Kompressionstherapie beim Lip- und Lymphödem · können in der Erhaltungsphase Kompres -...

7
86 27. Jahrgang_2_2015 Zertifizierte Fortbildung In der Therapie des Lip- und Lymphödems gilt die Kompressionstherapie unbestritten als absolute Basis- maßnahme (3, 18). Schlechte Studienlage, vielfach Erfahrungswissen Die Empfehlungen basieren jedoch wesentlich auf Expertenmeinungen. Zwar gibt es wenige randomi- sierte, kontrollierte Studien, die die Wirksamkeit der Kompression beim Lymphödem generell belegen, doch gibt es keine Studien zum Vergleich der ver- schiedenen Kompressionsmaßnahmen untereinander (Bandagen vs. Strümpfe, Rundstrick vs. Flachstrick). In den aktuellen Leitlinien zum Lymphödem werden initial Bandagen (Entstau- ungsphase), später flachgestrickte und maßgefertigte Kompressionsstrümpfe empfohlen (Erhaltungsphase) (3). Beim beginnenden Lymphödem (Stadium I) reicht meist eine Kompressionsklasse II, während im Stadium III meist der höhere Anpressdruck der Kompressi- onsklasse III oder IV notwendig sein kann. Ist der Patient physisch nicht in der Lage, den Kompressionsstrumpf der hohen Kompressionsklassen III und IV selbstständig anzuziehen, ist alternativ das Übereinandertragen von Medizinischen Kompressionsstrümpfen (MKS) niedrigerer Kompressionsklassen zu empfehlen (17). Es scheint jedoch auch eine Obergrenze zu geben, über die hinaus eine weitere Druckerhöhung nicht sinnvoll ist. So liegt für unelasti- sche Kompressionsmaterialien das obere Limit an den Armen um 30 mmHg, an den Beinen um 50-60 mmHg (11). Das Konsensusdokument der UIP sieht eine gute Evidenz für die Kompressi- onsbandagierung (Grad 1B) und die intermittierende pneumatische Kompressionstherapie (Grad 1B) beim Lymphödem. Daten für Medizinische Kompressions- strümpfe liegen zu dieser Indikation nicht vor (10). Wirkung der Kompression auf den Lymphabfluss Das seit Jahren etablierte Standardbuchwerk der Lymphologie von Földi führt im Kapitel Kompressions- therapie aus, dass es durch sie zu einer Erhöhung des Lymphzeitvolumens kommt (4). Man geht davon aus, dass sich ähnlich wie bei dilatierten Venen auch bei diltatierten Lymphbahnen eine Diameterreduktion und ein konsekutiver Klappenschluss erreichen lassen. Bisher ist dies jedoch nicht nachgewiesen. Die Strömungsver- hältnisse bessern sich außerdem durch die Verminderung der retrograden Strömung, Pendelflüsse in oberflächlichen Venen werden ver- mindert. Durch den Druckanstieg in den komprimierten Venen und Lymphgefä- ßen nimmt das für den Abstrom nach proximal erforderliche Druckgefällle zu. Es kommt zu einer Reduktion von proinflammatorischen Zytokinen (16). Konsekutiv reduziert sich zwar der Flüs- sigkeitsstau im Gewebe, jedoch kommt es nicht zu einer vollständigen Elimina- tion der Proteine aus dem Interstitium. Entsprechend bleibt ein erhöhter onko- tischer Gewebedruck bestehen, der zu einer Wiederauffüllung mit Flüssigkeit führt. Die Kompressionstherapie muss daher als Langzeittherapie gesehen werden (16). Entstauung und Erhaltung In der lymphologischen Versorgung wird in der Therapie zwischen der Entstauungstherapie (Phase I) und der Erhaltungstherapie (Phase II) unterschie- den. Während in der initialen Entstau- ungsphase bei noch deutlichem Ödem Kompressionsbandagierungen (über 24 Stunden!) im Vordergrund stehen, können in der Erhaltungsphase Kompres- sionsbestrumpfungen (meist tagsüber) getragen werden (6). Eine suffiziente Ent- stauung ist mit einem gut eingespielten und versierten Lymphtherapeuten auch ambulant in wenigen Sitzungen möglich (12). Leider sieht die Realität oftmals anders aus (7, 13). Vielfach bestehen bei Vorstellung der Patienten zur Anpassung von Kom- pressionswaren noch deutliche Ödeme (13). Kompressionsbandagierung in der Entstauung Die Kompressionsbandagierungen der Lymphologie bestehen meist aus mehreren Lagen. Im Gegensatz zur Kompressionstherapie beim Lip- und Lymphödem S. Reich-Schupke, Artemed Fachklinik Prof. Dr. Dr. Salfeld GmbH & Co. KG, Bad Oeynhausen Abb. 1: Schlechtes Beispiel – feh- lende Zehen- und Vorfußkompres- sion hat zu einer Verschiebung des Ödems nach distal geführt.

