Königspost no.8 - December 2013

16
-1- In dieser Ausgabe: POLITIK & WIRTSCHAFT Bundestagswahl 2013 S.2 Deutschland in der WWV S.4 Immer noch Volkspartei? S.5 KULTUR 75. Jahrestag der Kristall- nacht S.6-7 Filme: Hannah Arendt & Paradies: Liebe S.6-7 Kunst: Albrecht Dürer S.8 Der peinliche Sensations- fund S.9 KOPF DES TAGES Dr. Rudolph Adam S.10-11 EURE STIMME Darkness Spoken S.11 Freeganismus in Wien S.12. Einladung zur Ausgrabung S.13 Bremer Frische S.14 SPORT Deutschland im Weltmeis- terschaft S.16 Wer regiert uns denn da? W er ist eigentlich diese Frau Merkel? Was interessiert Frau Merkel, was treibt sie an? Wie würden Sie, lieber Leser, die Frau Bundeskanzlerin persönlich einschätzen? Was wissen wir über die Person, die Deutschland seit acht Jahren und für noch mindestens vier weitere regiert? Die Antwort lautet vermutlich: nicht allzu viel. Damit sind die Deutschen allerdings nicht allein. Auch die NSA verspürte große Lust durchs Anzapfen des Merkelphone mehr über ihre Beweggründe etc. zu erfahren. Es ist erstaunlich, wie wenig über die Persönlichkeit der mächtigsten Frau der Welt bekannt ist. Angela Merkel (59) kommt aus dem Osten, ist Christdemokratin, ist Physikerin, war Kohls Mädchen, war Frauenministern, war Umweltministerin, ist Bun- deskanzlerin. Sie mag anscheinend Fußballländerspiele der Herren, die Festspiele in Bayreuth und laut englischsprachiger Wikipedia keine Hunde. Aha. Forbes bewertet Angela Merkel 2012 auch als zweitmächtigste Person der Welt, nach Obama. Das erklärt zumindest das gesteigerte Interesse des US-Nachrichtendienstes. Und: sie ist beliebt. Das bestätigen die Forschungsgruppe Wahlen (Stichwort: beliebteste Politikerin) und das fulminante Wahlergebnis von 22. September. Besonders unter Erstwählern erzielte Merkels CDU einen beeindruckenden Prozentsatz von 31%. KARAMELENGEL Genau hier könnte der Schlüssel ihres Erfolges liegen. Ihre Person war das zentrale Element des Wahlkampfes. Im Spätsommer lächelte ihr Gesicht vertrauenserweckend und kompetent von vielen Wahlplakaten. Die Frau dahinter: ein großes Fragezeichen. Anscheinend aber genau das, was der Wähler wollte: Ruhe und Frieden und Stabilität. Angela Merkel bot eine Projektionsfläche für alles, was nicht (→S. 3) IGSPOST N O Student Newspaper of the King’s College London German Dept. 8. Ausgabe, Dezember 2013 von Marie L. Schwall

description

King's College London German Dpt. Student Newspaper

Transcript of Königspost no.8 - December 2013

Page 1: Königspost no.8 - December 2013

-1-

In dieser Ausgabe:

POLITIK & WIRTSCHAFT Bundestagswahl 2013 S.2 Deutschland in der WWV S.4 Immer noch Volkspartei? S.5

KULTUR75. Jahrestag der Kristall-nacht S.6-7Filme: Hannah Arendt & Paradies: Liebe S.6-7Kunst: Albrecht Dürer S.8 Der peinliche Sensations-fund S.9

KOPF DES TAGESDr. Rudolph Adam S.10-11

EURE STIMMEDarkness Spoken S.11Freeganismus in Wien S.12.Einladung zur Ausgrabung S.13Bremer Frische S.14

SPORTDeutschland im Weltmeis-terschaft S.16

Wer regiert uns denn da?

 

 

Wer ist eigentlich diese Frau Merkel? Was interessiert Frau Merkel, was

treibt sie an? Wie würden Sie, lieber Leser, die Frau Bundeskanzlerin persönlich einschätzen? Was wissen wir über die Person, die Deutschland seit acht Jahren und für noch mindestens vier weitere regiert?

Die Antwort lautet vermutlich: nicht allzu viel. Damit sind die Deutschen allerdings nicht allein. Auch die NSA verspürte große Lust durchs Anzapfen des Merkelphone mehr über ihre Beweggründe etc. zu erfahren. Es ist erstaunlich, wie wenig über die Persönlichkeit der mächtigsten Frau der Welt bekannt ist. Angela Merkel (59) kommt aus dem Osten, ist Christdemokratin, ist Physikerin, war Kohls Mädchen, war Frauenministern, war Umweltministerin, ist Bun-deskanzlerin. Sie mag anscheinend Fußballländerspiele der Herren, die Festspiele in Bayreuth und laut

englischsprachiger Wikipedia keine Hunde. Aha. Forbes bewertet Angela Merkel 2012 auch als zweitmächtigste Person der Welt, nach Obama. Das erklärt zumindest das gesteigerte Interesse des US-Nachrichtendienstes. Und: sie ist beliebt. Das bestätigen die Forschungsgruppe Wahlen (Stichwort: beliebteste Politikerin) und das fulminante Wahlergebnis von 22. September. Besonders unter Erstwählern erzielte Merkels CDU einen beeindruckenden Prozentsatz von 31%.

KARAMELENGEL

Genau hier könnte der Schlüssel ihres Erfolges liegen. Ihre Person war das zentrale Element des Wahlkampfes. Im Spätsommer lächelte ihr Gesicht vertrauenserweckend und kompetent von vielen Wahlplakaten. Die Frau dahinter: ein großes Fragezeichen. Anscheinend aber genau das, was der Wähler wollte: Ruhe und Frieden und Stabilität. Angela Merkel bot eine Projektionsfläche für alles, was nicht (→S. 3)

IGSPOSTNOStudent Newspaper of the King’s College London German Dept.

8. Ausgabe, Dezember 2013

von Marie L. Schwall

Page 2: Königspost no.8 - December 2013

-2-

Mit fast zwanzig Pro-zentpunkten mehr als die SPD gewann die Union

die diesjährige Bundestagswahl haushoch oder – um es treffender zu formulieren – gewann Angela Merkel die Bundestagswahl haushoch. Denn viel wichtiger als Parteien waren dieses Jahr Persönlichkeiten. Und in der „eisernen Mutti“ sahen 41,5% der Deutschen diejenige, die Deutschland in ihrer europäischen Spitzenposition halten, wenn nicht auch noch stärken wird.

Ihr Gegenstück war somit nicht die SPD, sondern Peer Steinbrück. Und dieser hatte nicht nur acht Jahre Rückstand, um sich als politische Führungskraft zu etablieren, sondern schwächte seine sowieso prekäre Stellung durch Stinkefinger-Fettnäpfchen und die zweifelhafte Handhabung der Affäre um seine Vortragseinkünfte. Dass es so ausgehen würde, war also in diesem, man könnte schon sagen unfairen, Wahlkampf kaum eine Überraschung.

Doch so eindeutig das Ergebnis auch gewesen ist, dessen Folgen für die politische Landschaft Deutschlands und Europas sind um ein Vielfaches kontroverser und zum großen Teil noch offen.

Mit dem Scheitern der FDP, die Fünf-Prozent-Hürde für den Einstieg in

den Bundestag zu erreichen, verlor die Union ihren Koalitionspartner und stand vorerst vor einer Vielzahl von Möglichkeiten. Dass es zu Sondierungsgesprächen für eine Schwarz-Grüne Koalition kam, ist bereits ein Zeichen für die extreme Entwicklung, die sich in den letzten Jahren in der deutschen Politik und den deutschen Parteien vollzog. Die üblichen Koalitionsmuster werden gebrochen, die Parteien sind flexibler und mobiler und – wie die AfD zeigt, die nur sieben Monate nach ihrer Gründung kurz vor dem Einzug in den Bundestag stand – es wurde nun Platz gemacht für Neulinge, die so schnell wie noch nie zuvor heranwachsen.

Und obwohl es schlussendlich wohl doch zu einer „klassischeren“ großen Koalition kommen wird, wird diese in einem sehr anderen Umfeld agieren als zuvor. Denn in Deutschland herrscht nicht mehr ein klassisches Zweiparteiensystem: Das zeigt nicht nur das Wahlergebnis, denn die 25,7% Stimmen, die die SPD erreichte, reichen bei weitem nicht, um ihr den Status einer Volkspartei zu verleihen. Unterstützt wird die Tatsache von dem ungebremsten Aufstieg kleinerer Parteien, und das nicht nur auf den Stimmzetteln. Vor allem junge Wähler identifizieren sich vermehrt mit Parteien wie die Grünen, die Linke oder die Piraten. Und obwohl letztere große

Stimmeneinbußen erleiden musste, ist die deutsche politische Landschaft bereits mit neu sprießenden Parteien gesprenkelt.

Dass die Union sich in diesem zunehmend volatilen Parteiensystem an der Spitze halten konnte, ist also ihrer am Markenkern der Partei aus-gerichteten Wahlkampagne, den vorausgegangenen acht Jahren erfolg-reicher Regierung, aber vor allem einer beliebten Spitzenkandidatin zuzuschreiben.

Eins kann man jedoch, wenn es um Merkels Beliebtheit geht, wohl kaum unbemerkt lassen: der klaffende Unterschied zwischen Deutschland und dem Rest der Welt, vor allem aber dem Rest Europas. So gerne sie die Deutschen wieder an der Spitze des Landes sehen, würden sie wohl viele (vor allem Südeuropäer) gerne weit weg von der politischen Bildfläche sehen, ihr die Möglichkeit entziehen, sie mit Sparmaßnahmen zu belasten und, so wird es zumindest wahrgenommen, von dem hohen deutschen Ross auf sie herunter zu blicken. Ob Angies Beliebtheit jetzt, wo der Höhepunkt der Krise (hoffentlich) hinter uns ist, auch bei der restlichen europäischen Bevölkerung steigen wird und, wer weiß, vielleicht sogar den deutschen Beliebtheitsgrad erreichen wird, bleibt mit Spannung abzuwarten.

