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Kommunale Krimi- nalitätsverhütung Ein nationaler und internationaler Vergleich von Konzepten und Strate- gien im Bereich der kriminalpräventiven Zusammenarbeit zwischen Bürger, Kommune und Polizei Marcus Kober und Andreas Kohl Europäisches Zentrum für Kriminalprävention 31.3.2015 Im Auftrag des Ministeriums des Innern des Landes Brandenburg

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Kommunale Krimi-nalitätsverhütung Ein nationaler und internationaler Vergleich von Konzepten und Strate-gien im Bereich der kriminalpräventiven Zusammenarbeit zwischen Bürger, Kommune und Polizei

Marcus Kober und Andreas Kohl Europäisches Zentrum für Kriminalprävention 31.3.2015

Im Auftrag des Ministeriums des Innern des Landes Brandenburg

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[1]

Inhalt

I. Hintergrund .......................................................................................................... 3

1. Das Konzept „Kommunale Kriminalitätsvorbeugung“ .......................................... 3

2. Kommunale Kriminalitätsverhütung im Land Brandenburg .................................. 4

3. Untersuchungshintergrund und -methodik .......................................................... 6

II. Erkenntnisse zur Kommunalen Kriminalprävention ............................................. 9

1. Modelle kommunaler Kriminalprävention ............................................................. 9

a) Kriminalpräventive Gremien ..................................................................... 10

b) Qualitative Erkenntnisse zur lokalen Sicherheitspolitik............................. 14

2. Gelingensfaktoren für die Implementierung lokaler Ansätze der

Kriminalitätsvorbeugung ........................................................................................... 22

a) Mögliche Unterstützungsleistungen der Landespräventionsräte .............. 23

b) Systemische Beratungsansätze ............................................................... 25

c) Implementationsforschung ....................................................................... 25

d) „Communities that care“ (CTC) ................................................................ 27

e) Implementierungsstudie im Land Brandenburg ........................................ 29

f) Erkenntnisse und Schlussfolgerungen in anderen Bundesländern .......... 30

3. Sicherheits- und Ordnungspartnerschaften ....................................................... 31

Bürger als ehrenamtliche Sicherheitskräfte ........................................................... 32

III. Wirksamkeit der Kommunalen Kriminalitätsverhütung im Hinblick auf

Kriminalitätsbelastung und das subjektive Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung ..... 36

1. Evaluation des „Heidelberger Modells“ .............................................................. 38

2. Evidenzbasierte Kriminalprävention: Erkenntnisse aus dem „Düsseldorfer

Gutachten“ ................................................................................................................ 40

3. Exkurs: Ökonomische Perspektiven (kommunaler) Prävention ......................... 43

IV. Bewertung von Präventionsprogrammen im Hinblick auf eine effektive

Kriminalprävention .................................................................................................... 47

V. Erkenntnisse aus explorativen Experteninterviews............................................ 49

Sicherheitspartnerschaften ................................................................................... 49

Gremien der Kommunalen Kriminalitätsverhütung ................................................ 50

Ordnungspartnerschaften ..................................................................................... 51

VI. International ................................................................................................... 52

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1. Problemstellung ................................................................................................. 52

2. Ergebnisse der Analyse internationaler Präventionsmodelle im Rahmen des

Projektes „Kooperative Sicherheitspolitik in der Stadt – KoSiPol“ ............................ 53

a) Vernetzung ............................................................................................... 53

b) Aus- und Weiterbildung ............................................................................ 55

c) Analyse/Information.................................................................................. 55

d) Problembezogenheit ................................................................................ 56

e) Evaluation ................................................................................................ 56

3. Großbritannien – Crime and Disorder Act und Community Safety Partnerships 57

Weiterentwicklung der Community Safety Partnerships .................................... 60

Beispiel: Newly and Mourne Community Safety Partnership ............................. 63

4. USA ................................................................................................................... 64

Communities That Care (CTC) .......................................................................... 66

5. Niederlande: Veilig Wonen ................................................................................ 68

6. Skandinavien ..................................................................................................... 69

VII. Anschlusspunkte für Brandenburg und Empfehlungen .................................. 70

VIII. Literatur .......................................................................................................... 79

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I. Hintergrund

1. Das Konzept „Kommunale Kriminalitätsvorbeugung“

Wie Wiebke Steffen in einem Gutachten für den Deutschen Präventionstag feststellt,

liest sich die Entwicklung der Kommunalen Kriminalprävention in Deutschland wie eine

Erfolgsgeschichte: 1990 wurde die bereits in den achtziger Jahren thematisierte For-

derung, „Ausschüsse für Kriminalitätsvorbeugung“ in den Kommunen und auf Länder-

ebene zu gründen, erstmals eingelöst (mit der Einrichtung des „Rates für Kriminalitäts-

verhütung in Schleswig-Holstein“).

In den folgenden Jahren kam es zu einer rasch steigenden Zahl von Gründungen kri-

minalpräventiv ausgerichteter Gremien auf kommunaler Ebene, deren genaue aktuelle

Anzahl nur schwer zu beziffern ist. Mit ursächlich dafür sind u.a. das Fehlen einer ge-

meinsamen Definition des Präventionsbegriffes, uneinheitliche Kriterien zur Kenn-

zeichnung von Angeboten sowie bisweilen fehlende Zugangswege. Je nach Art des

methodischen Vorgehens wird die Zahl lokaler Präventionsgremien mit knapp 1.000

bis zu etwa 2.0001 angegeben. In verschiedenen Bundesländern wurde die Grün-

dungswelle der letzten Jahre durch entsprechende Initiativen der Bundesländer in

Form von Gesetzen, Erlassen oder Unterstützungsleistungen befördert.2

Hinsichtlich der räumlichen Verteilung von Präventionsgremien auf die Bundesländer

kommt Schreiber zu dem Ergebnis, dass Niedersachsen und Baden-Württemberg mit

jeweils mehr als 150 Gremien die meisten lokalen Präventionsnetzwerke aufweisen,

deren Verbreitung im Verhältnis zur Anzahl von Gebietskörperschaften hingegen im

Saarland und in Nordrhein-Westfalen am höchsten ist.3

In vielen Bundesländern sind zudem Landesräte für Kriminalprävention eingerichtet

worden. Rein quantitativ betrachtet hat sich die (kommunale) Kriminalprävention in

Deutschland in den letzten zehn Jahren also durchaus positiv entwickelt.4

Zur raschen Verbreitung des Konzeptes haben verschiedene Faktoren beigetragen,

zu denen u.a. die Erkenntnis vieler Akteure im Bereich der inneren Sicherheit zählte,

dass es sich bei Kriminalität in ihren Ausprägungen vielfach um ein vorrangig

örtliches Phänomen handelt,

dass dort, wo Kriminalität entsteht, begünstigt oder gefördert wird, auch ihre

Ursachen erkannt und beseitigt werden müssen, und

1 Bundesministerium des Innern; Bundesministerium der Justiz (Hrsg.) (2006): Zweiter Periodischer Si-cherheitsbericht. Berlin, S. 672. 2 Vgl. Pütter, Norbert (2006): Polizei und kommunale Kriminalprävention. Formen und Folgen polizeili-cher Präventionsarbeit in den Gremien, Frankfurt, S. 33 f. m.w.N. 3 Schreiber, Verena (2007): Lokale Präventionsgremien in Deutschland, Frankfurt, S. 24. 4 Steffen, Wiebke (2004a): Gremien Kommunaler Kriminalprävention – Bestandsaufnahme und Per-spektive. In: Kerner, H.-J.; Marks, E. (Hrsg.): Internetdokumentation Deutscher Präventionstag. Hanno-ver. (http://www.praeventionstag.de/content/9_praev/doku/steffen/index_9_steffen.html), S. 2.

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dass dies in gemeinsamer Verantwortung der Bürger des jeweiligen Gemein-

wesens und ihrer kommunalen und staatlichen Einrichtungen erfolgen sollte.5

In den letzten Jahren weisen Ergebnisse vor allem qualitativ orientierter Forschungs-

berichte zugleich darauf hin, dass es in der Praxis vieler Gremien Aspekte gibt, die den

konzeptionellen Leitbildern Kommunaler Kriminalprävention nur wenig entsprechen.

So fasst Steffen in ihrer Bestandsaufnahme zentrale, wiederholt ermittelte Problemfel-

der zusammen, wenn sie ausführt:

„Nicht nur, dass mehr Konzepte, Papiere und Diskussionen produziert wur-

den als wirksame Taten, fehlt es den meisten Gremien an der notwendigen

personellen und finanziellen Ausstattung, ihre Beschlüsse und Empfehlun-

gen sind häufig von nur geringer Verbindlichkeit und kaum ein Gremium ist

demokratisch legitimiert. Außerdem ist es nur wenigen Gremien gelungen,

„normale“ im Sinne von „funktionslosen“ Bürgern zu integrieren; nur aus-

nahmsweise konnte der Anspruch verwirklicht werden, die Bürger bei der

Kriminalitätskontrolle von Betroffenen zu Beteiligten zu machen, ihre Parti-

zipation am und ihre Verantwortung für den Sicherheitszustand ihres Ge-

meinwesens zu ermöglichen und durchzusetzen.“6

Vor dem Hintergrund dieser ambivalenten quantitativen und qualitativen Problemwahr-

nehmungen und Befunde lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt mit Henning van den Brink

die Frage aufwerfen,

„wie sich die kommunalen Präventionsgremien selbst nach innen und au-

ßen aufstellen können, sollen oder müssen, um die ihnen zugedachte Rolle

innerhalb der kooperativen Sicherheitspolitik in Zukunft auch tatsächlich

auszufüllen?“7

2. Kommunale Kriminalitätsverhütung im Land Brandenburg

Im Land Brandenburg wird seit vielen Jahren ein ressortübergreifender, gesamtgesell-

schaftlicher Präventionsansatz verfolgt. Dabei werden neben der Polizei beispiels-

weise auch einzelne Bürger sowie Akteure aus der Verwaltung oder Wirtschaft als Ver-

antwortungsträger einbezogen. Zentrale Elemente des Gesamtansatzes „Kommunale

Kriminalitätsverhütung“ (KKV) in Brandenburg sind

Polizeibeiräte

KKV-Kommissionen, kommunale Gremien und Präventionsbeiräte

Sicherheitspartner

5 Steffen, Wiebke (2004a): a.a.O., S. 4. 6 Steffen, Wiebke (2004a): a.a.O., S. 2. 7 Van den Brink, Henning (2014): Auslauf- oder Erfolgsmodell? Kommunale Präventionsgremien in Deutschland – Ein Forschungsüberblick, in: (http://www.schleswig-holstein.de/IM/DE/InnereSicher-heit/RatKriminalitaetsverhuetung/Aufgaben/downloads/brink__blob=publicationFile.pdf), S. 2 m.w.N.

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Ordnungspartnerschaften

Sicherheits- und Präventionsberater

Einen wesentlichen Impuls für die strukturelle Ausgestaltung und Verbreitung der oben

genannten Gremienformen im Land Brandenburg hat ein Erlass des Innenministeri-

ums aus dem Jahr 1995 gegeben.8 Wie eine Bestandsaufnahme aus dem Jahre 2002

zur Prävention von Kriminalität, Gewalt und Fremdenfeindlichkeit im Land Branden-

burg hervorhebt, ist dieser Erlass in vielen Fällen ursächlich für die Initiierung von Gre-

mien zur Kriminalitätsverhütung in brandenburgischen Städten und Gemeinden gewe-

sen.9 Auf der Grundlage turnusmäßiger Abfragen durch das Ministerium des Innern

bei Polizeibehörden ist (mit Stand 2014) davon auszugehen, dass es derzeit 71 KKV-

Gremien, 74 Sicherheitspartnerschaften sowie 54 Ordnungspartnerschaften im Land

Brandenburg gibt.

In ihrer Bestandsaufnahme der Gremienlandschaft nehmen die Autoren im Jahr 2002

eine Charakterisierung drei verschiedener Typen von KKV-Gremien vor, die, vor dem

Hintergrund der lediglich explorativ gewonnenen empirischen Erkenntnisse im Rah-

men dieser Vorstudie, nach wie vor Gültigkeit besitzen. Es lassen sich danach je nach

Akteurszusammensetzung und Zielsetzung die folgenden Gremiengrundtypen diffe-

renzieren:10

Typ 1

Der Kern des Gremiums besteht aus Vertretern der örtlichen Polizei

und des Ordnungsamtes. Bei diesen Vertretern handelt es sich um

den Kern einer jeden KKV-Kommission. Diese Zusammensetzung ist

allein bereits arbeitsfähig und hat sich bei der Bewältigung von All-

tagsproblemen bewährt. Derartige Gremien sind vor allem im ländli-

chen Raum vorzufinden. Die Organisationsstruktur ist gering formali-

siert und beruht auf der direkten vertrauensvollen Zusammenarbeit

zwischen beiden Partnern.

Typ 2

Hier ist der Mitgliederkreis um gesellschaftlich relevante Gruppen bzw.

Akteure (Medien, IHK- Vertreter, Gewerbevereine, Kirchen etc.) erwei-

tert. Die Zusammenarbeit zielt auf die zivilgesellschaftliche Beeinflus-

sung des örtlichen Klimas ab.

8 Ministerium des Innern Brandenburg (1995): „Sicherheit in den Städten und Gemeinden des Landes Brandenburg durch den Ausbau der konzertierten Aktion Kommunale Kriminalitätsverhütung (KKV)“, Erlass vom 11. Oktober 1995, IV/8 - 276 -. 9 Willuda, Hans-Jürgen (2002): Eine Zusammenfassung der „Bestandsaufnahme zur Prävention von Kriminalität, Gewalt und Fremdenfeindlichkeit durch Expertenbefragung der Leiter der vor Ort bestehen-den Gremien kommunaler Kriminalitätsverhütung im Land Brandenburg. Projektgruppe des Faches So-ziologie an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam unter Lei-tung von Prof. Dr. Dieter Holtmann, Potsdam: Landespräventionsrat Brandenburg, S. 18. 10 Willuda, Hans-Jürgen (2002): a.a.O., S. 18 f.

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Typ 3

Die Kern-KKV (Ordnungsamt und Polizei) wird angereichert um wei-

tere Verwaltungskompetenzen. An erster Stelle ist hier die Jugend-

kompetenz zu nennen. Dieser Typ zielt auf die Bündelung der Kräfte,

um durch Absprachen schnelle und effiziente Reaktionen zu ermögli-

chen.

Über die quantitative Verteilung dieser Gremienstrukturen gibt die Untersuchung aus

dem Jahr 2002 leider keine Auskunft.

Ein Spezifikum des Landes Brandenburg stellen die sogenannten Sicherheitspartner-

schaften (SiPa) dar, die es in dieser Form nur in Brandenburg gibt und denen eine

besondere Rolle im Gremienspektrum im Rahmen Kommunaler Kriminalprävention

zukommt. Wesentliche Bedeutung bei der Initiierung und Ausgestaltung kommunaler

Präventionsgremien wird in konzeptioneller Hinsicht der Einbeziehung der in einer Ge-

meinde lebenden Bürger beigemessen. Als konstituierende Merkmale werden Bürger-

beteiligung und bürgerschaftliches Engagement angesehen, weil sich darin die Grund-

idee des kommunalen Präventionsansatzes manifestiere: Die Idee, in einer Gemeinde

„gemeinschaftlich“ für ein lebenswerteres Umfeld zu sorgen.11

In Brandenburg bilden Sicherheitspartnerschaften den institutionellen Rahmen für die

Zusammenarbeit von Bürgern und Polizei. Anders als in anderen Länderkonzepten,

bieten sie in Brandenburg die für erforderlich gehaltenen Möglichkeiten zur unmittel-

baren Bürgerbeteiligung in Einwohnerversammlungen und Sicherheitspartnerschaf-

ten.12

3. Untersuchungshintergrund und -methodik

Das Ministerium des Innern des Landes Brandenburg erachtet eine qualitative und

quantitative Intensivierung der kommunalen Präventionsbemühungen als unerlässlich

und beabsichtigt daher eine Fortschreibung des Gesamtkonzeptes.

Es wurde daher ein Forschungsauftrag vergeben, dessen primäres Ziel die Erhebung

des Sachstandes und die Bewertung von Modellen der Kommunalen Kriminalitätsver-

hütung im nationalen sowie internationalen Raum darstellt. Im Ergebnis der Untersu-

chung werden Empfehlungen gegeben, welche Konzepte, Strategien und Programme

der kommunalen Kriminalitätsverhütung für das Bundesland Brandenburg Adaptions-

fähigkeiten besitzen.

Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurden im Wesentlichen vier Arbeits-

schritte durchgeführt:

11 Feltes, Thomas (2004): Gemeinschaftliche statt kommunale Kriminalprävention: Ein neuer Weg?, Die Kriminalprävention, 1/2004. S. 12. 12 Höppner, Roger (2000): Kriminalprävention in Brandenburg, In: Rainer Pitschas / Rolf Stober (Hrsg.): Kriminalprävention durch Sicherheitspartnerschaften,Köln u.a., S. 73.

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1. Recherche kommunaler Kriminalpräventionsmodelle auf nationaler sowie interna-

tionaler Ebene

In einem ersten Schritt der Bestandsaufnahme wurden nationale und internationale

Modelle der kommunalen Kriminalprävention recherchiert. Es erfolgte damit eine Be-

standsaufnahme von Erkenntnissen zur kommunalen Kriminalitätsvorbeugung in

Deutschland sowie in ausgewählten Ländern, die in struktureller, organisatorischer o-

der inhaltlicher Hinsicht einen Erkenntniswert für die konzeptionelle Fortentwicklung

der Präventionsstrukturen in Brandenburg entfalten können.

2. Recherche über die Wirksamkeit sowie Erfahrungen mit den kommunalen Krimina-

litätsmodellen auf nationaler sowie internationaler Ebene

Welche Erkenntnisse gibt es hinsichtlich der Wirksamkeit von Modellen kommunaler

Kriminalprävention in Bezug auf die Verbesserung der objektiven Sicherheit sowie ei-

ner Steigerung des subjektiven Sicherheitsgefühls in der Bevölkerung? Diese Frage

bildete einen zweiten Untersuchungsschwerpunkt, wozu entsprechende Recherchen

zu Ergebnissen der nationalen und internationalen Präventionsforschung durchgeführt

wurden.

3. Bewertung kriminalpräventiver Programme im Hinblick auf eine effektive Kriminali-

tätsprävention

Angesichts einer kaum überschaubaren Vielfalt von Präventionsprogrammen und -

maßnahmen stellt sich, insbesondere in Zeiten angespannter öffentlicher Haushalte,

die Frage nach der Qualität und Wirksamkeit der Angebote, Modelle und Handlungs-

ansätze. Im Rahmen eines weiteren Untersuchungsschwerpunktes wurde daher er-

mittelt, welche Erkenntnisse dazu vorliegen, dass sich Programme und Strategien als

wirksam und effektiv im Hinblick auf ihre Zielsetzungen erwiesen haben.

4. Erarbeitung schlussfolgernder Umsetzungsempfehlungen für das Land Branden-

burg unter Einbeziehung des aktuellen Modells der kommunalen Kriminalitätsver-

hütung im Land Brandenburg

Ergebnisse der Präventionsforschung belegen, dass es im Bereich der Kriminalitäts-

vorbeugung - wie in anderen Politikfeldern auch - wenig erfolgversprechend ist, Maß-

nahmen und Programme, die sich andernorts als „good practice“ erwiesen haben, un-

reflektiert zu implementieren. Stattdessen ist es erforderlich, zu ermitteln, welche Maß-

nahmen und Handlungsansätze wo, warum, unter welchen Bedingungen und mittels

welcher Wirkungszusammenhänge gewünschte Erfolge bewirkt haben.

Basierend auf den Erkenntnissen der zuvor durchgeführten Untersuchungsschwer-

punkte wurde daher ermittelt, welche als wirksam identifizierten Ansätze inhaltlich und

strukturell als adaptionsfähig im Hinblick auf das vorhandene Modell kommunaler Kri-

minalitätsvorbeugung im Land Brandenburg angesehen werden können.

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Begleitend zu den skizzierten Arbeitsschritten wurden im Untersuchungszeitraum (No-

vember 2014 bis März 2015) in sechs ausgewählten Präventionsgremien explorative

Experteninterviews geführt. Ziel dieser empirischen Erhebung war es, erkenntnislei-

tende Hinweise auf die Problemperzeptionen der Mitglieder, Gründungsimpulse der

Gremien, Mitgliederstrukturen, Zielsetzungen und - positive wie negative - Erfahrungen

in der Präventionsarbeit zu erhalten.

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II. Erkenntnisse zur Kommunalen Kriminalprävention

Die Inhalte, Prozesse und Strukturen lokaler Sicherheitsproduktion unterliegen in

Deutschland seit den 1990er Jahren einem erheblichen Wandel. Die bis dahin zur An-

wendung gekommenen Konzepte, die sich an der Zuständigkeit öffentlicher Träger ori-

entierten, wurden im Bereich der Kriminalprävention abgelöst durch Kooperationen wie

z.B. Kriminalpräventive Räte, im Bereich des interinstitutionellen Polizierens mit Ord-

nungspartnerschaften und Sicherheitsnetzen sowie von Public-Private-Partnerships

durch Zusammenarbeit mit privaten Sicherheitsdiensten oder auch mit bürgerschaftli-

cher Beteiligung an (i.w.S.) polizeilichen Aufgaben.13

1. Modelle kommunaler Kriminalprävention

Es besteht weder eine Theorie Kommunaler Kriminalprävention noch gibt es eine ein-

deutige Definition des Begriffes. Die unter der Bezeichnung Präventionsgremien zu-

sammengefassten lokalen Netzwerke unterscheiden sich in der Präventionspraxis in

zahlreichen Punkten: z. B. hinsichtlich ihres Wirkungsbereiches und ihrer Zielsetzung,

insbesondere aber hinsichtlich ihres Aufbaus und ihres Institutionalisierungsgrades.14

Meist versteht man unter Kommunaler Kriminalprävention lokale Bemühungen mit den

Zielen, das Ausmaß der Kriminalität zu vermindern und das subjektive Sicherheitsge-

fühl der Bevölkerung zu verbessern, wobei mehrere Institutionen und Gruppierungen

als Initiatoren und verantwortliche Träger auftreten und ihre Aktivitäten vernetzen. Für

die konkrete Ausgestaltung von Kommunaler Kriminalprävention gibt es darüber hin-

aus keine festen Vorgaben. In der Praxis sind meist Polizei, Gemeindeleitung und zi-

vilgesellschaftliche Gruppierungen die wichtigsten Beteiligten.

Wenngleich sich für die Umsetzung des Konzeptes keine idealtypischen Muster be-

nennen lassen, da es den jeweiligen lokalen Rahmenbedingungen Rechnung zu tra-

gen gilt, so wurden doch bereits in den frühen 90er Jahren einige grundlegende Struk-

turprinzipien formuliert, die bis heute für die Organisation kommunaler Gremien Rele-

vanz besitzen. Dazu zählen

eine ressortübergreifende Kooperation und Vernetzung,

die lokale Orientierung,

die Bürgerbeteiligung, sowie

die Verankerung des Themas in den Verwaltungsspitzen („Bürgermeister-

pflicht“).15

13 Frevel, Bernhard (2007): Kooperative Sicherheitspolitik in Mittelstädten. In: Frevel, Bernhard (Hrsg.) Kooperative Sicherheitspolitik in Mittelstädten. Frankfurt am Main: Verlag für Polizeiwissen-schaft, S. 15. 14 Vgl. Schreiber, Verena (2007): a.a.O., S. 29. 15 Vgl. Kober, Marcus; Kahl, Wolfgang (2012): Impulse für das Kommunale Präventionsmanagement: Erkenntnisse und Empfehlungen zu Organisation und Arbeit kriminalpräventiver Gremien auf kommu-naler Ebene ; ein Leitfaden für die kommunale Praxis. 2., vollst. überarb. Aufl., Bonn: Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention, S. 12.

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Wie diese Strukturprinzipien in der kommunalen Praxis umgesetzt werden ist empi-

risch nur schwer zu erfassen. Dies liegt unter anderem darin begründet, dass es an

einem einheitlichen Präventionsbegriff ebenso fehlt wie an eindeutigen, verbindlichen

Erfassungskriterien – Gremium ist nicht gleich Gremium – oder gar einer fortgeschrie-

benen Dokumentation.

a) Kriminalpräventive Gremien

Kommunale Kriminalprävention manifestiert sich unter Berücksichtigung der oben ge-

nannten Strukturprinzipien zum einen in verschiedenen Formen der Vernetzung loka-

ler Akteure unter Federführung der Kommunen. In den letzten Jahrzehnten haben sich

in weiten Teilen Deutschlands Gremien mit dem Ziel konstituiert, zur Vorbeugung von

Kriminalität zivilgesellschaftliche Kräfte zu aktivieren, zu vernetzen und mit der Arbeit

von Kommunalverwaltungen und Polizei zu verknüpfen. Solche Gremien firmieren un-

ter den unterschiedlichsten Bezeichnungen, sei es als Kommunaler Präventionsrat,

Kriminalpräventiver Rat, Sicherheitsbeirat, Kommission kommunale Kriminalitätsver-

hütung oder Runder Tisch. Stets geht es diesen Gremien darum, den Präventionsge-

danken in den Kommunen zu institutionalisieren und wichtige Akteure an einen Tisch

zu holen.16

Allgemeinverbindliche Vorgaben hinsichtlich der Struktur und Zusammen-

setzung örtlicher Gremien sind wenig sinnvoll. Stattdessen sollte den orts-

spezifischen Rahmenbedingungen und Erfordernissen Rechnung getragen

werden. Strukturmodelle sind daher als Orientierungsgerüst zu verstehen,

die weder im Hinblick auf Zielsetzungen noch Organisationsvorgaben ein-

fach übernommen werden können, sondern der individuellen Anpassung an

den jeweiligen kommunalen Handlungsbedarf und der daraus entwickelten

Zielvorgaben bedürfen. Dennoch wird die Bedeutung spezifischer Struktu-

relemente betont, die sich für die Arbeitsfähigkeit dieser Institutionen als be-

sonders hilfreich erwiesen haben.17

Als Vorbild für die Organisationsstruktur kriminalpräventiver Gremien stand

der Rat für Kriminalitätsverhütung des Landes Schleswig-Holstein Pate. Ein

exemplarisches Strukturmodell hat daraus das Projektbüro Kommunale Kri-

minalprävention beim Innenministerium Baden-Württemberg erarbeitet.

16 Bülow, Jörg (2004): Kommune schafft Sicherheit – Trends und Konzepte kommunaler Kriminalprä-vention. In: Kerner, H.-J.; Marks, E. (Hrsg.): Internetdokumentation Deutscher Präventionstag. Hanno-ver. (http://www.praeventionstag.de/content/9_praev/doku/buelow/index_9_buelow.html), S. 213 f. 17 Kober, Marcus; Kahl, Wolfgang (2012): a.a.O., S. 39 f. m.w.N.

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Abbildung 1: Strukturmodell kommunaler Präventionsgremien

Empfohlen wird ein mehrstufiger Organisationsaufbau, der - abhängig von

der Größe der jeweiligen Kommune - ein oder mehrere kriminalpräventive

Gremien vorsieht. In kleineren Gemeinden können kriminalpräventive Be-

lange beispielsweise im Rahmen eines ständigen Gesprächskreises ge-

plant und erörtert werden, der sich aus Repräsentanten der Verwaltung, der

Polizei sowie gesellschaftlichen Interessenvertretern zusammensetzt.

Vorbehaltlich einer kritischen kommunalen Mindestgröße hat es sich als er-

folgversprechend erwiesen, die Koordination einer Vielzahl unterschiedli-

cher Akteure einem ressort- und akteursübergreifenden (Lenkungs-) Gre-

mium zu übertragen.

Dieses Lenkungsorgan stellt die Führungsinstanz dar, deren Aufgaben u.a.

in der Festlegung relevanter Themenbereiche und Handlungsfelder, der Ko-

ordination und Bündelung von Aktivitäten und Akteuren sowie der Gewähr-

leistung von Kontinuität im Bereich der Kriminalprävention bestehen soll.

Um diese Führungsaufgaben wahrnehmen zu können, sollte der Vorsitz

dieses Gremiums dem Bürgermeister obliegen. Vielfach ist daneben auch

ein hoher Vertreter der Polizei in diesem Lenkungsgremium vertreten. Die

Wahrnehmung des Vorsitzes durch den Bürgermeister ermöglicht zudem

eine enge Anbindung an den Stadt-/Gemeinderat.

Neben dem eigentlichen Lenkungs- oder Koordinationsgremium wird die

konkrete Präventionsarbeit in Arbeitsgruppen geleistet. Dort sollen Lö-

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sungsmöglichkeiten zu spezifischen orts- oder themenbezogenen Problem-

feldern erarbeitet und im Zusammenwirken mit der Bevölkerung umgesetzt

werden.

Die unter der einheitlichen Bezeichnung Präventionsgremium zusammengefassten lo-

kalen Netzwerke unterscheiden sich in der Praxis ganz erheblich voneinander und las-

sen sich keinen vereinheitlichten Modellen zuordnen. Im Versuch, diese bundesweiten

Präventionsaktivitäten zu systematisieren, unterscheidet Schreiber die Gremien in Be-

zug auf Wirkungsbereich und Zielsetzung, insbesondere aber hinsichtlich ihres Auf-

baus und ihres Institutionalisierungsgrades.18

Wirkungsbereich

Es zeigt sich in dieser bundesweiten Bestandsaufnahme, dass die Gremien

in Abhängigkeit von der Gemeindegröße und den ihnen unterstellten Ge-

bietskörperschaften unterschiedlich aufgebaut sind. Hinsichtlich lokaler

Ausrichtung lässt sich daher das Spektrum an Gremien drei Wirkungsberei-

chen zuordnen: der Stadtteil-, der Kommunal- und der Landkreisebene.

