geladenen Neonazis Michael Kriime~ (F AP-Kreisvorsitzender von Dillenburg)und Arndt"Heinz Marx (Kiijmenstellvertreter) manipulierter Zeugenaussagen iiberfiibrt. Sie hatten sicll von ~orges~ck~

·ten . Horchposten iiber die Beweisaufnahme infofIDleren lassen und andere Zeugen zu Falschaussagen .angestiftet.25

. Doch zuriick zuBorchardt. 1m Juli 1986 schickte das Bon-, ner Landgericht SS-Siggi eridlich fiir 2 Jal1re und 6 Monaten ,

hinter Gitter. Am 1. September 1984 hatte der F AP-Fiihrer und HauptJ,ing der neofaschistischen «Borussenfront» seine Schlagerkolo~e in die sogenanIite Schlacht um Bonn gewor­fen. Verbiindet mit Skfuheads und weiteren aufgeputschten . jungen Leuten aus der rechteri Szene, war'die Bande iib~r Teilnehmer einer Friedenskundgebung hergefallen, h:atte m der Bonner InneDstadt gezielte Jagd auf Auslander und

. Punker gemacht. uild ZahlreichePersonen -: darunter auch . Madchen ~ zusammengeschlagen und mit FuBtritten IllifJ handelt .

. ;, Es b~steht A,nlaB, sich noch ausfiihrlicher mit der «Freiheit-lichen Deutsch~n Arbeiterpartei» fF AP) zu beschaftigen. Wie .

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-Terror gegen ArUlersdenkenJ.e

. bereits kurz erwahnt, wurde diese urspriinglich auf den Raum . Stuttgart beschriinkte N eonaziorganisation zum Auffang- und

Sammelbecken von Anhangem der 1983 verbotenen, einst yom ehemaligen Bundeswehrleutnant Michael Kiihnen gegriindeten «Aktionsfront N ationaler SOzialisteniN ationale Aktivisten» (ANS/NA). In schneller Folge kam es nun auch

. anBerhalb von Stuttgart zurGriindungvonLandes~ undKreis­verbanden.· Griindungsparteitag des F AP-Landesverbanaes . Nordrheiri-Westfalen war am 8. Februar 1984 in Heiden bei Bocholt..1m Landesvorstand bestimmen seitdem ehemalige' . Gefolgsleute Kiihnens den Kurs; So u. a. Jiirgen Mosler aus Duisburg (vorbestraft wegen Hakei:tkreuzschmierereien auf' jiidischenFriedhofen undNS-Propaganda), Wilhelm Wiibbels aus Bocholt (ehemaliger SS-Oberscharfiihrer, cler sichals Reichsleitet der.NSDAP bezeichnete) und ,Andreas Kreis­kother aus Essen, der kiirzlich an einem brutalen Uberfall auf eine SDAJ-V eranstaltung in Hannover beteiligt war ..

. ·lmmerhin w,urde diese F AP ein Jahr spater.zu den Landtags-

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l <.:

wahlen in Nordrhein~We~tfalen zugel<issen, wahrend iiber 50 000 Biirger, die mit ihren Unterschriften einVerbot dieser, ' t~rroristischeri neofaschistischen Organisation· gefordert , hatten, vom Sprecher des Imiemriinisteriums in nu.sseldorf mit der Bemerkung. abgespeist wurden, das Land hahe «keine Moglichkeiten» fUr eine Auflosung derF AP.

In Ulmgriindete der ANS/NA-«Kameradschaftsfiihrer» MarkusMossle~inen FAP-Kreisverban,d, marSchierte heim ;Landtagswahlkampf ganz im Stil der Kiihnenbande, dnrch die Stadt, lieS seine Horde «Rotfront verrecke!»und «Aus­lander ,raus!» skandieren, Gegendemonstranten, und Jouma­listen verpriigeln. Auch das gehOrt zur' Neonaziszene in der BRD: Einige Monate nach seiner Kandidatur iiberfiel Mossle

. mit geladener Masdli~enpistole eine Sparkassenfiliale in GieSen und erbeutete 30000 DM. Weitere FAP-KreiSver-' bande entstanden z. B. in Marburg,Frankfurt am Main,

· Hattingen, Bielefeld, Hameln und Hannover. Ein Ende dieser " Entwicklung ist nimt abzusehen.

'" Bittere Erfahr,ungen deutscher Geschichte

· Auch bei der ~andtagswahl in Niedersachsen im Soriuner 1986 hewarb sich' die FAP um ZulassUng und stellte als

· Spitzenkandidaten «Gauleiter» Volker' Heidel auf; Obwbhl zu diesem Zeitpnnkt bereits. eine Fiille von Terroranschlagen dieser neofaschistischen Partei buildesweit bekanntgeworden war; hatte der LandeswahlausschuB mit den Stimmen der eDU und der FDP, bei Stinunenthaltung der SPD und gegen d~ Votum der Griinen die Liste der «Freiheitlichen Deut­sche~ Arbeiterpartei» aus <<formal vedassungsinaBigen und juristischen Griinden»bestatigt. ' . Es gibt in derdeutschen Geschichte die bittereErl~g, '. daB N utznieBerder«Spielregeln der biirgerlichenDemokratie»

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"die extreme Rechte war, die s.ich ihrerseits an jene Viel­beschworenen «demokratischen SpielregeJn» in keiner Weise hielt. Der «Re~tsstaat» WeimarerRepub:tik bot der Nazi­bewegung Hitlers denNahrboden unddieChance,in~utsch­Iandeinen «rechten Staat», eine faschistische Diktatur, zu errichten.Hilfsdienste leisteten dabeiPolizei-und Justizorgane, die jede fortschrittliche Regung gnadenlos verfolgten. Das erwies s.ich hekanntlich als verhangnisvolt'Die unentschlos­sene, zaudemdeHaltungnicht wenigerrechtschaffener Demo­kraten in der BRD gegeniiber den neonazistischen und para­militarischen Bewegungen in ihrem Land heschwort die Er­innerung an die Jahre vor 1933 geradezu herauf. '

Mittriumphierenden Mienen verlieBen~ dieser Ent­scheidung «Gauleiter»' Heidel und 3' seiner Kurnpane das

. Gebaude der niedersachsischen Landesregierung. Sie· v~-:: hOhnten V I;!rtreter der Gewerkschaft, der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend, der Griinen, derVVN - Bund der Antifasdristeii und der DKP, die gekommen waren, urn der Forderung derdemokratischen OffentlichkeitNiedersachsens, die F AP als Wahlpartei nicht zuZulassen, Nachdmck zu ver­leihen. Einar der Neonazis beantwortete die Protestrufe der Versamnielten mit Schiissen aus einer Gaspistole.

Tage darauf fuhren Heidel und weitere FAP-Leute demon­strativ zu einer in der' rechten Pre~ groB angekiindigmn «Heldenehrung», nach Hameln. Auf dem SS-Friedhof am Rande der Stadt hielt der «Gauleiter»eine :markige Rede. AbschlieBend hoben alle den rechten 'Arm zum Hitlergm8. Ein vorsorglich - zu wessen Schutz? - zumFriedhofbeordertes Polizeikommandohielt sich ~ Hintergrundund schritt nicht ,ein. Dafiir machten die Gesetzeshiiter Anfang Jmil 1986 in . Stuttgart reichlich Gebr~uch von ihren Gnmmikniippeln, und sie bI<\Chten sogar Wa.sserwerfer ill Stellung. Dieser massierte Polizeieinsatz diente dem Schutz des Bundesparteitages der FAll, die selbst «ner Tagesspiegel» und andere biiIgerliche

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Polizei sfhUtzt Neonazis vor Gegendemonstranten

. Bllitter a1s <<neofaschistische Partei»:16 klassifizierten. Die ener­gischen Attacken der Unifonnierten richteten sich gegen anti-. faschistische D~monstranten, die· gegen diese Zusammen-

. rottung protestierten. ZahlreiCheDemonstranten wurden ver­letzt. VIer Polizisten erlitten leichte Verletzungen. Zweiund­vierzig Personen wurden vorlaufig festgenommen. Ob sich . daruilter auch Teilnehmer des N aziparteitages befanden, . sagte der .Polizeibericht nicht aus.

Eine ahnliche Truppe jugendlicherRechtsradikaler ill'ihren schwarzen Ledermonturen, wie siein Stuttgart den F AP-Bun- . desparteitag abschirmte, dabeiGegendemonstranten mit SchreckschuBpistolen, Stahlkuge)n wid Schleudem ~drohte, von der Polizei jedoch unbehelligt blieb - gariz ahnliche Leute hatten sich ein Jahr zuvor in Nesselwang im Allgiiu bereits a1s ·«Schutzstaffel» bewlihrt. Hier im Hotel «Krone» versani- .

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Nazigeneralmajor Ernst Olt!) Remer (hiiT mit den Enk§bz zweier SS.,Kame.­rtideJ!,Jwrir.1985 in Nesselwang Ehren­gast hei i/inem «Tra­ditionStreffen»

«Ordner» vor dem Tagungshotel «Krone»

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meltensich an: verschiedenen W oche~endenim Mai 1985 ehe­ma1ige Mitglieder der SS-Divisionen «Leibstandarte Adolf" Hitler», cHit1etjugell,d» und «T otenkopf» zu «Kameradschafts­treffen»., Ebrengast und Hauptredner der Vemnstaltungen war Ernst Otto Remer, einst Nazigenerab:llajorund als Kom­mandeur des Hitlerschen WachbatailloiIs in Berlin maBgeb­lich an der Niederschlagung'des Putschversuchs yom 20.JOO 1944 heteiligt. Remer machte fiir. die «Deutsche Freiheits­hewegung»-einemvonihm 1983 gegriindetenS~elbecken alter und neuer Nazis - Reklame und forderte unter dem frenetischenBeifall derehemaligenSS-Leute «dieAbschaffung dieser Schei6-Demokratie» in der BRD.

Spiiter, heim cgemlitlichen» Teil der Veranstaltung, wah­rend'reicb1ich BieIDumpen kreisten, produzierte sich Remer beim EIZahlen,vonJudenwitzen als Alleinunterhalter. Aug.en-und Ohrenzeuge dieser makabreri Zusammenrottung in Nesselwang War der «Stem»-Reporter Gerhard Krom-sdniider. der sich als Rechtsradikaler getamt hatte. Remer Selbst ~te ihm u. a. aufschluBreiche Einzelheiten fiber seine Kontakte zu Neonazi Michael Kiihnen, und er nannte die Bande des ehemaligen Bundeswehrleutnants «alles in allem eine gute Tmppe». W enn er bei denen rede, sei der Saal ' cgeraminelt voll mit 300, 400 Leuten».27

Der Artikel im«Stem» brachte einen ProzeB gegen Ernst . Otto Remer ins Rollen. AuBer ~bfalligen AuBerungen liber Juden waIf die Anklage dem ehemaligen Generalmajor der Nazi-Wehrmacht.vor: er habe Videokassettenverbreitet, in ~der Massenm~rd a'it Juden in Auschwitz geleugnet wird. Das 1>ayerische Amtsgericht Kaufbeuren verurteilte Remer imJuIi 1986 zu lediglich 6 MO,naten Haft auf Bewah­rung. GegeIt das geringe StrafmaB gab es unter den Zuschau­em hei der Urteilsverkiindung hi.utst;arke PrQteste. \

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Hitlerstellvertreter alsMiirtyreridol

Die V organge nach dem Selbst::i:nord von Rlidolf HeB im Kriegsverbrechergef<i.ngnis Spandau (Berlin-West) offenbar­ten schlag3.rtig vor cler Weltoffentlichkeit, wie fmchtbar in der BRD der SChoB noch ist, «aus dem das Moch». Am p. August

-1987 urn 16.10 Uhrwar der einstige Stellvertreter des «Fiihrer:s» fUr-tot erklart worden. Schon am Abend desselben Tages rotteten sich' vor dem Portal der Strafanstalt in Westberlin Alt- und Neonazis zusammen, schwenkten Fahnen mit Nazi­. symbolen, sangen das«Horst -W essel-Lied», groWten «Sieg Heil!» und streckten den rechten Arm zum HitlergruB., ··Skinheads -und andere junge Bunichen in ,schwarzer Kluft, beschimpften einen Reporter des SFB und pi>belten Passan~,­ten an, die sich' liber den «braunen Spuk» empOrten. Die Mehrheit der.Befragten,auch altere Westb~rliner; nannten den ehemaligen Hitlerstellveitreter jedoch einen «guten

-Deutschen»,einen «Martyrer, derviel Unrecht erlitten» habe, ein <<V orbild fUr die jungen Menschen heute». Bei zunehmen­der Dunkelheit entziindeten die Alt~ und Neonazis Fackeln, die sie in Form eines Hakenkreuzes zusammenfiigten, und sangen N azilieder. Polizisten, die dieSzene beobachteten, verhielten sich passiv. .

In Wunsiedel, dem Heimatort derFamilie HeB, richteten ' Alt- und N eonazis aus der ganzen BRD und aus Westberlin in den folgenden Tagen eine Art Biwak ein. Sie besetzten

, den Friedhof der oberfriinkischen Gemeinde am FuBe des Fichtelgebirges, auf dem HeB seine letzte RUhestiitte finden

'sollte. Auch hier schallten«Sieg Heil!»-Rufe und das «Honit­W essel-Lied» liber die Graber, bis endlich Bereitschaft:sp9lizei ,.allruckte und -einige der braunen Randalierer vorliiufig fest-, ' nahm. -Abends brannten Lagerfeuer nahe am Friedh~f,,· «Ehrenposten» zogen am vermutlich kiinftigen Grab des " Hitlerstellvertreters auf. hi Erw~g weiterer Zusammen-

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rottungenWurden rings urn Wunsiedel P0Im:.ikrii.fte ausver-schiedenen Bundeslandemzusammengezogen. "

Am 26. August 1987, dem Tag dervorgeseh~~enBeisetzung von Rudolf HeB, glich der idyllische Ort m Oberfranken einem Heerlager. Tausende Alt- und Neonazis versuchten, den von der Polizeiabgesperrten Friedhofzu stiirmen. Dabei kam es':ru handgreiflichen Auseinanderset~~en, ~ deren V lauf rund 90 Neonazis - unter ihnen 6 Osterrelcher -

ff . . festgenommen wurden. -:r:~s darauflieB der Biirg~rmelster

klaren die sterblichen .Uberreste deseinstigen Hltlerstell-er ...., . h . vertreters seien auf Wunsch derFamilie HeB inzWlSC en m allerStille an einem unbekannten Ort beigesetzt worden.

«Was wir in den letzten Tagen erlebten», auBerte zu diesen V orHillen der 'Prasident der jiidischen. Gemeinde in Berlin (West), Heinz Galinski, «laBt frosteln. Manche meinen,.es als < voriibergehenden Spuk von einigen weni~~n alten ~bele~­barenund jungen Ne?nazis>abtun zukonnen. Es 1st welt mehr als das.» Galinski sprach in diesem Zusammellhang . von einer verantwortung~losenBerichterstatt~g, e~ger , Medienund gefahrlich demagogischen Erklarungenellllger Politiker. ' ' ,

Der Prasident der jiidischen Gemeinde, der die faschisti­schen Konzentrationslager AuschWitz und Bergeh-Belsen iiberlebte warnte davor, die Verbrechen des N a1ionalsozialis~ Iilus zu v:i-hanhlosen und die junge Generation <1eder Orien~ ti~rUng» zu beriluben. ~inpeinliches Kapitel nach ~e~ S~lbs~­mord von HeB ware auch das Verhalten der PolizeI,die die

. tische GedeDkkundgebwig vor clem Kriegsverbre­:. neonazIS . b E h··rt ' . chergefangnili in Spandautagelan~ gedul~et ~a e.« s ge o.

zu den Absurditaten», betonte Hemz Galinski, «daB Ne~mlZ1s wahrend ihrer Veranstalturtgen polizeilichen Schutz gerueBen, wa.hre~d· ihre Gegner oft P()lizeimaBnahmen ausgesetzt wer-den»· . ...:

Galinski bezeichnetE~ es als einen Skandal, daB gegeIl:wamg

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. / . . ~

in der BRD und in Westberllfl nOch und schon Wieder Parteien wid Organisationen bestehen konnen, die nichtii aus der Geschiehte ,gelemt hatten. Er forderte«die Stn,nge des Gesetzes» gegen jeden, der «heute noch, nach diesen furcht-

. baren Ereignissen, in der Offentlichkeit unbeirrt die Thesen des N ationalsozialismus kundzutun Wagt».28

Nur die Spitze des Eisberges

Die bisher erwahhten oder ausfiihrlicher behandeiten neo­faschistischen und paramilitiirischen Bewegungen, Gruppen, Organisationen und Parteien in,der BRD ergeben langstkein volIstandiges Bild. Sie bilden .nur die Spitze des ~isbergs. Aufmerksame Beobachter der Neonaziszene registrierten' Jiahezu 150 Vereine, die zWischen Flensburg rind Garmisch­Parterikirchen ilrr Unwesen treiben.

Bei den Recherchen fUr dieses Buch stieS man auf skanda­lose Vorgange, die Schlagzeilen machten. In einigen Hillen geIang' es, hinter diese Schlagzeilen zu,leuchte~ auch das Umfeld transparent zu machen. Nicht weniger \Betrofferiheit

, losten jedoclt die alltiiglichen, auf den erSten Blick anschei­nend nicht spekt~ularen Vorgange und Ereignisse aus, von denen die breite Offentlichkeit nichtii erfQhr oderdie sie kaurn noch zur Kenntnis nahm. Gerade die Geschehnisse auflok~ei" Ebene habendas GeWicht von Indizien fUr den Geist einer Zeit, geben AufschluB iiber das sozialpolltische Klima' in einer Gesellschaft, das ebep auch jene Schlagzeilen machen-den Skandale hervorbringt. , "

Aum die folgenden Fakten ~ vermittelt in knappen'Notizen ',oder Meldungen - sind nul- eirie Auswahl aImlicher· V or-, komrnnisse in derBRD und in Westberlin allem ill den letz-ten beidenjahren. ' .

GroBer Andrang herrschte im November 1985 in der Dort­roUnder Westfalerihalle auf der «15. Deutschen Waffenborse» ..

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.,

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FUr Originala'!JSgahen vdn Hillers «Mein Kampf»werden dem Frankfurter Antiquilfitenhiindler Klaussner his zu ,1000 DM

geboten

1m Bereich del' Antiquitatenbranche galt die Verkaufsmesse als del' «groBte Waffenumschlagplatz 'Europas». Besonders umlagert von jungen Leuten waren die Stande jener Mili­tariahandier, die neben Orden und Ehrenzeichen del' N azi­wehnnacht und del' SSauch Fahrterimesser, «Fiihrep>schniire und andere Rangabzeichen clerHitleljugend sowie Abzeichen

"del' verschiedenen NS-Qrganisationen und N aziliteratur zum Kauf anboten. NachProtesten del' VVN - Bund der Antifaschisten ordnete die Messeleitung an, Hakenkreuze auf Uniformaufschliigen, Abzeichen, Orden us~. fur die Dauer

. del' Ausstellung zu iiberkleben. Auch die Polizei war auf del' 15. Deutschen WaffenbOrse

Iirlt zwei Standen vertreten.Jeder Besucher konnte fUr seinen

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gerade gekauften «BaIIermann» an Ort und Stelle einen Waffenschein erwerben. An cGrahbeltischen» fanden die weniger teurenWaffen reiBenden AbsaJz. Bajonette' Wurden ab 15 DM, Stiefelmesser fiir 39 DM-und «alle Gewehre fiir 60 DM» angeboten.29

AiIfang August 1986 verfiigten die Behomen von flens­burg, den eheinaligen Reiterhof in' del' Gemeinde Moilch­neversdorf als S3mmelunterlrunft fiir 60 AsyJan~n aus­zubauen. Mehrere Einwohner des ostholsteinischen Ortes

. bewaffneten sich daranfbin mit Foden, alten DreschfIegefu ' ,und anderem Ackergerat und besetzten das GehOft. Tage spateI' tauchten im Dorf Skinheads sowie Mitglieder del',' «Wehrsportgruppe Schleswig-Holstein» ~ beklebten die Hauser und Scheunen mit 3nsJandeneindlichen Parolen und boten den Landbewohnem Stiefelmesser, PistOlen und wei-tere WaffeIfan.30 '

Die, von den Noonazis geschiirte" AusJanderfeindlichkeit ermuntert.e auch die Kassenru:ztliche Vereinigung in Bremen zu, einer skandalOsen Verfiigung: Sie verbot dem aus del' Tiirkei stammenden Arzt Dr. Ismail Apu1, deutsche Frauen zu behandeln. Er diirfe nur TiiIkinnen und andere AusIande­~en als Patienten annelunen. «Arische»Frauen, die den­noch zu ibm g~hen wiirden, mOOten die Kosten selbst tragen, selbs( wenn Sle Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse waren.31

. In Gedern, unweit von Frankfurt ,am Main, in jener hessi-, schen Kleinstadt,die noch heute Adolf Hitler zu ihren Ehren­biirgem zahlt und aus del' Raimund stammte, del' die EDt-' wicklung des Uwe-B., so unheilvoll beefutlu8t hat, verfolgten Alt- und Neonazis 5 Jahre,lang den 1938,in Israel geborenen Ant Dr. ~an Kie~l und dessenFaDrilie mit, Drohwigen und Gewalt. Sle schnrierten Hakenkreuze und Davidsteme' an Fenster und Tiiren del' Praxis, beschimpfteIi Kiesels Lebens­gefahrtin Monika .~chafer als -1udenhure», richteten an das

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Paar telefonisch anonyme Morddrohungen, warten die.8Chei­ben ein, boykottierten die Sprechstunde mit Hugzetteln, auf denen stand: «Geht nicht zumJuden!» 1m April 1987 schlieB-1ich stand Kiesels Anwesen ip Hammen und ~elbst das Polizei-

. protokoll vermerkte: Brandstiftung. Tater allerdings konnten nicht ermittelt werden. Kurz danach gab der jtidische Arzt, der wahrend der Nazih~rrschaft 64 FaInilienmitgliederver­loren hat, auf und verlieB den Ort, in dem die bIaune Vergan­genheit noch immer - oder schOIfwieder? - Gegenwart ist.32

Die 15. Kammer des VerwaltungsgerichtsGelsenkirchen hat Anfang 1986 der ne()faschistischen NPD ausdriicklich das Re~t zuerkannt, Anspruch auf die Benutzung der Stadthalle Wattenscheid fUr einen nordrhein-westfcilischenLandespartei­tag zuerhe~en. Das Gericht wies damit die Forderung der Bochumer Stadtverwaltung zuriick, der NPD die Benutzung der Stadthalle zu verweigem. Es anerkannte auch nicht den Hinweis auf die Demonstration Hunderter Demokraten gegen den NPD~Landesparteitag im Mai 1983. Mit dem Bescheid, bei einer Wiederholung «zunachst einmal die Gegendemon­stranten polizeirechtlich als Storer in Anspruch zu nehmen» . empfahl das Gericht 'direkt, denPolizeieinsatz gegen Anb-

faschisten.33

Beim traditionellen Friihlingsfest der WuppertalerPolizei ,,1985 gab em junger Obeimeister eine bemerkenswert~ Solo­einlage: Um ,die Versammelten <<in Sti!nmung zu brmgen», stieg erauf die Biihne, nalunHaltUng an, riB den rechten ~ hoch und rief mehrfach «Sieg!» in den Saal; aus demes Vlel­stimmig «Heil» widerhallte~ Mittendrin saB der W uppertaler Po1izeipriisident Koehler, der erst unlangst durch rude Ein­satze gegen Streikende von sich reden gemacht hatte, und amusiertesiCh kostlich tiber seine Leute.34 .

1m August 1986 veroffentlichte die «Frankfurter Rund­schau» eine Reihe von Leserl;>riefen, in denen sich auslandi­sche Touristen - u. a. aus Israel und GroBbritannien - tiber

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- Braune Welle auf .de1f/. BRD-Biicher­markt

die Verherrlichung des Nazismus im bayerischen Berchtes­gaden, wo einst Hitler ansassig war, beschwerten. Die IDos,ke der Gemeinde, seien von einer Welle «hitler-nos~algischer»" Schriften tiberschwemmt, die .,llesamt die Zeit der faschisti- ' schen Dikta,tur verherrlichten. Der «Fiihrer»- ist'da zu lesen .,. sei em Mensch wie jeder andere gewesen, derHunde, Kinder. und Eva Braun geliebt habe.· Auch der. SPO-Landtags- ' abgeo!dnete Peter Kurz reichte Beschwerde ein. Die Staats~ anwaltschaft habe jedoch bisher lediglich angeordnet, QaBauf den Titelseiten der angebotenen Bticher, Postkaiten usw. keine nationalsozialistischen Symbole zu sehen sein diirften. ,. Eine rechtliche Handhabe,gegen die 'V erlasser undHandler

, vorzugehen, gebe es nicht. Auf den in Deuts~ Englisch und

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~l,." ~

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FranzOsisch ange~tenen B~scb:iiren sei nun das Hake~euz «gerade noch iiberldebt»,-betonte der SPD-Politiker. Der In­

~ balt jedoch stelle, «gelinde gesagt, eine Verbannlosung, wenn nicht gar VeIherrlichung des Hitlerregimes dar». ~ , ~

Der Verfassu:ngsschutz in Niedersacbsenunter Oberhoheit des CDU-Innem:ninisters MOcklinghoffhat im Mai 1986 einen «HeimatgeschichtlichenWegweiser zu Statten des Wider­standes 1933-1945» als «linksextrem» verfemt und auf den Index gesetzt. Den Band fi~r die antifaschistische b-eschichte Niedeisachsenshatte ein StudieIikreis urn den Heidelberger Professor Wilms Ende 1984 veroffentlicht. An seiner Heraus­gabe wai- auch die VVN - 'Bund der Antifaschisten beteiligt, die gemeinsam mit der SPD-L3ndtagsfraktion und de~ DGB­Kreisvoi'stand Northeim gegen diese erneute Diffamierung von Antifaschisten durch «cine Art von Rechtsmafia in ~

/ NiedersachSf'n» protestiert hat.Bislang obne Erfolg.35 Ein «Tqdeskommando» der neofaschistischen«Freiheit­

lichen Deutschen Arbeiterpartei» (F AP), L3ndesverband Niedersachsen, stand seit Spatsommer 1987 in HaDnover vor Gericht. Die 4 Skinheads hatten in der Nacht zum 3. Februar

~ 1987 auf' einem Spie1platz am Rande des hannoverschen Stadtwaldes Eilenriede den 17jahrigen Schwer Roger Bornemann «exekutiert». Der Schwer, selbst ehemalS FAP­Mitglied, war nach dem enttiiuschenden Wahlergebnis im ~ Herbst 1986 ausgetreten, hatte sich dann der neofaschisti-

, schen Terrororganisation «Gemeinscbaft Eisernes Kreuz» an­geschloSsen; geriet in Polizeigewalirsam und war beim V er- ~ hor-so die Skins zu mrer Rechtfertigung - «Zum V emter» geworderi. Detailliert schilderten die 4 Neonazis ihr scheuB­liches Verbrechen: Mit einem gezielten Faustschlag ins Ge­sicht, der das Opfer zu Boden warf,ging es los. Dann folgten_ Fu8tritte mit schweren Kampfstiefeln gegen den Schadel. Ein eiserner Miilleimer wurde dem Opfer fiber den Kopf gestiilpt, ~ aus zwei Spraydosen spriihtendie~ Morder C-Gas

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, in das blul;veisclunierte Gesicht Als der 17jabrige immer noch rOchelte, nahm einer der vier eine schwere Holzlatte und er-' schlug Bornemann. 36 ~ ~

Das Landgericht Hannoververurteilte die vierjugendliChen Neonazis am 10. Dezember 1987 wegen~ Mordes zu Jugend~ ~ strafen~zwischen 10 Jahren sowie 8 Jahren und 6 Monaten; Proteste im GerichtssaallOste die Erkllirung des V orsitzende~ ~ ~ der Jugendkarinner, Gerhard,Kausch, aus, als er in der Urteils­begriindung betonte, fiir das Gericht gebe es «keinen Hinweis ~ darauf, ~daBclie Tat politisch motiviert War». Der Mord sei nieht alseine Art politischer Racheakt, sondem aus niedrigen Beweggriinden, also lediglich aus «Lust an"korperlicher MiB­handlnng», veriibt worden.

