KONFLIKT IM EHEMALIGEN JUGOSLAWIEN URSACHEN - NATUR...

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Dr. Alois MOCK KONFLIKT IM "EHEMALIGEN JUGOSLAWIEN" URSACHEN - NATUR - AUSBLICKE (Veröffentlicht bei "Commentaire", Paris, Mai - August 1993) 1 1.VORBEMERKUNG Seit Juni 1991 herrscht mitten in Europa offener Krieg. Es handelt sich um einen echten, veritablen Krieg, wie er bis zuletzt kaum für möglich gehalten worden war. Er hat schon über 200.000 Menschen das Leben gekostet, Tausende zu Invaliden gemacht und Millionen in die Flucht getrieben. Die Anwendung bewaffneter Macht gegen die Bevölkerung hat keineswegs erst mit der massiven militärischen Reaktion der Jugoslawischen Volksarmee (JVA) auf die Unabhängigkeitserklärungen Sloweniens und Kroatiens am 25.6.1991 begonnen. Er hat vielmehr mit der stteten Eskalation der polizeistaatlichen Unter-drückungsmaßnahmen im Kosovo im 1 Veröffentlicht nach der freundlichen Genehmigung des österreichischen Aussenamtes Create PDF with PDF4U. If you wish to remove this line, please click here to purchase the full version

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Dr. Alois MOCK

KONFLIKT IM "EHEMALIGEN JUGOSLAWIEN"URSACHEN - NATUR - AUSBLICKE

(Veröffentlicht bei "Commentaire", Paris, Mai - August 1993)1

1.VORBEMERKUNG

Seit Juni 1991 herrscht mitten in Europa offener Krieg. Eshandelt sich um einen echten, veritablen Krieg, wie er bis zuletztkaum für möglich gehalten worden war. Er hat schon über 200.000Menschen das Leben gekostet, Tausende zu Invaliden gemacht undMillionen in die Flucht getrieben. Die Anwendung bewaffneterMacht gegen die Bevölkerung hat keineswegs erst mit der massivenmilitärischen Reaktion der Jugoslawischen Volksarmee (JVA) aufdie Unabhängigkeitserklärungen Sloweniens und Kroatiens am25.6.1991 begonnen. Er hat vielmehr mit der stteten Eskalation derpolizeistaatlichen Unter-drückungsmaßnahmen im Kosovo im

1Veröffentlicht nach der freundlichen Genehmigung des österreichischenAussenamtes

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Mock: Konflikt im ehemaligen Jugoslawien 2

Zusammenhang mit der gewaltsamen Aufhebung derAutonomierechte dieser konstitutiven Provinz der jugoslawischenFöderation (ab 1987) sowie mit der Exekution einer umfassendenStrategie der gewaltsamen Abtrennung teilweise serbisch besiedelterGebiete Kroatiens (ab Juli 1990) und Bosnien-Hrzegowinas (abSommer 1991) eingesetzt.

Die Frühphase des Konflikts wurde im übrigen Europa nuram Rande wahrgenommen, dr serbischen Führung gelang es langeZeit hindurch, die von ihr gelenkten Geschehnisse als eine Artinterne serbische,bzw. "interne jugoslawische" Angelegenheitdarzustellen und zu verharmlosen. Dabei profitierte sie vomtraditionllen Vertrauen der Welt in den Stabilisierungseffekt, derjahrzehntelang von Jugoslawien als Puffer zwischen dem Westenund dem Sowjetimperium ausgegangen war und dem Ansehen desLandes als blockfreier Staat, der noch dazu bis September 1991Vorsitzland der Bewegung war. Daneben verwendete die serbisch -jugoslawische Führung mit Erfolg eine Rhetorik der beidenWeltkriege dieses Jahrhunderts, um di internationale Meinung mitHilfe der von ihr praktisch exklusiv beherrschtenGesamtstaateinrichtungen ( wie z. B. das diplomatische Netz unddie Nachrichtenagentur TANJUG) zu beeinflussen.

Ein Titelbild des "Economist" vom Juli 1991 illustriertetreffend die damals in Europa weitverbreitete, naive, fastpseudoromantische Empfindung des Geschehens : Es zeigte einensauberen jugoslawischen Panzer vor einem blumengeschmüccktenBauernhaus in derr strahlenden Sommerlandschaft Sloweniens. DieÜberschrift hieß schlicht und ironisch: "Krieg in Europa".

Inzwischen ist es der Welt klar geworden,daß dieser Krieggenauso blutig und schmutzig ist wie die meisten Kriege. Die großeschwere Vernichtungsmaschineri der allein in serbische Händegelangten JVA zermaalmt seither ungebremst täglich neue Dörferund Städte. Die Zerstörungen sind unermeßlich, ihre Folgen werdenauf Jahrzehnte spürbar bleiben.

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Mock: Konflikt im ehemaligen Jugoslawien 3

Wie konnte es zu diesem Krieg kommen, wieso zerfiel die"Sozialistische Föderative Rpublik Jugoslawien" scheinbarunaufhaltsam in ihre Bestandteile? Hatte dieses Jugoslawien nicht -trotz aller inneren Kontraste und seiner Auslansschulden - einepassable wirtschaftliche und geistig-politische Ausgangsbasis?Welches sind die Gründe für die weitgehende Erfolglosigkeit derinternationalen Bemühungen um eine Wiederherstellung desFriedens und eine gerechte Vrhandlungslösung? Wie könnenEuropa und die Welt positiv Einfluß nhmen? Ich werde imfolgenden auf diese Fragen eingehen, wobei ich die politischEntwicklung Serbiens in den 80er Jahren bzw. den Zerfall ds jugosl.Staates etwas näher beleuchten werde.

2.) DER HINTERGRUND DES KONFLIKTS

Das erste, königliche Jugoslawien der Karadjordjevic :

Beim Entstehen des südslawischen "Königreichs der Serben,Kroaten und Slowenen" 1918 war die gemeinsame Staatsidee unterden rei konstittiven Völkern ziemlich unklar geblieben, einedemokratische Legitimierung für die Staatsgründung fehlte.Nachdem unvermeidlichen Hervortreten der Missverständnisse undKontroversen während der bald folgenden serbischenKönigsdiktatur in dem sich nunmehr "Jugoslawien" nennenden Staatprägte und Serben sein politisches Leben.

