Königspost 5 - März 2012

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UNI-LEBEN Erzählungen vom Year Abroad - London & zurück - Prosit Erasmus - Ist das Gras auf der anderen Seite grüner? Kopf des Tages: Jasmin Takim POLITIK & WIRTSCHAFT Eurokrise & Energie - 10 Jahre Euro - Die Wahrheit wird immer unbequemer - Der Teufel ist ein Investmentbanker - London 2012 und dessen Effekte KULTUR Meinung, Foto & Olympische Spiele - “Seeing the difference” - Warum sind die Briten immer noch von Nazis fasziniert? In England fangen Unterhaltungen mit Unbekannten fast immer gleich an: „Was machst du so?“ „Ich studiere Deutsch.“ Lange Pause, argwöhnischer Blick. „Ach so, ähhm, darf ich mal fragen... wieso denn Deutsch?“ Zwei Dinge gehen dem Fragen- den dabei wahrscheinlich durch den Kopf: Einerseits, warum sich jemand für Deutsch entschieden hat, wenn er auch „schönere“ Sprachen hätte lernen können – romanti- sches Italienisch etwa, exotisches Spanisch, elegantes Französisch. Weiterhin fragen sich wohl die meisten, die sich ein biss- chen mit Deutschland auskennen, warum man Deutsch lernen sollte, wo doch die meisten Deutschen sowieso schon ein un- gewöhnlich hohes Englischniveau haben und normalerweise mehr als bereit sind, ihr Sprachtalent unter Beweis zu stellen. An solch eine Reaktion bin ich mitt- lerweile gewöhnt. Trotzdem: Nach vier Jah- ren Deutsch an der Uni bedaure ich meine Entscheidung aber nicht. Es war eine kluge Entscheidung und eine Investition in die Zukunft. Seit Deutschland die Zeit der Finanzkrise mit Bravour überstanden hat, hat sich sein Image in Europa komplett geändert. Volker Kauder, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundesfraktion, kommentierte: “Jetzt wird auf einmal in Europa Deutsch gesprochen!” Für viele Leute war sein Kommentar riskant und ließ gleichzeitig an Deutschlands schlimme Vergangen- heit erinnern. Dennoch: In Bezug auf die Ökonomie steckt ein bisschen Wahrheit dahinter. Zurzeit ist Deutschland die größte Wirtschaftskraft in Europa, und trotz des unsicheren Ausblicks für die anderen EU- Länder rechnet Bundeswirtschaftsminis- ter Rösler mit einem weiteren Wachstum für Deutschland im kommenden Jahr. Wegen solcher Stabilität schätzen die Menschen weltweit die Chancen, die das Land bietet. Im Laufe der Jahre sind Menschen mit den verschiedensten Hintergründen nach Deutschland migriert. Günther Schwinn, Chef des Goethe Instituts in Frankfurt, berichtet, dass die Nachfrage nach Deutschkursen um ein Drittel gestie- gen sei und damit höher sei als je zuvor. Was bedeutet all dies für Studenten, die im Jahr 2012 Deutsch lernen? Nun: Viel! Nicht nur im Vereinigten Königreich, sondern in ganz Europa sehen wir hohe Jugendar- beitslosigkeit und Jahre der Einschränkung auf uns zukommen. Deutschkenntnisse sind ein Schlüssel zu den vielfältigen Kar- rierechancen, die nicht nur Deutschland, sondern auch Österreich und die Schweiz bieten. Englische Muttersprachler stehen in verschiedenen Bereichen hoch im Kurs, von Übersetzung und Lehre bis hin zu Lo- gistik, Beratung, Export und Import. Dabei muss man nicht unbedingt auswandern, um aus einem BA in Deutsch Nutzen ziehen zu können. In England gibt es zahlreichen Unternehmen, die Klienten in Deutschland haben und ständig auf der Suche nach Deutschabsolventen für Stellen im Be- reich Vertrieb und Kommunikation sind. Aus eigener Erfahrung kann ich hinzufü- gen, dass ich fast jedes Mal, wenn ich nach Deutschland geflogen bin, Gespräche von britischen Geschäftsleuten über Ver- träge oder Projekte in Deutschland mit- bekommen habe – immer auf Deutsch. Hier ein paar weitere Gründe, die dafür sprechen, dass man heute Deutsch lernen sollte – und dass wir stolz auf unser Fach sein sollten: • Wenn man Deutsch schon beherrscht, sind die meisten anderen Sprachen relativ einfach zu lernen. • Tatsache: Nicht alle Deutschen sprechen perfektes Englisch. Beispielsweise: meine Gastfamilie in Hamburg und auch Ex- Kanzler Gerhard Schröder. • Man kann mit langen Wörtern wie Rind- fleischetikettierungsüberwachungsauf- gabenübertragungsgesetz beeindrucken. • Man kann „Ich bin ein Berliner!“ schreien und verstehen, was man damit eigentlich meint. • Man kann die Werke von Hesse, Kafka, Goethe, Mann und den Gebrüdern Grimm lesen. Übersetzungen sind meist nur halb so gut wie das Original. Warum sollte man 2012 noch Deutsch lernen? von Leanne Harper 5. Ausgabe, März 2012

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Königspost 5 - März 2012

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U N I - L E B E NErzählungen vom Year Abroad- London & zurück- Prosit Erasmus- Ist das Gras auf der anderen Seite grüner?Kopf des Tages:Jasmin Takim

P O L I T I K & W I R T S C H A F TEurokrise & Energie- 10 Jahre Euro- Die Wahrheit wirdimmer unbequemer- Der Teufel ist einInvestmentbanker- London 2012 unddessen Effekte

K U L T U RMeinung, Foto & Olympische Spiele - “Seeing the difference”- Warum sind die Briten immer noch von Nazis fasziniert?

In England fangen Unterhaltungen mit Unbekannten fast immer gleich an:„Was machst du so?“ „Ich studiere Deutsch.“Lange Pause, argwöhnischer Blick. „Ach so, ähhm, darf ich mal fragen... wieso denn Deutsch?“

Zwei Dinge gehen dem Fragen-den dabei wahrscheinlich durch den Kopf: Einerseits, warum sich jemand für Deutsch entschieden hat, wenn er auch „schönere“ Sprachen hätte lernen können – romanti-sches Italienisch etwa, exotisches Spanisch, elegantes Französisch. Weiterhin fragen sich wohl die meisten, die sich ein biss-chen mit Deutschland auskennen, warum man Deutsch lernen sollte, wo doch die meisten Deutschen sowieso schon ein un-gewöhnlich hohes Englischniveau haben und normalerweise mehr als bereit sind, ihr Sprachtalent unter Beweis zu stellen.

An solch eine Reaktion bin ich mitt-lerweile gewöhnt. Trotzdem: Nach vier Jah-ren Deutsch an der Uni bedaure ich meine Entscheidung aber nicht. Es war eine kluge Entscheidung und eine Investition in die Zukunft.

Seit Deutschland die Zeit der Finanzkrise mit Bravour überstanden hat, hat sich sein Image in Europa komplett geändert. Volker Kauder, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundesfraktion, kommentierte: “Jetzt wird auf einmal in Europa Deutsch gesprochen!” Für viele Leute war sein Kommentar riskant und ließ gleichzeitig an Deutschlands schlimme Vergangen-heit erinnern. Dennoch: In Bezug auf die Ökonomie steckt ein bisschen Wahrheit dahinter. Zurzeit ist Deutschland die größte Wirtschaftskraft in Europa, und trotz des unsicheren Ausblicks für die anderen EU-Länder rechnet Bundeswirtschaftsminis-ter Rösler mit einem weiteren Wachstum für Deutschland im kommenden Jahr. Wegen solcher Stabilität schätzen die Menschen weltweit die Chancen, die das Land bietet. Im Laufe der Jahre sind Menschen mit den verschiedensten Hintergründen nach Deutschland migriert.

Günther Schwinn, Chef des Goethe Instituts in Frankfurt, berichtet, dass die Nachfrage nach Deutschkursen um ein Drittel gestie-gen sei und damit höher sei als je zuvor. Was bedeutet all dies für Studenten, die im Jahr 2012 Deutsch lernen? Nun: Viel! Nicht nur im Vereinigten Königreich, sondern in ganz Europa sehen wir hohe Jugendar-beitslosigkeit und Jahre der Einschränkung auf uns zukommen. Deutschkenntnisse sind ein Schlüssel zu den vielfältigen Kar-rierechancen, die nicht nur Deutschland, sondern auch Österreich und die Schweiz bieten. Englische Muttersprachler stehen in verschiedenen Bereichen hoch im Kurs, von Übersetzung und Lehre bis hin zu Lo-gistik, Beratung, Export und Import. Dabei muss man nicht unbedingt auswandern, um aus einem BA in Deutsch Nutzen ziehen zu können. In England gibt es zahlreichen Unternehmen, die Klienten in Deutschland haben und ständig auf der Suche nach Deutschabsolventen für Stellen im Be-reich Vertrieb und Kommunikation sind. Aus eigener Erfahrung kann ich hinzufü-gen, dass ich fast jedes Mal, wenn ich nach Deutschland geflogen bin, Gespräche von britischen Geschäftsleuten über Ver-träge oder Projekte in Deutschland mit-bekommen habe – immer auf Deutsch.

Hier ein paar weitere Gründe, die dafür sprechen, dass man heute Deutsch lernen sollte – und dass wir stolz auf unser Fach sein sollten:• Wenn man Deutsch schon beherrscht, sind die meisten anderen Sprachen relativ einfach zu lernen. • Tatsache: Nicht alle Deutschen sprechen perfektes Englisch. Beispielsweise: meine Gastfamilie in Hamburg und auch Ex- Kanzler Gerhard Schröder.• Man kann mit langen Wörtern wie Rind-fleischetikettierungsüberwachungsauf-gabenübertragungsgesetz beeindrucken. • Man kann „Ich bin ein Berliner!“ schreien und verstehen, was man damit eigentlich meint. • Man kann die Werke von Hesse, Kafka, Goethe, Mann und den Gebrüdern Grimm lesen. Übersetzungen sind meist nur halb so gut wie das Original.