Transcript of Kompressionstherapie beim Lip- und Lymphödem · können in der Erhaltungsphase Kompres -...

Page 1: Kompressionstherapie beim Lip- und Lymphödem · können in der Erhaltungsphase Kompres - sionsbestrumpfungen (meist tagsüber) getragen werden (6). Eine suffiziente Ent - stauung

86 27. Jahrgang_2_2015

Zertifizierte Fortbildung

▲ In der Therapie des Lip- und Lymphödems gilt die Kompressionstherapie unbestritten als absolute Basis-maßnahme (3, 18).

Schlechte Studienlage, vielfach ErfahrungswissenDie Empfehlungen basieren jedoch wesentlich auf Expertenmeinungen. Zwar gibt es wenige randomi-sierte, kontrollierte Studien, die die Wirksamkeit der Kompression beim Lymphödem generell belegen, doch gibt es keine Studien zum Vergleich der ver-schiedenen Kompressionsmaßnahmen untereinander (Bandagen vs. Strümpfe, Rundstrick vs. Flachstrick). In den aktuellen Leitlinien zum Lymphödem werden initial Bandagen (Entstau-ungsphase), später flachgestrickte und maßgefertigte Kompressionsstrümpfe empfohlen (Erhaltungsphase) (3). Beim beginnenden Lymphödem (Stadium I) reicht meist eine Kompressionsklasse II, während im Stadium III meist der höhere Anpressdruck der Kompressi-onsklasse III oder IV notwendig sein kann. Ist der Patient physisch nicht in der Lage, den Kompressionsstrumpf der hohen Kompressionsklassen III und IV selbstständig anzuziehen, ist alternativ das Übereinandertragen von Medizinischen Kompressionsstrümpfen (MKS) niedrigerer Kompressionsklassen zu empfehlen (17). Es scheint jedoch auch eine Obergrenze zu geben, über die hinaus eine weitere Druckerhöhung nicht sinnvoll ist. So liegt für unelasti-sche Kompressionsmaterialien das obere Limit an den Armen um 30 mmHg, an den Beinen um 50-60 mmHg (11). Das Konsensusdokument der UIP sieht eine gute Evidenz für die Kompressi-onsbandagierung (Grad 1B) und die intermittierende pneumatische Kompressionstherapie (Grad 1B) beim Lymphödem. Daten für Medizinische Kompressions-strümpfe liegen zu dieser Indikation nicht vor (10).

Wirkung der Kompression auf den LymphabflussDas seit Jahren etablierte Standardbuchwerk der Lymphologie von Földi führt im Kapitel Kompressions-

therapie aus, dass es durch sie zu einer Erhöhung des Lymphzeitvolumens kommt (4). Man geht davon aus, dass sich ähnlich wie bei dilatierten Venen auch bei diltatierten Lymphbahnen eine Diameterreduktion und ein konsekutiver Klappenschluss erreichen lassen. Bisher ist dies jedoch nicht nachgewiesen. Die Strömungsver-hältnisse bessern sich außerdem durch die Verminderung

der retrograden Strömung, Pendelflüsse in oberflächlichen Venen werden ver-mindert. Durch den Druckanstieg in den komprimierten Venen und Lymphgefä-ßen nimmt das für den Abstrom nach proximal erforderliche Druckgefällle zu. Es kommt zu einer Reduktion von proinflammatorischen Zytokinen (16). Konsekutiv reduziert sich zwar der Flüs-sigkeitsstau im Gewebe, jedoch kommt es nicht zu einer vollständigen Elimina-tion der Proteine aus dem Interstitium. Entsprechend bleibt ein erhöhter onko-tischer Gewebedruck bestehen, der zu einer Wiederauffüllung mit Flüssigkeit führt. Die Kompressionstherapie muss daher als Langzeittherapie gesehen werden (16).

Entstauung und Erhaltung In der lymphologischen Versorgung wird in der Therapie zwischen der Entstauungstherapie (Phase I) und der Erhaltungstherapie (Phase II) unterschie-den. Während in der initialen Entstau-ungsphase bei noch deutlichem Ödem Kompressionsbandagierungen (über 24 Stunden!) im Vordergrund stehen, können in der Erhaltungsphase Kompres-sionsbestrumpfungen (meist tagsüber) getragen werden (6). Eine suffiziente Ent-stauung ist mit einem gut eingespielten und versierten Lymphtherapeuten auch

ambulant in wenigen Sitzungen möglich (12). Leider sieht die Realität oftmals anders aus (7, 13). Vielfach bestehen bei Vorstellung der Patienten zur Anpassung von Kom-pressionswaren noch deutliche Ödeme (13).