Die Bundestagswahl 2013-einige Gedanken

DEUTSCHE SPRACHE UND LITERATUR IM HERZEN LONDONS • WWW.GERMANBOOKSHOP.COM

THEEUROPEANBOOKSHOP

SHAF

TESB

URY AVENUEBREWER STREET

BEAK STREET

GLASSHOUSE STREET

REGENT STREET

COVENTRY ST.PICCADILLYCIRCUS

GOLDENSQUARE

WARWICK STREET

5 WARWICK STREET ∙ LONDON ∙ W1B 5LU 020 7734 5259 [email protected]

C/europeanbookshop L@europeanbooks

MONDAY TO FRIDAY 9:30AM - 6:30PMSATURDAY 10:00AM - 6:30PMSUNDAY 12:00PM - 5:00PM

von Livia Luzatto

Page 3: Königspost no.8 - December 2013

-3-

(...) radikal und beängstigend war. Nichts drückt diese Stimmung besser aus, als ein neuer Tumbler-Blog. Hipstermerkel. Die Wahrnehmung der Person Angela Merkel ist unklar, unpräzise, wandelbar. Böse Zungen sagen dies seit Jahren auch der Politik der CDU-Politikerin nach...

Was machen junge Kreative also? Sie erfinden eine Persönlichkeit für Merkel, Verzeihung, „Merquel.“ Im Kultblog Hipstermerkel toben sich ideenreiche Internetkünstler aus und re-designen ein altes Wahlkampffoto von A.M. Dabei wirkt der Blog nicht satirisch, vielmehr erscheint es, als würde unsere Bundeskanzlerin initiiert werden, initiiert ins Hipstertum. Der Blog selbst besteht aus einer Sammlung von Abwandlungen eines Bildes: Angela Merkel, jetzt auch „MRKL“, vor Borkums Dünen mit einem sanften Lächeln auf den Lippen. Jeder darf mitmachen und das Bild auf seine Art und Weise ikonisieren. Ob Instagram-Filter, Nerd-Brille oder Crow-Maske. Die Netzgemeinschaft lässt nichts unversucht, um ihrer Kanzlerin mehr

#SWAG zu geben.

EGAL, MAKRELEN

Kann man unter diesen Umständen die junge Generation politikverdrossen nennen? Wenn sie gemeinsam an diesem Projekt im Internet arbeiten. Hatte nicht neulich noch jemand das Internet Neuland genannt?

Seit einigen Jahren demonstriert das deutsche Volk seinen Politikern deutlich, dass die Ära der charismatischen Helden der Politik vorbei ist: In den heutigen Zeiten der Krisenstimmung wollen die Leute keine Kohls, Fischers oder Schröders. Lieber eine Kanzlerin, die so unkontrovers ist, dass die Medien sie schon Teflonkanzlerin nannten. Da Frau Merkel es vermeidet, sich selbst zu positionieren und somit auch vermeidet, zur markanten Persönlichkeit zu werden, bietet sie anderen Raum, dies für sie zu tun.

Ein kleines Gedankenspiel: Der heutige Hipster verhält sich zum 68er Studenten wie Angela Merkel zum ...

politischen Alphatier.

Wer ist eigentlich diese Frau Merkel? Sie ist die Bundeskanzlerin, zu der wir sie machen; eine Politikerin der neuen Generation. Sie baut nicht auf Ecken und Kanten, charismatische Reden und „Persoenlichkeit.“

Was müssen wir über die Person wissen, die Deutschland seit acht Jahren und für noch mindestens vier weitere regiert? Dass sie Deutschland bereits geprägt hat, dass ihr Gesicht für eine Dekade deutsche Geschichte stehen wird und dass sie einen Nerv getroffen hat, den andere Politiker verfehlt haben. Das Internet hat dies bereits realisiert; eine Ikonisierung Merkels beginnt, die sinnbildlich für das Zeitgefühl der 2000er steht. Konservativ ist das neue Cool? Neue Formen der Politik werden gefordert und Merkel liefert sie: Es gibt keine Anzeichen von Höhen und Tiefen, Emotionen und geladenen Debatten. Merkel hält, was sie ver-spricht: Stabilität, Konformität und Raum, sein eigenes Ding zu machen, da keiner im Weg steht. Haben Sie nicht auch Lust ein Hipstermerkel-Meme zu entwerfen?

Quelle der Bilder: http://hipstermerkel.tumblr.com/

Page 4: Königspost no.8 - December 2013

-4-

„Deutschland ist stark. Und soll es bleiben.“ So lautet einer der Slogans der

Wahlkampagne Merkels. Das kann man in der Tat kaum verneinen, wenn man sich die folgenden Daten anschaut: Deutschlands Wachstumsrate des BIP 2013 beträgt 0.5%. Spanien dagegen hat einen Wert von -1.3%, Griechenland -4.0% und der Euroraum etwa -0.4%. Ähnlich sieht es bezüglich der Arbeitslosigkeit aus: Während Deutschlands Werte bei 5.2% die zweitniedrigsten sind, liegt die durchschnittliche Arbeitslosigkeit im Euroraum bei 12.2%, wobei Spanien mit unglaublichen 26.6% definitiv an der Spitzenposition ist.

Öffentlich befürworten die Deutschen zwar größtenteils die EU und die Währungsunion, nichtsdestotrotz lässt sich auch we-sentliche Kritik hören. Besonders beliebt ist das Argument, Deutschland würde fleißig arbeiten und die faulen, verschwenderischen Südländer würden von Rettungspaketen, von Deutschland subventioniert, profitieren. Die „Anti-Euro-Partei“, die sogenannte Alter-native für Deutschland, hat bei der letzten Bundestagswahl 2013 beinahe die 5%-Schwelle erreicht. Ein Ergebnis mit eindeutiger Aussagekraft.

Aber sehen wir uns Deutschlands Rolle in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion an, um zu sehen, ob dieses wirtschaftliche Überlegenheitsgefühl doch nicht ganz ohne Makel ist. Die Tatsache, dass die Währungsunion größtenteils von Deutschland geprägt ist, ist relativ unumstritten. Bei ihrer Gründung hatte Deutschland nämlich eine eindeutige Dominanz im Europäischen Währungssystem, da die Deutsche Mark die stärkste Währung war und somit auch Zinssätze und Inflation größtenteils von ihr abhingen. Diese vorteilhafte Position machte es möglich, dass Deutschland seine Bestreben meist durchsetzen konnte, bekanntlich eine unabhängige, antiinflationäre Zentralbank und Konvergenzkriterien. Laut der intergouvernementalen Denkschule ist das Ergebnis auf einen deutsch-französischen Pakt zurückzuführen, wobei die Ergebnisse größtenteils deutsche Unternehmen begünstigten.

Hier stellen sich schon die ersten Zweifel: Hat Deutschland der EU

die Währungsunion viel zu früh aufgedrungen? Konnte man nicht absehen, dass die große Asymmetrie in den verschiedenen Ländern unmöglich durch ein gemeinsames, allumfassendes Währungsinstrument angegangen werden konnte? War es nicht eindeutig, dass die von Mundell befürworteten Kriterien eines „Optimalen Währungsgebietes“ nicht erfüllt wurden? Wieso wurden kleinere Länder miteinbezogen, obwohl sie offensichtlich nicht einen Profit daraus ziehen konnten?

Italien hatte schon damals über 120% Staatschulden, doppelt so viel als vom Stabilitäts- und Wachstumspakt erlaubt. Aber da die italienischen Staatschulden um ein paar Dezimalzahlen sanken, wurde Italien doch aufgenommen, weil sie ja einen offensichtlichen Abnahmetrend vorwiesen. Ich frage mich, wieso Italiens Staatsschulden erst jetzt so problematisch erscheinen und damals noch nicht.

Viele dieser Fragen wurden unbeantwortet beiseite gelegt und das wirtschaftliche, politische Projekt wurde durchgezogen, Deutschland in Führungsposition. Es konnte in kürzester Zeit festgestellt werden, dass der „one-size-fits-all“ Zinssatzmodell für Frankreich und Deutschland höhere Zinssätze vorwies, als wünschenswert war. Daraufhin mussten sie selbst mehr verleihen, um dem Problem steigender Arbeitslosigkeit entgegenzutreten. Da diese beiden Führungsstaaten selber die Kriterien nicht mehr erfüllen konnten, überzeugten sie 2003 die anderen Staaten den Euro-Stabilitätspakt zeit-weilig auszusetzen. Man setzt solch wichtige Kriterien selber außer Kraft, wundert sich aber danach, wenn andere Länder diese nicht mehr respektieren. Ist solch eine unglaubliche Bestürzung auf gewisse Weise nicht auch etwas inkohärent?

Deutschlands Lieblingshobby (teil-weise natürlich vollkommen nach vollziehbar) ist es, auf dem Haus-haltsdefizit und der Überschuldung von EU Ländern, bekanntlich Griechenland, Italien und Spanien, herumzupicken. Aber was ist mit Deutschlands erheb-lichem Überschuss, den das Land durch seine beträchtlichen Exporte und Arbeitsmarktreformen (Agenda 2010) einleitete? Deutschlands Überschuss von 6.5% im Zeitraum 2010-2012 blieb lange Zeit ungesehen, obwohl er ebenso

maßgebliche wirtschaftliche Instabilität hervorrief. Während China aufgrund seines Überschusses von allen Seiten, besonders von den USA, attackiert wird, kam Deutschland ungesehen davon. Dieser Überschuss senkt die Nachfrage in der „reichen Welt“ und wirkt somit als deflationäres Druckmittel. Gäbe es noch die Deutsche Mark, so würde sie bestimmt aufgewertet werden; aber dies ist ja nicht der Fall, denn wir haben eine Währung, den Euro, für alle 17 Mitglieder. Niedriger Wechselkurs und unterbewertete Währung ist Balsam für die Ohren deutscher Exporteure bzw. für die der deutschen Wirtschaft. Verschuldete Länder sind nicht ganz dieser Meinung, denn die rekordniedrige Inflation der EZB (0.7%), macht es für Peripherieländer nur noch schwerer, ihre Schulden zurückzuzahlen und ihre Wirtschaft anzukurbeln.