Das zweite Jugoslawien Titos:

Die während des 2. Weltkrieges blutig vertieften Gräbenzwischen den Völkern wurden von der kommunistischenNachkriegdiktatur überdeckt oder - besser geagt - unter den

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Mock: Konflikt im ehemaligen Jugoslawien 4

Teppich gekehrt. Von einer auch nur halbwegs objektivenAufarbeitung der Kriegsgeschehnisse konnte keine Reesein,vielmehr wurde von den siegerischen Kommunisten auch aufthnischer Basis,neues Unrecht zugefügt, die Bevölkerung ganzerLandstriche wurde ermordet, in Lagrn interniert oder vertrieben. Einöffentliches Eingeständnis solcher Schuld, zumindest durch diedirekten politischen Nachfolger der seinerzeitigen Täter und eineumfassende und freimütige öffentliche Diskussion hat - imUnterschied zu ähnlichen fällen in anderen Reformstaaten - imehemaligen Jugoslawien ebensowenig stattgefunden wie im neuen,im April 1992 von Serbien und Montenegro gebildeten Staat.

Nach 1945 war die föderale Staatsstruktur des Mitten imKrieg im bosnischen Jajce ausgerufenen 2. kommunistischenJugoslawiens mit seinen 6 Republiken (die historischen LänderBosnien-Herzegowinaa und Montenegro wurden wiederbelebt,Mazedonien kama neu hinzu) anfangs aufgrund der dominierendenRolle Titos und der Kommunistischn Partei ohne große Bedeutung.Erst allmählich, vor allem mit der pronociert föderalen Verfassungvon 1974, wanderten wesentliche Teile der Macht auch de facto indie Republiken und die zwei hinzugekommenen kontitutiven"Autonomen Provinzen" Vojvodia und Kosovo.

Titos Tod 1980 und die Folgen

Nach dem Tod Titos 1980 begann sich die jugoslawischeKrise zu vertiefen. Einerseits fehlte die Autorität des verstorbenenDiktators, andererseits akzentierte sich auch aufgrundWeltwirtschaftskrise der ökonomische Katzenjammer, der aber zumallergrößten Teil selbstverschuldet war: die politische Stabilität nachdem absehbar gewesenen Tod Titos war schon in den Jahren davordurch exorbitante Auslansdalehen erkauft worden. Mit Hilfe einergeschickten Schaaukelpolitik zwischen NATO und WarschaauerPakt hatte die kommunistische Führung di Jugoslawische Armee

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ohne Rücksicht auf die Kosten zu einer der hochgerüstetstenArmeen Europas ausgebaut.

Ohne Marktwirtschaft oder sonstige Leistungsanreize erwiessich Jugoslawiens Wirtschaft als unfähig, den Preis für dievielfältigen, bereits gelieferten Leistungen des Auslandes zuerbringen. Die Krise und die schmerzlichen Stabilisierungs- bzw.Sparprogramme der Führung wurden allerdings weiterhin durchTransferzahlungen jugoslawischer Gastarbeiter aus dem Auslandund die Deviseneinnahmen einzelner kompetitiver Industriezweige,vor allem aber durch die Fremdenvrkehrseinnahmen entlang derMittelmeerküste gemildert.

Jugoslawien zwischen 1989 und 1991: An der Kippezwischen Evolution und Zerfall

Insgesamt hatte Jugoslawien in der zweiten Hälfte der 80-erJahre noch reale Aussichten, die Krise in den Griff zu bekommen,indem der eingeleitete evolutive Wandel zu eeinem relativ liberalenStaat und zur Marktwirtschaft fortgeführt wurde. Auf dem Gebietder Menchenrechte und Demokratie wurden regional teils echteFortschritte erzielt. Tragischerweise wurden in der entscheidendenPhase ab ca. 1987 die Chansen auf ein wirtschaftliches "Abheben"von außer Kontrolle geratenen nationalen Ambitionen eeingeholtund begraben. Hiefür isst neben der vom kommunistischen Systemverursachten tiefen Wirtschafts-, aber auch moralischen Krise dieregionaal völlig unterschiedliche Bereitschaft zu Demokratie undToleranz verantwortlich. Ein weiterer entscheidender Grund für dieschwere der ausgebrochenen Konflikte liegt in derInstrumentalisierung der überdimensionierten Armee durch eineeinzige Nation. Nicht zuletzt fehlte - durchaus zur anfänglichenÜberraschung derer, die Gewalt anwendeten - jede Bereitschaft derStaatengemeinschaft, eine Störung dess Friedens in Europa effektivzu verhindern.

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Die Beziehungen Österreichs zu Jugoslawien in den 80erJahre

Österreich hat sich angesichts der jugoslawischen Kriseaufgrund seines natürlichen Interesses, von wirtschaftlich gesunden,möglichst der demokratischen Werte-gemeinschaft angehörendenStaaten umgeben zu sein, intensiv um eine positive Entwicklung undKonsolidierung Jugoslawiens bemüht. In der Zeit der relativenLiberalisierung Jugoslawiens Mitte der 80er Jahre hat sich meinLand imm Rahmen der EFTA nachrücklich dafür eingesetzt,Jugoslawien in den Genuß eines EFTA- Hilfsfonds nach demVorbild des seinerzeitigen EFTA-Fonds für Portugal gelangenn zulassen und dabei sogar die Zurückhaltung anderer EFTA- Mitgliederüberwunden. Jugoslawischerseits ist Österreichs Bemühen damalssehr gechätzt worden. Der kontinuierliche Besuchsaustausch aufEbene der Reegierungsschefs, Außenminister und der Fachministerbis in das Jahr 1991 dokumntiert unsere steten Bemühungen umWeiterentwichklung der guten bilateralen Beziehungen mitJugoslawien und seinen Teilrepubliken. Parallel zum Aufschwung imbilateralen Handelsaustausch hat Österreich Ende der 80er Jahre diekulturell- wissenschaftliche Zusammenarbeit intensiviert. Die Zahldr österreichischen Lektorn in Jugoslawien wurde vedoppelt,wichtige künstlerische Austellungen, vor allem in Belgrad, aber auchin Skopje und Laibach wurden durchgeführt und di Festlichkeitenim Zusammenhang mit dem Gedanken an den serbischenSprachforscher Vuk Karadzic im Jahr 1987 bezogen in besondererWeise Wien mit ein, wo dieser Gelehrte des 19. Jahrhunderts denGroßteil seines Lebens verbracht hatte.