Stadtteilebene

In den deutschen Großstädten haben sich in den letzten Jahren knapp 80

Präventionsgremien auf Stadtteilebene etabliert. Diese werden häufig durch

ein überörtliches Lenkungsgremium auf Kommunalebene koordiniert. Be-

sonders ausgeprägt findet sich diese Form der Zusammenarbeit in den

Städten Frankfurt (Regionalräte) und Stuttgart (Sicherheitsbeiräte).

Kommunalebene

Über 85 % der Präventionsgremien arbeiten im Wirkungsbereich der Kom-

mune. Hierunter werden Präventionseinrichtungen zusammengefasst, die

sich in ihrer Präventionsarbeit entweder ausschließlich auf eine Gemeinde

oder auf mehrere Ortschaften innerhalb einer administrativen Gemeinde-

grenze beziehen. Kommunale Präventionsgremien sollen – dem Konzept

folgend – idealtypisch die Verquickung der „drei Säulen“ kommunaler Krimi-

nalprävention abbilden: die ressortübergreifende Vernetzung, die Bürger-

einbindung und die lokale Orientierung.

Landkreisebene

In knapp 50 (Land-)Kreisen in Deutschland arbeiten Präventionsgremien

stadtteil- und kommunenübergreifend. Den beteiligten Akteuren zufolge er-

öffnet dieser Wirkungsbereich die Möglichkeit, ortsübergreifende Maßnah-

men und Projekte anzustoßen und dadurch Kriminalprävention nicht auf die

Beeinflussung konkreter Tatgelegenheitsstrukturen vor Ort zu reduzieren.

18 Schreiber, Verena (2007): a.a.O., S. 29.

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Der Anspruch an Kreispräventionsräte liegt eigenen Angaben zufolge in der

Unterstützung bei der Ausgestaltung lokaler Präventionsgremien und in der

Bereitstellung von Austauschforen.

Interne Strukturierung

Auch im internen Aufbau unterscheiden sich die Gremien. In den letzten

Jahren setzt sich aber mehr und mehr eine zweiteilige Struktur mit Len-

kungsgremium und Arbeitskreisen durch. Mit dieser Umstrukturierung rea-

gieren die Gremien auf Probleme ihrer Handlungsfähigkeit, die sich aus vie-

len Mitgliedern in den Präventionsgremien ergeben hatten, durch die Pro-

zesse der Entscheidungsfindung und Umsetzung erschwert wurden.

Im Jahr 2007 fanden sich in Kommunen aller Gemeindegrößenklassen Prä-

ventionskooperationen, die von einer solchen Lenkungsgruppe koordiniert

werden. Knapp die Hälfte aller Netzwerke (48,4 %) war bereits in dieser

Form organisiert. Auch wenn die zweiteilige Gremienstruktur sich insbeson-

dere in größeren Gemeinden durchsetzt, scheint dieser Aufbau auch in klei-

nen Kommunen schon weit verbreitet.

Institutionalisierung

In der lokalen Präventionslandschaft bilden Präventionsgremien mit enger

Anbindung an die Kommunalverwaltung eine deutliche Mehrheit. Häufige

Bezeichnungen für diese Netzwerke sind (Kommunaler) Präventionsrat,

Kriminalpräventiver Rat oder Rat für Kriminalitätsverhütung. Fast 70 % die-

ser Gremien wurden durch kommunalparlamentarischen Beschluss einge-

setzt. Die übrigen Gremien sind als Präventionsverein oder Bürgerinitiative

organisiert.

Die Gründungsinitiative ging bei der überwiegenden Mehrzahl der Gremien

(72 %) von der Kommunalverwaltung aus. Daneben hat sich bei knapp 40%

der Kooperationen die Polizei für die Einrichtung eines Präventionsgremi-

ums eingesetzt. Bürger/innen spielen bei der Initiierung von Präventions-

netzwerken bislang nur eine untergeordnete Rolle.19

Wenngleich es hinsichtlich des Aufbaus und der Organisationsstruktur lokaler Präven-

tionsgremien als unbestritten gilt, dass universelle Vorgaben eher hinderlich seien und

den örtlichen Rahmenbedingungen nicht gerecht würden, hat sich das auf den Rat für

Kriminalitätsverhütung zurückgehende Organisationsmodell Kommunaler Kriminalprä-

vention in der Praxis weitgehend durchgesetzt und eine Ausdifferenzierung erfahren.

19 Vgl. Schreiber, Verena (2007): a.a.O., S. 34.

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[14]

Vernetzung

Die Untersuchung von Schreiber verdeutlicht, dass die Gremien ihrem Ziel

der ressortübergreifenden Vernetzung vor allem bezüglich der Vielfalt der

eingebundenen Akteure näher kommen.

Zwar sind nach wie vor Akteure aus Verwaltung, Strafverfolgungsbehörden

und Schulen sowie die Bürgermeister am häufigsten in den Gremien vertre-

ten. In größeren Kommunen werden zunehmend aber auch weitere Institu-

tionen, z. B. die Wohnungsgesellschaften, in die Präventionsarbeit inte-

griert. Die Einbindung der Bürger/innen fällt hinter die eigenen Ansprüche

zurück.

Differenziert man die Entwicklung der Vernetzung hinsichtlich formaler Or-

ganisation, kann festgehalten werden, dass insbesondere die eng an die

Kommunalverwaltung angegliederten Präventionsgremien bei der Vernet-

zung am weitesten fortgeschritten sind.

b) Qualitative Erkenntnisse zur lokalen Sicherheitspolitik

Deutlich besser als im Hinblick auf ihre Wirkungen oder Kosten-Nutzen-Relationen, ist

die Erkenntnislage zur Kommunalen Kriminalprävention in Bezug auf strukturelle und

konzeptionelle Aspekte der kommunalen Praxis einzuschätzen.

In den letzten Jahren haben eine Mehrzahl qualitativer Untersuchungen wichtige Hin-

weise auf Strukturen, Arbeitsweisen, Problemstellungen, Gelingensbedingungen und

Erfolge kooperativer Ansätze lokaler Sicherheitspolitik20 geliefert.

Um diese Erkenntnisse für die Präventionspraxis zugänglich und gezielt verwertbar zu

machen, hat die Stiftung Deutsches Forum Kriminalprävention eine sekundäranalyti-

sche Auswertung ausgewählter offen zugänglicher Literatur zum Themenfeld „Kom-

munale Kriminalprävention“ publiziert. Erkenntnisleitend war bei der Erarbeitung des

daraus entstandenen Leitfadens, welche Voraussetzungen und Rahmenbedingungen

für wirkungsvolle kommunale Präventionsarbeit erkennbar sind und in wie weit sich

daraus Impulse für die Initiierung, Optimierung und auch Revitalisierung kommunaler

Institutionalisierungsformen herleiten lassen.21

Grundsätzlich ist festzustellen, dass örtlichen Konzepten keine einheitlichen Schemata

zu Grunde gelegt werden können, sondern dem lokalen Kriminalitätsgeschehen, sei-

nen Entstehungsbedingungen sowie den kommunalen Rahmenbedingungen Rech-

nung getragen werden muss. Dennoch lassen sich verschiedene Planungsgrundsät-

20 Es wird an dieser Stelle der Begriff der lokalen Sicherheitspolitik verwendet, weil kooperative Ansätze der Kriminalitätsbekämpfung in der Praxis nicht immer dem Bereich der Vorbeugung zuzuordnen sind, sondern bisweilen auch dezidiert repressive Strategien verfolgen. Kommunale Kriminalprävention ist mithin eingebettet in die kooperative Sicherheitspolitik der Städte und Gemeinden. 21 Kober, Marcus; Kahl, Wolfgang (2012): a.a.O.

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[15]

zen, ablauforganisatorische Empfehlungen oder strukturelle und inhaltliche Vor-

schläge identifizieren, die sich für die Arbeitsfähigkeit und Nachhaltigkeit kommunaler

Präventionsgremien als evident erwiesen haben.

Institutionalisierungsbereitschaft der Beteiligten

Zunächst muss die Frage nach dem Bedarf einer Institutionalisierung ge-

klärt werden. Wenngleich dieser Aspekt auf den ersten Blick trivial zu sein

scheint, hat er sich doch für die Arbeitsfähigkeit und langfristige Etablie-

rung entsprechender Gremien als bedeutend erwiesen. Dieser Aspekt ist

umso bedeutsamer, je stärker externe Impulse - etwa durch entspre-

chende Erlasse - mitursächlich für die Gremiengründung sind.

Entscheidungsleitend sollten dabei folgende Fragen sein:22

o Lässt sich im Bereich der Kriminalitätsvorbeugung kommunaler

Handlungsbedarf erkennen, der in einem solchen Gremium behan-

delt und einer Lösung zugeführt werden kann?

o Besteht die Aussicht, dass die erkannten Probleme durch die the-

mengerichtete Koordination und Zusammenarbeit mehrerer Betei-

ligter besser als bisher gelöst werden können?

Vor dem Entschluss der Gründung kommunaler Präventionsgremien sollte

daher die Prüfung aller Beteiligten stehen, inwieweit sie bereit sind, eigene

Autonomie aufzugeben, um sich zugunsten gemeinsamer Ziele zu institu-

tionalisieren, „was eine sonst nicht erreichbare Konzentration von Kräften

in der Verfolgung dieser Ziele erlaubt.“23 Vollzieht sich dieser Prozess hin-

gegen unreflektiert, droht die Gefahr, dass der „schwarze Peter“ – hier ver-

standen als Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme – zwischen den

beteiligten Einrichtungen hin und her geschoben wird24 und Präventions-

gremien zu „Debattierclubs“25 degenerieren.

Wesentlich für die Akzeptanz kriminalpräventiver Gremien aus Sicht ihrer

Mitglieder erscheint zudem die Klärung und Diskussion möglicherweise

voneinander abweichender Präventionskonzepte und -ziele. Auf Grund

der Zusammensetzung von Gremien aus Mitgliedern unterschiedlicher

Professionen treffen dort häufig heterogene Sichtweisen zu sicherheits-,

ordnungs- und sozialpolitischen Problemlagen aufeinander. Diese Diffe-

renzen können sich beispielweise aus einer eher phänomen- oder einer

22 Gemeinde- und Städtebund Thüringen (1997): Kriminalitätsverhütung in Gemeinden und Städten. Ein Leitfaden für die Praxis, S. 19. 23 Gemeinde- und Städtebund Thüringen (1997): a.a.O., S. 110. 24 Walter, Michael (2005): Kriminalpolitik im Wandel: von der institutionalisierten Tatvergeltung zu einer gesamtgesellschaftlichen Verbesserung der Lebensqualität, Hannover: Deutsche Vereinigung für Ju-gendgerichte und Jugendgerichtshilfen, S. 7. 25 Jasch, Michael (2003): Kommunale Kriminalprävention in der Krise, In: Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform, 6/2003, S. 413.

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tendenziell eher ursachenorientierten Sichtweise auf den Zweck präventi-

ver Maßnahmen ergeben. Damit verbunden können Adressaten- und Ver-

antwortungsrollen sehr verschieden interpretiert werden. In der Grundlogik

der angestrebten Kooperation in Präventionsgremien ist mit dieser Hete-

rogenität die Hoffnung auf Synergieeffekte verbunden. Es zeigt sich je-

doch, dass diese Synergien nicht in gewünschtem Maße ausgeschöpft

werden können, wenn „die Präventionsbegriffe der verschiedenen Profes-

sionen nicht aufeinander abgestimmt werden, sondern die Akteure ihr ei-

genes Verständnis von Prävention beibehalten und zur Norm und Norma-

lität erheben.“26 Das Verständnis von Prävention kann beispielsweise auf

die ursachenorientierte Betreuung und Förderung Gefährdeter gerichtet

sein oder als Synonym für Gefahrenabwehr und die Beeinflussung situa-

tiver Tatgelegenheitsstrukturen verstanden werden. Aus diesen verschie-

denen Präventionsbegriffen können Spannungen und Dissonanzen in den

Gremien - etwa im Hinblick auf ein gemeinsam getragenes Maß an Kon-

trolle und Repression - erwachsen, wenn diese nicht diskutiert und aufei-

nander abgestimmt sind. Es fehlt dann an einer notwendigen Grundlage

für die gemeinsame Identifikation von Handlungsfeldern, die Benennung

von Zielen sowie die Auswahl geeignet erscheinender Handlungsmöglich-

keiten. Ein solches Forum droht dann zum Spiegelbild divergierender In-

teressen zu werden, die bereits in anderen kommunalen Gremien nicht

zusammengeführt werden können.

Grundsätzlich ist in Fragen von Kompetenzen und Befugnissen abzuwä-

gen, ob gegebenenfalls auf die Einrichtung eines Präventionsgremiums

verzichtet werden sollte, sofern sich Dissens zwischen den Teilnehmern

darüber abzeichnet, was mit der gemeinsamen Präventionsarbeit erreicht

werden kann und soll. Vernetzung ist kein Selbstzweck, in diesem Fall er-

scheint es sinnvoller, andere Formen der zielgerichteten Zusammenarbeit

zu wählen, wie beispielsweise eine formlose Vereinbarung zwischen Kom-

mune und Polizei über eine engere Zusammenarbeit in bestimmten Berei-

chen.27

Sofern jedoch die Entscheidung für eine ursachenorientierte Strategie der

Kriminalitätsvorbeugung getroffen worden ist, hat sich für die ressortüber-

greifende Bündelung und Koordination verschiedener Institutionen und

gesellschaftlichen Gruppen die Schaffung organisatorischer Vorausset-

zungen in Form entsprechender Gremien als evident erwiesen.

26 Frevel, Bernhard (2007): a.a.O., S. 183. 27 Gemeinde- und Städtebund Thüringen (1997): a.a.O., S. 19.

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Problemanalyse und Ursachenorientierung

Die Beantwortung der Frage nach Institutionalisierungserfordernissen

sollte in eine ausdrückliche Bedarfsdefinition münden, auf deren Grund-

lage konkrete Mittel- und Zielvorgaben formuliert werden. Zur Ermittlung

des konkreten Handlungsbedarfs in der Gemeinde sollte eine möglichst

umfängliche Bestandsaufnahme durchgeführt werden, auf Grundlage de-

rer eine zielgerichtete und ursachenorientierte kommunale Präventions-

strategie entwickelt werden kann.

Wesentliche Bestandteile sind u.a. ein objektives Kriminalitätslagebild,

das aus den Daten der polizeilichen Kriminalstatistik sowie sonstigem Ex-

pertenwissen gewonnen werden kann und die Erhebung der subjektiven

Kriminalitätswahrnehmung durch die Bevölkerung.

Erst auf Grundlage einer solchermaßen generierten rationalen Daten- und

Erkenntnisbasis lässt sich eine kommunale Präventionsstrategie entwi-

ckeln, mit Hilfe derer erkannter Handlungsbedarf durch Vernetzung vor-

handener oder Bereitstellung notwendiger Ressourcen effektiv gedeckt

werden kann.

Unterbleiben diese Schritte, besteht die Gefahr, dass sich ein Gremium

konstituiert, dessen Mitglieder sich nach einer gewissen Anfangseuphorie

der Sinnhaftigkeit ihrer Zusammenarbeit nicht mehr bewusst sind.28 Viel-

fach fehlt es dann Präventionsgremien an zielgerichteten Strategien sowie

institutionalisierten Kriterien, die spezifische Merkmale und Stärken der

Kommunalen Prävention erkennbar werden lassen.29 Bei der Themenset-

zung erweisen sich die Beschwerdemacht und Einflussfähigkeit einzelner

Personen und Gruppen, kommunalpolitische und polizeiliche Schwer-

punktsetzungen, die Berücksichtigung und Integration von Partikularinte-

ressen einzelner Akteure, die Beachtung medienvermittelter Handlungs-

anforderungen vielfach als wirksamer als eine aus Problemanalysen ab-

geleitete Themenfindung und deren zielgebunden Bearbeitung.30 Mit Blick

auf die kommunale Praxis muss bisweilen konstatiert werden, dass sich

viele Akteure „über diese Unsicherheiten mit einem weitgehend unsyste-

matischen Sammelsurium von Aktivitäten hinweg [helfen], die einen Kom-

promiss zwischen den spontanen Einfällen der Beteiligten, ihrem individu-

ellen Engagement und dem finanziell Machbaren darstellen.“31

Die Bedeutung einer systematischen Problemanalyse und darauf basierenden Zielbe-

schreibung kann im Hinblick auf die Professionalität von Präventionsgremien gar nicht

28 Ammer, Andreas (2000): Kommunales Präventionsmanagement, In: Die Kriminalprävention, 3/2000, S. 125 f. 29 Steffen, Wiebke (2004b): Kommunale Kriminalprävention – Eine Erfolgsstory?, forum kriminalpräven-tion, 4/2004, S. 19. 30 Frevel, Bernhard (2007): a.a.O., S. 182. 31 Jasch, Michael (2003): a.a.O., S. 413.

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überbewertet werden, wie der Überblick van den Brinks zum Stand der Forschung

deutlich werden lässt:32

Allein Zielpriorisierung und Zielumsetzung ist von Beginn an gekennzeich-

net durch eine „konzeptionelle Beliebigkeit“. Wiebke Steffen spricht sogar

von einer „Konzept- und Konturlosigkeit“.

Noch einen Schritt weiter zurück gehen Frank Berner und Axel Groene-

meyer, die unter anderem die Entscheidungspraxis, die der Themenfin-

dung und Schwerpunktsetzung im Gremium zugrunde liegt, näher be-

trachtet haben. Dabei fanden sie heraus, „dass aus dem professionellen

Selbstverständnis heraus häufig zunächst mögliche Handlungsformen als

Lösungen präsentiert werden, für die dann das Problem erst gesucht

wird.“33 Hier spiegelt sich der Umstand wieder, dass viele Gremien ohne

konkreten Anlass aus der Taufe gehoben worden sind.

Auch Jens Wurtzbacher beschreibt die kommunale Kriminalprävention in

Deutschland pointiert als „Antwort ohne Frage“. Die konzeptionellen Defi-

zite und das Fehlen konkreter Arbeitsinhalte und Zielperspektiven werden

von den Akteuren auch in anderen Studien beklagt.34

Auf Basis von Fallstudien in 16 deutschen Kommunen konnten im Rahmen des For-

schungsprojektes „Kooperative Sicherheitspolitik in Stadt“ u.a. Fragen nach internen

Strukturen, Netzwerkformationen sowie Willensbildungs- und Entscheidungsprozes-

sen in kommunalen Gremien erhellt werden.

Zu den zentralen Erkenntnissen des Forschungsprojektes sind folgende Erkenntnisse

zu zählen, die auch Hinweise auf Möglichkeiten der qualitativen Weiterentwicklung des

Handlungsfeldes liefern:35

Nach einem Aufschwung kooperativer Sicherheitspolitik in den 1990er

Jahren und einer Stagnationsphase in der ersten Dekade des 21. Jahr-

hunderts entwickelt sich die Zusammenarbeit in institutionengetragenen

Netzwerken zum Standard lokaler Sicherheitsarbeit. Die Kollaboration mit

gesellschaftlichen Gruppen, privatwirtschaftlichen Akteuren und Akteuren

32 Van den Brink, Henning (2014): a.a.O., S. 3. m.w.N. 33 Groenemeyer, Axel; Berner, Frank (2003): Kriminalpolitische Diskurse und die Institutionalisierung kommunaler Kriminalprävention, in: Axel Groenemeyer (Hrsg.): Soziale Probleme und politische Dis-kurse – Konstruktionen von Kriminalpolitik in sozialen Kontexten. Bielefeld: Schriftenreihe „Soziale Prob-leme, Gesundheit und Sozialpolitik”, 3/2003 (www.uni-bielefeld.de/sozprob/Soziale%20Prob-leme%20Nr%203.pdf), S. 110. 34 Vgl. Born, Sandra (2009): Kommunale Kriminalprävention in einer Großstadt. Mehr Prävention oder mehr Repression? Eine Risiko- und Potentialanalyse kommunaler Präventionsstrukturen in Berlin, Ber-lin, S. 205. 35 Frevel, Bernhard; Kober, Marcus (2012): Perspektiven kooperativer Sicherheitspolitik, In: Bernhard Frevel (Hrsg.): Handlungsfelder lokaler Sicherheitspolitik. Netzwerke, Politikgestaltung und Perspekti-ven, Frankfurt, S. 353 f.

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[19]

anderer sozialer Subsysteme wird zum Grundmuster der Sicherheitsge-

währleistung in Städten. Dieses betrifft nicht nur die zumeist analysierte

Kriminalprävention, sondern zeigt sich auch in den Sicherheitsprodukti-

onsfeldern von Kontrolle, Repression und Intervention. Hierzu ist die For-

schungslage jedoch noch deutlicher schwächer ausgeprägt als in der Prä-

vention.

Gremienkonstellationen und Programme lokaler Sicherheitsarbeit können

nicht uniformiert werden, aber gemeinsame Grundlagen und Standards

sind anzustreben.

Sicherlich unterscheiden sich Problemlagen zwischen verschiedenen Or-

ten und erfordern ortsspezifische Bearbeitungsstrategien. Doch sind di-

verse Sicherheitsprobleme als ubiquitär zu bezeichnen. Die Bearbeitung

mit lokalen Insellösungen kann insofern nicht überzeugen. Sinnvoll wäre

deshalb die Entwicklung von Handlungsstandards und organisatorischen

Grundmustern, so dass ein wechselseitiger Lernprozess von Gremien er-

möglicht wird, good-practice-Beispiele ausgetauscht werden können und

Qualitätssicherung (für Organisation und Maßnahmen) wahrscheinlicher

wird.

Als förderlich und notwendig dafür ist eine vertikale Verankerung des The-

mas auf Landes- und Bundesebene anzusehen, die sich in Deutschland

noch nicht in dem Maße hat herausbilden können, wie dies seit Beginn der

Umsetzung des Konzeptes für notwendig erachtet wird.

Eine zentrale Herausforderung etablierter Netzwerke besteht darin, die

geschaffenen Strukturen und Prozesse auf Dauer zu stellen und ihren Er-

halt personenunabhängig zu gewährleisten. Hier gilt es Ansätze und Vor-

gehensweisen zu entwickeln, zu erproben und zu kommunizieren.

Als besonders reliabel hat sich der Befund erwiesen, dass eine erfolgrei-

che Kooperation einzelne motivierte und befähigte Mitglieder braucht, die

die Kooperation voranbringen. Scheiden diese motivierten und befähigten

Mitglieder aus, droht jedoch die Leistungsfähigkeit der Kooperation zu-

sammenzubrechen. Fraglich ist, ob eine Institutionalisierung der Gremien

und die Bindung der Mitgliedschaft an spezifische Positionen – und somit

auch an Positionsnachfolger – dieses Problem mindert.

Ein nicht freiwilliges, unmotiviertes, nur durch die Positionsnachfolge ver-

pflichtetes Mitglied kann in einem solchen Fall zur Belastung für die Ko-

operation werden. Ein Kompromiss zwischen Freiwilligkeit und institutio-

nalisierter Bindung wäre es vielleicht, Organisationen und nicht Positionen

in den Kooperationen zu binden. Die Regel wäre dann, jeweils einen be-

liebigen motivierten Vertreter aus der Organisation zu entsenden. Mit die-

sem Ansatz ist jedoch verbunden, dass sich auf diese Weise auch die

Kompetenzen der Vertreter ändern können und hierarchiespezifische Ent-

scheidungsprozesse umgestellt werden müssten.

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[20]

Das Gelingen kooperativer Sicherheitspolitik beruht auf der Zusammenar-

beit von heterogenen Akteuren, die sich jedoch der Handlungsvorausset-

zungen und -grenzen ihrer Partner bewusst sein müssen.

Notwendige Abstimmungsprozesse über Ziele, Inhalte, Grenzen und Be-

dingungen einer interprofessionellen Zusammenarbeit finden derzeit viel-

fach anlass- oder projektbezogen statt. Eine systematische Entwicklung

der Zusammenarbeit tangierter Berufsgruppen, die sich etwa in den Be-

rufsausbildungen niederschlagen müsste, beginnt sich erst abzuzeichnen.

Mitarbeitende von Polizei, Kommune, Sozialer Arbeit, Justiz und Bildungs-

wesen (um die wichtigsten Beteiligten kooperativer Sicherheitspolitik zu

benennen) werden selbstverständlich professionsspezifisch ausgebildet,

entwickeln ihre beruflichen Wahrnehmungen und Handlungsmuster. Unter

anderem aus Gründen der Komplexitätsreduktion wird in der Ausbildung

auf die Berücksichtigung anderer Inhalte, die z.B. das Professionsver-

ständnis und Handlungsvoraussetzungen anderer Akteure, verzichtet.

Dies bedeutet, dass in Fällen von Kooperation die Kenntnis über die Hand-

lungsmöglichkeiten und -grenzen, der Professionsverständnisse und der

Problemdeutungen meist mühsam erarbeitet werden muss. Für die Ko-

operation ist es jedoch fundamental, dieses Wissen nicht nur zu haben,

sondern die anderen Partner als gleichberechtigt, professionell und wert-

voll zu betrachten. Dies erfordert auch eine Relativierung der eigenen Per-

son und Berufsrolle.

Bis heute fehlt in den meisten Fällen eine systematische Evaluation prak-

tizierter kriminalpräventiver Maßnahmen. Meist existieren nur Projektbe-

richte und theoretische Konzepte ohne eine verlässliche Wirkungsfor-

schung. Zur Qualitätssicherung kooperativer Sicherheitsarbeit sind die Ak-

tivitäten zur (formativen, Prozess- und Wirkungs-) Evaluation daher aus-

zuweiten und sind die Ergebnisse zwischen den Gremien auszutauschen.

Neben der good-practice-Darstellung sind auch bad-practice-Beschrei-

bungen wichtig, um im Sinne einer Fehler- und Lernkultur die Kriterien für

ein Scheitern von Bemühungen zu verdeutlichen.

Die Forderungen, kriminalpräventive Projekte zu evaluieren, werden

schon seit Jahren erhoben und sind teilweise sogar mit ministeriellen Er-

lassen unterfüttert worden. Zudem haben verschiedene Akteure, wie z. B.

die ProPK, Arbeitshilfen zu diesem Bereich vorgelegt oder auch eine Un-

terstützungsmöglichkeit wie die Zentralstelle für Evaluation beim LKA

NRW geschaffen. Insgesamt betrachtet ist jedoch die Überprüfung von

Gestaltungsansätzen, praktischen Umsetzungen und erst recht von der

Wirkung eher selten, kaum systematisch und valide sowie mit den Ergeb-

nissen und Schlussfolgerungen zu wenig kommuniziert. Dabei wäre der

Austausch über gelingende Maßnahmen, aber auch über das Scheitern

von Projekten von großer Bedeutung, um die Sicherheitsarbeit zu verbes-

sern.

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Die möglichen Gründe für diesen Mangel an Evaluationen sind vielfältig und rei-

chen von mangelnden Forschungsressourcen über ein geringes Engagement der

Kriminologie in diesem schwierigen Bereich bis zur Angst der Praxis vor der Kon-

frontation mit dürftigen Ergebnissen des Bemühens und den damit möglicher-

weise verbundenen Konsequenzen des Finanzierungsverlusts.36

Es stellt sich die Frage, warum gerade in Bezug auf die Evaluation kriminalprä-

ventiver – allerdings auch kriminalrepressiver – Maßnahmen eine solche Reser-

viertheit besteht. Fragt man genauer nach, so werden häufig folgende Punkte als

Hindernisse für eine Evaluation genannt:37

o „Das Projekt ist nur kleinräumig angelegt, da macht Evaluation kei-

nen Sinn, hierzu müsste man bundes- oder landesweit agieren.“

o Oder es wird auf die finanzielle Seite abgehoben: „Eine Evaluation

ist zu teuer und reduziert die zur Verfügung stehenden Projektgel-

der.“

o Ein Argument, das Ängste ausdrückt, ist auch: „Was ist, wenn bei

der Evaluation etwas Ungünstiges herauskommt, das vernichtet

möglicherweise Arbeitsplätze in einem sozial engagierten Projekt.“

o Ein scheinbar sehr differenzierter, auch schwer zu entkräftender

Einwand ist: „Die Materie ist viel zu komplex, als dass man einfach

Erfolg oder Misserfolg in Zahlen ausdrücken kann.“

o Schließlich bleiben als ebenfalls gängige Argumente: „Es gibt bei

uns kein geeignetes Personal, das so eine Evaluation durchführen

könnte.“

o Schließlich: „Es gibt so viele internationale Resultate, da muss man

keine eigenen Studien mehr durchführen.“

Die Zahl der gegen die Durchführung von Evaluationen vorgebrachten Einwände

ist damit keinesfalls erschöpft, diese Beispiele stellen allenfalls einen Ausschnitt

gängiger Argumente und Bedenken dar.

Eine Grundvoraussetzung dafür, dass Evaluationen hierzulande eine größere Ak-

zeptanz erfahren, stellt eine veränderte „Fehlerkultur“ dar. Solange Projektmitar-

beiter und -verantwortliche fürchten müssen, auf Grund von Evaluationsergeb-

nissen (Karriere- und Ressourcen-) Nachteile zu erleiden, wird das Anliegen von

Evaluationen notwendigerweise als Kontrolle verstanden und kaum freiwillig an-

gestrebt werden. Karrierefördernd müsste es sich daher auswirken, wenn sich

Mitarbeiter selbstkritisch mit ihrer Arbeit auseinandersetzen, auch anderen den

kritischen Blick ermöglichen und die Fähigkeit unter Beweis stellen, erkannte Ver-

besserungsmöglichkeiten konstruktiv umzusetzen. Erst dann ist zu erwarten,

36 Rössner, Dieter (2006): Zahlt sich kommunale Prävention auf die Dauer für die Kommunen aus? Festvortrag anlässlich des10jährigen Bestehens des Frankfurter Präventionsrates, Frankfurt: Präventi-onsrat Frankfurt, S. 1. 37 Vgl. Obergfell-Fuchs, Joachim (2004): Wirkung und Effizienz Kommunaler Kriminalprävention In: Ker-ner, H.-J.; Marks, E. (Hrsg.): Internetdokumentation Deutscher Präventionstag. Hannover. http://www.praeventionstag.de/content/9_praev/doku/obergfellfuchs/index_9_obergfelfuchs.html, S. 2.

