Kompetenzstandards in der Berufsausbildung · Forschungsprojekt 4.3.201 (JFP 2006)...

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Forschungsprojekt 4.3.201 (JFP 2006) Kompetenzstandards in der Berufsausbildung Zwischenbericht Dr. Kathrin Hensge Gunda Görmar Barbara Lorig Helga Molitor Daniel Schreiber Laufzeit: I/07 bis II/09 Bundesinstitut für Berufsbildung Robert-Schuman-Platz 3 53175 Bonn Telefon: 0228 / 107 - 1409 Fax: 0228 / 107 - 2961 E-Mail: [email protected] www.bibb.de Bonn, Februar 2008

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Forschungsprojekt 4.3.201 (JFP 2006)

Kompetenzstandards in der Berufsausbildung

Zwischenbericht Dr. Kathrin Hensge Gunda Görmar Barbara Lorig Helga Molitor Daniel Schreiber

Laufzeit: I/07 bis II/09

Bundesinstitut für Berufsbildung

Robert-Schuman-Platz 3

53175 Bonn

Telefon: 0228 / 107 - 1409

Fax: 0228 / 107 - 2961

E-Mail: [email protected]

www.bibb.de Bonn, Februar 2008

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1. Ausgangslage 3

2. Forschungsziele und Fragestellung 3

3. Konzeption und methodische Herangehensweise 3

4. Projektverlauf 4

4.1 Bildungsstandards 4

4.2 Ordnungspolitische Vorgabe: Berufliche Handlungskompetenz 6

4.3 Analyse theoretischer und konzeptioneller Grundlagen 7

4.4 Kompetenzmodelle 7

4.5 Fazit 13

5. Erste Ergebnisse 14

6. Bisherige Veröffentlichungen und Vorträge 17

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1. Ausgangslage

Der Kompetenzbegriff wird seit einigen Jahren im wissenschaftlichen Bereich intensiv

diskutiert und findet derzeit Eingang in nationale Bildungskonzepte und europaweite

Verfahren zur Erfassung, Anerkennung und Vergleichbarkeit von Lernleistungen.

Mit der Einführung von Bildungsstandards vom Primarbereich bis zum Mittleren Schulab-

schluss liegt für den allgemeinbildenden Bereich ein Konzept vor, das allgemeine Bildungs-

ziele durch die Beschreibung von Kompetenzen konkretisiert.

Die fachspezifischen Kompetenzen, die die Schüler und Schülerinnen nach Abschluss eines

Jahrgangs erworben haben sollen, werden mit Hilfe von Testverfahren erfasst.

Bildungsstandards erlauben es - über die Lernergebnisse der Schülerinnen und Schüler -,

die Leistungen der einzelnen Schulen miteinander zu vergleichen (Schulevaluation) und zu

überprüfen, ob das Bildungssystem seinen Auftrag erfüllt hat (Bildungsmonitoring).

Zur Zeit wird diskutiert, ob solche Bildungsstandards auch für die berufliche Bildung ent-

wickelt werden sollen, um im Rahmen von Systemvergleichen den Bildungsstand zu

ermitteln und darüber hinaus über Steuerungsmechanismen die Qualität beruflicher

Handlungskompetenz zu sichern und zu steigern.

Auch auf europäischer Ebene erlangt das Kompetenzkonzept immer größere Bedeutung.

Dem 2007 vom Europäischen Parlament verabschiedeten Europäischen Qualifikations-

rahmen (EQR), der die Mobilität der Bürgerinnen und Bürger zwischen den Mitgliedsstaaten

und das lebenslange Lernen fördern soll, liegt eine Orientierung an Lernergebnissen und

Kompetenzen zugrunde. Auch der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR), der derzeit

entwickelt wird, sieht die Ausrichtung am Begriff der Handlungskompetenz vor.

Grundsätzlich stellt sich die Frage, wie das Kompetenzkonzept in der beruflichen Bildung

verankert werden kann, um die Durchlässigkeit zwischen den nationalen Bildungs-Sub-

Systemen zu fördern und die Anschlussfähigkeit der dualen Berufe im europäischen Kontext

(EQR/ECVET) sicher zu stellen.

2. Forschungsziele und Fragestellung

Ziel des Forschungsprojektes ist es, anhand eines theoretisch fundierten Kompetenzmodells

ausgewählte Ausbildungsordnungen exemplarisch kompetenzbasiert zu entwickeln und eine

Empfehlung zur Gestaltung kompetenzbasierter Ausbildungsordnungen für die

Ordnungspraxis zu erarbeiten.

Im Forschungsprojekt wird von der folgenden Hypothese ausgegangen:

Berufliche Handlungsfähigkeit lässt sich in einem allgemeinen Modell von Kompetenzen

hinreichend formalisieren und konkretisieren. Aus den beruflichen Handlungen lässt sich ein

berufsspezifisches Anforderungsgefüge gewinnen, das in Aufgabenstellungen konkretisiert

und überprüft werden kann.

3. Konzeption und methodische Herangehensweise

Im Projekt ist eine zwei-schrittige Vorgehensweise vorgesehen:

a) Theoretische Fundierung und Entwicklung eines allgemeinen Modells von Kompetenzen

Ausgehend von der Diskussion über die Übertragbarkeit der Bildungsstandards in den beruf-

lichen Bereich wurden im Forschungsprojekt unterschiedliche Kompetenzbegriffe eingebettet

in ihre Basistheorien diskutiert und ihre Anschlussfähigkeit für die berufliche Bildung geprüft.

Hierzu wurden insbesondere die Begriffe, Konzepte und Modelle im Rahmen des Kompe-

tenzdiskurses herangezogen.

