Konflikte und Konflikttheorien Philosophie der Sozialwissenschaften, SS 08 Leitung: Mag. Dr. Sabine...
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Konflikte und Konflikttheorien
Philosophie der Sozialwissenschaften, SS 08Leitung: Mag. Dr. Sabine Haring
Mario Hiebler, Marlies Lechner, Martin Grutsch, Johannes Ebner
1234 Konflikttheorien
- Ludwig Gumplowicz: Grundriß der Soziologie (Mario)
1234 Konflikttheorien
- Ludwig Gumplowicz: Grundriß der Soziologie (Mario)
- Ralf Dahrendorf: Konflikt und Freiheit (1972) (Marlies)
1234 Konflikttheorien
- Ludwig Gumplowicz: Grundriß der Soziologie (Mario)
- Ralf Dahrendorf: Konflikt und Freiheit (1972) (Marlies)
- Johan Galtung: Strukturelle Gewalt (1975) (Martin)
1234 Konflikttheorien
- Ludwig Gumplowicz: Grundriß der Soziologie (Mario)
- Ralf Dahrendorf: Konflikt und Freiheit (1972) (Marlies)
- Johan Galtung: Strukturelle Gewalt (1975) (Martin)
- Dieter Senghaas: Zivilisierung wider Willen (1998) (Johannes)
1234 zur Biographie Gumplowiczs
• Aus Polen (Krakau), 1938-1909• Jüdischer Herkunft• Jurist und Professor für Staats- und Verwaltungsrecht in Graz• Wichtige Werke:
– Grundriss der Soziologie– Der Rassenkampf 1909
• Begründer Konflikttheorie, Sozialdarwinist• Aus Polen (Krakau), 1938-1909• Jüdischer Herkunft• Jurist und Professor für Staats- und Verwaltungsrecht in Graz• Wichtige Werke:
– Grundriss der Soziologie– Der Rassenkampf 1909
• Begründer Konflikttheorie, Sozialdarwinis
1234 Ludwig Gumplowiczs Menschenbild
• positivistisches Menschenbild, glaubt an soziale Gesetzmäßigkeiten ähnlich Naturgesetzen
• Mensch als Gruppenwesen: nur die Gruppe denkt im einzelnen
• Lebensfürsorge, Eigennutzen der Gruppe steht im Vordergrund
1234 Entstehung und Entwicklung von Staaten [1]
• Feststehendes Territorium
• Eigentum (Grundbesitz) als Herrschaftsmittel Rechtsverhältnis als Voraussetzung
• Unterwerfung anderer ethnischer Gruppen
• Herrscher sind in der Minorität
1234 Entstehung und Entwicklung von Staaten [2]
• Dienstbarmachung der Beherrschten
Ziel: materielle Bedürfnisbefriedigung
• Territoriums- und Machterweiterung ständige Feindseligkeiten, Kriege
1234 Heterogene soziale Elemente innerhalb des Staates
• Unterjochung der Herrschenden (Minorität) über die Beherrschten (Majorität)
• Verschiedene Gruppeninteressen
• Von Zwang, Gewalt Gewohnheit, Sitte Recht (als Legitimation)
• Ablösung ethnischer durch soziale Heterogenitäten im Zeitverlauf
• Friedlicher Kampf heterogener Gruppen
• Anteil der Herrschaft ist proportional zur Macht
1234 Kohäsion homogener Gruppen
• Durch Gemeinsamkeiten, gemeinsame Interessen (‚vergesellschaftete Momente‘)
• Durch Abgrenzung zu Fremden
• Gegensätze = Mangel an Gemeinsamkeiten
1234 Einfluss sozialer Gruppen auf das Individuum
• Entscheidend für das Individuum ist sein sozialer Kreis
• Nicht das Individuum denkt, es ist der Ausdruck der sozialen Gruppe
• Solidarität und Identifikation durch gemeinsame Interessen
1234 Moral und Recht
• Moral als Produkt sozialer Verhältnisse
– Einfluss auf Moral des einzelnen
• Recht = Moral des Stärkeren
– Recht als Ausdruck von Ungleichheit
– Recht als Ausdruck realer Machtverhältnisse
– Gerechtigkeit als Ableitung von staatlichem Recht
• Recht und (!!!) Moral sind wandelbar
• 1929 in Hamburg geboren
• Ist deutschbritischer Soziologe,
Politiker und Publizist
• Wurde in seinem politischen Denken
als Vordenker des Liberalismus bekannt
und ab 1967 Mitglied der FDP
1234 Ralf Dahrendorf
1234 Korrektur an Marx
• Gruppen- und Klassenkonflikt als generelles Phänomen
• Dichotome Herrschaftsverteilung
• Entstehen von Kategorien mit gemeinsamen Interessen > können zu organisierten Gruppen führen