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[22]

dass Evaluationen als Dienstleistungen mit einem Mehrwert für die praktische

Arbeit wahrgenommen werden können.

Die hier geforderten Evaluationen sind methodisch sauber und konzeptio-

nell nachvollziehbar anzulegen, jedoch müssen sie nicht unbedingt von

externen Wissenschaftler/innen durchgeführt werden. Auch eine interne

Qualitätssicherung kann wichtige Erkenntnisse schaffen und Gelingen

resp. Scheitern belegen.38

2. Gelingensfaktoren für die Implementierung lokaler Ansätze der Kriminalitäts-

vorbeugung

Es stellt sich über den Aspekt der kommunalen Kontextbedingungen für die Einrich-

tung kommunaler Präventionsgremien hinausgehend die Frage, welche förderlichen

Rahmenbedingungen auf anderen Handlungsebenen dazu beitragen können, die Ini-

tiierung, Implementierung und zielgerichtete Arbeit von Präventionsgremien zu för-

dern.

Vorbild- und Beratungsfunktion zur Implementation kriminalpräventiver Gremienarbeit

übernehmen seit Gründung des „Rates für Kriminalitätsverhütung“ in Schleswig-Hol-

stein die einzelnen Bundesländer mit unterschiedlicher Intensität durch Gründung lan-

desweiter Präventionsräte. Diese landesweiten Präventionsräte leisten vor allem Be-

ratungsaufgaben, stellen Informationen für die Kommunen bereit und fördern den Er-

fahrungsaustausch zwischen unterschiedlichen Projekten auf kommunaler Ebene.39

Wie Evaluationen zur Implementierung und Umsetzung von Präventionsprogrammen

sowie Untersuchungen zur Präventionslandschaft in einzelnen Bundesländern deut-

lich machen, kommt der Unterstützung durch die Länder eine wesentliche Bedeutung

für die strukturelle Verankerung von Präventionsprogrammen sowie die Etablierung

und Verbreitung entsprechender nachhaltiger Gremienstrukturen auf der kommunalen

Ebene zu.

Besonders in der Gründungsphase der übergeordneten kriminalpräventiven Institutio-

nen und Gremien wurde die Frage der Notwendigkeit von überregionalen Impulsen für

die kommunale Ebene von der Landes- und Bundesebene diskutiert: „Kommunale Kri-

minalprävention benötigt [...] nicht nur die Vernetzung vor Ort, sondern auch den über-

regionalen Impuls, damit zum Teil erhebliche Anlaufprobleme, [...] Informationsdefizite

sowie organisatorische und konzeptionelle Schwierigkeiten erfolgreich bewältigt wer-

den können“.40

38 Frevel, Bernhard: Kober, Marcus (2012): a.a.O., S. 357. 39 Wurzbacher, Jens (2008): Urbane Sicherheit und Partizipation. Stellenwert und Funktion bürger-schaftlicher Beteiligung an kommunaler Kriminalprävention, Wiesbaden, S. 164. 40 Ziercke, Jörg (1998): Anforderungen einer zukunftsorientierten, gesamtgesellschaftlich ausgerichte-ten Kriminalitätsvorbeugung – Erfordernis eines bundesweiten Präventionsgremiums, in: Kerner, Hans-Jürgen / Jehle, Jörg-Martin / Marks, Erich: Entwicklung der Kriminalprävention in Deutschland, Mön-chengladbach, S.284.

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[23]

a) Mögliche Unterstützungsleistungen der Landespräventionsräte

In welcher Form dies geschehen sollte, hat Müller anhand des Beispiels des Landes-

präventionsrates Niedersachsen untersucht. Er resümiert, dass die Ergebnisse seiner

Untersuchung den hohen Stellenwert der Unterstützungsleistungen der Landesebene

für die kommunale Ebene belegen, deren Schlüsselrolle für die kommunale Ebene

wiederum unbestritten sei und formuliert sieben Standards zur Stärkung der kommu-

nalen Kriminalprävention. Dabei beschreiben die ersten drei Standards seiner Unter-

suchung zufolge den Mindeststandard zur Stärkung der Kommunalen Kriminalpräven-

tion:41

Aktives Informationsmanagement

Regelmäßige aktive Informationssteuerung an die kommunalen Gremien und

ständiges Vorhalten einer zugänglichen Recherchemöglichkeit. Bewährt hat

sich hier, über einen E-Mail-Verteiler regelmäßig in Bezug auf die Bedürfnisse

der kommunalen Kriminalprävention ausgewertete und zusammengefasste In-

formationen in Form eines elektronischen Rundbriefes (Newsletters) sowie zu-

sätzliche aktuelle Einzelinformationen zu streuen. Zudem ist eine aktuell gehal-

tene Internetseite erforderlich, auf der nach den im Land und bundesweit ver-

fügbaren Informationsmaterialien, Angeboten, Unterstützungsleistungen ge-

sucht sowie nach Kontaktadressen und Ansprechpartnern etc. recherchiert wer-

den kann.

Ständiges Veranstaltungsmanagement

Regelmäßige Organisation von kleineren Fachtagen und einer jährlichen Groß-

veranstaltung auf der Länderebene in Form eines Landespräventionstages, der

als Forum für die Akteure der kommunalen Kriminalprävention dient, den Erfah-

rungsaustausch fördert, Partner in der Prävention zusammenführt und über ak-

tuelle Entwicklungen und grundsätzliche Fragen in der Prävention informiert.

Beratungs- und Servicestelle

Vorhalten einer fachlich kompetenten, zeitnah erreichbaren Beratungs- und

Servicestelle, welche sowohl zu inhaltlichen als auch strukturellen Fragen in

Bezug auf die Bedürfnisse und Anforderungen der kommunalen Kriminalprä-

vention berät, fachspezifische Publikationen bereithält, Informationen und Kon-

takte vermittelt sowie die Konzeption von kommunalen Projekten unterstützt.

41 Müller, Thomas (2010): Anforderungen an eine optimale Unterstützung kommunaler Präventionsgre-mien, In: Kerner, Hans-Jürgen u. Marks, Erich (Hrsg.), Internetdokumentation des Deutschen Präventi-onstages. Hannover (www.praeventionstag.de/Dokumentation.cms/1110), S. 9 f.

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[24]

Als erweiterten Standard sieht er die folgenden Aspekte an:

Fort- und Weiterbildungsangebote

Organisation spezieller, auf die Anforderungen der kommunalen Kriminalprä-

vention ausgerichtete arbeitsfeld- und ressortübergreifende Weiterbildungs-

maßnahmen zur Qualifizierung der Akteure der kommunalen Kriminalpräven-

tion. Bewährt haben sich sowohl umfassende, kriminalpräventives Basiswissen

vermittelnde und berufsbegleitende Angebote wie auch Tages- oder Halbtages-

fortbildungen für die besonders auf die Vertreter der kommunalen Gremien zu-

geschnittene Themenfelder.

Themenspezifische Fach- und Koordinierungsstellen

Einrichtung themenspezifischer Fach- und Koordinierungsstellen für arbeits-

feld-übergreifende Themen der kommunalen Kriminalprävention als Ergänzung

zur Beratungs- und Servicestelle. Aufgaben sind die Unterstützung der kommu-

nalen Gremien bei der Entwicklung und Verstetigung der Präventionsarbeit vor

Ort, Beratungs- und Referententätigkeit, Organisation von regelmäßigen Fach-

tagungen sowie das Erstellen und Bereithalten von Fachpublikationen.

Referentenpool

Vorhalten und vermitteln ausgewählter und kompetenter Fachreferenten für die

Themenfelder der kommunalen Kriminalprävention, welche auf Anforderung vor

Ort in den Kommunen tätig werden können, ohne den kommunalen Gremien

Kosten zu verursachen.

Förderprogramm

Impulssetzung durch niedrigschwellige Förderung der Implementierung nach-

weislich wirkungsorientierter Programme und Maßnahmen. Förderung der Eva-

luation von innovativen und qualitativ hochwertigen kommunalen Projekten. In-

direkte finanzielle Hilfen für die kommunalen Gremien durch kostenneutrale

Veranstaltungen, Fort- und Weiterbildungsangebote sowie das Entsenden von

ausgewählten Fachreferenten.

Im Rahmen einer Erhebung bei kommunalen Präventionsgremien in Rheinland-Pfalz

wurde nach den Erwartungen an die beim Ministerium des Inneren, für Sport und Inf-

rastruktur angesiedelte Leitstelle „Kriminalprävention“ gefragt. Dabei zeichneten sich

folgende Erwartungen ab: 76,9% (n=40) wünschten sich fachliche Unterstützung,

32,7% (n=17) finanzielle Unterstützung, 23,1% (n=12) Unterstützung im Allgemeinen

und 17,3% (n=9) erwarteten Vernetzung und Erfahrungsaustausch.42

42 Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur Rheinland Pfalz (2014): Leitstelle Kriminalpräven-tion. Fragebogen an die kriminalpräventiven Gremien. Auswertung der Bestandsaufnahme „Kommunale Kriminalprävention in Rheinland-Pfalz“, S. 10.

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[25]

b) Systemische Beratungsansätze

Hinsichtlich der Anforderungen, die an Beratungen präventiver Gremien zu stellen

sind, bilanzieren Rolfes und Wilhelm vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen mit der

Neuausrichtung der kommunalen Präventionsarbeit in Wilhelmshaven, dass die ex-

terne Beratung Kommunaler Kriminalitätsvorbeugung grundsätzlich zwei Herausforde-

rungen im Blick haben müsse:43

Beim Handlungsfeld kommunaler Präventionsarbeit handele es sich um ein vielschich-

tiges, zum Teil auch widersprüchliches und konfliktträchtiges Handlungsfeld. In jeder

Kommune gelte es daher, passgenaue Orientierungshilfen und Ansatzpunkte zu erar-

beiten. Dies deckt sich mit dem bereits mehrmals erfolgten Hinweis, dass Empfehlun-

gen zur Kommunalen Kriminalprävention den jeweiligen örtlichen Bedingungen ange-

passt werden müssen.

Zweitens hätten sich aber auch die Erwartungen an externe Beratungen dahingehend

verändert, dass es nicht mehr in erster Linie darum gehe, die Akteure zu instruieren,

sondern sie zu befähigen, die vorhandenen Potentiale gezielt zu aktivieren und zu

stärken. Seien noch vor 15 Jahren primär Wissenspakete zu Themen der Präventions-

arbeit nachgefragt worden, wünschten sich heute die Akteure aus den Kommunen zu-

sätzlich Prozessbegleitung und Coaching.

Von außen herangetragene Lösungen oder pauschal-lineare Beratungsansätze griffen

in der Regel nicht. Vielmehr wollen die Akteure der Präventionsarbeit befähigt werden,

so die Erfahrung, ihre Arbeit vor Ort dauerhaft, ganzheitlich und flexibel zu organisie-

ren.

c) Implementationsforschung

Mit diesen Hinweisen ist eine Tendenz beschrieben, dass neben der Evaluation die

Implementationsforschung in letzter Zeit zunehmend an Bedeutung gewinnt. Eine an-

gewandte Wissenschaft, die sich die Frage stellt, wie evidenzbasierte Praktiken in gu-

ter Qualität in der Fläche umgesetzt werden können. Offensichtlich ist dafür eine pro-

aktive Begleitung und Unterstützung erforderlich; Handbücher oder einmalige Trai-

nings von Personal scheinen nicht auszureichen.44

Die Einführung von Präventionsprogrammen bei einem Akteur oder einer Kommune

setzt zahlreiche Schritte voraus, von denen der Erfolg einer Maßnahme oder eines

Programms ebenso abhängt wie von der Qualität des Präventionsprogramms selbst.45

43 Rolfes, Manfred; Wilhelm, Jan Lorenz (2013): Gemeinsam für mehr Lebensqualität in Wilhelmshaven: Systemische Beratungsansätze in der Präventionsarbeit, In: forum kriminalprävention, 1/2013, S. 22 f. 44 Steffen, Wiebke (2014): a.a.O., S. 68. 45 Dirscherl, Ronja; Zastrow, Birte & Dirscherl, Thomas (2014): Auf eine gute Implementation kommt es an. Förderliche und hinderliche Faktoren bei der Implementation evidenzbasierter Programme, In: forum kriminalprävention, 3/2014, S. 26 f.

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[26]

Das Spektrum wichtiger Einflussfaktoren auf verschiedenen Ebenen sowie deren Be-

rücksichtigung im Implementierungsverfahren sind komplex und sollen an dieser Stelle

nur im Überblick dargestellt werden:

Tabelle 1: Übersicht wichtiger Einflussfaktoren auf die Implementation46

Ebene Faktoren

Programm

Inhaltsqualität (z.B. Evidenzbasis, Passung mit dem vor-

handenen Bedarf, theoretische Fundierung)

Durchführungsqualität (z.B. optimale Intensität, ange-

wandte Interventionsmethoden, didaktisches Konzept)

Flexibilität und Genauigkeit

Fachkraft

Kompetenz

Selbstwirksamkeitsüberzeugung

Austausch mit Kollegen

Einrichtung

Auswahl der Mitarbeiter

Training

Fortlaufende Beratung und Coaching

Bewertung der Umsetzung

Datenerhebung

Unterstützung durch die Verwaltung

Zusammenarbeit (mit externen Systemen)

Kommune

Vernetzung

Koordination

Öffentlichkeitsarbeit

„community readiness“

Wie bereits an diesem Überblick deutlich wird, stellt eine reflektierte und methodisch

angelegte Programmimplementierung eine vieldimensionale Herausforderung dar. Sie

setzt bei den Beratern oder Begleitern Methodenkenntnisse und Erfahrungen voraus.

Doch gibt es Methoden und Instrumente, die Akteure in der Praxis anleiten und bei der

Programmimplementierung durch eine strukturierte Vorgehensweise unterstützen.

Eine solche „Rahmenstruktur“ stellt „Communities that care“ (CTC) dar. Diese Methode

unterstützt kommunale Akteure und Netzwerke bei der Analyse ihrer Ausgangslage,

der Entscheidung, an welcher kommunalen Schwierigkeit sie ansetzen wollen sowie

der Auswahl von Angeboten und Maßnahmen zum Abbau von Risikofaktoren und der

Stärkung von Schutzfaktoren. Der Landespräventionsrat Niedersachsen und die Lan-

desarbeitsgemeinschaft (LAG) Soziale Brennpunkte Niedersachsen e.V. haben CTC

46 Dirscherl, Ronja; Zastrow, Birte & Dirscherl, Thomas (2014): a.a.O,, S. 29.

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[27]

in Deutschland adaptiert und stellen entsprechendes Instrumentarium für dessen An-

wendung zur Verfügung.47

d) „Communities that care“ (CTC)

CTC ist eine Methode, die Kommunen dabei unterstützen soll, ihre Präventionsaktivi-

täten im Bereich der Verringerung von Problemverhaltensweisen von Jugendlichen

wirkungsorientiert und ressourcenschonend zu planen. Der ursprünglich in den USA

entwickelte Ansatz wurde vor einigen Jahren auch in den Niederlanden eingeführt in

einem Modellversuch vom Landespräventionsrat Niedersachsen in Deutschland adap-

tiert.48

Damit eine Einführung von CTC gelingt und erleichtert wird, liegt dem Ansatz ein Pha-

senmodell zugrunde, indem die jeweiligen Schritte und Ziele beschrieben werden. Für

die Akteure sind die einzelnen Schritte und Zielstellungen in einem ausführlicheren

„CTC-Implementationsplan“ beschrieben. Dieses Modell gibt den Akteuren eine Hilfe

zur Erstellung einer sinnvollen Ablaufplanung für ein doch recht komplexes Verfahren.

Wichtig ist, stets ein Gesamtverständnis der Zielstellung zu haben, damit sich die Um-

setzung nicht zu einem mechanischen Abhaken von zu erledigenden Schritten redu-

ziert.

Auch in Bezug auf dieses Implementierungsmodell möchten wir im Folgenden lediglich

in groben Zügen den Ablauf des CTC-Prozesses im Überblick wiedergeben. Zum ei-

nen deshalb, weil die Methode, ihre theoretischen Grundlagen, sowie ihre Anwendung

und Evaluation in verschiedensten Publikationen dokumentiert ist. Explizit hingewie-

sen sei zum Verständnis des Modells lediglich darauf, dass in Phase 4 ein evidenzba-

siertes Interventionsprogramm ausgewählt und gemeinsam bereitgestellt wird. An die-

ser Stelle wird die Brücke zur „Grünen Liste Prävention“ geschlagen, weil dort für ver-

schiedene Problemstellungen entsprechend wirkungsevaluierte Programme ausge-

wiesen werden. Die beiden Bausteine „Grünen Liste Prävention“ und CTC sind inso-

fern ineinander integriert bzw. auf einander bezogen.

Die CTC-Phasen und die dazugehörigen Ziele49

Phase 1: CTC vorbereiten

Die Einbindung einer begrenzten Anzahl von Personen/Organisationen in CTC

Die Definition von Rahmenbedingungen für eine gut verlaufende Einführung

von CTC

Der Überblick über die Faktoren des jeweiligen Gebietes, die den CTC Prozess-

beeinflussen können

Die Vorbereitung der CTC-Schülerumfrage

47 Dirscherl, Ronja; Zastrow, Birte & Dirscherl, Thomas (2014): a.a.O,, S. 30. 48 Groeger-Roth, Frederick (2012): „Communities that care – CTC“ in der Praxis. Ergebnisse und Erfah-rungen aus dem Modellversuch SPIN in Niedersachsen, In: forum kriminalprävention, 3/2012, S. 2 f. 49 Groeger-Roth, Frederick (2012): a.a.O., S. 33.

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[28]

Phase 2: CTC einführen und Rückhalt für CTC schaffen

Die Durchführung der CTC-Schülerumfrage

Die Zusammensetzung und Gründung einer CTC-Lenkungsgruppe

Die Zusammensetzung und Gründung eines CTC-Gebietsteams

Die Information und Einbindung des betreffenden Gebietes in den CTC-Prozess

Phase 3: CTC-Gebietsprofil erstellen

Das Sammeln und Analysieren von Daten über Problemverhalten, Risikofakto-

ren und Schutzfaktoren im Gebiet

Das Priorisieren der Risikofaktoren und der Schutzfaktoren

Die Beschreibung und Analyse der bestehenden präventiven Programme und

Aktivitäten in dem Gebiet

Die Erstellung eines CTC-Gebietsprofils

Phase 4: CTC-Aktionsplan erstellen

Das Formulieren der Ziele, welche die CTC-Strategie im Hinblick auf Problem-

verhalten, Risikofaktoren und Schutzfaktoren langfristig erreichen will

Die Erstellung eines Planes, in dem Akteure und Einrichtungen in dem Gebiet

ein integriertes Angebot bereitstellen, um die Risikofaktoren abzuschwächen

und die Schutzfaktoren zu verstärken

Rückhalt für den CTC-Präventionsplan schaffen

Phase 5: CTC-Aktionsplan einführen

Die Schaffung einer Organisationsstruktur für den CTC-Prozess, welche die

Einführung des CTC-Aktionsplans unterstützt

Die Durchführung von Evaluationen und die Nachbesserung des CTC-Aktions-

plans

Die langfristige Sicherung des Rückhalts für den CTC-Prozess an dem Standort

Des Weiteren erscheinen insbesondere die Schlussfolgerungen besonders bemer-

kenswert, die Seitens der Programmverantwortlichen bzw. Evaluatoren aus den Er-

gebnissen des Modellprojektes gezogen wurden. Über die Frage der Umsetzbarkeit

und Passungsfähigkeit hinaus geht die Frage nach den möglichen Wirkungen von CTC

in Bezug auf die Innovation kommunaler Strukturen der Prävention. Vieles deutet da-

rauf hin, dass es dabei vor allem um die Frage geht, welchen Stellenwert evaluierte

und manualisierte Präventionsprogramme im Vergleich zur üblichen Praxis der Projek-

torientierung und des „Selberentwickelns“ haben. Werden neue Programme nur „on

top“ zu den bisherigen Angeboten dazu gefügt, oder werden knappe (bzw. knapper

werdende) Ressourcen gezielt auf wirkungsüberprüfte Ansätze konzentriert, die an

den lokal schwerwiegendsten Entwicklungsrisiken für Kinder und Jugendliche anset-

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zen? CTC als Verfahren kann eine kommunale Willensbildung über strategische Fra-

gen dieser Art anstoßen, sie mit Daten und Analysen unterlegen und Akteure für diese

Fragen sensibilisieren.50

Zudem weist CTC in der Adaption des Landespräventionsrates Niedersachsen ein

breites Instrumentarium auf, das auch für die prozesshafte Begleitung anderer Imple-

mentierungsprozesse wichtige Hilfestellungen bieten kann. Dazu gehört etwa ein Er-

hebungsinstrument, mittels dessen sich die Einschätzung der lokalen Präventionszu-

sammenarbeit (etwa im Hinblick auf Vorteile, Ziele, Hürden, Effekt, Unterstützung etc.)

durch die beteiligten Akteure ermitteln lässt.51

e) Implementierungsstudie im Land Brandenburg

Auch im Land Brandenburg wurde bereits eine prozessbegleitende Implementierungs-

studie bei der Einführung zweier wirkungsevaluierter Programme zur Gewaltpräven-

tion durchgeführt, die den Nutzen solcher Studien belegt.

Anlässlich der flächendeckenden Einführung der gewaltpräventiven Programme „EF-

FEKT“ (in Kitas) sowie Antibullying (nach Olweus) (in ausgewählten Schulen) im Land-

kreis Ostprignitz-Ruppin, wurde die Universität Greifswald mit der Prozessevaluation

der Programmimplementierung betraut.

Im Ergebnis dieser Begleitforschung konnten verschiedene Schwierigkeiten identifi-

ziert werden, deren Nichtberücksichtigung möglicherweise den Erfolg der Umsetzung

gefährdet hätten. Zu den gewonnenen Erkenntnissen gehörten u.a. etwa Hinweise

auf52

einen partiell wenig ausgeprägten Handlungsdruck infolge geringer Auffälligkei-

ten und Fallzahlen bei Gewaltvorkommnissen,

subjektiv wahrgenommene Autonomieverletzungen seitens einiger Schulkolle-

gien,

Verbesserungsoptionen bezüglich des eingesetzten Qualitätshandbuches,

eine subjektiv wahrgenommene Dominanz der Polizei, sowie

den Bedarf nach einer „Task Force“, die die vernetzte Präventionsarbeit auf der

regionalen Ebene vorantreibt.

Gerade der letzte Aspekt findet sich immer wieder, wenn es um die regionale Betrach-

tung lokaler Präventionsarbeit geht. In anwendungsorientierten Begleitforschungen

wie auch in akademischen Bestandsaufnahmen regionaler Präventionsstrukturen wird

für die qualitative Weiterentwicklung des Handlungsfeldes Kommunale Kriminalitäts-

verhütung der Bedarf an (hauptamtlichen) Akteuren zwischen der kommunalen und

der Landesebene artikuliert. Ihnen wird eine wesentliche Rolle als Promotoren und

50 Groeger-Roth, Frederick (2012): a.a.O., S. 36. 51 Jonkman, Harrie (2015): Communities That Care in Niedersachsen. Ergebnisse der Implementation

von CTC in fünf Standorten (2013-2014), Hannover: Landespräventionsrat Niedersachsen, S. 58 f. 52 Bornewasser, Manfred; Otte, Stefanie (2013): Gewaltprävention im Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Be-funde einer Prozessevaluation zur Implementierung gewaltpräventiver Maßnahmen, In: forum kriminal-prävention, 4/2013, S. 58 f.

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Motivatoren, in einer Beratungsfunktion, zur Gewährleistung von Vernetzung und Ko-

ordination sowie zur Verstetigung kommunaler Kriminalprävention beigemessen.

f) Erkenntnisse und Schlussfolgerungen in anderen Bundesländern

In einer Untersuchung von Akteuren, Strukturen und Inhalten der Kommunalen Krimi-

nalprävention in Mecklenburg-Vorpommern identifiziert Hannuschka ebenfalls einige

zentrale Elemente, die für die qualitative Sicherung und Weiterentwicklung in diesem

Bundesland unerlässlich seien.

Dazu zählt ihrer Analyse zufolge vor allem die hauptamtliche Koordinierung der krimi-

nalpräventiven Aktivitäten auf Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte, als eines

der wichtigsten Strukturelemente für eine dauerhafte und effektive Arbeit der Gre-

mien.53

Als größte Gefahr für die Entwicklung der Kriminalprävention in Mecklenburg-Vorpom-

mern sieht sie den Rückgang hauptamtlich koordinierter Gremien auf Ebene der Land-

kreise und kreisfreien Städte an. Solle das Niveau der kriminalpräventiven Arbeit auf

kommunaler Ebene gehalten oder gar verbessert werden, bedürfe es der Sicherung

durch eine hauptamtliche Koordinationsstelle.54 Die Untersuchung der Gremien in

Mecklenburg-Vorpommern brachte zum Vorschein, dass es an einem Informations-

austausch und einer Vernetzung zwischen den Gremien fehlt. Eine Gelegenheit, den

Koordinatoren eine Möglichkeit des Austausches anzubieten, bestehe entweder in der

Durchführung von Landeskonferenzen oder aber von Schulungen. Mit letzteren könnte

zugleich die notwendige Professionalisierung der Akteure erfolgen. Bisher hätten diese

weder das Handwerkszeug, Projekte theoretisch zu fundieren, geschweige denn diese

selbst zu evaluieren.

In einer gemeinsamen Rahmenvereinbarung des Innenministeriums Baden-Württem-

berg mit dem Städte-, Landkreis- und Gemeindetag aus dem Jahr 2004 kommen die

Beteiligten ebenfalls zu dem Entschluss, eine Koordinierungsstelle Kommunale Krimi-

nalprävention bei den Landratsämtern bzw. Oberbürgermeistern der Stadtkreise zu

benennen, die die Präventionsaktivitäten analysiert, bündelt, koordiniert und ggf. neue

initiiert. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass die Präventionsaktivitäten abge-

stimmt und verzahnt erfolgen und die Arbeitsbereiche innerhalb der Land- und Stadt-

kreise sowie der anderen Präventionsanbieter außerhalb (insbesondere der Polizei)

eng aufeinander abgestimmt agieren.55

53 Hannuschka, Elke (2009): Kommunale Kriminalprävention in Mecklenburg-Vorpommern. Eine empi-rische Untersuchung der Präventionsgremien, Mönchengladbach, S. 106. 54 Elke Hannuschka (2009): a.a.O., S. 142 f. 55 Innenministerium Baden-Württemberg (2005): Gemeinsame Rahmenvereinbarung des Innenministe-riums Baden-Württemberg mit dem Städte- Landkreis- und Gemeindetag zur Intensivierung des Infor-mationsaustausches, zur Durchführung gemeinsamer periodischer Analysen der örtlichen Sicherheits-lage und zur Koordinierung der Kommunalen Kriminalprävention durch die unteren Verwaltungsbehör-den vom 14.09.2004, In: Britta Banneberg, Marc Coester und Erich Marks (Hrsg.) (2005): Kommunale Kriminalprävention. Ausgewählte Beiträge des 9. Deutschen Präventionstages (17. und 18. Mai 2004 in Stuttgart), Mönchengladbach, S. 251 f.

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3. Sicherheits- und Ordnungspartnerschaften

In einer weiteren Perspektive lokaler Sicherheitspolitik gibt es neben diesen kommu-

nalen Präventionsgremien Ordnungs- und Sicherheitspartnerschaften56, die in erster

Linie ordnungs- und sicherheitsspezifische Phänomene und Probleme vor Ort behan-

deln und weniger die allgemeinen Rahmenbedingungen im Kontext einer ursachenori-

entierten Primärprävention in den Blick nehmen.

Als einem vielerorts bedeutenden Instrument der lokalen Vernetzung, versteht man

unter Sicherheits- oder Ordnungspartnerschaften die Bündelung möglichst aller Ver-

antwortlichen, um Sicherheit und Ordnung an einer bestimmten Örtlichkeit oder bezo-

gen auf ein bestimmtes Problem besser gewährleisten zu können. Stets geht es bei

der Ordnungspartnerschaft also darum, ein konkretes Problem zu beseitigen. Die An-

lässe und Lösungsansätze sind dabei vielfältigster Art: ob Spielplatzpatenschaften, Hil-

fen für jugendliche Aussiedler, Zusammenarbeit zwischen Stadt, Polizei und Bundes-

polizei bei Problemen auf Bahnhofsvorplätzen, Sicherheit in öffentlichen Verkehrsmit-

teln und Innenstadtbereichen, Verkehrssicherheit für Kinder, Straftaten durch Jugend-

banden oder vieles andere mehr.57

Es gehören damit zwei Partner meistens zu einer Ordnungspartnerschaft: Die Polizei

und die Kommunalverwaltung, sei es mit ihren Ordnungs-, Sozial-, Jugendämtern oder

anderen Stellen (z. B. Gleichstellungsbeauftragte). Je nachdem, welche Problemlage

Gegenstand der Ordnungspartnerschaft ist, kommen als weitere Partner z.B. auch der

Bundesgrenzschutz (insb. als Bahnpolizei), Verkehrsunternehmen, Schulen und

Schulämter, Kirchengemeinden, Sportverbände, Weißer Ring, Krankenkassen, Sport-

vereine, Sparkassen, Amtsgericht, Staatsanwaltschaft, freie Wohlfahrtsträger, Senio-

renbeiräte, Ausländerbeiräte, Kinderschutzbund, Einzelhandel und andere örtliche pri-

vate Vereine und Initiativen in Betracht.58

Setzen die Kriminalpräventiven Gremien mehr auf Primärprävention und Rahmenge-

staltung, so sind die Ordnungspartnerschaften zumeist auf Sekundärprävention (als

die Beeinflussung von Tatgelegenheitsstrukturen) und die Phänomene abweichenden

Verhaltens ausgerichtet.

