Körperlich krank? seelisch krank? oder doch simuliert? · Anatomie --Physiologie --...

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Körperlich krank? seelisch krank? oder doch simuliert? Wertigkeit und Funktion des klinischen Befundes klinischen Befundes in der psychiatrisch-psychotherapeutischen Begutachtung Matthias Fabra Medizinisches Gutachteninstitut Hamburg [email protected]

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Körperlich krank?seelisch krank?oder doch simuliert?

Wertigkeit und Funktion des klinischen Befundesklinischen Befundesin der psychiatrisch-psychotherapeutischen Begutachtung

Matthias FabraMedizinisches Gutachteninstitut Hamburg [email protected]

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19972004

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19972004

In den Jahren 1997 bis 2004 sinktsinkt der Gesamtkrankenstand der GKV von 4,19 auf 3,39 Prozent (d.h. um ca. 20 % ).

In den Jahren 1997 bis 2004 steigtsteigt der Anteil der AU-Tage aufgrund psychischer Erkran-kungen in der DAK um 70%.

Weber, A., G.Hörmann, V. Köllner (2006): Psychische und Verhaltensstörungen, die Epidemie des 21. Jahrhunderts? Deutsches Ärzteblatt, 103, 13, B713-B715

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Frage:Frage: Wieviel Prozent aller Frühberentungen im Bereich der Deutschen Rentenversicherung erfolgen aufgrund psychischer Störungen?

� 11 %� 31%� 51%� 71%� 91%

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Frage:Frage: Wieviel Prozent aller Frühberentungen ...

???

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Frage:Frage: Wieviel Prozent aller Frühberentungen ...

!!!!

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Frage:Frage: Wieviel Prozent aller Frühberentungen ...

� 11 %! 31% richtig, es sind fast ein Drittel;

psychische Störungen sind die häufigste Ursache vorzeitigen Renteneintritts infolge krankheitsbedingter Erwerbsminderung in Deutschland

� 51%� 71%� 91%

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Was ist Sinn und Zweck sozialmedizinischerbzw. versicherungsrechtlicher Begutachtung ?

•Solidaritätsprinzip der Versichertengemeinschaft•Interessenkonflikt Antragsteller ./. Gemeinschaft•Die Begutachtung hat Mittlerfunktion

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"

Zwei richtige Aussagen ...

Es kann sein, dass ein Tierarzt, der nach einem lebensgefährlichen Angriff durch einen Stier eine phobischeStörung entwickelt, deswegen berufsunfähig ist.

" Nicht jeder Tierarzt, der nach einem lebensgefährlichen Angriff durch einen Stier eine phobische Störung entwickelt, ist deswegen berufsunfähig

nur, ist er jetzt berufsunfähig oder nicht?

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Inhaltsübersicht:

I.I. Das BioDas Bio--PsychoPsycho--Soziale Krankheitsmodell Soziale Krankheitsmodell ImpairmentImpairment => => DisabilityDisability => Handicap => Handicap

II.II. Wirbelsäule und NervensystemWirbelsäule und NervensystemAnatomie Anatomie ---- Physiologie Physiologie ---- PathophysiologiePathophysiologie

III.III. Beschwerden und klinischBeschwerden und klinisch--neurologischer Befundneurologischer BefundIV.IV. Befunde apparativer ZusatzuntersuchungenBefunde apparativer Zusatzuntersuchungen

•• neurophysiologische Befundeneurophysiologische Befunde•• Befunde Befunde bildgebenderbildgebender VerfahrenVerfahren

V.V. Konversion Konversion ---- Dissoziation Dissoziation ---- SomatoformeSomatoforme Störung Störung VI.VI. Willensfähigkeit, komplexe IchWillensfähigkeit, komplexe Ich--Funktionen Funktionen

und psychischer Querschnittsbefundund psychischer QuerschnittsbefundVII.VII. „Wirbelsäulenschmerz“„Wirbelsäulenschmerz“

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Inhaltsübersicht:

I.I. Das BioDas Bio--PsychoPsycho--Soziale Krankheitsmodell Soziale Krankheitsmodell ImpairmentImpairment => => DisabilityDisability => Handicap=> Handicap

II.II. Wirbelsäule und NervensystemWirbelsäule und NervensystemAnatomie Anatomie ---- Physiologie Physiologie ---- PathophysiologiePathophysiologie

III.III. Beschwerden und klinischBeschwerden und klinisch--neurologischer Befundneurologischer BefundIV.IV. Befunde apparativer ZusatzuntersuchungenBefunde apparativer Zusatzuntersuchungen

•• neurophysiologische Befundeneurophysiologische Befunde•• Befunde Befunde bildgebenderbildgebender VerfahrenVerfahren

V.V. Konversion Konversion ---- Dissoziation Dissoziation ---- SomatoformeSomatoforme Störung Störung VI.VI. Willensfähigkeit, komplexe IchWillensfähigkeit, komplexe Ich--Funktionen Funktionen

und psychischer Querschnittsbefundund psychischer QuerschnittsbefundVII.VII. „Wirbelsäulenschmerz“„Wirbelsäulenschmerz“

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6 Konsequenzen der Aussage6 Konsequenzen der Aussage„er/sie ist krank“:„er/sie ist krank“:

1. empfindet Leiden und Leistungsminderung

2. erhält Mitleid und Unterstützung 3. steht befristet oder auf die Dauer außerhalb der

Leistungsanforderungen der Gesellschaft4. ist berechtigt, Leistungen der Versicherungssysteme zu

empfangen5. wird als Kranke/r abgestempelt („gelabelt“)6. wird von der Leistungs- und Spaßgesellschaft ausgestoßen und

abgeschoben

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Die beiden Dimensionen des „Krankseins“:

a. Leidenb. Herabsenkung des psychosozialen

Funktionsniveaus

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Gutachtliche Betrachtungen zielen in aller Regel auf die Leistungsminderung ( = Herabsenkung des psycho-sozialen Funktionsniveaus) ab!

