Komplementäre Behandlung des Mammakarzinoms Zusätzliche...

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Zusätzliche Therapiechancen der Traditionellen Chinesischen Medizin nutzen 60–80% aller Brustkrebspatientinnen wenden die komplementäre und alterna- tive Medizin (CAM) an 1,2 , davon bis zu 50% nur wegen der Krebserkrankung. Von Letzteren verschweigen bis zu 92% der Patientinnen die CAM-Behandlungen ihren konventio- nellen Ärzten 2 . Diese Form der Non-Kommuni- kation erscheint höchst problema- tisch. Einerseits könnten CAM-Therapien Wechselwirkungen mit der konventio- nellen Therapie haben, andererseits kön- nen komplementäre Therapien zur Ver- besserung der Lebensqualität beitragen und das Outcome positiv beeinflussen. Kommunikationsschwierigkeiten beste- hen zwischen Patientinnen und Krebs- therapeuten. Erhebliche Kommunika- tionsdefizite gibt es aber auch zwischen konventionellen Ärzten und Komplemen- tärmedizinern. Traditionell finden komplementäre Me- dizinmethoden keine hohe Akzeptanz bei reinen Schulmedizinern. Dies führt zu einem vermeidenden Verhalten auf beiden Sei- ten. Komplementärmediziner befürchten Zurückweisung, und auf beiden Seiten können Unterlegenheits- oder Überle- genheitsgefühle eine Rolle spielen. Die deshalb ausbleibende Kommunikation hat potenziell Fehlbera- tungen und -behandlungen zur Folge. Ferner können Interaktionen zwischen westlichen Medikamenten und Naturstoffen auftre- ten, die sich nur bei Kenntnis voneinan- der vermeiden lassen 3 . Um diese Defizite auszugleichen, ist ein höherer Wissensstand der konventio- nellen Mediziner über die Möglichkeiten der Komplementärmedizin äußerst wich- tig. Aus dem Bereich der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) bieten sich Akupunktur, chinesische Arzneitherapie und auch die manuelle chinesische Be- handlung (Tuina) als komple- mentäre Therapien bei Mam- makarzinom an, da sie bei sachgerechter Anwendung nebenwirkungsfrei (Aku- punktur, Tuina) bzw. neben- wirkungsarm (Chinesische Arzneithe- rapie) sind und kaum Wechselwir- kungen mit der konventionellen Therapie zeigen. Die grund- sätzliche Schwierigkeit der wissenschaftlichen Aufarbeitung liegt in der Individualisierung der chinesischen Therapie, was ein wissenschaftliches Studiendesign erschwert und in vielen Bereichen zu einer nicht befriedigenden Datenlage geführt hat, auch wenn empi- rische Daten positive Effekte der TCM- Therapie vermuten lassen. Um dieses Problem zu überwinden, wer- den aktuell erhebliche Anstrengungen unternommen – unter anderem im neu gegründeten HanseMerkur Zentrum für Traditionelle Chinesische Medizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppen- dorf, wo die Evaluierung der chinesi- schen Therapieformen mit modernen naturwissenschaftlichen Methoden vo- rangetrieben wird. Nausea: Chemotherapie-induzierte Übel- keit und Erbrechen beeinträchtigen die Lebensqualität der Patientinnen stark. Auch neuere antiemetische Medika- mente haben dieses Pro- blem nicht vollständig ge- löst. Multiple randomisierte Studien mit Akupunktur haben hierfür in den letzten Jahren überwiegend posi- tive Effekte gezeigt 4 . Auch Akupressur 5 und die chinesische Arzneitherapie bie- ten Möglichkeiten, Übelkeit und Erbre- chen günstig zu beeinflussen 6,7 . Stomatitis: Eine weitere häufige Kompli- kation der Chemotherapie sind ulzeröse Entzündungen der Mundschleimhaut. Diese lassen sich durch chinesische Arz- neimittel bei Brustkrebspatientinnen 2|2011 ärztliches journal onkologie |43 Akupunktur, Akupressur und Arzneitherapien der Traditionellen Chinesischen Medizin können Chemotherapie-induzierte Nebenwirkungen lindern. Allerdings ist die wissenschaftliche Datenlage hierzu noch unbefriedigend. Aus diesem Grund hat es sich das HanseMerkur Zentrum für TCM am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf zum Ziel gemacht, die Evaluierung der chinesischen Therapieformen mit wissenschaftlichen Methoden zu fördern. Komplementäre Behandlung des Mammakarzinoms onko kontrovers Dr. med. Sven Schröder, Hamburg Kommunikationsdefizite zwischen konventionellen und Komplementärmedizinern Individualisierte Therapien erschweren wissenschaftliches Studiendesign Carthami FL (Saflorblüten); werden üblicherweise als Tee in Kombination mit weiteren chinesischen Heilkräutern u. a. zur Schmerzlinderung genommen. Fotos: HanseMerkur Zentrum