Diese Konstellation ermöglicht eine der jeweiligen lokalen Situation adäquate wech-

selseitige Ergänzung, kann aber auf Grund der unterschiedlichen Logiken auch kom-

pensierende bis kontraproduktive Effekte erzielen.59

Empirische Erkenntnisse über die Verbreitung, Arbeitsweisen, Effektivität und Wirk-

samkeit von Sicherheits- und Ordnungspartnerschaften bei der Verwirklichung der mit

ihrer Einrichtung verbundenen Zielsetzungen sind deutlich seltener als im Hinblick auf

kommunale Präventionsgremien.

56 Die Begriffe der Ordnungs- bzw. Sicherheitspartnerschaften bezeichnen in den Bundesländern viel-fach die gleiche Form der interinstitutionellen Zusammenarbeit. In Brandenburg wird diese Form als Ordnungspartnerschaft bezeichnet. Der in Niedersachsen verwendete Begriff der Sicherheitspartner-schaft hingegen bezeichnet in Brandenburg den institutionellen Rahmen für die Zusammenarbeit von Polizei und Bürgern. 57 Bülow, Jörg (2004): a.a.O., S. 6 f. 58 Bülow, Jörg (2004): a.a.O., S. 6. 59 Frevel, Bernhard (2007): a.a.O., S. 55.

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Vor dem Hintergrund einer vergleichenden Untersuchung von Ordnungspartnerschaf-

ten und Kriminalpräventiven Räten in Nordrhein-Westfalen kommen die Autoren zu

dem Ergebnis, dass sich die Form der Ordnungspartnerschaft als Kooperation der

kommunalen Ordnungsbehörde und der Polizei sowie ggf. weiterer Partner etabliert

hat. Hier werden verschiedene Ansätze zur Sicherheits- und Ordnungspolitik koordi-

niert und der Ressourceneinsatz abgestimmt. Die Ordnungspartnerschaften sind im

Vergleich zu den breiter angelegten Kriminalpräventiven Räten in der Regel thema-

tisch konkreter, normativ bestimmter und hinsichtlich der Akteursbeteiligung enger.

Dies erleichtert Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse in den Gremien. Für die

Beteiligten sind die jeweils zu erbringenden Leistungen klarer zu bestimmen und es

wird der synergetische Effekt der koordinierten Aufgabengestaltung leichter einsichtig.

Die Kooperation in den Gremien fördert auch für andere Berührungen die Abstimmung,

ermöglicht „kurze Dienstwege“ und unbürokratische Prozesse, was die Zufriedenheit

mit dem Instrument „Ordnungspartnerschaft“ fördert.60

Bürger als ehrenamtliche Sicherheitskräfte

Das Ziel, eine stärkere Präsenz von Ordnungskräften in der Öffentlichkeit zu erzielen

und so das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger zu verbessern sowie Stö-

rungen der Sicherheit und Ordnung frühzeitiger zu erfassen, wird auch durch die Akti-

vierung ehrenamtlicher Bürgerinnen und Bürger verfolgt. Die bekanntesten Modelle

einer direkten Einbindung des Bürgers in das Politikfeld der Inneren Sicherheit sind

wohl die der Bayrischen sowie der Sächsischen Sicherheitswacht und die der Bran-

denburgischen Sicherheitspartnerschaften.

Im Einzelnen sehr unterschiedlich ausgestaltete Modelle mit der Einbindung ehren-

amtlich tätiger Bürger gibt es in Sachsen (Sicherheitswacht), Baden-Württemberg (frei-

williger Polizeidienst), Hessen (freiwilliger Polizeidienst), Bayern (Sicherheitswacht)

und Brandenburg (Sicherheitspartner).

Sicherheitspartner in Brandenburg sind engagierte Einwohner einer Gemeinde, die in

Wahrnehmung ihrer persönlichen Rechte und der sozialen Verantwortung für die Ge-

meinschaft unbewaffnet und ohne hoheitliche Befugnisse in ihrem örtlichen Umfeld

tätig werden. Sicherheitspartnerschaften wurden ins Leben gerufen, um durch Einbin-

dung bürgerschaftlichen Engagements die Bekämpfung von Kriminalität mittels infor-

meller Sozialkontrolle zu verstärken. Federführend ist dabei die Kommune, doch wird

die Betreuung der Sicherheitspartnerschaften von der örtlichen Polizei übernommen.61

Trotz ihrer augenscheinlichen Ähnlichkeit unterscheiden sich die Modelle

etwa der bayerischen und sächsischen Sicherheitswachten sowie der Si-

cherheitspartner in Brandenburg hinsichtlich der Form und des Ausmaßes

der Bürgerbeteiligung. Diese Differenzen liegen bereits in der Genese der

60 Frevel, Bernhard (2007): a.a.O., S. 196. 61 Vgl. Ministerium des Innern Brandenburg (1995): a.a.O.

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Modelle begründet: Die Gründung der brandenburgischen Sicherheitspart-

nerschaften erfolgte als politische Reaktion auf Forderungen der Bürger

nach Beseitigung subjektiv wahrgenommener Unsicherheitslagen. Diese

Forderungen zeigten sich unter anderem in einem selbstständigen bürger-

schaftlichen Sicherheitsengagement (auch in Form der Bildung von so ge-

nannten Bürgerwehren) und die Unsicherheitslagen bezogen sich in der Re-

gel auf eine als mangelhaft wahrgenommene Erreichbarkeit der Polizei in

kleineren ländlichen Gemeinden. Im Unterschied hierzu handelte es sich

bei den bayrischen und sächsischen Sicherheitswachten um von der Lan-

despolitik initiierte Projekte.

Ein weiterer Unterschied zwischen beiden Modellen liegt in der Art ihrer in-

stitutionellen Verankerung. Während die Benennung und die Anleitung der

Sicherheitspartner in Brandenburg durch eine örtliche Sicherheitsversamm-

lung der Bürger erfolgen soll, erfolgt die Auswahl und die Anleitung der bay-

rischen Sicherheitswächter über die örtlichen Polizeiinspektionen.

Gegenüber den Sicherheitswachten und Polizeireserven unterscheiden sie

sich damit vor allem auch durch die Institution der „Sicherheitsversamm-

lung“, zu der der/die zuständige/n Revierpolizisten zusammen mit dem Bür-

germeister die Einwohner einer Gemeinde einladen soll. In der Versamm-

lung sollen die lokalen Sicherheitsprobleme diskutiert und die Sicherheits-

partner gewählt werden. Sofern die Gewählten die persönlichen Vorausset-

zungen erfüllen (keine Vorstrafen, laufende Ermittlungsverfahren oder

hauptamtliche Stasitätigkeit) werden sie vom Polizeipräsidium ernannt.62

Der zentrale formale Unterschied zwischen den Modellen ist darin zu sehen,

dass die brandenburgischen Sicherheitspartner für die Erfüllung ihrer Auf-

gaben mit keinerlei Sonderrechten ausgestattet wurden. Den Bediensteten

der Sicherheitswachten hingegen wurden über die Jedermann-Rechte (vgl.

§ 127 StPO) hinausgehende hoheitliche Befugnisse eingeräumt, wie das

Recht, einen Platzverweis auszusprechen. Diesem Unterschied in den Be-

fugnissen entspricht auch die inhaltliche Ausrichtung der Modelle: Die bran-

denburgischen Sicherheitspartnerschaften haben mit den örtlich einberufe-

nen Sicherheitsversammlungen einen potenziellen Bezug zumindest zu der

an Sicherheitsdebatten interessierten Bürgerschaft. Ihre Tätigkeit kann sich

– insbesondere dann, wenn es an konkreten Unsicherheitslagen mangelt –

vom bloßen Streifegehen in ein breites Angebot der Nachbarschaftshilfe

wandeln.

Das Modell der Sicherheitswächter hingegen lässt aufgrund der nur polizeilichen

Anleitung und der fehlenden Bürgerbeteiligung auch an der Konzeption von Maß-

nahmen, und nicht nur an deren Durchsetzung, eine solche Ausweitung oder Ver-

62 Vgl. Pütter, Norbert; Kant, Martina (2000): Ehrenamtliche PolizeihelferInnen. Polizeidienste, Sicher-heitswachten und Sicherheitspartner, In: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 66. 2/2000, S. 16-30.

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lagerung der Tätigkeit weg von einer unter dem Vorzeichen Kriminalitätsbekämp-

fung stehenden Streifegehens hin zu einem stärkeren Sozialengagement nicht

zu.63

Zu einer ähnlichen Bewertung gelangt auch Wurtzbacher beim Vergleich von Sicher-

heitswachten und Sicherheitspartnerschaften:

Es spricht viel dafür, dass die Form des bürgerschaftlichen Engagements im Rah-

men der Sicherheitswachten zwar ein eher an der polizeilichen Aufgabenorien-

tierung orientiertes Handlungspotential der Bürger verlangt, diesem aber im in-

haltlichen Verlauf des Engagements keine Entwicklungs- bzw. Ausweitungsper-

spektive eröffnen kann. Dies wäre lediglich in Richtung einer weiteren Professio-

nalisierung und Einbindung in die Aufgabenerfüllung der Polizei denkbar. Die

Stärkung rein ziviler Konfliktschlichtung scheint sowohl durch die erweiterten

Rechte als auch durch die sofortige Erkenn- bzw. Identifizierbarkeit der Sicher-

heitswächter verbaut zu sein.64

Zu einer positiven Bewertung der Sicherheitspartnerschaften in Brandenburg gelangt

auch Schröder, wenn er bilanziert:

Gerade die demokratische Legitimierung durch die lokalen Bürgerversammlun-

gen, die Öffentlichkeit des Wirkens der Sicherheitspartner und deren Gemein-

wohlbezug sind hervorzuheben. Dass die Sicherheitspartner gerade nicht orga-

nisatorischer Bestandteil der Polizei sind, sondern nur auf lokaler Ebene koope-

rieren, hebt dieses Modell von anderen Formen ab. Dass die Sicherheitspartner

auch rechtlich nur als Bürger unter Bürger handeln, macht schließlich deutlich,

dass es gerade nicht um zweifelhafte Formen eines Denunziantentums geht. Hier

geht es um die Schaffung kanalisierter Möglichkeiten des gemeinwohlorientierten

Engagements für Bürgerinnen und Bürger im Feld der inneren Sicherheit. Dies

funktioniert nach dem jetzigen Erkenntnisstand vermutlich nur unter diesen spe-

zifischen Bedingungen.

Vielleicht sollte den Engagierten in diesem Modell aber der nötige Vertrauensvor-

schuss gewährt werden, anstatt sie dem zuvor diskutierten Generalverdacht zu

unterziehen.65

Korfes und Sessar kommen im Rahmen einer wissenschaftlichen Begleitung der

Sicherheitspartnerschaft in Modellkommunen zu dem Fazit, dass es jeweils eines

konkreten Problemdrucks im lokalen Kontext bedurfte, damit sich die Aktivitäten

etablierten. Entscheidend war dabei die Motivation einzelner Akteure, die bereit

63 Groll, Kurt H. G.; Reinke, Herbert und Schierz, Sascha (2008): Der Bürger als kriminalpolitischer Akteur: Politische Anstrengungen zur Vergemeinschaftung der Verantwortung für Sicherheit und Ord-nung, In: Hans-Jürgen Lange (Hrsg.): Kriminalpolitik, Wiesbaden, S. 349. 64 Wurtzbacher, Jens (2004): Sicherheit durch Gemeinschaft? Bürgerschaftliches Engagement für öf-fentliche Sicherheit, Opladen, S. 129. 65 Schröder, Detlef (2004): Sicherheitspartner in Brandenburg, In: Gisbert van Elsbergen (Hrsg.): Wa-chen, kontrollieren, patrouillieren. Kustodialisierung der Inneren Sicherheit, Wiesbaden, S. 244.

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waren, mit hohem eigenem Engagement dieses Modell mit Leben zu füllen. Nur

wenn diese auch bei nachlassender konkreter lokaler Problemlage weiter bereit

sind, sich kontinuierlich in dem Modell zu betätigen, bleibt dies auch mittel und

langfristig etabliert. Ohne diese motivierten Einzelpersonen besteht kaum Aus-

sicht, dieses Modell zu realisieren.66

66 Schröder, Detlef (2004): a.a.O., S. 241.

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III. Wirksamkeit der Kommunalen Kriminalitätsverhütung im Hinblick auf Kriminalitätsbelastung und das subjektive Si-cherheitsgefühl in der Bevölkerung

Wirkt sich kommunale Kriminalprävention positiv auf das Kriminalitätsaufkommen in

Städten und Gemeinden oder auf das subjektive Sicherheitsempfinden der Bevölke-

rung in den Kommunen aus? Diese Fragestellung berührt eine Debatte um die „Evi-

denzbasierung“ kommunaler Präventionsansätze. Angesichts einer kaum überschau-

baren Vielfalt von Präventionsansätzen und -maßnahmen stellt sich, insbesondere in

Zeiten angespannter öffentlicher Haushalte, die Frage nach der Qualität und Wirksam-

keit der Angebote, Modelle und Handlungsansätze.67

Angelehnt an die medizinische Wirkungsforschung stellt sich im Rahmen der „Evidenz-

debatte“ die Frage nach methodisch fundierten Vorgehensweisen zur Ermittlung von

Wirkungen der Kommunalen Kriminalprävention. Im Hinblick auf die Ermittlung solcher

Wirkungen wird gefordert, dass diese nur im kontrollierten Vergleich zwischen einer

Gruppe, die eine „Behandlung“ (Teilnahme an Maßnahmen o.ä.) erhält und einer an-

deren ohne diese Intervention bei sonst gleicher Ausgangslage (Kontrollgruppende-

sign) nachgewiesen werden könne.68 Um die Güte der Untersuchungsergebnisse si-

cherzustellen, bedarf es zudem einer zumindest zweimaligen Messung in diesen Teil-

gruppen, vor Beginn und nach erfolgter Intervention.

Nur auf Basis solchermaßen gewonnener Erkenntnisse ist nach internationalen Stan-

dards eine echte Kosten-Nutzen-Analyse für die Kommune möglich.

Abbildung 2: Qualität und Kosten der Evaluationsforschung69

Die Güte verschiedener Untersuchungsdesigns sowie den Zusammenhang der mit de-

ren Durchführung verbundenen Kosten illustriert Abbildung 2.

67 Vgl. Schubarth, Wilfried; Niproschke, Saskia (2014): Nachhaltige Kriminalprävention zwischen Mach-barkeit und Utopie. Dimensionen und Beispiele aus dem Land Brandenburg, In: forum kriminalpräven-tion, 2/2014, S. 24. 68 Rössner, Dieter (2006): a.a.O., S. 1. 69 Obergfell-Fuchs, Joachim (2004): a.a.O., S. 7.

Page 38: Kommunale Krimi- nalitätsverhütung...Kommunale Krimi-nalitätsverhütung Ein nationaler und internationaler Vergleich von Konzepten und Strate-gien im Bereich der kriminalpräventiven

[37]

Für eine Bewertung der Strukturen und Konzepte kommunaler und regionaler Präven-

tionsmodelle im Hinblick auf ihre Wirksamkeit - bezogen auf die Reduzierung der ört-

lichen Kriminalitätsbelastung oder einer Steigerung des subjektiven Sicherheitsgefühls

- liegen in Deutschland so gut wie keine Forschungsberichte vor.

Es lassen sich für dieses Defizit an Evaluationen von Modellen kommunaler Kriminal-

prävention verschiedene Gründe identifizieren. Zum einen ist der Begriff „Kommunale

Kriminalprävention“ nicht eindeutig definiert, sodass nicht von einer mehr und minder

einheitlichen kommunalen Präventionspraxis gesprochen werden kann. Eine pau-

schale Beurteilung des Konzeptes erscheint aufgrund dieser strukturellen Heterogeni-

tät kaum möglich.70 Ein weiteres methodisches Problem ist darin zu sehen, dass Aus-

prägungen der Kommunalen Kriminalprävention oftmals aus einer Vielfalt von vernetz-

ten Maßnahmen bestehen. Klassische Evaluationsdesigns in Form von Vorher-Nach-

hermessungen unter Einbeziehung von Kontrollgruppen sind daher kaum durchführ-

bar, da ggf. auftretende Veränderungen in den Zielgruppen kaum kausal einer be-

stimmten Einzelmaßnahme zuzuordnen sind. Auch kann es zu Verlagerungs- bzw. Dif-

fusionseffekten innerhalb einer Kommune oder auf regionaler Ebene kommen, die me-

thodisch schwer zu erfassen sind.

Als ein weiterer Grund dafür, dass es so wenig methodisch fundierte und damit belast-

bare Erkenntnisse zur Wirksamkeit Kommunaler Kriminalprävention gibt, kann zudem

angesehen zudem werden, dass Präventionsgremien in vielen Fällen die Reduzierung

von Kriminalität und Erhöhung des subjektiven Sicherheitsgefühls gar nicht zu ihren

primären Zielen rechnen. Wie Verena Schreiber in einer bundesweiten Befragung von

Präventionsgremien feststellt, stellen nur wenige Gremien diese Ziele Kommunaler

Kriminalprävention als zentrale Leistung ihrer Arbeit heraus. Es könne insofern noch

nicht von einer „Erfolgsstory“ in Bezug auf die Realisierung dieser Zielsetzungen ge-

sprochen werden.71 In einer Bestandaufnahme von aktuellen Forschungsergebnissen

zur Kommunalen Kriminalprävention stellt Henning van den Brink mit Verweis auf ähn-

liche Erkenntnisse auch anderer Untersuchungen daher fest, dass eine Vielzahl von

Präventionsgremien quer zur Konzeption Kommunaler Kriminalprävention liegt.72

Es sind, u.a. auf Grund dieser skizzierten Probleme bei der evaluativen Beurteilung

Kommunaler Kriminalprävention - außer dem im Folgenden vorgestellten Beispiel -

keine Evaluationsstudien ersichtlich, die mit einem holistischen Ansatz die Wirkung

Kommunaler Kriminalprävention untersuchen. Soweit vorhanden nehmen Evaluatio-

nen stattdessen einzelne Maßnahmen (wie städtebauliche Maßnahmen, Videoüber-

wachung, Gewaltprävention etc.) als Ausschnitt des kommunalen Maßnahmespekt-

rums in den Blick.73

70 Vgl. Hermann, Dieter (2008): Zur Wirkung von Kommunaler Kriminalprävention. Eine Evaluation des Heidelberger Modells, In: TRAUMA & GEWALT, 3/2008, S. 220. 71 Vgl. Schreiber, Verena (2007): a.a.O., S. 56. 72 Van den Brink, Henning (2014): a.a.o., S. 7 m.w.N. 73 Vgl. Hermann, Dieter (2008): a.a.O., S. 220.

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[38]

Als einziges Beispiel einer Wirkungsevaluation Kommunaler Kriminalprävention sollen

Bestandteile der örtlichen Konzeption, Hinweise zum methodischen Vorgehen sowie

zentrale Erkenntnisse der Evaluation des „Heidelberger Modells“ im Folgenden kurz

vorgestellt werden.

1. Evaluation des „Heidelberger Modells“

Seit 1997 wird in Heidelberg ein Ansatz Kommunaler Kriminalprävention praktiziert,

der auf drei wesentlichen Pfeilern basiert. Dies sind der Broken-Windows-Ansatz, der

Sozialkapitalansatz sowie die kriminalpräventive Zielgruppenanalyse.74

Der Schwerpunkt der kriminalpräventiven Maßnahmen, die aus dem Broken-Windows-

Ansatz abgeleitet werden, liegt in der Verbesserung von lokalen und strukturellen Be-

dingungen, die einen Einfluss auf Kriminalität und Kriminalitätsfurcht haben. Dabei ste-

hen Stadtteile mit hoher Kriminalitätsbelastung und Kriminalitätsfurcht sowie Personen

mit hoher Kriminalitätsfurcht im Mittelpunkt präventiver Maßnahmen.

Ein weiterer Pfeiler der Kommunalen Kriminalprävention im Rhein-Neckar-Kreis und

in Heidelberg ist der Aufbau von Sozialkapital. Das zu Grunde liegende Konzept Ro-

bert Putnams kann kriminologisch genutzt werden. Er versteht unter Sozialkapital ein

Bündel von Merkmalen, das geeignet ist, den Zustand von Gesellschaften zu beschrei-

ben. Dazu zählt das Vertrauen in Personen und Institutionen sowie in die Gültigkeit

von Normen, die das zwischenmenschliche Zusammenleben regeln. Darüber hinaus

ist auch das Ausmaß bürgerlichen ehrenamtlichen Engagements Bestandteil des So-

zialkapitals einer Gesellschaft.

Die dritte Basistheorie, die kriminalpräventive Zielgruppenanalyse, ist ein Werkzeug

aus der Marktforschung, mit dem durch den Einsatz eines Erhebungsinstruments zur

Erfassung von Lebensstilen möglichst homogene Personengruppierungen für krimi-

nalpräventive Maßnahmen gefunden werden sollen. Die Kenntnisse über Gruppenun-

terschiede in der Kriminalitätsfurcht sollen dazu beitragen, spezifische Ziele für krimi-

nalpräventive Maßnahmen festzulegen und geeignete Präventionsmaßnahmen zu

entwickeln.

Die Konzeption Kommunaler Kriminalprävention der Stadt Heidelberg integriert diese

drei Theorien in einem theoretisch und empirisch fundierten Konzept zum „Heidelber-

ger Modell“. Verkürzt dargestellt fußt das Konzept auf der theoretischen Annahme,

dass Kriminalprävention sinnvollerweise durch den Abbau von incivilities und durch

den Aufbau sozialen Kapitals zu betreiben ist, wodurch kurzfristig ein Rückgang der

Kriminalitätsfurcht und langfristig eine Reduzierung der Kriminalität bewirkt werden

können.

74 Siehe zur Konzeption und Evaluation Hermann, Dieter (2008): a.a.O., S. 222 f. m.w.N.

Page 40: Kommunale Krimi- nalitätsverhütung...Kommunale Krimi-nalitätsverhütung Ein nationaler und internationaler Vergleich von Konzepten und Strate-gien im Bereich der kriminalpräventiven

[39]

Im Zuge mehrmaliger Bevölkerungsbefragungen (insgesamt zehn) über einen Zeit-

raum von zehn Jahren (1997 bis 2007), die in Heidelberg und angrenzenden Kreis-

städten durchgeführt worden sind, wurden Wahrnehmungen von incivilities und Anga-

ben zur Kriminalitätsfurcht sowohl in räumlicher als auch in sozialer Hinsicht lokalisiert.

Auf Basis dieser Erkenntnisse im Hinblick auf bestimmte, als besonders belastend

wahrgenommene Formen von incivilities, auf identifizierbare Zielgruppen und örtliche

Schwerpunkte wurden über einen Zeitraum von zehn Jahren insgesamt 19 Projekte,

11 Sicherheitswochen und 7 Fachtagungen durchgeführt. Organisatorisch und struk-

turell waren diese Projekte und Veranstaltungen eingebunden in ein Netzwerk von Po-

lizei, Kommunalverwaltung, Zivilgesellschaft und Wissenschaft. Mit dem Ziel einer Er-

höhung des Sozialkapitals wurden zivilgesellschaftliche Gruppen in die praktische Prä-

ventionsarbeit wie auch in die Leitungsgremien eingebunden.

Mit der Analyse der wiederholt durchgeführten Erhebungen konnte im Ergebnis aufge-

zeigt werden, dass sich die Kriminalitätsfurcht im Untersuchungsgebiet in den 10 Jah-

ren erheblich verringert hat, wohingegen dies in Deutschland im Vergleichszeitraum

nur geringfügig der Fall gewesen ist. Zudem hatten sich mit zunehmender Anzahl von

Präventionsmaßnahmen die incivilities verringert, was sich wiederum positiv auf die

Kriminalitätsfurcht auswirkte.

Vorbildlich an diesem Beispiel Kommunaler Kriminalprävention erscheint vor allem die

ausgeprägt problem- und zielorientierte, strukturierte Vorgehensweise der Akteure in

Heidelberg. Auf Grundlage einer zielgruppenspezifischen, phänomenologischen und

räumlichen Anamnese wurden zielgerichtete Präventionsmaßnahmen aufgelegt. Wie

später dargestellt wird, stellt ein weit verbreitetes Defizit Kommunaler Kriminalpräven-

tion die fehlende Ausrichtung von Maßnahmen an konkret bestimmten Problemstellun-

gen und Zielsetzungen dar. Vorbildcharakter kann das „Heidelberger Modell“ inhaltlich

zudem dann entfalten, sofern sich erkennbar ähnliche Problemzusammenhänge in ei-

ner Kommune ergeben. Dies könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn Beein-

trächtigungen des Sicherheitsgefühls in der Bevölkerung mit in verstärkten Wahrneh-

mungen von „incivilities“ in Zusammenhang gebracht werden.

Mit diesem skizzierten Beispiel erschöpfen sich bereits die nationalen Forschungser-

gebnisse zur Wirksamkeit Kommunaler Kriminalprävention. Mit Blick auf eine evidenz-

basierte Kriminalprävention wird in Ermangelung nationaler Studien vielfach auf Er-

kenntnisse der internationalen Wirkungsforschung zurückgegriffen. Für Deutschland

sind weltweit vorhandene empirisch gesicherte Erkenntnisse der Wirkungsforschung

im sogenannten „Düsseldorfer Gutachten“75 aufbereitet. Im Auftrag der Stadt Düssel-

dorf wurde eine breite Sekundäranalyse nationaler und internationaler Wirkungsfor-

75 Rössner, Dieter u. a. (2002): Düsseldorfer Gutachten: empirisch gesicherte Erkenntnisse über krimi-nalpräventive Wirkungen. Düsseldorf: Landeshauptstadt Düsseldorf.

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[40]

schung mit dem Ziel durchgeführt, deutlich zu erkennende Wirkungsfaktoren heraus-

zuarbeiten und damit Rahmenkriterien evidenzbasierter Kriminalprävention zu bestim-

men.

2. Evidenzbasierte Kriminalprävention: Erkenntnisse aus dem „Düsseldorfer Gut-

achten“

Mit Blick auf die Gesamtgemeinde, wie sie im Konzept der Kommunalen Kriminalprä-

vention in den Mittelpunkt rückt, geht es diesen Erkenntnissen zufolge vor allem um

die Ergänzung und Vernetzung von Präventionsbemühungen auf kommunaler Ebene.

Bei der Evaluation von sogenannten „Safer-Cities Programmen“ haben sich insbeson-

dere dann Erfolge nachweisen lassen, wenn diese gegen verschiedene Formen der

Kriminalität wie Wohnungseinbruch, familiäre Gewalt, Körperverletzungen, PKW-Dieb-

stahl, Ladendiebstahl, vernetzte Aktionen zur Reduzierung von Tatgelegenheiten und

täterorientierten Maßnahmen gerichtet waren.

Zwischen 1988 und 1995 wurde in ganz England das Programm „Safer Ci-

ties“ eingeführt. Die englische Regierung wollte damit gegen zunehmende

Probleme in einigen Großstadtgebieten steuern. Erste Ziele bestanden in

der Senkung der Verbrechensfurcht sowie der Verbesserung der allgemei-

nen Sicherheit. In 20 Gebieten wurde dieses Programm umgesetzt. Es wur-

den Koordinatoren eingesetzt, die Präventionsmaßnahmen mit lokalen Or-

ganisatoren und Trägern umsetzen sollten.

Jedes dieser Gebiete erhielt jährlich bis zu 250.000 Pfund, um diese Pro-

jekte zu finanzieren. Am Ende gab es etwa 3.600 Projekte, die zusammen

– inklusive Verwaltungskosten – 30 Millionen Pfund kosteten.

Insgesamt wurden von diesen 3.600 Projekten alle Formen von Kriminalität

erfasst, insbesondere Wohnungseinbrüche, Körperverletzungen, häusliche

Gewalt, Autodiebstahl und Ladendiebstahl.

Zur Reduzierung von Tatgelegenheiten wurden z.B. Verbesserungen in der

Sicherheitstechnik, bessere Straßenbeleuchtung und Alarmsysteme einge-

führt.

Die Evaluatoren des Programms beschränkten sich auf die Wirkung der An-

sätze bei Einbrüchen. Sie gingen davon aus, dass dies der wichtigste Indi-

kator für die positive Wirkung des Programmes sei.

Im Ergebnis konnte ein Rückgang der Einbruchskriminalität in Städten mit

einem Safer-City-Programm nachgewiesen werden. Auf Grundlage von

Umfragen sowie der Analyse von Kriminalitätsdaten konnte festgestellt wer-

den, dass die Programmumsetzungen im Bereich der Einbruchvorbeugung

besonders dann erfolgreich gewesen sind, wenn neben Einbruchprojekten

zugleich auch Projekte realisiert wurden, die andere Formen von Kriminali-

tät betrafen.

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[41]

Die Autoren schließen aus ihren Befunden, dass es für eine erfolgreiche

Kriminalprävention am wichtigsten sei, mehrere Maßnahmen und Projekte

zu kombinieren, die sich einerseits auf verschiedene Kriminalitätsphäno-

mene konzentrieren und zum anderen nach unterschiedlichen Methoden

vorgehen, um dasselbe Kriminalitätsphänomen zu bekämpfen.

Eine Übertragbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse erscheint aus Sicht der

Evaluatoren insbesondere dahingehend gegeben, dass Präventionspakete

besonders dann Wirkung zeigen, wenn sie in hochbelasteten Gebieten im-

plementiert werden, mehrere Arten von Kriminalität ansprechen und ver-

schiedene Methoden zur Grundlage haben.76

Diese Hinweise aus der internationalen Wirkungsforschung liefern Anhaltspunkte für

die Ausgestaltung wirksamer Formen der Kommunalen Kriminalprävention, doch blei-

ben sie im Detail zu unspezifisch, um daraus konkrete Empfehlungen abzuleiten.