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Im Anschluss an die Bestimmung zentraler Begriffe wurden gängige Kompetenzmodelle im

beruflichen Bereich analysiert und unter Einbezug theoretischer, konzeptioneller, politischer

und praktischer Überlegungen wurde ein allgemeines Modell von Kompetenzen für die

Berufsausbildung entwickelt.

b) Empirische Überprüfung

Empirische Basis für die Konstruktion eines berufsspezifischen Kompetenzmodells sind die

Ausbildungsordnungen. Dabei wird das Kompetenzmodell auf ausgewählte Ausbildungsord-

nungen projiziert, um das berufspezifische Kompetenzgefüge zu ermitteln und die Ausbil-

dungsordnungen kompetenzbasiert zu gestalten. In Expertengesprächen und -workshops

soll die Plausibilität der neu formulierten Ausbildungsordnungen und ihre Handhabbarkeit in

der Praxis erörtert werden. Die Ergebnisse fließen in eine Handreichung zur Gestaltung

kompetenzbasierter Ausbildungsordnungen ein. Die empirische Überprüfung steht 2008 im

Vordergrund.

4. Projektverlauf

4.1 Bildungsstandards

Seit Erscheinen des Konzepts der nationalen Bildungsstandards1 für den allgemeinbildenden

Bereich ist in der Berufsbildungsforschung eine Diskussion entbrannt, ob das Konzept auf

den Bereich der beruflichen Bildung übertragen werden kann (beispielsweise Dilger 2004,

Sloane 2005, Dilger/Sloane 2005, Meyer 2006, Frank/Schreiber 2006, Zlatkin-Troitschans-

kaia 2007).2 In dem Konzept wird folgende drei-schrittige Systematik vorgeschlagen (siehe

Abbildung): allgemeine Bildungsziele werden durch Kompetenzmodelle konkretisiert, die die

Leistungen der Schülerinnen und Schüler nach Abschluss einer Jahrgangsstufe in einem

Fach beschreiben. Die Leistungen der Schülerinnen und Schüler werden mit Hilfe geeigneter

Aufgaben getestet. Die erhobenen Ergebnisse sollen ein Bildungsmonitoring zum Leistungs-

vergleich der einzelnen Schulen und damit des Gesamtsystems ermöglichen.

1. Ebene Bildungsziele, konkretisiert durch

2. Ebene Kompetenzmodelle, umgesetzt in

3. Ebene Aufgaben zur Überprüfung (Monitoring)

Abb. 1: Systematik der Bildungsstandards

1 Klieme, E. et al (2003): Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards - Eine Expertise. BMBF (Hrsg.), Berlin

2 Dilger, B. (2004): Kompetenz als Standard der Bildung (von Standards). In: Kölner Zeitschrift „Wirtschaft und

Pädagogik“.19. Jg., Heft 36, S.11-35

Sloane, P.F.E. (2005): ...Standards von Bildung - Bildung von Standards... In: Zeitschrift für Berufs- und Wirt-schaftspädagogik. Heft 4, S. 484-496

Dilger, B.; Sloane, P.F.E. (2005): The Competence Clash – Dilemmata bei der Übertragung des ‘Konzepts der nationalen Bildungsstandards’ auf die berufliche Bildung. In: Berufs- und Wirtschaftspädagogik Online (bwp@) Nr. 8, S. 1-32

Frank, I.; Schreiber, D. (2006): Bildungsstandards – Herausforderungen für das duale System. BWP 4/2006 S. 6-10

Meyer, R. (2006): Bildungsstandards im Berufsbildungssystem - Ihre Relevanz für das berufliche Lernen zwischen Anspruch und Wirklichkeit. In: Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik. 102. Band, Heft 1, S. 49-63

Zlatkin-Troitschanskaia, O. (2007): Bildungsstandards in der beruflichen Bildung - Paradigmenwechsel für die Entwicklungspraxis beruflicher Schulen und Folgen für die Berufsbildungsforschung. In: Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik. 103 Band, Heft 1, S. 75-100

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Mit der Klieme-Expertise wurde ein elaboriertes Konzept vorgelegt, wie Bildungsziele,

Kompetenzanforderungen sowie Aufgaben zur Überprüfung der Kompetenzen miteinander

verknüpft werden können.

Das Konzept der nationalen Bildungsstandards wird in der Berufsbildungsforschung kritisch

aufgenommen. Dilger/Sloane zeigen „Dilemmata“ bei der Übertragung des Konzepts auf die

berufliche Bildung auf und schlagen notwendige Schritte zur Adaption vor.3 Deutlicher fällt

das Urteil von Zlatkin-Troitschanskaia aus: „Das neue Steuerungsmodell kann nicht direkt

aus dem Bereich der Allgemeinbildung auf berufliche Bildungsgänge übertragen werden.“4

Meyer konstatiert, dass die Standards im Bereich der Berufsausbildung über das Konzept

der nationalen Bildungsstandards hinausgehen.5

Insbesondere bei dem zugrunde gelegten Kompetenzverständnis werden die Unterschiede

zwischen Standards im allgemeinbildenden Bereich und der beruflichen Bildung deutlich. Im

allgemeinbildenden Bereich wird zur Kompetenzmessung ein Kompetenzverständnis heran-

gezogen, das aus einer psychologischen Perspektive die Kompetenzen von Schülerinnen

und Schülern als kognitive Leistungsdispositionen beschreibt. Kompetenzen beziehen sich in

diesem Kontext auf bestimmte Fach- bzw. Wissensgebiete, so genannte Domänen. Die

Kompetenzen werden durch theoretisch fundierte Modelle abgebildet, die unterschiedliche

Teildimensionen wie beispielsweise für das Fach Deutsch „Rezeption und Produktion von

Texten“, „mündlicher Sprachgebrauch“ unterscheiden.6 Der Domänenbezug spielt eine be-

sondere Rolle, weil theoretisch davon ausgegangen wird, dass der systematische Aufbau

von Kompetenzen in einem Lernkontext, einer Domäne, beginnt. Dieses Kompetenzver-

ständnis fokussiert auf „fachliche Kompetenzen“ und ist von Ansätzen abzugrenzen, die

überfachliche Kompetenzen oder Handlungskompetenz messen und bewerten.7

Im Gegensatz zu dem vorgestellten, aus dem allgemeinbildenden Bereich stammenden

Kompetenzverständnis hat sich in der beruflichen Aus- und Weiterbildung ein Kompetenz-

verständnis durchgesetzt, das das Handeln in komplexen Lern- und Arbeitssituationen in den

Fokus nimmt und die Fähigkeit zu selbstorganisiertem Handeln betont.8 Im Vergleich mit

dem im allgemeinbildenden Bereich verwendeten Kompetenzverständnis ist berufliche Hand-

lungskompetenz weiter gefasst. Neben fachlichen Kompetenzen spielen auch überfachliche

Kompetenzen, wie beispielsweise sozial-kommunikative Fähigkeiten oder auch motivationale

Aspekte – als Basis für eigenverantwortliches und selbstständiges Handeln – eine große

Rolle.