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Zusätzliche Therapiechancen der Traditionellen Chinesischen Medizin nutzen

60–80% aller Brustkrebspatientinnen wenden die komplementäre und alterna-tive Medizin (CAM) an1,2, davon bis zu 50% nur wegen der Krebserkrankung. Von Letzteren verschweigen bis zu 92% der Patientinnen die CAM-Behandlungen ihren konventio-nellen Ärzten2. Diese Form der Non-Kommuni-kation erscheint höchst problema-tisch. Einerseits könnten CAM-Therapien Wechselwirkun gen mit der konventio-nellen Therapie haben, andererseits kön-nen komplementäre Therapien zur Ver-besserung der Lebensqualität beitragen und das Outcome positiv beeinflussen. Kommunikationsschwierigkeiten beste-hen zwischen Patientinnen und Krebs-therapeuten. Erhebliche Kommunika-tionsdefizite gibt es aber auch zwischen konventionellen Ärzten und Komplemen-tärmedizinern.Traditionell finden komplementäre Me-dizinmethoden keine hohe Akzeptanz bei reinen Schulmedizinern. Dies führt zu einem

vermeidenden Verhalten auf beiden Sei-ten. Komplementärmediziner befürchten Zurückweisung, und auf beiden Seiten können Unterlegenheits- oder Überle-genheitsgefühle eine Rolle spielen. Die deshalb ausbleibende Kommunikation

hat potenziell Fehlbera-tungen und -behandlungen zur Folge. Ferner können Interaktio nen zwischen westlichen Medikamenten und Naturstoffen auftre-

ten, die sich nur bei Kenntnis voneinan-der vermeiden lassen3.Um diese Defizite auszugleichen, ist ein höherer Wissensstand der konventio-nellen Mediziner über die Möglichkeiten der Komplementärmedizin äußerst wich-tig. Aus dem Bereich der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) bieten sich Akupunktur, chinesische Arzneitherapie und auch die manuelle chinesische Be-handlung (Tuina) als komple-mentäre Therapien bei Mam-makarzinom an, da sie bei sachgerechter Anwendung nebenwirkungsfrei (Aku-punktur, Tuina) bzw. neben-wirkungsarm (Chinesische Arzneithe-

rapie) sind und kaum Wechselwir-kungen mit der konventionellen

Therapie zeigen. Die grund-sätzliche Schwierigkeit der

wissenschaftlichen Aufarbeitung liegt in der Individualisierung der chinesischen Therapie, was ein wissenschaftliches Studiendesign erschwert und in vielen Bereichen zu einer nicht befriedigenden Daten lage geführt hat, auch wenn empi-rische Daten positive Effekte der TCM-Therapie vermuten lassen.Um dieses Problem zu überwinden, wer-den aktuell erhebliche Anstrengungen unternommen – unter anderem im neu gegründeten HanseMerkur Zentrum für Traditionelle Chinesische Medizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppen-dorf, wo die Evaluierung der chinesi-schen Therapieformen mit modernen naturwissenschaftlichen Methoden vo-rangetrieben wird. Nausea: Chemotherapie-induzierte Übel-keit und Erbrechen beeinträchtigen die Lebensqualität der Patientinnen stark. Auch neuere antiemetische Medika-