Warum sollte man 2012 noch Deutsch lernen?von Leanne Harper

5. Ausgabe, März 2012

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MÄRZ 20121 Warum sollte man 2012 noch Deutsch lernen?3 Editorial

U N I - L E B E N4 Frankfurt-London und zurück 5 Kopf des Tages: Jasmin Takim Ein Prosit, ein Prosit der ERASMUS-Zeit!6 Ist das Gras auf der anderen Seite grüner?

P O L I T I K U N D W I R T S C H A F T7 10 Jahre Euro - nun die Krise8 Der Teufel ist ein Investmentbanker9 Die Wahrheit wird immer unbequemer10 Olympia 2012: Londons Erwartungen

K U L T U R11 Als Freiwillige bei den Olympischen Spiele Auf die Plätze, fertig, los!12 Meinung: „Don’t Mention the War“14 Helen MacCormac, „Seeing the Difference“

S P O R T16 Die Chancen der deutschen Nationalelf bei der EM 2012

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n Chefredaktion Uni-Leben

Politik und WirtschaftKultur

Kopf des TagesSport

Layout

Marie Cosnard, Peter DavidGhoncheh DolatshahiMarta MilekLeanne HarperSarah BhandariPeter DavidAarti Dodhia, Marie Cosnard, Peter David

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Die Zeitung ist von Final-Year Studenten am King’s College London zusammengestellt.

Die Redaktion wird von Christine Schallmoser (OeAD-Lektorin), Jasmin Takim und Florian Lippert (DAAD-Lektor) unterstützt.

Die Königspost ist die erste deutsche Zeitung des German Departments am King’s College London. Dieses Jahr werden wir drei Jahre alt!

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Editor ial Wir leben in schwierigen Zeiten. Klar wissen wir das und nehmen es wahr. Wie jede andere vernünftige und informative Publikation thematisiert auch eure Königspost im Jahr 2012 die erbarmungslose Eurokrise, die Abwärtsspirale unserer heutigen Lebensart und unseres unverantwortlichen Energieverbrauchs, und zeichnet sogar das Portrait des aktuellen Staatsfeinds Nummer Eins. Wusstet ihr nicht? Der Teufel ist ein Investmentbanker!

Aber so schnell lassen wir, die Studenten des German Departments am King’s College, uns nicht entmutigen. Da, wo die europäische Währung zu schei-tern scheint, zerbricht unser Ideal von Europa noch längst nicht. Das konkreteste Beispiel ist der Erasmus-Austausch. Wie in jeder Königspost-Ausgabe freuen wir uns auch dies-mal wieder, von AustauchstudentInnen am King’s College oder von King’s Student-Innen „abroad“ zu hören. Ihre Berichte sind Beweise dafür, welche Bereicherung die europäische Vernetzung und das Beherrschen fremder Sprachen bedeuten.

Und dieses Jahr gehen die Grenzen über Europa hinaus. Im Sommer emp-fängt London die Olympischen Spiele – Anlass für großen Trubel, viel Teamgeist und weltweite Beachtung. Dank dieser Riesenveranstaltung fällt es uns – als Studierenden am Nabel der Welt – leichter, die weitreichende Krise ein wenig zu ignorieren.

Dem können wir nur noch hinzufügen, welch eine Freude es war, samt der ganzen Redaktion diese neue Ausgabe der Königspost zu leiten und zu gestalten. Wir bedanken uns alle ganz herzlich bei unseren fleißigen Mitwirkenden und Amateur-journalisten, sowie bei Florian Lippert, Christine Schallmoser und dem KCL German Department für ihre Unterstützung und hoffen, dass unsere Leser diese Freude teilen.

Marie Cosnard und Peter David

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Wenn man an einem ganz gewöhnlichen Werk-tag den Posteingang seines Email-Postfachs öffnet und eine Nachricht darin findet, in der die Zusage für ein Aus-landssemester in London steckt, ist es durchaus möglich, ohne jede körperliche Anstrengung den Puls eines Mara-thonläufers zu erreichen. Zwar hat man sich vermutlich schon seit Wochen Gedanken darüber gemacht, was man nun zu erwarten hat, doch erst diese Mail treibt den Adrenalinspiegel endgültig in die Höhe. Wenn es letztlich gelungen ist, sich durch den bürokratischen Dschun-gel eines fremden Studiensystems zu kämpfen und alle benötigten Papiere beisammen zu haben, kann man nur wenig später anfangen zu packen, und schon ist man auf dem Weg in das Getümmel der berühmten, großen Stadt. Zumindest ich kann von mir behaupten, noch im Zug von Frankfurt nach London mein Gehirn darüber zermartert zu haben, was mich wohl erwarten würde. Wenn man zusammenfasst, welche Vorstellungen in den Gesprächen, die man mit Verwandten, Freun-den und Bekannten vor der Abreise geführt hat, geäu-ßert worden sind: Nasskaltes Wetter, eine noch extre-mere Bürokratie als die deutsche, Marmite, Minzsauce und indische Curries, ein unpersönliches Getümmel? Tee um fünf, ruhiges Warten vor den Bussen, Postkarten mit Bildern der Queen und Lady Di an jeder Ecke, un-verständliche Akzente und noch mehr Marmite?

Wenn man sich nie länger als ein paar Wochen in einer wirklich großen Stadt aufgehalten hat – Frankfurt zeichnet sich schließlich nicht gerade durch seine Größe aus – kann man sich kaum vorstellen, das Leben in einer Millionenstadt wie London überhaupt zu meistern, schon gar nicht in sechs Monaten, die man vermutlich schon braucht, um sich den Weg von der Wohnung zur Uni ein-zuprägen. Ist man endlich angekommen und hat einen Platz zum Wohnen gefunden, findet man sich aber doch erstaunlich schnell zurecht. Vom klischeehaften regner-ischen Wetter ist keine Spur zu sehen, man kann sich in den allermeisten Fällen blendend verständigen, und wenn man verloren und verwirrt, einen Stadtplan in den Händen, mitten in der Stadt steht, wird man überraschend von Pas-santen angesprochen, die spontan Hilfe anbieten. Alles in allem also eine schnelllebige, bunte und, wenn auch stressige, doch sehr sympathische und liebenswerte Stadt. Dieses Bild setzt sich am College nahtlos fort. Ich, die ich mich anfangs doch ein wenig gefürchtet habe, an der Bürokratie oder an der Sprache (besonders in den Seminaren) zu scheitern, bin von der Uni sehr an-genehm überrascht. Dank Compass, netten Kommili-tonen und sehr hilfsbereiten Dozenten gibt es kaum or-ganisatorische Probleme, die nicht überwunden werden können, die Stimmung in den Seminaren ist durchweg gut und die Auswahl an Themen hält für jeden Ger-manistik-Stundenten etwas bereit. Sowohl die „einheim-

ischen“ Studenten als auch die Dozenten haben mir von Anfang an das Gefühl gegeben, schon seit meinem ersten Semester am King’s College eingeschrieben zu sein, und haben es mir so unheim-lich leicht gemacht, mich wirklich zu Hause zu fühlen. Wäre es nicht so teuer hier zu leben und würden mich nicht zurück an der Goethe-Universität so einige Prüfungen erwarten, würde ich unheimlich gerne länger bleiben und mehr Zeit am King’s College und in der Stadt verbringen. Denn ein halbes Jahr kann nicht genug sein, um die Stadt in allen Facetten zu er-leben, wenn vermutlich nicht ein-mal ein ganzes Leben Zeit genug dazu ist. Die Erfahrungen, die ich aus England mit nach Hause neh-me, sind auf jeden Fall Gold wert und ich würde jedem, der über ein Auslandssemester am King’s College nachdenkt, raten, sich zu bewerben. Auch wenn mir noch zwei – hoffentlich genauso interessante und angenehme – Monate bevorstehen, kann ich mir jetzt schon vorstellen, welche Gedanken mir im Zug von Lon-don nach Frankfurt durch den Kopf gehen werden: So manches Klischee vom Leben in London ist durchaus wahr und auch wenn die Vorfreude auf ein Wiedersehen mit Freunden und Familie groß ist, werde ich das alles doch sehr ver-missen. Naja, fast alles... Marmite möchte ich doch ausnehmen!

Frankfurt-London und zurückvon Rebecca Wismeg

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Vielleicht hat der eine oder die andere schon Jasmin Takim kennengelernt. Sie ist seit kurzem Praktikantin im German Department und bietet Studenten Hilfe beim Sprachtraining. Was man aber vielleicht nicht kennt, ist ihre Geschichte vor ihrer Zeit am King’s. Jasmin kommt aus Frankfurt am Main, und früher arbeitete sie als Journalistin in dieser Stadt, die auch bekannt ist als „Bankfurt“ oder „Mainhat-tan“. 2007 machte sie ein Praktikum bei einem Stadtmagazin in Frankfurt und arbeitete anschließend als freie Mitarbeiterin dort. Nach eineinhalb Jahren bewarb sie sich um ein Volontariat, und in dieser Zeit schrieb sie Reportagen, Berichte und Meldungen über eine Menge Themen. Ihre Karriere als Jour-nalistin ging voran: Sie arbeitete als Online-Redakteurin bei der Frankfurter Rundschau. Während dieser Zeit betreute sie vor allem die Seiten mit lokalen Berichten aus Frankfurt und der Umgebung. Für begabte Nachwuchsjournalisten hat Jasmin ein paar Tipps: Sie erklärte, dass „man sich in Deutschland an Journalistenschulen bewer-ben [kann], allerdings muss man dann richtig gut sein: Es gibt schwierige Auf-nahmeprüfungen und sehr viele Bewerber für wenige Plätze.“ Sie empfiehlt weiter: „Ansonsten kann man sich für Praktika bewerben und versuchen, über ein Volontariat in den Job zu kommen. Ein Volontariat ist eine zweijährige Ausbildung zum Redakteur.“ Überdies glaubt sie, es könne nützlich sein, sich auf einen Bereich zu spezialisieren, eher als über alles zu schreiben. „Dann kennt man sich auf einem Gebiet besonders gut aus, während man sonst vielleicht über alles ein bisschen Bescheid weiß, aber nicht wirklich viel.“ Jasmin möchte Stereotype über Journalismus korrigieren. Ein besonders häufiges sei die Vorstellung, dass man „ständig irgendwelche berühmten Leute trifft oder auf spannenden Veranstaltungen ist“. Ein weiteres ernsthaftes Prob-lem: „In Deutschland ist es so, dass sehr viele Frauen in den Beruf kommen, aber nur wenige wichtige Positionen haben. Die Chefs sind also fast immer nur Männer.“

Nun denn, King’s-Studenten: Zeigt, dass es besser geht!