Das national-kommunistische Serbien Milosevics undder Kosovo

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Aufgrund der weitreichenden Auswirkungen möchte ich imfolgenden näher auf die entscheidende Entwicklungsphase derserbischen Politik eingehen:

1986/87 entzündete sich innerhalb der kommunistischenPartei Serbiens ("Bund der Kommunisten Serbiens") einkonsequenzenreicher Streit über die künftige politische Ausrichtungdes Landes. Die serbische Akademie der Wissenschaften undKünste hatte ein längeres "Memorandum" über die Lage derserbischen Nation ausgearbeitet, welches am 24. September voneiner Belgrader Tageszeitung auszugsweise veröffentlicht wurde.Seither haben die in diesem Mmorandum enthaltenen Gedankenwesentlich die Politik der wenige Monate danach an die Machtgekommenen serbischen politischen Führung unter SlobodanMilosevic geprägt. Beherrschnde Grundlage des Memorandums istdie These, daß "seit den Zeiten der Komintern" eine Politik geführtwerde, wlche " das serbische Volk bedrohe". Ganz im Stil einesVerschwörungsmanifestes kommunistischer oder national-sozialistischer Manier ist von " geeimen Koalitionen " zwischenKroatien und Slowenien, einer " raffinierten, taktkräftigenAssimilierungspolitik der Serben in Kroatien", einem " physischen,politischen, rechtlichen Geenozid an der srbischen Bevölkerung vonKosovo und Metochia" und von einer seit der Zwischenkriegszeitstattfindenden "wirtschaftlichen Ausbeutung und PlünderungSerbiens" die Rede. Der damalige,noch tioistisch eingestelltePartichef Serbiens, Ivan Stambolic, hat die nationalistischenGefahren des Memorandums klar erkannt und ausgesprovcen. "Einige Wissenschaftler der Akadmie" hätten " die Krise des Landesbenutzt, um neben vieler offener Fronten auch noch ihre Front desnationalistischen Kampfes um die Macht zu eröffnen". LautStambolic hätte das Memorandum eigentlich " In Memoriam "heißen sollen und zwar als " Stoß in den Rücken Jugoslawiens,Serbiens, des Sozialismus, der Selbstverwaltung, derGleichberechtigung und de Brüderlichkeit und Einigkeit ".

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Als nach einigen Monaten des Tauziehens innerhalb desBundes der Kommunistischen Serbiens die Unterstützer desMemorandums die Oberhand behalten und die Parteiführungausgetaucht hatten, ging deren neuer Chef, Slobodan Milosevic, mitZielstrebigkeit daran, seine dem Memorandum entsprechendenpolitischen Ziele zu verwircklichen : Eine Rezentralisierung undeindeutige serbische Beherrschung der jugoslawischen Föderationbzw.- nachdem sich dies angesichts des Widerstandes der nördlichenRepubliken als undurchführbar erwies - die Schaffung eines alleserbischen Siedlungsgebiete einschließenden großserbischen Staates.

Ab Mai 1987 setzte sich Milosevic an die Spitze einerserbischen Massenbwegung, welche die Ausschaltung derkommunistischen Parteiführungen des Kosovo und ein massivesVorgehen der Sonderpolizei gegen Demonstranten sowie dieVehängung von Sondermaßnahmen über den Kosovo2 (wasschließlich am 27.2.1989 geschah3 verlangten. Im Hinblick auf diemanifste Tendenz zur Gewaltanwendung sprach ich anläßlichmeines letzten offiziellen Besuches in Belgrad im Mai 1988 dendamaligen Außenminister Dizdarevic auf damals eingeleitetemilitärische Unterdückungsmaßnahmen im Kosovo an. Dizdarevicversicherte mir, man sei sich bewußt, daß man dises Problem"politisch lösen" (Kursiv d. Red.) müsse. Im Gegensatz dazuwurden jedoch in den folgenden Jahren die Repressionsmaßnahmenim Kosovo verschärft und die Selbstständigkeit der AutonomenProvinz Kosovo stuffenweise durch einseitige, im Widetspruch zurjugoslawischen Verfassung stehende Maßnahmen eingeschränkt, dieschließlich in der Auflösung des Provinzparlaments und derProvinzregierung durch das serbische Parlamnt am 5. Juli 1990gipfelten.4 Damit war der Bruch mit der Bundesverfassung 1974vollzogen und Jugoslawien aus den Angeln gehoben. Daß man im

2siehe Pressereaktionen3siehe Pressereaktionen4siehe Pressereaktionen

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Falle Serbiens nicht von einer Sezesion von Jugoslawien sprach,hatte seine Gründe in der Größe Serbiens, der doppelten IdentitätBelgrads als serbische und jugoslawische Hauptstadt und dererfolgreichen Monopolisierung des Begriffs " Jugoslawien " durchdie serbische Führung, verbunden mit der faktischen Inbesitznahmder JVA und anderer gesaamtjugoslawischer Institutionen.

Die neue serbische Verfassung vom 28. September 1990 warbereits auf die Existenz eines souveränen, selbständigen Serbienzugeschnitten und enthielt nur wenige Bestmmungen über dasVerhältnis der Republik zur Föderation. Gemäß ihrenBestimmungen wurden die beiden Provinzen zwar einerseits defacto bloße Landsteile Serbiens, andererseits benützte jedoch dieserbische Führung deren Stellung als formal konstitutive Elementeder jugoslawischen Föderation weiterhing als wertvolles Vehikel,um jede Belgrad nicht genehme Mehrteitsentscheidung imachtköpfigen Staatspräsidium zu verhindern: nach derGleichschaltung auch Montenegros auf Milosevic- Kurs verfügteder "serbische Block" praktisch über vier Stimmen in diesemGremium (Serbien, Vojvodina, Kosovo, Montenegro).

Österreich aktiviert die internationalen Sicherheitsmaß-nahmen

Österreich hatte im Gefolge der schwerenMenschenrechtsverletzungen und Unterdrückungsmaßnahmen imKosovo und den dagegen gerichteten Protesten der Bvölkerunggemeinsam mit anderen Staaten die erste Stufe des KSZE-Mechanismus der menschlichen Dimension gegenüber Jugoslawienausgelöst.5

Angesichts der verschärften Repression im Kosovo wandteÖsterreich am 8./ 9. Mai auch die Zweite Stufe des KSZE-

5siehe Pressereaktionen

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Mechanismus der menschlichen Dimension (bilateraleKonsultationen) wegen der Menschenrechtssituation im Kosovo an.Bedauerlicherweise folgte kein einziges weiteres KSZE-Mitgliedsland dieser Initiative.

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Nach dem Ende der KP füllt die serbisch beherschteArmee das politische Machtvakuum und wird gegenSlowenien und Kroatien aktiv

Mit dem staatlichen Zerfallprozeß ging dasAusseinanderbrechen dr jugoslawischen KP einher : im Jänner 1990war es beim 14. außerordentlichen " Kongreß der KommunistenJugoslawiens " zum Höchenpunkt des Konflikts zwischen derserbischen Parteiorganisation und der slowenischen gekommen,welche an der Spitze der politischen Reformbestrebungen stand.Der grundsätcliche Richtungsstreit, der sich an der slowenischenEntschlossnheit zur Einführung einer echten, pluralistischenDemokratie entzündete, war durch das vehemente EintretenSloweniens für die Rechte des Kosovo und der albanischenBevölkerung verschäft worden und hatte Ende 1989 zum Ausbruchder politischen, kulturellen und wirtschaftlichen BeziehungenSerbiens zu Slowenien geführt. Beim 14. Kongreß wurde diesloweniche Parteiorganisation in den meisten ihrer Forderungenüberstimmt und verließ hierauf den Kongreß, der im weiterenVerlauf vertagt und nie mehr fortgesetzt wurde. Damit war dieExistenz der kommunistischen Partei, die im Jugoslawien Titos dieRolle des Integrationsfaktors ausgeübt hatte, beendet. Der Bund derKommunisten Jugoslawiens hatte sich in seiner Gesamtheit alsreformunfähig erwiesen. Es war deutlich geworden, daß sich derDemokratisierugesprozeß auf der Ebene der Teilrepubliken nichtauf die Bundesebene fortsetzte.