Trotz der Unterschiede im Kompetenzverständnis im allgemeinbildenden und berufsbilden-

den Bereich kann die Konkretisierung von Bildungszielen durch Kompetenzmodelle im

berufsbildenden Bereich aufgegriffen werden. Analog zu den Bildungszielen im allgemein-

bildenden Bereich, die in Kompetenzmodellen fächerspezifisch konkretisiert werden, kann

das Leitziel der Berufsausbildung, berufliche Handlungsfähigkeit, durch ein allgemeines

3 Dilger, B.; Sloane, P.F.E. (2005): The Competence Clash – Dilemmata bei der Übertragung des ‘Konzepts der

nationalen Bildungsstandards’ auf die berufliche Bildung. In: Berufs- und Wirtschaftspädagogik Online (bwp@) Nr. 8, S. 1-32 4 Zlatkin-Troitschanskaia, O. (2007): Bildungsstandards in der beruflichen Bildung - Paradigmenwechsel für die

Entwicklungspraxis beruflicher Schulen und Folgen für die Berufsbildungsforschung. In: Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik. 103 Band, Heft 1, S. 75-100, hier S. 92 5 Meyer, R. (2006): Bildungsstandards im Berufsbildungssystem- Ihre Relevanz für das berufliche Lernen

zwischen Anspruch und Wirklichkeit. In: Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik. 102. Band, Heft 1, S. 49-63 6 Klieme, E. et al (2003): Expertise zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards. BMBF

7 Weinert, F.E. (2002): Vergleichende Leistungsmessung in Schulen - eine umstrittene Selbstverständlichkeit.

In: Weinert, F. E. (Hrsg.): Leistungsmessungen in Schulen. 2. unveränderte Auflage. Weinheim, S. 17-31 (hier: S. 28) 8 Vgl. Erpenbeck, J.; von Rosenstiel, L. (Hrsg.) (2003): Handbuch Kompetenzmessung. Erkennen, verstehen und

bewerten von Kompetenzen in der betrieblichen, pädagogischen und psychologischen Praxis. Stuttgart

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Kompetenzmodell operationalisiert werden. Mit Hilfe des Kompetenzmodells können die

Kompetenzen über die Berufe hinweg einheitlich beschrieben und zugleich für jeden Beruf

spezifische Schwerpunkte herausgearbeitet werden, d.h. berufsspezifische Kompetenz-

gefüge in Form von Kompetenzmodellen abgebildet werden.

Bei der Entwicklung dieses alle Berufe im Dualen System überspannenden, allgemeinen

Modells stehen folgende Fragen im Vordergrund:

a) Welche politischen, theoretischen und konzeptionellen Überlegungen spielen bei der

Gestaltung kompetenzbasierter Ausbildungsordnungen eine Rolle und

b) wie kann ein Modell aussehen, mit dessen Hilfe die Kompetenzen in den Aus-

bildungsordnungen operationalisiert und systematisiert werden können?

4.2 Ordnungspolitische Vorgabe: Berufliche Handlungskompetenz

Ziel der Berufsausbildung ist der Erwerb umfassender beruflicher Handlungsfähigkeit, d.h.

die Befähigung des Einzelnen zum eigenverantwortlichen und umfassenden beruflichen

Handeln in unterschiedlichen Kontexten.

Für die Duale Berufsausbildung wird der Bezug zum Thema Kompetenz durch die Ver-

wendung des Begriffs „berufliche Handlungsfähigkeit“ im BBiG hergestellt. Nach Breuer

können „Kompetenzen als Fähigkeiten bzw. als grundlegende Fähigkeiten dargestellt“ und

damit berufliche Handlungsfähigkeit pragmatisch als berufliche Handlungskompetenz ge-

lesen werden.9

Das Kompetenzkonzept ist bereits für die schulische Seite der Berufsausbildung auf einer

ordnungspolitischen Ebene verankert. Im Jahr 1996 wurde mit der Einführung des Lernfeld-

konzepts durch die Kultusministerkonferenz (KMK) ein Kompetenzverständnis festgelegt,

das als Basis für die Beschreibung der Lernfelder und als Orientierung für das Lernen und

Lehren in der Berufsschule dient. Die KMK geht von beruflicher Handlungskompetenz aus;

diese wird definiert als „die Bereitschaft und Befähigung des Einzelnen, sich in beruflichen,

gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht durchdacht sowie individuell und

sozial verantwortlich zu verhalten. Handlungskompetenz entfaltet sich in den Dimensionen

von Fachkompetenz, Humankompetenz und Sozialkompetenz“.10

Bei der Konstruktion von Ausbildungsordnungen für die betriebliche Ausbildung ist der

Handlungsbezug ausschlaggebend. Bei der Neuordnung der industriellen Metall- und

Elektroberufe im Jahr 1987 wurde zum ersten Mal ein ganzheitliches Verständnis beruflichen

Handelns in Ausbildungsordnungen aufgenommen und die bis dato vorherrschende

Ausrichtung an Kenntnissen und Fertigkeiten um das selbstständige Planen, Durchführen

und Kontrollieren (Handlungsorientierung) ergänzt. Seitdem werden berufstypische

Aufgaben und konkrete Anforderungen an die Fachkraft als ausschlaggebendes

Ordnungskonzept genutzt und die Ausbildungsordnungen kontinuierlich weiterentwickelt. Mit

der Schaffung der IT-Berufe im Jahre 1997 wurde ein ganzheitliches Verständnis beruflichen

Handelns in die Ordnungsmittel eingeführt, welches das Handeln im betrieblichen

Gesamtzusammenhang sowie Aspekte der unternehmerischen Selbstständigkeit und

Kundenorientierung berücksichtigt.11 Die Neuordnung der industriellen Metall- und