Eines schönen Tages im September machten sich zwei Germanistik-Studentinnen aus München auf den Weg nach London – mit großen Erwartungen und zu viel Gepäck, um es allein zu tragen. Bei Ankunft gleich der erste Schock: Die Sonne scheint! Dabei hatten sie sich doch auf ein Jahr im Regen vorbereitet. Als nächstes folgte die Herausforderung, sich durch sämtliche Bus- und Tubepläne zu kämpfen und dabei in der verwirrenden Welt des englischen Linksverkehrs nicht überfahren zu werden. Endlich im neuen Zuhause angekom-men, fand man sich vom gewohnten, geräumigen Apartment im Zentrum Münchens versetzt in ein nicht mehr als zwölf Quadratmeter großes Zimmer oder, noch schlimmer, in ein neun Quadratmeter großes Kämmerchen, das eher einer Gefängniszelle als einem Zimmer glich. All dies bei astronomischen Mietpreisen und inmitten eines heruntergekommenen Uniwohnheims voller ganztägig durchdrehender 18-jähriger ‚Freshers’ und mit schrecklichem Essen. Luxus ist zwar etwas anderes, aber was nimmt man nicht alles in Kauf, um für ein Jahr in einer Stadt wie London leben zu dürfen! Schon in der ersten Uniwoche wurde klar, dass die im Vergleich zur Münchener Universität fast zehnmal höheren Studiengebühren hier nicht umsonst gezahlt werden. Es wurden ausführliche Einführungsveranstaltungen organisiert und man profitierte von Anfang an von einer persönlichen Betreuung, anstatt in einer anonymen Masse von Studenten zu verschwinden, wie es in Deutschland leider oft der Fall ist. Dieser Eindruck setzte sich auch in den kleinen Seminargruppen fort, in denen es einen aktiven Austausch zwischen Studenten und Lehrkörpern gibt. Es ist sogar möglich, die hilfsbereiten Professoren persönlich oder über Email zu kontaktieren, wobei einem immer gern geholfen wird. Das war eine ganz neue Erfahrung für die beiden Münchnerinnen, die Professoren gewöhnt waren, die auch nach einigen Jahren noch keinen einzigen Studentennamen kennen und einen gut und gerne mal ein Jahr auf korrigierte Hausarbeiten warten lassen. Ein weiterer positiver Unterschied zur Heimat sind die vielfältigen Angebote der Student Union, mit denen man auf der Fresher’s Fair überwältigt wurde. Das King’s College hat sogar einen eigenen Club und eine Bar (mit studentenge-rechten Bierpreisen) zu bieten, die unsere kleine Germanisten-Cafeteria in München alt aussehen lassen. Ein Pendant zur Student Union gibt es in Deutschland überhaupt nicht. Natürlich hat London generell viele interessante Clubs und Bars zu bieten, die schon in den ersten beiden Monaten des Aufenthalts den kompletten Erasmus-Etat verschlangen. Selbstverständlich wurde nämlich gerade in den ersten Wochen fleißig ausgegangen, auch die Erasmus-Partys und die von der German Society organisierten Oktober-feste wurden nicht ausgelassen. Allerdings sollte man nicht anfangen, die Getränkepreise in Euro umzurechnen, wenn man die Abende richtig genießen möchte. Der wohl größte Unterschied zum deutschen Nachtleben sind die Londoner Öffnungszeiten: Es ist nicht unüblich, sich schon um 8 oder 9 Uhr in Pubs zu treffen, die teilweise schon um 11 Uhr schließen; oft kommt man sogar aus den Clubs zu Uhrzeiten nach Hause, zu denen man sich in Deutschland erst auf den Weg dorthin machen würde.

Trotzdem find mas griabig und a supa Sach und gfrain uns auf die letzen scheena Monate hier. Servus!

Kopf des Tages: Jasmin Takimvon Sarah Bhandari

Ein Prosit, ein Prosit der ERASMUS-Zeit!von Johanna Klinger und Carina Breidenbach

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Lockere Tagesausflüge auf den Skipisten, ein sonntäglich-faules Film-Frühstück, ein Abend auf einem Ball in der Hofburg, Eislaufen durch den Park vor dem Rathaus, laufen durch den Schlosspark Schönbrunns und gelegentlich ein Auftritt an der großartigen Universität. Das ist ein Leben, von dem viele Studenten nur träumen können. Ich bin so privilegiert, sagen zu können, dass ich ein volles akademisches Jahr in einer der besten und schönsten Studentenstädte der Welt verbringe, wo ich tatsächlich so leben kann.Wien ist unter anderem bekannt für seine erstaunli-che Architektur, die entspannte Lebensart und die Kaffee-Kuchen-Kultur. Solche Klischees sind nicht ganz unwahr. Allerdings: Da ich nun keine Touristin mehr bin, habe ich nun schon einige Erfahrungen im achten Bezirk Wiens gemacht, wo es scheint, dass es viel mehr im Leben als nur Kaffee und Kuchen gibt. Er ist nicht nur ein schöner kleiner Bezirk ganz in der Nähe der Inneren Stadt, sondern auch weit genug entfernt von dem glänzenden, perfekten Wien, das die Touristen sehen. Mit verstreuten Kebab-Standln und dem Rotlichtviertel von Wien am Ortsrand hat der Bezirk echten Charak-ter. Er verbindet das Gefühl einer kleinen hektischen Hauptstadt mit dem gemein-schaftlichen Gefühl einer Kleinstadt. Alles, was man braucht, ist greifbar. Die Wiener beziehungsweise Öster-reicher hier sind sehr sympathisch. So sehr, dass ich einmal von einer gebrechlichen alten Wiener Frau zum Abendessen einge-laden wurde und eine Mütze, ein paar Handschuhe und einen Schal angeboten bekam, wegen des plöt-zlichen Temperatursturzes. Neben warmer Kleidung bekam ich auch einige Informationen über die Frau. Ihr Name war Lisi, sie war 78 Jahre alt, sie mochte gutes Essen, Schwimmen und Reisen. Zufällig konnte sie auch sehr gut Englisch. Ich denke, dass es einen Grund gibt, warum wir Engländer bei anderen Sprachen so schrecklich sind. Ab dem Augenblick, in dem die Menschen den britischen Akzent hören, gibt es keine Chance, mit ihnen Deutsch zu sprechen, weil der „Mythos“, dass jeder ein bisschen Englisch spricht, tatsächlich wahr ist. Zum Glück habe ich dieses Problem nicht mit Ös-terreichern, aber unter Erasmus-Studenten ist es ein Fluch, Englisch als Muttersprache zu haben. Warum Englisch die Lingua Franca in so großen Teilen der Welt wurde, ist mir ein Rätsel. Auch jenseits der allgemeinen Auslandser-fahrung habe ich viel gelernt. Momentan stehe ich auf halben Weg meines Jahres im Ausland. Ein Se-mester vorbei, eine weiteres vor mir. Ich vermute, dies ist ein günstiger Zeitpunkt, das gerade vergang-ene Semester Revue passieren zu lassen. Ich erin-

nere mich, dass meine ersten drei Wochen in Wien als Sprachkurs-Studentin einfach eine der besten Zeiten waren, die ich je gehabt habe. Ich hatte nicht nur Gelegenheit, meine Umgebung zu entdecken, meine Sprachkenntnisse zu verbessern und auch die bürokratischen Dinge zu erledigen, sondern ich traf auch wirklich tolle Leute. Denjenigen, die vor einem Auslandsjahr stehen, würde ich einen Sprachkurs sehr empfehlen, auch wenn ihr glaubt, eure Sprache hat es nicht nötig. Danach meldete ich mich dann für eini-ge Vorlesungen an der Haupt-Uni an, die alle un-glaublich interessant waren. Allerdings habe ich noch

ein paar Kritikpunkte am österreichischen Bildungs-system: Nicht nur sind die Vorlesungen zu groß und sehr unpersönlich, sondern es gibt auch keine zen-trale Organisationseinheit, die z.B. wichtige E-Mails sendet. Darüber hinaus muss man sich selbst für die Prüfungen anmelden. Man ist im Wesentlichen selbst verantwortlich für die gesamte Ausbildung an der Universität. Vieles hiervon lässt sich auf die Tatsache zurückführen, dass österreichische Studierende keine Studiengebühren bezahlen müssen. Obwohl dieses System junge Leute zu unabhängigen und verant-wortungsbewussten Studenten macht, bin ich doch sehr dankbar, dass mir meine Ausbildung jenseits des Ärmelkanals mit dem Löffel gefüttert wird.