Somit war es bereits im Jahr 1990 offenkundig geworden,daß mit dem Zusammenbruch der bisherigen Verfassungsordnung (eineitige serbische Aufhebung der Autonomien / Juli 1989,Anzettelung von Unruhen in Kroatien / Juli 1990, ssrbischeWirtchaftsboykott Sloweniens ab Herbst 1989 bzw. SerbischeFerfassung / Sept. 1990 und dem Ende der gesamtjugoslawischn KPder jugoslawische Staat in seiner bisherigen Form nicht aufrecht zuerhalten war. Serbien nutzte das entstehende Kräftevakuum zur

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Konsolidierug seiner militärischen Position : Im Gefolge der erstndemokratischen Mehrparteienwahlen im April und Mai 1990 inSlowenien und Kroatien beschloß die nunmehr von Serbienbeherrschte jugoslawiche Staatsführung im Mai 1990 dieEntwaffnung der slowenischen und KroatischenTrritorialverteidigung. Diesem Schritt folgte die eigntlichHerauslösung serbisch besiedelterr Gbiete der Rpublik Kroatien.Hieebei ging die serbische Hührung zuerst in der Krajina unddanach in Slawonien (ebenso wie später auch in Bosnien -Herzeowina) nach dem gleichen Schema vor : Schaffung einesKlimass von Unruhe und Furcht in den betreffendenSiedlungsgebieten, Bewaffnung der Angehörigen der serbischenMinderheit, Auslösen von Zwischenfällen, Entsendung serbischerFreischärler, Eingreifen der JVA, "um die Stretiteileauseinanderzuhalten", Übernahme der Kontrolle dieser Gebietedurch die JVA, offenes Eingreifen der JVA in die Kampfhandlungenauf serbischer Seite, vertreibung der kroatischen Bevölkerung. DerZeitablauf war folgender: Juni 1989 - serbischeMassenkundgebungen gegen die jroatische Verwaltung in Knin; Juli1990 - Beginn der bewaffneten Revolte und Einrichtung eineeigenen serbischen Verwaltung in der kroatischen Krajina; Februar1991 - serbischer Aufstand in Slowenien; 1. April 1991 - Erklärungdes "Nationalrate" des "Serbischen Autonomen Gebietes Krajina"über die Vereinigung mit Serbien.

Während sich die Bevölkerung Sloweniens bereits am 23.Dezember 1990 mit überwältignder Mehrheit in einerVolksabstimmung für die Unabhängigkeit und Souveränität drRepublik ausgesprochen hatte, fand die etsprchendeVolksabstimmung in Kroatien erst am 19. Mai 1991 statt. Auch dieWähler Kroatiens stimmten mit klarer Mehrheit für dieSelbständigkeit des Landes. Vier Tage davor hatte der " serbischeBlock " im jugoslawischen Staatsspräsidium die Wahl desturnusmäßig von Kroatien stellenden Vorsitzenden dieses oberstnzu Staatsorgans verhindert.

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Erste internationale Friedensbemühungen

Spätestens ab diesem Stadium war der Bedarf einerHilfsleistung der Staatengemeinschaft bei der Lösung derjugoslawischn Krise offenkundig. Ich habe daher Anfang Mai 1991den Vorschlag eines europäischen Weisenrates gemacht, m einefriedliche und demokratische Löung der Krise zu erleichtern unddiesen anläßlich der KSZE - Ministerkonferenz in Berlin mit US-Außenminister Baker, dem ungarischen Außenminister Jesznsky unddem holländischen Außenminister Van den Broek rörtet. Nach sinerRückkehr aus Blgrad, wo er am 21. / 22.. Juni im Anschluß an dasBerliner Treffen weilte, teilte mir Außenminister Baker mit, daßmein Vorschlag für einen Wiesenrat von der jugoslawischenRegierung abgelehnt wird. Bekanntlich ist die Idee dann nach demAusbruch der Krise in Slowenien in Form der Haager Konferenzsowie in der Bestellung von Lord Carrington als EG- Vermittlerverwircklicht worden, doch war es dann schon zu spät. Auch diefrühzeitig von Österreich geforderte, zunächst aber ebenfalls nichtralisierte Einschaltung der Verinten Nattionen in denJugoslawienkonflikt erwies sich später als unvermeidbar.

Serbien geht zum offenen militärischen Kampf über

Als Anlaß für das massive militärische Vorgehen, welchesinzwischen zum blutigsten Krieg in Europa seit Jahrzenten ausgartetist, hat die serbische Führung bekanntlich die FormaleInkraftsetzung der Unabhängigkeit Kroatiens und Sloweniens am25. Juni 1991 gewählt. Dies reeleichterte es, das eigene gewaltsameVorgehen als " legitime Reaktion " darzustellen und internationalenGegenmaßnahmen gegen diesen eklatanten Bruch der europäischenFriedensodnung vorzubeugen.

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Mock: Konflikt im ehemaligen Jugoslawien 14

Aus dem Vorgesagten und der Chronologie der Ereignissngeht deutlich hervor, daß der Konflikt keineswegs etwa erst durchdie ein halbes Jahr später erfolgte Anerkennung Sloweniens undKroatiens ausgelöst wwurde. Vielmehr bewirkte derGrundsatzbeschluss der EG vom 16. 12. 1991, dies Staaten einMonat aapäter anzuerkennen, daß Serbien am 2. 1. 1992 einem vonC. Vance vermittelten Waffenstillstand zustimmte und damit dieVoraussetzungen für die Ingangsetzung des Vance-Planesgeschaffen wurden.

Nach österreichischer Ansicht waren die demokratischenEntschidungen einzelner Republiken für Unabhängigkeit in demkonkreten Kontext zu respektieren, weil sie in überzeugender,demokratischr und friedlicher Weise und in Ausübung der von derjugoslawischen Verfassung eingeräumten Rechte erfolgten. Dasösterreichische Parlament und die österreichische Bundesregierungverurteilten mehrfach nachdrücklich die Ge-waltanwendung derJVA gegenüber Slowenien und Kroatien und befürworteten dieinternationalen Freidensbemühungen.