Im Konzept der Kommunalen Kriminalprävention finden sich die genannten Empfeh-

lungen im Grundsatz durchaus wieder. Abhängig von den konkrete n Problemstellun-

gen vor Ort werden im Rahmen Kommunaler Kriminalprävention zumeist Projektkom-

binationen initiiert, die gegen verschiedene Kriminalitätsformen gerichtet sind. Zudem

stellt die Vernetzung, Abstimmung und Kombination lokaler Maßnahmen ein konstitu-

ierendes Element des Konzeptes dar.

Die Erkenntnisse des Düsseldorfer Gutachtens resümierend benennt Rössner insbe-

sondere zwei Komponenten der spezifischen Prävention in der Kommune, die eine

unmittelbar kriminalitätssenkende Wirkung haben. Zum einen sind dies soziale Integ-

rationsprogramme und zum anderen Interventionsprogramme, die sich unmittelbar ge-

gen strafbares Verhalten richten.77

Die offene Thematisierung, die strikte Regelanwendung, das konzertierte

Entgegentreten, die Unterstützung von Opfern und die Überwachung ge-

fährlicher Bereiche zeigen insbesondere bei Gewaltdelikten in der Wir-

kungsforschung die besten und deutlichsten Effekte bei der Kriminalitäts-

verhütung.

Dieses Vorgehen ist auf allen Ebenen und in allen gesellschaftlichen Insti-

tutionen spezifisch wirksam: in der Gesamtkommune (Vernetzung vieler Ak-

teure nach dem Motto: Kriminalprävention geht jeden an und gemeinsam

kann etwas erreicht werden; Safer-Cities Programme gegen verschiedene

Formen der Kriminalität wie Wohnungseinbruch, familiäre Gewalt, Körper-

76 Rössner, Dieter u.a. (2002): a.a.O., S. 188 f. 77 Rössner, Dieter (2005): Wirkungsforschung: Konsequenzen für die kommunale Kriminalprävention. In: Britta Banneberg, Marc Coester und Erich Marks (Hrsg.) (2005): Kommunale Kriminalprävention. Ausgewählte Beiträge des 9. Deutschen Präventionstages (17. und 18. Mai 2004 in Stuttgart), Mön-chengladbach, S. 46 f.

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verletzungen, PKW-Diebstahl, Ladendiebstahl, vernetzte Aktionen zur Re-

duzierung von Tatgelegenheiten und täterorientierten Maßnahmen), in der

Nachbarschaft (Nachbarschaftsprojekt zur Reduktion von Tatgelegenheiten

in Hochhaussiedlungen; Kombinationen von polizeilichen Fußstreifen mit

Aktivierung der Bürger zur Reduktion von Tatgelegenheiten verschiedener

Arten von Kriminalität; neighborhood watch Programme, Verbesserung der

sozialen Bindungen, Zusammenarbeit mit der Polizei, vor allem zur Reduk-

tion von Wohnungseinbruch, in der Wohnanlage (Soziale Hausmeister in

öffentlich geförderten Wohnsiedlungen zur Reduktion von Tatgelegenheiten

durch Kontrolle und Kooperation mit den Anwohnern), vor allem und am

stärksten empirisch belegt in der Schule (täterorientierte Programme kom-

binieren Lehrplangestaltung und Lehrertraining zur Reduktion aggressiven

Verhaltens; täterorientierte Anti-Bullying-Projekte; vorbildlich das Anti-Bul-

lying-Programm von Olweus als gut evaluiertes und sehr erfolgreiches

Mehr-Ebenen-Konzept; Prävention des Schulschwänzens), aber auch in

verschiedenen Delinquenzbereichen wie Drogenkriminalität (kombinierte

Kontrollstrategien von Polizei und geschulten Teams aus städtischen Ein-

richtungen zur Unterbindung des Drogenhandels), ausländerfeindlicher ras-

sistischer Gewalt (dauerhafte Durchführung kombinierter Maßnahmen wie

Verbesserung des Anzeigeverhaltens, Sicherheitsplänen unter Einbezie-

hung von Polizei, Opfern, Hauseigentümern, psychologischen Beratungs-

stellen, täterorientierten Maßnahmen und Spezialisierung von Polizeikräf-

ten) oder häuslicher Gewalt (Interventionsprogramme) und Vandalismus

(technische Prävention zur Reduktion von Tatgelegenheiten und täterorien-

tierte Maßnahmen).

Die Wirksamkeit der Konzepte, die bei der äußeren Kontrolle der Kriminali-

tät ansetzen, findet starken Rückhalt in der neuen kriminologischen For-

schung und in kontrolltheoretischen Ansätzen, die zutreffend auf das not-

wendige Zusammenspiel von externer und innerer Kontrolle bei der Norm-

befolgung hinweisen. Die Sichtbarkeit und Klarheit sozialer Normen in der

Außenwelt sind so betrachtet die notwendige Voraussetzung für deren all-

mähliche persönliche Aneignung (Verinnerlichung).

Der Funktionszusammenhang zwischen äußerer Ordnung und externer

Kontrolle und der Einstellung zur Normbefolgung ist damit der entschei-

dende Ansatz für eine spezifische Kriminalprävention.

Es kommt hinzu, dass eine funktionierende äußere soziale Kontrolle Ver-

haltenskonformität fördert, weil jedes Mitglied der Gemeinschaft die Ge-

wissheit hat, dass Straftaten – also unrechtmäßige Vorteile – sanktioniert

werden.

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[43]

3. Exkurs: Ökonomische Perspektiven (kommunaler) Prävention

Eine in Deutschland vergleichsweise junge Forschungsperspektive wirft die Frage der

ökonomischen Bewertung kommunaler Prävention auf. Im Fokus des Forschungsinte-

resses steht dabei insbesondere die Frage, in welchem Verhältnis Ausgaben für ein

„gelingendes Aufwachsen“ von Kindern und Jugendlichen im Verhältnis zu Kosten ste-

hen, die der Gesellschaft etwa aus einer verpassten Berufsausbildung erwachsen.

Prävention wird hier in einem weiteren Sinne verstanden, schließt aber

Maßnahmen der Kriminalprävention durchaus ein. Eine Prämisse dieses

Forschungsansatzes besteht in der Annahme, dass ein nicht gelingendes

Aufwachsen z.B. im Sinne einer verpassten Berufsausbildung nicht nur zu

einem individuellen Problem führt, sondern, wenn es auf breiter Front ge-

schieht, für die Gesellschaft ein hohes Risiko an fiskalischen Kosten bzw.

Verlusten beinhaltet.78

Ein verpasster Bildungs- und Berufsabschluss stellt – zumindest im Durch-

schnitt aller Menschen – die größte Gefahr für die fiskalische Belastung ei-

ner Gesellschaft dar – von der individuellen Belastung einmal ganz abge-

sehen. Er wirkt, sofern es nicht zu einer Kompensation kommt, ein Leben

lang prägend. Darüber müssen neben den fiskalischen Effekten aber in ei-

nem volkswirtschaftlichen Sinne noch weitere negative Wirkungen mit in

Betracht gezogen werden. Hier bestehen weitere Bezüge insbesondere zur

gesundheitlichen Mehrbelastung und zur Entwicklung krimineller Verhal-

tensweisen mit entsprechende Folgeschäden. Auch sollten Folgekosten für

den sozialen Frieden nicht unbeachtet bleiben, die durch die Entstehung

von Parallelgesellschaften entstehen.79

Ein gelingendes Aufwachsen, hier im Sinne einer Schul- und Berufsausbildung, fällt

zunächst nicht in den Bereich irgendeiner Form der Prävention, sondern ist Teil der

staatlichen Grundversorgung in Form schulischer und berufsbildender Angebote.

In diesen Bereich der staatlichen Grundversorgung fallen aus diesem Blick-

winkel alle Maßnahmen, die im „Normalfall“ bzw. in einem Regelsystem

ohne spezifischen oder ausdrücklichen Präventionsbezug der Kinderbe-

treuung und der Ausbildung dienen.

Doch wird konstatiert, dass in bestimmten Fällen weitere Angebote der Entwicklungs-

förderung erforderlich seien, die über diese stattliche Grundversorgung hinausgehen:

Die im Sinne einer Investition eingesetzten Mittel der Grundversorgung im

78 Micosatt, Gerhard; Yilmaz, Elmas (2015): Kommunale Prävention – fiskalisch fokussiert. Eine Ab-grenzung im Verbund staatlicher Aufgaben für ein gelingendes Aufwachsen Materialien zur Prävention, Werkstattbericht, Gütersloh: Bertelsmann Stiftung, S. 28 f. 79 Micosatt, Gerhard; Yilmaz, Elmas (2015): a.a.O., S. 29.

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Betreuungs- und Bildungsbereich von Kindern und Jugendlichen decken

das Risiko des verpassten Bildungs- und Berufsabschlusses scheinbar

nicht ab. Zumindest blieben in der Vergangenheit zu viele Schulabgänger

ohne Schulabschluss oder hatten einen Schulabschluss, konnten aber kei-

nen Berufsabschluss erzielen. Damit begann für sie vielfach eine Karriere

in den Sozialsystemen.80

Verminderte Chancen auf dem Arbeitsmarkt infolge verpasster Bildungs- und Berufs-

abschlüsse lassen sich im Hinblick auf monetäre gesellschaftliche Effekte abschätzen.

Für ein Kind ohne Berufsabschluss, dass während seines Lebens nur ein

Einkommen von lediglich zwei Dritteln des Durchschnittseinkommens er-

zielt, ergibt sich eine negative fiskalische Bilanz. Der kumulierte Saldo be-

trägt -93.400 Euro und einschließlich der Kindeskindseffekte sogar -

167.600 Euro. Die gesellschaftlichen Kosten geringer Bildungsabschlüsse

ergeben sich aus deutlich geringeren Zahlungen an Steuern und vor allem

an Sozialabgaben. Der negative Saldo in der Lebensbilanz von Kindern

ohne Berufsabschluss kann als soziale (Folge-)Kosten definiert werden, die

die Gesellschaft im Rahmen des Sozialstaatsprinzips trägt.

Daneben stellen die Transferleistungen zur Existenzsicherung direkte sozi-

ale Kosten dar. Die direkten Kosten, die im Falle von gravierenden Fehlent-

wicklungen durch die zusätzliche Aktivierung der Kinder- und Jugendhilfe

oder anderer Hilfen auftreten, sind dabei noch nicht berücksichtigt. Ebenso

sind fallspezifische Gesundheitskosten infolge von Fehlentwicklungen nicht

erfasst, sondern fließen nur in die Durchschnittskosten mit ein, die auf alle

Kinder umgelegt werden.81

Ebenfalls auf die gesellschaftlichen Folgekosten einer unzureichenden Bildung ver-

weist eine weitere Studie der Bertelsmann Stiftung. Es wird darin der Zusammenhang

eines niedrigen Bildungsniveaus bzw. einer unzureichenden Bildung und der Krimina-

litätsentwicklung hergestellt. Als „unzureichende Bildung“ wird dabei das Nichterrei-

chen eines Hauptschulabschlusses definiert, da ein Hauptschulabschluss in Deutsch-

land als Mindestqualifikation für einen Einstieg in Ausbildung und Beruf und damit auch

für soziale und gesellschaftliche Teilhabechancen zu sehen ist.

Die Studie versucht diesen Zusammenhang näher zu beleuchten und zu

berechnen, wie viel kriminelles Verhalten durch bessere Bildung verhindert

und welche Kosten der Kriminalität auf diese Weise eingespart werden

könnten. Im Umkehrschluss werden damit die Folgekosten unzureichender

80 Micosatt, Gerhard; Yilmaz, Elmas (2015): a.a.O., S. 35. 81 Micosatt, Gerhard; Yilmaz, Elmas (2015): a.a.O., S. 26 f.

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Bildung ausgewiesen, d.h. die Kosten, die der Gesellschaft momentan all-

jährlich aufgrund unzureichender Bildung im Bereich Kriminalität entste-

hen.82

Im Ergebnis kommen die Verfasser zu dem Schluss, dass sich auf den Berechnungs-

grundlagen des Jahres 2009 in Brandenburg eine Kostenersparnis von insgesamt

20,16 Euro pro Kopf der Bevölkerung (insgesamt 50.973.333 Euro) ergeben hätte,

wenn es gelungen wäre, die Kriminalität durch eine 50%-Reduktion der Fälle unzu-

reichender Bildung zu reduzieren.83

Gesellschaftliche Probleme einer unzureichenden Bildung eines Teiles der Bevölke-

rung und daraus erwachsende Teilhabeprobleme in der Gesellschaft berühren den Ge-

genstandsbereich Kommunaler Kriminalprävention sicher nicht unmittelbar. Kindern

und Jugendlichen durch Bildung eine Perspektive für ihr weiteres Leben zu eröffnen

und in Bildungsinstitutionen gesellschaftliche Werte, Empathie und soziales Miteinan-

der einzuüben, erscheint jedoch auch als eine mögliche Strategie der Kriminalpräven-

tion.84

Die skizzierten Forschungsansätze illustrieren, dass mit einer solchen Perspektive

auch ökonomische gesellschaftliche Dimensionen berührt werden. Gerade für Präven-

tionsmaßnahmen, in deren Mittelpunkt die Entwicklungsförderung in Kitas, Schulen

und in der Berufsausbildung steht, ergeben sich daraus erweiterte Begründungszu-

sammenhänge.

Forschungsansätze zur Ermittlung von Kosten-Nutzen-Verhältnissen der Prävention

sind in Deutschland im Gegensatz zum angelsächsischen Raum verhältnismäßig neu.

Methodisch bauen solche Kosten-Nutzen-Analysen auf Kenntnissen der Wirksamkeit

von Maßnahmen und Handlungsansätzen auf. Nur wenn zuvor ermittelt wurde, wie

und in welchem Maße eine bestimmte Maßnahme wirkt, können Analysen dazu ange-

stellt werden, welcher ökonomische Nutzen bzw. welche Kosteneinsparungen mit ihrer

Umsetzung möglicherweise verbunden sind.

Es sind die zwei Beispiele einer ökonomischen Betrachtung möglicher Auswirkungen

von Prävention an dieser Stelle lediglich schlaglichtartig vorgestellt worden. Es sind

darin sehr viele differenzierte Annahmen, Analysen und Berechnungen angestellt wor-

den, die der eingehenden Erörterung bedürften. An dieser Stelle sollte jedoch nur da-

rauf hingewiesen werden, dass es mit der ökonomischen Perspektive eine weitere

„Wirkdimension“ gibt, die zur Bewertung von Ansätzen der Kommunalen Kriminalprä-

vention herangezogen kann.

82 Entdorf, Horst; Sieger, Philip (2010): Unzureichende Bildung: Folgekosten durch Kriminalität, Güters-loh: Bertelsmann Stiftung, S. 8. 83 Entdorf, Horst; Sieger, Philip (2010): a.a.O., S. 72. 84 Entdorf, Horst; Sieger, Philip (2010): a.a.O., S. 8.

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Für Deutschland sind die empirischen Befunde jedoch noch zu spärlich, als dass im

Hinblick auf die qualitative Ausgestaltung der Kommunalen Kriminalprävention daraus

Empfehlungen abgeleitet werden können.

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IV. Bewertung von Präventionsprogrammen im Hinblick auf eine effektive Kriminalprävention

Auch wenn der Erkenntnisstand zur Wirksamkeit von Maßnahmen und Konzepten

kommunaler Kriminalprävention in Deutschland nach wie vor als niedrig zu bezeichnen

ist, wurden in den letzten Jahren in zunehmendem Maße Anstrengungen unternom-

men, für die Auswahl einzelner Programme evidenzbasierte Kriterien zu etablieren.

Bezogen auf die Programm- und Maßnahmenebene ist hier etwa die „Grüne Liste Prä-

vention“ des Landespräventionsrates Niedersachsen hervorzuheben. Bezogen auf

Programme, die zum Ziel haben, der Gewalt, der Kriminalität, dem Suchtverhalten und

anderen Problemverhaltensweisen von Kindern und Jugendlichen vorzubeugen, gibt

die „Grüne Liste Prävention“ einen Überblick zu Programmen, die auf der Basis nach-

vollziehbarer Kriterien hinsichtlich der Güte ihrer Wirkungsüberprüfung und ihrer Kon-

zeptqualität als empfehlenswert erachtet werden können.85 Diese deutschlandweit ein-

malige Online-Datenbank über evaluierte Präventionsprogramme ist allgemein zu-

gänglich. Nach der Güte der Wirkungsüberprüfung und der Konzeptqualität bietet die

Datenbank auf der Basis nachvollziehbarer Kriterien einen Überblick über empfehlens-

werte Präventionsansätze in den Bereichen Familie, Schule, Kinder/Jugendliche und

Nachbarschaft.86

Die „Grüne Liste Prävention“ liefert Informationen, welche getesteten Präventionspro-

gramme in Deutschland verfügbar sind und wie sicher es ist, dass diese Programme

die gewünschten Ergebnisse liefern. Die Programme werden nach einem einheitlichen

Schema beschrieben und die Programmbeschreibungen sollen möglichst viele praxis-

relevante Informationen über die eingesetzten Methoden, die Ziele und Zielgruppen

etc. enthalten.87

Die in die „Grüne Liste Prävention“ aufgenommenen Programme werden zum einen in

drei Stufen hinsichtlich der Güte des Nachweises ihrer Wirksamkeit eingeteilt („Effek-

tivität theoretisch gut begründet“, „Effektivität wahrscheinlich“ und „Effektivität nachge-

wiesen“). In die Stufe 3 werden nur die Programme eingeordnet, deren Evaluations-

studien den höchsten Standards einer Wirksamkeitsmessung entsprechen und dem-

entsprechend eine hinreichende bis sehr starke Beweiskraft haben. Die vorliegenden

Studien haben eine Zuweisung der Teilnehmer in die Kontroll- oder Interventions-

gruppe nach dem Zufallsprinzip vorgenommen, oder es handelt es sich um gut kon-

trollierte „Quasi-Experimente“. Eine ausreichend große Anzahl an Interventions- und

Vergleichsgruppen und Teilnehmern wurde gewählt. Außerdem muss eine „follow-up“

– Messung mit positiven Ergebnissen in der Regel sechs Monate oder später nach

dem Ende der Maßnahme durchgeführt worden sein.

85 http://www.gruene-liste-praevention.de/nano.cms/datenbank/information 86 Steffen, Wiebke (2014): Gutachten für den 19. Deutschen Präventionstag, In: Erich Marks & Wiebke Steffen (Hrsg.): Mehr Prävention – weniger Opfer. Ausgewählte Beiträge des 18. Deutschen Präventi-onstages 22. und 23. April 2013 in Bielefeld, Mönchengladbach, S. 68 f. 87 Groeger-Roth, Frederick; Hasenpusch, Burkhard (2011): Die „Grüne Liste Prävention“ – effektive und erfolgversprechende Präventionsprogramme im Blick, In: forum kriminalprävention, 4/2011, S. 52.

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Des Weiteren lassen sich die erfassten Programme danach differenzieren und recher-

chieren, ob sie an den Risiko- oder Schutzfaktoren in Bezug auf das Problemverhalten

von Kindern und Jugendlichen ansetzen. Sowohl Risiko- als Schutzfaktoren sind noch-

mals in die Bereiche Familie, Schule, Kinder/Jugendliche sowie Nachbarschaft / Stadt-

teil aufgeschlüsselt. Derzeitig finden sich in der „Grünen Liste Prävention“ 22 Pro-

gramme, die zum Ziel haben, Problemverhaltensweisen von Kindern und Jugendlichen

vorzubeugen und eine nachgewiesene Effektivität aufweisen.

Bezogen auf die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen weist auch der „wegweiser

prävention – entwicklungsförderung & gewaltprävention“ des Deutschen Forums für

Kriminalprävention in Zusammenarbeit mit dem Landespräventionsrat Niedersachsen

den Weg zu Präventionsprogrammen, die auf ihre Wirksamkeit und Praxistauglichkeit

hin überprüft sind und daher von renommierten Wissenschaftlern empfohlen werden.88

Angebote zur „Entwicklungsförderung und Gewaltprävention“, die dort empfohlen wer-

den, bündeln bewährte pädagogische Prinzipien und Methoden in ein sinnvolles Hand-

lungsprogramm mit Manualen, Materialien und anderen Hilfsmitteln, um die angestreb-

ten positiven Wirkungen bei den Zielgruppen entsprechend Alter und Lernkontext (z.B.

Kita) angemessen zu erreichen.

Die aufgeführten Programme sind zum einen nach verschiedenen Handlungsfeldern

(Quartier/Nachbarschaft/Vereine, Familie sowie Bildungseinrichtung (Kita/Schule)) dif-

ferenziert. Zudem wird eine Einordnung der 18 Programme im Hinblick auf die Al-

terskategorie der Zielgruppe vorgenommen.

Sektoral ist damit bezogen auf das Präventionsfeld der Entwicklungsförderung und

Gewaltprävention für junge Menschen der Weg der Evidenzorientierung auch in

Deutschland eingeschlagen worden. Dies gilt jedoch in weit geringerem Maße für an-

dere Präventionsfelder, wie beispielsweise die Vorbeugung von Eigentumskriminalität

oder die Sucht- und Drogenprävention.

Da die „Grüne Liste Prävention“ eine starke Nachfrage aus der Praxis gefunden hat,

ist ihre Erweiterung um zusätzliche Präventionsbereiche und eine Erweiterung des Be-

wertungssystems um Aspekte der Implementationsqualität von Programmen ge-

plant.89

88 http://www.wegweiser-praevention.de/startseite.html 89 Steffen, Wiebke (2014): a.a.O., S. 68.

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[49]

V. Erkenntnisse aus explorativen Experteninterviews

In sechs ausgewählten Präventionsgremien wurden explorative Experteninterviews

mit dem Ziel geführt, erkenntnisleitende Hinweise auf die Problemperzeptionen der

Mitglieder, die Gründungsimpulse der Gremien, Mitgliederstrukturen sowie Zielsetzun-

gen und - positive wie negative - Erfahrungen in der Präventionsarbeit zu erhalten.

Es wurde dazu in Abstimmung mit dem Auftraggeber eine Auswahl von jeweils zwei

Gremien aus den Bereichen Sicherheitspartnerschaften, KKV-Gremien sowie Ord-

nungspartnerschaften vorgenommen. Diese Auswahl erfolgte primär nach dem Krite-

rium des Gründungszeitpunktes, sodass jeweils ein bereits seit einigen Jahren beste-

hendes Gremium sowie ein jüngst initiiertes Gremium in die Auswahl aufgenommen

wurden.

Diese kleine Auswahl von Gremien war forschungsökonomischen Gründen geschul-

det, da auf Grund des begrenzten Untersuchungszeitraums (November 2014 bis März

2015) keine größere Anzahl von Interviews zu führen war. Demzufolge hatten die Ex-

perteninterviews nicht zum Ziel, repräsentative Befunde zu den oben beschriebenen

Fragestellungen zu generieren. Erkenntnisleitend war vielmehr ein exploratives Inte-

resse daran, welche Akteure sich mit den verschiedenen Gremientypen (Sicherheits-

partnerschaften, Ordnungspartnerschaften und KKV-Gremien) verbinden und wie

diese ausgewählten Akteure die derzeitige Ausgestaltung der Kommunalen Kriminal-

prävention in Brandenburg sowie ihre eigene Präventionsarbeit wahrnehmen und be-

werten. Gezielt wurden als Ansprechpartner für die Experteninterviews (zunächst) die

zivilen Teilnehmer der jeweiligen Gremien ausgewählt, um insbesondere die zivilge-

sellschaftlichen Wahrnehmungen im Hinblick auf die erkenntnisleitenden Fragestellun-

gen zu ermitteln.

Trotz der geringen Anzahl durchgeführter leitfadengestützter Experteninterviews ha-

ben sich diese als zielführend erwiesen.

Sicherheitspartnerschaften

Gemeinsam waren die Interviewpartner aus den Sicherheitspartnerschaften durch ein

sehr hohes Maß an persönlichem Engagement und individueller Motivation geprägt.

Wenngleich die Inhalte der Präventionsarbeit sich deutlich voneinander unterschieden,

verfolgten alle Interviewpartner ihre Ziele - zum Teil schon seit vielen Jahren - mit gro-

ßer Überzeugung und einem hohen Einsatz an zeitlichen und sonstigen persönlichen

Ressourcen. Während in einem Fall eine besondere Belastung durch Einbruchdieb-

stähle in der Gemeinde den Ausschlag für die Gründung einer Sicherheitspartnerschaft

gegeben hatte, stand in einem anderen Fall die Unterstützung der Sicherheits- und

Ordnungskräfte bei Veranstaltungen und anderen besonders personalintensiven La-

gen im Mittelpunkt des persönlichen Engagements. Bemerkenswert hoch war insbe-

sondere in einem Fall der Strukturierungsgrad der gemeinsamen Arbeit in der Sicher-

heitspartnerschaft, der sich etwa in genau festgelegten und schriftlich fixierten An-

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[50]

sprechbarkeiten, Zuständigkeiten, Aufgabenbeschreibungen, Ablaufplänen und Tätig-

keitsberichten manifestierte. Diesbezüglich wurde der Wunsch artikuliert, Sicherheits-

partnerschaften grundsätzlich in höherem Maße Hinweise auf die notwendige struktu-

relle und organisatorische Ausgestaltung an die Hand zu geben, um auf diesem Wege

von den Erfahrungen bestehender Sicherheitspartnerschaften profitieren zu können.

Neben Erfolgen in der Reduzierung von Wohnungseinbrüchen wurde vor allem die

erfolgte Förderung des Gemeinsinns in der eigenen Gemeinde als ein wesentlicher

Erfolg der Arbeit in der Sicherheitspartnerschaft angesehen.

Übereinstimmend wurde von den Interviewpartnern der Wunsch nach einem stärkeren

Austausch mit anderen Sicherheitspartnerschaften über die eigene Tätigkeit, Gelin-

gensbeispiele und Problemstellungen artikuliert. Hier böte sich dem Landespräventi-

onsrat möglicherweise Gelegenheit, die Vernetzung bestehender Aktivitäten in Form

eines landesweiten Fachtages oder in einem vergleichbaren Format zu fördern, als

zentraler Informationsdienstleister aufzutreten und dem persönlichen Engagement der

Beteiligten auf diese Weise Anerkennung zu zollen. Konsens bestand zudem in der

Einschätzung, dass die bisherigen Hinweise zur Ausgestaltung von Sicherheitspart-

nerschaften, wie sie derzeitig im Präventionserlass von 1995 festgehalten sind, der

Ergänzung und Überarbeitung bedürften.

Gremien der Kommunalen Kriminalitätsverhütung

Am wenigsten Einsichten konnten in die Arbeit der exemplarisch ausgewählten KKV-

Gremien gewonnen werden. In einem Fall hatten die Ansprechpartner sowohl auf Sei-

ten der Polizei als auch der Kommune gewechselt und es konnten keine Hinweise auf

adäquate Kontaktpersonen auf lokaler Ebene gegeben werden. Dies mag zum einen

Hinweis auf die hohe Bedeutung einzelner Promoter in den Gemeinden geben, mit

deren Ausscheiden die Kontinuität der Präventionsarbeit nachhaltig beeinträchtigt

wird. Darüber hinaus verweist dieser Einzelfall aber auch auf die grundsätzliche Gefahr

der mangelnden strukturellen Verankerung des Themas Kommunaler Kriminalitätsvor-

beugung in den Gemeinden. Als zielführend könnte es sich diesbezüglich erweisen,

wenn personelle Vakanzen auf der örtlichen Ebene durch Präventionsakteure auf einer

übergeordneten Ebene (etwa des Kreises) ausgeglichen und damit die Fortführung

bestehender Aktivitäten unterstützt würde.

Bei einem weiteren KKV-Gremium handelte es sich - nach der oben vorgestellten Ka-

tegorisierung – um einen Gremientyp 1. Dieser Typ stellt die kleinste Form von KKV-

Gremien dar und beschreibt die Zusammenarbeit je eines Vertreters der Polizei sowie

der Kommune (in diesem Fall des Bürgermeisters). In dieser Konstellation handelt es

sich um den Kern einer KKV-Kommission, der in dieser Zusammensetzung bereits ar-

beitsfähig ist bei der Bewältigung von Alltagsproblemen. Dabei ist die Organisations-

struktur gering formalisiert und beruht auf der direkten vertrauensvollen Zusammenar-

beit zwischen beiden Partnern, wie die Verfasser einer Bestandsaufnahme kommuna-

ler Gremien im Jahre 2002 feststellen.

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[51]

In Stellvertretung des Bürgermeisters konnte der Leiter des Ordnungsamtes im Inter-

view jedoch keine Angaben zu den Inhalten und Ergebnissen der turnusmäßig stattfin-

denden Gespräche zwischen der Polizei und dem Bürgermeister machen. Es erschei-

nen daher Zweifel angebracht, wie stark die Motive und Ziele des kommunalen Prä-

ventionsansatzes in der Gemeinde verwurzelt sind.

In Bezug auf KKV-Gremien erscheint aus den punktuellen Hinweisen der vorliegenden

Untersuchung eine zumindest quantitative Erhebung der Gremienlandschaft ange-

zeigt. Es könnte darin der Versuch unternommen werden, aktuelle Erkenntnisse zu

Akteurskonstellationen, Zielsetzungen, Gremienaktivitäten und anderen Aspekten zu

gewinnen. Der vertiefende Blick einer qualitativen Betrachtung einzelner Gremien

würde die Erkenntnislage zur Gremienlandschaft im Bereich der KKV-Gremien zudem

substantiell erweitern. Wie die oben dargestellten Ergebnisse verschiedener For-

schungsprojekte zur Kommunalen Kriminalprävention illustrieren, handelt es sich hier-

bei um einen sich schnell verändernden Gegenstandsbereich, der periodische Be-

standsaufnahmen erforderlich macht.