• Intensität und Gewaltsamkeit sind nicht linear
Herrschaftsvertrag
• Streit und Kampf als Grundelemente der menschlichen Gesellschaften
• Menschen wenden sich durch die soziale Kraft des Antagonismus gegeneinander
1234 Was ist ein Konflikt?
• Bezeichnet vorerst jede Beziehung der Elemente, „die sich durch objektive (»latente«) oder subjektive (»manifeste«) Gegensätzlichkeit kennzeichnen läßt.“
• Beziehung von nur zwei Elementen
• „Sozial soll ein Konflikt dann heißen, wenn er sich aus der Struktur sozialer Einheiten ableiten läßt, also überindividuell ist.“
1234 Klassifizierung der Konfliktarten
Rang der BeteiligtenSoziale Einheit
1.Gleicher contra Gleichen
2.Übergeordneter contra
Untergeordneten
3.Ganzes contra Teil
A.Rollen
Patienten c. Klassen (in Arztrolle)
Familienrolle c. Berufsrolle
Herkunftsfamilie c. eigene Familie (als Rollen)
Berufsrolle c. Vereinsrolle
Sozialpersönlichkeit c. Familienrolle
Soldatenrolle c. Gehorsamsverpflichtung
B.Gruppen
Fußball-Abt. c. Leichtathletik-Abt. Jungen c. Mädchen
(in Schulklasse
Vorstand c. Mitglieder (in Verein)Vater c. Kinder
(in Familie)
Altbelegschaft c. Neuling (in Betriebsabt.)
Familie c. „verlorenen Sohn“
C.Sektoren
Firma A c. Firma BLuftwaffe c. Heer
Unternehmensverbände c. Gewerkschaften
Monopolist c. Außenseiter
Kath. Kirche c. „Altkatholiken“Bayern c. „Zugereiste“
D.Gesellschaft
Protestanten c. KatholikenFlamen c. Wallonen
Regierungspartei c. OppositionFreie c. Sklaven
Staat c. kriminelle BandeStaat c. ethnische Minderheit
E.Übergesellschaftl. Verbindungen
Westen c. OstenIndien c. Pakistan
Sowjetunion c. UngarnDeutschland c. Polen
UN c. KongoOEEC c. Frankreich
1234 Consensus- vs. Zwangstheorie
Consensustheorie:• Gesellschaft als stabiles, starres Gefüge von Elementen• Existenz eines Gleichgewichtes• Jedes Element trägt zum Funktionieren der Gesellschaft bei • Consensus der Mitglieder
Zwangstheorie:• Gesellschaft unterliegt zu jedem Zeitpunkt einem Wandel• Ist ein widersprüchliches Gefüge von Elementen• Jedes Element trägt zur Veränderung bei• Beruht auf dem Zwang einiger Mitglieder durch andere
1234 Klassenkonflikt
• Ungleichheiten jeder Art auf ungleiche Herrschaftsverteilung zurückführbar
• Existieren nur aufgrund von bzw. um Herrschaft
• „Herrschaft soll heißen die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden.“
1234 Herrschaft
• Über- und Unterordnungsverhältnis
• Kontrolle des Verhaltens vom Übergeordneten
• Erwartungen knüpfen an soziale Positionen
• Begrenzt auf bestimmte Inhalte und Personen
• Sanktionierung bei Nichtbefolgung
1234 Entwicklung von Konflikten
• Bildung von Quasi-Gruppen mit latenten Interessen.
• Werden diese bewusst, entstehen organisierte Interessensgruppen mit manifesten Interessen
• Dritte Etappe ist ausgebildeter Konflikt. Er erreicht seine Endgestalt, wenn die Beteiligten Organisiert sind
1234 Lösung von Konflikten
• Zunahme der potentiellen Virulenz durch Unterdrückung
• Lösung ebenfalls ungeeignet, da Konflikte nie endgültig gelöst werden können
• Nur durch Regelung werden sie kontrollierbar
• Prof. Johan Galtung
• 1930 in Oslo geboren
• Mathematik und Soziologie
• Konflikt- Friedensforscher
• Berater der UNESCO, OECD, Europarat für Friedensforschung und Europäische Zusammenarbeit
• Konflikte und Konfliktlösung (2007)Die Zukunft der Menschenrechte (2000)Strukturelle Gewalt (1975)
1234 Johan Galtung
Die drei Grundsätze des Friedensbegriffs nach Galtung
• Der Begriff „Frieden“ soll für solche sozialen Ziele verwendet werden, die, wenn nicht von den meisten, so doch von vielen wenigstens verbal anerkannt werden.