Wesentlich für die Gesamtbeurteilung erschien auch, daßdiese Entscheeidungen erst aufgrund des gravierenden serbischenVerfassungsbruchs und ange-sichts der beharrlichen WeigerungSerbiens getroffen wurden., über die von Slowenien und Kroatienmehrfach vorgeschlagene Reform des Gesamtstaates ernsthaft zuverhandeln. Auch die Begegnungen der jugoslawischenRepublikspräsidenten im Verlauf des Winters 1990 / 91 bliebenerfolglos. Ende Mai sprach sich das kroatische Parlament schließlichfür die Errichtung eines Bundes souveräner Staaten aus ; auchdiesbezügliche Verhandlungen zwischen den Regierungen der sechsRepubliken scheiterten.

Bosnien-Herzegowina als nächstes Objekt der groß-serbischen Strategie

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Die vorläufig letzte Etappe der serbischen Strategie, dieEroberung der serbisch besiedelten Gebiete von Bosnien-Herzegowina (B-H), begann im September 1991 mit der Ausrufungmehrerer " Serbischer Autonomer Regionen " B-Hs, die sich am 9.Jänner 1992 in der "Republik der Serben in B-H " vereinigten. Kurznach der von der EG als Bedingung für ie Anerkennung des Staatesgenannten Volksabstimmung über die Unabhägigkeit B-Hs(29.2./1.3.1992), die von der Mhrheit der serbischen Bevölkerungboykottiert wurde, begannen die Kampfhandlungen zwischenSerben auf der einen und Moslems sowie Kroaten auf der anderenSeite. Am 4. April 1992 erklärte die "Republik der Serben in B-H"ihre Unabhängigkeit, zwei Tage später wurde die Republik B-H vonder EG und den USA als unabhängiger Staat anerkannt. Mit Hilfeder in "Serbische Streitkräfte von B-H" ungewandelten Einhiten derJVA konnte die srbische Seite hierauf etwa zwei Drittel desStaatsgebietes von B - H unter ihre Kontrolle bringen.

Jedenfalls hätte sich B-H angesichts des serbischenVorgehens auch im Falle einer Nichtanerkennung nur durch dievöllige Selbstaufgabe vor der blutigen Tragödie retten können.

Milosevic hat somit wesentliche Teile seines Programmes defacto verwircklicht. Aussständig ist die formelle Vereinigung dereroberten Gebiete B-Hs und Kroatiens mit Serbien, die endgülttige"Bereinigung" Kosovo-Problems" (Kursiv d. Red.) undmöglicherweise analoge Schritte in der Vojvodina sowie einVorrgehen gegen Mazedonien.

3.) NATUR DES KONFLIKTS

Serbiens Besessenheit vom Kampf um Territorien

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Aus der ideologischen Grundlage und dem Ablauf desKonfliktes geht deutlich hervor, daß es sich dabei um ein sorgfältigkalkulierten Angrifs- und Eroberungskrieg Serbiens undMontenegros handelt. Am Kern vorbei gehen daher die immer nochverbreiteten Stereotypen vom Bürgerkrieg sowie die von derBelgrader Propaganda forcierte These des ethnischen oderreligiösen Konfliktes. Gerade die Geschichte des Konfliktes in B-Hunterstreicht, wie sehr dieser dem überwältigenden Teil derBevölkerung durch die als verlängerter Arm Milosevics agierendeFührung der Serbichen Demokratischen Partei (SDS), unterFührung des Psychiaters Dr. Karadzic aufgezwungen wurde.

Die Verstörung des Westens im Angesicht einesaltmodischen Eroberungskriegs

Der Krieg in B - H wirft eine Fülle grundsätzlicher Fragenbetr. die internationalen Sicherheitsmechanismen und dieFähigkeiten gerade dr demokratischen Staaten auf,außerordentlichen effizient und unbürokratisch zu begegnen.

Gleichzeitig stellt sich die Frage nach dem Funktionieren derMedien als wichttige, kontrollierende und korrigierende Säule derwestlichen Demokratien. Immerhin ließen die Milizen der SDS inSarajevo - vor den Augen der Fernsehkameras der Welt - AnfangApril 1992 mit ihren Schüssen in Demonstrationen für den Friedenund das ungestörte Zusammenleben aller Volksgruppen des Landeskeinen Zweifel daran. wr den Krieg wollte und wer ihn ablehnte.Dennoch kam es im Westen zu keinerlei Proteststurm oder zuSolidaritätsdemonstrationen wie dies bei wesentlich entfernterenbzw. weniger konkreten Friedenssbedrohungen der Fall gewesenwar.

Diee Reaktion der internatioalen Staatengemeinschaft auf dieVorgänge in Jugoslawien war durch mangelndes Verständnis derZusammenhänge, Fehleinschätzung vorhersehbarer Entwicklungenund den Einsatz untauglicher Mittel zur Bekämpfung der Kriese

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gekennzeichnet. Die Haltung einiger europäischen Staaten war undist darüber hinaus durch eine historische Freundchaft zu Belgradsowie den Wunsch beeinflusst, mit Serbien als einem auch inZukunft wichtigen Staat der Balkanregion eine besondereGesprächsbasis zu erhaalten.

Zu einem Zeitpunkt, als der Zerfall der SFRJ - für jedermannsichtbar - unausweichlich geworden wr, trat dieStaatengemeinschaft in ihrer überwiegnden Mehrheit für den "Erhalt von Jugoslawien" ein und brachte in unmissverständlicherWeise die Ablehnung "seeparatistischer Tendnzen" der nördlichenRepubliken zum Ausdruck. Der von Slowenien und Kroatien imOktober 1990 gemachte Vorschlag für eine Konfödration souvränerjugoslawischer Staaten, der noch am 6. Juni 1991 von Mazedonienund B - H in etwas abgeänderter Form wiederholt wurde, erhieltnicht die notwendige massive internationale Unterstützung, die ihmgegenüber der ablehnenden Haltung Serbiens zumindest den Funkeneiner Chance gegeben hätte.

US - Außenminister Warren Chritopher hat in der erstenErklärung der neuen US - Administration zum Konflikt, am 10.Februar 1993, von "Versäumnissen des Westens der letzten beidenJahre" gesprochen. Dieser hätte mehrere Gelegenheiten zu einemrechtzeitigen, wirksamen Engagement verpaßt. Ein klares und frühsSignal hätte "wesentlich zur Verhinderung der Angriffe, desBlutvergießns und des ethnic cleasing " beitragen können.

Anstatt den Konflikt durch die sofortige AnerkennungSloweniens und Kroatiens zu internationalisieren und dies mit einerglaubhaften Warnung an Serbien zu verbinden, daß ein gewaltsamesVorgehen gegen die neuen Staaten nicht akzeptiert wrden würd,vermittelte die Staatengemeinschaft durch ihre Haltung in Belgradden sicheren Eindruck, daß die groß- serbische Exxpansion unterdem Deckmantel einer Verteidigung des alten jugoslawischenStaates toleriert würde. Erst angesichts der von der srbischenArmee angerichteten Zerstörungen, der zahllosen Menschenopferund sich häufender Berichte über systematische Verletzungen der

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Menschrchte fanden sich die Regierungen über Druck dröffentlichen Meinungen und der Regierungen über Druck deröffentlichen Meinungen und der nationalen Parlamente dazu bereit,das Vorgehen Serbiens zu verurteilen.