(1) Leiden: a) sog. immaterieller Schaden in der Privat- und Sachversicherung, Schmerzensgeld

(2) Herabsenkung des psychosozialen Funktionsniveaus (Beispiele): a) MdE der Gesetzlichen Unfallversicherung (GUV) b) Erwerbsminderung der (KFZ-)Haftpflichtversicherungc) Grad der Behinderung des Schwerbehindertenrechtsd) MdE-Grad des Versorgungsrechtes (KVG, SVG, OEG u.a)e) Invalidität (dauerhafte Leistungsminderung) der PUVf) teilweise und vollständige Erwerbsminderung der GRV g) (völlige) Arbeitsunfähigkeit, Berufsunfähigkeit der Privaten Krankentagegeldversicherung, Privaten Berufsunfähigkeits(zusatz)-Versicherung , u.a.m.

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LeistungsminderungKompensationspotenziale ./. Kompensationsschwächen

Funktionsstörung

Matthesius, R.G.: ICIDH International Classification of impairment, disability and handicap, Teil 1 und 2, WHO: Geneva, Verlag Ullstein Mosby 1995

Krankheitszeichen(Symptome)

Leiden

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PersönlichkeitPersönlichkeit

Bochnik, H.J.: Grundsätze und begriffliche Werkzeuge zur ärztlichen Ganzheitsorientierung. In: Bochnik, H.J., W. Hackhausen (Hrsg.): Personenorientierte Diagnostik und Begutachtung. Urban und Fischer, 1. Auflage 1999, Seite 3

Symptome Funktions-störung

++ KompensationsKompensations--strategienstrategien

Leistungsminderung

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Zumutbarkeit schadensmindernder Willensanspannung in der Gesetzlichen Rentenversicherung:

• Krankheitswert hat eine seelische Störung, wenn sie aus eigener Kraft nicht überwunden werden kann.

• Zu berenten ist der Versicherte, wenn er bei zumutbarer Willensanspannung aus eigener Kraft seine Störung nicht überwinden kann.

• Zumutbar ist eine Willensanspannung, wenn diese ohne gesundheitliches Risiko einer Verschlimmerung möglich ist.

BSG 01.07.1964, AZ 11 – 1 RA 158/1961

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Frage: Woraus also ergibt sich die Minderung der Leistungsfähigkeit infolge Erkrankung?

1. Aus dem Symptom selbst

Beispiele:a) Bewegungseinschränkung nach Wirbelkörperfrakturb) allgemeine Schwäche bei Herzinsuffizienzc) Antriebsminderung bei Depressiond) Verkennung der Realität bei Wahne) Zwangshandlungen bei Zwangsstörung f) u.v.a.m.

2. Aus der krankheitsbedingten Herabsenkung der Willensfähigkeit infolge seelischer Erkrankung

3. Aus dem Zusammenwirken von 1. und 2.

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Inhaltsübersicht:

I.I. Das BioDas Bio--PsychoPsycho--Soziale Krankheitsmodell Soziale Krankheitsmodell ImpairmentImpairment => => DisabilityDisability => Handicap => Handicap

II.II. Wirbelsäule und NervensystemWirbelsäule und NervensystemAnatomie Anatomie ---- Physiologie Physiologie ---- PathophysiologiePathophysiologie

III.III. Beschwerden und klinischBeschwerden und klinisch--neurologischer Befundneurologischer BefundIV.IV. Befunde apparativer ZusatzuntersuchungenBefunde apparativer Zusatzuntersuchungen

•• neurophysiologische Befundeneurophysiologische Befunde•• Befunde Befunde bildgebenderbildgebender VerfahrenVerfahren

V.V. Konversion Konversion ---- Dissoziation Dissoziation ---- SomatoformeSomatoforme Störung Störung VI.VI. Willensfähigkeit, komplexe IchWillensfähigkeit, komplexe Ich--Funktionen Funktionen

und psychischer Querschnittsbefundund psychischer QuerschnittsbefundVII.VII. „Wirbelsäulenschmerz“„Wirbelsäulenschmerz“

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IV. Lendenwirbelkörper von unten gesehen

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Inhaltsübersicht:

I.I. Das BioDas Bio--PsychoPsycho--Soziale Krankheitsmodell Soziale Krankheitsmodell ImpairmentImpairment => => DisabilityDisability => Handicap => Handicap

II.II. Wirbelsäule und NervensystemWirbelsäule und NervensystemAnatomie Anatomie ---- Physiologie Physiologie ---- PathophysiologiePathophysiologie

III.III. Beschwerden und klinischBeschwerden und klinisch--neurologischer Befundneurologischer BefundIV.IV. Befunde apparativer ZusatzuntersuchungenBefunde apparativer Zusatzuntersuchungen

•• neurophysiologische Befundeneurophysiologische Befunde•• Befunde Befunde bildgebenderbildgebender VerfahrenVerfahren

V.V. Konversion Konversion ---- Dissoziation Dissoziation ---- SomatoformeSomatoforme Störung Störung VI.VI. Willensfähigkeit, komplexe IchWillensfähigkeit, komplexe Ich--Funktionen Funktionen

und psychischer Querschnittsbefundund psychischer QuerschnittsbefundVII.VII. „Wirbelsäulenschmerz“„Wirbelsäulenschmerz“

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Genügt für den Nachweis einer Erkrankung die Beschwerdeschilderung?

Entscheidung des BGH vom 14.04.1999 (IV ZR 289/97, Frankfurt(M.): „ ... dass bei einer Krankheit wie der Generalisierten Tendomyopathie, die gerade durch das Fehlen naturwissenschaftlich gewonnener Untersuchungs-befunde charakterisiert wird, der ärztliche Nachweis der Erkrankung auch dadurch geführt werden kann, daß ein Arzt seine Diagnose auf die Beschwerdeschilderung des Patienten stützt...“

Stevens, A., K. Foerster (2000): Genügt für den Nachweis einer Erkrankung die Beschwerdeschilderung? Zum Verhältnis von Beschwerden, Befund, Diagnose und Beeinträchtigung. Versicherungsmedizin 52,2, 76-80

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Rollenkonfusion des Arztes, hier: der Arzt als Heiler

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Rollenkonfusion des Arztes, hier: der Arzt als Gutachter

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A)A) AnamneseAnamnese und B)B) BefundBefund : :

gegensätzliche odereinander ergänzende Strategiender Erkenntnisgewinnung in der Medizin?