Die von Deutschland geforderte Austerität scheint keinen eindeutigen positiven Effekt auszulösen – verschul-deten Ländern ergeht es zwar nicht unbedingt schlechter, aber auch nicht besser. Vielleicht wäre es an der Zeit, diese Austerität auch mit anderen Mitteln zu bekräftigen; hierbei spielt Deutschland eine wichtige Rolle. Ein steuerlicher Anreiz durch Lohn-erhöhung könnte die Nachfrage von Deutschland auf Peripherieländer umsteuern und somit hoffentlich Wirtschaftswachstum ankurbeln und die Solvenzkrise einschränken. Eine Einschränkung des deutschen Überschusses würde verschuldeten Ländern bestimmt nicht schaden. Leider hat sich Deutschland jedoch für eine relativ passive Einstellung entschlossen. Deutschland will anschei-nend Peripherieländer finanziell nicht weiter helfen, will kein Sicherheitsnetz aufstellen, keine höheren Haushaltsde-fizite annehmen, will aber auch nicht auf seinen Überschuss verzichten. Aber was will Deutschland denn nun bloß? Diese verheerende Krise hat uns allen gezeigt, dass wir Prioritäten setzen müssen – und „wollen“ manchmal durch „brauchen“ ersetzt werden sollte. Und eins ist auf jeden Fall klar: Wir, Europa, brauchen einen wirtschaftlichen Auf-schwung, wir müssen uns erholen, ansonsten kann die Situation nur noch schlimmer ausgehen. Eine wirt-schaftliche, politische und gesell-schaftliche Katastrophe droht.

Deutschland in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion von Leonessa Crisci

Page 5: Königspost no.8 - December 2013

-5-

Zwar war das deutsche Parteiensystem ganz am Anfang höchst fragmentiert,

doch innerhalb kürzester Zeit etablierten sich die SPD und die CDU als die dominierenden Parteien. 1960 wurde somit der Terminus Volkspartei geprägt: Eine Partei, die sich aufgrund ihres relativ breiten ideologischen Spektrums auf eine erhebliche Mit-glieder- und Wählerschaft stützen konnte. Bei den Wahlen 1972 erreichten die zwei Volksparteien zusammen ganze 90.7% der Stimmen. Krasser Gegensatz dazu ist bekanntlich die Wahl 2009, bei der die zwei Parteien zusammen keine 57% erreichten. Die Frage, ob sie immer noch Volksparteien genannt werden können, beherrschte somit zum ersten Mal die Titelseiten aller Zeitungen. Die Frage lautet nun: Was ist bloß mit der ehemaligen unumstrittenen Dominanz der zwei Volksparteien passiert?!

Tatsächlich ist dieser graduelle Niedergang auf eine sich konstant ändernde Gesellschaft zurückzuführen. Die Volksparteien können sich nun nicht mehr auf ihre traditionelle Wählerschaft verlassen. Der Säk-ularisierungsprozess hat dazu geführt, dass der christliche Glaube kaum noch ausschlaggebend ist. Gleichzeitig hat sich die Gesellschaft von einer industriellen zu einer Dienstleistungsgesellschaft entwickelt und die Kluft zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern kann nicht mehr für die Mobilisierung zuständig sein. Wähler fühlen sich immer weniger bestimmten Realitäten verbunden. Man kann ihnen das Assoziieren von Volksparteien mit veralteten, überholten Werten nicht übel nehmen, wenn man bedenkt, dass mehr als die Hälfte der Mitglieder der jeweiligen Volksparteien über 60 Jahre alt ist. Kein Wunder, dass moderne, revolutionäre Parteien wie die Piraten immer mehr an Bedeutung gewinnen.

Ich frage mich jedoch, was man von der Zukunft erwartet, wenn man tatsächlich eine Partei wählt, die Internet als höchste Priorität betrachtet.

Denke ich als Politikwissenschafts-studentin an Politik, kann ich Konzep-te wie Volatilität, Partei- und Poli-tikverdrossenheit einfach nicht mehr ignorieren. Sind die Volksparteien also dem Untergang geweiht oder gibt es noch einen Hoffnungsschimmer?

Die Wahlergebnisse der Bun-destagswahl 2013 haben über-raschenderweise gezeigt, dass die Volks-parteien noch nicht zum Scheitern verdammt sind. Zumindest nicht die CDU, die beinahe eine absolute Mehrheit erreichte. Wieso konnte die SPD auch dieses Mal bloß 25.7% der Stimmen erreichen? Die Antwort ist, dass die Wähler heutzutage ihre Wahl größtenteils von den folgenden zwei Aspekten abhängig machen: Davon, wie die Parteien mit bestimmten aktuellen Problemen umgehen und davon, wie sich der/die KanzlerkandidatIn präsentiert. Wenn man dies bedenkt, dann sind die Ergebnisse doch nicht ganz verwunderlich. Der größte Teil der Bevölkerung ist der Ansicht, die CDU sei mit der Wirtschaftskrise blendend umgegangen: In der Tat ist Deutschland besser dran als alle anderen EU Mitgliedstaaten, und hat sogar die Rolle übernommen, den sogenannten „faulen Südländern“ finanziell zu helfen. „Deutschland ist stark. Und soll es bleiben“, so ein Slogan der CDU-Werbekampagne. Die Vielfältigkeit der CDU, die sich auch für die Energiewende und Immigration einsetzt, hat natürlich auch große Unterstützung bekommen. Der zweite Aspekt ist natürlich die Trumpfkarte: Frau Merkel. Von der eher zurückhaltenden Physikerin aus dem Osten hat sie sich zu einer der beliebtesten RegierungschefInnen der Bundesrepublik Deutschland hochgearbeitet, die durch ihre Be-scheidenheit und ihre Tüchtigkeit nicht nur die Herzen vieler Deutschen eroberte, sondern laut Auslandspresse auch der einzige Grund dieses unglaublichen Erfolgs ist.

Und was ist nun mit der SPD?

Der SPD wurde hauptsächlich durch die harte Kritik an der Agenda 2010 vorgeworfen, sie hätte jegliche Ar-beiterprinzipien verlassen und somit viele traditionelle Wähler eindeutig verloren. Die darauf folgende Passivität, inhaltliche Verschwommenheit und bedingte Widersprüchlichkeit hat dazu geführt, dass der erste Punkt, auf den sich Wähler stützen, fehlgeschlagen ist. Des Weiteren traf die SPD mit ihrem Kanzlerkandidaten etwas ins Leere. Statt einen charismatischen, vertrauenserweckenden Kandidaten zu wählen, entschlossen sie sich für Peer Steinbrück, oder „Peerlusconi“, wie ihn manche bezeichnen. Er wird von der Gesellschaft größtenteils als arrogant empfunden und seine vielfältigen Ausrutscher helfen hierbei auch nicht. Steinbrück ließ sich beispielsweise, wie viele andere Prominente, von der Süddeutschen Zeitung fotografieren, wobei er jedoch eine vulgäre Geste mit dem Finger machte – kein Wunder, dass es vielen stinkt. Daneben äußerte er sich bezüglich der Rivalin, sie sei aufgrund ihres Geschlechtes begünstigt und die Tatsache, dass sie in Ostdeutschland aufgewachsen sei, führe dazu, dass sie keine passende Verbindung zu Europa aufstellen könne. Und da fragt man sich immer noch, wieso so viele Frauen und Deutsche in den neuen Bundesländern nicht die SPD wählten?

Weder die CDU noch die SPD sind dem Untergang geweiht. Die CDU wurde sich ihrer Herausforderung bewusst und zeigte, dass sie sich immer noch durchsetzen kann. Nun ist es für die SPD auch an der Zeit, sich zu behaupten. Deutschland braucht neue Gesichter und neue Themen, die bei Jugendlichen und Hoffnungslosen wie-der Interesse wecken. Mehr Frauen sollen an die politische Front. Die Ausrede höherer Konkurrenz von Seiten linker Parteien reicht nicht mehr aus. Die SPD soll aufwachen, sich auf die Beine stellen und kämpfen, damit Europa nicht von einer konservativen Welle überflutet wird.

CDU definitiv wieder eine Volkspartei – aber was ist mit der SPD? von Leonessa Crisci

Page 6: Königspost no.8 - December 2013

-6-

K U L T U R

Eine der ergreifendsten Beschreibungen eines Pogroms in der modernen Literatur ist

Isaak Babels 1925 erschienene Werk Die

Geschichte meines Taubenhauses, in dem die quasi-autobiographische Geschichte eines Pogroms in Nikolayev, Russland, am Anfang des 20. Jahrhunderts aus der Perspektive eines 10-jährigen Kindes erzählt wird.

Was seine Mutter vor allem fürchtet ist, so Babel, dass die Polizisten am Morgen des Pogroms keine Uniformen mehr tragen, sondern Zivilkleidung. Durch diese Furcht wird die Absurdität eines ganz anderen Pogroms her-vorgehoben: Der Kristallnacht, des Novemberpogroms. Eine Nacht des organisierten Chaos und der Brutalität. Sie war offiziell inoffiziell, die spontane Reaktion des deutschen Volkes auf die Ermordung eines deutschen Diplomaten durch einen Juden. Das war aber offensichtlich nicht der Fall: Obwohl Zivilisten eine Rolle darin

spielten, waren es die SA, die SS und die Polizei, die die Angriffe anordneten und ausführten, ganz ohne Uniformen. Die Organisation war so gut, dass Synagogen, die neben nicht-jüdischen Gebäuden standen, nicht in Brand gesetzt, sondern mit Hämmern zerstört wurden, damit es kein Risiko gab, „deutsche“ Häuser „ungerechterweise“ zu beschädigen.