Ordnungspartnerschaften

Wie dies - wie oben dargestellt - auch andernorts der Fall gewesen ist, erfreuen sich

die Ordnungspartnerschaften in den geführten Interviews der Zufriedenheit seitens der

institutionell Beteiligten. Es werden auf Grundlage gemeinsamer Vereinbarungen kon-

krete Lösungsansätze für klar definierte Problemstellungen erarbeitet. Die interinstitu-

tionelle Zusammenarbeit ist dabei zeitlich begrenzt und bezieht sich auf eine benannte

Zielsetzung. Damit prädestiniert sich diese Form der Zusammenarbeit zur Bearbeitung

durch einen Kreis institutioneller Akteure vor allem im Bereich der sekundären Krimi-

nalprävention, also im Hinblick auf die Beeinflussung von situativen Bedingungen und

Tatgelegenheitsstrukturen.

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VI. International

1. Problemstellung

Sowohl in der nationalen und internationalen Präventionspraxis wie auch in der For-

schung sind sich die Beteiligten darüber einig, dass wirksame kommunale Kriminal-

prävention nicht von einzelnen Akteuren bzw. Institutionen geleistet werden kann. Kri-

minalprävention wird zwar immer noch vielerorts als klassische Aufgabe der Polizei

wahrgenommen, ihre Anforderungen gehen aber in der heutigen Gesellschaft weit

über das hinaus, was Polizeien zu leisten imstande sind. Als Folge dieser Erkenntnis

sind weltweit Konzepte erdacht und umgesetzt worden, die sich mit der Frage befas-

sen, wie die Strafverfolgungsbehörden in enger Kooperation mit anderen Behörden

und gesellschaftlichen Akteuren Kriminalprävention gestalten können. Kooperation soll

hier nach Berry u.a. mit einer kooperativen Beziehung zwischen zwei oder mehr Or-

ganisationen zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels verstanden werden.90

Die Kooperationsanreize, -strukturen und –akteure, die die jeweiligen nationalen Kon-

zepte auszeichnen, unterschieden sich teilweise erheblich voneinander. So ist hier z.B.

der in Großbritannien im Crime and Disorder Act von 1998 in Gesetzesform gegossene

lokale kooperative Ansatz in der Kriminalprävention zu nennen. Das Gesetz nennt die

staatlichen Organisationen, die in diesen Partnerschaften aktiv sein müssen, und de-

finiert ihre Rolle auf kommunaler Ebene. Ungefähr im selben Zeitraum wurde in den

Niederlanden das Konzept Veilig Wonen zunächst getestet und danach landesweit

umgesetzt, in dessen Rahmen Polizei, Kommunen, Hersteller von Sicherheitstechnik,

Planer und Bürger effektiver gegen Wohnungseinbruch, aber auch gegen andere

Probleme im Wohnbereich vorgehen wollten.

Diese unterschiedlichen Akteure und Zielrichtungen, die mal umfassend, mal delikt-

spezifisch ausgerichtet sind, verdeutlichen bereits die Bandbreite der Ansätze, die sich

international mit der Kooperation in der kommunalen Kriminalprävention befassen.

Das Ziel dieser Recherche war daher, die internationalen Erfahrungen mit kooperati-

ven Präventionsmodellen zu sichten und solche Strukturen, Elemente und Prozesse

herauszuarbeiten, die sich als wirksam erwiesen haben, kooperative Formen der kom-

munalen Sicherheitsgewährleistung zu befördern.

Hier werden, wo vorhanden, internationale Untersuchungen und Evaluationen auf

diese Fragestellung hin in den Blick genommen und in einem nächsten Schritt darauf-

hin geprüft, ob sich im Hinblick auf eine konzeptionelle Weiterentwicklung des aktuel-

len Präventionsmodells in Brandenburg Umsetzungsempfehlungen geben lassen. Mit-

tels einer Literaturanalyse soll daher festgestellt werden, welche Gelingens- und Miss-

90 Vgl. Berry, Geoff u. a. (2011): Effectiveness of Partnership Working in a Crime and Disorder Context: A Rapid Evidence Assessment. 52. London: Home Office, S. 1.

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lingensfaktoren in kommunalen Präventionsnetzwerken festzustellen sind, wenn-

gleich, wie Byrne und Pease resigniert feststellen: „Frustrations with the experience of

partnership working are not adequately reflected in the literature.“91 Ursächlich für die-

ses Defizit ist mutmaßlich die menschliche Neigung, Fehlschläge deutlich seltener als

Erfolge zu veröffentlichen.92 Auch Berry u.a. sehen hier eine Forschungslücke, denn

„there have been no systematic attempts to review the social research evidence base

around partnership working“93. Gleichwohl existieren einige Berichte, die sich mit Prob-

lemen und Gelingensfaktoren von Kooperation in der Prävention befassen, und die im

Hinblick auf die obige Fragestellung hin untersucht werden.

2. Ergebnisse der Analyse internationaler Präventionsmodelle im Rahmen des

Projektes „Kooperative Sicherheitspolitik in der Stadt – KoSiPol“

Im Rahmen des Forschungsvorhabens "Kooperative Sicherheitspolitik in der Stadt"

haben sich die Projektpartner 2012 mit der kooperativen Organisation und Produktion

von kommunaler Sicherheit in Deutschland beschäftigt.94 In einem vom Europäischen

Zentrum für Kriminalprävention bearbeiteten Teilprojekt wurden im Rahmen von inter-

nationalen Policing-Konzepten auch Modelle der kommunalen Kriminalprävention auf

ihre Wirksamkeit und ihre Relevanz für die deutsche Präventionslandschaft hin unter-

sucht. Im Folgenden werden unter dem Stichwort der „Analysegeleiteten Kriminalprä-

vention“ zentrale Ergebnisse zusammenfassend präsentiert, die auch im hier vorlie-

genden Kontext für die Gestaltung von kriminalpräventiven Netzwerken als Gelingens-

faktoren gelten können. Es handelt sich um die Faktoren Vernetzung, Aus- und Wei-

terbildung, Analyse/Information, Problembezogenheit und Evaluation.95

a) Vernetzung

Alle Ratgeber zur Kriminalprävention und alle Policing-Konzepte betonen die Vernet-

zung der Polizei mit den relevanten Akteuren in der Kommune, die Forderung nach

Vernetzung stellt insofern zunächst einmal eine Binsenweisheit dar. Die Realisierung

dieser Forderung in der kommunalen Praxis stellt die Handelnden allerdings häufig vor

Probleme. Denn welche Institutionen sind in ein lokales Netzwerk einzubeziehen?

Welche Art von Zusammenarbeit/Beziehung soll zur Lösung des Sicherheitsproblems

angestrebt werden. George Kelling hat verschiedene Typen von kriminalpräventiven

Beziehungen definiert, die im besten Fall von enger Zusammenarbeit bis hin zum

91 Byrne, Simon/Pease, Ken (2008): Crime reduction and community safety. In: Newburn, Tim (Hrsg.): Handbook of Policing. 2. Aufl. Cullopton, S. 354. 92 Kohl, Andreas (2012): „Analysegeleitete Kriminalprävention – Fortschreibung von Policing-Konzep-ten“ In: Frevel, Bernhard (Hrsg.): Handlungsfelder lokaler Sicherheitspolitik: Netzwerke, Politikgestal-tung und Perspektiven. Frankfurt am Main, S. 240. 93 Berry, Geoff u. a. (2011), a.a.O., S. i. 94 Vgl. Kohl, Andreas (2012), a.a.O. S. 239-281. 95 Vgl. zum Folgenden Kohl, Andreas (2012), a.a.O., S. 274-281.

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"worst case" des aktiven Widerstandes gegen diese reichen können.96 Die Herausfor-

derungen sind daher vielfältig. So sollten sich Akteure, die lokale Vernetzungspartner

suchen, die folgenden Fragen stellen:

- Besitzt der Partner Einflussmöglichkeiten, um das Problem bearbeiten zu kön-

nen?

- Verfügt er über relevante Informationen für das zu bearbeitende Problem und

kann diese einbringen?

- Was kann ich in die Kooperation einbringen? Wer kann meine Informationen

gewinnbringend für das gemeinsame Ziel nutzen?

- Ist der Partner als Organisation motiviert? Ist die Kooperation dort personell

und/oder organisatorisch dauerhaft sichergestellt?

- Verfügt der Partner über die Macht und die Möglichkeiten, Entscheidungen auch

in die Praxis umzusetzen?

- Lassen sich gemeinsame – und auch realistisch erreichbare - Ziele der Koope-

ration definieren?

Eine problemorientierte Vorgehensweise bedingt, dass zweierlei Akteure gefunden

werden müssen: Zunächst einmal solche Institutionen und Akteure, die dauerhaft an

der Produktion kommunaler Sicherheit interessiert sind und im lokalen Präventions-

gremium mitarbeiten, wie dies normalerweise bei Polizei und Kommune der Fall ist.

Neben diesen ständig kooperierenden Partnern ist es aber darüber hinaus notwendig,

im Rahmen eines kommunalen Netzwerkes je nach Problemlage temporäre Partner

hinzuzuziehen, die im konkreten Fall über die o.g. Voraussetzungen verfügen. Ziel

sollte es daher nicht sein, dauerhaft ein möglichst großes lokales Netzwerk vorzuhal-

ten, sondern projektorientiert auch mit wechselnden Partnern zu arbeiten.

Gerade angesichts der oft beschriebenen mangenden Einbindung der „funktionslosen“

Bürger97 in kommunale kriminalpräventive Aktivitäten kommt der Vernetzung mit der

Öffentlichkeit im Zeitalter der überall sofort verfügbaren Informationen im positiven wie

im negativen Sinne eine verstärkte Bedeutung zu, wie z.B. der Fall eines per Internet

organisierten Lynchmobs gegen einen Unschuldigen in Emden im März 2012 gezeigt

hat.98 Denn: “The fast pace and public nature of social media also changes public dis-

course about policing. Police actions or non-actions come under constant commentary.

Social media thus puts additional pressure on the status of police in society and its

legitimacy.“99 Twitter, Weblogs, Facebook und andere soziale Netzwerke und Informa-

tionsdienste sollten daher als Chance aufgefasst werden, neue Wege der Information

und Beteiligung mit der Öffentlichkeit einzuschlagen, so nutzt z.B. die niederländische

Polizei das Burgernet (www.burgernet.nl), um die Öffentlichkeit zu informieren und mit

96 Vgl. United Nations Office on Drugs and Crime (Hrsg.) (2010): Handbook on the crime prevention guidelines : making them work. New York: United Nations, S. 88. 97 Vgl. z.B. Frevel, Bernhard (2007), a.a.O., S. 173ff. 98 Vgl. Großmann, Viktoria/Serrao, Marc Felix (2012): Ins Netz gegangen. In: Süddeutsche.de v. 31.03.2012, URL: www.sueddeutsche.de/ panorama/hetze-gegen-verdaechtigen-im-mordfall-von-em-den-ins-netz-gegangen-1.1323099 (Zugriff am: 08.03.2015) 99 Composite Project (Hrsg.) (2011): ICT Trends in European Policing. Sankt Augustin: Fraunhofer In-stitute for Applied Information Technology, S. 35.

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ihr zu kommunizieren.100 Generell bieten die sozialen Medien den Präventionsakteu-

ren die Chance, dem betroffenen Bürgern zeitnah und geographisch punktgenau In-

formationen zu liefern und ihn, wo gewünscht, zur Mitarbeit zu animieren.

b) Aus- und Weiterbildung

Das Verständnis für und die Kenntnisse von Grundlagen der Kriminalprävention stellt

einen wichtigen Gelingensfaktor für alle in Präventionsnetzwerken beteiligten Perso-

nen dar. Dies gilt in einer kooperativ und vernetzt verstandenen lokalen Präventions-

situation nicht nur für die Polizei, sondern mindestens in gleichem Maße für alle ande-

ren Kooperationspartner. Wenn den Beteiligten in einem Präventionsnetzwerk das

grundlegende Verständnis der Möglichkeiten und Grenzen von Kriminalprävention

fehlt und „gefühlte“ Präventionsarbeit faktenbasiertes Vorgehen ersetzt, ist das Schei-

tern vorprogrammiert. Bloßes „Wollen“ und eine hohe Motivation können Kenntnisse

der zu nutzenden Methoden nicht ersetzen.

Aus diesem Grunde sollten daher die an kriminalpräventiven Projekten/Institutionen

Beteiligten sich über grundlegende Aspekte der präventiven Arbeit informieren bzw.

Ausbildungsangebote genutzt, oder, wenn diese nicht vorhanden sind, geschaffen

werden. Denkbar wären hier gemeinsame Workshops, Kooperationen mit lokalen

Volkshochschulen oder, falls vorhanden, Universitäten und Institutionen der Polizei-

ausbildung vor Ort. Wichtig sind in diesem Zusammenhang Kenntnisse über Rechts-

grundlagen (z.B. für freiwillige Polizeidienste und ähnliche Konzepte), Grundlagen der

Kriminologie, Möglichkeiten und Grenzen der Prävention, die Erstellung von Lagebil-

dern, Methoden der empirischen Sozialforschung, Projektmanagement sowie grund-

legende Dokumentations- sowie Evaluationskenntnisse. Auch die Replikation von Best

Practice verlangt immer eine Anpassung an lokale Besonderheiten, die Anwender

müssen daher die den Projekten zugrundeliegenden Prinzipien in einem maßge-

schneiderten Prozess umsetzen und anwenden können. Es gilt: „Crime prevention is

a highly complex activity that is challenging to do successfully.“101 Die Komplexität der

Aufgabe macht es daher auch notwendig, neben der Schulung der beteiligten Akteure

einen Präventionsmanager zu installieren, der über Kenntnisse von Kriminalprävention

und Projektmanagement verfügt, um die im Netzwerk beteiligten Organisationen und

Akteure zu steuern.

c) Analyse/Information

Die Analyse der Policing-Konzepte sowie die Ergebnisse der empirischen Projektbe-

standteile von KoSiPol zeigen auf, dass eine Ressource für die kriminalpräventive Ar-

beit auf lokaler Ebene von besonderer Bedeutung ist: Information. Sie ist nicht nur für

das Gelingen der Analyse der Situation bedeutsam, sondern auch als „Tauschgut“ zwi-

schen den lokalen Akteuren, die ja über unterschiedliche Arten von und Zugänge zu

Informationen verfügen. Auch wenn Projektpartner also „nur“ Informationen, aber keine

100 Vgl. Composite Project (Hrsg.) (2011), a.a.O., S. 5ff.; Treverton, Gregory F. u. a. (2011): Moving toward the future of policing. Santa Monica, CA: RAND, S. 134f. 101 Ekblom, Paul (2008): The 5Is framework: a practical tool for transfer and sharing of crime prevention and community safety knowledge. London: University of the Arts London, S. 2.

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sonstigen materiellen Ressourcen in ein Projekt einbringen können, stellt dies eine

wichtige Gelingensbedingung dar.

Aus diesem Grund sind eine sorgfältige Problemanamnese, die Sammlung von Infor-

mation und deren Analyse eine grundlegende Voraussetzung für jede kriminalpräven-

tive Arbeit. Dabei geht es nicht nur um Informationen über Kriminalität im Sinne der

Polizeilichen Kriminalstatistik, sondern auch um weitere relevante soziodemographi-

sche Daten. Von Bedeutung ist hier nicht nur die Sammlung der Daten, sondern auch

der – unter Beachtung der Datenschutzbestimmungen zu erfolgende - Austausch unter

den Mitgliedern im Präventionsnetzwerk sowie die fortlaufende Analyse in Hinblick auf

das zu lösende Problem. Diese sollten dann von allen gesellschaftlichen Akteuren, die

im Netzwerk versammelt sind und die zur Lösung des Problems beitragen können,

genutzt werden können.

d) Problembezogenheit

Analysiert man die internationalen Erfahrungen aus der Implementation der untersuch-

ten Policing-Konzepte und Präventionsansätze102, so zeigt sich, dass häufig dann

Probleme auftauchen, wenn komplette Konzepte übernommen werden sollen. Daher

müssen, wenn Konzepte übernommen werden sollen, vorher die Voraussetzungen für

die Implementation geprüft werden. Passt das Konzept zum Präventionsnetzwerk, zu

den Akteuren, Organisationen und Kommunen, oder muss es vor der Implementation

modifiziert und an die lokalen Bedingungen angepasst werden? Nicht symbolischer

Aktionismus und großangelegte Kampagnen, sondern zielorientiertes, anlassbezoge-

nes und bedarfsgerechtes Handeln sind die Voraussetzung für den Erfolg eines Pro-

jektes. Das bedeutet in der Praxis, zu prüfen, ob für das zu lösende Problem

- adäquate und erfolgreich erprobte Lösungsmöglichkeiten vorhanden sind,

- diese auch in der konkreten lokalen Situation angewandt werden können,

- die personellen und sachlichen Ressourcen für eine Implementierung vorhan-

den sind.

Eine solche problembezogene Vorgehensweise sorgt zum einen für einen sparsamen

Umgang mit wertvollen Ressourcen, zum anderen schafft eine Begrenzung der Ziele

die Möglichkeit, tatsächlich Erfolge zu erzielen, die messbar und kommunizierbar sind.

Voraussetzung für diese Vorgehensweise ist allerdings, dass die beteiligten Akteure

die entsprechenden Methoden und Konzeptbausteine kennen und anwenden können

(siehe „Ausbildung“) und dass entsprechende Analysen die Problemlage möglichst

randscharf aufzeigen (siehe „Analyse/Information“).

e) Evaluation

Kriminalprävention kostet Geld und muss sich daher auch fragen lassen, ob die ange-

strebten Ziele tatsächlich erreicht worden sind. „Evaluation is therefore an important

102 Vgl. Kohl, Andreas (2012), a.a.O., S. 249ff.

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prerequisite for effective crime prevention“.103 Im angelsächsischen Sektor sind Evalu-

ationen schon aufgrund der enormen Summen, die in Kriminalprävention investiert

worden sind, verbreiteter als noch in Deutschland. Eine sorgfältige Evaluation kann

aufzeigen, ob das Projekt wie geplant durchgeführt wurde, welche Resultate es gezei-

tigt hat, ob die Ziele erreicht wurden. Darüber hinaus kann sie Gründe für den Erfolg

oder Nichterfolg isolieren und wertvolle Hinweise zur Weiterentwicklung, Weiterfüh-

rung oder auch für andere Projekte geben. Um Evaluationen zu fördern, sind z.B. in

den USA schon seit den 1960er Jahren 10% der Fördermittel für unterstützte Projekte

für eine Evaluation der Programme festgelegt, ähnliche Regelungen existieren auch in

Großbritannien (s.u.).104

Ein zweiter Aspekt umfasst die Kenntnisse um evaluatorische Methoden und ihre An-

wendung und wurde bereits im Abschnitt Aus- und Weiterbildung angesprochen. Be-

reits selbst durchgeführte Dokumentationen und formative Evaluationen können die

eigene Arbeit verbessern helfen und wichtige Erkenntnisse für zukünftige Kooperatio-

nen und Projekte bringen. Auch für diese niederschwelligen Aktivitäten benötigen die

Beteiligten Grundkenntnisse von Evaluation und Projektmanagement, die in vielen Fäl-

len ebenfalls erst vermittelt werden müssen. Auch unstrukturiertes Vorgehen und ter-

minologische Unklarheiten können so vermieden werden.

3. Großbritannien – Crime and Disorder Act und Community Safety Partnerships

Die Präventionslandschaft in Großbritannien ist seit 1998 durch den von der Labour-

Regierung oben bereits kurz angesprochenen Crime and Disorder Act (CDA) geprägt,

der landesweit den Rahmen für die zu errichtenden Präventionsnetzwerke, die zu-

nächst als Crime and Disorder Reduction Partnerships (CDRP), später als Community

Safety Partnerships (CSP) bezeichnet wurden, gesteckt hat. Beeinflusst wurde das

Gesetz u.a. durch den 1991 erstellten Morgan-Report, ein Ziel war, die sich bis dahin

uneinheitlich entwickelnde britische Präventionslandschaft zu formalisieren und zu

standardisieren. Es repräsentierte aber auch die politischen Vorstellungen der Labor

Regierung zur Neubewertung der Verantwortlichkeiten für die Kriminalitätsbekämp-

fung.105 Der CDA ist daher neben einer radikal neuen Sicht auf die Kriminalitätsbe-

kämpfung auch als ein politisches Instrument zu verstehen, die Labour-Regierung

103 Vgl. Morgan, Anthony; Homel, Peter (2013): „Evaluating crime prevention: Lessons from large-scale community crime prevention programs“. In: Trends & issues in Crime and Criminal Jus-tice, (2013), 458, S. 1. 104 Vgl. Kury, Helmut (2009): „Präventionskonzepte“ In: Lange, Hans-Jürgen; Ohly, H. Peter; Reichertz, Jo (Hrsg.): Auf der Suche nach neuer Sicherheit. Wiesbaden, S. 35. 105 Vgl. Skinns, Layla (2005): Cops, Councils and Crime and Disorder: A Critical Review of Three Com-munity Safety Partnerships. University of Cambridge. Cambridge. Online im Internet: http://core.ac.uk/download/pdf/1322870.pdf (Zugriff am: 26.02.2015), S. 178; sowie Moss, Kate (o. J.): The UK Crime and Disorder Act 1998 Online im Internet: https://www.aca-demia.edu/213324/The_UK_Crime_and_Disorder_Act_1998 (Zugriff am: 08.03.2015), S. 3.

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wollte sich ihren Wählern „tough on crime“106 präsentieren. Die weiteren Ziele des CDA

waren:

- die Reduktion von Kriminalität,

- die Entlastung der Polizei, sowie

- die Verantwortung für Kriminalität an die kommunalen Behörden zu geben, die

nach Ansicht der britischen Regierung die Mittel in der Hand halten, diese zu

beeinflussen.

In der Folge der Entstehung und der Arbeitsaufnahme der lokalen Partnerschaften ent-

standen zahlreiche Untersuchungen, die sich mit der Umsetzung des CDA in die Praxis

befassen, denn die Delegierung der Verantwortlichkeit für effektive Kriminalprävention

hat nicht nur positive Effekte nach sich gezogen, sondern auch Probleme erzeugt:

- So wurde ein Mangel an geeigneter Schwerpunktsetzung auf lokaler Ebene

festgestellt.

- Auch wurde ein Mangel an Expertise der beteiligten Organisationen konstatiert,

diese Kooperationen wirksam zu betreiben.

- Manche Organisationen (oft im Gesundheitswesen) weigerten sich, Informatio-

nen innerhalb der zu bildenden Netzwerke zu teilen.107

Generell konstatiert Moss, dass der Crime and Disorder Act (und in der Folge die durch

ihn geschaffenen lokalen Partnerschaften) unter einer Art Geburtsfehler leidet: Denn

zum einen delegiert er die Verantwortlichkeiten für die Bekämpfung und Prävention

von Kriminalität dorthin, wo sie nach Ansicht der Labour-Regierung hin gehören: hin-

unter auf die lokale Ebene. Die „geschäftsführende“ Kontrolle über den Prozess der

Implementation führt allerdings vom Schatzamt über das Home Office und regionalen

Behörden bis hinunter zu den Community Safety Partnerships und endet bei den

Nachbarschaften auf der kommunalen Ebene. Damit, so Moss, bilden die Nachbar-

schaften zwar die implementatorische Vorhut, aber gleichzeitig das Ende der Befehls-

kette. Sie konstatiert, dass hier ein Zielkonflikt zwischen der Delegation der Verant-

wortlichkeiten einerseits und dem Wunsch der Regierung nach zentraler Kontrolle der

Entwicklung andererseits geschaffen und nicht zufriedenstellend gelöst wurde. 108

Auch Gilling beschäftigt sich mit den Gelingensbedingungen und den Problemen der

seit dem Morgan Report und besonders dem Crime and Disorder Act entstandenen

Präventionsnetzwerke in Großbritannien, von denen viele aufgrund der ähnlichen Be-

dingungen auch in anderen vergleichbaren Staaten anzutreffen seien.109

So ist von entscheidender Bedeutung, dass jede Kooperation eine klare Mission bzw.

Ziele hat, den alle beteiligten Organisationen verinnerlicht haben. Darüber hinaus

muss allen Beteiligten klar sein, dass das Ziel nur gemeinsam erreicht werden kann,

und die Gründe für die Teilnahme an der Kooperation müssen allen transparent ge-

106 Moss, Kate (o.J.), a.a.O., S. 2. 107 Vgl. Moss, Kate (o.J.), a.a.O., S. 10. 108 Vgl. Moss, Kate (o.J.), a.a.O., S. 10. 109 Vgl. Gilling, Daniel (2005): “Partnership and Crime Prevention” In: Tilley, Nick (Hrsg.): Handbook of crime prevention and community safety. Cullompton, S. 734-756.

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macht werden. Ein weiterer wichtiger Gelingensfaktor betrifft die Leitung/Federfüh-

rung, und hier sind zwei Aspekte wichtig. Zum einen müssen Verantwortliche innerhalb

der beteiligten Organisationen in der Lage sein, Ressourcen zu schaffen und interne

Blockaden zu beseitigen, zum anderen muss es im Gesamt-Netzwerk Führungsper-

sönlichkeiten geben, die in der Lage sind, kreativ und motivierend zu agieren.110

Die Struktur von Präventionsnetzwerken muss klare Kommunikations- und Verantwor-

tungsregeln integriert haben, das strategische Management sollte jedoch vom opera-

tiven (Implementations-)Geschäft getrennt sein. Gilling sieht hier Belege für eine Prä-

ferenz für „relatively small and ‚businesslike‘“111 gestaltete Netzwerke.

Weiterhin sind die Ressourcen Information, Zeit, Finanzen und Expertise von vitaler

Bedeutung für Präventionsnetzwerke. Informationen müssen unter allen Beteiligten

ausgetauscht werden, technische und datenschutzrechtliche Probleme gelöst werden.

Zeit spielt insofern eine große Rolle, als den Mitarbeitern im Netzwerk jeweils genü-

gend große Zeitbudgets ihrer Organisationen zur Verfügung gestellt werden müssen,

da sie die Arbeit im Netzwerk meistens zusätzlich zum normalen Aufgabenfeld erledi-

gen müssen. Ausreichende Finanzmittel und die Bereitstellung von Expertise sind wei-

tere für den Erfolg von Präventionsnetzwerken unerlässliche Ressourcen. Schließlich

bildet die Verstetigung der Netzwerke ein – auch in Deutschland immer wieder anzu-

treffendes – Problem. Gerade wenn Netzwerke durch hochengagierte Einzelpersonen

geführt werden, muss sichergestellt werden, dass diese deren Weggang überleben

können, z.B. durch frühzeitige Nachfolgeregelungen und sorgfältige Dokumentation

der Aktivitäten für die Nachfolger.112

Gilling lenkt die Aufmerksamkeit auf das Problem, vordergründig einfache „What

Works“-Lösungen ohne einen genauen Blick auf den jeweiligen Kontext, unter denen

die lokalen Akteure kooperieren sollen, implementieren zu wollen. Er nennt drei Ebe-

nen, die in Beziehung zu einander stehen, aber einzeln betrachtet werden sollten:

- Auf der Mikro-Ebene kooperieren Individuen aus unterschiedlichen Organisati-

onen miteinander, die Vertrauen zueinander aufbauen müssen, um gute Ar-

beitsbeziehungen aufbauen zu können. Sie tragen allerdings als „Gepäck“ ihren

beruflichen und ideologischen Hintergrund mit sich, der ihre Aktivitäten bis zu

einem gewissen Grade bestimmt.

- Dies gilt auf der Meso-Ebene auch für Organisationen: auch hier können pro-

fessionelle Ideologien, Machtungleichgewichte oder Voreingenommenheiten

die Aktivitäten der Organisation innerhalb des Netzwerkes und/oder in Bezug

auf bestimmte Netzwerkpartner beeinflussen.

- Auf der Makro-Ebene schließlich beeinflussen z.B. soziale oder politische Ent-

wicklungen das Umfeld, in dem die beteiligten Partner der Bundes,- Länder-

oder der lokalen Ebene miteinander kooperieren.113

110 Vgl. Gilling, Daniel (2005), a.a.O., S. 735. 111 Gilling, Daniel (2005), a.a.O., S. 735. 112 Vgl. Gilling, Daniel (2005), a.a.O., S. 736. 113 Vgl. Gilling, Daniel (2005), a.a.O., S. 737.