Also, bitte schön: Ein paar Einblicke in mein Jahr als Austauschstudentin. Ist das Gras auf der anderen Seite grüner? Ich würde „ja“ sagen, aber das hängt von persönlichen Vorlieben ab. Bildung ist subjektiv und jedermanns Bedürfnisse sind unter-schiedlich. Was auch immer man genießt, ich bin sicher, egal wo man ist, wird man eine verdammt gute Zeit während des Jahrs im Ausland haben.

Ein paar Einblicke in mein Jahr als Austauschstudentin: Ist das Gras auf der anderen Seite grüner?von Sana Patel

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Der Euro wurde am 1. Januar 2002 in zwölf EU-Ländern offiziell eingeführt, und bis heute ha-ben fünf weitere Länder den Euro aufgenom-men. Diese Einführung und die wirtschaftlichen Kriterien für den Beitritt eines Landes wurden 1992 im Vertrag von Maastricht dargelegt und werden von der Europäischen Zentralbank (EZB) überwacht. Obwohl Griechenland die Kriterien nicht erfüllt hat, ist es der Eurozone trotzdem beigetreten. Nun muss die EZB in Kooperation mit den Landesbanken die Stabilität des Finanz-markts wiederherstellen. Dies ist ein internatio-nales Problem, da mehrere Länder bis nach Afrika ihre Währung an den Euro gekoppelt ha-ben und weil der Euro auf dem Finanzmarkt die wichtigste Währung nach dem US-Dollar ist.

Der „Teuro“-Mythos

Zwar hat diese gemeinsame Währung den Handel und den Finanzmarkt in Deutschland gestärkt, trotzdem wird der Euro oft als teurere Alternative zur Deutschen Mark empfunden. Gemäß einer Umfrage des Focus im Jahr 2008 wollten 30% der Bürger die Deutsche Mark wie-der, obwohl laut der EZB die Inflation von 3% (zu Zeiten der D-Mark) nun auf 1,6% gesunken war. Außerdem erlebte Deutschland durch diesen vereinten Handelsmarkt einen Exportboom: Laut Spiegel ist der Handel mit den anderen EU-Ländern von 3% auf 9% gestiegen. Diese Werte zeigen, dass unsere Wirtschaft und Währung durch die Einführung des Euro gestärkt worden sind. Wieso fühlen sich dann viele Deutsche trotzdem ärmer? Der Grund für manche nega-tive Rezeption des Euro liegt darin, dass viele Gastronomen ihre Preise nicht der Euro-Einfüh-rung angepasst und entsprechend umgerech-net hatten (2DM = 1€). Zudem gab es laut Einslive-Radiomagazin unabhängig vom Euro einige Preissteigerungen. Zum Beispiel kosteten Fleischwaren nach den BSE-Skandalen im Jahr 2001 7,7% mehr.

Jetzt die Krise

Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen der Euro-Einführung 2002, der Kredit-klemme 2008 und der derzeitigen Eurokrise. Im Jahr 2002 führte Griechenland den Euro ein, ob-wohl es die Kriterien des Vertrags von Maastricht nicht erfüllt hatte. Laut Spiegel erlaubte dieser gemeinsame Finanzmarkt dem Land, günstige

Darlehen aufzunehmen – im Vergleich zu den hohen Zinsen zur Zeit der griechischen Drachme. In der Finanzkrise von 2008 jedoch ge-rieten die Schulden außer Kontrolle, und durch die Währungsunion konnte Griechenland seine Währung im Vergleich zur Währung anderer Länder nicht abwerten, z.B. um billigere Exporte zu schaffen. Dieses Problem zeigt sich nicht nur in Griechenland, sondern auch in Portugal, Italien, Irland und Spanien, dessen Wirtschaftssysteme nicht stark genug sind, um der Verschuldung entgegen zu wirken. Nun muss Griechenland drastische Spar-pläne umsetzen, um ein zweites Hilfspaket der Europäischen Union und des Internationalen Rettungsfonds (IWF) von 130 Milliarden Euro zu bekommen. 199 von 300 Abgeordneten des Parlaments unterstützten den Plan, der unter an-derem Entlassungen von Staatsdienern und die Senkung des Mindestlohns von 751€ auf 568€ beinhaltet. Dies führte nicht gerade zu Begeis-terungsstürmen – teilweise geriet die Situation außer Kontrolle, die Brände in Athen sind noch in guter Erinnerung. Jetzt droht Portugal der wirtschaftliche Zusammenbruch, obwohl es im April 2011 schon 78 Milliarden Euro Finanzhilfe bekam. Zwar sind IWF und EZB mit den Sparplänen Portugals zu-frieden, trotzdem rechnet Nicolai Kwasniewski vom Spiegel damit, dass das Bruttoinland-sprodukt, wie bei Griechenland, um 3 bis 6 % schrumpfen wird.

Und Deutschland?

Deutschland hat im Vergleich vom Euro profitiert und seine Wirtschaft gestärkt, was man auch an den Arbeitslosenquoten sieht: 5,5% in Deutschland, 13,4% in Portugal und über 20% in Griechenland. Trotzdem ist es als Mitglied der Eurozone von dieser Krise betroffen und hat seine Stellung neuerdings geändert. Zwar hat Deutschland im Juni 2011 3,2 Milliarden Euro zum Hilfspaket für Griechenlands 300 Milliarden Euro Schulden beigetragen, jetzt jedoch droht Deutschlands Finanzminister Schäuble die Hilfe zurückzuneh-men, falls Griechenland nicht genügend Spar-maßnahmen ergreift. Anfang Februar hat Schäuble in diesem Sinne Deutschlands Beteiligung am Schulden-schnitt abgelehnt, was von Griechenlands Staat-spräsident Karolos Papoulias kritisiert wurde. Hoffentlich bringt diese Taktik größere Resultate, denn Zeit ist Geld.

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10 Jahre Euro - nun die Krisevon Antonia Foldes

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Lange galt ein Gangster im maßgeschneiderten Anzug als ein Bild des Bösen im Film, doch dann wurde seine Rolle durch eine andere Figur ersetzt. In der heutigen, krisengeschüt-telten Welt vertritt der gierige Banker das Böse. Dabei ist er genauso gut gekleidet und genauso rücksichtlos wie ein Mafioso, geriert sich aber als Wolf im Schafspelz. New York bei Nacht. Ein Hubschrauber landet auf dem Dach eines Wolkenkratzers. Der Chef einer großen Investmentbank steigt aus der Maschine. Etwas später wird er eine folgenschwere Entscheidung treffen: „Es lohnt sich nicht mehr, wir verkaufen alles.“ Am nächsten Tag fallen die Kurse an der Börse ins Bodenlose. Die Weltfinanzkrise beginnt. Das ist eine Szene aus dem Film Der große Crash, der seit September 2011 in den deutschen Kinos läuft und erschreck-end aktuell ist. Der Film dokumentiert die welt-weite Finanzkrise, die mit der Lehman-Pleite in den Vereinigten Staaten vor drei Jahren begann und sich bis heute auch auf die Staaten des Euro-raums auswirkt. Die Hand-lung des Films konzentriert sich auf einen einzigen Tag, auf einige Stunden vor dem großen Crash. Doch reicht dies aus, um die Kurzsichtigkeit des Fi-nanzsystems mit all seinen Intrigen, seiner Arroganz und seiner Blauäugigkeit aufzudecken? Vor einigen Jahrzehnten hatte man im Kino Angst vor einem sowjetischen Agenten in der CIA oder vor einem Drogenbaron. Dann wurde die Rolle des Schurken an fanatische Terroristen übergeben. Heutzutage wird das Böse in der Figur eines Bankers personifiziert. Wurde er vor kurzem noch als ein todlangweiliger Kerl im grauen Anzug dargestellt – jetzt erscheint er als rücksichtloser Player, der das Los von Millionen in den Händen hält.Im westlichen Kino ist dieses Bild des Bankers eine radikale Antwort auf die Konsequenzen der Krise. Im letzten Jahr erhielt Inside Job, Charles H. Fer-gusons Dokumentarfilm über das Fi-nanzsystem, einen Oscar. Es gibt eine Reihe von Spielfilmen mit derselben Thematik wie Der große Crash, am be-kanntesten sind wohl Wall Street und

seine Fortsetzung Wall Street: Geld schläft nicht. Diese Produktionen be-dienen den Wunsch der krisenge-schüttelten Zuschauer nach Genug-tuung und geben den Filmschaffend-en die Möglichkeit, das Bild des Bösen im Kino neu zu gestalten. Das Schlimmste dabei ist, dass die Inspiration zu diesen Filmen aus der Wirklichkeit stammt. Es ist in diesen Tagen schwierig, jemanden zu finden, der von der Bewegung Occupy Wall Street nichts gehört hat. Wenn der Zuccotti Park in Lower Manhattan von Demonstranten mit Occupy-Schildern besetzt wird und aufgebrachte Bürger auf den Straßen der europäischen Hauptstädte protestieren, sollte man sich in der Tat Sorgen machen. Dies gilt insbesondere, wenn Milliarden auf

den Konten arroganter und zynischer Banker landen. Ein anonymer Nach-wuchsbanker gibt an, dass er eine Viertelmillion Euro für das, so wörtlich, „Rumspielen mit Zahlen auf dem Bild-schirm“ erhalte. Dazu erhielten Banker trotz Verlusten erst kürzlich wieder Bo-nustöpfe in Milliardenhöhe. Somit wird klar, dass das, was in den großen Finanzkonzernen pas-siert, jeden und jede von uns persön-lich betrifft. Dominique Strauss-Kahn beobachtet in Inside Job, dass eine Krise summa summarum immer die Ärmsten am härtesten treffe, folglich formiere sich überall eine Gegenbe-wegung zu der ungebremsten Macht der Finanzmärkte. In Berlin sammelten sich bis zu 10.000 Menschen vor dem Brandenburger Tor, um ihre Unzu-friedenheit über die Auswüchse des Kapitalismus zu demonstrieren. Dazu

kommen bis zu 6000 Beteiligte, die teilweise vor der Europäischen Zentral-bank in Frankfurt kampieren, und an-dere große Gruppen in München und Hamburg. Die Schlagworte sind immer dieselben: „Das Leben von 99% aller Menschen wird von 1% der Mensch-heit diktiert.“ Die Banker werden heute fast überall gehasst, gerade auch, weil nicht klar ist, ob sie ihren relativen Reichtum im Vergleich zu anderen Berufsgruppen verdienen. Dabei ha-ben sie ihre Überzeugungen und bis zu einem gewissen Grad auch ihre „Männlichkeit“ – es handelt sich ja größtenteils um Männer – verloren und leben ihren arroganten, geldgeilen Lebensstil weiter. Diese Lebensweise und das damit verbundene negative

Image haben den Bank-ern den Spitznamen „Bankster“ eingebracht, was und zur Ausgangs-beobachtung zurück-führt, dass „der Banker“ im Film heute zum Syn-onym des Gangsters geworden ist. Es ist kein Wunder, dass es weder in Der große Crash noch in Wall-Street Männer gibt, die mit ihrem ei-genen Leben zufrieden sind. Einer der Protago-nisten gibt seine Ideale auf, um Hypotheken abzuzahlen, der an-dere verliert seine Liebe auf der Jagd nach Er-folg. Für den Ruhm im Job zahlt der Bankster demnach mit Einsam-keit und Sozialneurose.