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Beispiel:

Anamnese:59 jähriger Mann, berichtet über morgens beim Aufstehen bemerkte Lähmung des rechten Beines

Befund:zieht das rechte Bein nach beim Gehen, knickt ein.

Möglichkeit a): Erhöhung der Muskelspannung, Reflexsteigerung, Pyramidenbahnzeichen;

Schlußfolgerung: spastische Parese: vom ZNS ausgehend, DD Hirn- oder Rückenmarkstumor, MS, Schlaganfall u.a.m.

Möglichkeit b): Minderung der Muskelspannung, Reflexabschwächung, fehlende Pyramidenbahnzeichen;

Schlußfolgerung: schlaffe Parese, i.d.R. vom peripheren NS ausgehend, DD Nerven(wurzel)kompression, Nervenentzündung, Nervenspitzenschädigung (Mononeuropathie) u.a.m.

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Merke:Merke:

In der neurologischen Anamnese- und Befunderhebung müssen alle Systeme abgefragt und dann untersucht werden!

I. Hirnnerven

II. Motorik

III. Sensibilität

IV. Koordination

V. Eigen- und Fremdreflexe, Pyramidenbahnzeichen

VI. Autonome Funktionen

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Befund / Hirnnerven:

I. N. Olfactorius (Riechen)

II. N. Opticus (Sehen)

III. N. Oculomotorius (Augapfelbeweglichkeit, Pupillenweite)

IV. N. Trochlearis (Augapfelbeweglichkeit => Blick n. schräg unten)

V. N. Trigeminus (Gesichts- und Mundsensibilität, Geschmack, Kauen

VI. N. Abducens (Augapfelbeweglichkeit => Blick nach außen)

VII. N. Facialis (Gesichtsmuskulatur)

VIII. N. Vestibulocochlearis (Statoacusticus) (Hören, Gleichgewicht)

IX. N. Glossopharyngeus (Zungen- und Schlundmuskeln, Geschmack)

X. N. Vagus (innere Organe, Parasympathikus)

XI. N. Accessorius (Halsmuskeln)

XII. N. Hypoglossus (Zungenmuskeln)

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Befund: Motorik

1) Allgemeine Schwäche, Muskelabmagerungen, Muskeltonus

2) Gangbild (aufrecht, gebückt, propulsiv, kleinschrittig, schlurfend usw.)

3) Zehen- und Hackengang, Hüpfen auf einem Bein, Hocke, Pendeln

4) Schwächen und Abmagerungen einzelner Muskeln (Muskelgruppen)an Armen und Händen – Körperstamm – Beinen und Füßen

5) Händedruck, Greiffunktionen, Feinmotorik, Beugung und Streckung im Ellenbogengelenk, Funktion der Schultergürtelmuskulatur

6) Aufrichten aus dem Liegen, Bauchdecken, Beckenboden, Atemhilfsmuskulatur, Zwischenrippenmuskulatur, Halsmuskeln

7) Fuß-, Fußrand-, Zehenheber- und –beugerschwäche, Zehenspreizer, Schwäche und Abmagerung d. Fußsohlenmuskeln, Fußgewölbe, Kniebeuger- und –strecker, Beckengürtelmuskeln

8) [Hautbeschaffenheit, Beschwielung, Arbeitsspuren]

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Befund: Sensibilität

1) Berührung

2) Zweipunkte-diskrimination

3) Schmerz

4) Warm/Kalt

5) Vibration

6) Tiefensensibilität

Aus: Claus, D.: Nervenwurzelläsionen. In: In: B. Neundörfer, E. Schneider, V. Dittmann, W. Pöldinger (Hrsg.): Atlas der Nervenheilkunde. G. Braun Fachverlage 1996, 80

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Befund / Koordination:

1) Sicherheit von Bewegungen (Unsicherheit = Ataxie)

2) Sicherheit von Zielbewegungen

3) Sprechkoordination

4) GangprovokationenSeiltänzergang vorwärts ./. rückwärtsAugen geöffnet ./. geschlossen

5) Einbeinstand

6) Romberg-Versuch

7) Unterberger-Versuch

8) Wendebewegungen (Diadochokinese)

Engelhardt, A.: Klinischer Untersuchungsgang In: B. Neundörfer, E. Schneider, V. Dittmann, W. Pöldinger (Hrsg.): Atlas der Nervenheilkunde. G. Braun Fachverlage 1996, 17

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Befund / Eigen- und Fremdreflexe, Pyramidenbahnzeichen:

1) Armeigenreflexe

2) Beineigenreflexe

3) Fremdreflexe (Cornealreflex, Bauchhautreflexe, Analreflex, Cremasterreflex u.a.m.)