9 Breuer, K. (2005): Berufliche Handlungskompetenz - Aspekte zu einer gültigen Diagnostik in der beruflichen

Bildung. In: Berufs- und Wirtschaftspädagogik Online (BWP@) Nr. 8, S. 1-31, hier S. 13 10

Kultusministerkonferenz (KMK) (2007): Handreichungen für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen der Kultusministerkonferenz für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule und ihre Abstimmung mit den Ausbildungsordnungen des Bundes für anerkannte Ausbildungsberufe.

http://www.kmk.org/doc/publ/handreich.pdf (Stand: 12.12.2007) 11

Straka, G. A. (2002): Leistungen im Bereich der beruflichen Bildung. In: Weinert, F. E. (Hrsg.): Leistungs-messungen in Schulen. Weinheim, S. 220-235

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Elektroberufe von 2003/04 betonte indes die Prozessorientierung beruflichen Handelns, die

sich auch anhand der Struktur der Berufsbildpositionen, gegliedert in Arbeits- und

Geschäftsprozesse, nachvollziehen lässt.

4.3 Analyse theoretischer und konzeptioneller Grundlagen

Ausgangspunkt sowohl des Forschungsprojektes Kompetenzstandards als auch für andere

theoretische und konzeptionelle Überlegungen zur Umsetzung eines Kompetenzkonzepts

(vgl. Reetz, KMK, Dilger/Sloane) ist die pädagogische Anthropologie Heinrich Roths12, in der

die menschliche Handlungsfähigkeit im Zentrum der Betrachtung steht.

Während im Forschungsprojekt die Handlungsfähigkeit hauptsächlich auf den beruflichen

Kontext bezogen wird, beschreibt Roth die menschliche Handlungsfähigkeit auf ver-

schiedenen Fortschrittsstufen, die in der mündigen moralischen Entscheidungshandlung als

höchster Stufe menschlichen Handelns gipfeln.

Nach Roth setzt mündige, selbstverantwortliche Handlungsfähigkeit Sacheinsicht und Sach-

kompetenz (intellektuelle Mündigkeit), Sozialeinsicht und Sozialkompetenz (soziale Mündig-

keit) und Werteinsicht und Ich-Kompetenz (Selbstbestimmung und moralische Mündigkeit)

voraus.

Roths pädagogische Anthropologie unterstützt den Ansatz einer „ganzheitlichen“ Handlungs-

fähigkeit (im Sinne von Sach-, Sozial- und personaler Kompetenz), der im Forschungsprojekt

verfolgt wird. Das Fortschreiten der Entwicklungs- und Lernprozesse zu sacheinsichtiger,

sozialeinsichtiger und moraleinsichtiger Handlungsfähigkeit ist nach Roth von der Lern-

umwelt, den Sozialisations-, Lern- und Erziehungsprozessen abhängig, die ein Individuum

erfährt. Für die Ausbildung heißt das, Lerngelegenheiten anzubieten, die neben den fach-

lichen auch die soziale und moralische Entscheidungsfähigkeit der Auszubildenden fördern.

Sach-, Sozial- und Selbstkompetenz stellen nach Roth keine Kompetenzdimensionen dar,

die gleichwertig nebeneinander stehen wie viele Konzepte, die sich auf Roth stützen, be-

haupten. Vielmehr ist Sach- und Sozialkompetenz Voraussetzung für Selbstkompetenz. Roth

nimmt damit eine Stufung vor, beschreibt einen Entwicklungs- und Lernprozess.

Lothar Reetz transferiert Heinrich Roths pädagogische Anthropologie auf den beruflichen

Bereich und führt das Konzept der Schlüsselqualifikationen, der Kompetenzen und der

Handlungsorientierung zusammen. Dabei nutzt er die Persönlichkeitstheorie Heinrich Roths

zur kompetenztheoretischen Fundierung und Systematisierung. Insbesondere ist es sein

Verdienst, die Dimensionen Fach-/Methodenkompetenz, personale Kompetenz und Sozial-

kompetenz in die berufspädagogische Diskussion eingebracht zu haben.13

4.4 Kompetenzmodelle

Aus dem Feld der Berufsbildungsforschung kamen unterschiedliche Vorschläge zur Ge-

staltung und Entwicklung von Kompetenzmodellen. Grundsätzlich wird in den meisten

Kompetenzmodellen (berufliche) Handlungskompetenz in Teildimensionen „zerlegt“. In

einem solchen „analytischen“ Kompetenzmodell werden Kompetenzklassen bzw.

-dimensionen durch die Beschreibung einzelner Fähigkeiten und diese wiederum durch die

Bestimmung von Kenntnissen und Fertigkeiten hierarchisiert (siehe Abbildung 2). Eine

12

Roth, H. (1971): Pädagogische Anthropologie. Band II: Entwicklung und Erziehung. Hannover 13

Reetz, L. (1999): Zum Zusammenhang von Schlüsselqualifikationen - Kompetenzen - Bildung. In: Tramm, T. (Hrsg.): Professionalisierung kaufmännischer Berufsbildung: Beiträge zur Öffnung der Wirtschaftspädagogik für die Anforderungen des 21. Jahrhunderts. Festschrift zum 60. Geburtstag von Frank Achtenhagen. Frankfurt a. M.

Reetz, L. (1990): Zur Bedeutung der Schlüsselqualifikationen in der Berufsbildung. In: Reetz, L.; Reitmann, T.: Schlüsselqualifikationen - Fachwissen in der Krise? Dokumentation eines Symposiums in Hamburg. Hamburg

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solche Herangehensweise bei der Operationalisierung und Systematisierung von Hand-

lungskompetenz ist in vielen Konzepten üblich.

Abb. 2: Analytisches Kompetenzmodell nach Frey

Diese Form der Kompetenzmodelle wird auch als „Kompetenzstrukturmodell“ bezeichnet.