Die Finanzkrise ist also nicht nur ein ökonomischer Niedergang, sondern sie verdeutlicht auch den Wertever-fall in gewissen Teilen unserer Gesells-chaft, die sich mehr und mehr vom „normalen“ Bürger distanziert. An-dererseits muss man den Bankern zu-gutehalten, dass es in der Natur des Menschen liegt, überleben zu wollen. Heutzutage schlägt sich dieser Instinkt darin nieder, dass jeder für seinen Job kämpft, und so muss man den Bankern zugestehen, dass sie für ihre eigenen Interessen kämpfen. Würden wir nicht alle gern so viel verdienen wie sie? Wie so oft gibt es also auch hier zwei Seiten der Medaille, sogar in der abstrusen Welt der Finanzen.

Der Teufel ist ein Investmentbankervon Marta Milek

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In der griechischen Mythologie wurde die Büchse der Pandora aus Neugier und Unwissen geöffnet. Doch heutzutage öffnen wir sie wider besseren Wissens. Von Tag zu Tag ein bisschen mehr – trotz aller Warnungen. Als im Mittelalter in Europa, insbesondere in Groß-britannien, das Brennholz ausging, fingen die Menschen an, Kohle zu verbrennen. Doch bereits nach wenigen Jahr-zehnten war die leicht zugängliche Kohle zum

größten Teil aufgebraucht. Nach einigen Versuchen, die schwerer zugäng-lichen Schichten zu erreichen, ermög-lichte schließlich die von James Watt erfundene Dampfmaschine

die erste kommerzielle Nutz-ung des fossilen Energie-trägers. Bereits ab diesem Zeitpunkt waren die Haupt-zutaten für die Industrielle Revolution vorhanden: Fossile Brennstoffe plus die Möglichkeit, diese kommerziell zu nutzen. Dann überschlugen sich die Ereignisse: Fara-day erfand den ersten Elektromotor, mit Tesla wurde der Wechselstrom eingeführt. Bald fingen die ersten Elek-trizitätswerke an, Kohle zu verbrennen. Währenddessen bohrte der US-Amerikaner Drake das erste Mal erfolgreich nach Erdöl, Carl Benz baute das erste moderne Automo-bil, chemische und pharmazeutische Erzeugnisse wie der erste Dünger von Harber und Bosch ließen die Lebenser-wartung der Menschen steigen und Bevölkerungen wach-sen. Der Erste Weltkrieg war der erste durch fossile Brenn-stoffe getriebene Konflikt, während der Zweite Weltkrieg von ferngesteuerten Raketen und Atombomben domi-niert wurde. Erst mit der Ölkrise in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts begann die westliche Welt zu merken, wie abhängig sie vom „schwarzen Gold“ ist. Es gab die ersten autofreien Sonntage und Umweltbewegungen. Doch fal-lende Ölpreise ließen die „Krise“ schnell wieder in Verges-senheit geraten. Auf politischer und ökonomischer Ebene gab es einen zunehmenden Machtkampf zwischen Plan- und freier Marktwirtschaft. Die freie Marktwirtschaft gewann. Auf Wiedersehen, böse Sowjetunion! Die Politiker ent-schieden, dass der Markt schon alles richten würde. Die Globalisierung nimmt Überhand, als die Unternehmen merken, dass Arbeit in China günstiger ist. Mittlerweile ver-brennt China mehr als die Hälfte der weltweiten Kohle, um Exportprodukte herzustellen. Aber wo wird es in Zu-kunft mehr Öl und Kohle herbekommen, um mehr Wachs-tum zu finanzieren? Die Umweltprobleme häufen sich. Steigende CO2-Werte führen zu Hitzewellen, Überflutung, Dürren. Wälder verschwinden. Spezies sterben tausend-mal schneller aus als auf natürliche Weise. Das Trinkwas-ser wird knapper. Die leicht zugänglichen Ölreserven sind zunehmend erschöpft. Ölkonzerne bohren kilometertiefe Löcher in die Ozeane und nehmen dabei verheerende Umweltkatastrophen in Kauf. Eine bisher als beherrsch-bar erachtete alternative Energiequelle verseucht ein

ganzes Land für mehrere tausend Jahre. Weitere, noch tiefer reichende Konsequenzen sind noch völlig unklar. Die Produktion wird zunehmend vom Westen in die umwelt-verschmutzenden Entwicklungsländer verlegt, während sich die USA immer mehr zu einem Spielcasino entwickeln. Der Finanzsektor der USA macht mittlerweile 40% der Bin-nenwirtschaft aus. Die Wall Street hat zu hoch auf Kosten der Main Street gepokert. Das Bankensystem kollabiert. Die Arbeitslosigkeit steigt. Kredite verflüchtigen sich. Die Welt steht wirtschaftlich und ökologisch vor einem Kollaps. Es ist erstaunlich, wie weit wir in nur 200 Jahren, in gerade mal drei Generationen, gekommen sind. Aber wo soll das noch hinführen? Wir können die Bevölkerungs-zahl nicht endlos steigen lassen. Wir können nicht weiter Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre ausstoßen. Wir dürfen nicht weiter den Mutterboden verseuchen. Wir können unsere Wirtschaft nicht weiter an fossile Brennstoffe bin-den. Wir können nicht einfach mehr Geld drucken, um die Schuldenprobleme zu lösen. Prinzipiell gibt es vier Dinge, denen wir höchste Pri-orität widmen müssen: Ein Leben ohne fossile Brennstoffe; eine Anpassung an das Ende des wirtschaftlichen Wachs-tums, wie wir es kennen; eine nachhaltige Stabilisierung des Weltbevölkerungswachstums; und eine ernsthaftere Auseinandersetzung mit dem Erbe der Umweltzerstörung.Kurz gesagt: Wir brauchen eine umweltverträglichere und nachhaltigere Lebensweise. Aber schaffen wir das auch?Erneuerbare Energien sind wichtiger denn je, aber noch immer keine vollkommene Alternative, um fossile Brenn-stoffe in der Zeitspanne, die uns noch bleibt, zu ersetzen. Unsere gesamte Infrastruktur ist komplett auf fossile Energieträger ausgelegt. Städte müssen neu geplant, bisherige Produktionsprozesse und viele weitere Dinge müssen neu überdacht werden. Auch unsere kulturellen Werte sollten nicht missachtet werden. Keines unsererglobalen Probleme kann in lokaler Isolation gelöst werden.

Viele Länder versuchen bereits, erste Akzentezu setzen. In Deutschland beispielsweise zeichnet sich zumindest oberflächlich eine „grüne Wende“ ab, wenn auch aus mannigfaltigen Motiven. Das Umweltbewusst-sein der Bevölkerung wächst, Atomkraftwerke werden still gelegt und es wird in erneuerbare Energien investiert. Doch solange wir nicht bereit sind, unseren verschwender-ischen Lebensstil zu ändern, werden auch diese Bemühun-gen effektlos bleiben. Ein postfossiles Zeitalter in naher Zukunft scheint unvermeidbar. Die Wahrheit ist unbequem und sie wird immer unbequemer, von Tag zu Tag. Entweder machen wir so weiter wie bisher und nehmen verheerende Konse-quenzen für unsere Umwelt und uns in Kauf, oder wir ent-scheiden uns, etwas zu ändern und die Büchse endlich zu schließen. Wir haben die Wahl.

Die Wahrheit wird immer unbequemervon Nicolas Volkhausen

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Diesen Sommer wird London (schon zum dritten Mal!) Gastgeber der Olympischen Sommerspiele. Wie wird so ein welt-umspannendes Fest eigentlich vor-bereitet? Mich interessierten insbesondere die Rolle der Stadtverwaltung und die Besorgtheit um das Nachhinein. Vincent Béal, Dozent am King’s College, dessen Vorlesung „Urban Governance und Regeneration“ ich jeden Mitt-woch folge, war der treffende Ansprechpartner um meine Fragen zu beantworten.