4) Pyramidenbahnzeichen, Kloni

Aus: Engelhardt, A.: Klinischer Untersuchungsgang In: B. Neundörfer, E. Schneider, V. Dittmann, W. Pöldinger (Hrsg.): Atlas der Nervenheilkunde. G. Braun Fachverlage 1996, 15

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Beispiel eines Beispiel eines Neurologischen Befundes Neurologischen Befundes infolge Hohen Querschnittes infolge Hohen Querschnittes bei HWK 6/7 und Wurzelkompression C7 rechts:bei HWK 6/7 und Wurzelkompression C7 rechts:An den Hirnnerven keine Auffälligkeiten. Seitens der Motorik findet sich eine Abmagerung des M. Triceps brachii und weniger auch der Streckmuskulatur am Unterarm rechts gegenüber links.Es findet sich eine Schwäche für die Streckung des Unterarmes im Ellenbogengelenk sowie die Beugung der Finger I – III in Mittel- und Endgelenk des Kraftgrades IV und der Hand-und Fingerstrecker des Kraftgrades IV+ . Der Schlüssel- und Spitzgriff sind rechts kraft-gemindert, die Kuppen der Langfinger können jedoch sämtlich mit der Daumenkuppe zur Deckung gebracht werden. Die Schulterkappenmuskulatur, der M. Biceps brachii und die Muskulatur an der Hand sind seitengleich kräftig ohne Abmagerung. Die Feinmotorik rechts ist gemindert, der Betroffene ist nicht in der Lage einhändig eine Sicherheitsnadel unter Sichtkontrolle zu öffnen. Die Muskelspannung an Armen und Beinen ist regelhaft, insbesondere findet sich kein spastisches Gangbild. Einbeinhüpfen bds. infolge Schmerzes nicht möglich. Rechts vermindertes Mitpendeln des Armes unter Schmerzangabe.

Seitens der Sensibilität findet sich eine Herabminderung für Berührungs- und Schmerzreizeam I. bis III. Strahl an der rechten Hand, gleichzeitig besteht eine Überempfindlichkeit (Allodynie) der Haut beim Darüberstreichen. Die Zweipunktediskrimination ist an den Fingerkuppen I bis III mit 6-8mm erhöht. Das Hoffmann-Tinel‘sche Zeichen über dem Carpaltunnel ist negativ, negativr Phalen-Test. Keine Sensibilitätsstörung an den Beinen und am Körperstamm, Tiefensensibilität unauff..

Koordinationsstörungen finden sich nicht. Der Tricepsreflex und Brachioradialisreflex sind rechts abgeschwächt, mittleres Reflexniveau. Seitengleiche Bauchhautreflexe, keine Pyramidenbahnzeichen.

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Inhaltsübersicht:

I.I. Das BioDas Bio--PsychoPsycho--Soziale Krankheitsmodell Soziale Krankheitsmodell ImpairmentImpairment => => DisabilityDisability => Handicap => Handicap

II.II. Wirbelsäule und NervensystemWirbelsäule und NervensystemAnatomie Anatomie ---- Physiologie Physiologie ---- PathophysiologiePathophysiologie

III.III. Beschwerden und klinischBeschwerden und klinisch--neurologischer Befundneurologischer BefundIV.IV. Befunde apparativer ZusatzuntersuchungenBefunde apparativer Zusatzuntersuchungen

•• neurophysiologische Befundeneurophysiologische Befunde•• Befunde Befunde bildgebenderbildgebender VerfahrenVerfahren

V.V. Konversion Konversion ---- Dissoziation Dissoziation ---- SomatoformeSomatoforme Störung Störung VI.VI. Willensfähigkeit, komplexe IchWillensfähigkeit, komplexe Ich--Funktionen Funktionen

und psychischer Querschnittsbefundund psychischer QuerschnittsbefundVII.VII. „Wirbelsäulenschmerz“„Wirbelsäulenschmerz“

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Neurophysiologische Untersuchungsmethoden bei Wirbelsäulenerkrankungen:

•Nadelmyographie (EMG)•Motorische Neurographie incl. F-Wellen-Latenz

•Sensible Neurographie incl. H-Reflex

•Magnetstimulation der Motorischen Hirnrinde und der spinalen Nervenwurzeln (MEP)

•Somatosensorisch evozierte Potentiale•SSR resp. autonome evozierte Potentiale

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Nadelmyographie (EMG) des Schultergürtels:

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Nadelmyographie (EMG): Veränderung der Potentiale Motorischer Einheiten (Motor Unit Potentials, „MUP‘s“MUP‘s“) bei Nerven- und Muskelerkrankungen

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Nadelmyographie (EMG):Veränderung der „MUP‘s“ nach Nervenschadenim Zeitverlauf frühes...

Beachte:das Alter einer Verletzung des peripheren Nervensystems z.B. durch Unfall lässt sich im EMG einigermaßen genau nur bis zum Ende des Zweiten Unfalljahresbestimmen, danach kann man nicht mehr sagen, ob eine Veränderung 2, 4, 10, 20 oder mehr Jahre besteht.

mittleres...

Spätes Reiinervations-stadium,

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+

Motorische Neurographie: Bsp.: Ulnaris-Rinnen-Syndrom

Beachte:•Das Ulnaris-Rinnen-Syndrom ist wichtigste Differentialdiagnose einer Beschädigung der Nervenwurzel C8,

•das Carpaltunnelsyndrom für C7

•Die Peronaeuslähmung für L5

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Motorische Neurographie: Veränderung des Muskelsummenpotentials bei Engpassyndrom (z.B. Ulnaris-Rinnen-Syndrom)

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Motorische Neurographie: Bsp.: Peronaeusparese

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Sensible Neurographie: Bsp.: Carpaltunnel-Syndrom

orthodrome vs . antidrome Technik

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Somatosoensorisch evozierte Potentiale (Erb-Potential, Nackenpotential, Skalp-Potential):

Claus, D.: Neurophysiologische Untersuchungsverfahren; . In: B. Neundörfer, E. Schneider, V. Dittmann,W. Pöldinger (Hrsg.): Atlas der Nervenheilkunde., G.Braun Fachverlage 1996, 26

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Magnetstimulation der Motorischen Hirnrinde oder spinaler Nervenwurzeln:

Claus, D.: Neurophysiologische Untersuchungsverfahren; . In: B. Neundörfer, E. Schneider, V. Dittmann,W. Pöldinger (Hrsg.): Atlas der Nervenheilkunde., G.Braun Fachverlage 1996, 26

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Bildgebende Verfahren bei Wirbelsäulenerkrankungen:

•Röntgen Nativdiagnostik•Computertomographie (CT)

•Magnetresonanztomographie (MRT)

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Inhaltsübersicht:

I.I. Das BioDas Bio--PsychoPsycho--Soziale Krankheitsmodell Soziale Krankheitsmodell ImpairmentImpairment => => DisabilityDisability => Handicap => Handicap

II.II. Wirbelsäule und NervensystemWirbelsäule und NervensystemAnatomie Anatomie ---- Physiologie Physiologie ---- PathophysiologiePathophysiologie

III.III. Beschwerden und klinischBeschwerden und klinisch--neurologischer Befundneurologischer BefundIV.IV. Befunde apparativer ZusatzuntersuchungenBefunde apparativer Zusatzuntersuchungen

•• neurophysiologische Befundeneurophysiologische Befunde•• Befunde Befunde bildgebenderbildgebender VerfahrenVerfahren

V.V. Konversion Konversion ---- Dissoziation Dissoziation ---- SomatoformeSomatoforme StörungStörungVI.VI. Willensfähigkeit, komplexe IchWillensfähigkeit, komplexe Ich--Funktionen Funktionen

und psychischer Querschnittsbefundund psychischer QuerschnittsbefundVII.VII. „Wirbelsäulenschmerz“„Wirbelsäulenschmerz“

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Somatoforme Störungen nach DSM-IV-TRDefinition:„... Vorhandensein von körperlichen Symptomen, die einen medizinischen Krankheitsfaktor nahelegen [...], und die durch einen medizinischen Krankheitsfaktor, durch die direkte Wirkung einer Substanz oder durch eine andere psychische Störung [...] nicht [bzw. nicht] vollständig erklärt werden können.“ ... „im Gegensatz zur Vorgetäuschten Störung (DSM-IV 300.16 oder 300.19, ICD-10 F68.1)und zur Simulation (DSM-IV-TR V65.2, ICD-110 Z76.5) sind die körperlichen Symptome nicht absichtlich erzeugt (d.h. [sie stehen] nicht unter willentlicher Kontrolle) ...“

Somatoforme Störungen:•Somatisierungsstörung

•Undifferenzierte Somatoforme Störung

•Konversionsstörung (DSM-IV-TR 300.11, ICD-10 F44.NN)

•Somatoforme Schmerzstörung (DSM-IV-TR 307.8N, ICD-10 F45.4)

•Hypochondrie

•Körperdysmorphe Störung

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Unterschied DSM-IV-TR ./. ICD 10:

Die Konversionsstörung in der ICD-10 wird nicht den Somtoformen Störungenzugerechnet, sondern ist synonym mit den Dissoziativen Störungen

Dissoziative Störungen: •Dissoziative Amnesie•Dissoziative Fugue•Dissoziativer Stupor•Dissoziative Bewegungsstörung•Dissoziative Krampfanfälle•Dissoziative Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen•Gemischte Dissoziative Störungen•Ganser Syndrom•Dissoziative Identitätsstörung (Multiple Persönlichkeitsstörung)•Andere und nicht näher bezeichnete Dissoziative Störungen

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Psychodynamisches Verständnis von Konversion Psychodynamisches Verständnis von Konversion und und somatoformemsomatoformem Schmerz:Schmerz:

•„Ausdruckskrankheiten“: eine für das Ich unerträgliche Belastung, ein innerseelischer Konflikt oder eine überaus gewünschte, jedoch nicht lebbare Beziehung werden durch ein dem Willen nicht unterworfenes scheinbar körperliches Symptom dargestellt.

•Wahrnehmungseinengung mit der Folge einer Bewusstseinsänderung (Dissoziation), Störung der Realitätskontrolle und Selbstkritik

•Hyperemotionalität: emotionale Labilisierung, vermehrte Ansprechbarkeit Angst, „hysterisches Aufgebrachtsein.“

•Veränderung der Selbstwahrnehmung und des Selbstbildes, regressive Selbstbildveränderung mit Symbolisierung von Schwäche, Hilflosigkeit, Unschuld, Anlehnungsbedürftigkeit usw. (siehe auch in der Partnerbeziehung).

•Kommuniklativer Aspekt, „Krankheit als Bühne“

•Identifizierungsvorgänge: Übernahme von Symptomen von dem Betroffenen wichtigen Dritten

•Symbolisierung im Symptom -- Bsp.: psychogener Rückenschmerz: „kann es nicht mehr (er)tragen“, „kann den Rücken nicht immer steif halten“-- Bsp.: psychogene Lähmung: „kann nicht mehr“ ... „es geht nicht weiter“-- Bsp.: psychogene Blindhei: „kann es nicht mehr mit ansehen“-- Bsp.: psychogene Ertaubung. „kann es nicht mehr hören“

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Psychogene Bewegungsstörung dokumentiert: Verschwinden der Symptome oder anhaltende Besserung infolge Psychotherapie, Suggestion oder Placebo, unterstützt durch Physiotherapie, oder wenn der Patient symptomfrei wird, sobald er sich unbeobachtet fühlt.

Psychogene Bewegungsstörung klinisch festgestellt: Die auf Befundebene festgestellten Symptome der Bewegungsstörung passen nicht zu einem der bekannten neurologischen Störungsbilder (incongruency), zuzüglich wenigstens eines der drei folgenden Merkmale:

• Vorhandensein weiterer psychogener Symptome abseits der Bewegungsstörung

• Mehrörtliche Somatisierungen• Erkennbare seelische Erkrankung abseits der Bewegungsstörung

Psychogene Bewegungsstörung wahrscheinlich: Die auf Befundebene festgestellten Symptome der Bewegungsstörung passen nicht zu einem der bekannten neurologischen Störungsbilder (incongruency), sie passen nicht zueinander und sind im Zeitverlauf nicht konstant (inconsistency), oder es finden sich weitere psychogene Symptome abseits der Bewegungsstörung oder mehrörtliche Somatisierungen

Psychogene Bewegungsstörung möglich: Es liegt außerdem eine emotionale Störung vor