„Bei Kompetenzstrukturmodellen steht [...] im Mittelpunkt, wie die Bewältigung unterschied-

licher Anforderungen miteinander zusammenhängen und auf welchen und wie vielen

Dimensionen interindividuelle Unterschiede in Kompetenzen angemessen beschrieben

werden können.“14

a) Kode-Modell von Erpenbeck

Ein prominentes Kompetenzstrukturmodell ist das von Erpenbeck vorgeschlagene KODE-

Modell15. Im Zentrum dieser Konzeption steht die „Selbstorganisation“. Erpenbeck spricht in

diesem Zusammenhang von Kompetenzen als „Selbstorganisationsdispositionen“. Kompe-

tenzen sind demnach die Fähigkeiten und das Wissen eines Individuums zur Lösung von

komplexen Aufgaben. „Bei der Kompetenz von Individuen geht es nicht nur um das an-

forderungsgerechte Handeln im Sinne von Qualifikationen, sondern gerade auch um die

Regulationsfähigkeit des Individuums, bei neuen Herausforderungen entsprechende Hand-

lungsalternativen zu entwickeln“.16

Dabei geht es um die Teilkompetenzen:

Fach- und Methodenkompetenz,

sozial-kommunikative Kompetenz und

personale Kompetenz.

Die diese Teilkompetenzen integrierende und zur Geltung bringende Kompetenz ist die

Aktivitäts- bzw. Handlungskompetenz. In dem KODE-Kompetenzmodell werden die Kompe-

14

Hartig, J.; Klieme, E. (Hrsg.) (2007): Möglichkeiten und Voraussetzungen technologiebasierter Kompetenz-

diagnostik. Eine Expertise im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. BMBF, Bildungs-forschung Band 20, Bonn, S. 11 15

Erpenbeck, J. (2003): KODE - Kompetenz-Diagnostik und -Entwicklung. In: Erpenbeck, J.; Rosenstiel, L. von (Hrsg.): Handbuch Kompetenzmessung - Erkennen, verstehen und bewerten von Kompetenzen in der betrieb-lichen, pädagogischen und psychologischen Praxis. Stuttgart, S. 365-375 16

Wilkens, U. (2005): Erfassung von Wirkungsbeziehungen zwischen Kompetenzebenen. In: QUEM-Bulletin 6/2005, S. 6-11 (hier: S. 7)

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tenzdimensionen in einzelne Facetten der jeweiligen Dimension unterteilt; diese geben

konkrete Hinweise für die Operationalisierung von Kompetenzen.

Abb. 3: Kode nach Erpenbeck

b) Kompetenzmatrix nach Achtenhagen/Baethge

Eine weitere Herangehensweise wäre der Vorschlag von Achtenhagen und Baethge in ihrer

Machbarkeitsstudie zu einem Berufsbildungs-PISA.17 In der Studie schlagen sie ebenfalls

eine Matrix vor, in der die individuellen Fähigkeiten (Einstellungen, Werte und Wahr-

nehmungen, Antrieb und Motivation, Metakognition und differenzierte Wissensformen) und

die Selbstkompetenz (Sach-, Methoden- und Sozialkompetenz) einander gegenübergestellt

werden.

Zugrunde gelegt wird ein weiterer Begriff von Berufsbildung, für den neben funktionalen

Aspekten der Beherrschung von Arbeitsplatzanforderungen auch allgemeine Kompetenzen

der individuellen Handlungsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt, der Selbstorganisationsfähigkeit

in Bezug auf die Berufsbiografie und lebenslanges Lernen sowie der Teilhabe am Gemein-

schaftsleben konstitutiv sind.18

17

Achtenhagen, F.; Baethge, M. (2006): Machbarkeitsstudie Berufsbildungs-PISA. 18

Achtenhagen, F.; Baethge, M. (2006): Machbarkeitsstudie Berufsbildungs-PISA. S. 13f.

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10

Abb. 4: Matrix Berufsbildungs-Pisa nach Achtenhagen/Baethge

In ihrem Ansatz gehen sie von einem kognitiven Kompetenzverständnis aus. Auf der Ebene

der zu erfassenden Kompetenzdimensionen haben differenzierte Wissenskonzepte mehr

Raum, als handlungsrelevante Aspekte. Sie sehen es als sinnvoll an, „die berufliche Hand-

lungskompetenz vor allem unter der Perspektive der Wissensvermittlung zu betrachten“.19

c) Kompetenzmodell nach Bader/Müller

Ein bereits ordnungspolitisch relevantes Kompetenzmodell ist im Lernfeldkonzept der

Kultusministerkonferenz (KMK) verankert. Das Lernfeldkonzept löste 1996 das „Fächer-

prinzip“ der Berufsschule ab, nach dem der curriculare Lehrplan in unterschiedliche, all-

gemeinbildende und berufsbildende Fächer unterteilt ist, die isoliert und meist unverbunden

nebeneinander angeboten und vermittelt werden. Bezugspunkte des Lernfeldkonzepts sind

nicht mehr einzelne Fachdisziplinen, sondern konkrete berufliche Aufgaben- und Problem-

stellungen. Zentrale Bildungsperspektive des Lernfeldkonzepts ist die Förderung von Hand-

lungskompetenz.

Bader unterscheidet zwischen Dimensionen und Akzentuierungen von Handlungs-

kompetenz. Handlungskompetenz umfasst die Dimensionen

Fachkompetenz,

Human(Selbst-) Kompetenz und

Sozialkompetenz.20

Diese Dimensionen sieht er nicht als isolierte Größen, sondern wechselseitig vernetzt. Bader

stellt die o. g. Dimensionen von Handlungskompetenz in Beziehung zu deren spezifischen

Ausprägungen und Akzentuierungen, die er in den Kompetenzdimensionen

19

Vgl. ebd. S.40 20

Bader, R.; Müller, M. (2002): Leitziel der Berufsbildung: Handlungskompetenz. In: Die berufsbildende Schule, Jg. 54, S. 176- 182

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11

Methodenkompetenz,

Lernkompetenz und

kommunikative Kompetenz

beschreibt. Das heißt jede Dimension von Handlungskompetenz schließt spezifische

Dimensionen von Methoden-, Lern- und kommunikativer Kompetenz mit ein. So ist z. B.

Methodenkompetenz für Bader keine unabhängige Dimension von Handlungskompetenz,

sondern nur eine besonders prägnante Akzentuierung von Handlungskompetenz. Das dem

Lernfeldkonzept zugrunde gelegte Kompetenzmodell bildet durch die waagerecht liegenden

Querschnittskompetenzen eine Matrixform.