Inder nahezu viemlonatigen VeIhandlung war zweifelsfrei erwiesen worden, daB der 17jahrige Roger Bornemann' zwei T~e vor seinem gewaltsamen Tad gegenfiber der Polizei belastende Aussagen fiber die neonazistische F AP und die Wehrsportgruppe «EK I» gemacht batte, zu denen er und seine Morqer in Verbindung standen.

Der Vater des-Ermordeten"Gerd Bornemann, und dessen , 15j~ge Tochter Alexandra waren bei dem ProzeB gegen die vier Skinheads aus der Neonaziszene von Hannover als NebenkJiiger aufgetreten. Sie hatten u. a das Verbot der vor allem die Jugend gefahrdenden neofascbistischen F AP gefor­dert, die seit 1986 schon wiedeIholt mit gewalttatigen Aktio­nen hervorgetreten sei Das Gericht verwahrte.sich gegen­wie es hieB - «die Angriffe der NebenkJiigev> uild den Ver- ~ such, den ProZeB «zu einem politischen Verfahren zu ma-chen». ~~

Gegen den Dortmunder WeltkreiS-Verlag, der sich mit antifaschistischen Publikatioilen im In- und Ausland einen Namen gemacht hat, starteten ~ neonazistische Kreise im ~

Friihjahr 1986 eine widerliche Verleurndungskampagne. ~ Mit dem Absender des Weltkreis-Ver~eswurdeein

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Provokat'um von Neonazis gegen antiftischistischen Verktg

«Judenspiel» nach der Art von ~Mensch argere dich nicht» verschickt. Unter Anleitung eines Spielleiters, der mit «Eich­mann» anzureden sei, konnten sechs <1uden» mitmaChen. AusgangspuDkie waren beriichtigte"I(onzentrationslager wie ,Treblinka und Majdanek,als «Ziel» fUr alle wurde die «Gas­kaIDmer»bezei~et. Beschriftet ~ar das «Spiel» mit der Parole: ~Freiheit fUr MichaelKiihnen».37 '

In einem Wiildchen bei Unna fanden Spaziergiinger im , Juni 1987 eineil T~ten.Die .Hiinde waren mit Draht gefesselt, , , nach hinten urn einen Baurn gebunden. Der Kopf der Leiche

stedte in einer Plastetiite; die am Hals ziIgeschniirt worden , war. Starker Geruch an einem Lappen in der Tiite wies auf

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Ather hin. Auf die Brust des Mannl1s hatte man em Haken­kreuz gesch:iltiert.

Bei dem Tottm bandelte es sich urn den BerufssglUllehrer unci SPD-Kreistagsabgeordneten Heinz-Dieter Becker~Us ' Bergkamen bei Unna, der sich wiederholt in der Friedens­bewegungengagiert hatte. Bereits eine Woche vor seiner Ennordung war er von Neonazis iiberfallen worden und hatte Anzeige erstattet. In' einem Brief, def danach diecPolizei erreichte, wurde Becker als <<rote Sau» besciumpft. Sbltt eines, Absenders war der Brief mit einem ~Hakenkreuz und den, :8uchstaben KGAH versehen. «Kampfgruppe Adolf Hitler» heiBt eine der N achfolgeorganisationen, die Michael Killmen nach dem Verbot seiner «Aktionsfront Nationaler Sozialisten» ~ /' (ANS) 1984 gegriindet hat. Trotz dieser Indkien schloB die ermittelnde StaatsanwaltsChaft inDortmundeinen <<neofaschi­stischen Hinte,rgrund»\ des V erbrechens aus und neB zugleich Bemiihungen erkennen, den Fall als Selbstmord zu den Akten zu legen.38'" " , ,

Die 9. GroBe Strafkammer des Landgerichts Koblenzhat im August 1987 in einer Berufungsverhandlung die 12mona-' tige Freiheitsstrafe fUr Studiendirektor Wolfgang Koch, Ethiklehrer am Koblenzer Asterstein-Gymnasium,' auf' 9 Monate reduziert und zur Bewiilmmg ausgesetzt. Koch war im Ma,i 1986 von einem Schoffengericht in Koblenz <<wegen V olksverhetzung und' Beleidigung» zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt worden. Seit Jahren hatte der Lehrer, cler von sich selbst sagte, er «stehe rechts von <;ler NSDAP»" seine Schiller im Unterricht ungehindert und ungestraft im Naziungeist erzogen . .Er bestrittdie Verbrechen des Hitler­regimes, und nannte Auschwitz «eine Erfindtmg de~ Ameri­kaner». Die Griinen diffamierte er als Liigner und Verbtecher, die aIle erschossen werden miiBten und bei deren Exekution er gem das Kommando iibemehmenwiirde.,/ '

Dieser Skandal war erst durch ein schlimmes Verbrechen '-

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Solehe Schlagzeilen hliiben nichtokne Einflufi

in derOffentlichkeitpublik geworoen.1m Sommer 1985 hatte ein Schiller dieses Neonazilehrers einen Kamerade~ den 14jiihrigen Oliver S., verpriigelt, ibm mit-emem Stein den Schadel zertriimmert und ibn auBeroem mit einem, Messer todlich verletzt. Beide JungengehOrten einerneOfaschis,tischen Clique des Kobl~nzer «Gymnasiums am Asterstein» an. Zu -ihren «Spielen» zahlten «Gestapo und Kommunist» sowie «Reichsparteitag». ' .

Mit der Reduzierung der Freiheitsstrafe wui'de auch das Berufsv:erbcit von 3 Jahren fUr den neonazistischen Studien­direktor in Koblenz aufgehoben. - In Oldenburg begann ein paar W ochenspater, am 21. September 1987, einBerufsver­botsprozeB gegen den Studiendirektor Matthias Schacht­schneider, cler wegen seiner ZugehOrigkeit Zur DKP .seit 1982 disziplinarisch verfolgt wird.. NaCh 31jiihriger Tatigkeit als Lel:irer war del' langjahrige stellvertretende DKP-Fraktions­vorsitzende im Oldenburger StadtparJament 1986 yom Schul~

. dienst suspendiert worden. 3!l

Das Kollegium des ~teglitzerTannenberg-Gymnasiums in Westberlin hat im Sommer 1986 beantragt, denSchu1namen zu 'andem.lhreSchule Sei 1933 nach der im ersten Weltkrieg

. gegen die russische Armee gewonnenen Schlacht bei:Tannen-

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berg benannt worde~ «umden Geist der Augusttage 1914 fur immer in der deutschen Jugend lebendig .zu erhalten» und «auf die Bedeutung des O~tens fUr V 01k und Vater land» binzuweisen. Laut Schulgesetz, so die Padagoge~ .seien sie verpflichtet, die Schiller «auf der Grimdlage des Friedens, der Freiheit und der Menschenwiirde» zu erziehen. Die Benen­nung einer Schule nach einer Schlacht stehe dazu im Wider­spruch, denn die Motive fUr die Be'iiennung der Schule sejen Teil emes ~Tannenberg-Mythos». So habe Hitler unter ande­rem das 1927 errichtete Tannenbergdenkmal 1933 zum «Reichsehrenmal» erklart. - Der Steglitzer Bezirksbiirger­meisterFriedrich (CDU) hat den Antrag des Schu1kollegiurils abgelehnt.40 .

In einer Untersuchung hat die «WestfaIische Rundschau» Anfang 1986 darauf aufmerksam gemacht, daB mehr als 10 Sonderschulen in der Bundesrepublik Deutschland den Namen des Faschisten Gustav Lesemanntragen. Lesemann war einer der Wegbereiter der «Euthanasie», die zwischen 1933 und 1945 <<fur mindestens200 000 als <erbkrank> ab- . gestempelte Menschen die Sterilisation bedeutete und mehr a1s 100 000 Personen imRalunen der <Euthanasie> - Aktionen den Tod brachte». Schon 1929 habe sich Lesemann als Vor- ' sitzender des Verbandes der Hilfsschulen faschistischer Argu­mente bedient, und 1945 kritisierte er die faschistischen Gesetze als «zu lasch.» Die «WestfaJische Rundschau» wies darauf~ daB Lesemann nach 1945 weder Reue nrich andere ~ Anzeichen gewandelterEinstellung habe erkennen lassen.

Beispiele neonazistischer Propaganda und· Mordhetze hiiuften sich 1986/87 in den von der CDU gefOroerten Schiller- und Jugendzeitschriften. So veroffentlichte das von der Diirener' Schiller-Union heril.Usgegebene. Bliittchen «Wecker» in der Juliausgabe 1Q86 unteFder Schlagzeile «Lachen ist gesund» folgenden «Witz»: «Wann geht es wieder

. aJJfwarts mit uns?- Wenn in Deutschland das Zwei-Schicht-

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Neofasfhistische Mordhetze in Schukrzeitungen

System 'eingefiihrt wird. ~ine Schicht KOIDl,Ilunisten, eine Schicht Erde; erne Schicht Kommunisten, eine Schicht Erde ... »

Zu linterschiedlichen Zeitentauchte dieser Text spliter in weiteren abnlichen Publikationen auf. So in der CDU-Jugend­zeitschrift «Beauty» in Bad Oeynhansen,'in derDortmunder Sclriiler-Uirions-,Zeitung«Info-Kiste» lind im CDU-Jugend­blatt «Wecker» in Leverkusen. - Monate zuvQr hatte der GroBgrundbesitzer Graf von Spee, CDU~Biirger.qteister von Korschenbroich am Rhein,. im Hinblick aUf die Geldnote

~seiner Gemeinde offentlich erkliirt, zum Ausgleich des desolaten Haushalts iniiBten halt «einpaar reiche Juden er~ schlagen» werden. Spater versuchte Wilderich Freiherr von Mierbach Greif von Spee die'Mordhetze als einen «SpaS» abzutun. Seine'Formulierung Sei moglicherweise «D,icht sehr elegant» gewesen.· ,,'

Zu einer «Siegesfeier» versammelten sich am Abend des 13. September 1987 Mitglieder der neofaschistischen «Deut­schen Volksunion» (DVU}imKreuzberger Lokal «sorgen­pause» in W estberlin. Eigentiimer des Hames, in dem sich die Gaststatte befindet, ist' der Miinchner Verleger und DVU- " Vorsitzende Dr. Gerhard Frey, der inzwischen' das Monopol' fUr die gesamte neofaschistische WochenpresSe in der BRD

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'und.fu Westberlin besitzt.41 AnlaB des Umtrunks war.der Erfolg der Neonazipartei bei den BiirgerschaftswaWen in" Bremen. Erstmals errang ein Vertreter der, DVU - die im' stillschweigendenW ~biindnis mit der NPD 3.Ilgetieten war - im Bereich Bremerhaven 5,4 Prozent derStiinmen und drupit ein Mandat in der Bremer Biirgerschaft. So kehrte in ' der BRD nach fast 20 Jahren eine Neonaziparteiin ein Liinderparlament zuriick. In die Stadtverordnetenversamm­.'lung von Bremerhaven gelangten ~DVU-Kandidaten.

Die Sendung ~<Report» des ARD-Fernsehens teilte ~ 22. September 1987,das Ergebnis einer Meinungsumfrage mit, deriufolge ·vor allem 18- bis 21jahrige Jugendliche - meist ohne Lehrstelle undbhne Arbeit - und alter~ Biirger die DvU gewahlt hatten. In Bremenbetragt die Arbeitslosenquote 15 Prozent. _, . " . Hi~r zeigte s~ch auch eine neue Taktik der Neonazis: Der

Wahlkampf der neofaschistischen «Deutschen Volksunion» war zur Vermeidung von Konfrontationen bewuBt ohne" offentliches Auftretender DVU und der NPD gefiihrt wor­den. Die Kandidat,en besuchten statt dessen zahlreiche Familien, zudem wandtesich der DVU -Vorsitzende Dr. Frey, in «persoulichen Briefen» an die Wahler, wobei der Auslander­haS durch die Behauptung geschurtwurde, Tiirken und andere Fremde seien schuld an der .Arbeitslosigkeit. Fiir finanzielle Zuwendungen «an Bediilftige» mBremenund Bremerhaven" hatte die DVU-Zentrale in Miinchen 1987 ,besonders groB~' ~gig Mittel zur V erfiigunggestellt. Neonazi Frey, erklarte ill der «Report»-Sendung, die DVU werde am Bi"el!ler Erfolg ankniipfen und beiden nachsten Landtagswahlen in der,BRD in Baden-Wiirttemberg imFriihjahr 1985-<las Wahlbiindnis ' mit der NPD fortsetzen.

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\afv ..... ""'t ~ .. t~l; .

hallehinweisen.Jener spektakulare Auftritt am 9. November 1923 in Miinchen wurde von den Nazis als Beginn der brau~ nenBewegung ~ Deutschlandgefeiert. " ' ,

Dem, bevorstehenden: 100~ Geburtstag des «FUhrers» war derandere Werbezettel gewidmet. «Action 88» galt vermut­lich als Code fur «Heil Hitler»; H ist der achteBuchstabe des Alphabets. ' '

Kleingedruckt un!! ghne Lupe ,kaum, ~ e~tziffern, ~tand , auf dem gummierten Papier auch, wer slch, hier anschickte,

Alt- und Neonazis zwischen Flensburg und Miinchen mobil­zumachen:' «NSDAP-Auslandsorganisation Lincoln \ (Nebraska/USA)>>. ' ,

, Diese Entdeckung warf einige Fragen aut:. Was becieutete ' bier NSDAP?' Bekanntlich hatte Hitler seine Bewegung so genannt: Nationalsozialistische Deutsche prbeiterpartei. Und Atislandsorganisation?

Wieso . nun Vereinigte Staaten, Lincofu, Bundesstaat Nebraska? '

GewiBdie Nazis hatten Gesinnungskumpane in vielen Liindem 'Europas und in Asien, anch in Siid- und in Nord­amerika gehabt. Die braunen M'l:chthaber hatten me .~mis­sare von Berlin aus in aile Himmelsrichtungen ausschwarmen lassen. Aber d~ lag doch immerhinrund 5 Jahrzehnte zu­riid, warschlieBlich Vergangenheit? Welche Bewandt:ni& hatte es niit diesen Zetteln, die da im November in west~ deutschen Stiidtenan Hiiuserwanden,' Autos und 'Schau-

, fenstem klebten?Wie wareil sie von den USA in die Bun~es-, republik Deuts~~d gelangt? Werhatte sie verteilt und ~

auffallend in die Offentlichkeit gebracht? Man brauchte kem , 'Experte' der Abteilung Staatsschutz' der ?Undes~euts~en Po1izeizu. sein, urn zu erkennen, daB fur eme Aktion dieses Formats kein Einzeltiiter verantwortlich,' gem~t ' werden konnte. Aber wer steckte dahinter? ,

Um mogliche 1\ntworten 'aufdiese und weitere F~en,~

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finden, ist eS'flotwendig, imBuch der Geschichte'einigeKa­pitel zuriickzubliittem. Bis ztim 10. August 1944~ Stalmgrad hatte die W endeim zweiten Weltkrieg markiert, die Invasion amerikimischer und hritischer Truppenin Frankreich verlief erfolgreich, Paris war wieder £rei. Die militiirische Niederlage Hitlerdelltschlands konnte niemand mehr abwenden, die voll­stiindige Zerschlagung des N aziregimes war nur noch eine Frage der Zeit: In jener aussichtslosenSituation trafen sich am 10. August 1944 Spitzenfunktioniire der NSDAP und Abge~ sandte aus den Chefetagen ,del' Riistungsmonopole, hohe Fiihrer der Wehrmacht, der Waffen-SS und der Gestapo sowie Experten des AuBenministeriums im Hotel «Maison Rouge» zu StraBburg{Strashourg) auf einer Geheimkonfe­renz; Der Bericht einer Alliierten KriegsverbI'echerkomniis,­sion, erstmals veroffentlicht im November 1945 in London, , erwiihnt 67 Vertreter des «Dritten Reiches».' ,

Hinter verschlossenen Tiiren, wurde iiber die' Lage 'nach dem unvermeidlichen Ende des verlorenen Krieges 'beraten. Es ging um die Erhaltung von Macht und EinfluB deutschen ' Industriekapitals, vor aIlem jedoch um die Sicherung, des

"Fortbestehens. der Naziorganisation,.egal"ob weiterhin, als NSDAP oder unter Tatnnamen. DaB eS dafiir aufdeutschem Boden -~dest vorliiufig - wenig Spielra~ geben wiirde, war'den Teilnehmem dieser Lagebesprechung klar.'Deshalb konzentrierte man sich auf Plane, die nach dem Kriege den Aufbau geheimer NSDAP-Nachfolgeorganisationen im Ause land vorsahen. - '

Ohne den Einsatz erfahrener und bewiihrter-Kader aIl~r­dings waren solche Plane kaum zu verwirklichen. Mit beson­derer Sorgfalt wurden deshalb vielfaltige MaBnahmen er­ortert, deren' Ziel es war, ewer moglichst groBen Zahl von 'geeigneten Nazianhangem Uberlebenschancen zu' bieten.' ,Zur finanziellenAbsicherung all dieser Vorhaben standen betriichtliche Mittel bereit, die die Reichsleitung der NSDAP,

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'''''<::::::

die ReichsfiihnmgvonSS und Gestapo undauchIndustriclle­meist tiber Mittelsmanner -vorsorglieh auf Nummemkonten

,,_Schweizer Banken deponiert hatten. /-

«SpiDne» und «Odessa»

Am 8. Mai -1945 unterschrieb Feldmarschall Keitel in Berlin­Karlshorst die Urkunde tiber die bedingungslose Kapitula­tion derNaziwehrmachtund aller anderen TrtIppenteile. Hitler und Goebbels hatten sich der Verantwortung durch Selbstmord entzogen. Das «Dritte Reich» existiertenichtmehr. Doch die Tinte von Keitels UnterSchrift war kaumgetrock~ net; da regten sich im Untergnmd Geheimorganisationen IIiit den TamnaI)len. «Spinne» und «Odessa». Die erste Phase des StraSburger Komplotts vom 10. August 1944 hatte begonnen.

«Spinne» und ~dessa» verhalfenNSDAP- undSS-Fiibrem, Nazikriegsverbrechem aller Art - unter ihnen auch Gewinn­ler der Riistungsindustrie, Forschet und Arzte ::.., die von den Alliierten gesucht -wurden, zur Eucht ins AuslaJid.Die Veroin­dungen reichten tiber die Schweiz, Osterreich, ltalien oder " Spanien, vor allem bis Argentinien lind in andere latein­amerikanische Struiten, in mehrere arabische Lander,iIi die trSAund bis nach Kanada. Mit falschen Passen und reichlich Geld a~gestattet, wurden deutsche Kriegsverbrecher zu' Tausenden ausgeschleustund verschwanden «Sj>urlos». y or-erst zuIIiindest. '.

-Bei diesen Geheimaktionen spielte der ehema1ige SS-Stan­dartenfiihrer Otto Skorzeny - eirist von den Nazis als Befreier MUllsoliJris gefeiert - eine besoridere Rolle. Als Chef der , «Spinne» verhalf er tiber 500 Kriegs~undNaziverbrechern zur Flueht. Zu seinen engsten Mitarbeitem- zablte der ehe­malige Nazipropagandist Erich Kern alias K~yr" der' spater in derBRD als Chefredakteurder beriichtigten «Deut- . schen Soldaten-Zeitung» von sich reden machie. Als Kurier

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und Mittelsmann der «Spinne» reiste Kern zwischen MOOchen und Salzburg eifrig hin und her.

Skorzeny verlegte se:in:Betatigungsfeld bald nach Spaniea Er wuide von Franco zur Tafel gebeten und widmete sich in San Lorenzo-des Escorial, keine Autostunde von Madrid ent­femt,- und in speziellen Lagem an anderen Ortender Aus­bildung neofaschistischei Terrorkommandos. Rechter Nach­wuchs aus Spanien und auch aus derBRD, wurde hier ideo­logisch und militarisch gedrillt.

Offiziell hatte derehemalige SS-StandartenfiihrerinMadrid ,inzwischen eine hnport-Export-Firma gegriindet. Ergehorte damit zu den besten Kr€isen der Gesellschaft.· Und nicht nur das. Das Gesch1i.ft bot eine hervorragende.Tamung fUr um­fassende finanzielle Transaktionen im In- und Ausland. Uher Skorzenys Firma floB das Geld aus angezapften Schweu.ei Nummemkonten, ohlle die zahlreiche neonazistische und

-para.milit1i.rische Bewegungen und Unternehmennichtlebens­fahig gewesen waren. Skorzeny starb 1975 in Madrid. Doch

" es steht auBer Zweifel, daB er sowohl als Ausbilder wie als " Mazen neonazistisChen N achwuchses zahlreiche Naclttolger

gefunden hat .• Zu den Kursanten ausdet BRD z1i.hlte Amang der 70er

Jahre auch ein nicht mehr ganz junger Mann aus Niimberg, der sich als freier KOOstler ausgewiesen ~tte: Karl-Heinz Hoffmann. 1974 griindete dergelemte Schildermalerund Graflker zu Hause eine sogenannte' Wehtsportgruppe und demo~trierte im Bayrischen Wald und auf V ersammlungeri der Friedensbewegung, was erin Spanien bei Skorieny gelemt hatte. Sechs Jahre' spater motivierte Hoffmann seinen «Stell­. vertreter» Uwe Behrendt zum Mord an dem jtidischen Ver~ leger 'Shlomo Levin und dessen ~bensgefcihrtin Frida Poeschke in Edangen. - . " !

So schlieBt sieh einKreis. Von der Geheimkonferenz ein­fluBieicher Reprasentanten des N azistaates am 10. August

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"")

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USA-Neonazi Gary Lauck (direkt unterm Hakenkreuz) im Kreis . vun Gesinnungskumpanen in Hamhurg

DokUment wer internationale Verbindungen der Neunaziszene

Lincoln im B~desstaat Nebraska,'gena~ jener Abse~~er, der . kleingedruckt die Herkunft der Aufkleber in der Munchner Innenstadt im Herbst 1987 verriet. . . .

Und so'Sch1ieBt sich ein weiterer Kreis von der ,Lageb~spre­ch fiihrender Nazis im August 1944 in StraBburg bIS zur ·~n neonazistischen Werbekampagne in den'Zentren ~iniger GroBstiidte der Bundesrepublik, mit der auf den

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65.Jahrestag :Von Hitlers Marsch zurFeldherrnhalle in Miin­chen undauf den 1.00. Geburtstag des «Fiilrrers» aufmerksam gemacht werden sollte. Diese Aktion offenbart einmal mehr, daB sich im braunen Netz von «Spinne» 'und «Odessa» auch auBethalb der BRD eine Neonaziszene etabliert hat, deren

. Gefahrlichkeit nicht unterschatzt werden darf.

Fluchtins Gefangnis Am 21. September, 1987 erschien in den Abendllachrichten westeurqpaischer Femsehstationen auf den Bildschirmen das ,Foto eiI;tes Mannes; dessen Portrat Fahndungsplakate von 'INTERPOL aufallert Kontinenten zierte: Licio Gelli, lang" jiihriger Chef der beriich.tigten italienischen Freimaurerloge «P 2». Gellis weitverzweigter Geheimbtind hatte seine Leute in Schliisselstellungen von Politik und Wirtschaft, im Staats- ' apparat, beim Militar und in den Geheimdiensten, in der Justiz sowie in Konzemen und FinanZiIistitutionen Italiens. Zusam-

\. ' . ..' . men mit dem FUhrer der «Nationalen Avantgarde» Stefano della Chiaieimd ander~n Neofcischisten war die Geheimloge «P.2» vor allem in den 70erJahren an UberfaIlen, Entfiihrun­gen und Attentaten beteiligt, die im ganzen Land Angst und Schfecken, Unsicherheitund Spannungen verbreiten undderi Boden zui Beseitigung, der biirgerlich-parlamentarischen Re­publik bereiten sollten. Ein solcher faschistischer Umsturz in Italienwar in den Jahren1975 und im Spatsommer 1980'

, geplant, in einer Zeit, dadie demokratischenKrafte imLande­',Gewerkschaften, Kommunisten, Sozialisten - im okonomi­schen mid politischen Kampf an EinflriBspiirbar gewonnen hatten.

In der ail Schreckensmeldungen nicht armen jiingeren l'errorgellchichte ltaliens ereiguetesich Anfang August 1980 ein scheuBlichesVerbrechen: Aufdem Bahrihof von Bologna

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ltalienische Neofaschisten imHiniergrunrI: Bombenattentat aufdem Bahnhof von Bologna

in N ordostitalie~ explodierte am 2. August 1980 eine Bombe von enormer Sprengkraft. Zehntausende Urlauber- :waren unterwegs, es· herrschte lebhafter Reiseverkehr. Die; Warte­sale das Bahnhofsrestimrant undmehrere Dienstriiume wur-· , . den ZerstOrt. ,85 Menschen - unter ihnen viele Frauen und Kinder -! konnten nur noch tot aus den rauchenden Triim­'mem geborgen werden.,Uber 200 Personen erlitten zuIn Tell schwere Verletzungen.. , , Allrang Febru!lI 1987 hegann in Bologna derProzeBum das

- Blutbad.Angeklagt waren etwa 20. Neofaschisten, hohe Giheimdienstoffiziere und Mitglieder der Geheimloge «P 2», auf die der amerikanische GeheimdienstCIAnachgewiesener­maBen groBen EinfluB hat. Als einen Hohepunkt in ihrer Strategie zur Unterminiertmg des Staates hatten sie den An­schlag -von Bologna vorbereitet und ausgefiihrt, dabei. den, qualvollenTod zahlreicher unschuldiger Menschenkaltbliitig

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,einkalkUliert. Die Katastrophe von: Bologna sollte offenbar dasFanal zum Sturz der Republik sein,' def Ruf narn einer ordnenden; starken Hand, den V orwand liefem zur Wieder­errichtung einer faschistischen Diktatur.