Kompressionsbandagierung in der Entstauung Die Kompressionsbandagierungen der Lymphologie bestehen meist aus mehreren Lagen. Im Gegensatz zur

Kompressionstherapie beim Lip- und LymphödemS. Reich-Schupke, Artemed Fachklinik Prof. Dr. Dr. Salfeld GmbH & Co. KG, Bad Oeynhausen

Abb. 1: Schlechtes Beispiel – feh-lende Zehen- und Vorfußkompres-sion hat zu einer Verschiebung des Ödems nach distal geführt.

Page 2: Kompressionstherapie beim Lip- und Lymphödem · können in der Erhaltungsphase Kompres - sionsbestrumpfungen (meist tagsüber) getragen werden (6). Eine suffiziente Ent - stauung

87 27. Jahrgang_2_2015

phlebologischen Kompressionsbandagierung, bei der oftmals allein Kurzzugbinden verwendet werden, haben sich in der lymphologischen Therapie Mehrkomponen-tensysteme mit weicher Unterpolsterung bewährt. Als Polstermaterial bietet sich entweder Watte oder Schaum-stoff an. Diese Materialien haben den Vorteil, dass der Verband zum einen einfacher sitzt und des Weiteren Einschnürungen der oft sehr hart berandeten Kurzzug-binden mit konsekutivem lokalen Lymphstau verhindert werden können. Im Bereich der Finger- und Zehenkom-pression werden oftmals nur Mullbinden verwendet. Im Falle von Lymphödemen im Genitalbereich oder im Gesicht sind individuelle Lösungen notwendig. Tiefe Hautfalten sollten aufgepolstert werden, um Einschnü-rungen und damit letztlich eine Verschlechterung des Ödemabflusses zu verhindern. Kritische Stellen (z. B. Strecksehnen am Fußrücken) sollten besonders geschützt und abgepolstert werden. Zur Erleichterung der Kommunikation über die oft indi-viduell zusammengestellten lymphologischen Verbände schlägt der International Compression Club in seinem Positionspapier das P-L-A-C-E-System vor (9, 16).

P-L-A-C-E-System: • P: Pressure – Anpressdruck, der durch die Bandagen

ausgeübt wird,• La: Layers – Anzahl der applizierten Lagen,• C: Components – verwendete Komponenten,• E: Elastic property – elastische Eigenschaft der

einzelnen Lagen.

Die Bandagierung sollte in der Entstauungsphase unmittelbar im Anschluss an die Manuelle Lymph-drainage durch einen erfahrenen Therapeuten erfolgen und für mindestens 24 Stunden belassen werden. Gut geschulte Patienten können auch Selbstbandagierungen vornehmen; entweder im Rahmen der Entstauungsthe-rapie oder intermittierend in der Erhaltungsphase zur Intensivierung der Kompressionstherapie. Durch sich überlappende Bindenführungen ist es möglich, die einzelnen Bindentouren ohne große Span-nung anzulegen und damit einen geringen Ruhe- und hohen Arbeitsdruck zu erreichen. Für einen lymphologi-schen Verband wird entsprechend mehr Badagematerial benötigt als für einen klassischen phlebologischen Verband. Ob die Binden dabei kornährenförmig oder zirkulär angelegt werden, spielt keine besondere Rolle; letztlich sollten sie nicht verrutschen. Wichtig ist außerdem, dass es nicht zu einer Verschiebung des Ödems nach distal kommt (Abb. 1) durch zu weit proximal begonnene Kompression oder fehlende Kompression der Zehen bzw. Finger.Die Verordnung der entsprechend notwendigen Banda-gematerialien kann entweder in Form eines Lymphsets unter Angabe der PZN erfolgen (verschiedene Hersteller, verschiedene Größen z. B. Bein groß, Bein klein, Arm groß, Arm klein) oder unter Angabe der Einzelprodukte – idealerweise nach Anforderungsliste des bandagie-renden Lymphtherapeuten (Tab. 1 und 2). Auch für die lymphologische Kompressionstherapie sind Mehrkomponentensysteme mit kohäsiven Binden geeignet (5, 8). Eine Alternative zu den Kompressionsbandagierungen mit einzelnen Unterpolsterungsmaterialien stellen Soft-compress-Fertigsysteme dar, die sich an Armen und Beinen oft einfacher handhaben lassen und eine erheb-liche Zeitersparniss bei der Anlage z. B. im Anschluss an die manuelle Lymphdrainage darstellen. Die Materialien sind latexfrei, hautfreundlich, waschbar und mehrfach verwendbar.Die Wirksamkeit der Kompressionsbandagierung kann zudem durch Einlage von individuell angepassten unebenen Druckpolstern mit Noppen oder Rillen oder Eigenkonstruktionen (z. B. Schneiderpack) optimiert wer-den (Abb. 5). Die strukturierte Fläche wird dabei hautwä-rts gerichtet einbandagiert. Diese additiven Druckpolster

Abb. 2: Anlegen einer Kompressionsbandage.