Diagnosekriterien psychogener Bewegungsstörungen (nach Schrag, A.: Psychogenic dystonia and reflexsympathetic dystrophy. In: Hallett, M., S. Fahn, J. Jankovic et al.: Psychogenic Movement Disorders: Neurology and Neuropsychiatry. Philadelphia; Lippincott, Williams and Wilkins 2006, 53 – 61)

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Argumente, die für eine nicht organisch begründete Störung sprechen... (1)

Nach anamnestischen Angaben

•Offensichtliche psychiatrische Erkrankung [aber: eine Vielzahl organischer Bewegungsstörungen weist psychiatrische Begleiterkrankungen auf]

•Vielörtliche Somatisierungen [aber: Koinzidenz zu organischer Bewegungsstörung möglich]

•Der/die Betroffene ist berufstätig im Gesundheitswesen [aber: statistische Häufung]

•Anstehende rechtliche Auseinandersetzung um Entschädigung oder andere finanzielle Ansprüche [aber: auch organisch Kranke streiten um finanzielle Ansprüche]

•Sekundärer Krankheitsgewinn (z.B. durch die Sorge von Angehörigen) [aber: wenig verlässlich]

•Junges Lebensalter bei weiblichem Geschlecht [aber: statistische Häufung, auch unter den von organischen Bewegungsstörungen betroffenen finden sich junge Frauen]

Nach: Lang, A.E.: General overview of psychogenic movement disorders: epidemiology, diagnosisand prognosis. In Hallett, M., S. Fahn, J. Jankovic et al.: Psychogenic Movement Disorders: Neurology and Neuropsychiatry. Philadelphia; Lippincott, Williams and Wilkins 2006, 35 - 41

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Argumente, die für eine nicht organisch begründete Störung sprechen... (2)

Nach klinischen Befunden:

•Nicht zueinander passende und im Zeitverlauf inkonstante Befunde (Verteilung der Bewegungsmuster, nicht schlüssige Behinderung bei speziellen Tätigkeiten)

•Paroxysmales Auftreten [aber: seltene paroxysmale Bewegungsstörungen bspw. Dystonien]

•Die Bewegungsstörung nimmt zu bei Aufmerksamkeitszuwendung und ab bei Aufmerksamkeitsentzug [aber: Tic, bestimmte Tremorarten]

•Unerwartete Handlungsweisen des Untersuchers triggern die Bewegungsstörung, z.B. Erschrecken, passive Bewegung der betroffenen Gliedmaße, Berühren von Triggerpunkten irgendwo am Körper) [aber: Suggestibilität bei organischer Bewegungsstörung]

•Nicht organisch begründbare Schwächen der Gliedmaßen

•Nicht organisch begründbare Sensibilitätsstörungen, z.B. halbseitige Sensibilitätsminderung mit mittiger Begrenzung

•Spuren von Selbstverletzung [aber: Tourette-Syndrom]

•Unphysiologisch langsame oder schnelle Bewegungsmuster

•Funktionsstörungen die durch das Ausmaß der Bewegungsstörung nicht begründet werden

•Hochabnorme Bewegungsmuster (Bizarre, vielfältige und schlecht zu klassifizierende Bewegungen [aber: M.Wilson, Thalamische Läsionen, einige vererbbare Dystonien, andere]

Nach: Lang, A.E., a.a.O (2006)

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Argumente, die für eine nicht organisch begründete Störung sprechen... (3)

Nach therapeutischer Beeinflussbarkeit:

•Fehlende Beeinflussbarkeit durch die gängigen Therapeutika [aber: Dystonien und manche Tremorformen sind auch schlecht zu beeinflussen]

•Besserung nach Placebogabe [aber: im Einzelfall auch bei organischen Störungen möglich]

•Besserung oder Verschwinden unter Psychotherapie

Nach: Lang, A.E., a.a.O (2006)

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Inhaltsübersicht:I.I. Das BioDas Bio--PsychoPsycho--Soziale Krankheitsmodell Soziale Krankheitsmodell

ImpairmentImpairment => => DisabilityDisability => Handicap => Handicap II.II. Wirbelsäule und NervensystemWirbelsäule und Nervensystem

Anatomie Anatomie ---- Physiologie Physiologie ---- PathophysiologiePathophysiologieIII.III. Beschwerden und klinischBeschwerden und klinisch--neurologischer Befundneurologischer BefundIV.IV. Befunde apparativer ZusatzuntersuchungenBefunde apparativer Zusatzuntersuchungen

•• neurophysiologische Befundeneurophysiologische Befunde•• Befunde Befunde bildgebenderbildgebender VerfahrenVerfahren

V.V. Konversion Konversion ---- Dissoziation Dissoziation ---- SomatoformeSomatoforme Störung Störung VI.VI. Willensfähigkeit, komplexe IchWillensfähigkeit, komplexe Ich--Funktionen Funktionen

und psychischer Querschnittsbefundund psychischer QuerschnittsbefundVII.VII. „Wirbelsäulenschmerz“„Wirbelsäulenschmerz“

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"

Zwei richtige Aussagen ...

Es kann sein, dass ein Tierarzt, der nach einem lebensgefährlichen Angriff durch einen Stier eine phobischeStörung entwickelt, deswegen berufsunfähig ist.

" Nicht jeder Tierarzt, der nach einem lebensgefährlichen Angriff durch einen Stier eine phobische Störung entwickelt, ist deswegen berufsunfähig

nur, ist er jetzt berufsunfähig oder nicht?

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Widder, B., Aschoff, J. (1995): Somatoforme Störung und Rentenantrag: Erstellen einer Indizienliste zur quantitativen Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens, Med. Sach. 91, 1, 14 ff.