mente haben dieses Pro-blem nicht vollständig ge-löst. Multiple randomisierte

Studien mit Akupunktur haben hierfür in den letzten Jahren überwiegend posi-tive Effekte gezeigt4. Auch Akupressur5 und die chinesische Arzneitherapie bie-ten Möglichkeiten, Übelkeit und Erbre-chen günstig zu beeinflussen6,7.Stomatitis: Eine weitere häufige Kompli-kation der Chemotherapie sind ulzeröse Entzündungen der Mundschleimhaut. Diese lassen sich durch chinesische Arz-neimittel bei Brustkrebspatientinnen

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Akupunktur, Akupressur und Arzneitherapien der Traditionellen Chinesischen Medizin können Chemotherapie-induzierte Nebenwirkungen lindern. Allerdings ist die wissenschaftliche Datenlage hierzu noch unbefriedigend. Aus diesem Grund hat es sich das HanseMerkur Zentrum für TCM am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf zum Ziel gemacht, die Evaluierung der chinesischen Therapie formen mit wissenschaftlichen Methoden zu fördern.

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Dr. med. Sven Schröder, Hamburg

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Komplementärmedizinern

Individualisierte Therapien erschweren wissenschaftliches

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Literaturliste1 Saquib J et al. Classification of CAM Use and Its Correlates in Patients With Early-Stage Breast Cancer. Integr Cancer Ther. 2011 Mar 7. [Epub ahead of print] 2 Saxe GA et al. Disclosure to physicians of CAM use by breast cancer patients: findings from the Women‘s Healthy Eating and Living Study. Integr Cancer Ther. 2008 September; 7(3): 122–129. 3 Yap KY et al. linically-relevant chemotherapy interactions with complementary and alternative medicines in patients with cancer.Recent Pat Food Nutr Agric. 2010 Jan;2(1):12-55. 4 Ma L. Acupuncture as a complementary therapy in chemotherapy-induced nausea and vomiting.Proc (Bayl Univ Med Cent). 2009 Apr;22(2):138-41. 5 Dibble SL, Luce J, Cooper BA, Israel J, Cohen M, Nussey B, Rugo H. Acupressure for chemotherapy-induced nausea and vomiting: a randomized clini-cal trial. Oncol Nurs Forum 2007;34(4):813–820. 6 Mok TS et al. A double-blind placebo-controlled randomized study of Chinese herbal medicine as complementary therapy for reduction of chemotherapy-induced toxicity. Ann Oncol. 2007 Apr;18(4):768-74. 7 Zhang M et al. Chinese medicinal herbs to treat the side-effects of chemotherapy in breast cancer patients.Cochrane Database Syst Rev. 2007 Apr 18;(2):CD004921. 8 Loo WT et al. Rhodiola algida improves chemo-therapy-induced oral mucositis in breast cancer patients. Expert Opin Investig Drugs. 2010 Apr;19 Suppl 1:S91-100. 9 Chan KK et al. The use of Chinese herbal medicine to improve quality of life in women undergoing chemotherapy for ovarian cancer: a double-blind placebo-controlled randomized trial with immuno-logical monitoring.Ann Oncol. 2011 Feb 25. [Epub ahead of print] 10 Wong LY et al. The efficacy of herbal therapy on quality of life in patients with breast cancer: self-control clinical trial.Patient Prefer Adherence. 2010 Jul 21;4:223-9. 11 Reyes-Gibby CC et al. Chemotherapy-induced pe-ripheral neuropathy as a predictor of neuropathic pain in breast cancer patients previously treated with paclitaxel. J Pain. 2009 Nov;10(11):1146-50. 12 Oxaliplatin Prescribing Information. http://www.accessdata.fda.gov/scripts/cder/onctools/labels.cfm?GN=oxaliplatin. Accessed April 13, 2005. 13 Schroeder S et al. Acupuncture treatment im-proves nerve conduction in peripheral neuropathy. Eur J Neurol. 2007 Mar;14(3):276-81. 14 Schroeder S et al. Quantification of Acupuncture Effects on Peripheral Neuropathy of unknown and diabetic cause by NCS. J Acupunct Tuina Sci 2008; 6: 312-314. 15 Schroeder S et al. Adjuvant acupuncture treat-ment improves neuropathic pain in peripheral neuro pathy and induces neuronal regeneration. European Journal of Pain Supplements 4 47–146,130, 2010 16 Maimon Y et al. Effect of Chinese herbal therapy on breast cancer adenocarcinoma cell lines. J Int Med Res. 2010;38(6):2033-9.