FOTO

: © T

IBAN

NA7

9 -

FOTO

LIA.

COM

Page 3: Kompressionstherapie beim Lip- und Lymphödem · können in der Erhaltungsphase Kompres - sionsbestrumpfungen (meist tagsüber) getragen werden (6). Eine suffiziente Ent - stauung

88 27. Jahrgang_2_2015

Zertifizierte Fortbildung

eignen sich besonders gut für die Lockerung von bereits eingetretenen Fibrosezuständen. Generell werden in der lymphologischen Kompressionsversorgung bei Verbänden und Strümpfen höhere Anpressdrücke und Materialfestigkeiten als in der klassischen phlebologischen Versorgung gefordert. Dabei scheint die Obergrenze für eine Entstauung der Arme bei 30 mmHg, für die Beine bei 50-60 mmHg zu liegen. Oberhalb dieser Anpressdruckwerke ist keine weitere Entstauung mehr zu errei-chen (11). Zu beachten ist vor allem in der Entstauungsphase, dass der Verband sowohl unter Bewegung als auch in Ruhe keine Schmerzen verursacht, die Bewegung so wenig wie möglich einschränkt und auch nach der geforderten und gewünschten körperlichen Betätigung noch fest an liegt.

Kompressionsstrumpfversorgung in der ErhaltungsphaseBei der Kompressionsstrumpfversorgung in der Lymphologie werden oft flachgestrickte Materialien verwendet. Diese haben den Vor-teil, dass sie an die individuelle Körperform anpassbar sind und weniger Einschnürungen verursachen. Aufgrund der erforderlichen hohen Druckwerte und der meist von der Norm abweichenden Extremitätenmaße sind fast ausschließlich Maßversorgungen indiziert. Oftmals sind weitere Zusätze an den Gelenken (Knöchelregion, Knieregion) not-wendig (z. B. Stretcheinsätze) oder Pelotten, um eine optimale Passform und Wirkung zu erreichen. Zur Erleichterung der Handhabung der oftmals recht steifen Kompressionsmate-rialien sind geteilte Versorgungen vorteilhaft. Auch im Bereich der Flachstrickwaren haben in den letzten Jahren modische Aspekte Einzug gehalten. Neben den klassischen hautfarbenen und schwarzen Waren sind nun auch Materialien in bunten Farben erhältlich. Das Anpassen der Medizinischen Kompressi-onsstrümpfe und ein- oder mehrteiligen Kompressionsversorgungen in der Lympho-logie erfordert viel Erfahrung und Geduld und sollte durch einen versierten und speziell lymphologisch geschulten Bandagisten erfolgen. Das Maßnehmen erfolgt unter leichtem Zug. Die Stärke des Zugmaßes liegt jedoch in der Hand und Erfahrung des anpas-senden Bandagisten. Das Aufmaß sollte

Tab 1: Entsprechend den Angaben aus M. Földi und E. Földi werden für Arm- und Beinbandagen die in der Tabelle angegebenen Mengen benötigt (4).

Tab. 2: Auswahl von in Deutschland erhältlichen Lymphsets.

Arm Bein

1 Trikotschlauchverband, 6 oder 8 cm Breite, Länge 20 cm

1 Trikotschlauchverband, 10 cm Breite, Länge 20 cm

1 Syntheselatex-Kompresse Größe 0, nierenförmig, 10 mm, 9 x 5 cm

2 Syntheselatex-Kompressen Größe 0, nierenförmig, 10 mm, 9 x 5 cm

4-6 Vliespolsterbinden, 10 cm Breite, 3 m Länge

Je 5 Vliespolsterbinden in 10 cm und 15 cm Breite, 3 m Länge

20 Stück dehnbare Fixierbinden, 4 cm Breite

20 Stück dehnbare Fixierbinden, 4 cm oder 6 cm Breite

2 Kurzzugbinden, 6 cm Breite 2 Kurzzugbinden, 8 cm Breite

2 Kurzzgbinden, 8 cm Breite 6-8 Kurzzugbinden, 10 cm Breite

4-6 Kurzzugbinden, 10 cm Breite 8-12 Kurzzugbinden, 12 cm Breite

2 Kurzugbinden, 12 cm Breite4 DIN-Idealbinden, 15 cm oder 20 cm Breite

Hersteller alphabetisch gelistet

Setformen

Draco®-Lymphset (Dr. Ausbüttel) Bein groß

Jobst® LymphCare (BSN-Jobst) Arm

Bein

Unterschenkel

Rogg®-Lymphset (Rogg) Arm

Bein

Rosidal®-Lymphset (Lohmann & Rauscher)