Das Leugnen dieses Verbrechens ist extrem absurd – ein exemplarisches Bild: Ein SA-Angehöriger zieht sich eine Glasscherbe aus der blutigen Faust – neben einem zerbrochenen Fenster – und behauptet doch, er habe nichts damit zu tun. Dies ist, was uns sogar noch heute entsetzt: An der Kristallnacht beteiligten sich nicht nur randalierender betrunkener Pöbel, es handelte sich um mafiaähnliche Maßnahmen auf nationaler Ebene.

Auch die gängige Bezeichnung des Ereignisses hob die Absurdität der Nazi-Verlautbarungen hervor. Diese Nacht

Betrachtungen zum 75. Jahrestag der Kristallnacht

Regie: Margarethe von Trotta

Drehbuch: Pamela Katz und

Margarethe von Trotta

Kamera: Caroline Champetier

Musik: André Mergenthaler

Arendt: Barbara Sukowa

Länge: 113 Minuten

Hannah Arendt ist wohl eine der wichtigsten Den-kerInnen der letzten Jahr-

zehnte. Arendt selbst sah sich nicht als Philosophin, sondern als Politologin, und das ist wichtig, um sie besser verstehen zu können. Sie war stark, oft unverblümt, aber hochintelligent. Ihre Berichterstat-tung über den Eichmann-Prozess 1961 war zugleich bahnbrechend und umstritten. Deshalb war ein sogenanntes Biopic unausweichlich. Die Filmbiographie handelt von der Publikation Eichmann in Jerusalem und beginnt 1960, als Arendt bereits in New York lebt. Sie ist Universitätsd-ozentin und hört von einem Prozess gegen den Nationalsozialisten Eichmann in Jerusalem. Sie wendet sich an den New Yorker, wofür den sie Artikel zur Thematikzum Thema schreiben konnte. In Jerusalem besucht sie den Prozess und wohnt bei einem ehemaligen Dozenten. Diese Entscheidung gibt dem Film die Chance, gleichermaßen ihr Leben und ihre Werke zu erkun-den.

Der Film bemüht sich, Arendt anders

als die anderen Journalisten darzustellen. Während der Prozess läuft, tippt sie permanent auf der Schreibmaschine. Die Regisseurin von Trotta erzählt eine Geschichte des Feminismus und der Brisanz seiner Ideen, doch wirkt dieselbige ein wenig bedeutungslos. Das Drehbuch versucht zu viel zu zeigen, es gibt erweiterte Szenen, in denen wir endlose Diskussionen über Philosophie sehen -- ist das Publikum mit den jeweiligen Grundgedanken vertraut, funktionieren diese Szenen, kennt sie diese jedoch nicht, dann erscheinen sie endlos. Die Entscheidung, das echte Prozessfilmmaterial zu benutzen, ist verwirrend, weil somit der Film oft wie ein Pseudodokumentarfilm rezipiert werden kann.

Der Film hat jedoch auch viele positive Aspekte – man findet in manchen Szenen Humor, Drama und aufrichtige Gefühle – besonders in der Szene, in der Arendt ihre Meinungen vor einer Klasse

verteidigt.Im Allgemeinen sind die Darstellungen glaubwürdig und interessant, heraus-ragend ist ohne Zweifel Sukowa – sie trägt das Gewicht der Hauptfigur überzeugend und mit echtem Pathos. Es lohnt sich, den Film zu sehen, allein für diese darstellerische Leistung! Gesamt war der Film interessant und einnehmend, bei mirpersönlich hat er vor allem tieferes Interesse an den Wer-ken Arendts hervorgerufen – eher als das Verlangen, den Film erneut zu sehen.

Hannah Arendt Reviewvon Josh Horwood

Page 7: Königspost no.8 - December 2013

-7-

K U L T U R wurde satirisch als „Reichskristallnacht“ bezeichnet, um sich sowtohl über den Verantwortungsverzicht der Nazis als auch über die Sprache, welche die Propagandisten zu gebrauchen neigten, lustig zu machen. Die letztere dokumentierte Viktor Klemperer in seinem berühmten Werk Lingua Tertii

Imperii. Neben Informationen über diese Sprache erfährt man etwa, dass Klemperer selbst gezwungen wurde, seine Katze einzuschläfern, weil Juden keine Haustiere haben durften. Diese Mischung von Gewalt, Engstirnigkeit und Absurdität ist nicht nur bei den Nazis zu finden; Babel beschreibt, wie jemand aus dem Mob, der seinen älteren Onkel totschlägt, hernach Fische in seine Hose stopft.

Neben all dieser Absurdität gab es jedoch auch ein ökonomisches Motiv für die Kristallnacht. Sie war Teil eines Programms, den Reichtum der Juden an sich zu reißen: Die Jüdische Gesellschaft musste eine Geldbuße von einer Billion Reichsmark für den Mord an dem Diplomaten bezahlen.

An dieser Stelle findet man die zwei Lektionen, die wir aus der Kristallnacht lernen müssen: Diejenigen, die bereit sind, Gewalt zu nutzen, um ihre Ziele zu erreichen, können nicht durch Gewalttaten bekämpft werden, auch angesichts extremer Provokation. Durch solch vorschnelles Handeln wird die Möglichkeit friedlicher Lösungen gefährdet und eine Ausrede, wie windig auch immer, für eine „Reaktion“ geschaffen. Diese Botschaft, wie auch die zweite, ist heute so relevant wie von jeher: Gruppen überall auf der Welt werden unterdrückt, doch Gewalt darf für sie keine Option sein. Die zweite Botschaft ist aber ebenso wichtig: Auch heute muss Unrecht bekämpft werden.

Es gibt im German Department ein

sehr spannendes Projekt über das

Novemberpogrom, das nächstes Jahr

veröffentlicht wird: Bei Interesse an der

Teilnahme kontaktieren Sie bitte Martin

Brady.

Kommentar zum Film Paradies: Liebe

Der erste Film der Paradies-Trilogie des

österreichischen Regisseurs Ulrich Seidl be-

handelt das Thema Liebe. Aber nicht so, wie

wir es erwarten würden.

Teresa, eine übergewichtige Al-leinerziehende mittleren Al-ters, fährt nach Kenia, um dort

die Liebe zu finden. Die Tochter und die Katze lässt sie in Wien zurück und folgt ihrem Traum nach Afrika, wo eine öster-reichische Freundin schon ihre „Liebe“ gefunden hat.

Am Anfang ist alles wunderschön – Af-fen am Balkon, weißer Sand, freundliche Leute – aber die Utopie wird bald zum Alptraum. Überall wird sie von keniani-schen Männern umzingelt. Sie wollen ihr Ketten, Muschelschalen und ihre Körper verkaufen. Teresa glaubt immer noch an die Liebe und versteht noch nicht, dass sie am falschen Ort danach sucht – dafür

braucht sie einige peinliche, kostspielige Begegnungen und ein gebrochenes Herz.

Dieser Film zeigt uns die Finsternis des post-kolonialen Sextourismus auf eine Art und Weise, die wir noch nie er-lebt haben. Wir erfahren normalerweise nicht sehr viel über weibliche Sextouris-tinnen wie Teresa; am häufigsten wird von Männern, die nach Thailand fah-ren, gesprochen. Außerdem bekommen wir auch einen Blick in das Leben einer Frau, die im konventionellen Sinne nicht schön und auch nicht interessant ist. Sie hat einen faltigen und wabbeligen Kör-per, beschwert sich über ihre „Hängeti-tten“ und „Krähenfüße“, hat beruflich keine wichtige Stelle. Es gibt eine Fülle von Filmen und Büchern über „normale“ Mittdreißigerinnen, etwa Bridget Jones oder Carrie Bradshaw, die in Wirklich-keit alles andere als „normal“ sind. In dieser Hinsicht ist dieser Film besonders gelungen, da wir meines Erachtens mehr Bilder von Frauen brauchen, die keine enorm schlanken und knackigen Körper

haben, die explizit über Sex reden, die sich nicht mehr rasieren wollen. Dass Seidls Schilderung von Frau-en im Allgemeinen dem gegenüber durchaus als problematisch gesehen werden kann, sei an dieser Stelle nur erwähnt – dieses Thema ist eine ei-gene wissenschaftliche Arbeit wert (an die sich die Autorin tatsächlich auch begeben wird!).

Seidls Film ist schlicht: Er verwen-det keine kunstvolle Kameratechnik, die Darsteller_innen, die aus Ke-nia kommen, sind keine gelernten Schauspieler_innen und es gibt kei-ne Geräuschkulisse. Zusammen mit dem angesprochenen Hauptthema, dem gezeigten offenen Rassismus und dem ständig präsenten Gefühl der Wehrlosigkeit machen diese Ele-mente aus Paradies: Liebe einen un-behaglichen, deprimierenden, aber sehr ergreifenden Film.

Viktor Klempere, 1954

Magdeburg.- Zerstörtes jüdisches Geschäft, 1938

von Maxwell Jones

von Sarah Standen

Page 8: Königspost no.8 - December 2013

-8-

Seit dem 17. Oktober zeigt die Courtauld Gallery in ihrer Ausstellung Young

Dürer frühe Werke des deutschen Renaissancekünstlers Albrecht Dürer und seiner Zeitgenossen. Dürer, der in seinen 56 Lebensjahren ein Portfolio von über 1500 Werken, bestehend aus Handzeichnungen, Gemälden, Kupferstichen und Holzschnitten, hinterlassen hat, beeindruckte bereits zu seinen Lebzeiten. Als Malerlehrling Michael Wohlgemuts, seinerzeit der berühmteste Künstler Nürnbergs, erlangte Dürer bereits in seinen Zwanzigern europaweites Ansehen für seine meisterhaften Holzschnitte.