Warum haben Städte wie London Interesse daran, Veran-staltungen wie die Olympischen Spiele zu organisieren? Für eine Stadt wie London, bringt es sehr viele Vorteile, solch eine Mega-Veranstaltung zu organisieren. Allerdings liegt das größte Interesse am Potenzial solcher Ereignisse, die Wettbewerbsfähigkeit der Stadt zu stärken. Um dies zu verstehen, ist es wichtig, auf die jüngste Ge-schichte der Olympischen Spiele zurückzukommen. Letz-tens haben die veranstaltenden Städte dieses Ereignis als ein Mittel zur Förderung des Wandels genutzt. Das Beispiel von Los Angeles wird oft verwendet, um dieses Argument zu illustrieren. Die Spiele von 1984 können als erste der post-fordistischen Epoche betrachtet werden, im Sinne, dass sie weitgehend von einem wirtschaftlichen Grundprinzip dom-iniert wurden, das zum Engagement des privaten Sektors, zu Rentabilität und Transformation der urbanen Identität führte. Ein jüngeres und vielleicht weniger karikaturartiges Beispiel sind die Spiele, die 1992 Barcelona ermöglicht ha-ben, sein Image zu verändern und zu einem Muster des eu-ropäischen Städtebaus zu werden. Der Fall von London ist wohl komplexer. Es ist eine globale, wirtschaftlich sehr dynamische Stadt, die bei Inve-storen und Touristen zugleich bereits über ein sehr positives Image verfügt. Jedoch bleibt das Interesse gleich. London nutzt die Olympischen Spiele, um Investitionen in die Stadt zu ziehen. Gleichzeitig stärkt sie ihr Image als wettbewerbso-rientierte globale Stadt, indem sie sich der ganzen Welt als innovatives Modell in Bereichen wie Umwelt, Sicherheit, Ar-chitektur und Multikulturalismus „verkauft”.

Welche Maßnahmen hat die Stadt im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen ergriffen? Wer genau organisiert diese und wer zahlt? Auch hier gibt es eine Vielzahl von Maßnahmen, In-itiativen, Programmen und Projekten, die im Hinblick auf die Olympischen Spiele gemacht werden oder gemacht wur-den. Man muss jedoch im Hinterkopf behalten, dass diese Initiativen meist auch ohne die Spiele eingeführt worden wären. In vielen Fällen wie z. B. der Sanierung der Verkehrs-infrastruktur oder der Regeneration der östlichen Stadtteile Londons, wurden mehrere Initiativen bereits vor 2005 – als London als nächste olympische Stadt gewählt wurde – ins Leben gerufen. Die Spiele hatten letztendlich nur einen Beschleuniger-Effekt auf diese Projekte und erlaubten die Schaffung neuer öffentlich-privaten Partnerschaften wie der Olympic Delivery Authority und dem London Organising Committee of the Olympic Games. Beide Behörden haben die Organisation der Spiele geleitet, darunter den Bau des Olympia-Geländes. Allerdings haben sie sich auch auf viele externe Akteure verlassen müssen: staatliche Behörden, die borough councils wie Newham oder Tower Hamlets, lokale Behörden wie Transport for London, private Akteure wie der Bauträger AMEC, und letztlich, auch wenn in geringerem Maße, die Vertreter der Gemeinden von East London. Die Organisation der Olympischen Spiele 2012, und damit die

Verteilung der Kosten, basiert daher auf einer sehr kom-plexen Struktur. Der Einfachheit halber kann man dennoch behaupten, dass diese Spiele - im Gegensatz zu denen in Los Angeles im Jahr 1984 - in einer relativ zentralisierten Weise organisiert wurden. Der Staat, das heißt die zentrale Regierung, spielt eine Schlüsselrolle bei der Finanzierung von neuer Infrastruktur. Deswegen werden sowohl die Kosten der Spiele – als auch die Mehrkosten, die aufgrund der Finanzkrise 2008 und des veränderten wirtschaftlichen Rahmens auf-getaucht sind – weitgehend vom britischen Steuerzahler getragen. Aus diesem Grund sind die Londoner, durch die Zahlung ihrer Council Tax, diejenigen deren Beitrag am meisten in Anspruch genommen wurde.

Es wird viel über das Thema ‚legacy’ diskutiert. Was wird das Erbe der Olympischen Spiele auf lange Sicht sein? Dies ist eine wichtige Frage, vielleicht sogar die Hauptfrage. Ihre Wichtigkeit ist außerdem von den Olym-pischen Behörden anerkannt worden, und seit 1992 ist eines der Kriterien zur Auswahl der Olympia-Stadt das Ma-nagen der Hinterlassenschaften. London ist es während der Auswahlphase gelungen, die Vertreter des Internationalen Olympischen Komitees von Ihrer Kapazität zu überzeugen, erfolgreich mit der Situation nach den Spielen umzugehen, und die Investitionen als Hebel für die Transformation des East Ends zu benutzen. Dies ist eines der Kriterien, die aus-schlaggebend für die Entscheidung für London auf Kosten von zum Beispiel Paris waren. Dennoch ist es immer noch unmöglich vorauszusagen, wie das Erbe der Spiele 2012 von den Londoner und Britischen Behörden verwaltet werden wird. Es ist ein sehr komplexes Thema, das weit über die Durchführung der Spiele hinaus geht. Wie lässt sich sich-erstellen, dass die Früchte des Wachstums gerecht verteilt werden? Diese Frage stellt die Städte vor eine schwierige Aufgabe. Bis jetzt haben es in diesem Bereich nur wenige geschafft, befriedigende Antworten zu bieten. Beim Fallbeispiel der Regeneration von Stadtteilen in East London – und ich muss daran erinnern, dass diese zu den unterprivilegiertesten in ganz Großbritannien zählen – kann das Erbe auf zwei Ebenen betrachtet werden. Vom Standpunkt der physikalischen Umwandlung von diesen Vierteln sind die Auswirkungen deutlich positiv: Industrie-brachen wurden saniert, die Verkehrsinfrastruktur verbes-sert, und neue Wohnungen wurden geschaffen. Vom sozio-ökonomischen Standpunkt hingegen, sind die Effekte der Spiele viel unsicherer. Investitionen und die Aufmerksamkeit lokaler Akteure wurden zum Beispiel auf bestimmte Leucht-turmprojekte wie Stratford City konzentriert, zum Nachteil von anderen Geländen, wie Barking oder Zonen des Lower Lea Valley, deren Regeneration von der Organisation der Olympischen Spiele sogar verlangsamt wurden. Ganz allgemein ist es keineswegs sicher, dass die neuen Arbeitsplätze oder die neuen Häuser, den Bewoh-nern der östlichen Stadtteile zugute kommen werden. Man darf nicht vergessen, dass die am stärksten benachteiligte Bevölkerung der betroffenen Stadtteile von East London nur sehr wenig qualifiziert ist. Ohne die Einführung großer Bildungsmaßnahmen werden diese Menschen nicht in der Lage sein, die durch die Spiele angebotenen Arbeitsge-legenheiten auszunutzen. Das Risiko besteht also darin, dass die Olympischen Spiele 2012 eigentlich die bereits in Bewe-gung gesetzten Prozesse der Gentrifizierung verstärken, und zugleich die Ungleichheit zwischen den verschiedenen so-zialen Gruppen erhöht – zumindest auf Mikro-lokaler Ebene.

Olympia 2012: Londons Erwartungenvon Marie Cosnard

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Am 6. Juli 2005 wurde bekannt, dass London die Bewerbung für die Olympischen Spiele 2012 gewonnen hatte. Damals war ich 15 und noch in der Schule. In London geboren und aufgewachsen, hätte ich mich besonders freuen sollen; aber es war mir ziemlich gleichgültig – „Bis dahin werde ich 22 Jahre alt sein, und wer weiß, wo ich mit meinem Leben sein werde!“ Im Endeffekt, haben die Olympischen Spiele in der Vergangenheit und heute noch einen signifi-kanten Einfluss auf mein Leben ausgeübt. Ich habe nicht nur die Wahl getroffen, weiter in London zu leben und zu studieren, sondern auch die Gelegenheit genutzt, offizielle Freiwillige für die Sommerspiele 2012 zu werden, eine so genannte „Games Makerin“. Das Abenteuer begann im Herbst 2010, als ich mich für eine Stelle als Frei-

willige bewarb – es war zweifellos eine einmalige Chance; eine Chance, meine Lieblingsstadt in der Welt zu vertreten, und meinem Lebenslauf etwas Großartiges hinzuzufügen! Zunächst habe ich keine Antwort bekommen. Aber rund ein Jahr später wurde ich zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, und anscheinend habe ich einen positiven Eindruck hinterlassen, denn ich wurde aus 200 000 Kandi-daten als eine der 70 000 Games Makerin eingestellt.

Ich werde mich als Teil des „Airport-Protokoll Teams“ innerhalb der Abteilung „Internationale Beziehungen“ engagieren. Meine Aufgabe ist, VIP’s, Athleten und Presse am Flughafen zu empfangen und zu begrüßen, und sicherzustellen, dass sie wissen, was sie tun müssen und wo sie hin sollen. Eigentlich ist meine Aufgabe den prominenten Gästen einen wunderbaren ersten Eindruck der Londoner Olympi-schen Spiele 2012 zu vermitteln.

Offensichtlich wurde ich insbesondere dank meiner sprachlichen und kommuni-kativen Fähigkeiten gewählt. Man kann sich leicht vorstellen, warum das Erlernen einer fremden Sprache (und insbesondere Deutsch) sehr nützlich ist und eine Fülle von Möglichkeiten eröffnet, wie zum Beispiel auf einem Flughafen zu arbeiten.

Ich habe bereits ein paar Trainingssitzungen absolviert, darunter eine, die in der Wembley Arena stattfand und vom weltberühmten britischen Athlet Jonathan Edwards gehostet wurde. Sie waren äußerst informativ und haben mich bereits ungeduldig auf die Spiele gemacht – sie sind nur noch wenige Monate entfernt!