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Die Skala Global Assessment of Functionning

Arbeitskreis OPD (Hrsg): Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik OPD-2; Verlag Hans Huber 1. Aufl. 2006

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Die Skala EQ-5D (EuroQol-five-dimension) zur standardisierten Erfassung des Psychosozialen Funktionsniveaus

aus: OPD-2 und DSM-IV-TR a.a.O:

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Bausteine des psychischen Befundes (I): A) nach dem AMDP-System:

• Sinnestäuschungen• Ich-Störungen• Störungen der Affektivität• Störungen des Antriebs und

psychomotorische Störungen• Tageszeitliche Besonderheiten• Andere Störungen• [Somatischer Befund]

• Bewußtseinsstörungen• Orientierungsstörungen• Aufmerksamkeits- und

Gedächtnisstörungen• Formale Denkstörungen• Befürchtungen und

Zwänge• Wahn

Arbeitsgemeinschaft für Methodik und Dokumentation in der Psychiatrie (AMDP): Das AMDP-System. Manual zur Dokumentation psychischer Befunde. 7. unveränd. Aufl.1995, 52 - 158

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Bausteine des gutachtlichen psychischen Befundes (III): C) eigener Vorschlag einer Systematik:Befunde analog dem AMDP (s.o.), und außerdem:

• Äußeres Erscheinungsbild unabhängig von Verhalten (beobachtbar)

• Verhalten (bewusst/nicht bewusst; beobachtbar)

• Direktes Erleben während der Untersuchung (beobachtbar, erlebbar)

• Beziehung und Bindung (beobachtbar, erlebbar)

• Selbstwahrnehmung [u.-einschätzung]• Fremdwahrnehmung [u.-einschätzung]• Diskrepanz zwischen Selbst- und

Fremdwahrnehmung [u.-einschätzung]• Diskrepanz zwischen getanen und

zu erwartenden Äußerungen

• Einsichts- und Urteilsfähigkeit• Introspektionsfähigkeit• Konstanz der Symptome während des

Untersuchungszeitraumes und in Bezug zur Anamnese

• Konsistenz der Symptome, unter Einbezug körperlicher Befunde und anamnestischer Angaben

• Übertragungsgefühle (Gefühle auf seitendes Untersuchten)

• Gegenübertragungsgefühle (Gefühle auf seiten des Untersuchers)

Fabra, M. (2004): Der psychische Querschnittsbefund, Dreh- und Angelpunkt psychiatrisch-psychotherapeutischer Begutachtung. Versicherungsmedizin, 56, 3, 115 - 122

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Einschätzung der KrankheitsschwereKrankheitsschwere und der verbliebenenverbliebenen WillensfähigkeitWillensfähigkeit anhand der sog. komplexen Ichkomplexen Ich--FunktionenFunktionen

#Realitätsprüfung und Urteilsbildung#Beziehungsfähigkeit und Kontaktgestaltung#Affektsteuerung und Impulskontrolle#Selbstwertregulation und Regressionsfähigkeit#Intentionalität und Antrieb#Abwehrorganisation

Heigl, F.: Indikation und Prognose in Psychoanalyse und Psychotherapie. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 3. Aufl. 1987, S. 137 f.; Foerster, K. (2001): Stellenwert psychischer Störungen in der Begutachtung - Grundlagen der Begutachtung. Med. Sach. 97, 2, 33 – 35; Franz, M., D. Schellberg, H. Schepank (1995): Indikatoren und Einflussfaktoren des Langzeitspontan-verlaufs psychogener Erkrankugnen, ein Extremgruppenvergleich, PPmP Psychother., Psychosmom. Med. Psychol. 45, 41 –51; Fabra, M. (2005): So genannte komplexe Ich-Funktionen, psychischer Querschnittsbefund und Einschätzung des Leistungsvermögens in der Begutachtung psychogener Erkrankungen. I: Versicherungsmedizin, 57, 3, 133-136; II: Versicherungsmedizin 57, 4, 178-181

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Abwehrmechanismen und zugeordnete Adaptationsniveaus (mod. n. OPD-2)

• Verleugnungsniveau: • Projektion• Rationalisierung• Verleugnung• Niveau mit schwerer

Vorstellungsverzerrung:Autistische PhantasieProjektive IdentifikationSpalten des Selbstbildes und des Bildes anderer

• Handlungsniveau:• Apathischer Rückzug• Ausagieren• Hilfe zurückweisendes Klagen• Passive Aggression• Niveau mit Abwehrdysregulation und

(psychotischem) Bruch der Realität:• Psychotische Leugnung• Psychotische Verzerrung• Wahnhafte Projektion

• Hochadaptives Niveau:• Affiliation• Altruismus• Antizipation• Humor• Selbstbehauptung• Selbstbeobachtung• Sublimation• Unterdrückung• Niveau mit psychischen

Hemmungen(Kompromissbildungen):

• Affektisolation• Dissoziation• Intellektualisierung• Reaktionsbildung• Ungeschehenmachen• Verdrängung• Verschiebung• Niveau mit leichter

Vorstellungsverzerrung:• Entwertung• Idealisierung• Omnipotenz

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Beispiel eines psychischen Querschnittsbefundes bei psychogener Beispiel eines psychischen Querschnittsbefundes bei psychogener Bewegungsstörung (Konversionsstörung) oder Bewegungsstörung (Konversionsstörung) oder somatoformersomatoformer Schmerzstörung Schmerzstörung hier zusätzlich mit willensgebundenen Anteilen (Rechtsgebiet: PBhier zusätzlich mit willensgebundenen Anteilen (Rechtsgebiet: PBUZ) (I):UZ) (I):Der Betroffene ist mit eher hochwertigen Kleidungsstücken, jedoch wenig sorgfältig gekleidet, mit Stoppelbart und grau-gelblichem Teint. Er nimmt in der Wartezone einen mürrischen Kontakt auf, erhebt sich unter Signalisieren von Schmerz mit einem Stöhnen, und macht sich langsam unter Schmerz- und Unwillens-äußerungen mit schlurfendem Gang auf seinen rechts geführten Handstock gestützt auf den Weg zum Untersuchungsraum; dabei lehnt er sich zwischendurch mehrfach an der Wand an, schließt die Augen und atmet tief durch. Er lässt sich dann schwerfällig auf dem dargebotenen Sessel nieder, rückt darauf mehrfach hin und her und erklärt, dass er schmerzbedingt nicht lange sitzen könne. Die zunächst eingenommene Schonhaltung verliert er jedoch mehr und mehr, je umfassender er von den Inhalten des gutachtlichen Interviews in Anspruch genommen wird. Der Betroffene hat sich genau überlegt was er sagen will und was nicht. Es ist ihm angelegen, seine Rückenschmerzen und die dadurch bedingten Funktionsstörungen und Leistungsbehinderungen möglichst ins rechte Licht zu rücken, so wie dies in einer Gutachtensituation ganz angemessen ist. Darüber hinaus ist er bedacht darauf, an seinen Einschränkungen in seinem Gegenüber möglichst keinen Zweifel aufkommen zu lassen; gewinnt er den Eindruck, dass solche Zweifel entstehen könnten, nimmt er sie bereits vorweg und sucht sie im Vorwege durch Gegenargumente zu zerstreuen. Der Betroffene vermittelt Leidensdruck eines Ausmaßes wie es den geschilderten Einschränkungen angemessen wäre, nicht. Erlebte Hilf- oder Hoffnungslosigkeit vermitteln sich im Interview zu keinem Zeitpunkt, auch keine katastrophisierenden Kognitionen.