Kompetenzmodell

Bader/ Müller

Fachkompetenz Humankompetenz Sozialkompetenz

Methoden-

kompetenz methodische

Analysen

strategisches Wissen

Methoden der Selbst-

reflexion

eigene Kompetenz-

entwicklung planen

Teamstrukturen ana-

lysieren

soz. Beziehungen ge-

stalten

Lernkompetenz Informationen be-

schaffen

Zusammenhänge

herauszuarbeiten

eigene Lerninteressen

entwickeln

eigene Lernprozesse

gestalten

Lernprozesse in

Gruppen verstehen;

gestalten

Lerndefizite erkennen

und Hilfestellung an-

bieten

kommunikative

Kompetenz

Verstehen fachl. Be-

griffe

Verstehen + Inter-

pretieren von Gestik;

Mimik

eigene und anderer

Interessen in Einklang

bringen

Fremdsprache an-

wenden unter Ein-

beziehung des Ver-

stehens fremder

Kulturen

Kommunikation ver-

stehen

Entscheidungen i. d.

Gruppe treffen (Ge-

sprächsregeln verein-

baren; Konsens- und

Konfliktfähigkeit ent-

wickeln)

Abb. 5: Kompetenzmodell nach Bader/Müller

d) Kompetenzgefüge nach Dilger/Sloane

Im Anschluss an das Bader/Müller-Modell gehen Dilger/Sloane21 von einem Gesamtmodell

beruflicher Handlungskompetenz aus, dessen Teilkompetenzen integrale Bestandteile

dieses Gesamtmodells sind und sich in einem kategorialen Kompetenzmodell (Neun-Felder-

Matrix) abbilden lassen. In ihrem Kompetenzmodell stellen sie den Dimensionen Domäne,

Person und Gruppe (ursprünglich: Fach-, Personal- und Sozialkompetenz) die Querschnitts-

kompetenzen Methoden/Lernkompetenz, Sprachkompetenz und ethische Kompetenz

gegenüber.

21

Dilger, B.; Sloane, P.F.E. (2005): The Competence Clash – Dilemmata bei der Übertragung des ‘Konzepts der nationalen Bildungsstandards’ auf die berufliche Bildung. In: Berufs- und Wirtschaftspädagogik Online (bwp@) Nr. 8, S. 1-32

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12

Mit dieser Matrix können reale Handlungen systematisiert und klassifiziert werden. Auf der

Basis einer solchen Konkretisierung von beruflicher Handlungskompetenz können Aufgaben

entwickelt werden, die die Anforderungen an die Lernenden abbilden.22

Abb. 6: Kompetenzgefüge nach Dilger/Sloane

e) Experitse-Modell nach Dreyfus/Dreyfus

Eine gänzlich andere Herangehensweise bieten „Kompetenzentwicklungsmodelle“.23 Im

Gegensatz zu den oben beschriebenen Kompetenzstrukturmodellen, wo es im Kern um die

Differenzierung von unterschiedlichen Dimensionen von Kompetenzen geht, bilden Kompe-

tenzentwicklungsmodelle den Verlauf des Kompetenzerwerbs in einem bestimmten Bereich

(Kontext/Domäne) ab. Im Zentrum der Betrachtung stehen dabei spezifische Aufgaben, die

einem Niveau zugeordnet werden können und den Stand des Kompetenzerwerbs markieren.

Die systematische Abbildung von unterschiedlichen Kompetenzniveaus könnte im beruf-

lichen Bereich mit dem „Novize-Experten-Modell“ geleistet werden.24 Dreyfus und Dreyfus

beschreiben fünf Entwicklungsstufen, auf denen die Kompetenzen differenziert dargestellt

und miteinander verknüpft werden. Dabei wird zum einen die Entwicklung von fachlichem

Wissen, das heißt von einem ersten Orientierungswissen bis zum erfahrungsbasierten

Wissen beschrieben und zum anderen auch die praktische Ebene der Handlungsfähigkeit,

das Know how, berücksichtigt.25

Das „Novize-Experten-Modell“ wurde für den Beruf KFZ-Mechatroniker/-in bereits erfolgreich

angewendet und erprobt.26

22

Dilger, B.; Sloane, P.F.E. (2005): The Competence Clash – Dilemmata bei der Übertragung des ‘Konzepts der nationalen Bildungsstandards’ auf die berufliche Bildung. In: Berufs- und Wirtschaftspädagogik Online (bwp@) Nr. 8, S. 14f. 23

Hartig, J.; Klieme, E. (Hrsg.) (2007): Möglichkeiten und Voraussetzungen technologiebasierter Kompetenz-diagnostik. Eine Expertise im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. BMBF, Bildungs-forschung Band 20, Bonn, S. 11 24

Dreyfus, H.L.; Dreyfus, S.E. (1987): Künstliche Intelligenz. Von den Grenzen der Denkmaschine und dem Wert der Intuition. Reinbek bei Hamburg 25

Rauner, F. (2002): Berufliche Kompetenzentwicklung – vom Novizen zum Experten. In: Dehnbostel, P.; Elsholz, U.; Meister, J.; Meyer-Menk, J. (Hrsg.): Vernetzte Kompetenzentwicklung. Alternative Positionen zur Weiter-bildung. Berlin, S. 111-132 26

Rauner, F.; Spöttl, G.(2002): Der Kfz-Mechatroniker – Vom Neuling zum Experten. Bielefeld

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13

Abb. 7: Expertise-Modell nach Dreyfus/Dreyfus

4.5 Fazit

Die Analyse der unterschiedlichen Theorien und Konzepte zeigt, dass

Handlungskompetenz in Dimensionen differenziert wird und als mehrdimensional an-

gesehen werden kann (Roth, Reetz, KMK, Dilger/Sloane, Baethge/Achtenhagen,

Erpenbeck),

in den meisten Modellen auf die Dimensionen Sach-/ Fach-, Sozial- und Selbst-

/Personalkompetenz zurückgegriffen wird (Roth, Reetz, KMK, Dilger/Sloane,

Baethge/Achtenhagen, Erpenbeck) und

einige der Modelle in Matrixform dargestellt und dadurch bspw. Kompetenz-

dimensionen mit Querschnittskompetenzen verbunden werden (KMK, Dilger/Sloane,

Baethge/Achtenhagen).