Das Konzept der neofcischistischen und erzkonservativen . Krafte 1taliens gingim August 1980 nicht auf. Wie gefahrlich die Situation jedoch war, daB das Schicksal 1taliens tatsach­lich an dem beriihmten seidenen Faden,hing, belegt.die Tat~ sache, daB sogar ein Mann wie General Musumed, seinerieit stellvertretender Chef des militarischen Geheimdienstes

"S1SM!, ill das Attentat verwickelt war und iiber Jahre hinweg a1les tat, um Spuren zu verwischen, die Tater zu' schiitzen:

Zu denPersonen, die General Musumeci besonders schiitzte, gehorte der Chef der Geheimloge «P 2», Lido Gelli. Offen­bar zahlt er zu den intellektuellen Urhebem und einfluBreich­sten Organisatoren jenes verheerenden Bombenattentats, bei

. dem ein Koffer mit 20 bjs 25 Kilogramm Sprengstoff auf clem Bahnhof von Bologna abgestellt und per Fernziindung zur Explosion gebracht worden war; Und.sicher ist es kein Zufall, daB Lido Gelli imJahre 1982, wenige Tage vor se~er

,geplanten Auslieferung aus einem Schweizer Gefangnis an Italien,auf, «unerkliirliche» Weise entkommen konnte und seitdem 'als «unauffindbar» galt. Ganz so «spurlos»war Gelli freilich nicht untergetaucht, schlieBlich hatte eriiberall in der Welt - vor allem bei den Diktatoren in Lateinamerika - s~ine Verbindungen, Komplicen und Gonner. Es ~cheint an­gebracht, die Vergangenheit dieses eii1fluBreichen' Mannes in cler intemationalen neofaschistischen Terrorszene ein billchen unter die Lupe zu nehmen. . Als Junger Berufsoffizier im faschistischen Italien meldete er sich 1937 freiwillig nach Spanien undkampfte an der , Seite der ']:'ruppen Francos44 gegen die Republik. Aus jener

'Zeit staminen seine:engen Ki:mtakie zu deutschen Faschisten,' die als Mitglie~er der «Legion CondoT»45 besondersdurch, ' . ~ ." \.

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, '

barbarisch~ Luftangriffe auf die Zivilbevolkertmg versuchten, den Freiheitswillen des spanischenVolkes zu unterdriicken. , Wiihrend des zweiten Weltkriegs arbeitete, Gelli als Ver­bindungsoffizierauf vielfaltige Weise mit den Kornmandos der Hitlerwebrtnachf und mit den Dienststellen der Gestapo in Halien zusammen, In Pist6ia, noidwestlich von Florenz, stand Gelli an der SpitZe de~ Foderation def Schwarzhemden und leitete pers8nlicl:t ungezahlte Terror- und Gewaltaktionen. Seine Todesschwadronen durchstreiften die gesamte Toscana und hinterlieBen tiberall' erne Blutspur. Diese Region war eines derZentren der antifilschistischen Widerstandsbewe-

'- gung in Halien. Auf sadistische ~ eise lieB Gelli einfache Bau­ersfrau€n und selbst Kinder foltern, die verdachtigt wurden, IDegalen U nterschlupf gewahrt oder fUr die Partisanen Kinier­dienste geleistet zu haben.Alle Menschen wurden ve~olgt

, und gequalt, die unterdem Verdacht standen, de: ~lder­standsbewegung anrugehoren oder auch nur lllit ihr zu

sympathisieren. , , Nach dem Zusammenbruch des .Faschismus, in Halien gelang es Gelli nicht nur, nach Lateinamerika zu entkommen, er hatte auch wertvolles Material ill seinem Gepack: Akten mit Geheimdossiers von Mussolinis ~stapo. Zweifellos hat Gelli nachdem,Krieg diese Akten griindlich ausgeschlachtet und sie dazu benutzt, zahlreiche einfluBreiche Familien in Halien .:.. nicht zuletzt auch aus dem Adel -, die mit Mussolini

, oder den deutschen Faschisten kollaboriert hatten, zu er­pressen. Zugleich machte er fette Beute bei den ,Ustascha-' faschisten des kroatischen Diktators Ante Pavelit. Einen Tell des vonihnenzusammengeraubten Goldschatzes schinuggelte Gelli nach Argentinien. Geheimakten und Gold bildeten also die Grundlage fUr G~llis miirchenhaften Reichtum~ach dem Krieg, fUr den nahezu unbegrenzten EinfluB der von' ~ ge­griindeten,Geheimloge«P 2» inPolitikundWirtschaft Haliens.

, Alser im September 1982 inder Schweiz verhaftet wurde,

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zahlten u. a exklusive Anwesen nicht nur inItalien, sondem auch in Argentinien, Brasilien, Mexiko, Paraguay und Uruguay

, zu seinem ,Besitztum, hattesich die Freimaurerloge «P 2» zu einem machtigen Instrument der Macht, gewissermaBen zu einem Staat im Staate, entwickelt. Bevor Gelli an Halien

, ausgeliefert werden konnte; sicherten, ihm' Gewiihrsleute <<£reies Geleit» aus dem Gefangnis, aus' def Schweiz, aus Europa FUr die' Strafverfolgungsbehorden <<unauffindbaI», hielt sich dieser prominenteste schwarzbraune Terrorist, der, Gesinnung und Gefahrlichkeit von Alt- und Neofaschisten gleichetmaBen' verkorpert, jahrelang in Lateinamerika ver­borgen. , Hin und wieder drangen Lebenszeichen von ihm an die Offentlichkeit. Gelli wirkte als Berater der DINA, des beriich­tigten Geheimdienstes der Pinochetjunta in Chile, genoB beim paraguayischen Diktator Stroessner Gastfreundschaft, gab seine einschlagigen Erfahrungen an - die paramilitihfschen Todesschwadronen in Brasilien sowie iIi Kolumbien an die Geheimorganisationen «Die spitzen N adeln» und «Rote Barette» weiter, die der erstarkenden Link~b~wegung nichts als verstiirkten Mofdterror entgegenzusetzen hatten. Uber 300 Patrioten Kolumbiens sind allein seit 1985 vonparamili­tiirischen Killerkommandos ermordet worden.46 So kam es in verschiedenen Regionen Lateinamerikas zu rechten Terror­und Gewaltaktionen, die unverwechselbar Gellis Handschrift trugen. In Argetitinien beteiligte er sich an politis~en Intrigen

. und weiterendunklen Machenschaften, deren Ziel es war, das ' Ansehen und die Stellung des demokratischen Prasidenten Alfonsin systematisch zu unterminieren.

In diesen Jahren wuchs jedoch auch die Zahl seiner, Wider­sacher und Feinde. Sie geseUten sich zu dene~die aus den ersten Jahren hach 1945 mit dem Erpresser noch alte, person­liche ~echnungen zu begleichen hatten. Offensichtlich tiber­zog Gelli bei seinen Rankespielen, beim Lavieren zwischen

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rivalisierenden Fronten~ Zweimalkam der faschistische Ter-_ rorist bei Attentaten selbst knapp mit dem Leben davon: Den Hintergrund dafiir bildeten auBer seinen brisaiiten auBenpoli-

, tischen Aktivit1iten Machtkampfeinnerhalb der Intematio­nalen Organisation der Freimaurer, als deren Pr1isident Gelli seit 1979 fungierte.' -.' -

In der jiingeren Geschic;:hte der Freimaurerbewegung gab es - nicht nur in der Geheimloge «P 2» in Italien - mehrere Beispiele dafiir, daB das Leben von Mitgliedem, die ihre Macht miBbraucht, ihre Kompetenzen iiberschritten, oder auch nur die strengen Satzungen verletzt h,atten,em. ebenso ~~erra­schendes wie gewaltsames Ende fand. So war der Prasldent der «Banco Ambrosiano», der groBten privaten Finanzinstitu­tion Italiens, Roberto Calvi, im Sommer 1982 unter geheim­nisvollen Umstanden aus Mailand entfiihrt, in London um­gebracht und in die Themse versenkt worden. ,N ach seinem Verschwinden stellte man in der Bank ein Minus von meh­reren Millionen Dollar fest. Roberto Calvi, einst fanatischer Parteiganger Mussolinis, war Mitglied _ der Freinlaurerloge «P 2» gewesen. Experten vermuteten, daB britischeFreimaurer den Bankier auf Weisung der Loge «P 2» urngebracht hatten. Der Fall blieb mysterios und konnte -bis heute nicht restlos

/ aufgeklartwerden: _. _' Ein ahnliches Schicksal roochte Gelli vorgeschwebt haben,

als er sich - fUr die interessierte Offentlichkeit -liberraschend -zur «FluCht nach vom»-entschloB und -sich am 21. September 1987 in Gem der P~lizei stellte. Offensichtlich war der schwarz­br.i.une Te~orist - p~onrinentester der abwesenden Angeklag-

_ ten beim im Herbst 1987 noch andauernden_ProzeB urn das Blut­bad von Bologna--an eIDeIllPunkt angekommen, daerseines I.e­hens liur noch hinter ,Gefarignismauern sicher seinkonnte. Wie nach RedaktionsschluB bekannt wurde, hat die 8chweiz Gelli im Februar 1988 an die italienischen justizbehorden ausgelieferl

NeQen Stefano della Chiaie und LicioGelli, die vomehm-

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Sak sick als Na(kfolger Mussolinif: Georgio.

. Alrriirante, der im Mai 1988 verstarb

lich den Untergrundkampfbevorzugten, wurde die neofaschi­stische Szene in Italien von Georgio Almirante, einst ebenfalls -ein bewiihrter Parteiganger Mussolinis, mitbestimmt. Obwohl Italiens . Verfassung die «Wiederemchtung der aufgelosten fasChistischen Parteiin irgendeiner Form?> verbietet; gelang es Almirante, seinen neOfaschistischen «Movimento Sociale Italiano» (MSI)iur bedeutendsten ultrarechten Partei in Westeuropa aufzubauen. Mit kDapp zwei Millionen Wahler-

. stimmen war der MSI zeitweilig Italiens viertstarkste Pa'rtei. Es existiert ein richterlicher Untersuchungsbericht, in dem festgestellt wird, cler MSI <<verhertlicht die Ziele des Fa­schismus» und gebrauche _«die Gewalt als politischesMit~ tel».47 Dennoch sind bisher alle Versuche, den MSI ZIi ver-bieten, gescheitert. -

Als Verbindungsmann des «Movimento Sociale Italiano» zu legalen N eonaziorganisationen hn Auslahd spielte Pino Rauti eine wesentliche Rolle. Ei: gelangte als'MSI-Abgeord-._ _neter bis ins Parlament in Rom. Seine Katriere hatte - ahnlich­w;ie die von Gelli - als Kontaktm,aIm Zu den Hitlerfaschisten

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. . . .

begonnen.\Rauti scharteschon 1956 eine auf Drill undKada- -vergehorsam ausgerichtete N eoriazikampftruppe, den ,o'

«Ordine Nuovo» (ON) urn si<Oh. Sie wurde zum V orlaufer und Prototyp zah1r~i~er iihnlicher Banden in anderen westeuro-. p1iischen J-,and,em. Die Kurnpane Rautis trugen Uniformen mit Hakenkreuzen, Hitlers «Mein Kampf» galt a1s Pflicht­lekttire.

Nach dem Verbot des «Ordine Nuovo» im Jahre 1973 . schloBsichRauti dem MSI von Alrrrirante an. Die meisten

seiner ehemciligen Soldner organisierten sich jedoch in neuen illegalen neofaschistischen Terrorgruppen wie dem Kom­mando «Ordine Nero» oder der «Nuclei 4nnati Rev:oluzio­~ari» (NAR), einer e~trem g~walttatigen Bande in Italien, die nach Erkenntnissen der Behorden am Bombenattentat von Bologna zumindest beteiligt war.

Auch in Italien versuchen Staatsanw1ilte, Rechtsextrernisten zu schtitzen, wahr~nd diegeringste Regung des Fortschritts Tticksichtslos unterdrUckt wird. Von den durchschnittlich 150 Strafanzeigen, die z. B. in Mailand in letzter ,Zeit jahrlich gegen N eofaschisten erstattet wurden, kam es nill in 2 Fallen zu - meist geringen - Verurteilungen.48

Drohte wirklich mal eine Haftstraie, verschwand der Be­schuldigte rechtzeitig ins Ausland: N eofaschisten in Griechen­l~d od~i Spanien boten jederzeit ein Platzchen, wo man sich in Ruhe erholen undtiberwintem konnte. Bis zum Sturz des Athener Obristemegimes im Jull 1974 <<war Athen die Ka­pitale der ~Schwarzen Intemationale> , Mekka fUr italienische Faschistenauf der Suche nach Geld und Waifen». N ach dem EIide der Militardiktatur half en die <<italienischenEmigranten» ihren grieohisclJ.en Gesinnungskurnpanen beim Aufbauneuer illegaler neofaschistischer Gruppen, fUr die' der Einfachheit' halberder gleichlautende Name «Neue Ordnung» (Nea Taxis) verwendet wurde.49

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Spuren fiihrteri' alich 'ins Poli~eidepartment "

Der Sprengstoffanschlag italienischer Neofaschisten ~uf den Bahnhof von Bologna war nur die erste von drei Kat~­strophenmelduilgen, die 1980 innerhalb von 2 Monaten die Offentlichkeitaufschreckten. Knapp 8 W ochen nach Bologna' folgte am 26. September das Attentat auf' dasMiinchner Oktoberfest, als dessen Urheberdie pa:ramilitmsche «Wehr­sportgruppe» des Neonazis Hoffmann in Frage kam. Sieben Tage nach Miinchen, am 3. Oktober 1980,wenige Minuten vor dem Ende eiries Gottesdienstes, explodierte in der Pariser Rue Copernique vor dem Eingang derSynagoge eine Bombe. , Eine Jtidin und 2 Passanten Wurden getotet. Von den 13 zum Tell Schwerverletzten verstarb eine weiterePerson imKranken-

. haus. Vierzehn Tage zuvor hatten Neofaschisten aus der franzOsischen Terrorszene bereits weitere Synagogen und jtidische Schillen in Paris angegriffen und dabei erheblichen . Sachschaden angerichtet.

Den drei bisher schwersten Anschlagen neofaschistischer , und paramilitmscher Bewegungen im August, September

und Oktober 1980 in Italien, in der BundesrepuBlik Deutsch­land'und in Frankreichfielen tiber 100 Menschen ZUln Opfer, nahe~ 600 Personep. erlitten V edetzungen. Di~Untersuchun­gen dieser Verbrechen Waren bis zum Herbst 1987 -7 Jahre danach! - noch nicht abgeschlossen. Doch s,chon die bisher vorliegenden Ergebnisse lassen es als sichergelten, daB die

. Neofaschisten in Westeuropa tiber die Landesgrenzen hinweg kOnSpirierten und bis heute 'konspirieren, daB es neofaschisti­sche Kontaktnetze, zwischen· Bonn, Rom, Paris, Londori, Briissel und Madrid gibt,' daB die Ausbildung derN achwuchs-

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Opfer eines recftJen Tlfrroranschlags auf. eineSynagoge in Paris

kader und teilweise auch die V orbere~tung von Terroran- . sch1agen kOOl:diniert wini, daB man sich gegenseitig Unter­schlupf gewahrt und,alles tut, urn die Spuren der Verbrechen zu verwischen. . '. ';

FUr den Anschlag auf die Symigoge in derRue Copeinique wurde die Neomlziorga.msation«EuropiiiSche Natiqnale Faschisten» (FNE) verantwortlich gemacht. Die FNEwar als direkte N achfolgerin der Anfang September 1980 verbotenen FANE (<<Foderation fUr Nationale und'Europiiische Aktion») gegriindet worden. Die FNE ubemahmnicht nur.die Pariser Adresse der F ANE,auch der Anfiihrer blieb derselbe: der Bankangestellte Michel Leloup, 'cler seinen N amen kemig zu Marc Tredriksen «aufriordete». InzWischen 'liefen gegen, ihn 'verschiedene Strafverfahten,' u. a.: wegen antisemitischer. Hetze. I .

Ein Pariser Polizeioberst, der FNE~Mitgli{!der .nach dem Bombenattentat in der Rue Coperruque zU vemehmen qatte"

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Begleitet von zwei ' Leilnpiichtem: . MichelLeloup,fuh- " render Neofaschist in Frankreich -

erkliirte damals, einige der Leute habe er schon von iriih~ren . ': e~hO~en gekannt, sie jedoch niCht ernst genommen. Wenn' Sle ~ ~en schw.arzen Uniformen hetumgelaufen seien und «Heil HItler» gebriillt hatten, habe man sie eher fUr Karnevals­figuren gehalten oder als <fVerriickte» abgetan.50

Bei Haussuchungen fand man neoEaschistische Flugblatter und Pamphlet~, fast ausschlieBlich Ubersetzungen aus dem Deutsche~: Uniformen, Orden und verschiedene paramilitfui~ sche Ausrustungen k~en ebeilfalls aus der BRD. Zugleich ,~d~n Unt~rlagen sichergestellt, die beweisen, daB FNE~ ~Itglieder ( dieN e~ilaziorganisation hieB damals noch FANE) 11ll Sommer 1980 rmt der sattsam bekannten «WSG Hoffinann» ein Wehrertuchtigungslager organisiert hatten.· Dabei' war u. a. der «Krieg gegen die Roten» geprobt worden: Abschlie- ' Bend waren deutsche und franzi:isische Neofasclusten Hand in l:Iand durch ein Sonnenwendfeuer gespiungen: . " . Im Verlauf der fieberhaften UntersuchungeJ! nach dem

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Attentat ,von Bologna kaffidie italienisehePolizei auf die Spur eines Verbindungsmannes ill Paris. N ach umfassenden

. Ermittlungen konntedieser stets auBergewohnlichgutinfor­mierte V-Mann identifiziert werden: Es handelte sich urn den 25jahrigen Inspektor Paul-Luis Durand, Angehorig~r der, Anti-Terror-Einheit der franzosisehen Polizei, zu dessen Auf­gaben u. a. die Uberwachu.ng der Aktivitiiten der FANE zlihlte>Es stellte sich heraus, daB Durand seit Jahren selbst Mitglied ' der FANE und sogar iin, Leitungsgremiurn 'dieser neofaschistischen Terrortruppe aktiv war; Naeh Bekannt­werden dieses Skandals wurde der Poliieiinspektor yom Dienst suspendiert, die FANE yom Innenminister demon­strativ verboten. Wie sich zeigte, jedoch nur formal. ,

Die Affare Durand sehien jedoch kein Einzelfall gewesen zu sein.Nach ErkenntnissenvonJos~ Delthorn, SekreHir der groBten franzosisehen Polizeigewerkschaft, war seinerzeit -wie' sich spiiter herausstellte - jedes 5. F ANE~ bzw. FNE- ' Mitglied bel der Polizei beschiiftigt.51 Es ist erwiesen, daB 'die FNE bis heute jiidische Mitbfuger in Paris, an def Cote d'Azur und im ganzen Land per Telefon und auch sehriftlich mit Morddrohungen verfolgt. Die Drohbriefewaren alle mit dem FNE-Emblem gekennzeichllet, Pfelle und Rutenbiindel in einem Kreis, dariiber eiri Adler. Am SchluBstand jewells: «FUr uns' gibt es' nur einen Gott: Adolf Hitler.» Mehrere Brandanschliige, so imSommer 1986 auf ein jiidisches Waisen­haus in Marseille, konnnen auf ihr Konto. '

Verbindungen unterhiilt diese neonazistische Bande, ,deren AngehOrige zwischen 20 ~d 35 Jahre alt sind, aueh ZUD;l bel­gischen «Vlaamse'Militanten Orde» (VMO). An gemein-"

~ samen Manovem dieser paramilitiirischen Bewegung in' Belgien und der FNE in den Wiildem der Ardennen nahe dem Stiidtchen La Roche-en-Ardennes an derwestdeutsch­belgischenGrenze nahm aucheine Abordni.mg der «Wlking-, Jugend» aus der BRD tell. '

140 '

Sturmangriff ., in den Ardennen"

,HI

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Bergen hat n;lan riesige Feuer entfacht. Meterhohe Flammen.

lodem in den blauschwarzen Himmel. . . -In den ersten Reihen wird ein Lied angestimmt. Noch klingt·

. es dfum,die Tone verlieren sich in der Weite.Doch sch?n wird . die Melodie aufgenommen. Und wie zuvor das Licht, so

springt nun cler Gesang tiber, von Kolonne zu K~lonne. Fackeln und Gesang trlumphieren tiber Dunkelhelt und

Stille. N~ marschieren sie gemeinsam .ein, die Alten ,und die Jungen, in cfas Valle' de Los Caidos, ~as «~al der G~fallenen», in dem sich Franco schon zu Leb~lteI! em gewaltlges Mau­soleum' hatte bauen lassen. Sie schmettem das alte Kaplpf­lied der f~chistischen Bewegung inSpanien, das aus den Bergel;l mit vielfachem Echowiderhallt:«Cara al Sol» (Das

, Gesicht zur Sonne). Danach ertont der vieltausendfache Ruf: Mai 1939 in Le6n~Spanien: Franco dankt der faschistischen <;Franco, steh auf, Spanien brau~t dich!» Und: «Viva Franco!» . deutschen «Legwn Condor» bei einer Abschiedsparade

J3hr fiir J3hr um den 20. Novemb~r wiederholt sich dieser " wirkungsvoll inszenierte Aufmarsch un «Tal d~r ?efallenen», Die.~nt:alen Veranstaltungen im Herbst 1987 galten dies- .

an dem sich die alten Kampfer und neofaschistischer Nach- mal fiir die Alt- und Neonazis zwischen La Coruiia und wuchs aus ganz Spanienbeteiligen. So auch am 21. Novem~er AJgeciras als eine Art Generalprobefiir ein «helies Friih- -19,87, einem Samstag.Sielmldigten ihrem toten Caudillo jalrr»l9~g.: Am 18.Jull 1936 hatte Franco seinen Mllitarputsch (FUhrer), Generalissimo Francisco Franco, der am 20. Novem: gegen die gew~te Regierung der Republik S,panien begon-ber1975 starb. '. nen. Das sp~sche Yolk wehrte sich. Nach einem blutigen

Undwieebenfalls ~ahezu alljahrlich wurde der Todestag opferrelChen Burgerkrieg marschierten .die von Hitler zum AulaB genommen, :mit der Regierung abzurechnen. und Mussolini materiell undmilitiirisch massiv Untersttitzten . Dazu: versammeltel;l sie sich am Tagdarauf auf demPlaza . . de~ Generalissimo am 28. Miirz 1938 trlumphierend . de Orie~te am Rande der Altstadt von Madrid. Sprecher m M~drid em. Nun beherrschte der Caudillo das gauze Land. schiedener neofaschistischer Organisationen emporten In eme~ Telegramm begltickwiinschte Hitler den spani-in rhetorisch ~ffektvollenReden tiber den Verlust christlicher Dik~~tor «~ damit errungenen Endsieg Spaniens Werte, den Verfall cler Sitten, das AnsteigEm von Arbeitslosig· den volkerzerstorenden Bolschewismus».

, keit und Kriminalitat,sie verurteilten Rauschgift, Der. Puts~ Francos war nicht zuletzt deshalb erfolgreich, , unddieMiBemtend~svergangenenSomniers,undsienrunnt;enlweil die RegIerungen in London und Paris den Faschisten-

fill: alles nur'einen Schuldigen: die Roten. Um den in Spanien gewahren lieBen und auch die offene Niedergang Spaniens seit dem Tode Francos. AggreSSion deutscher und italienischerFaschi-giibe es nureine LOsung: «Die Anuee an die Macht!» duldeten.

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Henker unter sich: «Reichsfiihrer SS» Himmler zu Besuch beim spanischen Caudillo

verpflichtet fiihlen und extrem antiseinitis<.:h eingestellt Von Anfang an richtete Skorzeny eine speZielle Unter-

1;abteiJ.unJI1.". den' «SD», ein, in dem etwa 200 Elitekader - meist ,S6hne hOherer Beamten und Militlirs - als «StoB- und Schutz­~truppe» von «Cedade» trainiert und militmsch ausgebildet ~'wurden. «ICh schwore, daB ich stets meiner Rasse treu bleiben iwerde, der Rasse des Ahendlandes, deren Erh~tung ich mein "'Leben verschreibe», heiBtes im Schwur, der den Mitgliedem :~des «Sicherheitsdienstes» abverlangfwurde.55

! Von Spanien aus liefen Faden nach fast allen westeuro: :~'pii.ischen .Staaten. «Von Rom nach Paris, von Madrid nam ;Ussabon - die blutriinstigen faschistischen und nazistischen .~ IWler sind wie-in einem unsich'tbarenSpinnennetzverbunden», schrieb daS italienische Magazin «Panorama», als-erste Spuren der Bologna.-Attentater art die COte d'Azur nach Nizza fiihrten. Tatsachlich hat der Chef der Alt- und Neofaschisten

. Italiens,. Stefano della Chiaie, der als Hauptverantwortlicher Nicht nur die Erinnerung an Franco' wird von den Alt- fur den Bombenanschlag im Bahnhof von Bologna gilt, lange

und Neofaschisten in Spanien lebendig gehalten. «Liebevoll. Zeit in Spanien gelebt, wo er bis zur Regierung . iInter ' gepflegt und gef6rdert wird auchdas Ande~en an den eben, Adolfo Suarez und den ersten Wahlen im Sommer 1977 von falls 1975 verstorbenen deutschen Nazi Otto Skorzeny. Der der politischen Po'lizei und fiihrenden Politikem beschiitzt Ex-Generalrnajor der Waffen-SS,. der nach Kriegsende - wurde. ~schen halt sich della Chiaie vomehmlich beim Spanien nicht nur Unterschlupf fand, sondem auch faschistischen Diktator Stroessner in Paraguay auf, woe-ine biirgerliche Existenz griindete, rief mitgroBziigiger U spanische Zeitschrift 1983 ein Gespra.ch mit ihm fuhrte.56

_ stiitzung des Francoregiilles schon 1960 in Barcelona Von den etwa 20 mionazistischen und meist auch paramili-paramilitmsche neofaschistische Organisation tiirischen Orga.nisationen, dieseit Francos Tod in Spanien (Circulo Espanolde Amigos de Europa -: Spanischer wieder existieren,spielt die <1uvehtud Nacional Revolucio-der Freunde Europas) ins Leben. «Cedade» fungierte als _ naria» eine besondete Rolle. Obwohl das Tragen von Unifor~ Art Dachverband. Unter der Parole «Mit Hitler nach men fiir ZiVilisten in Spanien verboten ist, laufen die Jung-versuchte diese Vereinigung den EiIidruck einer faschisten - ahnlich wie in der BRD, in Belgien undFrank-sChen Gotterdammerung Zu verbreiten. reich - in schwarzen LedeIjacken, Lederh3.1,1dschuhen, dunklell

Zu den rUIid 3000 Mitgliedem und einer dreh_bis Sonnenbrillenund schwarzen Schaftstiefeln oder auch in einer fachen Zahl von Sympathisanten zahlen jene Alt- und an SS-Kleidung erinnemden Kluft mit Hakenkreuzbind~

,", nazis in Spanien, die sich dem <<WlvertatlsdllteIlL» I'll ;:S-(je(lanKen-t herum: RegelrnaBig zu Hiders Geburtstag am 20. April trifft .