Nemesis (Das Große Glück) – im dritten Teil der Ausstellung nach einem kleinem expressionistischen Intermezzo zu finden - ist vielleicht nicht unbedingt das Werk eines jungen mittzwanziger Dürers, doch zeigt es die Entwicklung, die der damals knapp Dreißigjährige zu Beginn des

16. Jahrhunderts bereits durchlebt hat. Mit dem Druck Nemesis von 1501 hat Young

Dürer ein mehr als passendes Finale gefunden, in welchem die beiden Hauptanliegen der Ausstellung dem Betrachter kulminiert vor Augen geführt werden.

Im Fokus stehen Dürers Reisejahre von circa 1490-96. Dank dieser Wanderjahre war Dürer in der Lage sich intensiv mit aktuellen künstlerischen Diskursen und Sujets der Malerei, aber auch mit der vielseitigen Landschaft und den Völkern Europas aus-einanderzusetzen. Zwei Schwerpunkte zeichnen die Ausstellung, nebst ihrem Fokus auf Dürers Jung-gesellenzeit, aus. Zum einen führen diverse ausgestellte Detailstudien dem Betrachter die einzigartige Finesse Dürers vor Augen, zum anderen zeigen die

ausgestellten Werke den doppelten Funktionscharakter der Zeichnungen. Nebst anatomischen Detailstudien dienten Dürer, wie auch seinen Zeitgenossen, vor allem Zeichnungen als Mittel, sich einem Sujet zu nähern. Die Auseinandersetzung Dürers mit typischen Motiven und Themen seiner Zeit zeigt, dass er eingebettet in künstlerische Traditionen ist, derer er sich reichlich bediente. Durch den Blick auf beide Punkte soll verdeutlicht werden, dass Dürer über seine detaillierten Selbststudien bekannte Motive neu entdeckt und es so geschafft hat, sich gängigen Diskursen seiner Zeit auf einer neuen Ebene zu nähern.

Die Ausstellung macht besonders auf die Auseinandersetzung Dürers mit dem Thema der klugen und törichten Jungfrauen aufmerksam, welches Kunst und Literatur seit dem Mittelalter beschäftigt und sich besonders in der Renaissance einer gewissen Popularität in der Malerei erfreut. Auf

einem beidseitig verwendeten Blatt Papier fertigt Dürer eine elaborierte Zeichnung seiner Interpretation einer weisen Jungfrau an, in deren Kinn und Nase sich die physiognomischen Eigenschaften Dürers widerspiegeln. Auf der Rückseite befindet sich eine Skizze seiner Beine im Sitzen. Dieses Werk verdeutlicht die Nähe zwischen beiden Schwerpunkten: Detailstudie und Neubearbeitung einer bekannten Thematik.

Zum Ende der Ausstellung hin lässt sich in Nemesis schließlich erkennen, wie sich die Eindrücke, das Erlebte, Gesehene und Gelernte der Wanderjahre in einem Werk vereinen. Der Druck zeigt die griechische Göttin der Vergeltung nackt und geflügelt mit Merkmalen der römischen Glücksgöttin Fortuna auf einer Weltkugel stehend. Sie ist klar nach Vitruvius’ Proportionen gefertigt. In einem Linienspiel eingefangen, welches in seiner hauptsächlich parallelen Klarheit bereits die Überwindung der Kreuzschraffur andeutet, steht Nemesis über Klausen, einer Stadt in Südtirol, von Dürer während seiner ersten italienischen Reise in einem Aquarell festgehalten.

Die Ausstellung führt den Betrachter also durch die Entwicklungen, die Dürer während seiner Wanderjahre durchlaufen hat. Über Detailstudien einzelner Körperteile oder Faltenwürfe, über Selbstporträts des Künstlers bis hin zu gänzlich durchkomponierten Szenerien sehen wir die allmählichen Veränderungen seiner Zeichentechnik, Themenwahl und Sichtweise. Besucher haben noch bis zum 12. Januar täglich von 10:00 bis 18:00 Uhr die Gelegenheit, Dürers Wanderschaft zumindest ein wenig nachverfolgen zu können.

von Rebecca Dömling

Der junge Dürer und Zeitgenossen

“Nemesis” von Albrecht Dürer.

Mehr dazu:Was: The young Dürer: Drawing the

Figure

Wann: bis 12. Januar 2014Wo: The Courtauld Gallery, Somer-set HouseFreier Eintritt für Studierende

Page 9: Königspost no.8 - December 2013

-9-

Kunstwerke von zahlreichen Malern, die nicht nur Kunsthistorikern ein

Begriff sind, sondern Namen, die auch den größten Kunstbanausen nicht unbekannt sind. Eine Sensation! Je mehr Artikel man darüber liest, desto lauter wird die Frage, warum diese Angelegenheit für fast ein Jahr lang ein Geheimnis blieb und warum diesbezüglich nicht wirklich viel in Deutschland gemacht wurde.

Die Geschichte fing 2010 an, als Zollfahnder bei Cornelius Gurlitt, der im Zug von Zürich nach München saß, 9000 Euro fanden. Es war ja unter der erlaubten Grenze von 10000 Euro, aber den Beamten schien es verdächtig, dass der alte Mann weder ein Bankkonto noch eine Krankenversicherung hatte. Nachdem sie erfahren hatten, dass seine Verwandten in der Nazi-Zeit als Kunsthändler aktiv waren, erfolgte die Anordnung einer Durchsuchung der Wohnung Gurlitts in München.

Was dort gefunden wurde, übertraf alle Erwartungen: Etwa 1500 – manche bis jetzt unbekannte – Bilder von den Größen der Malerei: Klee, Dix, Renoir, Chagall, Picasso, Nolde, Kirchner, Grosz, Toulouse-Lautrec, Kokoschka, Beckmann, Liebermann, Matisse, Munch, oder Kollwitz. Gurlitts Kunstschatz stammt aus dem Erbe seines Vaters, aber er selbst kann nicht beweisen, auf welche Weise sein Vater die Werke erwarb. Dass er aber Unrecht tat, um an die Bilder zu kommen, glaubt Gurlitt nicht – ganz im Gegenteil, er beschreibt ihn als „Kämpfer für die Moderne“ und betrachtet ihn als seinen Helden.

Kunstwissenschaftler, die sich jetzt mit dem Fund beschäftigen, teilten die Bilder in drei Gruppen ein: Zur ersten Gruppe gehören harmlose Bilder, die der Vater entweder vor der Nazizeit gekauft hatte oder die schon vor dem Krieg im Familienbesitz waren. In der zweiten Gruppe befinden sich

die „entarteten” Bilder, die im Auftrag der Nazis im Ausland frei-gegeben werden sollten und mit denen Hildebrand Gurlitt handelte. Bei der dritten Gruppe handelt es sich um Raub-kunst, die bei ihren jüdischen E i g e n t ü m e r n konfisziert oder unter Zwang von den Eigentümern verkauft werden musste. Diese Gruppe soll fast die Hälfte des Fundes aus-machen.

Alle ge-fundenen Kunst-werke wurden beschlagnahmt und werden für knapp ein Jahr an einem sicheren Ort ver-wahrt. Bis jetzt meldeten sich einige Nachkommen der ehemaligen Besitzer, jedoch können nicht alle nachweisen, dass die Werke im Besitz ihrer Familien waren, da die Dokumente während des Krieges verschwunden waren. Jetzt, nachdem die Information über den Fund (endlich!) veröffentlicht wurde, erwartet man, dass sich mehrere Familien um die Werke bemühen werden.

Bevor die Zeitschrift Focus die Affäre ans Licht brachte, wurde sie geheim gehalten und nach Aussagen des Spiegeljournalisten „wie eine heiße Kartoffel behandelt – niemand wollte die Verantwortung übernehmen“. Um die Herkunft aller Bilder zu untersuchen, wurde nur eine Kunsthistorikerin angestellt und jene,

die um den Fund Bescheid wussten, wurden um strenges Stillschweigen gebeten. So peinlich können die Werke von berühmten Malern sein, wenn es sich um Raubkunst aus dem zweiten Weltkrieg handelt. Nachdem nun die ganze Welt über Cornelius Gurlitt gehört hat, ist der Druck für einen verantwortungsvollen Umgang noch größer. Obwohl ein Krisenstab mit Vertretern aus Finanz-, Kultur- und Justizministerien einberufen wurde, wird es noch jahreslang dauern, bis die Bilder in die Hände ihrer rechtlichen Besitzer kommen.

Hoffentlich geht zumindest der Teil der Sammlung, der rechtmäßig Eigentum der Familie Gurlitt ist, schnell zurück in die Hände dieses alten Herrn, für den die geerbte Schuld zur Liebe seines Lebens wurde.

Der peinliche Sensationsfundvon Jankiewicz Emilia

Ladies and Gentlemen

Take pride in your appearance

Haus of HairLadies and Gentlemans Hair Boutique

63 Black Prince Road

London SE11 6AB

Tel: 020 7091 9801

Email: [email protected]

www.hausofhair.co.uk

Page 10: Königspost no.8 - December 2013

-10-

Dr. Rudolf Adam äußert seine

Meinung zum Leben in London, dem

Abhörskandal zwischen Deutschland und

Großbritannien, und zur Frage der EU-

Zugehörigkeit.

Königspost: Diesen Sommer ist der

deutsche Botschafter in London in

den Ruhestand getreten. Das heißt,

dass man einen neuen Botschafter

einsetzen muss. Dies steht allerdings

noch bevor, was bedeutet, dass Sie

die höchste diplomatische Stelle

innehaben. Könnten Sie uns ein

bisschen über Ihre Rolle als Chargé

d’Affaires berichten?