Lymphset 1: Bein klein

Lymphset 2: Bein groß

Lymphset 3: Arm klein

Lymphset 4: Arm groß

Lymphset 5: Bein klein

Rosidal® Lympho-Opt-Set (Lohmann&Rauscher in Zusammenarbeit mit der Lympho-Opt-Klinik)

Rosidal® Lympho-Opt-Set 1 (Bein klein)

Rosidal® Lympho-Opt-Set 2 (Bein groß)

Rosidal® Lympho-Opt-Set 3 (Arm)

Urgo®-Lymph-Kit (Urgo) Arm groß

Bein

Bein groß

Page 4: Kompressionstherapie beim Lip- und Lymphödem · können in der Erhaltungsphase Kompres - sionsbestrumpfungen (meist tagsüber) getragen werden (6). Eine suffiziente Ent - stauung

89 27. Jahrgang_2_2015

idealerweise unmittelbar nach der Manuellen Lymph-drainage am entstauten Körperteil (in der Praxis des Physiotherapeuten) oder zumindest am frühen Morgen erfolgen. Ein Maßnehmen im Tagesverlauf oder in nicht entstauten Regionen führt zu nicht sitzenden, fehlerhaft formierten und unzureichenden Kompressionsversor-gungen. Trotz größter Sorgfalt kann es notwendig sein, die erhal-tene Versorgung auch nach Fertigung noch einmal ändern und anpassen zu lassen, bis eine für den Patienten ideale Kompressionsversorgung erreicht ist.

Besonderheiten beim LipödemDer Begriff „Lipödem“ ist eigentlich irreführend, da es sich primär nicht um ein Ödem, also eine Flüssigkeits-

einlagerung im Gewebe, handelt. Das Lipödem ist eine in der Regel anlagebedingte Fettverteilungs- und -Vermeh-rungsstörung, die bereits früh beschrieben wurde (1). Das Gewebe ist druckschmerzhaft und weist aufgrund einer Kapillarfragilität eine hohe Neigung zu Hämatomen bei geringsten Traumata auf. Da es sich primär nicht um eine flüssigkeitsinduzierte Volumenzunahme handelt, ist die Schwellneigung und Umfangsvermehrung über Nacht und bei Hochlagerung der Extremität typischer-weise nicht rückläufig oder reduzierbar. Lediglich additiv bestehende orthostatische Ödeme sind über Nacht regre-dient (14). Auch in der Therapie des Lipödems hat die Kompressi-onstherapie einen Stellenwert (18). Sie kann in frühen Stadien mit rundgestrickten Kompressionswaren ggf. mit

Abb. 5: Beispiele für Lymphpads mit unterschiedlichem Nop-pen- und Rillenmuster zur Einarbeitung unter den Kompres-sionsverband oder -Strumpf. Seitens des Herstellers empfoh-len wird die grobe Noppung für Lipödeme (links), die feine Noppung für Armödeme (mittig) und die gerippte Struktur für Beinödeme (rechts).

Abb. 6: Stauungsdermatose und Hypodermitis der Unterschen-kel als Folge des Tragens von rundgestrickter Kompressionsware mit geringer Materialfestigkeit beim Lipolymphödem.

Abb. 3: Anmessen eines Kompressionsstrumpfes. Abb. 4: Kompressionsstrumpf.

FOTO

: © K

LICK

61 -

FOT

OLIA

.COM

FOTO

: © T

IBAN

NA7

9 -

FOTO

LIA.

COM

Page 5: Kompressionstherapie beim Lip- und Lymphödem · können in der Erhaltungsphase Kompres - sionsbestrumpfungen (meist tagsüber) getragen werden (6). Eine suffiziente Ent - stauung