. 148 149

Page 76: Koch - Neofaschistische Bewegungen (Skorzeny)

· .. fanatischer Nachwuchs

man sich in der Nahe der Madrider.Militarkommandantur, urn in der benachbarten Kirche «N uestra Senora de la Almu-dena» eine Hitlermesse zu zelebrieren. -

Eine weitere neofaschistische Jugendorganisation in Spanien

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die «Fuerza Joven» Gunge Kraft). Angeleitet unq motiviert­I'on den Altfaschisten der«Fuerza Nueva» {Neue Kraft} unter . dem strengen Kommando des Rechtsanwalts BIas Pinar, der sogar den Sprung ins Parlament schaffte, exerzieren spanische jungfaschisten in abgeschirmten Ausbildungslagern <<fur den Ernstfall». Die BRD-Touristinnen Sabine Und Susanne Scltutz aus Dusseldorf berichteten in diesem Zusammenhang tiber ein «denkwur<;liges Erlebnis».

Auf ihrer Ferienreise durch Spanien gerieten die jungen Frauen rucht weit entfenit von einer Jugendherberge nahe der Ortschaft EI Escorial am FuBe der Sierra de Guadarrama nordwestlich von Madrid, in einep Hinterhalt. Unvernlutet befanden sie sich am Rande einer groBeren Waldlichtliilg un<i sahen Reihen von Zelten, l;astwagenmit Tarnanstrich, Ge­webre, zu Pyramiden zusammengestellt, mit· Stacheldraht bewehrte Hindernisbahnen. Sie hOrten Kommandos. PlOtzlich sprangen schwarzuniformierte Gestalten - einige hatten nur wenige Meter von ihnen entfernt gut getarnt am Boden gele­gen - auf und rannten mit Gebriill ~ufeinander zu. Ein er­bitterter N ahkampf Mann gegen Mann begann. Dabei schien esden Towistinnen aus-der BRD,.als ob auch deutsche Laute in ihre Ohren drangen.

Sie hatten sich nicht getauscht. Siebefanden sich nicht auf ehtem Ubungsgelande des Militars, sondern in einem Camp der «Fu~rzaJoven». Und wie alljahrlich im Sommerhatten die spanischen Jungfaschlsten Neonazis aus der BRD zu Gast. Gemeinsam verlebten siehier ihren «Urlaub». Die deutschen Neonazis waren zwischen 17 und 20 Jahre alt. Vor dem Essen, soschilderten diebeiden Touristinnen ihr Erlebnisineinem Leserbrief an die BRD-W ochenschrift «Die Zeit», traten die Deutschen vor ihren Zelten zum Appell.an «und marschierten danri, die rech~e Hand zum HitlergruB erhoben_ und laut das H,orSt-Wessel-Lied grolend, zum zwanzig Meter entfernten EBtisch hinuber».57 . , .

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Gelangte sogar ins -Parlament: -Bias Pinar, Chef der spanischen Neofaschisten

Als eine der Frauen das Neona:zischauspiel fotografieren wollte, hielt ihr ein Wachposten 'die Hand vor die Linse und forderte die Zivilisten in riidem Ton auf, das GeHinde sofort

g~hoben. Bauem Wid vor allemihre T6chter waren von den De~ts<:hen in SS~iihnlichen Umformen belastigtworden. Zu, gle~ch ~atten sich Beschwerdenaus der Bev6lkerung gehauft, weil die N e~faschisten alle Manner mit Barten oder langen Haaren anpobelten und als Rotebeschimpften.,

1m Urnfeld de~ «Cedade» sind vor allem die Anhanger der ultrarechten «Alianza Antioomunista Espanola» und das «Ballon Vasco Espanol» fUr ilrre Gewalttaten beriichtigt' Di d' -. ~ un .w:eitere Gruppen - ob sie nUn «Christk6nigskriegep~, «~tI-ETA», «Antimarxistisches Kommando», «Antikommu­mstIsche Apost9lische Allianz» oder «VI. Kommando Adolfo Hitlep> he~e~ - w.aren mehr oder w~nigereng mit der«Fuerza Nueva», die lllZWlschen aufgel6st wurde, liiert. Sie belieBen' es gegeniiber den Kriiften des Fortschritts nicht beiDrohun­gen. Und der besondere HaB der alt- und neofaschistischen

'. Schlager und ~?rder in Spanien galt und gilt den Mitgliedem der KommumstIschen Partei.

Schiisse in der Calle Atocha zu verlassen. Erst jetzt bemerkten Sabine lmd Susanne am Hauptweg einen Schlagbaum und ein Schild mit Zum 18)uli 1~78, dem 42.Jahrestag des Franooputsches, Aufschrift: «Blaue Division/Legion Condop>. DerText hatten die .spaDlSchen Neofaschisten neben der Gefolg-schaft ter in Spanisch und Deutsch wamte Unbefugte vor dem ~us dem elgenen Land prominente FUhrer der «Bewegung» tell; des Camps. ." '. . . aus ganz Europ~ ~d aus den USA in die gr6Bte Stierkampf-

Ein ahnliches <1ugeridzeltlagep> befand _si~ mirare~a von Madridemgeladen. Zahlreiche Redner; unter ihnen . Kilometer von der W aldlichtungentfemt. Es hatte den Italiens N eofaschistenfiihrer Giorgio Almirante, geiferten «Heilige Maria zur guten Luft». Nicht nur alte Fra.nc()kiinij:lfer,l- gegen d~nK?mmunismus, verleufeltenihnals «GiftfiirK6rper sondem auch ein «sehr gut Spanisch sprechender " und GeIst» und kiindigten seine «Ausrottung mit allen Mit-SS-Offiziep>, der sich Kommandeur Walter nennen lieB, . teln» an. ' . - -nierten hier deutsche und spanische Jungfaschiste.n «fiir Besonderer AnlaB der HaBtri'Jden war die nach jahrzehnte-Kampf gegen Deka~nz Und Kommunismus».58 . _. _langer brutaler Verfolgung .1977. von den demokratischen

Ein weiteres Lager unweit von Madrid, in dem junge_ Kriift.en des . Landes -erzwungene Legalisierung de~ KP faSchisten aus Spanien und der BRDmilitiirisch gedrillt Sp~ens.~V or alleij1 die «Antikommunistische Apostolische .

. den, hatte die spanische Polizei bereitsim Sommer 1979 . Allianz» . und' die «Christk6nigskrieger» e~tfachten eine

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Kampagne orgarusi~rter Aktiom!n und spontanen individuel- . len Terrors, so auf die groBe Madrider Buchhandlung «~afael Alberti» und die aus der Sicht der Neonazis «entartete»Lite­ratur fuhrende BuChhandlung «Tres i catre» inValencia,um

, . die Zulassung der Kominunistischen Partei zu den ersten biirgerlich-demokratischen Parlamentswahlen in Spanien seit

. 1936 ZIi verhindem. «Christkonigskrieger» drohten Jouma­listen, die Verbrech~n neofasChlstischer Elemente untersucht undangeprangert batten, mit der «Todesstrafe». .' . .

Als der Chef dieser N eonazibande, Marino Sanchez Covisa, ~henials Major in der Blauen Division, voriibergehend fest- . genommen Wutde,' stfulnten. seine «Krieger»,mit Ketten, Eisenstangen und Schlagringen bewaffnet, in Horsiile der Univ'ersitat in Madrid, wi:> die kommunist,ischen. Zellenbeson­ders aktiv waren. Die Polizei beobachtete den Uberfa1l, schritt jedoch erst ein, nachdem die Schwarzhemden zahlreiche Stu­denten undStudentinnen blutig geschlagen hatten. .

Intemationales Aufsehen und leidenschaftliche Proteste in . aller Welt loste ein ebenso hinterhiiltige's wie brutales Ver­

brechen aus, mit dem sparusche N eofaschisten das Signal fUr einen landesweiten Putsch nach. dem Beispiel des Caudillo, fUr die Rtickkehr Spaniens in Verhiiltnisse des Francoreginies

• geben wollten. . .' . . . . . Am 24.Januar 1977 war in Madrid ein neofaschistisches

KillerkommandoindaS Haus Nummer 55 der Calle Atocha eingedrungen. Imersten Stock hattep sichjunge Rechts­anwiilte, Mitglieder derdamals noch illegalen J(ommunisti­

. schen Partei, Und Vertreter der Gewerkschaften zu einer , geheimen Beratung ~ versammelt. Die Mordbande eroffnete

das Feuer aus Maschinenpistolen. 1m Kugelhagel starben 5 Anwiilte, 4 Wlirden schwer verletzt.

Dieser feige Mordanschlag loste jedQch keinen Rechts-·· putsch, sondem gewaltigeantifaschistische Protestkund-· gebungen in ganz Spanien aus, ~ denen sich neben Kom-

-154 \.

Trauer um die; Opfer der AtochamOrder

munisten auch Gewerkschafter, Sqzialisten,Hunderte Intellek­tuelle und Kiinstler sowie Vertreter der Kirche in den Stadten

.. und·Landgemeinden beteiligten. Beim Begrabnis der Opfer folgten Tausende Antifaschisten den Sargen. . .

. Polizei. und Justiz verschleppten den ProzeB tiber, Jahre .. Der Un~ersuchungsrichter lieB nicht·nur wichtige Unterlagen verschwmden, ergab einem del' Hauptangeklagten auch noch «Urlaub auf Ehrenwort» und darnit die Chance, sichnach Lafeinamerika: abzusetzen. Erst nachdiesen skandalosenV or­~~en wurde der Untersuchungsrichter 'unter dem Dnick der ~ffentlichkeit durch eineri anderen ersetzt. Die Verhandlun­gen imMC!ill:ider J ustiZpalast muBten wiederholt unterbrochen

.' werden,weiljunge N eofaschisten im Gerichtssaru randalierten; . AIle Mailover der erzkonservativen und neofaschistischen Krlifte kQnnte~ jedochnicht verhindern, daB zwei der H~upt­angeklagten eme lebenslange GeHingnisstrafe erhielten.

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T1

~l

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Den jungenKOJlim~ten undReChtsanwalten, ~enriluti­gen Genossen Und Mitstreitem in der antifaschistischen Front hat der namhafte spimische Filmregisseur Juan Bardein ein bleibendes kiinstlerisches Denkmal ges~tzt. Der nach authen-,

. tischem Material gestaltete Streifen «Sieben Tage imJanuar» fand international groBe Beachtungund war auchiil den Kinos der DDRzu sehen.

N ach Jahren taktischer Zuriickhaltung und offentlich zur Schau gestelltem relativem W o)llverhalten - einer Phase an­scheinender AnpaSsung, angeblicher Respektierung der biir­gerlich-demol5ratischen Spielregeln, wahrend' die Basisarbeit nur urn so mehr intensiviert wurde - deuteteil alle Anzeichen darauf bin, daB sich Alt- und Neofaschisten in Spanien im . V orfeld des 50; Jabrestages derFrancodiktatur auf neue Kraft­proben vorhereiten. In diesem Zusarnmenhang verdiente im September 1987 eine Fiinfzeilenmeldung der britischen N ach­richtenagentur Reuter Beachtung. Polizeikriifte, so hieB es, hatten im Keller eines Hauses in Vallecas siidostlich von Madrid eine geheime Waffenschmiede entdeckt,.und aus­gehoben.59

, Schon wiederholt waren in Spanien' illegale ?roduktions­, statten von leichten paramilitarischen Ausriistungsgegen~

standen bekannt gewordell. So eine geheime Waffenwerkstatt hatten u. a. die «Chrlstkonigskrieger», deren Chef Cosiva nach der Polizeirazzia festgenommen worden war. Am Stadtrand von Madrid stieBen Sicherheitskriifte schon, vorJahren bei der Verfolgnng einer anonymen Anzeige aUf einen nicht offi­ziellen Waffenproduzenten, als dessen· Auftraggeber die «Aliariza Anticomunista Espanola» vennutet wurde.·

. Diese Werkstatt hatte sich auf Pistolen spezialisiert, die als Fiillfederhalter getarnt waren. So einen Fiillfederhalter konnte manals Gaspistole verwenden. Es war jedochauch moglich, " statt Tinte eine scharfe Patrone zu laden und mit dieser Waffe

'aus geringer Entremung einen Menschen nahezu gerauschlos '.

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zu tOten. 'Etwa 5000 solcher «Fiillfede~halter» konnten noch in der W erkstattbeschl~ahmt w~rden: Die Untersuchungs­behorden hielten es nicht fUr ausgeschlossen,daB solche getarnten Waffen'von Spanienbesuchem aus der Neonazi­szene auch nach Italien, in die BRD, naGh GroBbritannien und in andere westliche Lander geschmuggelt wurden. .

, Post . fiir Mister Alberthy

Es war an einem der wenigen wannen Tagedes verregneten Sorrimers 1987. Driickende Hitze lastete auf der groBen Stadt, die Luft waf ,zum Schneielen. Der Menschenstrom im Berufs­verkehr schien noch dichter als sonst, mag sein, es l~g daran,

. daB viele apathisch waren, sich langsaIller bewegten. Jeder . hoffte auf Abkiihlung, vielleicht abends, we!ill eine kiihJ.e Brise vop. der Nordseeher auch fUr die Londoner ein biBch~n Er­frischung'brachte. Zufrieden mit den fUr diebritische Metro­pole'eXtrem hohen Temperaturt(ll,waren lediglich die fast 100000 Obdachlosen. In dieser Nachthatten sie keine Pro­bleme wegen einer Schlafstelle.

Aber das ungewohnliche Klima wirkte sich nicht nur lah­.mend aus. Viele Menschen waren gereizt, verhielten sich betont aggfessiv, n~igten verstarkt zukriminellenHandlungen. Der Polizeibericht fUr, den GroBraurn London .meldete . am riachsten Tag' ein Ansteigen, ',der Verkehrsunfallrate urn 20 Prozent,dazu 2 Morde, 7 Raubiiberfcille, 3 angezeigte Ver­gewaltigungen, auBerdem diverse Einbliiche (die meisten' Leute hatten die Fenster offen~lassen), BrandstiftUngen und Messerstechereten mit insgesamt rund 30 zum Teil Schwer-verletzten.6o ' .

, . ~er das Verbrechen an' dem" Buchhandler I>uhcan:Al~

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berth)' in der Greyhoundstreet immittleren Westen, .. von London stand mchts in den Morgenzeitimgen. Auch mittags und am Abend war dem Mord keine' Zeile gewidmet. Wie sich herimsstellte, hatte es del' Inspektor des alarmierten Poli­, zeikortunandos . abgelel;mt, die Mordkommission hinZuzuzie­hen, nachdem der Bereitschaftsarzt Herzversagen als Todes­ursache diagnostiziert hatte. Der Buchhandler war also mcht

. an den erlittenen Verletzungen, sondern an Herz.schlag eines natifrlichen Todes gestorben! Nichts AuBergewohnliches -immerrun war Mister Alberthy· auf die Siebzig zugegangen, .dazu die schwiile Witterung ... SchlieBlich lieB sich der In-

" spektor herab, eine Anzeige gegen Unbekannt aufzunehmen, wegen «groben Unfugs». ." .'

MiS Climber kamam nachsten Morgen wieseit fast 30 Jah-ren kurz vor 9 Uhr, urn den Laden zu Offnen. Als sie. von clem Ungluck erfuhr, hangte sie ein Schild an die Tiir «Wegen

· Todesfall geschlossen». Ins Schaufenst~r neben die Bucher · von Charles Dickens, Agatha Christie und Graham Greene, John Reed, Hemingway undJohn Updike, Boll, Dostojewski, . Gorki, Aitmatow und den vielen anderen, die seine Welt, . sein Leben gewesen waren, stellte sie ein Bildi1is des jab.' Verstorbenen und schmuckte esmit einem Trauerflor. In der folgenden Nacht wurde die Scheibe von «unbekannten Ta-' tern» zert:riimIhert.61 " .

-Das Lebert von Duncan Alberthy kann in wemgenSatzen , 'geschildeit werden. Schon'sein Vater, war ~uchhandl~~ in

Coventry. Mit dem Eintritt GroBbritanmens m den zwelten Weltkrleg muBte Duncansein Studiurn unterbrechen und in die Armee einriicken. 1m Sommer .1944 gehOrte er zu den' britischen Soldaten; die mitEinheiten derUS Army denKanal ubel'querten und in Frankreich, das von Nazitruppen o~u"

· piert war, landeten;K:ampfe inder Normandie und bel der .»efreiung von.Paris. Dann wurde er schwer'verwundet.Das rechte Bein muBte bis uberdemKilieamputiert werden. Im,

158 '

Neofaschisritus in GrOfibritannien: «Wetfie Machtl .. . Nigger, .' seht euch vorl Hiinde weg vun den Wetfienl . .. Oder ihr sterbt.»

Lazarett in Frankreich erreichte fun. die Nachrieht vom Tod . seiner Eltem. Ein Flugkorper vom Typ V 1 hatte einen groBen

Teil der StfaBeverwiistetund auch rnrHaus:zersWrt. Heim­gekehrt nacli. GroBbritanmen, erbte er von einem Onkel in

, London ein gemuse- und Delikatessengeschaft und machte "daraus eine Buchhandlung,

Er war ein stiller, friedlicher Mann mitschutterem blondem Haar gewesen, inuner an einem aufgeschlossenen Gesprach . mit semen Kunden interessiert. Er war kein Kommuilist. Das Kriegserleb~ ~atte fun jedoch zum Antifaschisten gemacht

: lffid in fum die Uberzeugung geweckt" daB Gewalt ein untaug­liches Mittel zur Beilegung politischer Differenzen ist. Friih­?,eitigbetatigte sich Duncan Alberthy aktiv in der <<All­Britain Pea~ Liaison Group» und in anderen Friedensbewe­googen GroBbritanmens.

In der 2. Halfte der 70er Jahrekam es zu einer spiirbaren

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Faschisierung des offentlichenLebens im Lande. Ein Symptom waren sich haufende Uberfalle auf farbige Lehrer und andere Auslander. Masseqarbeitslosigkeit und. generell sch1echte sozialeBedingungen, nicht erfiillte Versprechungen der Regie­rungen und diistere Zukunftsaussichtenmachten vor allem die jungen Leute ailfallig fUr die aggressiven RassenhaB schiiren­den Parolen der Rechten. Die bereits 1966 entstandene Neo-

,nazipartei «National Front» konnte'in industneUen Ballungs­gebieten im Raum von GroB-London und in Mittelengland bei Kommunalwahlen bis zu 18 Prozent der Stimmen erringen. Die Kinos wurden mit Filinen iiberschwemmt, die Hitler glorifizierten undden Fascliismus verharmlosten, und Biicher wie «HitlersAra» des britischen Autors Mountjoy wurden Bestseller. So llohe Auflagen und Titelziffern, wie sie jetzt in GroBbritarinien iiber den «Fiihi-er» und die Nazizeit publiziert wiitden, hatten<<nichtihresgleichen», schrleb damaIs die «Daily Mail». Und ironiscl:i fiigte das Blatthinzu: <<Vierzig Jahre nach ,Ausbruch des zweiten Weltkrieges hat Hitler Britannien doch nocherobert.»62· '

, Seit jener Zeit. engagierte sich Duncan Alberthy in der , «Antifaschistischen Liga der Kriegsveteranen» und hielt seine

Buchhandlung sauber. Wiederholt, wurde er angefeindet, an" onyme .Aflnrl"er bedrohten ihn am Telefon,die recht~ Presse zog iiber ihD. her. Daran hatte er sich gewohnt. Seine Frau war seit Jahren tot; langsthatte er sich zur Ruhe setzen konnen. Docher hing an dem Laden, an den Biichern, an seinen Kun­den. Oft saB er bis spat in der N acht in seinemwinzigen Studio, nur durch eine' Glaswand yom Geschaftsraum getrennt, urn sich herum Stapel von Biichern, rauChteZigaretten und las. Denn schon rus junger Mann hatte er es sich zum Grundsatz gemacht, jedes Buch, das er zum Kauf anbot, vorher selbst ,zu1esen. ., ' . '.

Sohatteer auchan jenem Abei;Id im August 1987 in seinem . .' abgewetzten, bequemenLedersessel unter der Les~larilpe

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?esessen. Langer al,s g~wohnlich. Die stickige LUft machte , ~ das Atmen schwer, er spiirte einen unangenehmen Druck

III der Herzgegend und wuBte,. daB es sinnlos ware' zu Bett zu gehen. Er hatte ohnehin llicht sch1afen konnen. D~ kleine Fenster ~ Hof und das Oberlicht iiber clem Ladeneingang hatt~ er geoffnet. Doch die linde Zugluft brachte nur wenig Erfrischung. Es wat: still geworden auf der StraBe, nur selten noch sah DuncanAlberthyvor dem Schaufenster die Sehatten von Passanten vorbeihuschen.

Zu spater Stunde, .es W<II fast Mittemacht, horte er yom Hausflur her ungewohnte Gerausche.· DerBriefschlitz . im Korridor klapperte, etwas fielklatschend zuBoden, kk dar-' auf schlug die Klingel. an. Der Buchhandler sah hoch und lauschte. Dann erhober sich, machte ein paar unsichere Schritte. Die Beinprothese driiCkte. Wenn er lange gesessen ha!te, muBte er sich immer erst einlaufen. Das hatte sich seit fiDer 40 Jahren nicht geandert.· . .. ' 'Auf dem FuBboden :iIn Korridor lag em Kuvert. Der alte Mann offnete die W ohnungstiir, driickte auf den Schalter der Treppenbeleuchturig, doch es war niemand zu sehen. Die Zeit war zwar em biBchenungewohnlich, doch es kam ofter VOl'

daB Kunden ihm nam Ladensch1uB ihre Bestell~gen durch den Briefschlitz steckten.Er biickte, sich miihsam und hob den Umsch1agauf. Er fiihl,te sich dick an und war auffallend schwer. Das muBte' eine umfangreiche Wunschliste sein. Duncan Alberthy ging zufrieden zuriick in sein Studio, kramte unter etlichen Papieren den BnefOffner hervor und' wolltedie' nachtliche Post aufschlitzen.hn selben .Moment erschiitterte eine Explosion das kleine Biiro. ' . , Aufgesclrreckte Nachbam alarmierten' die Polizei. Die Beamtenfanden die Leichevon Duncan Alberthy. Er lag leicht ~arnmengekriimmt auf dem FuBboden. Pulverdampf hing m der Luft. Der Tote hatte Verbrennungen an der linken' Hand. Der Umsch1ag war total zerfetzt undversengt, selbst

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im. krimmaltechcischen Labor konnte man keinen Absender · entziffem. · Anschlage diesel' Art schienen wieder Mode geworden zu

sein bei einigen der neofaschistischen Groppen in GroBbritan­nien der 80er Jahre. lIn Mai 1987 hatte eine Briefbombe in einem Lo1J.doner Buro der sowjetische1J. Fluggesellschaft Aeroflot ZUlli. Gluck nur Sachschaden angerichtet. Ein paar Monate zuvpr, in der Silvestemacht; detonierte in Geschafts-

· raumen der KP im Stadtteil Spitalfields, in dem Tausende Einwanderer'- in dieser Gegend kamen sie hauptsiichlich aus

· Bangladesh - in uberfiillt_en slumwohnungen leben muBten, · eine H611emnaschine, die in einem Packchen versteckt war. In heiden Fiillen bekanhte sich der.neonazistische StoBtrupp .«SS Wotan 18» zu den Attentaten.63

Bereits vorrund 10 Jahren waren Gewerk~chaftsfiihrer, Funktionare des Zentralkonlitees der Kommunistischen Partei und ein in der ~<Anti"Nazi.-Liga» aktiver indischer Busfahrer in London das Ziel von Sprengstoffanschlagen gewesen. Damals war als Absender der Briefbomben eine neonitzisfische Gnippe angegeben, die'sich «Column 88» nannte.64

Ob «Column 88» {Kolonne 88 - wobei die Ziffem auch mer offenbar als SynOI!ym fUr HH oder Heil Hitler gedacht waren}; «SS' Wotan 18», «Gesellschaft zur Reinhaltung der Rasse», «British National Party», «National Socialist Party>~. «League of St.George», «World Anti-Coinmunist League», «British Movement» oder wi.e die zentralen und regionalen neofaschi­stischenfOrgailisationen und Groppen noch hellien, sie alle stehenoffen oder verde"ckt mit der einfluBreichsten Neonazi­bewegung in GroBbritannien, cler «National Front», in Ver~ bindung, die 1967 durch denZusammenschluB der «Britischen

'. Nationalpartei» undder «Liga der Empire-Loyalisten» ent- . stariden war. . - Die «National Front» veranstaltete provokatorische Mar­

sche und Kundgebungen, die gew6hnlich mit groBen Krawal-

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len endeten.·So u. a im August 1977, als mehrere 1000Poli­zjsten aufgeboten wurden, um einen Aufmarsch dieser neo­faschistischen Organisation im Londoner Stadtteil Lewisham Zllschutzen. Die pi.'ovokatorische Zusam:menrottung der ein­gefleischten Rassenfanatiker ausgetechnet in jenem Bezirk cler Hauptstadt; der eine besonders hohe Konzentration far­niger Biirger aufweist; fiihrte zu den bis dahin blutigsten Aus- . einandersetzungen in der britischen N achkriegsgeschichte. Die braunen Schlager; an derSpitze der damalige «FUhrer» John Tyndall, ein Schiiler des britischen Altfaschisten Oswald 'Mosley, in SA-iihnlicher Uniform, verwandelten die StraBen in ein Schlachtfeld. Der demonstrative Schutz der Londoner Polizei fUr die «National Front« 16ste in der Offentlichkeit Verbitterung und Emp6rung aus.Die meisten der Verletzten und der von den Sicherheitskraften Festgeno~enen waren antifaschistische Gegendemonstranten. .

Zwei Jahre spater, am 23. April 1979, kam es zurtoch schwe­reren ZwischenfaJIen. Diesmal hatten die Neonazis den Lon­donerBezirk Southa.ll, der ebeiIfalls-hauptsachlichvonfarbigen Einwariderem bewohnt w:urde, ausgewiihlt. Auf Plakatetr und . Transparenten propagiertedie NF ihre Hauptlosungen im: Wahlkampf: «Nieder mit dem Kommunismus! Repatriierung allernichtangelsachsischen Einwanderer! A!lstritt GroBbritan- -niens aus der EG! Gegen Rassenvermischung! Fiir verstarkten Tierschutz!» -

. Die Polizeikommandos gingen auch mer vor.allem gegen jene vor, die gegen diese emeute Provokation der Neoilazis protestierten. Es gab 40 ZUlli. Teil Schwerverietzte,rund 300 Personen wurden festgenommen.Der 33jiihrige Lehrer Blair Peach blieb tot auf qem Pflasterliegen.65 '

Aggressive Auslanderfeindlichkeit unter Hetzparolen wie «Raus rnit den Schwarzen!» und «Brifannien fUr die Briten~» si~herten der. NF nicht zuletzt unter arbeitslosen jung€m Leuten zahlreiche Anhanger. '"

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Weit iiber 3 Millionen der rund 56 Millionen Einwohner auf dednsel sind -farbige EinwandereraiIs den Lfuldern des Commonwealth. Uber 40 Prozent von ihllen wurden im Ver- . einigten Konigreich geboren. Thre Eltern. oder GroBeltem hatte man aus ~ien, Afrika und Westindien als billige Arbeitskrafte nach Europa geholt. Sie sind britische Staats­biirger und haben nach den Buchstaben des Gesetzes auch als. NichtweiBe dieselbenRechte wie alle Biirger GroBbritanniens, Und das vom britischen Parlament schon vor vieltmJ~en verabschiedete «Race Relations Act» verbietet ausdriicklich Rassenhetze in Wort und Schrift.