Da die längere Zeit hindurch kein einziger Staat dieBreitschaft zu militärischen Zwangsmaaßnahmen zeigte, versuchteman der von Serbien ohne Rücksichtsnahmen eingesetzten Gewaltmit diplomatischen und politischen Mitteln zu begegnen. Durch diefast täglich wiederholte Feststellung, daß ein militärisches Eingreifennicht in Frage komme, begab sich die Staatengemeinschaft aberihres wichtigsten Druckmittels für die Verhandlungen und nahm derserbischen Führung jeglichen Anreiz, von der gewaltsamenVerfolgung ihrer Ziele abzulassen. Wahscheinlich hätte einentschiedenes internationales Vorgehen in einem frühen Stadium,wenn nötig unter Einsatz militärischer Mittel, die Ausweitun desKonfliktes und seine bekannten tragischen Folgen verhindernkönnen. Jdenfalls sind solche Maßnahmen mit jedem Monat desZuwartens unvergleichlich schwwieriger und kostspieligergeworden.

Scheinkompromisse in den Konferenzräumen,Überlebenskampf vor Ort

Es rächt sich nun di gewisse Tendenz der internationalenOrganisationen und insbesondere der multilateralen Diplomatie,slbst dann noch formale Kompromisse als Erfolg zu sehen undklaren Worten aus dem Weg zu gehen, wenn die Grundprinzipiender Staatengemeinschaft in Frage stehen und Zaudern für tausendeMenschan den Tod bedeuten kann. Die unzäligen Stellungnahmenund Resolutionen der Vereinten Nationen ( VN ) im Zusammenhangmit dem Konflikt, in denen viel zu oft pinlich vermieden wurde, denNamen der Streitmacht zu nennen, welche die Verbote der VNmißachtet und zivile Ziele beschießt, kann nicht ohne Auswirkungen

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auf das Denken und das Handeln in der realen Welt bleiben. Einsolcher Naturalismus, welcher einer uninteressierten, distanziertenAbscheu entspringt, scheint eine typische Schwäche unsressogenannten postmodernen Europa (Kursiv d. Red.) zu sein, demtrotz oder sogar wegen seines Wohlstandes und dem niee gekanntenMaß an Freizeit seiner Bürger Ziele und Orientierungen abhandenkommen. Mit Formeln wie "Das Schlachten aller gegen alle aufdem Balkan" für welches "jede der Kriegsparteien Schuld trägt"(Kurs. d. Red.), wird das eigene Kopf-in-den-Sand-Steckengerechtfertigt. Die Implizierung gleichmäßiger Schuld dientunbeabsichtigt dem Bstreben des Agressors, den Hergang desKonflikts zu vernebeln und im Westen die Furcht vor dem"Versinken im Balkansumpf" zu fördern. Die Opfer des Konfliktsaber, welche ihre eigene Freiheit und das für Europa typischePrinzip der Vielfalt und kulturellen Durchmischung verteidigen,hätten wahrlich Anpruch auf eine entscheidenere, tatkräftigereUnterstützung Europas und der Welt verdient. Vukovar, Osijek,Dubrovnik, Sarajevo, Tuzla, Gorazde, Srebrenica, Bihac und dieanderen, namenlosen Städte und Orte Kroatiens und B-Hs stehenfür diese hohen europäischen Werte.

Trotz der täglichen Todesgefahr ihrer Redakteure erscheintweiterhin "Oslobodjenje", die wichtigste Zeitung Sarajewos, derenTitel bezeichnenderweise "Befreiung" bedeutet. Auch mehrereandere Zeitschriften setzen sich mit der schrecklichen Gegenwartintellektuell auseinander. Es geschieht dies im traditionellmultikulturellen und toleranten Klima Sarajewos, alle Nationalitätenwirken im Fernehen und den anderen Medien zusammen. Ich sorgemich um das Urteil, wlches diese Menschen über Europa und dieWelt fällen werden, welcvhe nicht imstande sind, zumindest dieKanonn und die Scharfschützen, die täglich Tod und Zerstörungverbreiten, zum Schweigen zu bringen.

Was Kroatien anlangt, sccheinen viele zu vergessenn, wieschwer dieses Land durch den ihm aufgezwungenen Krieg inMitleidenschaft gezogen ist. Ich erinere nur an die Kriegstoten und

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die Zerstörung von Städten und Dörfern, die fortdauerndeOkkupation von über einem Viertel des Territoriums, diepermanente Bedrohung durch die übermächtige serbische Armee,die buchstäbliche Strangulierung des Landes an seiner engsten Stelleentlang der Nord - Süd - Straßenverbindung und -wahrscheinlicham schwerwiegendsten - die Bewältigung der Versorgung von700.000 Flüchtlingen, von denen noch dazu der GroßteilStaatsbürger von B - H sind.

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4.) AUSBLICKE

Kein Frieden ohne eine grundlegende Änderung derPolitik und Ideologie Serbiens

Naturgemäß können über die künftigen Entwicklungen imKonflikt auf dem Balkan keine seriösen Vorhersagen getroffenwerden Allerdings kann man mit Sicherheit annehmen, daßMilosevic nur mit Gewalt zu einer Änderung seiner bisherigenPolitik zu bewegen wäre, soferne es ihm nicht geelingt, aufgrundeiner geänderten Konstellation im Verhältnis der Mitglieder derStaatengemeinschaft auf "friedlichem Weg" Groß-Serbien zuverwirklichen. Auf eine ssolche Weise würden sich die Mitteländern, das Ziel bliebe gleich! Das Belgrader Regim wird sein Zielder Schaffung und Konsolidierung eines groß - serbischen Staatesmit allenfalls variablen Mitteln weiterfolgen. Die gegenSerbien/Montenegro verhängten Wirtschaftssanktionen zeigen zwartrotz zahlreicherr Durchbrechungen eine zunehmende Wirkung, vonder maturgemäß in erster Linie die Masse der Bevölkerungbetroffen ist. Ob dies zu dem erhofften Widerstand gegen Milosevicund sein Regime führen wird, erscheint angesichts einer gewissenserbischen Tradition, den "Kampf gegen die ganze Welt" (Kurs. d.Red.) als Teil des Schicksales des serbischen Volkes zu akzeptieren,ebenso wie mangels einer glaubhaften Opposition mehr als fraglich.Hinzu kommt die völlige Regierungskontrolle über das außerhalbBelgrads praktisch konkurrenzlose Schlüsselmedium Fernsehen.