Als Freiwillige bei den Olympischen Spielenvon Aarti Dodhia

Eigentlich verstehe ich die ganze Aufregung nicht wirklich. Ich habe nichts gegen Sport, ganz im Gegen-teil. Aber bei großen Wettkämpfen und Turnieren sitze ich letztendlich auf der Couch und hole während der Werbung die Pizza aus dem Ofen. Wieso sollte sich das ändern, auch wenn die eigene Stadt zum Gastgeber von dem ganzen Remmidemmi wird? Meine gute Freundin Clarisse sieht das ganz anders. Für sie sind die Olympischen Spiele fast wie die heilige Messe, die Konsekration des Sports auf der Erde! „Es werden alle Sportarten vertreten, nicht nur Fußball oder Tennis, wie sonst immer. Jeden Tag werden wir span-nende Wettkämpfe verkannter Disziplinen verfolgen kön-nen, für die man sich üblicherweise nicht interessiert – und dies nur, weil sie in den Medien unterrepräsentiert sind.“ Ihr altruistischer Standpunkt gegenüber obskuren Sportarten lässt sich erklären: Clarisse war in ihrer Jugend Leichtathletin auf hohem Niveau, Hürdenläuferin um genau zu sein. Heute trainiert sie zwei Mal pro Woche beim London Heathside Athletics & Running Club, jedoch nur noch auf Amateurniveau. Obwohl sie diesen Som-mer nicht auf der olympischen Rennbahn zu sehen ist, werden wir sie vielleicht ganz kurz auf der Leinwand erkennen. Sie tritt nämlich als besonders sportliche Komparsin in der nächsten DJ Films Produktion (The Iron Lady) auf. Der Film heisst Fast Girls und wird im Juni, passend zur sportfanatischen Stimmung, zu sehen sein.Clarisse ist für ein Masterstudium nach London gekom-men, ohne wirklich daran zu denken, dass die Spiele dieses Jahr hier stattfinden.

„Während der Spiele in der Olympia-Stadt zu sein pas-siert nur einmal im Leben“, begeistert sie sich. „Hätte ich dieses Jahr woanders gewohnt, wäre ich ja nie bis nach London gekommen, ohne Unterkunft und Karten“. À propos Karten frage ich sie, ob sie denn zu den glück-lichen Zuschauern gehört. „Leider nicht… Entweder man war blitzschnell oder man muss extrem reich sein. Jetzt ist alles längst ausverkauft“. Trotzdem findet sie es toll, in der olympischen Stadt zu sein, und bald die ganze Feierstimmung mit Leu-ten aus der ganzen Welt zu erleben. Beinahe hätte ich ihr angeboten, meine Couch und Pizza zu teilen; aber sie wird sich doch lieber in die fröhliche Menschenmenge mischen.

Auf die Plätze, fertig, los!von Marie Cosnard

Ku

ltur

Clarisse in den Startlöchern

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12M E I N U N G „Don’t Mention the War“: Warum die Briten Nazis liebenein polemischer Kommentar von Ghon Cheh

Letzten Sommer traf ich meine alte deutsche Bekannte, die zehn Jahre in Brighton gewohnt hat. Nun hatte sie jedoch genug davon. Wir begegneten uns am Strand, es war ein herrlicher, son-niger Tag. Meine Bekannte sagte mir mit grimmigem Gesicht, dass sie genug von England habe und zurück in ihre Heimatstadt Berlin wolle. Warum? Weil die Briten die Deutschen nie in ihrer Gesellschaft annehmen würden, da sie Deutschland immer noch mit dem Dritten Reich assoziierten. Die Briten, sagte sie mir bitter, hätten heutzutage nichts, worauf sie stolz sein könnten, weswegen sie sich ver-zweifelt an die alte Pracht klammerten.

Ihr Ton hinterließ bei mir einen bleibenden Eindruck, da ich seit dieser Zeit immer bewusster über die Besessenheit der Briten und Amerikaner bezüglich der Nazis nachdenken muss. Ich habe mich ge-

fragt, warum ich diese Bemerkung mein-er Freundin so überraschend fand. Da ich in der britischen Kultur geboren und aufgewachsen bin, wurde ich vermutlich unkritisch in Bezug auf diese ungesunde Nazi-Besessenheit. Ich bin einfach daran gewöhnt. Jedes Mal, wenn mich jemand

fragt, was ich studiere, beantworte ich die Frage mit „German“ – und es ist für mich einfach normal geworden, dass ich eine Erwiderung mit Bezug auf das Dritte Reich oder Hitler bekomme. Entweder behauptet man, dass ich ein Nazi sei, oder, dass ich in Hitler verliebt sei. Aber ist das eine „normale“ Antwort? Ist es nicht absurd, dass der Zweite Weltkrieg vor sechzig Jahren beendet wurde, wir aber Deutschland immer noch mit den Nationalsozialisten assoziieren?

Immer wieder gibt es Kontroversen bezüglich der Nazis in den englischen Medien. 2001 erlebten wir echte „English gentlemen“ in München: Fußballfans, die mit Kriegshelmen und Brand-fackeln bewaffnet waren. Vierzig Leute wurden verhaftet. 2005 putzte sich Prince Harry geschmacklos für eine „colonial themed“ Party in Naziuniform heraus. Das war ungefähr zu der Zeit, als die britische Regierung sich auf die nächste in Deutschland stattfindende Fußball-Weltmeisterschaft vorbereitete: Ihre Kampagne war von einem Zitat aus Fawlty Towers inspiriert: „Don’t mention the war“. 2008 erlebten wir auch den Skandal um Formel-1-Chef Max Mosley, der eine Orgie mit Naziuniformen organisiert haben soll.

Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Erst kürzlich wurde ein MP entlassen, weil er sich mit einem seiner Kollegen über das immer beliebter werdende Youtube-Phänomen „Hitler finds out...“ lustig machte. Es gibt hunderte von diesen Clips, in denen man die Szene des Films Der Untergang parodiert, in der Hitler erfährt, dass er den Krieg verlieren wird. Es werden dazu Untertitel auf Englisch eingefügt. Die populärsten Beispiele davon sind „Hitler finds out Pokemon aren’t real” und „Hitler finds out he isn’t accepted to Hogwarts“.

Dieser letzte Fall von nazi-orientierten Skandalen verweist auf eine andere britische und ameri-kanische Besessenheit: Witze über Hitler. Die populäre Internetplattform Sickipediea.com, eine sinn-bildliche Enzyklopädie männlicher Stupidität (die tatsächlich eine Selbstentlarvung von armseligen, einsamen Männern ist), stellt über 650 Scherze mit dem Wort „Hitler” vor. Um das Level an Raffinesse zu zeigen, ein Beispiel: „Who’s the best Jewish cook? Hitler.“ Einige meiner Mitbewohner im Studenten-wohnheim, die sich als extrem witzig bezeichnen würden, haben diese Art geschmackloser Witze in Gegenwart deutscher Erasmus-Studenten gemacht. Die Reaktion war kälter als Eis. Eine deutsche

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Seite mit Hitler-Scherzen gibt es aus offensicht-lichen Gründen nicht. Mit viel Mühe habe ich etwas Ähnliches auf der Seite „witze.net/nazis.html“ gefunden. Aber diese Scherze hier ha-ben „nur“ das Dritte Reich kritisiert: „Wie stellen sich die Nazis die arische Rasse vor? – Sie muss so schlank sein wie Göring, so blond wie Hitler und so groß wie Göbbels!“

Die Nazi-Besessenheit ist auch in der Entertainment-Industrie erkennbar. Wenn man den britischen History Channel an-schaut, läuft in 95% aller Fälle etwas über den Zweiten Weltkrieg. Außerdem gibt es schein-bar jedes Jahr einen neuen englischsprachi-gen Film über die Nazis. Erst letztes Jahr (2011) gab es drei neue Filme: Captain America: The First Avenger, The Man Who Crossed Hitler und Dear Friend Hitler. Die gleiche Besessenheit gibt es auch in der Videospielindustrie. Die be-liebtesten Spiele sind die, in denen man Nazis tötet, wie Call of Duty, Company of Heroes, Mortyr und Wolfenstein. In Deutschland sind diese Videospiele verbannt. IGN, eine Seite für Videospieler, führt die Nazis als Nummer sechs der „100 top Villain”-Liste. Die Gründe hierfür lägen darin, dass die Nazis ideologisch un-zweideutig seien, so dass eine schwarz-weiße Moralvorstellung leicht auf sie anwendbar sei.

Diese andauernde Assoziation der Nazis mit dem Bösen kann man auch im von Mike Good-win postulierten Prinzip wieder finden: „Mit zunehmender Länge einer Online-Diskussion nähert sich die Wahrscheinlichkeit für einen Vergleich mit Hitler oder den Nazis dem Wert Eins an.“ Egal, ob man irgendeine Youtube-Debatte über Rebecca Black, Justin Bieber oder Twilight ansieht - eine Hitler-Referenz ist immer zu finden. Auch in der Verlagsindustrie ist die Obsession augenscheinlich: Laut einer Studie, die im Guardian publiziert wurde, gab es im Jahre 2000 350 neue Bücher, die das Wort „Hitler” enthielten. Zehn Jahre später (2010) gab es 850 neue Bücher über den Zweiten Weltkrieg – 80% davon wurden von Briten geschrieben und nur in Großbritannien publiziert.

Diese Beobachtungen geben Anlass zu denken, dass meine Freundin vielleicht Recht hatte. Nur sehr unsichere Nationen sind von „notwendigen Feinden” abhängig. Nur verängstigte Länder finden Befriedigung in veralteten Feindschaften und vergangener Pracht. Heutzutage hat Deutschland großen Einfluss in der EU. Das ist in Friedenszeiten lange nicht der Fall gewesen, und deswegen fühlt sich Großbritannien bedroht. Um als Land voranzukommen, besonders als eines, das behauptet, sehr multikulturell und tolerant zu sein, müssen wir diese ungesunde Nazi-Besessenheit im alltäglichen Leben abstreifen und die Nazis in die Vergangenheitsgruft legen – wo sie hingehören.