Doch spateste.ns seit GroBbritaIJIrien urn 1968/69 verstatkt unter der zyklischen Wirtschaftskrise zu leiden begann, lenkten neofaschistische, nationalistische und paramilitarische Organi­

. sationen und Bewegungen des Inselstaaies den HaB der un­zufriedenen Bevolkerung - vor allem der Jugend - mit einigem Erfolg gegen den <<farbigen Abschaurn~, der, den Alteingeseso

, senen/die Jobs, die Wohnungen und die Wohlfahrtsleistungen stehle.

In der «National Fronl» kam esin jener Zeit zu Fliigel­kfunpfen .. Die einen forderten eine Eskalationder StraBen­schlachten un<i TerrOranSchlage, die anderen wollten das Image der NF aufpolieren, den neonazistischen Kern iiber­tiinchen, die Partei' «gesellschaftsfahig» machen. Wiihrend­dessen gewann eine' urspriingnch kleine paramilitarische Gruppe, . die inzwischeri· beriichtigte «British Movement», schnellEinfluB unter jungen Leuten, denen der gewalWitige, offeri faschistische und chauvinistischeCharakter dieser Orga­nisation imponierte. Die meisten Mitglieder der «British Move- . ment» sindarbeitslos. Derausgebildete Lehrer Nick Wright, seitJahren Sozialhelfer in einemder 1.on,doner Elendsvierte~ auBerte sich iiberdie Motivationen der im 'rechten Lager gelandetenJugendlichem «Die Banden der. ·<British Move-

. ment> bieten den haltlosen jungen LeutetJ.,was UIisere Gesell-

i64

Nick Wright~ SozialhelJer und Arbeiteifotograf in London, ' mit seiner Familie

.' swaft ihnen nicht gibt, eine Art von Gemeinschaft; so etwas wie Geborgeillleit. Besonde'rs die Madchen und Jungen mit geringer Bildung,ohne politisches Wissen, fiihlen sich wohl und anerkannt in den Krawall- und Schlagertrupps. Dort sind sie wer, stark,geschatzt, haben sie· Erfolgserlebmsse. Dort finden sie Ventile fur dieW ut auf ihren oden Alltag, der aus Schlangestehen aufStempelstellen undHerumlungern auf der StraBe besteht. Dort kann sich der auszeichnen, glifuzen, . bewahre~ den sonst keiner braucht - durch erfolgreiche Jagd. auf Farblge ZlI!:fl Beispiel. Denn die sinq. ja angeblich an dem El<,!nd, an der Odnis schuld; weil sie den fur Hohenis Gebore­nen die Platze streitig machen. ,<WeiBe Rasse, groBe Klasse!>, (Schwarz und kraus, schmeiBt sie raus!> Solche und ahnliche rassistische Parolen kQmmen an bei Jugendlichen, werden willig 'aufgenommen von denen, die Zu kurz gekommen sind-

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, Ohne Zukunftsaus­sichten - im rechten Lqger gelandet ,

und die U rsachen ihres miserablen Daseins nicht sehen. Die < Blacks> - das sind diesichtbaren PriigelMiaben, die Siinden­boeke. Gegen s}e richten die Neonazis ihren todlichen HaS. DierassiStischen Banditen stecken mit Benzingetriinkt¢ Lum-

- pen in die BriefschlitZe der W ohnungstiiren von Briten asiati­scher, afrikanischer oder westindischer Herkunft undziinden sie an. Sie lauerIJ. ihren Opfem in der Dunkelheitauf und schla­gen sie zusammen. Moroe sind nicht selten; Der junge Arbeiter Miarn Azim Khan aus Bangladesh z. B. wurde in'l Londoner Stadttel1 Wandsworth arn hellichten Tageumgebracht. Man fand seinen Leichnani auf einem Spielplatz. Dreizehn junge Farbige, einige von ilinen noch halbe ~der, starben in einer Massenunterkunft in Lewisharn, Siidlondon, als Mitglieder der <British Movement> in dem Haus Brandsajze legten und an mehrer~n Stellen Feuer ausbr.ach.»66 ',,'

«White Power» (WeiJ3e Macht) ist der Schlachtruf der

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«Erfolgserlelmisse» bei Krawallen und Schliigereiin

«British Movement»-Banden, in denen auffallend viele SkiJ!heads mitmachen.Diese 14- bis 18jiihrigen stammen meist aus zerriitteten Farriilienverhii.ltnissen; von 'Eltetn; die eben­faIls schon auf der untersten Stufe der sozialen Treppe hangen­geblieben sind, die - wenn tiberhaupt - Gelegenheitsjobs mit geringeIp. Lohn ergatteinkonnten,' oftmals in'l Alkohol

. Trost suchen, also zu jenen Kreisen gehoren, die ein «standes­bewuBter Englander» abfallig als «white' trash» (weiBen Al:>-fall) bezeiclmet. . ,

\rielen dieser jungen :Leutegeniigt es nicht mehr, ihr Gefiihl

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Brandanschlng auf Treffpunkt farbiger Einwohner , in London-Bmton

der Nutzlosigkeit, der Emiedrigung, ihren HaB an StraBen­ecken und in Parks, in Kellerklubs oder auhlen Rangen der .FuBballstadiert abzureagieren. Die «British Movement» gab ihrten nicht nur ein· vages Empfinden von Solidaritat und Zusarnmengehorigkeit, von Starke und Macht in der Clique. Von den Anfuhrem wurde ,ihnen zugleich klargemacht, daB sie jemand waren, der Respekt verlangen konne, daB es

. welche gabe, die noch weniger galten als sie, denen es noch dreckiger ginge ~ ihnen, auf denen sie herumtrampeln kOIlJJ.tert: die Farbigen. Und so genossen sie die <<weiBe Macht», pu~schten sich gegenseitig aufund zeigtenes den heigelaufe;­nen «BJ,acks», wer im Lande das Sagen }latte.,

,Wie viele UberfaIle auf ihr Konto kommen, weist keine Statistik aus. 1m Gedachtnis blieben spektakulare Aktionen wie der Anschlag auf den «George Pub», ein beliebtes Lokal farbiger Einwohner in London-Brixton: Die Raumlichkeiten­brannten total aus. Wer das Feuer gelegt hatte, konnte angeb­lichnicht festgestellt werden. Doch Spuren Wiesen in das

. Lager de~ «British Movement», dcrren Mitglieder kurze Zeit vorher mit Farbsprays auf Mauem und an Hauserwande Totenkopfe gespriiht hatten. Dazu dieWorte: «Wogs- himt endlich ab!» und «Totet die schwarzen Bastarde!» «<W ogs» gilt in GroBbritamiien als eines der beleidigendsten Schimpf-worte fUr Farbige.) " - .

Ubrigens, wie unsinnig und demagogisch die Behauptung der Rassisten ist, die Farbigen ~den den WeiBen die Arbeits- . platze wegnehmen, lieB sich in diesem Londoner St~dtteil iiberzeugend nachweisen. Dazu noch eirurtal c:ier Sozialhelfer Nick Wright: «In Brixton sind nahe~ 70 Prozent der schwarzen Madchen undJungen imAlter von 16 bis 19 Jahren arbeitslos.Je dunkIer die Haut, urn so geringerdie Chancen, desto schwarzer die Zukunft.» .

Rasseu- und AuslanderhaB vergifteten in GroBbritah­nien - wie spater a'\lch in der BRD und in anderen Landem auf dem westeuropiiischen Kontinent - schon friihzeitig ~uch,

. die Atmosphare in den FuBballstadien. Massenschlagereien und Krawalle - insze:p.iert von Skinheads, der «British Movement» oder Anhangem der «Young National Front», der N achwvchsorgaqisation der NF - gehoren nicht nur in London zum Alltag. In W olverhampton in Mittelengland, wo ebenfalls viele farbige Einwanderer leben, kam es bei einem Freundschaftsspiel gegen eine Mannschaft aus Marokko zu Tatlichkeiten; die sich steigerten, als die einheimische Mann­schaft 0:2 zuriicklag. Nach dem Spiel zogen am nellichten Tag Horden neofaschistisch verhetzter junger Leute durch die' Stadt, einige trugen die Kluft. des Ku-Klux-Klan; andere 'schwenkten Hakenkreuzfahrten. Die Po1izei schritt erst ein .

. und nahm einige der Randaliererfest, nachdemsie sieben farbige Jugendliche zusaJ.1lI11engeschlagen hatten.B7 ..;Beim Landerspiel Schottland gegen England im Mai 1985

in Glasgow verteilten junge Leute Fluglilatter mit diffarnieren­. den Schottenwitzen. Spater provozierten sieunter den 66 000

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Zuschauem tatliche Auseiruuidersetzungen. Sie schwenkten Fahnen mit· dem Keltenkreuz auf schwarzem. Grund, dem ' Erkennungszeichen der rechtsextremen ~d rassistischen Anhangerder «National Front», Auch unter den Schlachten­bummlem aus Liverpo~l befanden sich beim FuBball-Europa­pokalspiel im Heysel-Stadion in Briisse~ das bekanntlich mit einer Katastrophe endete, neonazistische Elemente, die die Stimmung anheizten. Nach den blutigen Ausschreitungen und dem Einsturz einer Zuschauertribiine, als Feuerwehr und RettungswageIi Verletzte und Totegeborgen hatten; auBerte Liverpools Top-Manager John Smith betroffen: «Die haben das Desaster· vorgeplant und ausgelost Mit Sport hat das niehts mehr'zu tun.» Am nachsten Tag, heimgekehrt nach GroBbritanmen, torkelten die NF-Schlageraus demSonderzug. . und grolten: «We killed them, we killed them!»68

Der FuBballkhib Liverpool hat sich von den neofaschisti­schen Gewalttatem und Krakeelem energisch distanziert und gerichtliche Schritte gegen den MiBbrauch seines Vereins­namens eingeleitet. Anzeigen erstattetert el?eIifalls die Anwiilte der Birminghamer Klubs «Aston Villa» und «Citp). Sie legten dem Gericht Aufkleber der«N ational Front» mit neofaschisti­schen Parolen vor, die zugleich mit den Emblemen der FuB­ballklubs versehen waren. Denis Howells, Abgeordneter der Labour Party, ehemaliger Minister ffu Sport in GroBbritan­men, fordeite ein schiirferes gesetzliches V orgehen gegen das

'Umsichgreifen der<<neofaschistischen Pest» bei ,FuBball­veranstaltungen. Howells bezog sich besonders auf ein Spiel Zwischen Birmingham City und einer Mannschaft aus Leeds. Schon bei der AIifahrt hatten Leedsanhanger in den Bussen die Anne zum HitlergruB ausgestrecktund seien mit «Sieg ;Heil»-Rufen auf den Plati gestfumt. Bei den anschlieBenden

, Krawallen war ein 15jiihriger JUnge urns Leben gekommen. Mehr als 200 Zuschauer und zahl;reiche Polizisten erlitten. Verletzungen.69

( ,

A.I1,onyme Geldspenden aus der Hochfinanz

Besonders, iIifam war eine KiLmpagne. der «National Front», . mit der sie gezielt im Londoner East End sowie in anderen Armuts- und Elendsvierteln GroBbritanniens weiBe Schiller

· zum Mordterror gegen farbige Lehrer anstachelten. Die NeD­, faschisten appellierten dabei an die niedrigsten Instinkte der iiberwiegend ungebildeten und aus asozialen Verhiiltnissen kommenden Halbwiichsigen, denen ohnehinjeder Studierte -om so mehr, wenn es.sich urneinenfarbigen «Untermenschen» handelte - verhaBt war. Hinzu karn, daB nach dem Selbst­verstandnis der «National Front» jeder, der nicht so'dachte wie sie, als «Roter», als Feindgalt. AuCh das versuchten die Neofaschisten den Schillem einzutrlehtem.

Uberall tauchten Flugzettel auf. In saloppem Ton wurden -die «kids» animiert, die «oberschlauen Krauskopfe» eiIifach zu boykottieren.«Schickt sie zuriick in den Urwald! LaBt euch nicht von Halbaffenschikanieren. Thr seid die weiBe Macht!»

,Gleichzeitig wurden an den Schulen 100 000 Broschiiren ~t dem Titel «Wiewerden rote~hrer hekiimpft» verbreitet. Auch an einigen Universitaten kursierten Pamphlete, in denen ' <<IDarxistisch infiltrierten Elementen» des Lehrkorpers em

· unversohnlicher Kampf angesagt wurde. Die Zeitschrift «Bulldog», das J ugendmagazin der«N ationalFront», veroff'ent­lichte «schwarze Listen» mit den Namen, Adressen, Telefon~ riummem und Fotos farbiger und· fortschrittlich eingestellter weiBer Piidagogen. Diese Anzeigen waren in Wildwestrnanier poppig aufgemacht wie Plakate mit 'den Steckbriefen von

· Schwerverbrechem: «WANTED ... » (gesuchtwird). Solche Kampagnen wie auch eine schon friiher, miteiner

4.uflage von 350 OOOExemplarenhergestellte und verbn!itete Hetzschrift de.s britischen Neonazi«i'iihrers» Enoch Powell, in d,er gefordert wird, alle Farbigen aus dem Lande zu jagen, «Uin eine Tragodie und Katastrophe zu vermeiden», kosten - '

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Geld,viel Geld. Woher nun solCheenonnen Summen zur Forderung und Unter,;tiitzuilg neofaschistischer und paramili­ti.i.rischer Bewegungen sta.nunen, wurde in GroBbritannien deutlicher als in anderen westeuropruschen Staaten..

hn Hintergtund der schwarzbraunen Szene agiert seit iiber 1O.Jahr~n ein KonsortiuineinfluBreicher Herren - maBgeb­liche Vertreter biitischer Monopole undBanken, MiliUirs und. Parlamentsabgeordnete, die d,er«National Association for Freedom» (NAFF - Nationale Vereinigung fUr Freiheit) an-

'. gehoren. Die Mitglieder arbeiten, einem Geheimbund abnlich, . mit falschen N amen unci Deckadressen. TIrren Satzungen

gemaB setzt sich die NAFF vor allem fUr die Bekampfurig des Kommunismus unci der Gewerkschaften ein. Aber auch fUr die Unterstiitzung der Regierungen Siidafrikas und artderer Rassistenregimes, fUr die ErhOhung der Riistungsausgaben in GroBbritannien bei gleichzeitiger Senkung des Sozialbudgets, fUr die Unverletzlichkeit des PrivateigenturnS und gegen die sowjetische lnitiativezur Verschrottuhg aller Atomwaffen bis zumJ~2000., . . . ' . Durch geheime Kanale flieBen von der«National Associa­tion for Freedom» und aus weiteren dunklen Quellen betracht­liche Finanzmittel in. die Kassen der «National Front», des «British Movement» und der vieltm anderen neofaschistischen 'und pararniliti.i.rischen Bewegungen ~ Lande; Als intimer Kenner der Verhaltnisse schrieb der britische Publizist Gordon Schaffer in diesem Zusarrimenhang; «Es gibt hierzulande kein Mangel an Geld - fUr faschistische' Aktivitiiten und Pro­paganda . .so bestehen Verbindungen finanzieller und person­licher Art zwischen der <National Front>, der <Nationalen Vereinigung fUr Freiheit> (National Association for Freedom) und dem<Montags-:K1ub> (Monday Club). Hierhandelt es sich urn eine Gruppierungdes rechten Fliigels der ,regierenden Konservativen P<!rlei der Margaret Thatcher. Die <Nationale Vereinigung fUr Freiheit> beispielsweise finanzierte inzahl-

. .'

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reichen Fiillen den Kampf gegen streikende Arbeiter in der . Metall- und der Bergbauindustrie. Beim Streik der Grunwick~ Arbeiter trug. sie die beachtlichen Gerichtskosten, urn den Schiedsspruch eines Tribunals zugunsten der Gewerkschaft anzufechten. Erinnert sei in diesem Zusarnmenhang daran,

. daB es kurz nach dem zweiten Weltkrieg in England einen Korruptionsskandal gab, in den Parlamentsabgeordnete, rechte Gewerkschaftsfiihrer und Finanzleute aus der City ver" wickelt waren. Einer von diesen erklarte dem Tribunal, das den Skandal untersuchte: <Ich kann jede Surnme Geld fUr den Kampf gegen den Kommunismus bekommen.> Und das gilt auch heute noch, denn profaschistische Kampagnen gehen einher mit Antikommunismus und den bosartigen Beschimp­fungen der Sowjetunion und anderer sozialistischer Liin­

. der.»70 Gordon Schaffer verwies auf die Memoiren von Fritz

Thyssen, dessen Buch «1ch bezahlte Hitler»(I paid Hitler) auch in Gro13britannien erschien. Darin heiBt es u. a.: «Am

I 27. J anuar 1932 hielt Hitler v:or dem Industrie-Klub in Diissel­dorf eine zweieinhalbstiindige Rede. Die Rede m~chte einen tiefen Eindruck auf die versarnmeltenIndustriellen, und im Ergebms flossen aus de~ Mitteln der Schwerindustrie hohe

- Betrage in die Kassen der N azipartei.» . W enn das britische V olk den neofaschistischen Anfangen nicht entsGhlossen wehre, werde es vor def Geschichte keine. Entschuldigung dafiir haben, denn es sei hinreichend gewarnt, meinte der britische Publizist abschlieB~nd.

Der Hinweisauf Parallelenzwischen Hiders Aufstieg und . den gefahrlichen Umtrieben von Leuten wie John Tyndall .. (der 1985 starb), Martin Webbster, Enoch Powell oder ande­

'renfiihrendenNeofaschistenin GroBbritanruenmagmanchem -'AuBenstehendeh iibertrieben erscheinen. Doch ein Mann, der

als aufmerksamer. und engagierter Zeitgenosse im Lande . 1ebt, kann das geWiB' besser beurteilen.Denntrotz der seit ..

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jeher betonten freiheitlich~demokratischen Traditionen, der Briten, trotz ihrer bitteren Erlahningen mit den deutschen Faschisten im zweitenWeltkrieg, ist auell dies Tatsache: Zahl­reiche neofaschistisChe Organisationenunterhalten enge Ver­bindungen zum Kontinent. So u. a. die ~<Column 88», die «League of St. George» und die «National Front». A~ Kon­gressenbritischer N eofaschistensah man wiederholt «deutsche, Kameraden» ails der B,RD, wie z/B. den Rechtsanwalt Manfred Roder. Der Neonazist aus Bensheim sprachu. a. 1977 auf Meetings der «National Front» in Stoke und London.

Im Dezember 1971 hatte daS ehemalige CDU~Mitglied die «Deutsche Biirgerinitiative» (DBI) gegriindet, die aufgrund ' ihrer Satzung von den Finanzbehordell in Damistadt den

, Status der Gemeinniitzigkeit zuerkannt erhielt. Die DBI wandte sich vor allem gege~ die «Kriegsschuld- und Ver­gasungsliige». ImNovemberl973lJI1d im Marz 1974 «stiirmte» Roder mit mehreren Gefolgsleuten in Mannheim und West­berlin, polnische Aus~tellungen iiber, das Konientrations­lager Auschwitz und provozierte das Personal, sowie andere Besucher durch diffamierende AuBerungen. Auf einem neo­faschistischen «Reichstag zu Regensburg», an dem auch eine Abordnung der britischen «National Front» teilnahm, ver-, herrlichte Roder im Mai 1977 das Hiderregimeund verteilte NS-Propagandamaterial:Als sich Manfred Roder im Februar 1978' demAntriU seiner yom Flensburger Landgericht ver- , hiingten Freiheitsstrafe durch Flucht ins Ausland entzog,reiste 'er mil: einem falschenPaB in GroBbritannien·'ein, wo er bei dem britischen Neofaschisten Rod Roberts UnterSchlupf· fand.71 .

Im Herbst 1980 gewahrte die «League of St. George» dem an neofasclristischen Gewaltakten in der BRD, Italien, Belgien und Frankrtiich beteiligten Willi Krause, einem Mitglied der damals noch nieht verbotenen «WehrSportgruppe Hoffmann»,

. Schutz VOT den N achforschungen von Int~rpol.72'

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, Umgekehrtuntersrutzten britische Neonazis eifrig .den Wahlkampfder NPD in Hamburg undNi~dersachsen. So reisten ,im Herbst ,19862 fiihrende' NF-Funktionare' in die Hansestadt und traten als «Ehrengaste~aus GroBbritannien» bei mehreren Wahlversarnmlungen auf.73 EslieBen sich zahI­re~che weitere Beispiele fur die enge Vedlechtung neofaschi­stischer Bewegungen in GroBbritannien und der BRD hinzu­fiigen.

Riickschliisse -auf das politische Klima der sozial· besser gestellten Kreise, nicht nur der britischen Gesellschaft, ver­mittelte eine Korrespondenz der .«Neuen Ziircher Zeitung». vom 6.Juni 1985. Das angesehene Blattberichtete aus London korrunentarlos ii~et eine spektakulare Versteigerung von· Gegenstanden aus der Zeit ,des «DrittenReichs» und des zweiten Weltkriegs. Da,bei hatten Sammler fur N azisouvenirs . Hochstpreise gezahlt. Die Gegenstande stammten ails einem privaten KriegsmuSeum, dasschlieBen mufite, da die Stadt­verwaltung das ihr gehorende Grundstiick selbst benotigte. Eine Wachsfigur, von Hitler. in voller Uniform wurde von einem Schweizer, der anonym bleiben wollte, fur 700 Pfund Sterling (rund 2600 Franken) gekauft. Fiir Wachsfiguren von .. Himmler, HeB und Goring blatterten einheimischeInteressen­ten 600bis 650 Pfund auf den Tisch, w1i.hrend fur Churchill, Stalin und Roosevelt kaum 100 Pfund geboten wurden. . .',

Einen Rekordpreisvon 34000 Pfund erzielte ein Kampf­flugzeug der Naziluftwaffe yom Typ «Messerschmitb>. Erne britische «Spitfire» wurde fur 30 000 Pfund gek:uft. Beide

. Maschinen seien· fluguntauglich. Unter den, Nazisouvenirs befanden sich auch mehrere P6rtrats, und Biisten Hiders so­wie zwei Lampen aus Bronze, die die Form einesAdlers hatten, der in seinenKlauen einHake~uzh1i.lt. Die Lampe stammte angeblich aus HitIers «Adlemest» in Berchtesgac:fen. ' . Und auch die folgende Meldung aus Liverpoolcharakteric .

siert die ~ituation, Ungehindert konnte in der britischen

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, /

Haf~nstadt die regionale neofasehistische Organisation «Na­tionalsozialistisehe Partei des Vereinigten Koiligreiches»

.' (NSPUK) Propaganda> und Het~chriften verteilen. So aueh Flugblatter, auf denen geforderl wurde, den «Negern; Juden und Marxisten ihre :verdammten Schadel, e~s~a~~». Proteste aus der Bevblkerung, so von der «AntI-Nazt-Lrga», bewogen weder Polizei .noch Justiz zum Eingreifen. Erst als NSPUK-Mitglieder Hauser und Bollwerke . am Hafen mit Makenkreuzen und anderen Nazisymbolen sowie rassistischen 'parolen beschmierten; wurde'der «Fiilrrer» der Liverpooler Neofaschisten, ein Mister Usher, festgenoIilIilen und zueiner Geld~trafe . verurteilt: wegt:;n Besehadigung fremden Eigen­turns.'

Flitterwochen un «Nazikonzentrationslager» ,

rn den' 70er Jahren, als Westeuropa im Hinblick auf Hitler und die Verbreehen der Nazis von einerNostalgiewelle tiber­seh~emmt wurde, als gleich versehiedene .Versionen ,ver-

-kitschter Romanzen urn dali Soldatenliebehen Lili Marleen tiber die Bildschirme flirinnerten, als in den Kinos Luftkarnpfe britischer und nazideutscher 1 agdflieger tiber dem Kanalwie . in das 20.Jahrhundert verlegte edle Ritterspieleausgetragen wurden und der «Fiilrrer» in dicken' Btichern, die Bestseller wurden, J\uferstehung feierte als eine groBe Personliehkeit mit tragischem Schicksal - darnals lief in den Filmtheatem GroBbritanniens, Italiens, del' BRD'und anderer Lander mit groBem Erfolg ein Streifen, dessen Handlungweitgehend in einem Konzentrationslager angesiedelt worden war. ,

Der aufmerksame Leser' erinnert sieh indiesem Zusammen­hang gewiB anBiuno Apitz' unvergessenes Buch «Nackt unter . Wolfen»,·daS inerregenden Szenen von intemationaler Soli­daritat der Haftlinge im KZ Buchenwald, von wem opfer-

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vallen, Kampf urn die Rettung des Lebens eines jtidisehe~, Jungen erzahlt, Nach dieser literarisehen Vorlage entstand schon Anfang der 60er Jahre ein DEFA-Filrn, del' international Beachtung fand. Doeh mit so einem Anliegen hatte der oben­genannte Streifen nichts zu tun. . ,

Der von einem iIiternationalen Konsortiurn finanzierte und von einer italienischen Regisseurin gedrehte Film erhielt den deutsehen Titel «Der Nachtportier». J?ie Hauptrolle hatte der iricht nur in seiner Heimat populare britische Schauspieler Dirk Bogarde tibernommen. Er spielte einen ehemaligen SS­Arzt in einem N azikonzentrationslager, der nach dE!m Krieg , unter falschem Namen als N achtpoJiier ~ einem Luxushotel -einer westliehen GroBstadt untergetaucht war, ohne. jedoch innerlich Rube zu finden. Die Vergangenheit holte ilm immer wieder ein. Der Film lebte weitgehend von Rtickblenden.

Dnd so letnte der Zusehauer ansehaulich die Verhaltnisse in einem Konzen:trationslager der N~it kenne:ri. Da schien meistens die Sonne, und wenn es wirklichnial regnete, .dann Iiefen die weiblichen Haftlinge. tuschelnd 'und kichernd wie Zoglinge eines besseren Madehenpensionatsins Freie, einige rissen sich die Klll.]llotten vom Leib und reckten ihre nackten Briiste dem kostbaren NaB entgegen. Die W achmanrtsch~en der SS - bis auf ein paar Finsterlinge alles mitte Kerle - hatten nichts weiter im Sinn, als mit den aus fast allen Landern Euro­pas frei Haus gelieferten Madehen ins Bett zu kommen. Wenn' es nicht anders ging,aueh mit Gewalt. Der SS-Arzt verguckte sich -wie konnte es anders sein - natiirlieh in eine schondtidin, die ilrnzu seinemKurnmer jedoeh links liegenlieB. Glaubte:· man diesem Filmschmarren, so waren die Konzehtrationslager in erster Hinsicht em Treffpunkt von sexbesessenen NeUfo­tikern, ein Turnmelplatz fUr Homosexuelle und Lesbierinnen; SadiSten und Masoehisten, diestandig irgendwelche Orgien zelebrierten. Sex in allen Abarten und Gewalt - darauf redu- '

. zierte sich in diesem Film nazistiseher Ungeist. Lebensgefahr ' , .