Von großer Bedeutung für die Beeinflussung der serbischenÖffentlichkeit ist das vielfach in Gesten und Symbolen aablesbareVerhalten der Staatengemeinschaft gegenüber dem Land und seinemRegime. Die fast täglichen Fernsehbilder von westlichenStaatshäuptern und führenden Politikern, welche - auch ohnezwingenden Zusammenhang mit dem sogenannten"Verhandlungsprozeß" - nach Belgrad reisen und mit oft strahlender

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Miene Hände schütteln, verfestigen bei der Bevölkerung Serbiensdie Überzeugung, daß sei bei Milosevic letztlich doch gutaufgehoben ist, die internationalen Verurteilungen und Sanktionennur der momentanen, "gegen Serbien verschworenen"Mächtekontellation entspringen und man nur noch durchhaltenmüsse,bis in Moskau endlich wieder "die Freunde Serbiens" dasSagen haben.

Österreichs Interesse an einer Freundschaft mit Serbien

An dieser Stelle möchte ich unterstreichen, daß dieRegierung und die Bevölkrung Österreichs grungsätzlich an derWiederbelebung dr bis vor kurzem intensiven und frundschaftlichenBeziehungen mit Serbien un Montenegro bzw. dem serbischen Volkinteressiert sind. Ich habe nie Zweifel daran gelassen, daß Österreichdem serbischen Volk positiv gegenübersteht und diefreundschaftlichen Beziehungen mit ihm weiter entwickeln möchte.Selbstverständlich sind die Rechte der serbischen Volksgruppeaaußerhaalb Serbiens, insbesondere auch in Kroatien, zurespektieren; Österreich hat sich stets in diesem Sinne geäßert undinsbesondere auch auf die Notwendigkeit der Gewährleistungpolitzischer Rchte für alle Minderheiten verwiesen.

Ich habe mich während des gesamten Vrlaufs der Kriseständig behmüht, Kontakt zu führenden serbischen Politikern (wieAußenminister Jovanovic) zu halten und auch solchePersönlichkeiten empfangen, die uns sehr kritisch gegenüberstanden.Ministerpräsident Panic hat mich am 21. Oktober 1992 besucht. Derserbische Parlameentsspräsident Bakocevic und dermontenegrinische Außenminister Samardzic waren Gäste in Wienund hatten u.a. Gelegenheit, ihre Standpunkt in ausführlichenFernseh-interviews der breiten österreichischen Öffentlichkeitnäherzubringen.

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Die Kritik, welche von Österreich bereits zu einem frühenZeitpunkt gegenüber dem gewaalttätigen Vorgehen der BelgraderFührung geäßert wurde, widerspricht keineswegs dem konstantenWillen Österreichs zur guten Nachbarschaft mit Serbien. InWahrheit liegt es im wohlverstandenen, langfristigen Interesse derSerben selbst, aus der momentanen Verirru-ng,in welche sie eineebenso skrupellose wie geschickte und vorläufig scheinbarerfolgreiche Führung hineinmanövriert hat, möglichst schnellherausgeführt zu wrden. Auch in Österreich sind in diesemJahrhundert bereits einmal sehr viele Menschen von denVerlockungen eines, vermmeintliche Größe und Glorieversprechnden, gewaltätigen Regimes verführt worden. Umso mehrwäre es den Serben, einem im täglichen Leben für Hilfsbereitschaftund Herzlichkeit bekannten Volk, zu wünschen, daß es das ihmbevorstehende Trauma des Übergangs zu einem normalen Leben miteinen Nachbarvölkern möglichst unblutig meistert und rasch diePersönlichkeiten, die ihm hiefür den Weg zeigen können, aus seinerMitte hervorbringt. Tatsächlich müssen die Serben - nicht unähnlichdem russischenn Volk - den Verlust eines größeren Staates, umnicht zu sagen Imperiums, mit allen damit verbundenenFrustrationen und Empfindungen des Zurückgesetzseins verkraften.Die Länder und Völker Europas können ihm diesen Übergang zueiner Existenz mit gleichen Pflichten wiee alle anderen erleichtern,aber nicht ersparen, genauso wie ein Sichentledigen jederVerantwortung undenkbar ist.

Ein Frieden ohne internationalen Zwang bleibt Illusion

Die Aussichten für eine friedliche Entwicklung in B - H sindgering. Die gegenwärtigen Friedensverhandlungen vermitteln wenigHoffnung auf eine dauerhafte Löung des Problems. WeitereKampfhandlungen erscheinen wahrscheinlich und die VN- Truppenkönnten in dis hiningezogen werden. Damit würde das eintreten,

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was die Staatengemeinschaft durch die Absage an ein militärischesEingreifen vermeiden wolle.

Weder Milosevic noch irgendein anderer serbischer Politikerwird sich ohne massiven internationaln Zwang im Kosovo zu einerauch der albanischen Bevölkerung zumutbaren Kompromisslösungbereitfinden. Es muss damit gerechnet werden, dass sich derderzeitige Zustand der Untedrückung in einen offenen Konfliktverwandelt., sobald Serbienn von seiner derzetigen Politik des"schleichenden ethnic cleansing"(Kurs. d. Red.) zu großangelegtenGewalttätigkeitenübrgehen sollte oder die bestehende, auf einefriedliche Lösung bauende albanische Führung des Kosovo durchextremere Elemente ersetzt wird. Seit dem Wahlerfolg des ultra-nationalistischen serbischen Politikers Seselj, in dessen Programmdie Vertreibung der Kosovo-Albaner steht, hat die serbische Politikein zusätzliches Element der Unberechenbarkeit erhalten.

Welche Maßnahmen sollte die Staatengemeinschaftergreifen ?

Grundsätzlich bleiben hinsichtlich der weiteren Maßnahmender internationalen Ge-meinschaft solche zur Beendigung derKampfhandlungen und zur Durchführung humanitärer Aktionen zurRettung der bedrohten Zivilbevölkerung prioritär. Um diese Ziele zuerreichen, die sich aus der Satzung der VN ergeben und welchedurch die Londoner Konferenz im August 1992 für den konkretenFall bekräftigt und präzisiert worden sind, ist ein energichesVorgehen der Staaten, einschliesslich von Zwangmaßmahmen,ebenso notwendig wie unvermeidbar. Hiebei müssen nicht neueMaßnahmen beschlossen, sondern lediglich die bereits vomSicherheitsrat (SR) getroffenen Entscheidungen sowie dieBeschlüsse der Londoner Konferenz durchgesetzt werden.