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signifikant lindern, was auch die Akzep-tanz der Chemotherapie erhöht wird8. Leukopenie: Eine die weitere Therapie gelegentlich limitierende Nebenwirkung einer Chemotherapie sind Leukopenien. Hier zeigen viele Studien positive Wir-kungen der chinesischen Arzneitherapie. Für Patien-tinnen mit Ovarialkarzi-nom ist dieser Effekt sogar in einer qualitativ hoch-wertigen Studie belegt9. Allgemeinzustand: Ein zusätzliches Pro-blem, nämlich die Verschlechterung des Allgemeinzustandes unter Chemothera-peutika, kann durch eine chinesische Arzneitherapie gelindert werden. Die all-gemeine Vitalität, Fatigue und damit die Lebensqualität der Brustkrebspatien-tinnen verbessern sich dadurch10.Polyneuropathie: Eine häufige Folge der Chemotherapie ist die Entwicklung einer Polyneuropathie (CIPN), auch oft verbun-den mit neuropathischen Schmerzen11. Taxane, Vinca-Alkaloide und platinhal-tige Subs tanzen sind die Hauptgruppen von Chemotherapeutika, die bei bis zu 74% der Patientinnen eine CIPN verursa-chen können12.Sowohl die resultierenden Taubheits-gefühle als auch neuropathische Schmer-zen können mit Akupunktur sehr güns-tig beeinflusst werden13,14,15.

Schmerzen: Nach Ablatio mammae und Radiatio treten of Schmerzen und Bewe-gungseinschränkungen des Arms sowie Narbenschmerzen auf, die durch Tuina-Massage gelindert werden können. Sollte sich ein Lymph ödem bilden, kann diese

Therapie trotz-dem fortgeführt werden, da Tuina als Reflex-therapie auch über die Behand-

lung der kontralateralen Seite oder der unteren Extremitäten wirken kann.Tumorwachstum: Ob die chinesische Arzneitherapie auch einen direkten Ef-fekt auf Tumorwachstum und auf Rezi-div prophylaxe haben kann, ist noch nicht eindeutig geklärt. In ersten Zellmodellen konnten aber Effekte von chinesischen Heilkräutern auf die Apoptoserate von Brustkrebszellen gefunden werden. Ran-domisierte klinische Studien sind hierzu aktuell in Vorbereitung16.

Dr. med. Sven Schröder

TCM-Arzt und Facharzt für Neurologie

Ärztlicher Geschäftsführer

HanseMerkur Zentrum für Traditionelle

Chinesische Medizin am Universitätsklinikum

Hamburg-Eppendorf

E-Mail: [email protected]

www.tcm-am-uke.de

Einfluss auf Tumorwachstum und Rezidivprophylaxe ?

Links: Chinesische Heilkräuter.Rechts: Utensilien für eine Moxabehandlung; Wärmebehandlung durch Abbrennen von Beifußkraut über den Akupunkturpunkten.

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