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entst~d eig~ntlichnur dqrch die Intrigen einer eiferstichtigen, versauerten SS-Aufseherinund dillch den strengen Komman­danten, der impotent warund fiir die perversen Neigungen seines Lagerarztes kein Verstfuidt$ hatte. Und so hatte alles fast noch ein,boses Ende genomInen.

N atiirlich timchte nmi in1 Hotel des N achtportiers eines Tages nieinand anderes als die schone Jiidin auf. Und alles begann von yom. Sie hatten sich ja schon damals im Konzen­trationslager geliebt und gehaBt, nur dieSIllal nahm es mit den beiden wirklich ein schlim:rlles Ende. '

, EtW;a zeitgleich mit dem«N achtportier» startete ein renom­miertes westliches Filmverleihuntemehmen weltWeit einen Schinken ririt etlichen Weltstars in der Besetzungsliste, dessen Titel etwa lautete:«Hitler ...: die letzten zehnTage». Ersparen wir uns hier Einzelheitendieser verkliirten RUhrstc;ny urn den «armen FUhrer» und dessen Geliebte Eva BraUn. Bemerkens­wert an diesem Filnl war allenfalls, daB leider ein Mann wie ' Sir Alec Guinnes die' Hauptrolle spielte. Hitler war eben «in»

in GroBbri.tannien, mehrals das, er war gesellschaftsfahig geworden. . ,

In. Westberlin und in der' BRD brachte man ebenfalls in jenen Jahren Impressionen aus der Nazizeit als Biihnen­.spektakel heraus. G~wissensnote des kleinen Mannes, Kom-

, munistenverfolgung, Folter der Gestapo und Judenvernich­tung ,als Revue. Nun hatten die Schopfer yon «Cabaret» tiber­zeugend bewiesen, daB man ein ernstes antifaschistisch~ hurnanesThema durchaus auch in emem Musical gestalten konnte. Die Revue urn' Hitler jedoch platscherte aur an der Oberflii.che und verharmloste den.Faschismus. SS-Uniformen' und Hakenkr~uze dienten lediglich a1sSt~age. Dafiir wim­melte es im Ballett nur so von «Blitztnadchen» mit wippen­den Briisten und lockertfm ReillverschluB am knielangell; hautengen Unifornrrock, und selbst der nicht prude Ham~, burger «Stem» sahAnlaB ziI der zweifelnden Frage: «W '

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Sex und Gewalt­j?aschismus 4/s Biihrien­

. spektakel ver~rmlost

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Netzstriimpje, StahUzelm und Hitler als Sex-­muffel -so schlimm kann es doch gar nicht gewesen sein!

, die N <!Zis wirklicn so sexy?» AIm:nche Machwerke wie diese' in'Westberlinproduzierte Revue liefen auch in GroBbritan- j

uien mit Erfolg. . Vor demHintergrund derart geschmackloser und makabrer

«kiinstlerischer Geschichtsbewaltigung» -' genauer: Verfal- . schung von Geschichte - und einer spiirbaren Faschisierung in einigen Bereichen des 6ffentlichen Lebens muB man wohl einordnen, was ansonsten geradezu unglaublich. scheint: Ein gewisserTomJenkins; Exfeldwebel der britischen Armee und Anhanger der «Nationq,l Front» aus Bristo~ pachtete Anfang der 80er Jahre in der sudenglischen Gra{sch~ Hampshire ein paar Hektar Land, 'urn daraufein «qriginal- . getreu nachgebautes Nazikonzentrationslager» zu errichten. Als Domizilf'iii- exzentrische Urlauber. Ja, das muB man zwei-mallesen! -

Ohne Miihe flilld er fUr sem Ptojekt 'willigeGeldgeber, und fi.ir' seine makabere Ferienunterkunfi genugend zahlungs~ kriiftige Kunden. Drei Tage «Urlaub» in primitiv ausgestat­teten Baracken ..:. so gab es nur Doppelstockbetten mit Stfoh­~iiCken als Matratzen - und bei karglicher Lagerkost wurden mit 30 Pfund Sterling. berechnet. Nach dem «Entlausen» bekam jeder Ank6mmlingin der Kleiderkanuner gestreifte . HiiftUngskleidung verpaBt Arbeitslose junge Manner ausder neofaschistischeri. Szene - bewaffnet· und in SS-Uniform' -bewachten das mit Stacheldrahturnzaunte Gelande; «Flucht­v~rsuche» wurden mit an «Gehirnwiische» erinnemden stren­gen VerhOren und mit· Durikelarrest geahndet. Besonders' beliebtes «Spiel» war eineArt Russisches Roulette. Wer ver­lor, wurqe von den Posten in den «Folterkeller», die «Gas­kammer» oder ins «Krematoriurn» eskortiert und kam nur wieder frei, wenn er - oder ein anderer Hiiftling - sich bereit eiklii{te, ein L6segeld' zu zahlen. Zur «Hafterleichterung» hestand zu bestimrnten Zeiten Gelegeriheit, in der Lager­kantine -zusat?:lich Lebensmittel und. alkoholische Getriirike

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, . . . . .

zu erwerben. Ein besonderer Reklamegag war die Aufforde­ning . all Brautpaare,sich ein -«unvergeBliches Erlebnis» zu verschaffen und einen ~il ihrer FlitteiWo'chen eingesperrt und hinter Stacheldraht.zu verbringen. NachAuskunft des «LagerkommaIldaIlte~» war die Nachfrage groB. ,

Um,sich juristisch abzusichern, hatte der clevere Exfeld­webel jeden Interessenten einPapier unterschreiben lassen. Mit seiner Unterschrift besHitigte, jeder «Haftling», daB er freiwillig gekOImnen sei und die «Lagerordnung» akzeptiere. Zugleich wurde eille Gebiihr erhoben undeine Mitgliedskarte ausgehandigt. Damit erhielt das Hunderttausende Opfer der N aziherrschaft verhohnende Untemehmen, Klubcharakter uneJ. den Status einer geschlossenenGe~ellschaft. ,

Ein Bericht der brltischen Tageszeitung «Daily Mirror» ,- machtemehr amiisiert als emp6rt auf diesen«Spleen» eines

ehemaligen Feldwebels aufmerksam. Andere biirgerliche Blatter sprachen lediglich voIieinbn <<fragwiirdigen Einfall», einer <<typisch englischen Marotte fUr niasochistisch Ver­arilagte» .14

,Verrater, velfaIlen der Feme

Vom Kiichenfenster aus ,sah di~ Frau das Polizeiauto ~ den , schmalen, Weg einbiegen, der zur Siedlung hinauffiihrte. Der letzte Teil der Strecke war noch imnier nicilt asphaltiert, ob­

_ woW der Biirgermeister auf, dem Meeting, vor den W ahle~ ~'fest'Versprochen'hatte,fUr Abhilfezu sorgen. Das hatte er bel " den vorfetzten Wahlen auch schon getan, aber so genau

durftemaIl das nicht nehmen. Hier oben am RaIlde der Stad~ nicht weit von der Miilldeponie, hausten vor allemdie Familien der Schwarzen in, windsehiefen Hiitten. Und die wenigen

, ,

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We~en, die sich hier - deutlicb -abgesetzt yom Ghetto der' Farbigen - niedergelassenund aus derben Balken Hauser ' gebaut hatten, die all 'den Kolonialstil der Unterkiinfte des Freilichtmuseums irn Old Sacramento Historic District erin­nerten, hatten keinen EinfluB irn Rathaus. Sie waren Tank~ stellenw1irter, Hilfskraft irn Supermarkt, Koffertrager auf derrt Bahnhof oder sonstwo'in Oroville.,. rund 100 Meilen nordlich ,von Sacramento, der Hauptsta.dt des USA~Bundesstaates J(alifornien -,. Gelegenheitsarbeiter. SiegehOrlenzum poor white trash (wortlich: anner weiBer Abfall) und machten nicht allzu viele Dollars' in der W oche. Die Armut -dieser WeiBeD:

, davon waren die «anstandigen~ und «tiichtigen» Biirger del' Stadt iiberzeugt, 'lageinzig und allein all deren Faulheit. Sie waren eben Abfall. Und deshalb wiirde die Zufahrt zu dieser Siedlung vermutlich auch in den n1ichsten 10 Jahren noch nicht befestigt werden, so daB maIl jedes Fahrzeug, das sich niiherte, schon von weitem all der Staubwolke erkennen konnte.

Im geraumigen Streifenwagen der Polizeistation herrschte, bedriickende Stille. Nur ab und zu tonte irn Lautsprecher die schnarrende Stimme des Diensthabenden der Leitstelle. Die Durchsagen waren, nicht fUr sie bestimmt. Sie hatten ihren Auf trag. Es War ein unaIlgenehmer Job. Der SergeaIlt hatte in nahezu 10 Die:t;lstjahren einiges erlebt, ibn konnte so leicht nichts mehraus der Ruhe bringen. Aber aufdiesen Weg hiitte er gem verzichtet ' - '

Richard Horn, 'dieserschmachtige, aufgeweckte B~che, der nom ausgesehen hatte wieein Kind, war tot. Gerade erst sechzehn war ergeworden wie sein Attester, Herb,Xmd alle hatten ibn Richie genannt. Herbund Richie waren Schul­freundegewesen. Freunde war vielleicht ein bill chen zuviel gesagt, sie gingen in dieselbe Klasse und kahnten sich seit vielen Jamen.' Eine ZeitlaIlg hatten sie irn Unterricht sogar nebeneinaIlder gesessen, und wer auf die Idee gekommen war,

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halberwachsenen Tochternach, besserware es, den Kerlzu~or aufzukniipferi, wUrde ein Geschaftsmann aus der Main Street fast zum Wahnsinn getrieben. Solche Anrufe wiederholtensich

. einen Monat lang jede N acht. ' , In diesen W ochen registrierte die Poliiei mehrere Anschlage

auf Schwarze. Sie alle waren in der Dunkelheit iiberfallen und zusarnmengeschiagen worden. Diese Hille hauften sich noch, als die Lokalpresse in reillerischer Aufinachung einen Bericht iiber die 15jahrige Schiilerin Susan Z. v.eroffentlichte, die auf dem Heirrlweg von einer Geburtstagsparty hinterriicks zu Boden gestoBen und vergewaltigtworden war. Zwischen den Zeilen lieB der Berichterstatter keinen Zweifel an der Ver~ mutung,daB der Verb~echer, den das ohnniachtige Opfer ' nicht habe erkennen konnen, im Ghetto zu suchen sei.

, Angst griff um sich ill Oroville, Unsicherheit. Nicht wenige Einwohnerder kleiIien Stadt im Norden Kaliforniens gerieten in Pogromstimmung. ,

Und dann standen eines Abends im Ghetto zwei Hiitten in . Hammen. Der FeuerscheiIi am Himmel war im ganzen Ort zu sehen. Nur Kleinkinder und Gebrechliche waren zu Hause. Die ineisten der Schwarzen saBen gerade j.n ihrerkleinen Kirche beim Gottesdient.In heller Aitfregung rannten sie hin- . aus zu den brennenden Hiitten. Schon nach wenigen Minuten traf die Feuerwehr ein, doch fUr zwei Geschwister, ein Mad-' .. chen und einJunge, anderthalb un~d dreiJahre al~k;inijede Hilfe zu spat,

, Der oder die Brandstifter konnten nicht ermittelt werden. DaB es Brand~tiftung war, .daran gabeskeinen Zweifel. M~ hatte Reste von Brandsatzen gefunden. Damals war del: Sergeant fUr einen' Moment ins Griibeln gekoJ?IIlen~ Hatte dieser Richie in der Schulemcht mal damitgeprahlt, er konne ~<Hollenmaschinen» bauen? Herb, sein Attester; hatte so eine Andel!tung gema<:ht, ~ber ibm war' es, ratsamer erschienen, sich da rauszuhalten. '

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Und nocheineandere, im Grunde nebensachliche Ge­schichte, die er fast vergessen hatte, erschien ibm 'damals,

, . zum~dest nachtriiglich,nicht uninteressant. 1m Sommer, zU' Be~ der Ferien, war er Richies Mutterbegegnet und hatte nach ihremJungen gefragt. Ach, der Richie, hatte sie ibm er­zlihlt - erst spater war ibm aufgefallen, daBsie einen Moment verlegen gewesen war ::-,dem gehe. es gut, der sei hiniiber zu Verwandten in die Coast Rangegefahren, zur Erholung. Der Sergeant WUBte es inzwischenbesser. Nicht in der Coast Range war Richie ill der fraglichen Zeit, sondern slidw~stlich . von Marysville auf einer ehemaligen Ranch in den Niederun­gendes Sacramento, wo ein paar verriickte Spinner aus der Umgebung .spaB an Kriegsspielen hatten. Der Sergeant wuBte das von seinem Schwager. Der war Vietnamkriegsc

veteran undPolizistwieer, aberinSacramentoJJbers W ochen­elide hatte dieser ofter einenJob als Ausbilder dieser Mochte-' gern-Heldenin~en ulkigen Uniformen iibernommen~ In dem

, Camp waren auch Leute aus Oroville gewesen, und an den kl~inen, ehrgeizigen Richie konnt~ sich sein Schwager genau ennnern. '

Aber weshalb hatte ibm die Frau das nicht gesagt? Weil erPolizist war? Sie lebten schlieBlich in eineni freien Land,

, in d~m jede~ tU4 und lassen konnte, was ibm gefie~ solange er 81ch an die Gesetze hielt, Und weder der Klan noch 'die «American Nazi' Party», die «Minutemen», die '«SS-Aktions­gruppe» in Michigan, der Verein «The Order» oder diese «Emanzipation unserer weillen Saat», die in Oroville in letzter

", Zeit fUr soviel Unruhe gesorgt hatte - keine der nahezu 2000 . mehr oder weniger braunen Organisationen, Gruppen, Ver-' bande in den USA war verboten. Jeder, der Lust dilzu hatte, konnte Qffentlich·in ,SkHemden mit Hakenkreuzarmbinden' herumlaufen oderin T-Shirts mit dem Aufdruck: «White.

, Power». In Virginia marschierte seit Jahren bei der traditio­nellen Parade zum amerikanisChen Nationalfeiertag ungehin-

, -

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Eine Sturmahteihtng der USA -Nazipartei hei einer Veranstaltung zum 200.Jahrestag der USA im Lafayette-Park von Washmgton

dert eine Hundertschaft in Nazikluftmit. Dashatte er selbst , . in der Zeitung gelesen. Weshalb sonte man das auch verbieten?

Der Sergeant sah dazu bei bestem Willen keinen Gl'UJid, und , er hielt sich fur einen gutenAmerikaner.

Jeder sonte seine Chance haben und auf seine Art selig werdenkonnen - daS war sein Grundsatz. Hauptsache, Recht und Ordnung wurden respektiert. Wenn jemand iiber die Strange schlug, wie jene 5 Killer in Seattle, driiben im B~des­staat Washington, die zur Nazibande «The Order» gehorten und etliche RaubiiberHille auf Schwarze und Juden -'- 2 hatten, sie sogar ennordet - auf dem Gewissen hatten, dann ~uB~e riatfulich dur~gegriffen werden~ Mord blieb Mord. Zu Jeweils 100 Jahren Haft waren die beiden Hauptangeklagten in

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Seattle im Februar 1986 verurteilt worden: Wenn es nach , ihm gegangen ware, hatten sie ruhig auf dem elektrischen

Stuhllanden konnen. ~ber im Bundesstaat Washington gab, es keine Todesstrafe mehr.

Der schwere Streifenwagen federte achzend durch Sch1ag­locher, Kies knirschte unter dendicken Reifenprofilen. Aber nicht nirr deshalb fuhr der Polizeianwiirter hinter dem Lenk­rad im SChneckentempo. Obwohl er neu im Dienst war, hatte er bald gespiirt, daB es sein Sergeant diesmaJ nicht eilig hatte,-'~ ans Ziel Z!l kommen.

Vergeblich versuchte der Sergeant, sich an Richies Gesicht ' zu erinnern, so \vie er es gekannt hatte. Er sah immer nur "

,diesen blutigen Klumpen vor sich. Die ganze Schadeldecke , hatte man ihm weggeschossen. Irgendwann muBte derJunge

beim BoB angerufen haben. Ein, zwei Tage nach dem Brand im Ghetto. Der Chef der Polizeibehorde 'personlich habe, ," Richie empfangen und sich mit ihm in seinem Dienstzimmer eingesch1ossen, hieB es. Genaues wuBtekeiner, offizien schon gar nicht. Aber auch die dicksten Poistertiiren sind durchliissig.' ,', , Zumindest unter dem Personal der Polizeistation war es bald, ' kein Gehe~' mehr, daB Richie ausgepackt hatte. Uber diesen mysteriosen Bund «EmanzipationunsererweiBen Saat» und dessen Siindenregister - auch der Brand iIfden Hiitten der Schwarzen sonte dazugehoren -, iiber einige Hinter-

. manner, Drahtzieher der Truppeo Wie es WeB, .waren dabei N amen gefallen von Honoratioren der Stadt, die man wirklich nur fliistem konnte., Ded,ergeant hatte sichrausgehalten a1.ts

, aijem, darnit war er bisher noch immer am besten gefahren. ' ' , Der Teufel mochte wissen, wasden Jungen dazu bewogen , hatte, sich auf so ein'fiskantes Spiel eiIlzulassen. Er war eben

erst 16, und in dem Alter-war man Iloch reich1ich naiv; das ',wuBteer von Herb, seinem Benget '

Dann'kam plotzlich diese VermiBtenanzeige; Uber Nacht war Richie verschWUfiden, ohne auch nur eine Zeile zu hinter-

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lassen. AIle 'Nachforschungen blieben erfolglos. SchlieBlich hatten sie sogar das FBI eingeschaltet. Als der Fall fast zu den Aktengelegtwerden sollte ~es verschwandenimmermal junge Leute auf Nimmerwiedersehen, aus den verschiedensten Griinden -, kam weser Anruf vo~ District Office. Und aus­gerechnet ihn hatte man bingeschickt.'

Sie fuhren nach Norden bis 'zur StraBe89, die urn den Lassen Peak herumfiihrte. Dieser 3187 m hohe Vulkan des Lassen Volcanic National Park war 1915 zum letzten Mal ausgebrochen. Reste geschmolzenen Gesteins konnte man

. noch iiberall erkennen. Teilweise waren die Hange mit diirftic gem Gestriipp bewachsen., Unter demBuschwerk, halb von Gertill bedeck-t, fanden AIigestellte des Nationalparks die Leiche. Richies Vater hatte, sie einwandfrei identifiziert und zugleich fun gebeten, der Mutter die Nachricht zU iiber-bringen. ,,' , " ' .

Die verhiirmte Frau stand schon am Gartentor. 1m Haus h6rte man die jiinge~n Geschwistersich streiten. Der Sergeant stieg aus. Er brauchte nichts.zu sagen. Die Frau wuBte auch so Bescheid. . .

Kann ich ihnsehen? fra'gte sie. ' . DerSergeant atmete tief durch. 'Besser rucht, Madam,

sagte er und guckte an ihr vorbei. Er wurde erschossen. Kein . schoner AIiblickfiir eine Frau. ' , Sie stand wieversteinert. Ihr Gesicht war starr, hart, ver­schlossen. Sicherlichhatte Richieihr alles erzahlt. Und wenn nicht alles, s~ doch Wichtiges.Sicherlich hatte sie versuch~ ihren jungen zuriickzUhalten. Abet welcher junge in clem Alter hOrte auf seine Mutter.

Dnd wer - Wissen Sie es schon? Ein paar Sek-unpen ,hielt, der Sergeant wem Blick stand, .

sah sie bedauemd an und zog die breiteil' Schultem ho~h. Er ahnte mehr, als er wuBte~ aber er wuBte auch mehr;'als

. er zu sagen bereit war.75

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Schlagzeilenfiir , '«Obersturmbannfiihrei»Collin

Das Schicksal des 16jahrigen Neofaschisten Richard Hom aus OrovUle/Kalifoinien ist leider kern All-snahmefall in den Ver: einigten Staatenvon Amerika. Es sind in den vergangeiien Jahren mehrere Beispiele bekanntgeworden, daB Menschen -meist aus unbefriedigenden sdzfalen VerhaItnissen - den Parolen von Neonazis auf den Leim gingen, sich zu Verbre­Chen anstiften lieBen, und das Unlleil, dassi{anrichteten, . I, '

offenbar nicht verkraften konnten. In ausweglos~r Lage sahen sie dann keint; andere, Moglichkeit, als ihr ~rsffirtes, sinn-los gewordenes Leben selbst Zu beenden. Vor allem in ihrer '~ ,Persontichkeit nochungefestigte junge Menschen Wurden-auf diese Weise wie Richie zugleich Gewalitater und Opfe'r der' neofaschistischen Bewegung.

In seinem Heimatort Charlotte im USA-Bundesstaat'" Michigan war Kenneth Wilsonals ein hoflicher und hilfsberei­ter junger Mann bekannt. N achbatn sagten von ihm, er sei

, ein (<forscher Benge~ ein netter Kerl» gewesen, Auch der Friseur, der Postbote und der GastWirt lieBen auf Kenneth

, nichts kommen. DaB er die Schwarzen nicht sonderlich leiden .' konnte, war nichts-Besonderes. So dachten viele WeiBe in der' kleinen Stadt. UnddaB erofter mal mit anderenin einerArt' Uniform herumlief, am linken Arm die Hak~nkreuzbinde, die Gruppe an den W ochenenden und manchmal auch nachts im nahen WaIdchen SchieBiibungen durchfiihrte; was war schon dabei? Sollten sich doch die Burschenauf ihre Weise vergniigen.

Aber als sich die Nachricht von dem schrecklichen Ver­brechen wie ein Lauffeuerin der Stadt verbreitete; reagierten " .

'einige derrechtschaffenen BUrger bestiirzt. Das hatten sie dem Kenneth Wilson nicht,rugetraut. Der 17jahrige hatte sich an. em: Versammlung der farbigen Gemeinschaft <1onesville African Methodist Episcopal Zion Church» herangepirscht,

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Dh 17jiihrige USA -Neonazi Kenneth Wilson endete - durch Se[bstmord

die im Freien einen Gottesdienst zelebrierte. Wie auf dem Schie/3standhatte erohne WarnungniitseinemM-1-Karabiner

. . da.s Feuer eroffnet. Als def Junge sah, daB er zw:nilldest einen Schwarzen getotet und mehrere Teilnehmerder Gebetsstunde schwer verletzt hatte, richteteer dieWaffe gegen sich und veriibte Selbstmord. Das Foto, das den toten Wilson mit an-. gelegter Hakenkreuzbindezeigt, ging Urn. die Welt.

. Das Ereigni,s geriet in Vergessellheit: W enndie friiheren Nachbarn von Kenneth Wilsori sich dochmal daian erinner­ten, hieB es meist: Schade urn den Jungen.Ober den ermor~ deten und die zum Kriippel geschossenen Farbigen verlor schon Zum Zeitpunkt des Verbrechens kemer ein W ort.76

Der ausNew York stammende FrederiCk Cowan von der . neofaschistischen «ReChtspartei der Vereinigten Staaten» er­schoB im Februar 1977 in New Rochelle (USA-Bundesstaat NewJersey) auf offenerStraBezuerst wahllos 5 Farbige und dann sich.selbst. In seinem Zimmer fand man Nazifahnen und -uniformen,eine Kollektion Eiserner Kreuze sowieanderer .Orden und Ehrenzeichen, eine· Waffensammlung unq ein -

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'. Notizbuch, in <las Cowan u. a geschrieben hatte: «Nichts ist minderwertiger als Schwarze 1:mdJuden ... » fu St. Louis marschierte ein Trupp Neoriazis in Braunhemden dutch die City. Unmittelbar nach dieser Provokation wurde em 42jahri- . ger Jude, der geradeaus einerSynagoge kam, aui; dem Hinterhalt erschossen.

N ach einer Analyse neonazistischer und pararnilitarlscher Bewegungen in den Vereinigten Staaten karndie Zeitung «fu­ternational Herald Tribune» 1977 zu dem SchluB: «Wenn es jemals eine Lehre del, Geschichte gegeben hat, dann sollte nicht vergessen werden, daB dies eine ist: Der N azismusisi nicht tot. Seine.Flamme mag nur flackern, aber jeder regel~ maBige Zeitungsleser koIIIriit nicht umhin, sich beWuf3t zu werden, daB Nazis in den Vereinigten Staaten, in WestdeiItsch­land und anderswo existieren. Da gibtes die alten Nazis, die schon ihre giftige Politik untel, Hitler betrieben lindungestraft blieben, aber auch die jungen, die ihre kaurn veranderte Ver­sion von Rassismus und Faschismus zu verbreitensuchen.;>77 Und das Magazm «u. S. News and World Report» bemerkte: ..

. «Amerikanische Nazis - sie sind mehl- als nur eine Kuriositat.» Das Blatt verwies auf die sichin den USA .haufenden

Veroffentlichungen. mit per Tendei:tz, die Gl;eueltaten des' «Dritten Reiches» zu verharmlosen: fu Biichem wie «Hitlers Krieg» yom britischen Historiker David IrviIig - das in den USA rei13end Absatz fand - und «Der Betrug des 20.Jahr­hunderts» von Arthur R Butz, Professor an der Northwestern University, werde tatsachlich ernsthaft die Frage aufgeworfen, ob der «FUhrer» iiberhaupt gewuBt habe, daB in seinem Land' Millionen Juden, Kommunisten, Sozialisten und Gewerk" schafter ausgerottet wurden. Zur selben Zeitsei eine Bio­graphie von John Toland mit dem Titel «Adolf Hitler» in den USA zum Bestseller geworden. Mehrere Paperbackausgaben .. d!,!s Werkes, das den «FUhrer» nach «griindlicher Geschichts­kosmetik» von nahezu jeder Schuld freispricht, batten den

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'EinAntiquitiiten-" gesc~iift in Santa

" MonicalJ(ali!omien

Markt iiberschwemmt. Von demgeschaftliChen'Erlolg ermun­tert, veroffentlichte der N ew-Yorker Verleger kurz darauf Tagebiicher, die angeblich von Hitlers Propagandachef Joseph Goebbels stammten. / '

Jeder Neonazi in den USA konnte inzwilichen Hitlers ~Mein ,Kampf» - in englischerBprache - fur 7 Dollar kamen. Ine~em rassistischen Pamphlet fur 5 I>ollar erruelt erAufkla.rling tiber «Die Minderwertigkeit der Neger»und fiirnur 1 Dollax50 wurde auf die Frage «Sind (durch die Nazis - d. V.) wirklich sechs Millionen (Juden - d. V.) umgekoJlllI1.en?» infam geant-

, wortet: «Leider nein ... » " ,', . . Einin derBRD produzierter Dokumentarfilm mitdem Titel «Hitler:eine Karriere», der in WesteuIopa ein Kasseiischlager war, lief auchin den USA mit groBem Erfolg. Dazu erschien

-auf dem amerikanischen Markt eine Plattenaufnahmedes ~ . .'.