Um die Qualität und Vergleichbarkeit von Berufen zu sichern, sollte das im Forschungs-

projekt zu entwickelnde Kompetenzmodell folgende Merkmale aufweisen:

Bezug zum Leitziel der Berufsausbildung, dem Erwerb beruflicher Handlungsfähig-

keit;

an die Entwicklungen in der Ordnungsarbeit anschlussfähig sein (wie zum Beispiel

die Orientierung an Arbeits- und Geschäftsprozessen);

differenzierte Kompetenzdimensionen berücksichtigen.

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5. Erste Ergebnisse

a) Entwurf eines allgemeinen Modells von Kompetenzen Aus den rezipierten Theorien und Konzepten geht hervor, dass ein allgemeines Modell von

Kompetenzen für den beruflichen Bereich eine Differenzierungsstruktur anhand von Dimen-

sionen aufweisen muss. Im Anschluss an den in der Berufspädagogik und angrenzenden

Disziplinen geführten Diskurs über Kompetenz und deren Operationalisierung durch Kompe-

tenzmodelle liegen einer Systematisierung von Handlungskompetenz mindestens die Kate-

gorien Fachkompetenz, Selbstkompetenz (oder deren Variationen Human- oder personale

Kompetenz) und Sozialkompetenz zugrunde.

Abb. 8: Modell beruflicher Handlungskompetenz

Das im Forschungsprojekt entwickelte Kompetenzmodell orientiert sich an zwei Leitideen:

der Strukturierung des Berufs an den berufstypischen Arbeits- und Geschäftsprozessen

sowie der beruflichen Handlungsfähigkeit. Zum einen geht es um die Beschreibung des

Kontextes, der Handlungssituation, des konkreten Arbeits- und Geschäftsprozesses, zum

anderen um das individuelle Vermögen, die subjektive Handlungsmöglichkeit des Auszu-

bildenden unter Berücksichtigung der fachlichen, sozialen, methodischen und personalen

Dimension.

Das Kompetenzmodell stellt einen zweiseitigen Zugang zur Operationalisierung von beruf-

licher Handlungskompetenz dar.

Zunächst werden die „berufstypischen und einsatzgebietsüblichen Arbeits- und Geschäfts-

prozesse“ identifiziert und als Grundlage für den Zuschnitt der Berufsbildpositionen der Aus-

bildungsordnung genutzt. Dadurch entstehen „Handlungsfelder“, die die Fachlichkeit des

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Berufes in den Ausbildungsrahmenplan der Ausbildungsordnung transportieren. Dies ge-

schieht durch Beschreibungen des Kontextes, d.h. der objektiven Seite der beruflichen

Tätigkeiten. Eine konzeptionelle Annäherung an die Konstruktion von Handlungsfeldern ist

die Beschreibung von komplexen Handlungen unter Berücksichtigung der vor- und nach-

gelagerten Prozesse. Als geeignete Form der Darstellung komplexer Handlungen gilt das

Konzept der Vollständigen Handlung nach Hacker.27

Bei der Beschreibung der Ausbildungsinhalte fließen die Kompetenzdimensionen ein und

stellen den Subjektbezug des Kompetenzmodells her.28 Für die einzelnen Dimensionen

müssen Fragestellungen entwickelt werden, die diese konkretisieren und für den Aus-

bildungsrahmenplan operationalisieren; ggf. könnten hier geeignete Listen von Verben, die

den Dimensionen zugeordnet werden, Berücksichtigung finden (Taxonomien, bspw. Bloom,

Krathwohl/Anderson, KMK-Lernfeldkonzept).

b) Vorschlag zur Gestaltung kompetenzbasierter Ausbildungsordnungen Neben den theoretischen und konzeptionellen Fragen hat das Forschungsprojekt das Ziel,

eine Handreichung zur Gestaltung kompetenzbasierter Ausbildungsordnungen für die

Ordnungsarbeit auszuarbeiten; die theoretischen und konzeptionellen Grundlagen sollen hier

ebenso erklärt werden, wie die konkreten Arbeitsschritte. Zur Gestaltung kompetenzbasierter

Ausbildungsordnungen wurde das so genannte Drei-Komponenten-Modell entwickelt. Es

dient als Gestaltungshilfe zur Entwicklung neuer bzw. Modernisierung bestehender Aus-

bildungsordnungen.

Bei der Entwicklung von Ausbildungsbausteinen dienen derzeit die Arbeits- und Geschäfts-

prozesse des Berufes als Hilfestellung zur Schneidung von Ausbildungsbausteinen. Es

zeichnet sich aber ab, dass im gewerblich-technischen Bereich die Orientierung an Arbeits-

und Geschäftsprozessen leichter gelingt als im kaufmännischen.

Drei-Komponenten-Modell

Arbeits- und

Geschäftsprozesse des

Berufes

Arbeits- und

Geschäftsprozesse des

Berufes

Schneidung von

berufstypischen

Handlungsfeldern

Schneidung von

berufstypischen

Handlungsfeldern

Kompetenzmodell

(operationalisierte

Dimensionen)

Kompetenzmodell

(operationalisierte

Dimensionen)

Kompetenzbasierte

Handlungsfelder des

Berufes

Kompetenzbasierte

Handlungsfelder des

Berufes

Prozessorientierung

Kompetenzorientierung

1.

2.

3. Kompetenzentwicklung

KompetenzniveausKompetenzniveausAusprägungsgrade von

Kompetenz/ Verlauf des

Kompetenzerwerbs

Ausprägungsgrade von

Kompetenz/ Verlauf des

Kompetenzerwerbs

Abb. 9: Drei-Komponenten-Modell zur Gestaltung kompetenzbasierter Ausbildungsordnungen

27

Hacker, W. (1986): Arbeitspsychologie. Berlin 28

In dem Kompetenzmodell wird, im Gegensatz zu anderen Modellen, Methodenkompetenz als eigenständige

Kompetenzdimension ausgewiesen. Ähnlich wie Achtenhagen/Baethge ist Methodenkompetenz eine eigen-ständige Dimension, da diese (a) fachliches Wissen und Kenntnisse (Fachdimension) mit einem Anwendungs-aspekt (bspw. Umgang mit Konzepten, planvolles Handeln) verknüpft und (b) über den engeren fachlichen Rahmen auch Kompetenzen aufnimmt, die sich auf das Arbeiten selber beziehen (bspw. Arbeitsorganisation wie Zeitmanagement, Einsatz von IuK-Technologien, Präsentationstechniken usw.)