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Von Bedeutung ist hier, dass sich die meisten der Untersuchungen lediglich auf die

unteren beiden Ebenen konzentrieren und die Makro-Ebene außer Acht lassen. Dazu

kommt, dass, so Gilling, zunächst einmal völlig unklar ist, wie der Erfolg einer Koope-

ration eigentlich definiert werden sollte. Abseits des vordergründigen Ziels der Redu-

zierung von Kriminalität können noch weitere Nebenziele existieren, deren Erreichung

ebenfalls einen Erfolg darstellen würde, die aber möglicherweise nicht die Ziele der

Regierung, die den Prozess in Gang gesetzt hat, waren. Solche Nebenziele können

von den in den Netzwerken beteiligten Organisationen, aber auch von anderen Regie-

rungsorganisationen gesetzt werden.114 Hier tritt das Problem der Dialektik von De-

zentralierung/Rezentralisierung moderner Governance auf, das im gleichen Zusam-

menhang schon von Moss (s.o.) angesprochen wurde und das ein Kernproblem staat-

licher Förderung von Kriminalprävention darstellt: Die Schaffung lokaler Präventions-

netzwerke impliziert die Dezentralisierung von Verantwortung und Schwerpunktset-

zung durch die zentrale Regierung, die diesen Effekt gleichzeitig mit Rezentralisie-

rungsmaßnahmen wieder einzuschränken versucht, um die Kontrolle über die Arbeit

der Netzwerke zu behalten. In der kriminalpräventiven Realität des CDA hieß das, das

die lokalen Netzwerke finanzielle abhängig vom Home Office waren und von dort Vor-

gaben über sinnvolle Ziele bekamen, was nicht immer zu sinnvollen Ergebnissen ge-

führt hat. So hat Thwaites zwei Londoner Community Safety Partnerships untersucht

und festgestellt, dass zweckgebundene Mittel der Regierung, mit klaren Zeitvorgaben

versehen, dazu führen, dass die Partnerships zuweilen dazu neigen, die Problemana-

lyse zu vernachlässigen, nur um an die Fördermittel zu gelangen.115

Hier müssen sich staatliche Impulsgeber von vorneherein über den gewollten Grad der

Dezentralisierung im Klaren sein, wobei aber gerade kein Nullsummenspiel existiert,

bei dem der Staat „verliert“ und die Netzwerke „gewinnen“, Gilling nennt es einen Indi-

kator für eine „smartere“ Regierung. Hier manifestiert sich der Übergang von „govern-

ment to governance“, also von der Kontrolle hierarchischer Strukturen hin zur Steue-

rung von Netzwerken, von der beide Seiten profitieren können.116

Weiterentwicklung der Community Safety Partnerships

Aber haben die vielen lokalen Community Safety Partnerships auch positive Ergeb-

nisse gezeitigt? Denn der Crime and Disorder Act hat seit 1998 landesweit zu der flä-

chendeckenden Gründung lokaler Kooperationen zum Zwecke der Kriminalitätsbe-

kämpfung und –prävention geführt, das englische Home Office nennt 2015 322 Com-

munity Safety Partnerships für England und Wales. Eine ganz Großbritannien und da-

mit alle Partnerships umfassende belastbare Evaluation, die deren Wirksamkeit im

Hinblick auf das Hauptziel, nämlich die Reduzierung der Kriminalität, untersucht, liegt

erstaunlicherweise nicht vor, und Thwaites konstatiert in ihrer Arbeit über CSPs noch

114 Vgl. Gilling, Daniel (2005), a.a.O., S. 746. 115 Vgl. Thwaites, Caroline Jane (2013): Increasing the effectiveness and impact of Community Safety Partnerships in two London boroughs: Practitioners’ Perspectives. Portsmouth: University of Ports-mouth, S. 93. 116 Vgl. Gilling, Daniel (2005), a.a.O., S. 738 ff.; 743.

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2013: "there is minimal contemporary research available on the effectiveness and im-

pact of the CSP, in England and Wales"117 Trotz dieser Wissenslücke geht das britische

Innenministerium allerdings davon aus, dass die Partnerships einen signifikanten Bei-

trag dazu geleistet haben, die Gemeinwesen sicherer zu machen.118

Ein Ergebnis immerhin verdient festgehalten zu werden: Die im Crime and Disorder

Act vorgeschriebene Kooperation und Gründung lokaler Netzwerke hat dazu geführt,

dass die „landscape has changed substantially since CDRPs and CSPs were first cre-

ated in 1998“119, es sind seitdem in ganz Großbritannien Kooperationen entstanden,

in denen die Polizei, Kommunen und anderen Organisationen das Thema Kriminalprä-

vention zu einem festen Bestandteil der kommunalen Agenda gemacht haben und dar-

über hinaus wertvolle Erfahrungen in der Durchführung kommunaler Netzwerkprojekte

gesammelt haben. Dass dabei nicht immer die angestrebten Ziele erreicht wurden,

wird schon durch die oben geschilderten Gelingens- und Scheiternsfaktoren deutlich.

Die britische Regierung hat diesen Problemen im Jahre 2006 Rechnung getragen und

ein Gutachten veröffentlicht, in dem die Regelungen zur Partnerschaft im Crime and

Disorder Act und die auf der Basis des CDA ab 1998 entstandenen lokalen Kooperati-

onen kritisch untersucht wurden. Dieses Gutachten hat den landesweiten Ist-Zustand

ermittelt, Probleme aufgeführt und Hinweise gegeben, wie diese gelöst werden könn-

ten. Diese Empfehlungen betreffen die folgenden Problemkreise:

Strukturen: Die vielen CSPs auf Distrikt-Ebene sollten teilweise zusammenge-

fasst werden, damit andere Organisationen nicht mit zu vielen Partnern koope-

rieren müssen. Gleichzeitig sollten die strategischen Befugnisse (strategische

Analyse, Ressourcenverteilung, Performance-Kontrolle, Planung der Koopera-

tionen) auf die höhere Ebene der Grafschaften (Counties) verlegt werden, wäh-

rend die operativen Befugnisse der CSPs (Ausarbeitung lokaler Arbeitspläne,

regelmäßige Treffen der Partner, kurzfristige Analyse, Anwendung der Ressour-

cen u.a.) auf Distrikt-Ebene verbleiben. Gleichzeitig sollte sichergestellt werden,

dass nur solche Personen in Kooperationen mitarbeiten, die über die notwen-

dige Erfahrung und Entscheidungsbefugnisse für ihre Institution verfügen.120

Aufgabenerfüllung: Die Entscheidungen der lokalen Kooperationen sollten

problem- und zielorientiert sowie analysegeleitet (intelligence-led) getroffen

werden, die Grundlage hierfür stellt das National Intelligence Model121 dar. Die

CSPs sind gehalten, Dreijahrespläne (vgl. unten z.B. den Newly and Mourne

Community Safety Action Plan 2006-2008) zu formulieren, in denen ihre Ziele

formuliert werden. Diese Dreijahrespläne sollen jährlich aktualisiert und auf den

117 Thwaites, Caroline Jane (2013), a.a.O., S. 17. 118 Vgl. Thwaites, Caroline Jane (2013), a.a.O., S. 18; Home Office (Hrsg.) (2011): A new approach to fighting crime. London, S. 8. 119 Home Office (2006): Review of the partnership provisions of the Crime and Disorder Act 1998: Report of findings. London: Home Office, S. 2. 120 Vgl. Home Office (2006), a.a.O., S. 2. 121 Siehe dazu Kohl, Andreas (2012), a.a.O., S. 268f.

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neuesten Stand gebracht, die Ziele gegebenenfalls angepasst werden. Die

Grundlage der täglichen Arbeit bilden mindestens halbjährlich zu erstellende

strategische Pläne, deren Qualität darauf beruht, dass alle beteiligten Partner

Daten zur Verfügung stellen. Zu diesem Zweck soll auch die Pflicht zum

Datenaustausch verstärkt werden, denn: „Effective community safety plans will

be heavily dependent on the quality of the strategic intelligence assessments

being produced by analysts and this in turn will be reliant on good information

sharing amongst partner agencies.“122

Governance und Verantwortlichkeit: Um die lokalen Kooperationen besser in

ihren Kommunen zu verankern, sollen jene nicht mehr dem Home Office, son-

dern der Kommunen verantwortlich sein und dieser jährliche Berichte vorlegen.

Auch sollen die Befugnisse der lokalen Overview and Scrutiny Committees auf

die Community Safety Partnerships erweitert werden, damit könnten sie z.B.

unwillige Kooperationspartner dazu anhalten, ihren gesetzlichen Pflichten zur

Kooperation nachzukommen. Diese müssten dann z.B. berichten, ob und wie

sie die Empfehlungen der CSP umgesetzt haben oder begründen, warum sie

dies nicht getan haben.123

Mainstreaming und Nationale Standards: Die in Sektion 17 des Crime and Dis-

order aufgeführte Verpflichtung, dass alle lokalen Behörden die Ursachen von

Kriminalität bekämpfen müssen, wird erweitert um die Bekämpfung von antiso-

zialem Verhalten, umweltschädigendem Verhalten und Drogenmissbrauch.

Gleichzeitig sollen verbindliche nationale Standards für die Kooperation der be-

teiligten Partner gesetzt werden, während die Art und Weise der Aufgabenerfül-

lung den lokalen Kooperationen freigestellt bleibt. Diese Standards betreffen

z.B. die Bedeutung einer engagierten Führung und des dauerhaften Engage-

ments zentraler Behörden, aber auch die Entsendung entscheidungsbefugter

Mitarbeiter in Kooperationsgremien.124

An diese Erkenntnisse knüpft die Reform der Kriminalitätsbekämpfung der britischen

Regierung an, die ab 2010 wichtige neue Weichenstellungen durchgeführt hat, die

auch direkte Auswirkungen auf die Arbeit der Community Safety Partnerships haben

und einen „radical shift in power from Whitehall to local communities“125 beinhaltet. In

der 2011 veröffentlichten Publikation „A new approach to fighting crime“ übt das Innen-

ministerium Selbstkritik: Die nationale Regierung habe zuviel in lokale Polizeiangele-

genheiten eingegriffen und die lokalen Partner in den Community Safety Partnerships

122 Vgl. Home Office (2006), a.a.O., S. 3. 123 Vgl. Home Office (2006), a.a.O., S. 21. 124 Vgl. Home Office (2006), a.a.O., S. 24ff. 125 Home Office (2011), a.a.O., S. 5.

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zu lange herumkommandiert (bossed around). Trotz eines der höchsten Etats für In-

neres und Justiz sei Großbritannien nach wie vor ein Land mit hoher Kriminalitätsrate,

außerdem habe sich die Polizei von der Bevölkerung entfremdet.126

Die Reform widmet sich ebenfalls einigen der oben dargestellten Probleme der Koope-

rationen und sieht u.a. vor, dass die lokalen Community Safety Partnerships mehr Ver-

antwortung zugeteilt bekommen und nicht mehr der Regierung, sondern ihrer Kom-

mune Rechenschaft ablegen. Zur Aufwertung der lokalen Strukturen der Kriminalprä-

vention gehört auch ein verbesserter Fluss von Kriminalitätsdaten der Regierung nach

unten, um der Öffentlichkeit mehr Informationen über ihre lokale Situation zur Verfü-

gung zu stellen. Dies ist z.B. mit der Webseite www.police.uk geschehen, auf der Bür-

ger die geographisch aufgearbeiteten kriminalstatistischen Daten ihrer Nachbarschaft

einsehen können. Gleichzeitig fördert die Regierung Maßnahmen zur Frühintervention

in Höhe von 2 Milliarden Pfund. Bürokratische Vorschriften und Rechenschaftspflich-

ten gegenüber der Regierung, die die Arbeit von lokalen Kooperationen behindern,

werden abgeschafft. Dazu gehören neben den oben erwähnten Jahresberichten an

die Regierung auch die Public Service Agreements, in denen regelmäßig Ziele, Me-

thoden und Verantwortlichkeiten niedergelegt werden mussten. Die Regierung

schreibt nun weder die Ziele noch die Art der Aufgabenerfüllung vor, sondern unter-

stützt durch die Bereitstellung von Finanzmitteln, Informationen und Good Practice-

Beispielen.127

Wie diese Reform die Arbeit und die Ergebnisse der Community Safety Partnerships

verändert, werden erst die Evaluationen der nächsten Jahre aufzeigen.

Beispiel: Newly and Mourne Community Safety Partnership

Eine dieser lokalen Kooperationen, die Newry and Mourne Community Safety Part-

nership aus Nordirland, soll hier beispielhaft herausgegriffen werden. In einer von ex-

ternen Fachleuten durchgeführten Evaluation des Community Safety Action Plan

2006-2008 werden die Ergebnisse der unterschiedlichen Projekte, die im Rahmen der

CSP durchgeführt worden sind, analysiert und diskutiert. Diese externe Evaluation

führt acht von elf Projekten auf, die im Zeitraum 2006 bis 2008 im Rahmen der Koope-

ration durchgeführt wurden und gibt an, ob diese in Bezug auf

- Kriminalität,

- Kriminalitätsfurcht, und

- antisozialem Verhalten

Auswirkungen auf den Bezirk Newry and Mourne gehabt haben.128 Diese Projekte wa-

ren ganz unterschiedlicher Natur und adressierten z.B.: Komasaufen, Wohnungsein-

bruch, Migranten, Freizeitaktivitäten von Jugendlichen oder Prävention in der Schule.

Dabei zeigte sich, dass einige Projekte sehr erfolgreich waren, so wird für das Anna-

126 Vgl. Home Office (2011), a.a.O., S. 3; 7. 127 Vgl. Home Office (2011), a.a.O., S. 8. 128 Vgl. Newry and Mourne Community Safety Partnership (2008): Outcome Impact Evaluation. Com-munity Safety Action Plan 2006-2008. Report. Newry and Mourne Community Safety Partnership.

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long Project, das sich mit Problemen besonders während der Halloween-Feiern be-

fasst, bemerkt, dass „a significant and positive contribution to impact on crime, fear of

crime and antisocial behaviour“129 erfolgt ist. Das Projekt Burglary Cards zur Präven-

tion von Wohnungseinbruch hat fast alle seine Ziele erreicht, ein positiver Effekt bei

der Reduzierung von Kriminalitätsfurcht und beim Aufbau von Vertrauen zwischen Be-

völkerung und der nordirischen Polizei wird konstatiert. Kein positives Fazit ziehen die

Autoren z.B. beim Projekt Migrant Worker Pack, das der besseren Integration von

Gastarbeitern gewidmet war. So konnten zwar bestimmte Output-Ziele (wie die Vertei-

lung von 1000 Informationspaketen) erreicht werden, über die Erreichung der o.g. drei

Ziele liegen aber keine Informationen vor. Dieses Projekt wird allerdings wie viele an-

dere auch weiter geführt.

Zusammenfassend bescheinigen die Evaluatoren der Newry and Mourne Community

Safety Partnership eine erfolgreiche Arbeit im Berichtszeitraum 2006 – 2008, die CSP

hat „successfully undertaken and funded projects […] and met the locally identified

community safety priorities. […] It has addressed regional priorities and overall has

contributed to a reduction in crime, fear of crime and antisocial behaviour across North-

ern Ireland.”130

4. USA

Mit Hilfe eines „rapid evidence assessment“ (REA) auf hohem methodischen Niveau

haben Berry u.a. den Versuch unternommen, zwei zentrale Fragen in Zusammenhang

mit der Organisation von kriminalpräventiven Netzwerken auf lokaler Ebene in Groß-

britannien zu beantworten: Zum einen, ob die Kriminalität als Folge der Arbeit der lo-

kalen Kooperationen tatsächlich gesunken ist, und zum anderen, ob die Zusammen-

arbeit dort tatsächlich funktioniert hat und welche Probleme aufgetaucht sind.131 Bei

der Auswahl der Untersuchungen zeigte sich bereits ein grundlegendes Problem der

Evaluation kriminalpräventiver Strukturen in Großbritannien: 13 Jahre nach dem Crime

and Disorder Act besaßen lediglich 9 von 217 möglichen Untersuchungen die metho-

dische Qualität, um belastbare Aussagen aus ihnen zu extrahieren. Von diesen neun

Untersuchungen stammte keine (!) aus Großbritannien, sondern alle aus den USA, so

dass die folgenden Aussagen auch eher Geltung für die dortige Präventionslandschaft

beanspruchen können. Gleichwohl können auch hier Ergebnisse zur Kooperation auf

die deutsche Prävention übertragen werden.

Diese neun Untersuchungen befassten sich schwerpunktmäßig mit der Prävention von

Gewaltkriminalität, die Frage, ob die Kriminalität als Folge der kommunalen Koopera-

tionen tatsächlich messbar gesunken ist, konnte fünfmal mit ja beantwortet werden.132

Interessanter noch als dieses Ergebnis sind allerdings die Schlussfolgerungen der Au-

toren zu den Mechanismen, die für die erfolgreiche kriminalpräventive Kooperation

verantwortlich gemacht werden können, und deren wichtigste hier vorgestellt werden.

129 Newry and Mourne Community Safety Partnership (2008), a.a.O., S. 4. 130 Newry and Mourne Community Safety Partnership (2008), a.a.O., S. 57. 131 Vgl. Berry, Geoff u.a. (2011), a.a.O. 132 Vgl. Berry, Geoff u.a. (2011), a.a.O., S. ii.

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Zunächst haben die Autoren fünf Bereiche isoliert, innerhalb derer Gelingensfaktoren

für lokale Kooperationen festgestellt werden konnten: Führung, Datenaus-

tausch/Schwerpunktsetzung, Kommunikation/gemeinsame Unterbringung, Strukturen

und Erfahrung.

1. Führung

- Gemeinsame Visionen, Werte und Normen der beteiligten Partner, um gemeinschaft-

liche Vorteile zu schaffen

- Starke Führung und klare strategische Ausrichtung

- Volle Integration der Projektziele in die Ziele der beteiligten Organisationen

- Klare Mandate, Rollen und Verantwortlichkeiten

2. Datenaustausch/Problemanalyse

- Problemorientierte Vorgehensweise auf der Basis einer sorgfältigen Problemanalyse

- Regelmäßiger Informationsaustausch

- Integration von wissenschaftlicher Expertise in die Partnerschaft

- Kontinuierliche Evaluation zur Rückkoppelung an die Beteiligten

3. Kommunikation/gemeinsame Unterbringung

- Regelmäßige face-to-face-Treffen der beteiligten Partner

- Gemeinsame Unterbringung der beteiligten Agenturen, Partner und Mitarbeiter

- Präsenz der Partner auf der lokalen Ebene

4. Strukturen

- Flexibilität von Strukturen und Prozessen

- Wissenschaftliche Partner als aktive Beteiligte in der Kooperation

- Klare Überwachungs-, Verantwortlichkeits- und Integritätsmechanismen

- Einbeziehung der für die Aufgabenerfüllung geeignetsten Organisationen

5. Erfahrung

- Vorherige Kooperation der Partner wünschenswert (d.h. etablierte Strukturen)

- Entsendung erfahrener Mitarbeiter ins Projektteam

- Sorgfältige Auswahl geeigneter Partnerorganisationen

- Gemeinsames Training der Projektmitarbeiter133

Zusammenfassend kommen die Autoren zu der Erkenntnis, dass die Untersuchungen

nahelegen, dass der partnerschaftliche Ansatz in der Kriminalprävention effektiv ist

133 Vgl. Berry, Geoff u.a. (2011), a.a.O., S. iii.

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und dass die oben aufgeführten Faktoren in den als effektiv erkannten Kooperationen

zum Gelingen beigetragen haben.134

Communities That Care (CTC)

Das Konzept Communities That Care ist in den 1980er Jahren in den USA entstanden

und umfasst eine „ausgearbeitete Rahmenstrategie, um auf der kommunalen Ebene

eine wirksame Verhinderung von Kriminalität, Gewalt, Sucht, Schulversagen und an-

deren Verhaltensproblemen bei Kindern und Jugendlichen entlang des Ansatzes der

entwicklungsorientierten Prävention zu organisieren. Knappe Ressourcen sollen auf

die schwerwiegendsten Verhaltensprobleme, die bedeutsamsten Faktoren und die

wirksamsten Handlungsansätze konzentriert werden.“135 Das Konzept folgt einem resi-

lienztheoretischen Ansatz und fokussiert auf die Identifikation und Beseitigung von Ri-

sikofaktoren für Kinder und Jugendliche sowie die Stärkung von Schutzfaktoren. Die

Implementation von CTC erfordert die Beteiligung „einer möglichst breiten ‚Koalition‘

von Schlüsselpersonen, Organisationen, Behörden und Bewohnern in einem Ge-

biet“136 im Rahmen eines lokalen Netzwerkes, mindestens aber eine Lenkungsgruppe

sowie ein Gebietsteam. CTC ist gut dokumentiert und liegt mittlerweile für unterschied-

liche Implementierungssettings in vielen Ländern vor, so dass Anwender auf einen

bestehenden „Baukasten“ von Implementierungstools zurückgreifen können.

Es ist mittlerweile weltweit angewandt und evaluiert worden, im Folgenden werden

einige der Ergebnisse wiedergegeben. Diese Evaluationen haben aufgezeigt, dass

CTC in der Lage ist, das Risikoverhalten von Kindern und Jugendlichen positiv zu be-

einflussen und Probleme sowie delinquentes Verhalten zu reduzieren. Daneben ist

CTC allerdings auch in der Lage, die lokale bzw. regionale Kooperation der beteiligten

Organisationen bzw. Stakeholder zu verbessern. So konnte in den untersuchten Pro-

jektkommunen

eine verbesserte Zusammenarbeit von Einrichtungen, Projekten, Akteuren,

eine verbesserte Abstimmung von Angeboten, bessere Ausrichtung der Ange-

bote auf Zielgruppen, sowie

die Entwicklung einer langfristigen, abgestimmten und überprüfbaren Entwick-

lungsstrategie an den Standorten

festgestellt werden.137 Eine Evaluation britischer CTC-Projekte hat darüber hinaus

wertvolle Ergebnisse im Hinblick auf Probleme bei der Implementation und Durchfüh-

rung gezeitigt, die auch für die brandenburgische Präventionslandschaft Gültigkeit be-

anspruchen können. So wird hier z.B. das Problem der „Bereitschaft“ (readiness) der

jeweils implementierenden Kommune betont. Denn jede Kommune hat ihre eigene

Geschichte von Kooperation der lokalen Organisationen und der Bevölkerung, so dass

134 Vgl. Berry, Geoff u.a. (2011), a.a.O., S. iii. 135 Landespräventionsrat Niedersachsen (Hrsg.) (2011): Communities That Care - CTC. Prävention in der Kommune zielgenau und wirksam steuern. 2. Aufl. Hannover: Landespräventionsrat Niedersachsen, S. 4. Hervorhebung im Original. 136 Landespräventionsrat Niedersachsen (Hrsg.) (2011), a.a.O., S. 6. 137 Vgl. Landespräventionsrat Niedersachsen (Hrsg.) (2011), a.a.O., S. 9.

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bei jeder Umsetzung von CTC (oder jedem anderen kooperationsbasiertem Präventi-

onsprojekt) einen andere geographische, gesellschaftliche, politische und damit ko-

operative Basis vorhanden ist, die von den Akteuren und „pushenden“ Organisationen

berücksichtigt werden muss. Keine kommunale Voraussetzung gleicht der anderen,

und mit der Beachtung dieser Unterschiede kann ein wichtiger Gelingensfaktor für lo-

kale kooperativ aufgebaute Präventionsprojekte identifiziert werden. Kommunen mit

einer vorhandenen Kooperationsgeschichte und –infrastruktur müssen offensichtlich

anders behandelt werden als solche, in denen im Hinblick hierauf noch keine Erfah-

rungen vorliegen, wobei diese Erfahrungen nicht notwendigerweise im gleichen Prä-

ventionssegment gemacht worden sein müssen, sondern die Kooperationsfähigkeit

und –willigkeit generell betreffen.

Als Konsequenz hieraus sind zwei Maßnahmen notwendig: Zum einen müsste eine

breit angelegte Kooperationsstrategie für ihre Projekte jeweils unterschiedliche Imple-

mentationsmodelle und –tools je nach der „Bereitschaft“ der umsetzenden Kommune

entwickeln. Zum anderen sollte auch eine sorgfältige Anamnese der Zielkommune er-

folgen, nicht nur im Hinblick auf das zu lösende Problem, sondern auch auf die vor-

handene Infrastruktur und Kooperationsbereitschaft der Akteure.138 Die Autoren iden-

tifizieren folgende Bestandteile, die im Rahmen dieser Anamnese recherchiert werden

sollten:

Vorherige und bestehende Kooperationen und die dort festgestellten Probleme.

Diese Probleme sollten vor einem Projektstart angesprochen und gelöst wer-

den.

Das Engagement und Verantwortungsgefühl strategischer Partner/Führungs-

personen für das Projekt und die Kooperation.

Die Beteiligung der Bevölkerung inklusive der vorhandenen Infrastruktur hierfür

sowie deren Bereitwilligkeit, sich zu involvieren.

Die Erfahrungen mit Stabilität und Beständigkeit in Management und Führung.

Die Überzeugungen und Verpflichtungen von lokalen Projektmanagern und

Projektmitarbeitern im Hinblick auf den Präventionsansatz.139

Des Weiteren betonen die Autoren die Notwendigkeit von stabilen Partnerschaften und

nennen Maßnahmen, die diese erleichtern sollen. Dazu gehört z.B. die regelmäßige

Überprüfung, ob und wie alle Beteiligten sich noch engagieren. Dazu sollen Manage-

mentsysteme gefunden werden, die ein Monitoring der Beteiligung erlauben. Auch

zentrale Personen sind von Bedeutung, Schlüsselpersonen und Motivatoren müssen,

wenn sie aus dem Projekt ausscheiden, schnell ersetzt werden. Auch müssen von Be-

ginn an Kommunikations- und Konsultationsstrukturen zwischen den unterschiedli-

chen Ebenen (Führung, Ausführung, Bevölkerung) aufgebaut und genutzt werden, um

Friktionen zu vermeiden und Konsens herzustellen. Neu hinzukommende Personen

138 Vgl. Crow, Ian u. a. (2004): Communities that Care: research and evaluation. York: Joseph Rowntree Foundation, S. 65ff. 139 Vgl. Crow, Ian u. a. (2004), a.a.O., S. 66f.

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oder Organisationen müssen mit den Zielen und Verfahren vertraut gemacht und ge-

schult werden, um sich reibungslos einfügen zu können. Ebenfalls von großer Bedeu-

tung ist das Projektmanagement, das in den Händen von designierten Projektkoordi-

natoren liegen sollte. Diese sind entscheidend für das Gelingen des Projektes. Alle

Entscheidungen und Prozesse sollten klar und für alle Projektpartner transparent sein.

Im Falle des Ausscheidens des Projektkoordinators sollten von vorne herein Über-

gangsregelungen getroffen werden, um diesen Prozess zu erleichtern.140

5. Niederlande: Veilig Wonen

Das niederländische Projekt „Veilig Wonen“ (Sicheres Wohnen), das sich seit 1999

gesetzlich verankert schwerpunktmäßig der Prävention von Wohnungseinbruch, aber

auch der allgemeinen Verbesserung des Wohnumfeldes widmet, zeigt beispielhaft so-

wohl die Chancen als auch die Probleme zentraler Steuerung kriminalpräventiver

Netzwerkaktivitäten auf. Im Rahmen von Veilig Wonen sind u.a. Polizei, Kommune,

Versicherer, Hersteller von Sicherheitstechnik und Bevölkerung in lokalen Netzwerken

zusammenfasst, Bauherren wird durch die sogenannten Bouwplanadviseure (Bau-

planberater) kompetenter Rat zuteil, der dann mit Hilfe der beteiligten Unternehmen

umgesetzt wird.

Die niederländischen Evaluationen haben deutlich gezeigt, dass Veilig Wonen erfolg-

reich ist und im Vergleich mit Kotrollkommunen gleich mehrere positive Wirkungen

hatte:

Die Reduzierung der Wohnungseinbrüche

die Verbesserung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung, sowie

die verbesserte Akzeptanz von Einbruchsprävention in der Bevölkerung141

Ebenfalls muss positiv vermerkt werden, dass durch die enge Kooperation der Projekt-

partner in den vergangenen 15 Jahren ein landesweites Präventionsnetzwerk entstan-

den ist, das auch für andere Präventionsaktivitäten genutzt werden kann und die “Be-

reitschaft“ der Kommunen sicherlich erhöht hat.

Doch nicht nur positive Effekte wurden festgestellt. Das Projekt wurde anfänglich in

hohem Maße von der Polizei (in diesem Fall von den damaligen Regionalpolizeien)

gefördert. Als die für die Polizei zuständigen Justiz- und Innenministerien nach einigen

Jahren der Meinung waren, dass sich die Netzwerke landesweit stabilisiert hätten,

wechselte die Federführung für das Projekt zur Kommunalverwaltung, wobei neue Ar-

beitsstrukturen die dominierende Rolle der Polizei aufhoben. Diesen Änderungen wird

es zugeschrieben, dass die polizeiliche Aufmerksamkeit zurückging und die Intensität

der Zusammenarbeit in den lokalen Netzwerken sank.142

140 Vgl. Crow, Ian u. a. (2004), a.a.O., S. 69ff. 141 Vgl. Nauta, Oberon (2004): De effectiviteit van het Politiekeurmerk Veilig Wonen®. Amsterdam: DSP Groep; sowie Kober, Marcus (2013): Explorationsstudie: Förderung von kriminalpräventiven Projekten zum Eigentumsschutz durch Einsatz von „künstlicher DNA“. Potsdam: Ministeriums des Innern des Lan-des Brandenburg., S. 27f. 142 Vgl. Kober, Marcus (2013), a.a.O., S. 24ff.

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Trotz aller Bemühungen, nichtpolizeiliche Akteure und Organisationen in kriminalprä-

ventive Netzwerke zu integrieren, kann festgestellt werden, dass die Polizei als origi-

näre Institution der Kriminalitätsbekämpfung häufig über die größte Motivation, Erfah-

rung und Kenntnisse verfügt. Ihre Rolle kann sie daher so lange nicht abgeben, bis

andere beteiligte Netzwerkpartner diese ohne Schaden für die Netzwerkarbeit über-

nehmen können und wollen.

6. Skandinavien

Welche Probleme bei der staatlichen Steuerung von kriminalpräventiven Großprojek-

ten entstehen können, haben die skandinavischen Staaten Dänemark, Schweden und

Norwegen bei der Implementation des Problem-oriented Policing (POP) erfahren müs-

sen. POP, das viele Elemente enthält, die auch in kriminalpräventiven Netzwerken vor-

zufinden sind (sorgfältige Kriminalitätsanalysen, präventive Aktivitäten, Integration öf-

fentlicher Organisationen und privater Akteure, innovative Ansätze, Evaluation und Do-

kumentation), sollte in diesen Staaten auf nationaler Ebene eingeführt werden. Hier

wurden in allen drei Ländern Implementationsprobleme sichtbar, die beispielhaft die

Probleme von top-down-Prozessen sichtbar gemacht haben:

- So fehlte den ausführenden Polizisten das Verständnis von POP, um das Kon-

zept in der Praxis wirklich anwenden zu können. Gleichzeitig war sich auch die

Nationale Polizei nicht klar darüber, wie sie die lokale Ebene unterstützen sollte,

also wie sie Informationen zu kriminologischen Inhalten und zu Projektmanage-

ment auf die ausführende Ebene weiterleiten konnte.

- Als Folge dieser Versäumnisse entsprachen manche der auf der lokalen Eben

durchgeführten Projekte nicht der Zielsetzung der Regierung und konnten nicht

als POP eingestuft werden.