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eng1isChsPJachig~n: RockrilUSicals «DerFiihrer». In diesem «Kunstwerk» -- so hieB es in efuerRezensioIi - werde Hitler'

, a1s ~~ «hOses Genie», als«ein demagogischer, begabter Sek­tenfiihrer dargestellt», derseinem <<verzWeifelten Yolk einen Glauben, eine Art Religion» gegeben habe. , , Als weiteres Symptom fur ein spiirb~ gewachsenes Inter~

esse vor allemjunger Leute in den USA an neofaschistischen und paramilitanschen Bewegungen nannte «u. S. News and World Report»den «enorm gestiegenen» Umsatz :von Hitler­bildern, O~den und Ehrenzeichen, Fahnen und Wimpehi; Uniformen, Rangabzeichen, <Ehrendolchen>, Handfeuer­waffen und anderen N azia:nde~en._ Die Kataloge na.rnhafter Versandhauser wiirden ganze Kollektionen dieser Artikel zum ' Kauf anbieten. In einigen Gegen'den seieii «Hakenkreuztato·

. wierungen, Schmuck in Form des Eisemen Kreuzes und' T-Shirts mit der Aufschrift<White Power>' sehr populiir».78

Die Geschichte der Nazibewegung in den: USA reicht bis in die 30er Jahre zuriiCk.Fritz Kuhn, Mitarbeiter des Ford­lwnzems und V-Mann derReichsfiihrung derNSDAP, Abc teilung Auslru;ul, In Berlin, versuchte damals, in den Vereinig-

,te? Staate~ als Fiinfte Kolonne der;Nazis einen Ableger der Hltlerpartel groBzuziehen. Taxnname der nazifreoodlichen Organi$ation war «Silver Shirts»; Nazigegner unter den Par­lamentariem in Washington stellten vergebtms den Antrag, Kimn wegen verfassungsfeindlicher und landesverraterischer Umtriebe gerichtlich' zu belangen. Dieser V-Mann Hitlers' wurde erst ausgeschaltet, als er wegen Steuerhinte~ehullg ,

,ins Gefangnis kam., _ ' , Schon kurze Zeit nach dem gewaltsamenEnde der Hitlerara beg~en sich in ~en USA emeutF~chisten zu regen. Ohne Zweifel gab es daemen ZUsamineUhangmit der betrachtlichen Anzahl von fiihrenden Reprasentanten des Naziregimes, die nach dem 8. Mai 1945 von den Geheimorganisaticinen

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«Spinne» und <<Odessa» sowie v~n RudeiS «Kameradenwerk» aus Deutschland ausgescllleust wurden und vornehmlich in

, Lateinamerika, aber auch in den USA Unterschlupf fanden. Zugleich ~rhielt dierechtsextreme Srene durch den kalten Krieg' und die staatlich sanktiob,ierte Hexenjagd aUf fort- '

.schrittlich Gesinnte und KommunistenAuftrieb. Nicht von ungeHihr wurde in jenen Jahren - naro einer Zeit

relativer Zuriickhaltung..,. auch der Ku-Klux-Klan vor allem in den Siidstaaten der USA wieder aktiv. Im Krieg hatte man dieSchwarzen an der Front gebraueht. D~ schienes ratsam, sie in den Staaten zu schonen. Unter den Soldatenund Offizieren der US Army,diesich im Kampf geg~n d~nHitlerfaschismus

, durchbesondere Tapferkeit ausgezeichnet hatten, war, der Anteil der Farbigen iiberdurchschnittlichgroB. Das ist sta­tistisch belegt. Was sie jedoch dann, wieder zu HaUse, erwar­t~te, hat der weltbekiuuite Kiinstler und Mitbegriinder der amerikanischen Biirgerrechtsbewegung Harry Belafonte als

, einer der Betroffenen bewegend geschildert. ' «Viele von uris sind heimgekommen, festentschlossen, sich "

fiirdie Veranderung der gesellschaftlichen Verhiiltnisse in ~en USA einzusetzen. In gewisser Hinsicht waren wir naiv:, Wir glaubten, wenn wir einmal unsere, Tapferkeit als Soldaten gezeigt hatten, .. , urn der <Demokratie zum ~ieg zu verhelfen >, dann ware die Nation auchbereit, ihre jungen Mannerund Frauen entsprechend zu ~hren ... Aber wir fand~n zu Hause kein verandertes Klima vor, sondern ein Verhalten, das uns

. noch starker an' den alten Platz zuriickverwles: in Sklavere4 ein Leben ohne Wiirde, (jerechtigkeitund Hoffnung. Eine der'iiblichen Forderungen der Rassistenwar:Wir miissen die Nigger wieder an wen Platz verweisen . ; .

Da gab es einenMann mit dem N amen Isaac W oudard, ein Soldat der, Vereinigten Staaten, hoch dekoriert aw dem Schlachtfeld: Er kam heirn, nachdem er mit allen Ehren aus derArmee entlassen worden war. Etlebte im Siiden. Er nahm

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einen Bus, urn nach Hause zu fahren. Da sagte man ihm, er , habe als Schwarzer hinten im Bus zu sitzen. Er weigeite sich,

jemals wieder so zu leben wievor dem Krieg.Der Busfahrer '~ und einige andere WeiBe holten die Polizei. Die weiSe Polizei

gebrauchte den Kniippel, das stumpfe Elide des Kniippels, und stach ihm beide AugenatIs. Er wurde blind. Das war em

. beriihmter Fall damals, der sogenannteIsaac-Woudard-Fall Aber er war nur einer von vielen dieser Art ... Man muB sich

, Idarmachen: Er hat den Krieg gegen den Faschismus iiberIebt, hat all die Auszeichnungen erhalten, und dann stechensie ibm beide Augen aus .. ,»79 '

Diese Schilderung gibt Wesentlichel! vom:damaligen Klima " in den Vereinigten Staaten Wieder, als' die antifascrustisehe Allianzzwisc:hen, den Westmachten" und der Sowjetunion zerbraeh und sich der weltpolitisehe Klimawechsel andeutete, den man dann spater kalter Krieg nannte. In dieserf\tmo­sphare bekam George Lincoln Rockwell und die von ihm gegriindete «American Nazi Party» einigen ZulaUf. ImJahre 1962, als sich Neofaschisten aus 9 westlichen Landern bei einem intemationalen Treffen zur «W orId Union of National Socialists» (WUNS) zusarnmenschlossen,fiel dem amerikani­schen Neonazichef in dem Dachverband eine Spitzenposition zu.

1967 wurde Rockwell von einem seiner KUlIipane erschos­'sen. Die Unterfiihrer der «American Nazi Party» zerstritten sich. Die Neonazibewegung in den USA schien zu zerfallen .

Doch schon 1977 hatte die «International Herald Tribune» . allen Grund festzustellen: «Nach zehnJahren Stagnation ist

der Faschismus in den USA wieder aUf dem V otmarsch.>~o AnlaB zu einer solchenMeldung gaben u.a. die Umtriebe der «National Socialist Party of America» (NSPA). Diese neo­naZis'tische'Partei mit ihrem Zentrum im Raum von Chicago war - wie die hauptsiichlich in Kalifornien angesiedelte «N ation3Jsozialistische WeiBe V olkspartei» - N ¥hlolgeorga-

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Eingang zum . _ «Hauptquartier» derNSpA,in Chicago "

I ,,'

nisation der «American Nazi Party» des erschossenen. George L. Rockwell. 'Als Grunder und .«FUhrer» der NSPA sorgre-der damals.32jahrige Frank ColIin"der, sich selbstzuni«Ober­stunnbannfiihrer» emannt hatte, iiber Jahre' hinweg in .der a:merikanischen und futemationalen Presse fUr Schlagzeilen ..

'In'einem ausfUhrlichen Bildbericht, (len das Hamburger W ochenmagazin «Stem» im Herbst 1~}7iunt~r, d~m Titel «Heil Hitler unterm StemenbaIil1er» veroffentli~te, hieS .es: « <Rockwell Hall> steht iiber der eisemen Eingangstiir seiiles zweistockigen ~Hauptquartiers) in der71. SQ'aBe im 2. Chica­goer Bezirk. Uber dem Schriftzug sch'webt -' ~ystisches Symbol nazistiseher Macht -' der deutsche· Retchsadler. Joumalisten empfangt der B~B inUniform. F~Fot~~en posiert er bereitwilliguntet Hakenkreuzfahne, Hltlerbild und Stemenbanner ... Und wenn er da so andiichtig steht ... gl~icht

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. { , . '. .\

'. er in fatalerWeiseseine~ Idol: strammei'igur, straff auf die· , Seite gekammte Hitlertolle,stechende Augen,zackige Bewe­

gungeri ... Schwarze gehOren nach Afrika, JI,lden ~ach I~rru:l und dieneuerdings immer·zahlreicherwerdendenBraunhauti­gen nach Mexiko oder Pqerto. Rico.' Das ist das Credo von -Collinund Co. Und sie halten sich fUr die Auserwahlten, die

,dieses <Pack> moglichst schnell dortltiD. befOrdem sollten. < kh will unsere NachbarsChaft weill machen >, verheillt. Collin fanatisch, <sie soll die weilleste, strahlEmdste in ganz Chicago, werden ... ~ Erne einheitliche N azipartei gibt es in den DSA nicht. Aber es gibt Bestrebungen, die verselbstandigten und, zersplitterten Ortsgruppen der verschiedenen Neqnazibewe­gungen zusammenzutun •.. In San Franzisko kokettieren. die Braunen' bereits mit demwiederauferstandenen negerfemd­lichen Ku-Klux-Klan, in Portland mit anderen rassistischen Vereinigungen ... Amerikas Nazis werden nicht langer nur ' belachelt ... » -

Collin und seine Kumpane beschmierten Hauser und Ge­schiif'te Chicagos mit Hakenkreuzen und bedrohten jiidische

'und schwarze BUrger. Anonymer Psychoterror per Telefon . gehOrte zu den b1:!liebtesten Methoden, Angst und Schrecken zu verbreiten. Das hattezum Teil schlimme Folgen. Bekannt­geworden ist das tragische Ende von Herta Leyy aus Skokie;

'emem V orort von Chicago. In Skokie wohnten nmd 400.00 Biirger jiidischer Herkunft, wter ihnen etwa 7000 Manner und Frauen, die Hitlers KOnZentrationslager iibedebt hatten. Eine von .ihnen war Herta Levy. hnmer wieder lautete bei w nachts das Telefon.«Ihre Stunden sind geziihlt. Wir werden Sie hmbringen.Wir hassenJuden.Juda verrecke! Stil-b,Jude!».

-Immer dieselbe kalte Stimme. Eines' Morgens im Mai 1977 , lag Herta Levy tot in wem Bett. Der Telefoooorer war wen Hiinden entglitten undhing iiber dem Teppich. Herzc;chlag. . Ein weiteres Verbrechen der Collinbande erregte seiner-

zeit die Gemiiter .iiber die Grenzen ,Chicagos hinaus und

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. InFUkrerpose untenn Sternen-, baTl1lCT.~ «Ober~rm> bannfiikrer»

. J7arik Collin

brachte Sch1agzeilen fUr den «Obersturmbannfiihrer». Dieser Mord belegte einmal mehr, daBnazis~es Gift nichtrlur anderen Unheil bringt, unermeBlic4es Leic:lanrichtet,sondem zugleich selbstzerstorerisch wirkt. Raymond Sch~ ein fanati­scher Anhanger der «National Socialist Party of America», zwang den Juden SidlleyCohen, Zyank~ - das. bevorzugte Gift deutscher NazigroBen - zu nehmen. Danach sch1uckte er s~lbst erne tOdliche DosiS.81

Einen besonderen Coup wollte «ObersturinbannfiihreD> Frarik Collin im Sommer 1977 starten, An der Spitze semer

- «storm-troops» undin vollem SA-WichsplanteereinenMarsch . durchdie City von Skokie. Schon die Ankiindigwig einer solchenProvokation loste unter den Einwohnem dieser Stadt .. einen Sturm der EntriiStung aus. Es gab Protestmeetmgs und. Eingaben an-die Behorden. Gegendemonstrationender Biirger von Skokie wurden vorbereitet, vor den -Synagogen inCliivago . . und Umgebung wgen Wachen der militanten ~iidischen .. Verteidigungsliga» auf.

200

Genau dieseReaktionen hatte Collin erhofft undeinkalku­liert, und tatsachlich sorgtedi:lS enorme offentliche Aufsehen· urn denangekiindigten MarSch durch Skokie fUr eine landes­weite Publicity. Die brauneStreitmacht und ihr «Obersturm­b~eD> wurden in den USA unddariiber hinausbekann~ ter, als es Rockwell nUt der «AmeriCan Nazi Party» jemals gewesen war. Neben ortlichen Gerichten befaBte sich auch

. der Oberste Gerichtshof des USA-Bundesstaates lllinoismit der Affare. Das U rteil erlaubte nicht nur das offentliche Tragen von N aziuniformen mit Hakenkreuzen und anderen NS-Sym­bolen, es erklarte auch Demonstrationen von N azigruppen fUr zulassig.82 . • .

Dieses Urteil wurde spaterauch vom Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten von Amerikamit 7:2 Stimmen bekraf­ligt. An dieser Stelle sei daran erinnert: Die USA gehoren zu den Unterzeichnerstaaten des Potsdamer Abkominens vom Herbst 1945, das nazistisChe Propaganda achtet, die Verbrei­tung naZistischen Ged~engutes in jeglicher Form verbietet und unter Strafestellt. ; ., .

Der Widerstand der jiidischen Einwohnerschaft von Skokie verstarkte sich. 1m Sommer 1977deuteten im GroBraum Chicago alle Anzeichen schon auf den Beginn .biltgerkriegs-· iihnlicher Auseinandersetzungenhin, da sagte Collin aufeiner· groB aufgewgenen Pressekonferenz den, Marsch auf Skokie mit genetoser Geste· ab und machte zugleich fUr eine Kund­gebung seiner «N ati(lllal Socialist Party of America» am selben Tag im Zentrum von Cqo Reklame. Die Pressekomerenz der Neonazis wurde vonzahlreichen Streifenwagen undeinem groBen Polizeiaufgebot geschiitzt. Hunderte jiidischer Biirger, die ein energisches V orgehen der BehOrden gegen die neo-

. ·nazistischen Gewalttater forderten,wurden abgedriingt.83 . Nicht n~ Ende Juni 1977. rotteten sich die Neonazis in

. Chicago-zusammen. Abgeschirmtundbeschiitzt von nahezu . 2000 schwerbewaffneten Polizisten, marschierten Collin und .

201

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Terror amerikanischerNeonazis in Chicago.

dessen Nafibande - wiederumin SA-Uniform und unter Hakenla:euzfalmen - am Sonntag, dem9.Juli 1978,emeut duTch Chicago; Ziel der Provokation war diesmal der sUidti­sche Marquette Park. Dabei skandierten die Neonazis tassi- . stische I:Ietzparolen und warfen in die Menge der neugierigen Zuschauer F1ugblatter, in denen jeder «anstandige· Ameri-

. kaner>~ unverhohlen zum Mord an Kommunisten, N egem und . JudeJ?- angestachelt wurde. Diese Kundgebtmg war :lWei Tage

zuvor dlirch Richter Brennan vom Obersten Gericht der USA -au.sdriicklich genehmigt worden.B4 Antifaschistische Gegen­dehlonstranten. im Urilfeld des Marquette Parks wurden von --teilweise zu Pferde anriickenden Polizeieinheiten auseinander- _ gekniippelf. _ .

Mit den Drohruigen, seine «storm-troops» durch Skokie marschieren zu l~sen,-hielt Collin die Einwohner dieses V or- -

202

orts vOllChicago .fiber J aht:e in UnriIhe. Mogli~eJ:Weise hatte dieses skandalose Neonazispektakel in den USA noch langer . gedauert, ware der «Fiihrer» Collin - dessen Neonazipartei bei einer.Stadtratswahl in Chicago inimerhin 16 Ptozenf der Stimmen errang und die bereits in 26 anderen GroBstadten

. der Vereinigten Staaten l\iiros eingerichtet hatte -:- nicht an­einer Art von GroBenwalm und Selbstiiberschatzting geschei­tert. Wegen Unzucht mit MindeIjahrigen, Steuerhinter" . ziehung und anderer krimineller Delikte wurde der «Ober­stunIibannfuhrer» im M1i.rz 1980 von einem Gericht in Chicago . Zu 7 J ahren Haft verurteilt. . .

Darnit endete (zunachst) die politische Karriere dieses Neo­'nazis, nicht jedoch clie Existenz der NSP A..Als einer der neuen «FiihreD> machte in der Folgezeit ein gewisser KarlHand in -. unriihmlicher Weise von sich feden. Nicht nuT, als er iIi Buffalo (USA-Bundesstaat New York) wegen unerlaubten Waffenbesitzes verhaftet und. gegen eine Kaution von um-gerechnet·· 20 000 Mark wieder auf freien FuB gesetzt

_ wurde.B5 Der damals 30jahrige Collinnachf~lger tat' sich wiederholt auch bei Aktionen des Ku-Klux-Klan.hervor und -bekannte stolz, «QrdensJ;riiger».dieser geheimen rassistiscilen. Mord- und Terrororganisation zu sein.S6 .

Doch noch einmal zuriick nach Skokie. Das unglaubliche c;eschehen dort o:I;Ienbarte auf geradezu tragischeW eise die Fragwiirdigkeit sogenannter Freiheitin den USAwie in an~ deren westlichen Demokratien; Wie beieits dargelegt, hatte sich der Stadtrat von Skokie geweigert, Collin und seiner braunen Bande den Marsch durch. den hauptsachlich. von Juden bewohnten Ort zu: genehmigen. Daraufhin strengten die Neonazis gegen den Stadtrat einen ProzeB- an. Und. es kam zu einer mehr als paradoxen Situation. .

Ausgerechnet die «American Civil- Liberties Union»· (ACi.U - Bund fiir die amerikanischen Biirgerfreiheiten); _ eine hauptsachlich von jiidischen RechtsanwaIten gegiiindet~

203

Page 103: Koch - Neofaschistische Bewegungen (Skorzeny)

und rifpriisenij,erte Vereinigung, erhielt dell AUftrag, in die­sem ProzeB die Neon~s zu verteidigen. So grotesk es an­mute~ Collin und die «Nation:aJ Socialist Party of America» beriefen sich lautstark auf die amerikanische Verfassung, sie behaupteten, sie wollten ih Skokie lediglich ihre Rechte auf Rede- und Versammlungsfreiheit in Anspruch nehmen und fiir die Verteidigung u. a. dieser Biirgerrechte sei die ACLU schlieBlich verantwortlich. Die amerikanischen Neoilazis hat­ten ihre deutschen V orbilder aufmerksam studiert: Demago­,gischer h1itte das kaum Goebbels formulierep. konnen.

Das Unglaubliche geschah:JtidisdIe Anw1ilte verteidigten in Skokie die Freiheit der Neonazis vor Gericht: Ganz wohl

, war ihnen nicht in ihrer Haut, denn sie fiihlten sich veranlaBt, den 'lund 250000 Mitgliedemund Spendem der «American Civil LibeIties Union» einen «erkl1irenden Bri~f» zu schreiben.

,Solch ein Schreiben erhielt auch Leah Ireland-Kunze. Sie beriChtete dariiber:

«Der Brief .(erkl1irte>~ also, die <demokratischenFreiheitem verl~gten,' daB jede Gruppe das gleiche Recht auf <Rede­freiheit> und <friedliche Versammlung> habe. Die~V erteidi­gung dieser <grundlegenden Biirgerfreiheiten> sei in jedem Fall wichtiger a.h;alleande~en Erw1igUngen. Und wenn die uneingeschr1inkte Garantie dieser .,<Rechte>· dazu fiihr~, daB Aufuetzung zum Mord, und Propaganda fiir die Ausrottllllg eines V oIkes legalisiert wiirden, danri sei dies eben <das Risiko det Demokratie>. - Mir erschlendiese Argumentation Ungeheuerlich. Die sie verfochten, waren doch nicht selten selbst Verfolgte des Rassenterrors der Nazis gewesen oder hatten Opfer in der Familiezu b.eklagen. War es die Ver­schwommenheitder Begriffe, die dazufiihrte, daB vomFaschis-

_ mus verfolgte Juden dazu gebracht werden konnten, den Faschismm zu verteidigen- im Namen der -<Freiheit> ?»87

In der landesweiten Deb~e·tiberdie Verfassungsprinzipien in dell USA gab es ein lebhaftes Pro und Kontra. Etwa 4000

204

, Mitglieder der ACLU :... mindestens einViertei des Bundes ist jtidischen Glaubens -i traten demonstrativ aus. In San Fran­zisko und in aiJ.deren Stadten kain es zuProtestveranstaltun­gen. Auf den Stufen des alten Zollhausesin New York trat ein weiBhaariger Mann in derselbenJacke mit der a~genahJen Numri:ter 2705 auf, die er im N azikonzentrationslager Dachau tragen nmBte. «Wir kDnnen nicht glauben»,rief eremport,

, «daB dasRechtauf Redefreiheitauchfiir jene gelten solI, . . die den VoIkermord predigen.>~ ,

Aber alle Proteste 1inderten nichtsan dem schon zitierten Ur­teil des Obersten Gerichts der USA zugunsten derNeonazis.

Der Fall Skokie hatte noch ein Nachspiel. Das ist wortlich zu nehmen. Clevere Fernsehleute benutzten die V org1inge als Material'fiir einen Film. Es ging_ilmen nicht um Dokumen­tation. Sie fabrizierten eine teils riihrselige, teils brutale Story, die den Erwartungen des durchschnittlichen amerikanischen Fernsehpublikunis getecht werden sollte. Aber nicht nut das. Was dann in Millionen von Haushaltenzwischen den Bundes.

O " sta:aten regon undFlorida tiber die Bildschirme flimmerte sah u. ct." so aus: B,ei ihrem ProzeB gegen den S~trat vo~ Skokie wurden die NeonaZis alsabgekl1irte,kiihle Kopfe mit sympathischer Ausstrahlung-dargestellt, die, emportenJuden demgegentiber als fan3:tische und gewaltt1itige Unruhestifter, die am liebsten die «biirgerlichen Freiheiten» aller NidItjuden in Amerika drastisch einschr1inken wiirden. Die - ohne Zweifel beabsichtigte - Wirkung blieb nicht ailS:Viele amerikanische " Zuschauer 1irgerten sich tiber «die Juden», und da man schlieB- '

'lichim <<freiesten ~and der Welt» lebte, durfte jeder seinem Unmutdurch antisemitische AuBerungen noch mehr als bis-herfreienLauflassen.89 ,-,

205

Page 104: Koch - Neofaschistische Bewegungen (Skorzeny)

Chl¥lce a.uf friedliches Zusammenleben '

wahren'

Frank Collin und der «Natiomil Socialist Party of America>Y , wurde hier stellvertretend fikzahlreiche ahnliche neofaschisti­sche undparamilitmsche Bewegungen in den USA soviel Platz eingeriiunit. Ahnlich ausfiihrlich ware zu reden gewesen

-iiber den bereits friiher erwiihnten N eonazi Gary Rex Lauck. Ubrigens war aucIi\erFunktionar der NSPA, nachdem er 1973 in Lincoln (USA-Bundesstaat Nebraska) -die NSDAP-

"Auslands- und Aufbauorganisation (NSDAP-AO) gegriindet hatte. Von neofasthistisehen Deutsch-Amerikanem finaDziert

, und durch den USA-Staat Nebraska wegen «Gemeinniitzig­keit»90 steuerbegiinstigt, fOrderte die NSDAP-AO den Wiederaufbim der Hitlerpartei in der BRD, in Westberlin und _in Osterreich. Zwei eigene Druckereien in dt:;n USA beliefer­ten rue «Kameraden an der Front in Europa» zentnehveise mit Hakenkreuzaufklebem und Naziparolen, mit dem zwei­monatlich erscheinendenPamphlet «NS~Kampfruf», dem neuen, sporadisch erscheinenden «Volkischen Beobachter» undmit anderem Propagandamaterial. Jiingste Aktivitat dieser ,Art war die bereits erwiihnte' Klebeaktion zum 65. Jahrestag des Marsches def Hitlerclique zurF eldhermhalle in Miinchen sowie zum bevorstehenden 100. Geburtstag des «Fiihrers».fuzwisch.en hat der Neonazi Gary Rex Lauckaus den USA fiir die:BRD Einreiseverbot. ' , Als eine «elitare V ereinigung», die- es emport von sich

weisen wtlrde, mit neofaschistischen Bombenlegem, mit anti~ semitisrnen Pogromhetzem oder mitden J,.ynchknechten des Ku-Klux-Klan in Verbindung gebracht ~ werden, muB man nochdie <1ohn-Birch-Sooety»erwiihnen. 1m Jahre 1958 von Robert Welch gegriindet und jahrzehntelang autoritar geffihrt, wirkt sie bis heute als eine <J,uf verbohrten Antikommunismus

206

Provokation anliifilich des Parteitages der KP der USA , 'Ende 1983 in Cleveland'

eingeschworene. , halblegale,politisch konspirative Pro", pagandaorganisation. Mit zunehmendem Erfolg ist die von ~tar~en' Kreisen, der USA ,getragene <1ohn-BirCh~Society>; bemiih~ ihre Ideologie durch Unterwanderung der Mas­senmedien, -des Parteien- und Staatsapparates. sowie der Spitzenpositionen der Wirtschaft durchzusetzen. Die I>r.ili.t"

, zieher blieben stets im Hintergrund. Die in H~burg erschei­nende W ochenschrift «Die Zeit» bezeichnete dieses einfluB­

,reiche Gremium, «grauer EmiIienzen», schon 1973 als «drui ideologische Hauptquartier des amerikanischen R~chtseXtre" mismus».91

Von UnterJ?ehmen wie Standard Oil, ffiM, Boeing, ITT und , , anderenMonopolenin den USAflieBendurchg~heime KanaIe

Unsummen in die Kassen def <1ohn-Birch-Society» und(

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Page 105: Koch - Neofaschistische Bewegungen (Skorzeny)

.,·~,T,·:==,n s~~~~=i:.'d~~:,l!~:~ " , GroBverlagshausern _~s Kunden und schlieBlich die Drutkerei

, «PMR Associates»,eiIie der modernsten Amerikas. Die USLP hat ,gute Verbindungen zum Ku-Klux~Klan und 'unterhiilt 26' ZweigstelleninW est~UrOpa, Asien, Ka:nada und Latein-

Buchladen amerikanischer Neonazis , in San Franzisko

weiterer erzreaktionarer und! oder neofaschistischerOrganisa­tionen; Neuerdings geheIi die Beziehungen zum Teilso weit, daB GroBuntemehmer Referenten ausder rechtsextremen Szene anheuem, die fUr ihre' Fiihrungskader spezielle anti­k~mmunistische Schulungskurse durchfiihren. In' einigen Hillen werden' neofaschlstische Organisationen von finanz-