90 27. Jahrgang_2_2015

Zertifizierte Fortbildung

höherer Materialfestigkeit erfolgen, im Verlauf bei zunehmender Ausbildung von Kragen in der Gelenkregion sind meist flach gestrickte Kompressionsma-terialien notwendig, um Einschnürungen zu vermeiden. Rundgestrickte Kompres-sionsstrümpfe mit geringer Materialfes-tigkeit führen bei fortgeschrittenen Sta-dien zu Einschnürungen im Bereich der Gelenke mit Entwicklung einer sekun-dären Stauungssymptomatik (Abb. 6). Die Kompressionstherapie kann natürlich keine Reduktion der Fettmassen herbei-führen, wohl aber eine zusätzliche Öde-matisierung mit damit einhergehender Spannung und Schmerzhaftigkeit redu-zieren. In geringem Maße ist es auch möglich, durch eine Kompressionsthera-pie und damit letztlich auch milde For-mung des Gewebes, eine Verbesserung des Gangbildes zu erreichen. Vielfach können sich die Patientinnen in der Kom-pression besser bewegen als ohne eine Kompressionsversorgung. So kann die Kompressionstherapie Voraussetzung für die wünschenswerte Intensivierung der Bewegung des Patienten sein, um eine konsekutive Adipositas zu verhindern bzw. zu verbessern (14).

Kompressionstherapie beim Erysipel?Patienten mit einem Lymphödem haben durch verschie-dene Faktoren des gestörten Lymphabflusses (reduzierte lokale Immunabwehr, verlangsamter Lymphabfluss, Hautschädigungen als potenzielle Eintrittspforte) ein erhöhtes Risiko für ein Erysipel der vom Lymphödem betroffenen Körperregion (15). Neben den lokalen Zeichen wie Rötung, Schwellung und Überwärmung der betroffenen Körperstelle sind bei akuten Erysipelen auch Fieber, Schüttelfrost und allgemeines Krankheitsgefühl als systemische Infektzeichen auffällig. Bei chronischen Erysipelen können diese Allgemeinzeichen reduziert sein oder sogar vollständig fehlen; auch Laborparameter wie CRP oder Leukozyten sind dann oft nur minimal oder mäßig erhöht. In der akuten Phase des Erysipels sollte ohne eine wirk-same Antibiose keine Hochdruckkompressionstherapie erfolgen. Ist eine suffiziente antibiotische Therapie eingeleitet und zeigt sich das klinische Bild regredient (meist nach zwei bis drei Tagen), sollte jedoch rasch die Kompressionstherapie und ggf. auch die Manuelle Lymphdrainage wieder aufgenommen werden, um das

Risiko einer Verschlechterung des Lymphödems durch den Infekt zu mini-mieren. Bei starker Schwellung ist es notwendig, von einer bestehenden Kompressionsstrumpfversorgung auf eine Bandagierung zu wechseln. Ein längerer Zeitraum ohne suffiziente Kompressionstherapie führt meist zu einer (auch langfristig relevanten) Progredienz des Lymphödems. Eine suffiziente Therapie des Lymph-ödems mit Kompression, Manueller Lymphdrainage und einer sorgfältigen Hautpflege kann das Risiko und die Frequenz des Auftretens eines Erysipels der betroffenen Extremität vermindern (15). Andersherum können ein unzurei-chend therapiertes Lymphödem und rezidivierende Erysipele sich gegenseitig bedingen und unterhalten.Bei rezidivierendem Erysipel trotz suffi-zienter Therapie des Lymphödems sollte eine additive sogenannte Erysipelpro-phylaxe eingeleitet werden. Diskutiert werden verschiedene Schemata (Lang-zeitantibiose oral über mehrere Monate oder Intervalltherapie intravenös) (2). Sowohl in der Akuttherapie als auch in der Prophylaxetherapie des Erysipels beim Lymphödem ist eine ausreichend hoch dosierte und lange antibiotische Therapie notwendig!

Fazit für die PraxisWenngleich die Kompressionstherapie seit Jahrzehnten als Basistherapie bei Lympherkrankungen und dem Lipödem gilt, ist die Evidenzlage der Kompressions-therapie bei diesen Indikationen schlecht. Hier sind dringend weitere Studien notwendig. Besonders sollte das Augenmerk gerichtet werden auf Einflüsse unter-schiedlicher Anpressdrücke, Materialfestigkeiten und Macharten (Rundstrick versus Flachstrick) von Kompres-sionsmitteln. In der Praxis bewährt haben sich unterpolsterte Kompres-sionsbandagierungen für die Entstauungsphase und Kompressionsbestrumpfungen für die Erhaltungsphase. Diese können bestehen aus Rundstrickmaterialien mit hoher Festigkeit bei initialen Formen des Lip ödems sowie Flachstrickmaterial bei fortgeschrittenem Lipödem, Lipo-lymphödem und Lymphödem. Geteilte Versorgungen erleichtern das Anziehen flachgestrickter Kompressions-materialien.

Abb. 8: Flachgestrickte Kompres-sionsstrümpfe mit Naht.

Abb. 7: Kompressionsstrumpf-hose.