• Diese sozialen Ziele können komplex und schwierig, aber nicht unerreichbar sein.
• Der Satz Frieden ist Abwesenheit von Gewalt soll seine Gültigkeit behalten
1234 Strukturelle Gewalt
Die Definition von Gewalt nach Galtung
• Gewalt liegt dann vor, wenn Menschen so beeinflusst werden,
dass ihre aktuelle somatische und geistige Verwirklichung
geringer ist als ihre potentielle Verwirklichung
1234 Strukturelle Gewalt
Sechs Dimensionen der Gewalt
• physische – psychische
• negative – positive
• Objekt – objektlos
• strukturelle – personale
• intendierte – nicht intendierte
• manifeste – latente
1234 Strukturelle Gewalt
Sechs Gattungen der personalen Gewalt
• Zerschmettern
• Zerreißen
• Durchbohren
• Verbrennen
• Vergiften
• Explosionen
1234 Strukturelle Gewalt
Zentrale Begriffe der Gesellschaftsstruktur nach Galtung
• Akteur
• System
• Struktur
• Rang
• Ebene
1234 Strukturelle Gewalt
Sechs Mechanismen der strukturellen Gewalt
• Lineare Rangordnung
• Azyklische Interaktionsmuster
• Korrelation zwischen Rang und Stellung
• Kongruenz der Systeme
• Konkordanz der Ränge
• Rangverknüpfung der Ebenen
1234 Strukturelle Gewalt
„Es gibt viele Arten zu töten. Man kann einem ein Messer in den Bauch stechen, einem das Brot entziehen, einen von einer Krankheit nicht heilen, einen in eine schlechte Wohnung stecken, einen durch Arbeit zu Tode schinden, einen zum Suizid treiben, einen in den Krieg führen usw. Nur weniges davon ist in unserem Staat verboten.“ (Brecht, Berthold: Me-ti, Buch der Wendungen. Nachauflage 1992, Bibliothek Suhrkamp)
1234 Strukturelle Gewalt
1234 Dieter Senghaas
- Geboren am 27. August 1940
- Professor für Friedens-, Konflikt- und
Entwicklungsforschung an der
Universität Bremen
- Zivilisierung wider Willen (1998)
- Zivilisationstheoretische Konflikt- bzw.
Friedenstheorie
1234 Ausgangspunkt: Modernisierung
Zentrales Anliegen
- Chancen und Möglichkeiten für ein dauerhaftes friedliches Zusammenleben eruieren
Zentrale Annahmen
- Frieden als große zivilisatorische Leistung
„Formen und Formeln der friedlichen Koexistenz zu finden, unter deren
Prämissen anhaltende unausweichliche Konflikte ohne Androhung und
Anwendung von Gewalt ausgetragen werden“
- Kritik an der internationalen Kulturdebatte und am
„Kulturessentialismus“ (S. Huntington: Kampf der Kulturen (1993))
- Kulturkreise als homogene, statische Gebilde
- unterstellt zentrale Konfliktlinien ZWISCHEN Kulturkreisen
S. Huntington: „Clash of Civilizations“ (1993)
- Aufeinanderprallen von Kulturen ist die wesentliche
Bestimmungsgröße für die Weltpolitik im 21. Jahrhundert
- die Welt besteht aus 5 bzw. 7 Kulturkreisen
- jeweils typische „Kulturmerkmale“
1234 Die „internationalen Kulturdebatte“
Kritik von Senghaas (1994, 1998)
- „Kulturen“ sind KEINE homogenen, statischen Gebilde
- ALLE Gesellschaften/Kulturkreise sind grundsätzlich konfliktgeladen
- „typisch westliche“ Wertvorstellungen sind Ergebnis eines konfliktreichen Modernisierungsprozesses
- Heute: Modernisierungsprozess in allen Kulturkreisen
- Art der Konfliktlösung weniger vom Kulturkreis als vom Modernisierungsgrad abhängig
- Konfliktlinien nicht ZWISCHEN, sondern IN Kulturkreisen
1234 Kritik an der „internationalen Kulturdebatte“
Westeuropa als Vorreiter
- Zivilisierung am weitesten fortgeschritten
- seit spätestens 1750: Umbau der sozialen Welt
- wirtschaftliche, politische, soziale und geistige Veränderungen - Pluralität
- Fundamentalpolitisierung
- Errungenschaften der Moderne mussten gegen die eigene Tradition und Geschichte erkämpft werden