- Ebenfalls mangels entsprechender Kenntnisse über Projektinhalte und -steue-

rung wurden zentrale Bestandteile wie die Analyse und Evaluation nicht immer

korrekt durchgeführt.

Um dieser Probleme in den Jahre dauernden Prozessen Herr zu werden, verbesserten

die betroffenen Länder die Ausbildung nicht nur auf der lokalen, sondern auch auf der

zentralen Ebene, um sicher zu stellen, dass zum einen realistische Vorgaben gemacht

werden und zum anderen die Implementation der teilweise recht komplexen Konzept-

bestandteile in den lokalen Netzwerken funktioniert.143

143 Vgl. Kohl, Andreas (2012), a.a.O., S. 256ff.; sowie Scott, Michael S. (2000): Problem-Oriented Polic-ing: Reflections on the First 20 Years. Washington D.C.: U.S. Department of Justice, und Scott, Michael u.a. (2008): Problem-oriented policing and environmental criminology, In: Richard Wortley/Lorraine Ma-zerolle (Hrsg.): Environmental Criminology and Crime Analysis. Cullompton, S. 221-246.

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[70]

VII. Anschlusspunkte für Brandenburg und Empfehlungen

Das Konzept der Kommunalen Kriminalprävention wird im Land Brandenburg seit über

zwei Jahrzehnten in verschiedenen Formen umgesetzt und praktiziert. Besondere Be-

deutung für dessen Adaption hat erkennbar ein entsprechender Erlass aus dem Jahr

1995 gehabt, der sowohl Gründungsimpulse für eine Vielzahl von Gremien gegeben

hat als auch deren Strukturen bis heute bestimmt. Eine Ausnahme stellen diesbezüg-

lich Ordnungspartnerschaften, als eine Form der interinstitutionellen Zusammenarbeit,

dar, die im Erlass keine Berücksichtigung gefunden haben, sich in der Praxis aber als

eine gebräuchliche (und geschätzte) Form der Zusammenarbeit auf kommunaler

Ebene etabliert zu haben scheinen.

Mit Blick auf die dem Landsespräventionsrat Brandenburg gemeldeten Sicherheits-

und Ordnungspartnerschaften sowie KKV-Gremien kann gesagt werden, dass das

Konzept in seinen verschiedenen Ausprägungen im Land Brandenburg weite Verbrei-

tung gefunden hat.

Eine Bestandsaufnahme des Konzeptes der Kommunalen Kriminalprävention in

Deutschland lässt in vergleichender Perspektive insbesondere eine strukturelle Be-

sonderheit in der Umsetzung dieses Konzeptes in Brandenburg besonders hervortre-

ten.

Quantitative wie qualitative Studien zur Praxis der Kommunalen Kriminalprävention

akzentuieren immer wieder einen zentralen Mangel: Es ist vielen Städten und Gemein-

den in Deutschland nicht gelungen, die „funktionslosen“ Bürgerinnen und Bürger für

eine Mitarbeit in ihren Gremien zu gewinnen.

Hier ist das Land Brandenburg konzeptionell und strukturell einen anderen Weg ge-

gangen, indem eine Mitarbeit und Einbindung „institutionell ungebundener“ Bürger in

den KKV-Gremien gar nicht erst vorgesehen gewesen ist. Stattdessen stellt die Kom-

bination von Einwohnerversammlungen und Sicherheitspartnerschaften ein branden-

burgisches Spezifikum dar und bietet Möglichkeiten der unmittelbaren Bürgerbeteili-

gung.

Daraus erwachsen Vorzüge und Verpflichtungen zugleich. Mit Blick auf die Vielzahl

vorhandener Sicherheitspartnerschaften in Brandenburg können diese als Indiz dafür

gewertet werden, dass es in Brandenburg besser als andernorts gelungen ist, die Be-

völkerung in ihren Gemeinwesen in die Bearbeitung objektiver und subjektiv empfun-

dener Problemwahrnehmungen einzubeziehen.

Damit sind aus konzeptioneller Perspektive der Kommunalen Kriminalitätsvorbeugung

große Potentiale verbunden. Im Gelingensfall

agieren die Sicherheitspartner nicht mit Weisungen, sondern sie stimulie-

ren letztlich mit Kommunikation das Selbsthilfepotential der Beteiligten.

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Sowohl die institutionelle Ungebundenheit als auch die thematische Of-

fenheit erweisen sich dabei als förderlich. Eigenverantwortlich konnte eine

passende Reaktion auf die Problemstellung gefunden werden.144

Während die Realisierung von Kooperation außerhalb interinstitutioneller Zusammen-

arbeit in der Praxis Kommunaler Kriminalprävention häufig unspezifisch und theoreti-

sierend erscheint, bietet sich in Sicherheitspartnerschaften das Potential,

dass hier das bürgerschaftliche Engagement der Sicherheitspartner als

Medium dienen kann, das bei den Beteiligten Problembewusstsein schafft

und deren Zusammenwirken fördert, ohne von außen eine Lösungsstrate-

gie aufzuoktroyieren.145

Eine weitere Stärke der Sicherheitspartnerschaften liegt darin, dass deren Gründung

und Initiierung vielfach an kommunale Anlässe gebunden ist. Dies bedeutet, dass zu-

meist eine konkrete Problemwahrnehmung in Bezug auf das Vorkommen von Krimi-

nalität oder Beeinträchtigungen des subjektiven Sicherheitsgefühls zu konstatieren ist,

mithin eine höhere Motivation der beteiligten Organisationen und Bürger zur Problem-

bewältigung anzunehmen ist.

Positiv ist dies aus zweierlei Gründen zu bewerten. Zum einen besteht ein grundsätz-

liches Problem vieler kommunaler Präventionsgremien darin, dass für deren Gründung

keine konkreten Problemwahrnehmungen (mit-)ursächlich gewesen sind, sondern die

Gremien ihre Probleme erst noch identifizieren mussten. Dieser unerlässliche Schritt

ist aber in vielen Fällen unterblieben, wie Untersuchungen immer wieder belegen.

Ohne die Bestimmung von örtlichen Problemstellungen können aber auch keine darauf

bezogenen Zielsetzungen erarbeitet werden, ohne die wiederum keine sinnvollen

Maßnahmen realisiert werden können. Es ist zu konstatieren, dass sich viele örtliche

Präventionsgremien konstituiert haben, ohne zu wissen wofür. Als Erklärungen mögen

hier externe Impulse (wie Erlasse o.ä.), finanzielle Fördermöglichkeiten oder die Ak-

tualität des Themas herangezogen werden.

Diese fehlende Problemorientierung mit allen daraus folgenden strukturellen und pro-

zessorientierten Mängeln haben jedoch dazu geführt, dass den Mitgliedern vieler Prä-

ventionsgremien „der Sinn und Zweck“ ihres Zusammenwirkens irgendwann verloren

gegangen ist.

Sicherpartnerschaften können insofern als attraktiv für die Beteiligung von Bürgerinnen

und Bürgern erscheinen, als sie sich unmittelbar an Problemwahrnehmungen orientie-

ren. Dies ermöglicht zugleich auch einen Wandel von Aufgaben. Bestehen identifizierte

Probleme nicht mehr, bietet das Modell der Sicherheitspartnerschaften grundsätzlich

die Möglichkeit der Neuausrichtung auf andere Aufgabenstellungen oder auch die Op-

tion, sich in Ermangelung von Aufgaben wieder aufzulösen.

144 Vgl. Wurtzbacher, Jens (2004): Sicherheit durch Gemeinschaft? Bürgerschaftliches Engagement für öffentliche Sicherheit, Opladen, S. 138. 145 Vgl. Wurtzbacher, Jens (2004): a.a.O., S. 138.

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Mit diesen Stärken des Modells der Sicherheitspartnerschaft sind aus übergeordneter

Perspektive jedoch auch Herausforderungen verbunden.

Zum einen besteht grundsätzlich die Gefahr, dass mit Sicherheitspartnerschaften die

Durchsetzung ordnungs- und sicherheitsbezogener Partikularinteressen intendiert ist.

Hier stellt die Bindung der Sicherheitspartnerschaften an die Bürgerversammlung ei-

nen demokratischen Rahmen dar, der die demokratische Legitimität der Sicherheits-

partnerschaften zumindest im Grundsatz sicherstellt.

Insbesondere können Sicherheitspartnerschaften die ihnen oben zugedachten Poten-

tiale aber nur entfalten, solange sie nicht an andere Institutionen gebunden sind. Jede

Form der institutionellen Bindung, etwa in Form einer „Verpolizeilichung“ entfremdet

Sicherheitspartnerschaften von diesen zivilgesellschaftlichen Konfliktlösungspotentia-

len. Eine flächendeckende - problemunabhängige - Umsetzung des Modells Sicher-

heitspartnerschaften, wie sie etwa im Fall Sicherheitswachten in Bayern oder Sachsen

praktiziert wurde,146 eine enumerative Fixierung von Aufgabenbereichen oder gar eine

Uniformierung würden die Sicherheitspartnerschaften dessen berauben was sie bes-

tenfalls sein können: Eine Form der Sicherheitskooperation von Bürgern für Bürger.

Bezogen auf den Vergleich mit uniformierten Sicherheitswächtern in Sachsen und Bay-

ern ist daher mit Wurtzbacher zu resümieren, dass es nur in Brandenburg in der Kom-

bination von Bürgerversammlung und institutionell ungebundenen Bürgern in den Si-

cherheitspartnerschaften zu einer tatsächlich kooperativen Bearbeitung von Sicher-

heitsaufgaben kommt.147

Die im Rahmen dieser Studie vorgenommene Sichtung nationaler und internationaler

Erkenntnisse zu Konzepten Kommunaler Kriminalprävention, der Erfolgsbedingungen

bei der Implementierung solcher Konzepte auf örtlicher Ebene sowie von Erkenntnis-

sen zur Wirksamkeit von Konzepten und Programmen im Hinblick auf die Reduzierung

bestimmter Kriminalitätsformen und einer positiven Beeinflussung des subjektiven Si-

cherheitsgefühls belegt vor allem weitgehende Kongruenz der nationalen und interna-

tionalen Erkenntnisse.

Viele der im Folgenden noch einmal zusammengefassten Gelingenshinweise für eine

kooperative, problemorientierte, zielgerichtete und strukturierte Bearbeitung von Si-

cherheitsproblemen auf kommunaler Ebene haben sich in den Ergebnissen nationaler

wie internationaler Forschungsberichte wiedergefunden.

Im Grundsatz ist davon auszugehen, dass die ermittelten Problemstellungen und Ge-

lingenshinweise in Bezug auf die Arbeit von kommunalen Präventionsgremien auch für

die KKV-Gremien in Brandenburg Relevanz besitzen. Es können an dieser Stelle je-

doch keine konkreten Hinweise auf die qualitative, prozessorientierte oder strukturelle

146 Vgl. Wurtzbacher, Jens (2004): a.a.O., S. 131. 147 Vgl. Wurtzbacher, Jens (2004): a.a.O., S. 138.

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Weiterentwicklung dieser Gremien gegeben werden, weil dazu zunächst eine quanti-

tative und qualitative Untersuchung der Gremienlandschaft und einzelner Gremien er-

forderlich wäre.

Hinweise der im Jahre 2002 durchgeführten Untersuchung zur Gremienlandschaft in

Brandenburg lassen jedoch vermuten, dass die ermittelten Problemstellungen und Ge-

lingensbedingungen auch für Brandenburg Geltung besitzen, etwa wenn es dort heißt:

Häufig war bei den befragten Experten jedoch mit der „Verordnung von

oben“ ein gewisses Unbehagen verbunden und die Euphorie in dieser

Phase könnte bei den polizeilichen Handlungsträgern größer gewesen

sein, als bei den kommunalen. Seltener waren kommunale Anlässe aus-

schlaggebend. Soweit dies der Fall war, handelte es sich dabei fast aus-

schließlich um Fälle oder Wellen von Jugendgewalt.148

Alle der im Folgenden zusammengefassten strukturellen, inhaltlichen und prozessori-

entierten Hinweise auf die Ausgestaltung kommunaler Kriminalprävention besitzen

grundsätzlich eine Bedeutung für entsprechende Gremien in Brandenburg. Um die Re-

levanz dieser Erkenntnisse jedoch im Einzelnen einschätzen zu können, bedürfte es

einer genaueren Kenntnis der jeweiligen Gremien.

Deutlich geworden ist erneut, dass es das eine Modell der Ausgestaltung kommunaler

Kriminalprävention nicht gibt. In Deutschland haben sich sicherlich bestimmte organi-

satorische wie strukturelle Rahmenbedingungen, etwa im Gremienaufbau, als bewährt

und förderlich erwiesen. Erkennbar erwachsen Probleme in der Zusammenarbeit und

Problembewältigung jedoch eher aus prozessbezogenen Defiziten.

Mit Blick auf Nachweise der Wirksamkeit kommunaler Kriminalprävention als Hand-

lungsansatz kann resümiert werden, dass

ein solcher Nachweis methodisch schwer zu erbringen ist,

mit einem entsprechenden Nachweis eher legitimatorische als inhaltliche Ziele

verbunden sind, da Kommunale Kriminalprävention sehr heterogen betrieben

wird und Ergebnisse daher nur sehr eingeschränkt zu übertragen sind.

Trotz des erfreulichen Wirksamkeitsnachweises des „Heidelberger Modells“ kann dies

kaum bedeuten, dass sich die dortige Vorgehensweise auch unter anderen örtlichen

Rahmenbedingungen als zielführend erweist. Eher schon könnte die Übertragbarkeit

einzelner Elemente des Vorgehens dort zielführend erscheinen.

Anders verhält es sich mit dem Modell des „Communities that care“. Dabei handelt es

sich um ein Modell, dass seine Wirksamkeit unter Beweis gestellt hat und nach Ein-

schätzung mancher Anwender auch genau in der fixierten Form zur Anwendung ge-

bracht werden sollte. Nach Einschätzung der Autoren besteht der Wert des Modells

148 Willuda, Hans-Jürgen (2002), a.a.O. S. 18.

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jedoch in erster Linie in der strukturierten Vorgehensweise und der Berücksichtigung

für Wesentlich erachteter Arbeitsschritte sowie in seiner Bedeutung als „Instrumenten-

koffer“. Gerade eine verbindlich vorgeschriebene Vorgehensweise wird von den han-

delnden Personen in den Kommunen nicht immer als entlastend wahrgenommen und

stößt in der Praxis vielfach auf Ablehnung bei denen die für die Umsetzung tatsächlich

zuständig sind.

Die Verfasser sprechen sich daher eher für die Berücksichtigung der vorgestellten pro-

zessorientierten Hinweise als für die unangepasste Implementierung solcher Modelle

aus.

Gleiches gilt für die regionale Ebene der Kreise und des Landes. Wenn - wie dies in

vielen Forschungsberichten der Fall ist - immer wieder auf die hohe Bedeutung einer

intermediären Ebene hingewiesen wird und die Notwendigkeit des Einsatzes haupt-

amtlicher Akteure herausgestellt wird, soll an dieser Stelle nicht die Funktion dieser

Personen, etwa als Präventionskoordinator, betont werden. Bedeutend an diesen Hin-

weisen ist vielmehr, dass Untersuchungen immer wieder belegen, dass die kommu-

nale Präventionsebene immer wieder der Impulse, Motivation, Unterstützung oder

auch Koordination bedarf. Solche Unterstützungsleistungen sind in struktureller Hin-

sicht „irgendwo“ zwischen Land und Kommune anzusiedeln. Wo und wie dies am sinn-

vollsten geschehen kann, bedürfte immer des Blickes auf die konkreten Gegebenhei-

ten.

Auf der Programmebene hingegen sind in den letzten Jahren - auch in Deutschland -

große Fortschritte im Hinblick auf Wirksamkeitsnachweise gelungen. Insbesondere für

den Bereich der Kinder- und Jugenddelinquenz liegen mittlerweile einige evidenzge-

prüfte Programme vor, die sich für die Anwendung in diesem Handlungsfeld empfeh-

len. Dieser Programm-Katalog bedarf der Erweiterung und Ausweitung auf andere De-

liktfelder.

Bereits jetzt lässt sich auf Grundlage der Wirkungsforschung für Präventionsmaßnah-

men in diesen anderen Deliktbereichen (Einbruch, Sachbeschädigung, Sucht und Dro-

gen etc.) feststellen, dass spezifische Maßnahmen eine größere Wirkung versprechen.

Vor diesem Hintergrund werden im Folgenden einige zentrale Gelingensfaktoren zu-

sammengefasst, die sich aus den oben dargestellten nationalen und internationalen

Erfahrungen mit kriminalpräventiver Kooperationsarbeit extrahieren lassen und die für

die konzeptionelle Weiterentwicklung der Präventionsarbeit in Brandenburg Relevanz

aufweisen könnten.

Bereitschaft:

Ganz grundsätzlich ist die „Bereitschaft“ der Kommune bzw. ihrer Akteure zur Netz-

werkarbeit, also die Motivation für, die Fähigkeit zu und die Erfahrung mit kriminalprä-

ventiver Arbeit sowohl der Kommune als auch ihrer Akteure und Bürger. Je nach Vor-

erfahrung benötigt ein Kooperationsprojekt dann mehr oder weniger Unterstützung

z.B. durch externe Fachleute. Allgemeinverbindliche Vorgaben hinsichtlich der Struktur

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und Zusammensetzung örtlicher Gremien sind wenig sinnvoll. Stattdessen sollte den

ortsspezifischen Rahmenbedingungen und Erfordernissen Rechnung getragen wer-

den. Strukturmodelle sind daher als Orientierungsgerüst zu verstehen, die weder im

Hinblick auf Zielsetzungen noch Organisationsvorgaben einfach übernommen werden

können, sondern der individuellen Anpassung an den jeweiligen kommunalen Hand-

lungsbedarf und der daraus entwickelten Zielvorgaben bedürfen. Dennoch wird die

Bedeutung spezifischer Strukturelemente betont, die sich für die Arbeitsfähigkeit die-

ser Institutionen als besonders hilfreich erwiesen haben.

Grundsätzlich ist abzuwägen, ob gegebenenfalls auf die Einrichtung eines Präventi-

onsgremiums verzichtet werden sollte, sofern sich Dissens zwischen den Teilnehmern

darüber abzeichnet, was mit der gemeinsamen Präventionsarbeit erreicht werden

kann und soll. In diesem Fall erscheint es sinnvoller, andere Formen der zielgerichte-

ten Zusammenarbeit zu wählen, wie beispielsweise eine Vereinbarung zwischen Kom-

mune und Polizei über eine engere Zusammenarbeit in bestimmten Bereichen.

Problemanamnese:

Jedes kriminalpräventive Netzwerk muss vor der Aufnahme der Präventionsaktivitäten

eine sorgfältige Problemanamnese vornehmen: Zum einen eine Analyse der lokalen

Kriminalitätslage und von Faktoren, die für das zu lösende Problem von Bedeutung

sind, z.B. im Rahmen einer kriminologischen Regionalanalyse (KRA). Wesentliche Be-

standteile sind u.a. ein objektives Kriminalitätslagebild, das aus den Daten der polizei-

lichen Kriminalstatistik sowie sonstigem Expertenwissen gewonnen werden kann und

die Erhebung der subjektiven Kriminalitätswahrnehmung durch die Bevölkerung. Erst

auf Grundlage einer solchermaßen generierten rationalen Daten- und Erkenntnisbasis

lässt sich eine kommunale Präventionsstrategie entwickeln, mit Hilfe derer erkannter

Handlungsbedarf durch Vernetzung vorhandener oder Bereitstellung notwendiger

Ressourcen effektiv gedeckt werden kann.

Um problem- und zielorientiert arbeiten zu können, sollten die lokalen Präventionsak-

teure turnusmäßig Ist-Analysen erarbeiten, die über den Grad der Zielerreichung und

die Ist-Lage Auskunft geben.

Ziele:

Die Ziele jeder Kooperation müssen erarbeitet, benannt und für alle Beteiligten trans-

parent sein und von diesen akzeptiert werden. Elementar ist zudem, dass die Zieler-

reichung festgestellt werden kann.

Auch Nebenziele einzelner Kooperationspartner sind möglich, müssen aber offen kom-

muniziert werden. So können Kooperationspartner aus Sicht ihrer Profession durchaus

an einer nachhaltigen und ursachenorientierten Vorgehensweise interessiert sein,

während andere eher schnelle und auf die Folgen beschränkte Maßnahmen bevorzu-

gen. Auch die Ziele politischer, auf Wahlerfolge angewiesener Projektpartner können

sich deutlich von denen unterscheiden, die ausschließlich ein langfristiges problemori-

entiertes Interesse besitzen. Unterschiedliche Strategien und Ziele, die in ihrer Aus-

richtung primär-, sekundär- oder tertiärpräventiv angelegt sind, können durchaus im

Rahmen einer gemeinsamen Präventionsanstrengung miteinander kombiniert werden,

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bedürfen aber der offenen Kommunikation im Vorfeld, um Missverständnisse und Frik-

tionen im Projektverlauf zu vermeiden.

Kooperationspartner:

Bei der Auswahl von Kooperationspartnern muss auf deren Motivation und Eignung für

die Aufgabe geachtet werden. Sinnvoll ist ein Kern von Partnern (z.B. Polizei, Kom-

mune, Jugendamt), die ständige Kooperationspartner darstellen, sowie je nach Prob-

lemlage und Aufgabenstellung temporär hinzugezogene Partner. Die Vertreter der be-

teiligten Organisationen müssen in Bezug auf Ressourceneinsatz entscheidungsfähig

sein. Die Einbeziehung des „funktionslosen“ Bürgers ist bisher nicht ausreichend ge-

lungen, bessere Integration von Bürgern fördert aber die lokale Akzeptanz der krimi-

nalpräventiven Bemühungen.

Evaluation:

Eine Dokumentation und Evaluation der kriminalpräventiven Kooperationsarbeit ist die

Voraussetzung für die Bewertung der Arbeit, die Replikation durch andere, die Einar-

beitung neuer Mitarbeiter und den Aufbau einer Informationsbasis mit funktionierenden

Projekten.

Evaluationen werden jedoch vielfach als oktroyiertes Kontrollinstrument wahrgenom-

men. Möglichkeiten die Durchführung von Evaluationen dennoch zu befördern beste-

hen etwa darin

eine konstruktive Kultur im Umgang mit „Fehlern“ vorzuleben und zu etablieren,

die Durchführung von Evaluationen an die Vergabe von Projektmitteln zu knüp-

fen,

die Durchführung von Evaluationen finanziell zu fördern, oder

methodisches Rüstzeug für die Durchführungen (zunächst) interner Evaluatio-

nen zu vermitteln und bereitzustellen.

Gemeinsame Standards:

Gremienkonstellationen und Programme lokaler Sicherheitsarbeit können nicht unifor-

miert werden, aber gemeinsame Grundlagen und Standards sind anzustreben. Sicher-

lich unterscheiden sich Problemlagen zwischen verschiedenen Orten und erfordern

ortsspezifische Bearbeitungsstrategien. Doch sind diverse Sicherheitsprobleme als

ubiquitär zu bezeichnen. Die Bearbeitung mit lokalen Insellösungen kann insofern nicht

überzeugen. Sinnvoll wäre deshalb die Entwicklung von Handlungsstandards und or-

ganisatorischen Grundmustern, so dass ein wechselseitiger Lernprozess von Gremien

ermöglicht wird, good-practice-Beispiele ausgetauscht werden können und Qualitäts-

sicherung (für Organisation und Maßnahmen) wahrscheinlicher wird.

Aus- und Weiterbildung:

Um komplexe Präventionsprojekte erfolgreich durchführen zu können, müssen Betei-

ligte über inhaltliche (Grund-)Kenntnisse der kriminologischen Grundlagen sowie über

formale Kenntnisse des Projektmanagements verfügen. Wo dieses nicht vorhanden

sind, müssen Aus- und Weiterbildungsangebote bereitgestellt werden. Dies kann z.B.

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in Kooperationen mit Volkshochschulen oder Fachhochschulen der Polizei bzw. für öf-

fentliche Verwaltung geschehen.

Als förderlich und notwendig dafür ist eine vertikale Verankerung des Themas auf Lan-

des- und Bundesebene anzusehen, die sich in Deutschland noch nicht in dem Maße

hat herausbilden können, wie dies seit Beginn der Umsetzung des Konzeptes für not-

wendig erachtet wird.

Verstetigung/Nachhaltigkeit:

Auf der kommunalen Ebene muss organisatorisch sichergestellt werden, dass der

Wegfall zentraler Persönlichkeiten, die erfahrungsgemäß häufig als Motor kommunaler

Kriminalprävention auftreten, die Kooperation nicht dauerhaft schädigt. Um dies zu er-

reichen, sind eine sorgfältige Dokumentation und frühzeitige Nachfolge- bzw. Über-

nahmeregelungen zu erarbeiten. Für die Landesebene gilt: Eine Präventionsland-

schaft entsteht nicht in 5 Jahren, sondern muss langsam wachsen. Langfristige, auf

Inhalte und Strukturen angelegte Fördermaßnahmen sind daher kurzfristigen vorzu-

ziehen. Die britische Regierung hat die mit dem Crime and Disorder Act angeregt Prä-

ventionslandschaft stetig gefördert und passt ihre Rolle wissenschaftlichen und prakti-

schen Erkenntnissen ständig an. Kriminalprävention ist wie die Politik, um mit Max

Weber zu sprechen, „ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leiden-

schaft und Augenmaß“.149

Rolle von Landesbehörden/Unterstützung/Kontrolle:

Wenn lokale Kriminalprävention z.B. durch Landesbehörden gefördert wird, sollten

diese Rahmenziele vorgeben, Fördermittel gewähren, Unterstützung in Form von

Schulungen, Best Practice-Projekten und kriminalitätsrelevanten Informationen bereit

stellen. Es sollten Mindeststandards der Kooperation festgelegt und Nachhaltigkeit an-

gestrebt werden. Institutionen auf Landeseben sollten keine Detailziele vorgeben,

keine ausufernden Berichtsysteme einführen, keine kurzfristigen Erfolgserwartungen

hegen und die lokalen Akteure nicht zu eng beaufsichtigen und ihnen damit den Spiel-

raum für situationsangepasstes Handeln nehmen.

Möglichkeiten der Unterstützung der kommunalen Ebene bieten etwa:

Bereitstellung von kriminalitätsrelevanten Informationen

Bereitstellung von Datenbanken mit evaluierten Programmen

Informationen über sinnvolle Strukturen auf kommunaler Ebene

Implementationshilfen für die erfolgreiche Institutionalisierung, Vernetzung und

Nachhaltigkeit

Organisation regelmäßiger Treffen zum Informationsaustausch

Anschubhilfe bei neuen Gremien/Mediation bei Problemen

149 Weber, Max (1919): Politik als Beruf. München und Leipzig, S. 66.

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Landesbehörden sollten bei der Förderung Kommunaler Kriminalprävention zwei Un-

terstützungsschwerpunkte einrichten: Zum einen Informationen zur präventiven Lö-

sung deliktischer Probleme auf der lokalen Ebene, z.B. Wohnungseinbrüchen oder Ju-

gendgewalt. Hier können Landesbehörden Datenbanken mit evaluierten Programmen

vorhalten. Zum anderen Informationen über sinnvolle Strukturen auf kommunaler

Ebene und Implementationshilfen für die erfolgreiche Institutionalisierung, Vernetzung

und Nachhaltigkeit Kommunaler Kriminalprävention und damit Hinweise auf die not-

wendige strukturelle und organisatorische Ausgestaltung an die Hand zu geben. Auch

der regelmäßige Austausch der Präventionsgremien untereinander über die eigene

Tätigkeit, Gelingensbeispiele und Problemstellungen sollte auf Landesebene organi-

siert werden. Durch Bereitstellung von Experten könnte die Landesebene auch An-

schubhilfe bei neuen Gremien leisten und bei Problemen als Mediator auftreten.

Im Bereich der angewandten Forschung wäre eine zumindest quantitative Erhebung

der Gremienlandschaft angezeigt. Es könnte darin der Versuch unternommen werden,

aktuelle Erkenntnisse zu Akteurskonstellationen, Zielsetzungen, Gremienaktivitäten

und anderen Aspekten zu gewinnen. Der vertiefende Blick einer qualitativen Betrach-

tung einzelner Gremien würde die Erkenntnislage zur Gremienlandschaft im Bereich

der KKV-Gremien zudem substantiell erweitern.

Verantwortlichkeit:

Im angelsächsischen Raum hat es sich als zielführend erwiesen, wenn die kriminal-

präventiven Kooperationen auf der Ebene Rechenschaft ablegen, auf der sie tätig sind,

also z.B. der Kommune oder dem Kreis. Dies gilt auch, wenn die Mittel für die Koope-

ration z.B. aus Landesmitteln stammen. Die lokale Verantwortlichkeit hat sich als ef-

fektiver als die überregionale erwiesen.

Menschlicher Faktor:

Trotz aller elektronischen Kommunikationsmittel ist der persönliche Kontakt der Ko-

operationspartner nach wie vor ein wichtiger Gelingensfaktor. Dieser Kontakt kann

durch regelmäßige Treffen sowohl der lokalen Kooperationspartner als auch der loka-

len mit den überregionalen Akteuren hergestellt werden. Auf der lokalen Ebene kann

dieser persönliche Kontakt aber auch durch räumliche Nähe der Arbeitsplätze herge-

stellt werden. Letzteres nutzen z.B. die als „Haus des Jugendrechts“ bekannt gewor-

denen Einrichtungen erfolgreich für ihre Arbeit.

Rolle der Polizei:

Obwohl lokale Kriminalprävention heute auf mehrere Schultern verteilt wird, ist und

bleibt die Polizei ein zentraler Faktor jeder Präventionskooperation. Sie verfügt über

geschultes Personal, Informationen sowie Vertrauen in der Bevölkerung und kann von

anderen Akteuren nicht ersetzt werden. Sie ist daher in jeder Kooperation als Mitglied

gesetzt.

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