Trafford Publishing, 2009Nur die Briten würden sich für eine ausführliche, 228 Seiten lange Studie über die Löffelchen des Dritten Reiches interessieren: Das wohl wichtigste und dennoch meist übersehene Thema der Nazizeit...

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14War der Unterschied wirklich zu erkennen? Eine Retrospektive auf Helen MacCormacs Fotoausstellung „Seeing the Difference“von Marie Schwall und Lydia Sargent

Wenn man zwischen November und Februar das Deutsche Department des KCL betrat, sah es eigentlich aus wie immer; erst auf den zweiten Blick sah man kleine Fotografien, etwa so groß wie Postkarten. In kleinen Gruppen hingen sie an den Wänden, gaben Einblicke in das deutsche Alltagsleben. Zu sehen war die Fotoausstellung „Seeing the Difference“ von Helen MacCormac, die am KCL studierte und 1989 ihren Abschluss machte. Am 14. November 2011 wurden Professoren, Dozenten, Studenten und Freunde zu einem Weinempfang eingeladen, bei dem die Künstlerin aus ihrem Leben in Deutschland erzählte und ihre neue Ausstellung vorstellte. Das Besondere an der Ausstellung war die Wirkung, die sie auf unterschiedliche Betrachter hatte. Nicht nur we-gen des Titels sprachen die Bilder hauptsächlich britische Betrachter an. Wenn man sie dann genauer betrachtete, wurde einem aber auch klar, dass man einige Kenntnisse über Deutschland haben musste, um die Botschaft der Bilder schätzen zu können. Eine Bildgruppierung bezog sich beispielsweise auf ein gewisses Gemeinschaftsgefühl. Verschiedene Freizeit-aktivitäten wurden gezeigt. Eine Großmutter hält ihr Enkelkind auf dem Arm, kleine Jungs rennen in lokalgesponsorten Trikots über ein Fußballfeld, Jugendliche klappen die Bänke einer Bierzeltgarnitur auf. Andere Bilder dagegen zeigten öffentliche Orte wie zum Beispiel einen Sammelplatz im Wald mit einer Tränke oder ein örtliches Freibad mit Sparkassen-Logo auf der Rutsche. Was will die Künstlerin damit sagen? Trotz des Bezugs der Ausstellung auf den 20. Jahrestag des Mauerfalls kön-nen wir ‚the difference‘ nicht wirklich erkennen. Vielleicht war gerade dies das Wesentliche. Nach zwanzig Jahren der Wiedervereinigung sollte man nicht mehr verzweifelt nach Unterschieden zwischen Ost und West suchen, sondern die Entstehung einer gemeinsamen deutschen Identität beleuchten, die Helen MacCormac als Zuschauerin in den vergangenen zwei Dekaden so bewusst geworden ist. Auf diese Art und Weise verarbeitet sie auch ihre eigenen Erlebnisse. Alltägliche Gegenstände, die einem Deutschen überhaupt nicht auffallen würden - wie zum Beispiel Windräder oder Sperrmüll - verwandelt sie in Kunstwerke, liebgewonnene Elemente einer ehemals fremden Kultur. Der Zuschauer muss im Hinterkopf behalten, dass „Seeing the Difference“ eine sehr persönliche Ausstellung war, in der Deutsche eventuell wirklich nur Alltag erkennen konnten. Andererseits mochte sie zu spezialisiert sein, um Briten ohne Vorkenntnisse anzusprechen. Nichtsdestotrotz war diese Sammlung nicht nur eine Ausstellung von Deutschland im Wandel, sondern auch eine gelungene Darstellung des feinen Unterschieds zwischen britischem und deutschem Alltags-leben.

Helen MacCormac, “Seeing the Difference”

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15UFOs in Ostfriesland „Bastard aus Johnson, Salinger und Stephen King“: Jan Brandt liest am King’s aus seinem Debütroman.

„Ein hervorragendes Debüt“ (Zeit Online), „gewaltig, beeindruckend“ (Frank-furter Allgemeine), „überragend“ (Spiegel online), „kolossal“ (Hamburger Abendblatt) – was die Presse zum ersten Roman des jungen deutschen Autors Jan Brandt schreibt, ist außergewöhnlich. „Gegen die Welt“, so der Titel des Debüts, ist über 900 Seiten dick und stand 2011 auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis. Am Montag, den 19. März, wird Jan Brandt das King’s College besuchen – ab 18.30 liest er öffentlich aus seinem Roman.

„Gegen die Welt“ ist ein spektakulärer Hybrid aus Gesellschaftssatire, Mys-tery und coming-of-age-Geschichte. Die Handlung spielt in Ostfriesland – der regenreichen Heimat des Autors – und bietet scharfe, in ihrer Gnadenlosigkeit manchmal regelrecht zynische Einblicke ins alltägliche Leben (und Grauen) der deutschen Provinz. Die Geschichte des Teenagers Daniel, der nicht nur mit den „üblichen“ Problemen in Schule und Familie konfrontiert wird, sondern unter anderem auch mit einer angeblichen Alien-Entführung, mysteriösen Zeichen an die Wänden und schließlich mit der Feindseligkeit des ganzen Dorfes, wurde vom ROLLING STONE als „Bastard aus dem Uwe Johnson der ‘Jahrestage’, der Abgründigkeit von Jerome D. Salinger und dem Horror von Stephen King“ beschrieben. Foto: Harry Weber

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Die Chancen der deutschen Nationalelf bei der EM 2012von Peter David Im Frühsommer 2012 wird die Fußballwelt ihre Aufmerksam-keit auf Polen und die Ukraine richten, denn hier wird die Fußball-europameisterschaft stattfinden. Polen und die Ukraine nehmen als Gastgeber teil, wie auch die 14 Nationalmannschaften,die sich durch Gruppenspiele qualifiziert haben, unter ihnenDeutschland. Wenige Mannschaften haben in der EM-Qualifikations-phase so überzeugend wie die Deutschen gespielt. Nichts-destotrotz: Deutschland hat eine, wenn nicht die schwerste Gruppe der EM erwischt. Schon von Anfang an wird die Nationalelf richtig kämpfen müssen, um am Ende der Gruppenphase auf einem der zwei Plätze zu stehen, die das Weiterkommen möglich machen. Diese Nationalmannschaft hat aber die Fähigkeiten, im Wett-bewerb weit zu kommen. Jogis Jungs sind zwar überwiegend junge, aber schon erfahrene Fußballspieler. Sie sind Stammspieler in vielen hervor-ragenden Clubs in Europa, und die Mehrheit spielt in der deutschen Bundesliga, die vor Kurzem mehr Champions League-Qualifikations-plätze bekommen hat, während diejenigen von Italien gekürzt wur-den. Das belegt die Entwicklung der Bundesliga zu einer der besten Ligen in Europa. Die Mehrzahl der Spieler, die zum letzten Mal im November für Deutschland aufliefen, sind seit der Weltmeisterschaft in Südafrika feste Stammspieler der National-mannschaft. Das Eingespieltsein und die vielen Siege, die es bereits er-

möglicht hat, sollte jeden deutschen Fußballfan mit Freude und Hoffnung für das bevorstehende Turnier erfül-len. Allerdings liegt viel Arbeit vor der Mannschaft, und das schon ab dem ersten Anpfiff: Als erster Gegner kommt Portugal. Obwohl die Bilanz der Deutschen gegen Portugal in den letzten Jahren gut ist, darf man die EM-Finalisten von 2004 nicht un-terschätzen, besonders wenn sie einen formstarken Cristiano Ronaldo haben. Nur vier Tage nach dem erst-en Spiel wird Deutschland auf die Niederlande treffen. Die „Oranje“ hat sich ebenso überzeugend wie Deutschland für das Turnier qualifi-ziert. Im Kader haben sie Spieler wie Robben, Sneijder und van Persie, die ihrerseits alle für Topteams spielen. Bei der WM 2010, in deren Finale sie standen, haben sie gezeigt, dass sie motiviert und fähig sind, einen Titel zu holen. Ein wenig Ermutigung für die Deutschen ist der 3:0-Sieg gegen die Niederlande im November 2011. Aber dies war nur ein Freundschaftsspiel,

das nicht wirklich mit dem Turnier im Sommer vergleichbar ist. Im letzten Gruppenspiel trifft die Nationalelf auf Dänemark. Diese Mannschaft ist auch nicht zu unterschätzen, sie haben sich sogar vor Portugal als Gruppenerster für die EM qualifi-ziert. Außerdem liegt der letzte Sieg der Nationalelf gegen Dänemark 15 Jahre zurück. Trotz dieser schwe-ren Gruppe sollte sich die junge, vor Energie strotzende deutsche Mannschaft mit ihrer Erfahrung und der individuellen Klasse von Spielern wie Neuer, Lahm, Schweinsteiger, Götze und Gomez mindestens bis zum Viertelfinale spielen.

Wie sind die Chancen der Deutschen nach der Gruppen-phase? Es gibt zahlreiche National-mannschaften, die im Wettbewerb weit kommen könnten, aber als Favoriten muss man Spanien, die Niederlande und Deutschland sehen. Diese Mannschaften haben schon seit der WM in Südafrika stabile Kader mit erstklassigen Spielern, die schon ihre Leistungsfähigkeit gezeigt ha-ben. Andere Mannschaften wie Eng-land, Frankreich, Italien und Russland könnten auch ziemlich weit kommen. Doch diese Mannschaften haben wegen Trainer- oder Kaderwechseln weniger Erfahrung – ihre Möglich-keiten, gegen bessere Mannschaften zu bestehen, sind daher begrenzt. Deshalb hat Deutschland mit etwas Glück diesmal eine große Chance, die Europameisterschaft zu gewin-nen, besonders wenn sie in der schweren Gruppenphase nicht zu früh zu viel Kraft verlieren und diese Spiele ohne Verletzungen überstehen.

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