Page 6: Kompressionstherapie beim Lip- und Lymphödem · können in der Erhaltungsphase Kompres - sionsbestrumpfungen (meist tagsüber) getragen werden (6). Eine suffiziente Ent - stauung

91 27. Jahrgang_2_2015

Literatur

1. Allen EU, Hines EA. Lipedema of the legs: A syndrome characterized by fat legs and orthostatic edema. Proc Staff Mayo Clin 1940;15:184-187.

2. Altmeyer P. www.enzyklopaedie-dermatologie.de, Zugriff 07.02.2013.

3. DGP. AWMF-Leitlinie Lymphödem. Stand 4/2009.

4. Földi M, Földi E. Lehrbuch der Lymphologie für Ärzte, Physio-therapeuten und Masseure/med. Bademeister, 7. Aufl. Elsevier; Urban & Fischer, München 2010.

5. Franks PJ, Moffatt CJ, Murray S et al. Evaluation of the performance of a new compression system in patients with lymphoedema. Int Wound J 2013;10(2):203-209.

6. Gattwinkel A. Eine Betrachtung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses bei der Therapie zur Ödemreduzierung. Lymph-Forsch 2011;15:72-76.

7. Herpertz U, Netopil B. Studie über die Qualität der ambu-lanten Versorgung von Ödempatienten in Deutschland 2007. LymphForsch 2010;14:31-34.

8. Moffatt CJ, Franks PJ, Hardy D et al. A preliminary rando-mized controlled study to determine the application frequency of a new lymphoedema bandaging system. Br J Dermatol 2012;166:624-632.

9. Mosti G, Mattaliano V, Partsch H. Influence of different materials in multicomponent bandages on pressure and stiff-ness of the final bandage. Dermatol Surg 2008;34:631-639.

10. Partsch H, Flour M, Smith PC. Indications for compression therapy in venous and lymphatic disease, Consensus based on experimental data and scientific evidence. Int Angiol 2008;27:193-219.

11. Partsch H, Damstra RJ, Mosti G. Dose finding for an optimal compression pressure to reduce chronic edema of the extremi-ties. Int Angiol 2011;30:527-533.

12. Pritschow H, Schuchhardt C. Die Entödematisierung von Lymphödemen in der ambulanten, physiotherapeutischen,

lymphologischen Schwerpunktpraxis. vasomed 2012;24:122-127.

13. Reich-Schupke S, Altmeyer P, Stücker M. Pilotstudie zur Kompressionsversorgung von Patienten mit Lipödem, Lymph-ödem und Lipolymphödem. LymphForsch 2012;16:6-10.

14. Reich-Schupke S, Altmeyer P, Stücker M. Dicke Beine – Nicht immer ist es ein Lip ödem. JDDG 2013; 11(3):225–234.

15. Schmolke K. Erysipel und Immunsystem. LymphForsch 2010;14:65-68.

16. Stout N, Partsch H, Szolnoky G et al. Chronic edema of the lower extremities: international consensus recommendations for compression therapy clinical research trials. Int Angiol 2012;31:316-329.

17. Wienert V, Gerlach H, Gallenkemper G et al. Medizinischer Kompressionsstrumpf (MKS). J Dtsch Dermatol Ges 2008;6:410-415.

18. Wienert V, Földi E, Jünger M et al. Lipödem – Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie. Phlebologie 2009; 38(4):164-167.

Quelle des Textes: S. Reich-Schupke, M. Stücker (Hrsg.),Moderne Kompressionstherapie. Viavital Verlag, Köln 2013,ISBN 978-3-934371-50-7

www.der-niedergelassene-arzt.de/publikationen/fachbuecher

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Stefanie Reich-Schupke

Artemed Fachklinik Prof. Dr. Dr. Salfeld GmbH & Co. KG

Portastraße 33-35

32545 Bad Oeynhausen

E-Mail: [email protected]

Page 7: Kompressionstherapie beim Lip- und Lymphödem · können in der Erhaltungsphase Kompres - sionsbestrumpfungen (meist tagsüber) getragen werden (6). Eine suffiziente Ent - stauung

1. Gibt es beim Lymphödem eine Obergrenze des Kompressionsdrucks, oberhalb derer eine weitere Druckerhö-hung nicht sinnvoll ist?❑ Je höher der Druck, umso besser die

Wirkung.❑ Die Obergrenze für Arme beträgt ca.

50 mmHg, für Beine ca. 80 mmHg.❑ Die Obergrenze für Arme beträgt ca.

30 mmHg, für Beine ca. 50-60 mmHg❑ Die Obergrenze für Arme beträgt ca.

20 mmHg, für Beine ca. 40 mmHg.❑ Ein möglichst geringer Druck ist am

effektivsten.