Der Betroffene gestaltet die Beziehung zum Untersucher eigenständig, eigenaktiv, vermeidet Blickkontakt nicht und erhält eine einmal erreichte Intensität im Kontakt über den gesamten verbleibenden Verlauf der Untersuchung aufrecht. Der Betroffene kennzeichnet sich im beruflichen und privaten Kontext als „Führungspersönlichkeit“ und legt auch in der Gutachtensituation großen Wert auf Achtung und Anerkennung seitens des Untersuchers, mit dem er möglichst „auf Augenhöhe“ zu kommunizieren sucht. Als sich in diesem Punkt akzeptiert fühlen kann, lassen das Drängende und Fordernde in seinem Verhalten fühlbar nach. Gerade in Kenntnis seiner Biographie hat man eher den Eindruck eines primär selbstunsicheren Menschen, der sich mit hoher Willenskraft und entgegen den ihn abwertenden Vorwürfen seines Vaters an die Spitze des ehemals elterlichen Betriebes gekämpft hat, dessen von ihm unverschuldeter Konkurs ihm erheblich zusetzt. ...

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Beispiel eines psychischen Querschnittsbefundes bei psychogener Beispiel eines psychischen Querschnittsbefundes bei psychogener Bewegungsstörung (Konversionsstörung) oder Bewegungsstörung (Konversionsstörung) oder somatoformersomatoformer Schmerzstörung Schmerzstörung hier zusätzlich mit willensgebundenen Anteilen (Rechtsgebiet: PBhier zusätzlich mit willensgebundenen Anteilen (Rechtsgebiet: PBUZ) (II):UZ) (II):Seitens des inhaltlichen Denkens findet sich der Betroffene gefangen in seinem Leiden, kann sich einerseits nur schlecht daraus lösen und sich anderen Inhalten zuwenden, lässt sich auf der anderen Seite aber in dieses Leiden auch willensgebunden ein Stückweit hineingleiten. Trotzdem gelingt es ihm nicht, etwa bei der Schilderung seiner momentanen Lebenssituation zusammenhängend von den Unternehmungen mit seinen Söhnen zu berichten, sondern er wird immer wieder von Gedanken und Gefühlen von Leiden, Missgunst anderer und subjektivem Übervorteiltwerden, eingeholt. Der Betroffene hat wenig Sinn für Körper-Seele-Zusammenhänge sondern ein ausgeprägt körperliches (somatisches) Krankheitsverständnis, zieht verschiedentlich Analogien zwischen seinem Körper und seinem PKW, den er zur Reparatur gebe, wonach er wieder funktionieren müsse. Er äußert sein Unverständnis darüber „...dass die Ärzte dies bei mir nicht hinbekommen“. Wahnhaftes findet sich nicht, kein Hinweis für Trugwahrnehmungen in der Gutachtensituation oder für die Vergangenheit, regelhaftes Ich-Erleben, keine eigenständig krankhafte Neigung hypochondrischer Selbstbeobachtung. Das formale Denken ist nicht gestört, einzelne Gedanken bauen logisch aufeinander auf, der Gedankengang ist flüssig, normal schnell, regelhafter Sprechduktus.

Kognitive und mnestische Funktionen sind nicht gestört, der Betroffene ist nicht umstellerschwert, weiß wichtiges von unwichtigem gut zu unterscheiden und verliert sich nicht in Details. Er ermüdet wärhrend des 2 Stunden währenden Interviews nicht vorschnell und beweis angemessene Erinnerungsstrategien.

Affektiv ist der Betroffene häufig am Rande der Contenance, er beherrscht sich in seinen Unmutsäußerungen nur mit Mühe, wobei er auch den Untersucher mit Kritik und persönlichen Angriffen nicht ausspart. Affektsteuerung und Impulskontrolle sind gemindert. Der Untersuchte ist überwiegend in einem moros-vorwürflichen Affekt gefangen, in diesem Rahmen aber moduliert. Er ist erhöht affizierbar, von verminderter affektiver Reserve, jedoch nicht erhöht affektdurchlässig. Die Stimmung ist herabgesenkt, der Antrieb eher vermehrt und wird zielgerichtet eingesetzt. Eine depressive Hemmung der Ausdrucksbewegungen besteht nicht, im gegenteil begleitet der Betroffene was er sagt mit lebhafter angemessener Mimik und Gestik. Kein Hinweis aktueller Suicidalität.

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„...Puhhh, das war schwere Kost, jetzt ist aber Schluss!“

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Körperlich krank?seelisch krank?oder simuliert?

Wertigkeit und Funktion des klinischen Befundesklinischen Befundesin der psychiatrisch-psychotherapeutischen Begutachtung

--- Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !

Matthias FabraMedizinisches Gutachteninstitut Hamburg [email protected]

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Ende!!!