Dr. Rudolf Adam: Ein Chargé d’Affaires hat genau dieselben Aufgaben wie ein Botschafter. Er vertritt die Bundesrepublik Deutschland im Gastland und ist der Ansprechpartner der Regierung des Gastlandes für alle Fragen der bilateralen Beziehungen. Gleichzeitig leitet er die Botschaft, eine Behörde mit über 150 Mitarbeitern. In meinem Tagesablauf wechseln sich dabei Besprechungen in der Botschaft, Kontakte mit britischen Regierungsvertretern sowie die Teilnahme an einer Vielzahl von Veranstaltungen mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Zivilgesellschaft miteinander ab.

KP: Wie verläuft die Ernennung

eines neuen Botschafters? Wissen

Sie, wann ein neuer Botschafter in

London gewählt wird?

RA: Ein neuer Botschafter wird von der deutschen Bundesregierung bestimmt und sodann vom Bundespräsidenten ernannt. Außerdem muss der Empfangsstaat sein Agrément er-teilen, also zustimmen. Ein genaues Datum für das Eintreffen eines neuen Botschafters ist noch nicht abzusehen.

KP: Sie sind von Ihrer Stelle als

Gesandter der deutschen Botschaft

in Moskau nach London gekommen.

Wie finden Sie das Geschehen in

der Botschaft in London und gibt es

Unterschiede zwischen London und

Moskau?

RA: London und Moskau sind Weltstädte. Es ist faszinierend, in beiden dieser Städte auf Posten sein zu können. London bietet natürlich eine Vielzahl an Attraktionen, die sonst wenig andere Städte der Welt aufweisen können.

KP: Gefällt es Ihnen, in London zu

wohnen?

RA: Ich hatte das Privileg, von der Botschaft eine Wohnung in bester Lage zur Verfügung gestellt zu bekommen. Parallel dazu hat meine Tochter als Studentin in London gewohnt. Leben in London kann für unterschiedliche Menschen ganz unterschiedlich aussehen.

KP: Jetzt zu politischen Themen:

Vor kurzem wurde dem

Vereinigten Königreich und den

USA von der deutschen Regierung

Spionage vorgeworfen. Dies löste

Spannungen zwischen den Ländern

aus. Wie ist Ihre Meinung zum

Kommunikationsmissbrauch von

Seiten des Vereinigten Königsreichs

und wie kann man das Vertrauen

wieder herstellen?

RA: Es handelt sich hier um eine sehr komplexe Frage, die auch tief in die jeweilige Geschichte der Staaten hineinreicht. Deutschland und Großbritannien sind im bilateralen Verhältnis sowie als Partner in EU und NATO eng verbunden. Vertrauen schafft man am besten, indem man

sich zusammensetzt und redet. Das gilt auch hier. Ich bin überzeugt, dass noch offene Fragen auf dieser Basis rasch und zufriedenstellend gelöst werden können.

KP: In Großbritannien gibt es

enorm viele Euroskeptiker und

die Conservative Party will

ein Referendum über die Rolle

Großbritanniens in Europa vor-

antreiben. Was meinen Sie dazu?

RA: Die Frage der Mitgliedschaft in der EU ist vermutlich ein zentrales Thema der nächsten Jahre. Sie wird in den britischen Medien sowie im Parlament engagiert behandelt. Politiker ganz unterschiedlicher Provenienz haben dazu sehr dezidierte Positionen. Für Deutschland ist Großbritannien ein wichtiger Partner in der EU, auch wenn es nicht der Eurozone angehört. Als Botschaft obliegt es uns nicht, aktiv an dieser Debatte teilzunehmen. Wir achten jedoch darauf, dass Argumente, in welcher Richtung auch immer sie ausgetauscht werden, faktisch richtig sind.

KP: Es gibt Gerüchte, dass die

politischen Verbündeten der CDU

auch so einen Volksentscheid

wollen. Wenn die Briten aus der EU

austreten würden, glauben Sie, dass

die politische und wirtschaftliche

Stabilität Deutschlands darunter

leiden würde? Würde das die

deutsche Botschaft in London und

Ihre Rolle beeinträchtigen?

RA: Keine der im Bundestag vertretenen Parteien strebt einen Volksentscheid über die Frage der deutschen EU-Zugehörigkeit an. Was Großbritannien angeht, so hängen Terminierung und Ausgang eines Referendums von vielen Parametern ab, der Ausgang ist ungewiss. Das gleiche gilt in noch größerem Maße für etwaige Auswirkungen auf Deutschland und die deutsche Botschaft in London.

KP: Abschließend möchten wir Sie

fragen, was für eine Zukunft Sie

sich bezüglich der Entwicklung des

K o p f d e s Ta g e sDr. Rudolf Adam, Chargé d’Affaires der Deutschen Botschaft in London

Dr Rudolph Adam

Page 11: Königspost no.8 - December 2013

-11-

von Ben Leitch

deutsch-britischen Verhältnisses

vorstellen können? Können diese

Verhältnisse verbessert werden?

RA: Die deutsch-britischen Be-ziehungen sind eng und vertrauensvoll. Aber auch was sehr gut ist, kann immer noch verbessert werden. Ich

wünsche mir insbesondere einen noch intensiveren Austausch von Schülern, Studenten und jungen Erwachsenen zwischen beiden Ländern und ein stärkeres Interesse für die deutsche Sprache und die damit verbundene Mentalität. Übrigens

wachsen die Chancen, bei einem der zahlreichen deutschen Unternehmen, die in Grossbritannien tätig sind, wie z.B. BMW oder VW, eine gute Führungsposition zu bekommen, überproportional, wenn man gute Deutschkenntnisse mitbringt.

Es ist 19 Uhr an einem Mittwoch Abend. Anstatt feiern zu gehen, sind meine

Deutschklasse und ich unterwegs zum Austrian Cultural Forum in South Kensington, wo bewegende Gedichte über den Holocaust sowie gefühlvolle Liebesbriefe von Paul Celan und Ingeborg Bachmann inszeniert werden.

Da die Gedichte von Celan und Bachmann Settexte für unser erstes Jahr sind, waren wir uns darin einig, wie nützlich die Aufführung war, um die Gedichte besser verstehen zu können. Die Gedichte und Briefe wurden sehr gefühlsstark auf Englisch gelesen, was uns Studierenden die vielschichtigen Bedeutungen der Gedichte viel klarer machte – abgesehen von der etwas irritierenden Aussprache von „Gruppe 47“.

Besonders interessant war die Lesung der bekannten „Todesfuge“ durch einen englischen Schauspieler. Ich bin der Meinung, dass sonst niemand, der nicht selbst an dem intensiven Schmerz des Holocausts gelitten hat, genug wahre Gefühle darstellen könnte. Die Lesung des Textes war simplistisch, fast monoton, und sehr bewegend, da sie dem Publikum erlaubte, mehr über die eigentlichen Worte nachzudenken.

Eine originelle, sehr gelungene Idee des Regisseurs war die Darstellung der Partner von Celan und Bachmann: Gisele Lestrange und Max Frisch. Ihre Perspektiven und Rollen im Leben und in den Werken der Dichter war etwas, das niemand von uns vorher in Betracht gezogen hatte.

Am Beeindruckendsten waren die audio-visuellen Effekte, die so wohl durchdacht waren, dass sie ein intensiveres Erlebnis aus dem Stück machten. Der Tondirektor verdeutlichte die Themen von Überwindung und Verstörung durch Projektionen und Beleuchtung. Ein Beispiel, das in meiner Erinnerung bleiben wird, war der Einsatz von Schatten, um eine visuelle Nähe der Charaktere herzustellen. Dies hob die enge Beziehung hervor, die Bachman und Celan trotz ihrer Trennung hatten, als sie in verschieden Ländern waren.

Um die Schlüsselthemen der Gedichte darzustellen, arbeitete der Tondirektor mit für sich selbst sprechenden Sym-bolen: tickende Uhren, Gräber, leere Wiesen und wachsende Mohn-blumen. Dies stellte einen merkbaren Kon-trast zu abstrakten Abbildungen eines laufenden Pferdes und Sonnenfinsternissen dar. Der Direktor wollte die Gedichte re-präsentieren, die nicht vorgetragen wurden. Er wählte die Bilder sorgfältig, um diskret zu zeigen, was für eine große Bedeutung das „Unsagbare“ hat, im Gegenteil zu dem, was man sehen, hören oder lesen kann.

Eine aufschlussreiche Rede von Dr. Áine McMurty, Dramaturgin des Stückes, folgte der Inszenierung. Die Notwendigkeit, an den un-beschreiblichen Schrecken des Holo-causts zu erinnern, war etwas, an das Celan und Bachmann beide stark glaubten, erklärte sie. Sie fühlten sich verpflichtet, das auszudrücken, was sonst kaum jemand konnte. Alles in allem stellten beide Hauptdarsteller die Schwierigkeit, der die Autoren in Bezug auf eine angebrachte Ausdrucksweise gegenüberstanden, stilvoll dar. Dank der Querschnitte durch die biographischen Informationen und die Liebesbriefe war ich angenehm überrascht - ich hatte mir eigentlich einen deprimierenden Abend vorgestellt!

Darkness Spoken

E u re S t i m m e von Aysha Strachan

Paul Celan an Ingeborg Bachmann

In ÄgyptenFür Ingeborg

Du sollst zum Aug der Fremden sagen: Sei das Wasser!Du sollst, die du im Wasser weißt, im Aug der Fremden suchen.Du sollst sie rufen aus dem Wasser: Ruth! Noemi! Mirjam!Du sollst sie schmücken, wenn du bei der Fremden liegst.Du sollst sie schmücken mit dem Wolkenhaar der Fremden.Du sollst zu Ruth, zu Mirjam und Noemi sagen:Seht, ich schlaf bei ihr!Du sollst die Fremde neben dir am schönsten schmücken.Du sollst sie schmücken mit dem Schmerz um Ruth, um Mirjam und Noemi.