- „Zivilisierung wider Willen“
„Modernisierung ist ein problematischer, konfliktreicher Prozess, in deren Verlauf eine Gesellschaft mit sich selbst in Konflikt gerät.“
1234 Modernisierung: das „Wunder“ Westeuropa
1234 Das zivilisatorische Hexagon
- Gewaltmonopol
- Rechtsstaatlichkeit
- Affektkontrolle
- demokratische Partizipation
- soziale Gerechtigkeit
- Konfliktkultur
Die Außerwestliche Welt
- Heute: Modernisierungsprozesse in allen Gesellschaften
- Wiederholung der europäischen Entwicklung unter erschwerten Bedingungen
- Pluralität- Fundamentalpolitisierung
- Unterschiedliche Reaktionen - Imitation- Bewahrung- Halbierte Modernisierung- Innovation
1234 „Nachholende Modernisierung“
Konflikte
- sind notwendig und durchaus nützlich
Zentrale Herausforderung/„Kulturaufgabe“
- „(…) „Finden einer öffentlichen Ordnung, die durch Pluralität von Identitäten und Interessen gekennzeichnet ist.“
- Ermöglichung einer verlässlichen Zivilisierung des modernen Konflikts
1234 Folgerungen
Chance
- Selbstreflexivität von Gesellschaften im Modernisierungsprozess
Ziel
- Weltinnenpolitik
Handlungsstrategien
- Realistische Betrachtung der europäischen Geschichte
- nicht europäischen Weg wiederholen
- sondern lokal eingefärbte Varianten entwickeln
1234 Folgerungen
Probleme
- Eurozentrismus
- Normative und deskriptive Aspekte werden vermischt
- Ignoriert kulturelle Unterschiede
- Begriffe „Zivilisation“ und „Zivilisierung
- Ignoriert negative Seiten/Ambivalenzen der Zivilisierung
Leistungen
- Systematische Zusammenfügung verschiedenster Konzepte
- Wichtig als normative Handlungsgrundlage
1234 Kritik
12345 Überblick
1 Ludwig GumplowizcSozialer Gesetzmäßigkeiten (ähnlich Naturgesetzen)
Staat Unterwerfung anderer Gruppen Verfolgung eigener (Gruppen-)interessen zur Bedürfnisbefriedigung
Sozialer Kreis: Zusammenhalt aufgrund ‚vergesellschafteter Momente‘: Homogenität
Keine Individualität, die Gruppe denkt im einzelnen
Recht und Moral sind wandelbar, als Ausdruck realer Machtverhältnisse im Staat
2 Ralf DahrendorfHerrschaft und Konflikt gelten als universelle Merkmale aller Gesellschaftsformen, variieren lediglich durch ihre Intensität und Gewaltsamkeit > es gibt keine Gesellschaft ohne Konflikt
Durch gemeinsame Interessen bilden sich Organisationen heraus
Konflikt erst in seiner Endgestalt, wenn die Beteiligten Elemente eine organisierte Identität aufweisen.
Als Lösungsstrategie erscheint nur die Regelung von Konflikten sinnvoll
3 Johan Galtung-Alles was Individuen daran hindert ihre Anlagen und Möglichkeiten voll zu entfalten ist eine Form von Gewalt-Gewalt wird nicht mehr den Personen zugerechnet, sondern den Strukturen wie z.B. Werte, Normen Institutionen-Personen müssen nicht unbedingt die Gewalt subjektiv wahrnehmen-Struktureller Gewalt liegt soziale Ungleichheit zugrunde
4 Dieter Senghaas- Konflikte gibt es in jeder Gesellschaft- Die Art der Konfliktlösung ist weniger vom
Kulturkreis als vom Modernisierungsgrad ab
- Modernisierung ist ein konfliktreicher Prozess- Frieden ist ein zivilisatorisches Projekt- Die wesentlichen Konflikte finden nicht
zwischen sondern innerhalb einzelner
Kulturkreise statt
- Die Zivilisierung ist nie abgeschlossen und
die Zivilisation immer gefährdet
1 XXX
2 XXX
3 Gibt es bei Galtungs Theorien Parallelen zu den Klassikern der
Soziologie?
4 Wie ist Senghaas‘ Theorie mit der weltpolitischen Entwicklung
seit dem 11. September 2001 in Einklang zu bringen?
12345 Diskussion