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1. Prozessorientierung

Der Erwerb beruflicher Kompetenzen ist immer vor dem Hintergrund von Prozessen in

Unternehmen und Betrieben zu betrachten.29 Ausbildungsordnungen stellen den Bezug zur

betrieblichen Wirklichkeit her. Aus dieser werden die Anforderungen an die Kompetenzen

der späteren Facharbeiter/-innen abgeleitet, die sich an den typischen Aufgaben und beruf-

lichen Handlungen (berufliche Handlungsfelder) orientieren. Hier spielt insbesondere das

selbstständige Planen, Durchführen und Bewerten der eigenen Arbeiten und das Handeln im

betrieblichen Gesamtzusammenhang als konzeptionelle Basis eine tragende Rolle. Um die

betriebliche Wirklichkeit in den Ausbildungsordnungen abzubilden, sollten kompetenz-

basierte Ausbildungsordnungen anhand der berufstypischen Arbeits- und Geschäftsprozesse

strukturiert werden. „Arbeits- und Geschäftsprozesse werden zu den neuen Bezugsgrößen

für die Curriculumsentwicklung und lösen die didaktischen Kriterien Wissenschafts-

orientierung und Fachsystematik als primäre didaktische Kriterien ab.“30 Ein Beispiel für nach

Arbeits- und Geschäftsprozessen strukturierten Ausbildungsordnungen stellen die 2003 und

2004 neugeordneten industriellen Metall- und Elektroberufe dar.

2. Kompetenzorientierung

Der Bezug zur beruflichen Handlungskompetenz kann in den Ausbildungsordnungen durch

die Implementierung eines für die duale Ausbildung verbindlichen Kompetenzverständnisses

expliziert werden. Dieses müsste dann – analog zu den Rahmenlehrplänen der KMK – in die

Ausbildungsordnung aufgenommen werden, um für größtmögliche Transparenz und Ver-

ständigung unter den an der Ausbildung beteiligten Akteuren zu sorgen. Für die Systemati-

sierung und Operationalisierung zur Beschreibung von Kompetenzen ist ein für die berufliche

Bildung allgemein gültiges Modell von Kompetenzen erforderlich. Dieses berücksichtigt

durch den Bezug zu den jeweiligen Arbeits- und Geschäftsprozessen neben dem konkreten

Kontext auch Kompetenzdimensionen wie fachliche, methodische, personale und soziale

Kompetenzen. Für diese Kompetenzdimensionen werden Indikatoren zur Beschreibung und

Kriterien zur Messung und Bewertung entwickelt, um einen konsequenten und einheitlichen

Kompetenzbezug in den Ordnungsmitteln zu sichern.

Das im Forschungsprojekt vorgeschlagene Modell für berufliche Handlungskompetenz stellt

die Schnittstelle zwischen den Elementen „Prozessorientierung“ und „Kompetenzorien-

tierung“ dar.

3. Kompetenzentwicklung

Analog zu der Problematik des impliziten Kompetenzbezuges31 geben Ausbildungsordnun-

gen nur wenige Hinweise über den Verlauf des Kompetenzerwerbs über die Ausbildungs-

jahre. In den Ausbildungsordnungen finden sich implizite Hinweise zur Kompetenzent-

wicklung im Prozess der Ausbildung. In der zeitlichen Gliederung in den Anhängen der

jeweiligen Ausbildungsordnung werden die zu vermittelnden Inhalte nach den Ausbildungs-

jahren gegliedert.

Um die Förderung von Kompetenzentwicklung im Prozess der Ausbildung den Betrieben zu

ermöglichen, bedarf es Beschreibungen von Niveaus der Beherrschung der angeeigneten

Kompetenzen, um auf einer einheitlichen Basis Förderbedarf feststellen zu können und ggf.

Maßnahmen einzuleiten.

29

Vgl. Bahl, A.; Koch, J.; Meerten, E.; Zinke, G. (2004): Was bedeutet prozessbezogen ausbilden? In: BWP

5/2004,S. 10-14 30

Rauner, F. (2002): Arbeits- und Geschäftsorientierung als Orientierungspunkte für die Entwicklung von

Ordnungsmitteln. In: Wirtschaft und Berufserziehung, Heft 54, S. 3-17 31

Vgl. Lorig, B.; Schreiber, D. (2007): Ausgestaltung kompetenzbasierter Ausbildungsordnungen - Grundlage für Kompetenzmessung und -bewertung. In: BWP 6/2007, S. 5-9

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Wie die Kompetenzentwicklung und das von uns vorgestellte Modell beruflicher Handlungs-

kompetenz zu verbinden sind, ist noch eine offene Frage im Projektzusammenhang und

muss diskutiert werden.

6. Bisherige Veröffentlichungen und Vorträge

Lorig, Barbara; Schreiber, Daniel: Ausgestaltung kompetenzbasierter Ausbildungsordnungen

- Grundlage für Kompetenzmessung und -bewertung. BWP 6/2007, S. 5-9

Vortrag beim BIBB-Fachkongress 2007: Kompetenzstandards und -diagnostik. AK 2.6.

13.09.2007

Lorig, Barbara; Schreiber, Daniel: Kompetenzstandards und -diagnostik in der Berufsaus-

bildung. In: Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): Zukunft berufliche Bildung:

Potenziale mobilisieren – Veränderungen gestalten. 5. BIBB-Fachkongress 2007 -

Ergebnisse und Perspektiven. (im Druck)

Hensge, Kathrin: Nationaler Qualifikationsrahmen – Ausgangspunkt für europakompatible

Berufe. In . Tagungsband zur Fachtagung „Europäischer Qualifikationsrahmen –

Nationaler Qualifikationsrahmen – Europäische Berufe. Berlin 2007