, kraftigert Firnien' ausgehalten.'DaS trifft z. B. ,auf die «US­Labour Party» (USLP) zu, die einmal als «links» galt und von

" Lyn LaRouche gefiihrt wird. , ' ' Die "GeIdmitteI dieser rechtsradikalert Organisation' sind

faktisch unbegrenzt, da die USLP von drei Gesellschaften mit ~iIiem jahriicheri Gesamtprofit vonmehr als 5 Millionen Dollar getragen wird. Das sind ~e «Computron Technologies -Corporation», die u. a. fUr Mobil Oil, die City Barikuild

208

'amerika. ' - ,

, Wie der Amerikakoriespondent der «Siiddeutschen Zei- '" tung» recherchiert hat; verfiigt diese neofaschlstische Partei " mit der «Liberty Lobby»auch iiber beste Beziehungen zuin ' KongreB der USA. Lobbychef Willis Casto spinnt die Faden ~ko~ervativen Senatoren Wld Abgeordneten, «Urn sie gegen

"Jede liberale MaBnahme derInnen- und AuBenpolitik zU " mobilisieren»~92 ' ' '

J?ie li~ch engere Verkettung rechtskonservativer MonopoI­krelSe nut der gesamten Szenerie vonRa$sisten, Neofaschisten und extremen N ationalisten-ist kennzeichnennfUr den Rechts- '

" extremis~us der 80erJahi-e. Dabei zeigten sich mannigfaltige' Querverbmdungen zu den Verbrecbersyndikaten der Mafia ~d d~~ Rauschgifthandels.Diese gefahrliche Entwicklung hat sl~h wahrend deI:,Amtszeit von Ronald Reagan verstarkt und wrrd durch ultrarechte Kriifte in d~r Repul5likanischen Partei der USA weiter begiinstigt.93 - ,

Konkret zeigte-siCh das in zahlreichen alarmierenden N ach­richten. Dafiir nur einige Beispiele. So' entdeckten Bundes­polizisten im April 1984 in New Orleans (USA-Bundesstaat Louisiana) ein groBes Waffeillager der NeonaZis. In Weskan

I (USA-Bundesstaat Kansas) wurden - einem Bericht der «International Herald Tribune» zufoIge- 56 Neonazis fUr <iKill~rk0ffi!11andos» gedrillt. Sie erhielten «Nahkampfuiktik~ , Ausbildung,wurden in der Verwendungvon Gift unterwieseri und fUr den Einsatz als nachtliche StoBtrupps s~wie fUr Mord­ans~iige .aus~em Hinterhalt» trainiert.94 hn selben Beitrag, verwIes die Zeltungaufein Seminar in Springfield (USA-

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Bu'ndesstaat'Colorado),bei dem Rethtsradikalen Kenntnisse ," zu jenen einfluBreichen Kriiftenin den Vereinigten Staaten, in der<~Fertigungstechnik fur Bomben» veimittelt wurde~.~ , , die sich verbissen gegen jedeAnnaherung und Vetstandigung . Deutl1chzugenommen'hatindenJahrenderReagan~- 'zwischen'der Sowjetunion soWie denanderen soziali~tischen

, stration auch die Anzahl pseudoreligioser Sekten, die fanatIsch Landem una den USA stemmen. Sie leistendem ProzeB der, antikommunistisch orientiert sind und sich schon von dieser A.nnaherung verantwortungsbewuBter Politiker der NATO- , Position aus der Neoriazi.bewegung verbunden fiihlen. Zu Staaten und desWarschauer Vertrages mit, dem Ziel, ein diesen 'rieofaschistischen Gruppen' unter religiosem Deck- nukleares Inferno abzuw~nden, erbitterten Widerstand. Sie mantel gehort rue in Kaliforpien ansiissige«Ministry of C:hrist lassen offen und verdeckt nichts uitversucht, Abkommen'tiber

, Church»~ Sie vetkiindet unter anderem, daB <1uden Kinder, die Beschriinkung der atomaren Rtistung, die Verschrottung Satansseieri und deshalb ausgerottet werden'mtiBten».96 alIer Atomwaffen bis zumJahr 2000 und andere lebensWich-, Eine andere Organisation dieser Art ist die «Posse Comic tige Fragen zu torpedieren' oder zuunterwandern.' , ' taius of America», deren Hauptquartier sich in Tigerton (USA ~ . So stellt sich das liuBere Erscheinungsbild def rechtsextie-Bundesstaat Wisconsin)befindet.Thr Anftihrer, ein Mann men Szene in den USA gegenwlirtig verwirrerid vielfaltig namens Wickstrom,' der sich selbst als «christlichen Geistli- dar. Es urnfaBt nahezu 2000 neofaschistische, und rassistische chen» bezeichnet, schoo in seinen «Predigten» vornehmlich Parteien, Organisationen, Gruppen und «Kommandos» sowie Gefiihle des' Aritiseffiitismus, des Aritikommunismus und eine Vielzahl schwer zu durchschauender geistiger Drheber HaBgegen dieSchwarien.

97 , _' . .' , .' . ' und Geldgeber im Hintergrund. Die Akteure tragen provo~ ,

Urspriinglich war «Posse Comitatus of Amen:a» alsradikale katorisch das Hakenkre~ oder miBbrauchen als Tarnung die . Gruppe derGegner von Steuerzahlungen ge~det worden. Bibel: Sie alle sind fani;ltisch antikommunistiscll und erbitterte

Thr Anfiihrer, Wickstrom unterhlilt enge BeZiehungen zur Feinde der Sowjetunion. ' Repriisentati~nsfigur der «Moral Majority» (Moralisch~ ~~hr- Erstmalig in de'rWeltgeschichte hietet sich die C~ance eines heit '- eine Vereinigung der politischen ,und der religlOsen frieOlichen Zusammeruebens alIer Volker. Wlihrend die Ihei-Rechten in den USA), Reverend Jerry Falwell. In diesem sten Mensclien auf eine Welt ohne Atomwaffen hoffen, erfiillt ' Metier betreibt auch der-aus Korea stammende Sun Myung ,sind von derSehnsucht nach einem sinnvollen Leben in einer Moon seme schimitzigen politischen qeschlifte. ' , ' WeIt ohne Krieg, heizen Alt- ,und N eofaschisten im Verein mit

Der in semem HauptquarlieriIi New .York ,'residierende erzkonservativen Krliften in den USA, der BRD und anderen ' 'selhsternannte «neue Messias» und Griinder der Pseudosekte kapitalistischen Staaten die Atmosphlire an, praktizieren sie' , ,«Unifieatiop. Ch:urch» (Vereinigungskirche) verteufelte «den . Terror und Gewalt und werden darnit fur die Volker zu einer , Kommunismus ah:Inkatnation des, satanischen' Prinzips in emsten Gefahr.

'unseremJahrhundert» und propagiert bis heutedie Notwen- Arigesichts dieser reale~ Gefahr.sah sich die 37. Tagung digkeit eines dritten Weltkriegs, urn in einer «heiligen Schlacht 'der V1'f _ V ollversammlung 'in N ew York schon' 1983 veran~ Sa,tan endgiiltig zU be.siegen».98 , . . ... " laBt, das Problem zu erortern ,und eine speZielle Resolution

Neben den neofaschistischen und pararnilitanschen Bewe-' Zu verabschieden. «Mit'groBer Besorgnisistfestzuste~en»,hieB / gungen gehOren Leute Wie Wickstrom, Falwell und Moon es in dem Dokurnent,'«daB die AnhangerfaschistischerIdeo-

/ 210

211

Page 107: Koch - Neofaschistische Bewegungen (Skorzeny)

logienin einerReihe v(}nLandem ihre Aktivjtaten verstiirkt haben tirid sie in zufiehmendem MaGe iIitemational.koordi-

. nieren.';99 Das.WeltforuI)1 appellierte aD. die Regierungfm und Volker;aller Kontinente, ihre Aufmerksamkeitund Anstren­gungeh zu .erhohen, urn dleser gefahrvollen Entwicklurig Einhalt zu gebieten. , . .

Die von Qer UN-V ollversammlung.1983 ~alysierte Ten" denz ist leider nach wie vor.aktuell. .

212 '

:Epllog . . .

«Menschen, ich ha~te euch lieb. Seid wachsam!»

" LetzteWorteder «RepOrlage unter dem Strang gelJchrieben» . vonJuliusFuCik. ' .

Das Manuskriptentstand im Friihjahr 1943 im Gestapogefangnis am Pankrac in Prag. .' '. . . .' . . .

Julius Fticik wurde ~ 8; Septe~ber 1943 in llerlin von de~ . Hitlerfasdristen hingeri~htet... .

Page 108: Koch - Neofaschistische Bewegungen (Skorzeny)

" '. .

Zusammenstellung " tiber neonazistische un,dparamilitiirlsche

Bewegungen 'sowie, weitere rechtsradikale Organisationen,

Gruppen, Vereine in der BRD und in Berlin{West)

Es handelt sich urn VereinigungeIi traditionell Rechtsradikaler, die in westlichen Liindem haJ#ig' auch als «Alte Rechte» bezeichm!t werden, sowie urn neofaschistische Parteien undGruppierungen,

, hatifig untet dem Begriff «Neue Rechte» zusammengefaBt. Zu den «Alten Rechten» zlihlen u. a. das schon 1950 yom ehemaligeI;l «Reichs­fachschaftsleiter fUr Lyrik» , in der NS-Reichsschriftturnskammer, Dr. Herbert BohIne, gegriindete «Deutsche KulturwerkEuropaischen ' Geistes» (DKEG), die 1951 ins Leben gerufene «Hi1fsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit det Soldaten der ehemaligen Waffen-SS» (HIAG), der an die Tradition des 1919 gegriindeten nationalistisch­,reaktionarenVerbandes gleichen N amens ankniipfend~ «Stahlhelm -Karnpibl,lIld fUr Europa», die «Deutsche Reichspartei» (DRP), fur die Rudel zu den Bundestagswahlen 1953 kandidierte, u.v. a. m.,

Die zur «Neuen Rechten» gehorenden Organisationen kniipfen dun~erblfuirt an Hitlers NSDAP bzw. andere NS-Vereinigungen an, sie propagieren undpraktizieren efuen aggressiven Aritisemitismus und die Anweridung von Gewalt. Mehr als 90 Prozent der Mitglieder und Sympathisanten hat die Nazizeit ,nicht mehr bewuBt erlebt.

, Besonders hoch istder Antell der Jugendlichen unter 20 sowie von 20 bi~25 J amen; Yon diesen sind sehr viele arbeitslt:~s~ Zu dEm «Neuen Rechten» gehorten bzw.' gehorim beispielsweise die 1977 v~Jll friiheren Bundeswehrleutnant KUhnen gegrijPdete «Aktions­front Nationaler Sozialisten,,' (ANS), 'die «Wehrsportgruppe Hoff­mium» und die im Herbst 1987 in Westberlin in Erscheinunggetre-tene «Republikw!!che PllI'Wi», gegriindet von ehemaligert Funk­tionru;en der «Jungen Union», denen die Politik der eDU «ZU lasch»

ist: ' . Z~ den rechtsradikalen Gruppen undOrganisationen in der BRD

und in Berlin(West)zahlen auch etliche Vereinigungen, diebemiiht

214

, '

'~~d,~e. reaktionare Biut-und~Boden-Id~lOgie :auf dem Umweg uberdie m den letzten Jalrren popular gewordime Umweltschutz­bewegung durchzusetzen. Haufig werdensie daher als Okofaschisten

, ·bezeichnet. Zu ihnen zahlt U. a. die 1974 gegriindete Gruppe «Sache des V o~es/N ationalrevolutionare Aufbauorganisation» (SdV/~RAO), die eine «kiinftfge Republlk Deutschland», die «Befrelung und Vereinigung der BRD, der DDR, Osterreichs, der deuts~en Ostgebiete, des Sudentenlands und Siidtirols» propagiert.

ZWischen nahezu all~n~ufgefiihrten OrgaIiisationen, Gruppen," Bewegungen.und Veremen gab tindgibt es'organisatorische oder ~:sone~e ~uerverb~dungen. Die folgende Zusanunenstellung' sttitzt 81ch un wesentlichen auf eine Publikationdes Miinchener 'Pressedienstes Demokratische Initiative: ' '

Aktion Deutscher Osten AktionJunge Rechte

, Aktion Neue Rechte 'Aktionsfront Nationaler Sozialisten AktionsgemehtschaftN ationaler Sozialiste~ Aktionsgemeinschaft N ationales Europa Aktionskomitee «Peter Fechter», , ' Alster-Gesprachskreis anmesty national " Anti-Holocawtt-Aktion Antikomintemjugend' Arbeitskreis Deutscher Soziallsten Arbeitskreis fUr Lebenskunde der Ludendorff-Beweg1lllg ¥beitskreis Siidwest ' '" \' • Arbeitskreis V olkstreuer VerbiiIide ' Blaue Adler:Jugend ' Braime Hilfe Gau Nordmark British Movement BiirgergemeinSchaft Hamburg , ' ' Biirgerinitiative fur die Todesstrafe;gegen POhiographie

und Sittenverfall Biirgerinitiative gegen Terrorism~s imd Fiinf-Prozent-Klausel Biirgerinitiative zur Walrrheitsptl'ege " ',' ", Biirger- und Bauem-lnitiative "

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Bund «Albert LeoSchlageteD> Bund cler Aufrechten

-Bund Deutscher Nationaler Sozialisten Bood fiir Deutsche Einheit - Aktion Oder-NeiJ3e BUDd fiir Deutsche WiedervereiI\igung / Brind fiir Gotterkenntnis (L~dendorft) Bund Hamburger Madel Bund heimattreuer Jugend Bund Re Patria Deutsch-Arabische Gemeinschaft Deutsch-europiiisehe Studiengesellschaft Deutsch-nationale Verteidigungsorganisation Deutsch-volkische GeIIieinschaft .

. Deutsch~volkische Jugend Deutsche Akademie fiir Bildungund Kultur .

.. Deutsche Aktionsgemeinschaft fUr nationale Politik '. . Deutsche B~wegung fiir Demokratie-, V olks- und Umwyltschutz

Deutsche Biirgerinitiative . Deutsche Division fiir N atuipOlitik Deutsche Gesellschaft fiir Erbgesundheitspflege Deutsche V olksfront . Deutsche V olkspartei Deutsche V olkslmion Deutscher' Arbeitsneis Wissen .

.. . Deutscher Block Deutscher Freundeskreis . Deutsches Kult~erk Europiiischen Geistes

Deutsche Kulturgemeinschaft ElsaB-Lothringische Bewegung. Faschistisclie Front Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei

Freiheitlichei; Rat Freiheitsbewegung Deutsches Reich F~eiZeitverein Hansa Freundeskrei~ del' NSDAP

'Freundeskreis DicheIst~in Offenhausen Freundeskreis Fihnkunst

216

Freundeskreis «Denk mit!» . r Freundeskreisfiir Jugep.darbeit im Arbeitskreis Volkstreu~~ .

Verbande . ".

Fr~undesla:eis zur Forderung der W ehrspo~gruppe Hoffmann Fnends of Gennany . . Gemeinschaft Ost- und SudetendeutscherGrundeigenllimer

Notverwaltung des DeutschenOstens Gennania International. Gesamtdeutsche Aktion . Gesellschaft fiir biologische AnthrOpologie, Eugenik

und Verhaltensforschung Gesellschaft fiir freie Publizistik Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Soldaten d~r

I· ehemaligen Waffen-SS, . Hilfsgemeinschaft Freiheit fiir Rudolf HeB Hilfskomitee Siidliches Afrika Hochschulgruppe Pommern . Jugendbund Adler Jugendpresseverband No~drhein-Westfalen Jugendstahlhelm Junge N ationaldemokraten Junge Nationalsozialisten Junge Natio~i!)sozi~stische DeJltscheArbeitt.irpartei . Kamptbund Deutscher Soldaten - Stahlhelm . Kamptbund «Fr.eiheit fiir Rudolf HeB» . Kampfgemeinschaft des Deutsch-Nationalen Sozialismus KampfgruppeGroBdeutschland . Kampfgruppe Priem Kampfgruppe Ziindel Komitee «Freiheit fiir RoedeD> . Kulturring Gennania I '

Landerrat ckrN otgemeinschaft des Deutschen Ostens Mut-Freundeskreis " ' Nation-Europa-Freunde ' .

N atiorialdemokratische Partei Deutschlands N at~onaldemokratische 8chillergemt;inschaft I ' Nationaldemokratischer Hochschulbund .

217

Page 110: Koch - Neofaschistische Bewegungen (Skorzeny)

: Nationaldemokratischer SoldatenbWld National-Freiheitliehe Reehte Nationale Front' Nationalrevolutionare Aktion ' N ationalrevolutionare Arbeiterfront N ationalsozialistisehe Deutsehe Arbeiterpartei - Autba~­, organisation! Auslandsorganisation (Gruppen u. a. in

'Berlin(West), BraWlsehweig, Frankfurt/Main, Hanan, , Hannover, Holzminden, Hoxter, Mannheim Wld tiliiebillg)

National SoCialist White People Party N ationalsozialistische Karnpfgruppe Ostwestfalen-Lippe N ationalsozialistische Partei Deutschlands

. Naturpolitische Volkspartei Neues Nationales Europa Nordiseher Ring NS-Gruppe Wiibbels NS-Gruppe Sehwanwald NSDAP-Aufbauorganisation. NSDAP"Frankfurt/Main Partei der Arbeit

, politiseher Informations-Club SA-Stimn 8. Mai Saehe des v olkes/N ationalrevohltionare Aufbauorganisation SchillerbWld - Deutscher Kulturverband '

Schwarzer Adler ' Soldatenkarneradsehaft Hans-Ulrich Rudel

, Stahlhelm - KarnpfbWld flli Europa Stille Hilfe Deutschland sturmgruppe7 ,."., U;nabhiingige Arbeiter-Piutei UnabhiingigeFreWldeskreise Unabhiirigiger SchiilerbWld Unabhiingiges 'Zentrnm Deutschlands Vereinigte Freiheitliche ' V, ereinigWlg VerfassWlgstfeuer VereinigWlg VerfassWlgstreuer Kriifte Vlaamse Militatiten Orcl,e,

218

V olksbewegtlIlg gegen iUltideutsehe Greuelliigen V olksbWld Deutseher Ring " , ' V olkssqzialistJsche BewegWlg De,utschlands - part '. d Ar"b" V lks 'alis' eh' " . ' el er elt

o "SOZl tis e Deutsche Partei - Nationalrevolutionai-e, BewegWlg " '

V olk~sozialistische Einheitsfront Wehrsportgtuppe EK I (Ei~ernes Kreuz:o.. d. V.) Wehisportgruppe Hoffmann .

, " Wehisportgruppe Niedersachsen Wehisportgruppe Nordland' , '

Wehisportgruppe Schleswig-Holstein Weltunion der N ationalsozialisten Wikin:g:Jugend

\ '

Page 111: Koch - Neofaschistische Bewegungen (Skorzeny)

Axunerkungen, ' ; Qp.eUen- und Zit.ateJlIl3.ChweiS

" " ' ' " ,

'I Zit. nach: Adolf Hitler, Mein Kalllpf, Mfulchen 1933. 2 A:m 26. September i986 detonierte auf dem Mfulcbn

er Oktober-

fest eine Bombe. Dabei kalllen 13 Menschen - nnteribilen auch Kinder _ ums Leben. 219Personen wnrden

zumTeil ~,chwer , verletzt. Dei Attentiiter, Gnndolf Kohler, 21 Jabiealt, GeoloSie-

stJldent, rand bei dem Anschiag denTod. Nilch Angaben des Verfassnngsschutzes der BRP war Kohler akti~e~ Mitglied d~r «WebrsportgruPpe Hoffmann» nnd ,batte wiederbol

tan Webr-

, sportiibnngen teilgenonUnen. 3 Siebe: Stern, Nr.32/80. 4 Ebenda. ' 5 Ebenda. ' 6 Frankfurter Allgemeine Zeitnng, 1. 7. 1986.

7 Der Spiegel,Nr.27/81-8 Zit. nach: "aul Lersch (Hg.) Die verkannte Gefabi, Halllburg 198!.

9 Ebenda. ' ' '

10 Ebenda. 11 Zit., nach: Wolfgang, Benz (Hg.) Recbtsradikali

smus" Frankfurt

am Main 1980. 12 NS-Kampfi:u£, Hamburg,Nr. 38,0.j.

13 Der Spiegel, Nr. 27/8!. 14 Ebe~a. ' 15 ZiL ans demText des Gerichtsprotokolls nach Ulrich Mackensen,

, Rechtsradikalismus nnd Bnndeswebr, Frankfurt am Main 1980. 16 Zit. nach: j. Pomorin/R, Jnnge, V orwiirts, wir marschieren zurjick,

Dortmund 1979. '17 Zit. 'n:ach: Ulrich Mackensen, Rechtsradikalismus und Bnndes-

webr, Frankfurt am Main 1980. 18 Siehe: Der Tagesspiegel, 2,. 7. 1986.

,_ 19 Siehe: Die Wahrheit, 30.5. 1986.

:~ Eb~mda, 6. 6. 1985. . ' -Berm Endspiel um den' ' Juventus T .. Europapokal der Land . '" ' tus unnnnd Liverpool Ende M' ,~sme~~ter zwischen

gewann 1: 0 ' _ . h" ' .' al W85 m Brussel-J .. bnnunler» aus G .sc ossen neofasehistisch uvep.-

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.. ' roBbntannien d d' e «Schlachten-orper auf d S. un erBRD " ' Unter d as plelfeld und in 'die M' ' u, a. Feuerwerks-,

en nmd 60000 Z ch . assen auf den Trib" wallen Als . ' us auem kam e ,U1;),en. Panik' ,eme Bet()nmauer eins~ s zu handfesten Kra-'

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zum Opfer. Meht als 400 e; Katastrophe fielen 38 'Zus:

gen

' erletzurigen. ",' ersonen erlitten zum Til' auer

22 Die Wahrh . ' e schwere ' 23 ' elt, 16. 1. 1986:' '

Unsere Zeit, 21. 5. 1986 . 24 Die Wahrhei " , 25 S. h' t, 6. 3. 1986 ' Ie e· S"dk ' ' . 26 D " u urve, Dortmund 1985

~7 St::!ii:tegel, 8. 6. 1986. . 28 F __ l.c.._~' urg Nr. 22/85.

HUllUWLer R 'd h . 29 S('h' . D' un sc au, 28. 8.1987 e e. Ie Wahrh . ' ; 30 Der T ' : elt, 30. 11. 1985. 31 Siehe.agDi~sswplegel, 23. 8. 1986.

. e eltbiihrie ' 32 Siehe' U ' 18. 3. 1986. 33 Eb . nsere-Zeit, 3. 6. 1987 ' 34 ,enda, 14. 1.1986. ' .

" 35 Ebenda, 14. 5. 1986. Ebenda, 28. 5.1986

36 S· h . Ie e: Stem Nr, 34/87 ' , 37 Siehe' Jnf,' . ' 3B S. . 0 WeltkreisverlagD' " " ,

39 ~ehe: Stem; Nr. 32/87.', ortmund, April 1986. .

, Slehe: Neues D chl .., 40 Siehe: DerT euts. and, 22. 9,.1987. 41 Dr. Gerhari:l ~essplegel, 10. 6.1986., ' "

D rey, 1971 Mitbe ..' . " " « eutsche V olks . , ' gnmder der neofaschi t' ch

chrift

umon» (DVU) . SIS enPart' s en- und Ze'tun:" ' lStzugleich eh f ' el u. a. wi:ich tli 1 gsverlages (D, SZ-V 1 ). e des Druck:-

en ch ,die «D ' er ag m Miinch Auflage von 100 000 Ex eutsche National-ZeitunO'» .en, .der scheiilen das emplaren herausb' "lllit emer chistische s~t~ale Blatt «l?eutsche ~. AuBerdem er~.,

« er Schlesle£» sOwie'Mit'tr

il 1ge£», die revan- /'" , ' e ungsbr-tt " -; . ' , a er anderer

221

Page 112: Koch - Neofaschistische Bewegungen (Skorzeny)

Landsmannschaften. Mit der Einverleibung der NDP-nahen «Deutschen Wochen-Zeitun,g» in den DSZ-Verlag hat Frey 1986 sein neon~stisches Presse~InlJ)erium weiter ausgebaut.,

~2 Zit. nach:J. PomorinlR.Junge, V Qrwiirts; wir marschieren zuriick,

Dortmund 1979. , ' ~ Ebend~ , . ~ Francisco Franco (1892-1975)" spanischer IderikalfasChistischer

Diktator, Fuhfer _ des "konterrevolutionaren Militiirputsches

1936/39 gegen dle Regierung der Republik Spanien

. Von 1938

bis 1975 Staatschef (Caudillo). ' 45 «Legion Cpndor» _ im November1936 aus fa.schistischen deut~

schen Intervtmtionstruppen gebUdeteEinheit,die den Franco- " putschgegen diedemokratische Republik in Spani~n unterStiitZt

e .

. Die «Legion Condo!» flog unter anderem Terrorluftangriffe auf spani

sche SUidte, richtete uriterder Zivilbevolkerung Blutbader .

an. Thr Einsatz war zugleich ein Test ,fUr die Schlagkraft der Naziluftwaffe im' Hinblick auf die Vorbereitung des zweiten

Weltkriegs. 46 Siehe: Neues Deutschland, 23./24. 5.1987.

47 Der Spiegel, Nr. 42/80.

48 Ebend~, 49 Ebenda. 50 Siehe: Unsere Zeit, 11.10. 1980.

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89 S~ehe: S~ddeutsche ZeitUIig; 29. 6. 1981 . ,Slehe::Dle Weltbiihn, e 31· 8 1982 " 90 S· hS • •. 91D, 1: Ze: . panliauer Yolksblittt, 20. io. 1974

leelt, 16. 2.1973. " :.,' 92 Siiddeutsche Zeitun 't ach .' . " ) : Siehe:~aily W ~rld,~O~: ~984~ Die W ahrhei~ 13',10.1980.

International Herald T 'b . ' ' ' 95Ebend~ ,n une, 15. 6. 1983 ..

96 Eben~

, 97 Eben~ 96 Zit. ~: Giinter Koro;Himmli ' ,,~.., " " 99 Honzont, Nr. 7/84. ' sche Soldaten, Berlin 1987 .

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, " "Koch, GiiIlter: Ais Mutprobe: Mord : ii1;>er neofaschlstische'Bewegungen in kapitalistischen

J .. andem: i von Glinter Koch ' 1. Aufl _ Berlin' : Militjirverl. d. DDR, 1988,224 S.': 67 Abb:-

, l.AUflage © Militiirverlag,der Deutschen DemokratischenRepublik

, (VEB) - Berlin, 1988 ' , Lizenz-Nr.5

, printed in the German Democratic Republic Gesamtherstellung: Druckerei des MiDisteriums fUr Nationale Verteidigung

'i ,(VEB)- Berlin 30341·8 " " Lektor: Helga Schwabe

Typografie: Helmut'Herimann / Glinter Molinski Umschlag: Wolfgang Ritter

RedaktionsschluB: 30. 11. 1987 LSV:0589

'f .' 'Best1'llnummer: 747,.0309 ';. !:.U .:;00560 b >:

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