Hiezu gehört vordringlich die Beendigung des Beschussesvon Städten wie Sarajewo durch schwere Waffen und die

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Stationierung von VN - Truppen an den Grenzen von B - H zurUnterbindung des militärischen Nachschubes für die serbischenVerbände aus der " Bundesrepublik Jugoslawien ". Die von mirwiderholt vorgeschlagene Einrichtung von militärisch gesichertenSchutzzonen sollte rasch angegangen werden, um diZivilbevvölkerung vom Tod durch Kampfhandlungen, Hunger,Krankheiten und Kälte zu retten und zumindest in den geschütztenZonen die weitere Vertreibung etnischer Gruppen zu verhindern. Esmuss klar sein, dass man nur dann von einer echten Schutzzonesprechen kann, wenn deren Sicherheit notfalls auch mitWaffengewalt garantiert wird. Analaoges gilt für sämtlichehumanitäre Hilfslieferungen der VN. Auch hier bedarf es keinerleizusätzlicher Normen, die SR- Resolution 770 vom 13. August 1993ruft die Staaten bereits zur Ergreifung " aller notwendigenMaßnahmen zur Erleichterung der Lieferung von Hilfsgütern" auf..

Auch die fehlende Implemeentierung des Vance- Plans fürKroatien, welcher Anfang 1992 vom SR beschlossen wurde und dieBemilitarisierung der serbisch besetzten Gebiete Kroatiens sowie dieRückkehr der Vertriebenen vorsieht, bringt Anlaß zu größter Sorge.Der Ausbruch neuerlicher Kampfhandlungen wird nur dannverhindert werden können, wenn endlich substantieelle Fortschritte,vor allem hinsichtlich der vorgesehenen Entwaffnung derparamilitärischen Einheiten und der Rückrehr der Vertriebenen,erzielt werden.

Schließlich sollte auch einigenn anderen Bereichen verstärkteAufmerksamkeit gewidmet werden. Hiezu zählt insbesondere dieFrage der Betreuung und vorläufigen gesellschaftlichenEingliederung von Flüchtlingen aus B - B in den Zufluchtsländern,wirtschaftliche Hilfsmaßnahmen für die von der Flüchtlinswellebesonders betroffenen Staaten, ein Ausgleich für die teilsgravierenden, negativen Auswirkungen, die für die Staaten derRegion durch die Implementierung der VN- Sanktionsmaßnahmengegen Serbien / Montenegro entstehen und - nicht zuletzt -Maßnahmen zum Schutz der existentiell bedrohten Medien in B - H,

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dem Kosovo und der Vojvodina sowie generell zur Förderungobjektiver Informationen in den staatlichen Fernsehanstalten undDruckmedien des Raumes.

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Die Gefährlichkeit der These vom " Ausbrennenlassendes Konflikts "

Die Alternative zu sofortigen, umfassenden Maßnahmen derStaatengemeinschaft wären künftige, noch wesentlich mehr immilitärischen Bereich angesiedelte und gegenüber einem früherenZeitpunkt wesentlich teuere Maßnahmen. Sollte noch längere Zeitkeine wirksame Eindämmung des Konflikts von außenunternommen werden, drohen u. U. weitere Ausuferungen derKämpfe mit einer Multiplikation negativer Folgen : dert immerwieder gehörten These,man müsse den Konflikt bloß " ausbrennenlassen ", möchte ich sehr ernstlich entgegenhalten, daß jedes "Weiterbrennen " u. a. die Gefahr eines Wiederauflammens desserbisch-kroatischen Krieges, die Vertiefung der kroatisch-moslemischen Konflikte in Bosnien-Herzegovina ( u. a. mitzunhmender Rohheit in den Ausinandersetzungen und derWeiterausbritung des ursprunglich von Belgrad forcierten ethniccleansing, z. B. nunmehr auch von bosnisch-herzegowinischenKroaten gegen Moslems in Mostar ), sowi das Übergreifen derKriegshandlungen auf den Kosovo und die Einbeziehung zumindestAlbaniens und Mazedonien in sich birgt. Dis könnte zu einerhumanitären Tragödie und einer weitreichenden Verwicklung vonzusätzlichen Staaten führenm, welche ganz Europa unmittelbarbetreffen würde Die negative Beispielswirkung für andere drohendeKonflikte, vor allem in Teilen Osteuropas und der hem.Sowjetunion, könnte dort den Ausbruch weitterer Brandherdebegünstigen.

Bosnien - Herzegowina als Testfall für dieFriedenordnung und als Symbol des Miteinanders vonVölkern und Religionen

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Die gewaltsame Beseitigung der Republik Bosnien-Herzegowina, eines Mitgliedsstaates der KSZE und der VN,entgegen allen wiederholten Zusicherungen undVerpflichtungserklärungen der internationalen Staatengemeinschaft,hätte unabsehbare negative Folgen für die Glaubwürdigkeit derinterationalen Sicherheitsmechanismen, der Staatengemeinschaftund ihrer Organisationen sowie der gemeinsamen Werte, zu denenwir uns in der Charta von Paris feierlich bekannt haben.

Ein Verschwinden der moslemischen Nation alskonstitutivess Elmnt von B - H wwürde di Gefahr dsHeranwachsens einer fundamentalistichen islamischen Bewegung imSüdosten Eropas bzw. unter der bosnischen Diaspora mit allendazughörigen Implikationen erhöhen. Es sollte uns klar sein, daßEuropas Gedeihen auch von einem kontruktiven Miteinander mitseinen Nachbarn an den anderen Ufern des Mittelmeers mit seinenNachcbarn an den andeen Ufern des Mittelmers und in den anderenRegionen unserer immer kleiner werddenden Welt abhängt.

Umso bedenklicher sind die im VN - SR erkennbarenTendenzen zu einer neuen Art von Blockbildung in den Debattenund Abstimmungen betr. den Balkan- Konflikt. Die Schärfe dieserDiskussionen unterstreicht die besondere, vielfach symbolischeBedeutung, die der an sich strategisch und wirtschaftlich nichtausserordentlich wichtigen Balkanregion international zukommt.Grund hiefür ist neben ihrer relativ zentralen Lage in Europa dietagische Rolle dieses Gebiets in den beiden Weltkriegen, vor allemaber das Zusammentreffen der wesentlichen kulturellen undreligiösen Sphären Europas und des Nahen Ostens auf engemRaum. Erst jetzt werdfenn wir uns bewußt, daß besonders B-H einfaszinierender, wenn auch prkärer Testfall für ein auf Tolranzgebautes prosperierendess Zusammenlebn der Mnschen unseresKontinents war und weiterhin sein könnte. Insofern werden heutemitten am alkan die Weichen für die Zukunft unserer Generationund wohl auch nachfolgender Generationen gestellt. In diesem Sinnsind wir alle in gewisser Hinsicht Bosnier und wären schon

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deswegen gut beraten, uns für dieses Land, ebenso wie für denFrieden und die Prosperität der gesamten Region, wie "in eigenerSache" zu engagieren.

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