Du sollst zur Fremden sagen:Sieh, ich schlief bei diesen!

Wien, am 23. Mai 1948.

Page 12: Königspost no.8 - December 2013

-12-

Mein Leben lang hat mein Vater verschiedenste Din-ge aus dem Müll anderer

Leute „gerettet“ und verwendet, was ich jahrelang sehr peinlich fand. Mir wurde aber langsam klar, dass das ei-gentlich nur eine Art Wiederverwer-tung war – reduce, reuse, recycle! Au-ßerdem spart es auch viel Geld, wenn der neue Fernseher auf der Straße ge-funden wurde.

Ich wende dieses Prinzip nun für die Lebensmittelversorgung an. Tierethik, Ethik der Ernährung und Nahrungs-mittelproduktion, Ethik in der Land-wirtschaft, Umweltethik usw. sind für mich sehr wichtige Themen und Freeganismus ermöglicht mir, all diese Prinzipien durchzusetzen.

Eine Studie der Universität für Bo-denkultur in Wien zeigt, dass jeden Tag 45 Kilo Lebensmittel von Super-marktfilialen weggeworfen werden, „ohne den Versuch einer Verwertung zu unternehmen“. Dabei handelt es sich auch um Originalverpackte Produkte, die „bis zu 12 Prozent des Mülls“ aus-machen. Freeganer_innen wollen die sogenannte Wegwerfgesellschaft be-kämpfen und deshalb holen sie wegge-worfene, aber noch genieβbare Lebens-mittel aus Mülltonnen. Das passiert meistens bei Supermärkten, denn da

gibt es große Mengen an Produkten.

Als ich in Wien lebte, entschied ich mich dazu, an dieser Bewegung teilzu-nehmen. Glücklicherweise gibt es in Österreich eine riesige Dumpster-Sze-ne, weil Mülltauchen weder illegal noch legal ist (Müll gilt als „herrenlose Sache“). Ich habe eine Anzeige für einen gemeinsamen Dumpster-Diving-Aus-flug auf CouchSurfing.org gepostet und bekam zahlreiche Antworten. Ich traf mich an einer dunklen Ecke hin-ter einer Supermarkt Filiale mit einem Mädchen (obwohl es nicht illegal ist, ist Mülltauchen keine Sache, die mit-ten am Tag gemacht wird). Wir betra-ten zwei verschiedene Müllräume und nach weniger als einer Stunde konnte ich nichts mehr tragen. Mit vollem Rucksack und drei Tragetaschen ging ich nach Hause.

Was wir in den Müllräumen fan-den, überraschte mich: Katzenstreu, Kopfsalat, Ziegenkäse, Sellerie, Milch, Bio-Zucchini, Müllbeutel voller Brot. Die Vielfalt an Produkten und deren Qualität waren einfach unglaublich – wenn ich das im Supermarkt kaufen wollte, könnte ich mir die Produkte nicht leisten. Die Verpackungen waren dreckig, was keine Überraschung war. Leider war das für meine damaligen Mitbewohner_innen ein unübesehba-

res Problem und ich musste die Woh-nung verlassen. Somit zog ich zu einem Freund von CouchSurfing – und blieb dort. Wir haben dann regelmäßig ge-meinsam gedumpstert. Manchmal mussten wir bis zu vier Wochen lang nicht einkaufen gehen, weil wir so viel zu essen hatten.

Ich bin jetzt wieder am King’s, woh-ne in Ostlondon und bekomme jede Woche ungefähr fünf Kilo Bananen gratis vom Markt. Leider ist dumpstern in England illegal; wäre das nicht so, wäre es dennoch fast unmöglich, auf-grund von Stacheldraht oder Wasch-mittel und zerdrückten Milchproduk-ten, die verwendet werden, um die Lebensmittel unbrauchbar zu machen. Ich finde das wirklich schade, weil so viel verschwendet wird. Ich fing jetzt aber an, in Cafés und Restaurants da-nach zu fragen, was sie mit den Lebens-mittelabfällen machen und bekomme manchmal kostenlose Smoothies oder zum Beispiel Sandwiches.

Ich muss zugeben, dass mir Wien in dieser Hinsicht fehlt. Obwohl ich die Gesellschaft sehr konservativ fand, gibt es solche Lichtblicke, die mich zurück-ziehen.

Freeganismus in Wien

von Sarah Standen

Page 13: Königspost no.8 - December 2013

-13-

Überall in den Hauptstädten Europas wollen die Leute dir sofort erzählen, es passiere

hier nichts mehr, die Bewegung sei tot. Es ist schwer eine solche Aussage zu beurteilen. Natürlich gab es nie eine einheitliche Szene, und die Jahre, die gerühmt werden, sehen nur im Nachhinein so gut aus. Aber in Gesellschaften herrscht immer eine gewisse Stimmung und die jungen Leute, die man in Berlin, Madrid und London trifft, sind größtenteils unzufrieden. Es gibt offensichtlich Unterschiede zwischen Gesellschaften; und manche sind empfänglicher für soziale bzw. kulturelle Bewegungen. Ist man in Berlin, hat man das Gefühl, in einer Gesellschaft zu sein, in der die Menschen noch politisch und kulturell engagiert sind, und das, obwohl alle sagen, die Ruhmjahre seien vorbei. Natürlich kann man sehen, dass das Tacheles jetzt zu ist, dass nur noch

wenige Häuser besetzen, dass die Galerien, Klubs, Bars ein Teil des Establishments wurden. Aber am Rande der Gesellschaft gibt es immer etwas und man bekommt das Gefühl, als ob dort viel mehr als in London passierte. Dort gibt es noch ein Nachtleben, dort gibt es noch Initiativen, die nicht institutionalisiert sind. Am ersten Mai etwa trifft man sich mit anderen und protestiert gegen die Regierung.

Zurück in London, wusste ich, was ich machen wollte. Ich wollte etwas außerhalb der Institutionen machen, mit dem Ziel, wieder ein bisschen Leben nach London zu bringen.

Glücklicherweise sind meine Freunde derselben Meinung! Ich will nichts gegen die Leute sagen, die bereits alternative Galerien aufmachten, Häuser besetzten, auf der Straße protestierten, bereits Wohltätigkeitsorganisationen usw.

in London gründeten und seit Jahren tolle Sachen machen.

Meine Freunde und ich wollen nun auch dazu bei-tragen. Und so wurde DIG ge-boren. Zuerst gingen wir auf die Suche nach alten, ver-lassenen Ge-bäuden, mit der Hauptidee, sie zu besetzen (es

ist in kommerziellen Gebäuden noch legal), aufzuräumen und als Zentrum für eine offene Debatte und Austausch anzubieten. In einer Stadt kann es so aussehen, als ob alles nur zu wäre und vom Rhythmus der Arbeit bestimmt würde, aber wenn man nach den Leuten am Rande der Gesellschaft sucht, findet man das Begehren nach Veränderung. Wir trafen Leute, die mithalfen und fanden ein Gebäude, in dem wir unsere Pläne durchziehen können. Am Anfang besetzten wir es, mittlerweile haben wir die Erlaubnis, es zu nützen. Wir räumten auf: Es handelte sich um ein gigantisches Lagergebäude und es war voller Schrott, Mäuse, Ratten, schimmligem Essen, Tauben, Spritzennadeln, Holz, alter Glaskabinette, Kisten voller leerer Zigarettenschachteln – so viel Staub, dass das Taschentuch schwarz war, wenn man sich nachher die Nase putzte!

Es wurde aufgeräumt. Ein Gebäude, das am Zerfallen war, wurde wieder in einen Zustand, der gesellschaftliche Nutzung erlaubt, gebracht. So fand am 21. November unsere Eröffnungsausstellung, einschließlich Konzert, statt – der Erfolg war unerwartet. Ab Montag findet nun wöchentlich Aktzeichnen statt, es werden auch Vorlesungen, Konzerte usw. angeboten. Eintrittspreis gibt es keinen, wir leben von Spenden. Montags (nach dem Aktzeichnen) gibt es Versammlungen, zu denen Leute kommen können, um Ideen für Veranstaltungen etc. zu besprechen.

Es handelt sich um eine offene Einladung.

Eine Einladung zur Ausgrabungvon Roland Fischer-Vousden

www.facebook.com/digspacelondonf

Page 14: Königspost no.8 - December 2013

-14-

AUSTRIAN CAFÉ & SAUSAGE STAND

GORDON SQUARE KIOSK, WC1H 0PD

Open Monday

to Friday from

10.00 - 16.30 o’clock

www.kipferl.co.uk

Im vergangenen Juli und August hatte ich für drei Wochen die Gelegenheit an einem

Sommerkurs an der Hochschule Bremen teilzunehmen. Diese Möglichkeit ergab sich für mich aufgrund der Zuerkennung eines Stipendiums des Deutschen aka-demischen Austauchdienstes (DAAD) – ich entschloss mich, einen Kurs in juristischer Fachterminologie zu machen.

Akademisch gesehen lohnte sich der Kurs. Ich bekam alle wichtigen Bücher zum deutschen Recht, auf diesen basierend waren auch die Vorlesungen strukturiert. Im Verlauf des Kurses nahm ich an einem Moot Court teil, besichtigte ein Amtsgericht in Bremen und musste bzw. durfte mich an Diskussionen im Unterricht sowie an Fragen und Antworten der Dozenten gewöhnen.

In den ersten Tagen hatte ich das Gefühl, ich könnte kaum Deutsch verstehen und mich auch kaum im

Gutachtenstil ausdrücken, doch diese Fähigkeiten sammelte ich im Laufe des Kurses, innerhalb wie auch außerhalb des Klassenzimmers.