2. Wirkung der Kompressionstherapie auf den Lymphfluss: Welche Aussage ist falsch?❑ Erhöhung des Lymphzeitvolumens❑ Verminderung der retrograden

Strömung❑ Zunahme des für den Abstrom

erforderlichen Druckgefälles❑ Reduktion von proinflammatorischen

Zytokinen❑ Vollständige Elimination der Proteine

aus dem Gewebe

3. Welche Aussage ist falsch?❑ In der Entstauungsphase sollen

Kompressionsbandagen Tag und Nacht getragen werden.

❑ Die Bandagierung sollte unmittelbar nach der Manuellen Lymphdrainage erfolgen.

❑ Finger und Zehen müssen nicht mit bandagiert werden.

❑ Es sollte nicht zu einer Verschiebung des Ödems nach distal kommen.

❑ In der Erhaltungsphase reichen tagsüber meist Medizinische Kompressionsstrümpfe (MKS) aus.

4. Welcher Bestandteil gehört nicht zur Kompressionsbandagierung?❑ Schlauchverband❑ Hakenklammern❑ Unterpolsterung ❑ Kurzzugbinden❑ Mullbinden

5. Was gehört nicht zum P-L-A-C-E-System?❑ Anpressdruck der Bandagen❑ Anzahl der applizierte Lagen ❑ Länge der Binden❑ Verwendete Komponenten❑ Elastische Eigenschaften der

einzelnen Lagen

6. Welche Kompressionsstrümpfe werden beim Lymphödem meist verordnet?❑ Flachgestrickte, maßgefertigte MKS❑ Rundgestrickte MKS❑ Sportkompressionsstrümpfe❑ Stützstrümpfe❑ Medizinische Thromboseprophylaxe-

Strümpfe

7. Welche Aussage trifft nicht auf MKS beim Lymphödem zu?❑ Flachstrick passt sich besser an die

individuelle Körperform an.❑ MKS können ruhig locker sitzen.❑ Flachstrick verursacht seltener

Einschnürungen.❑ Geteilte Versorgungen erleichtern das

Anziehen.❑ Zusätze wie Pelotten oder Stretchein-

sätze verbessern die Passform.

8. Was ist beim Anpassen von MKS zu beachten: Welche Aussage ist falsch?❑ Anpassen durch einen lymphologisch

geschulten Bandagisten❑ Maßnehmen unter leichtem Zug❑ Aufmaß am besten direkt nach der

Manuellen Lymphdrainage❑ Aufmaß am Abend❑ Aufmaß am entstauten Körperteil

9. Was kann die Kompressionstherapie beim Lipödem nicht bewirken?❑ Reduktion der Ödematisierung❑ Reduktion des Spannungsschmerzes❑ Verbesserung des Gangbildes❑ Verbesserung der Beweglichkeit❑ Reduktion des Fettgewebes

10. Erysipel beim Lymphödem, was ist falsch?❑ Antibiotika sind kontraindiziert.❑ Lymphödempatienten haben ein

erhöhtes Erysipelrisiko.❑ In der Akutphase keine Kompressions-

therapie❑ Bei Besserung der Symptomatik

Kompressionstherapie rasch wieder aufnehmen

❑ Eine gute Lymphödemtherapie reduziert das Erysipelrisiko.

TeilnahmebedingungenBitte kreuzen Sie jeweils nur eine Antwort an. Die Landes-ärztekammer Nordrhein hat die CME-Fortbildung in diesem Heft anerkannt und bewertet die korrekte Beantwortung von mindestens 70 Prozent aller Fragen mit drei Punkten. Senden Sie den ausgefüllten Fragebogen per Fax an den Viavital Verlag GmbH. Sie erhalten von uns eine Bescheini-gung über Ihre Teilnahme. Bitte schicken Sie diese an Ihre Ärztekammer. Datenschutz: Ihre Namens- und Adress-angaben dienen ausschließlich dem Versand der Bestäti-gungen und werden nicht an Dritte weitergegeben.

CME-Fragen zur Kompressionstherapie beim Lip- und Lymphödem

Sie können auch online teilnehmen unter www.der-niedergelassene-arzt.de/nc/cme

Bei Online-Teilnahme werden die Punkte direkt an die Ärztekammer gemeldet.

Hier Ihre EFN eintragen:

Praxisstempel:

Diese CME ist gültig bis 08.03.2016 VNR 2760512015138700030

FAX:

0 8

9/75

54

797

bzw

. 0 8

9/75

96

79 11 Ich versichere, alle Fragen ohne fremde Hilfe beantwortet zu haben.

Name Straße, Hausnr. PLZ, Ort (oder Stempel) E-Mail-Adresse Ort, Datum Unterschrift