Auf der anderen Seite ist der soziale Teil des Kurses zu betrachten, den ich eigentlich nicht genug in den Himmel heben kann! Die Hochschule hieß Studenten mit so vielen unterschiedlichen und internationalen Hintergrunden willkommen, dass ich vom ersten Tag an viele Freunde aus verschiedenen Teilen der Welt fand.

Unter den Studenten war Deutsch die Umgangssprache, deshalb war ich irgendwie gezwungen, Deutsch zu sprechen. Was Deutschkenntnisse betrifft, so hatten die Studenten verschiedene Levels, was bedeutete, dass ich mein Deutsch schnell, etwa beim Unterhalten mit den anderen, verbessern konnte.

Während der Wochenenden reisten wir viel. Mit meinen Klassenkameraden fuhr ich selbst nach Hannover und Hamburg. Mit der Hochschule hatte

ich dann noch eine der für mich bisher besten Gelegeneheiten: Die Möglichkeit eine sogenannte Wattwanderung zu machen. Neben dem Genießen schöner Blicke und dem Kontakt mit der Natur durfte auch zehn Kilometer vom Strand durch das Meer auf einen Insel gelaufen werden. Wahnsinn, oder?

Alles in allem würde ich solche Sommerkurse wirklich allen Deutschstudierenden emp-fehlen. Keine Sorge – ich bin kein Angestellter des DAAD. Spaß beiseite. Es war eine tolle Gelegenheit für uns Stundenten, uns in einer deutschen Stadt anzupassen und unser Deutsch zu verbessern. Zum ersten Mal war Deutsch für mich auch außerhalb des universitären Kontexts Teil meines Lebens; somit wurde es zu dem, was es eigentlich ist: Eine Sprache. Ein Mittel, das die Kommunikation mit Studenten, Dozenten und anderen Leuten ermöglicht. Und das hat mir ziemlich gut gefallen.

Von Rishi JoshiMoin Moin-die Bremer Frische, ne!

Page 15: Königspost no.8 - December 2013

-15-

Bavarian Beerhouse London Deutsche Gemütlichkeit in Tower Hill & Ok-toberfest Stimmung in Old Street

Schnitzel, Würstchen, Schweinehaxen. Dirndl, Lederhosen, Maßkrüge. Im Hintergrund läuft Jodel-musik. Was für Deutsche klischeehaft klingt, funktio-niert in der Britischen Hauptstadt mit großem Erfolg seit nunmehr acht Jahren. Das Bayerische Bierhaus mit seinen zwei Restaurants ‚Old Street‘ und ‚Tower Hill‘ ist ein weltweit einmaliges Konzept, und kombi-niert ganzjährig ‚Oktoberfest im Restaurant-Format‘.

Von Sonntag bis Donnerstag bietet der normale Res-taurant- und Bar Betrieb Zeit zum Verweilen und Ein-kehren. Freitag und Samstag wird aufgedreht, und der hauseigene DJ lädt mit Deutscher und Internati-onaler –Oompah- Musik zum Tanzen ein.

Als ‚Londoner Heimat des deutschen Fußballs‘ hat sich das Bavarian Beerhouse sowohl bei Deutschen, als auch Englischen Bundesliga-Fanclubs einen Na-men gemacht. Gut besucht sind die Bundesliga Live Übertragungen und die Spiele der deutschen Natio-nalmannschaft. Dazu gibt es das traditionelle Fuß-ball-Gedeck: Currywurst und Bier.

Tower Hill und Old Street liegen nur sieben Kilometer auseinander, und doch unterscheiden sich die bei-den Restaurants: Tower Hill spiegelt mit Kronleuch-tern und pink-farbenen Hirschköpfen das moderne Bayern wieder. Deutsche Gemütlichkeit auf Bierbän-ken - ein Konzept das bei Geschäftsleuten, Londo-nern und Touristen gleichermaßen gut ankommt.

In Old Street, einem reinen Keller-Gewölbe direkt bei den Szenevierteln Hoxton und Shoreditch gelegen, tobt das East London Leben. Ein wenig derb, sehr rustikal, ausgefallen – und Party pur! Wer Old Street an einem Freitag- oder Samstagabend erlebt, be-kommt die volle Dröhnung Oktoberfest - ganzjährig.

Die Bavarian Beerhouse Ltd. wurde 2004 von einem Deutschen Ehepaar gegründet, und organisierte die ersten Oktoberfest Veranstaltungen in London im selben Jahr. Ein Jahr später öffnete das erste Re-staurant ‚Old Street‘ seine Pforten. Das zweite Res-taurant ‚Tower Hill‘ folgte 2010. Auf der Kundenliste stehen alle namhaften Unternehmen in London und UK. Die Abteilung ‚Bavarian Beerhouse Events‘ ist eine reine Event-Catering Abteilung, die auf Kun-denwunsch ‚Oktoberfeste‘ überall in UK organisiert – auch bei der Britischen Armee in Birmingham. Auf-grund des Erfolges und der großen Nachfrage erfolg-te die Gründung der Bavarian Beerhouse Franchise Ltd., die „Oktoberfest als Restaurant Konzept“ im UK vermarktet.

Bavarian Beerhouse “Old Street” 190 City Road

London EC1V 2QH

Bavarian Beerhouse “Tower Hill” The Arches, 9 Crutched Friars

London EC3N 2AU

Telefon 0844 330 2005 www.bavarian-beerhouse.co.uk [email protected]

fBavarianBeerhouseUKBavarianBeerUKl

Werbung

Page 16: Königspost no.8 - December 2013

-16-

Mit der WM vor Augen und einer fast perfekten Qual-ifikation hinter sich,

kann man sich so langsam mal wieder die Frage stellen: Wie weit schafft es unsere „Goldene Generation“ dieses Mal? Die englische Presse benimmt sich schon fast euphorisch und sieht die Nationalelf, mit ihrem schnellen offensiven Fußball, als die einzige europäische Mannschaft, die den Brasilianern den Titel vor der Nase wegschnappen kann. Dagegen verhält sich die deutsche Presse eher zurückhaltend, nachdem man nach fünfzehn Siegen in Folge, die EM 2012 schon so gut wie gewonnen dachte, bevor ein Herr Balotelli eigenhändig das Land in die Realität zurückriss.

Dieses Mal spürt man in Deutschland weniger Glauben, in den letzten Jahren war es immer dasselbe, die Mannschaft spielte oft traumhaften Fußball, begeistert und verzaubert, bis ihr dann ein Italiener oder ein Spanier einen sogenannten „Reality-Check“ verpasste, und es am Ende nur für Silber oder Bronze reichte (2006-Dritter;2008-Zweiter; 2010-Dritter; 2012-Dritter). Ich kann mir nicht ganz erklären

warum, aber die englische Presse bleibt weiter optimistisch, vielleicht genießen sie einfach die Schadenfreude, wenn es dann doch nicht klappt und wir mit einem bitteren Gefühl nachhause fliegen.

Ja, es ist klar, dass „Jogis Jungs“ auf jeden Fall ganz oben dabei sein werden, das haben sie ihrem Mittelfeld zu verdanken – es überquillt fast vor Kreativität – doch werden sie in Brasilien wirklich den Pott holen? Wahrscheinlich nicht. Schweini, Müller, Özil und Co. haben sich zu Weltklasse Spielern entwickelt, dazu kommen jetzt auch noch, Draxler, Götze, Gündogan und der Rest der jungen Talente, die den Hunger auf Erfolg in sich haben. Leider bleibt das Problem in der Defensive, es ist das Schwarze Loch der Nationalelf, sie schaffen es einfach nicht, den Kasten dicht zu halten.

Bei dem letzten WM-Qualifikations-Spiel, einem 3:5 Auswärtssieg gegen Schweden, sah man genau, warum die Deutschen von vielen als WM-Titel-Favoriten betrachtet werden, aber man sah auch genau, warum sie 2014 niemals Weltmeister werden. Das Spiel

war spannend, der offensive Fußball bezaubernd und ein Dreierpack von Schürrle, der es meist nur auf die Bank schafft, zeigte die grandiose Auswahl an Topspielern, die Deutschland zurzeit zur Verfügung steht. Gleichzeitig war es sehr klar, dass „hinten“ etwas nicht stimmt: Hummels ist nicht konsequent genug, Boateng fehlt das Stellungspiel und Schmelzer ist und bleibt durchschnittlich. Das Spiel bedeutete zwar nichts, da Deutschland sich schon vorzeitig qualifiziert hatte, aber trotzdem, man darf nicht drei dumme Tore – gegen Schweden, ohne Ibrahimovic wohlgemerkt – kassieren.

Die Spanier sind einfach noch einen Tick besser, wenn es bei den großen Turnieren richtig zur Sache geht. Die Italiener auch. Und die Brasilianer spielen vor heimischem Publikum, mit dem gewissen Etwas, das bei dem Confederations Cup Spanien im Finale 3-0 zertrümmerte. Es wird nicht leicht, zumindest nicht so leicht, wie es uns die englische Presse präsentiert. Aber wer weiß, eine Nationalmannschaft, aus der zwölf Spieler beim Championsleague Finale im Mai teilnahmen, muss eine Chance haben, nicht?

DIE REDAKTION

Chefredaktion Marie SchwallPolitik und Wirtschaft Leonessa Crisci, Marie Schwall

Kultur Ben Leitch, Sarah StandenKopf des Tages Sarah Standen

Uni-Leben/Eure Stimme Isabelle NeumandLayout Mahaut Dilly, Elena Flanigan

Die Zeitung ist von Final-Year-Studenten des King’s College London zusammengestellt.Die Redaktion wird von Christine Schallmoser und Florian Lippert unterstüzt.

Die Königspost ist die erste deutsche Zeitung des German Departments am King’s College London.

facebook.com/koenigspostf

Deutschlands Chancen bei der WMvon Fabian Broecker